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20 MobilesLEBEN 1 I 2008 THEMA MEDIKAMENTÖSE OSTEOPOROSE-THERAPIE VON PD DR. MED. HABIL. STEPHAN SCHARLA, BAD REICHENHALL In einem ersten Schritt sollen vier neue Osteoporose-Medika- mente vorgestellt werden. Da jedoch „neu“ nicht immer unbedingt „besser“ bedeutet, werden wir in der nächsten Ausgabe unseres MobilenLEBEN in derselben Ausführlichkeit auch die „altbewährten“ Osteo- porose-Medikamente vorstellen, die selbstverständlich wei- terhin nützlich sind. Ibandronat (Bonviva ® ) Zusammenfassung Ibandronat ist ein Osteoporosemedikament aus der Wirk- stoffgruppe der Bisphosphonate. Es wurde im Jahr 2005 als Monatstablette (einmal im Monat eine Tablette zu 150 mg) und im Jahr 2006 als 3-Monats-Spritze (3 mg intravenös alle 3 Monate) zugelassen. Die Innovation bestand in den Darrei- chungsformen, zum einen die weniger häufige Tablettenein- nahme mit dadurch besserer Verträglichkeit für einige Pati- entinnen, und zum anderen die Anwendung über Spritzen in die Vene, was eine Anwendung auch bei Patientinnen mit Magen/Darm-Erkrankungen und/oder Tablettenunverträg- lichkeit möglich macht. In der ursprünglichen Zulassungsstudie für Ibandronat mit 2,5 mg täglich oral wurde das Risiko für Wirbelkörperbrü- che gesenkt, in einer Untergruppenanalyse auch das Risiko für periphere Knochenbrüche. Da mit der Monatstablette und mit der 3-Monats-Spritze noch bessere Knochendich- tezuwächse als in der urprünglichen Studie erzielt werden, erkennen die Zulassungsbehörden die Wirksamkeit auch für die neuen Darreichungsformen an. Das Nebenwirkungsprofil von Ibandronat ist günstig. Bei der Darreichungsform mit der Spritze in die Vene werden Ma- gen/Darm-Beschwerden vermieden. Allerdings kann die von der Stoffgruppe der Bisphosphonate bekannte Akut-Phase- Reaktion nach intravenöser Injektion auftreten. Dabei han- delt es sich um grippeähnliche Beschwerden mit Gelenk- und Gliederschmerzen und leichtem Fieber, die für die Dauer von 1 – 2 Tagen in ca. 5 % der Fälle nach der erstmaligen Injektion auftreten können. Über Kieferknochennekrosen als Neben- wirkungen wurden bei der Anwendung von Ibandronat zur Osteoporosetherapie nicht berichtet. Unbeeinflusst blieben Leber- und Nierenfunktion. Chemische Eigenschaften von Ibandronat und Wirkmechanismus Ibandronat (Ibandronsäure) gehört zur Medikamenten- gruppe der Bisphosphonate. Dabei handelt es sich um eine chemische Substanzklasse, die sich durch ein zentrales Koh- lenstoffatom mit 2 daran gebundenen Phosphatgruppen auszeichnet. Diese Phosphatgruppen bestimmen wesentlich die Bindung des Ibandronat an das Knochenmineral (Hydro- xylapatit). An das Kohlenstoffatom sind zwei weitere Mole- külreste gebunden, von denen ein Rest eine Hydroxylgruppe, der andere Rest eine stickstoffhaltige Seitenkette ist (1-hy- droxy-3-(methylpentylamino)-propylidene bisphosphonat). Wie die anderen stickstoffhaltigen Bisphosphonate auch, hemmt das Ibandronat ein wichtiges Enzym des zellulären Stoffwechsels der Osteoklasten (Knochenfresszellen), die Farnesylpyrophosphat-Synthase. Im Vergleich mit anderen Bisphosphonaten hat Ibandronat aufgrund seiner besonde- ren chemischen Struktur eine stark hemmende Wirkung auf den Zellstoffwechsel der Osteoklasten. Durch die Hemmung des Zellstoffwechsels kommt es zu einer geringeren Aktivität der Osteoklasten und zu einer verringerten Osteoklastenan- zahl. Durch die Potenz des Ibandronat kommt man mit ge- ringen Substanzmengen aus, was die Darreichungsform mit langen Einnahmeintervallen ermöglicht. Pharmakokinetik von Ibandronat (Aufnahme in den Körper, Speicherung und Ausscheidung) Bei der oralen Applikation als Tablette wird Ibandronat wie alle oralen Bisphosphonate nur zu einem geringen Teil (ca. 5 %) aus dem Darm aufgenommen. Bei der intravenösen Ver- abreichung verbleibt ca. 50 % im Knochen, der Rest wird über die Niere ausgeschieden. Im Knochen kommen praktisch nur die Knochenfresszellen (Osteoklasten) im Rahmen des Kno- chenabbaus mit dem Medikament in Kontakt und werden dadurch gehemmt. Dies führt zu einer starken Hemmung des Knochenabbaus und auch generell des Knochenumbaus, wo- bei aber die Zusammensetzung des Knochens nicht geändert wird, wie tierexperimentelle Studien ergeben haben. In um- In Presse, Funk und Fernsehen wird der Laie vermehrt mit Berichten über verschiedene Möglichkeiten der medikamentösen Osteoporose- Therapie konfrontiert. Eine Entwicklung, die verunsichern kann. Vor diesem Hintergrund möchten wir Betroffenen in unserem MobilenLEBEN einen ausführlichen und umfassenden Überblick über die verschiedenen Therapie-Optionen geben. Medikamente zur Behandlung der Osteoporose (1) FOTO: PD DR. MED. STEPHAN SCHARLA

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20 MobilesLEBEN 1 I 2008

T H E M A M E D I K A M E N T Ö S E O S T E O P O R O S E - T H E R A P I E

VON PD DR. MED. HABIL. STEPHAN SCHARLA, BAD REICHENHALL

In einem ersten Schritt sollen vier neue Osteoporose-Medika-mente vorgestellt werden. Da jedoch „neu“ nicht immer unbedingt „besser“ bedeutet, werden wir in der nächsten Ausgabe unseres MobilenLEBEN in derselben Ausführlichkeit auch die „altbewährten“ Osteo-porose-Medikamente vorstellen, die selbstverständlich wei-terhin nützlich sind.

Ibandronat (Bonviva®)

ZusammenfassungIbandronat ist ein Osteoporosemedikament aus der Wirk-stoffgruppe der Bisphosphonate. Es wurde im Jahr 2005 als Monatstablette (einmal im Monat eine Tablette zu 150 mg) und im Jahr 2006 als 3-Monats-Spritze (3 mg intravenös alle 3 Monate) zugelassen. Die Innovation bestand in den Darrei-chungsformen, zum einen die weniger häufi ge Tablettenein-nahme mit dadurch besserer Verträglichkeit für einige Pati-entinnen, und zum anderen die Anwendung über Spritzen in die Vene, was eine Anwendung auch bei Patientinnen mit Magen/Darm-Erkrankungen und/oder Tablettenunverträg-lichkeit möglich macht. In der ursprünglichen Zulassungsstudie für Ibandronat mit 2,5 mg täglich oral wurde das Risiko für Wirbelkörperbrü-che gesenkt, in einer Untergruppenanalyse auch das Risiko für periphere Knochenbrüche. Da mit der Monatstablette und mit der 3-Monats-Spritze noch bessere Knochendich-tezuwächse als in der urprünglichen Studie erzielt werden, erkennen die Zulassungsbehörden die Wirksamkeit auch für die neuen Darreichungsformen an. Das Nebenwirkungsprofi l von Ibandronat ist günstig. Bei der Darreichungsform mit der Spritze in die Vene werden Ma-gen/Darm-Beschwerden vermieden. Allerdings kann die von der Stoffgruppe der Bisphosphonate bekannte Akut-Phase-Reaktion nach intravenöser Injektion auftreten. Dabei han-delt es sich um grippeähnliche Beschwerden mit Gelenk- und Gliederschmerzen und leichtem Fieber, die für die Dauer von 1 – 2 Tagen in ca. 5 % der Fälle nach der erstmaligen Injektion auftreten können. Über Kieferknochennekrosen als Neben-

wirkungen wurden bei der Anwendung von Ibandronat zur Osteoporosetherapie nicht berichtet. Unbeeinfl usst blieben Leber- und Nierenfunktion.

Chemische Eigenschaften von Ibandronat und WirkmechanismusIbandronat (Ibandronsäure) gehört zur Medikamenten-gruppe der Bisphosphonate. Dabei handelt es sich um eine chemische Substanzklasse, die sich durch ein zentrales Koh-lenstoffatom mit 2 daran gebundenen Phosphatgruppen auszeichnet. Diese Phosphatgruppen bestimmen wesentlich die Bindung des Ibandronat an das Knochenmineral (Hydro-xylapatit). An das Kohlenstoffatom sind zwei weitere Mole-külreste gebunden, von denen ein Rest eine Hydroxylgruppe, der andere Rest eine stickstoffhaltige Seitenkette ist (1-hy-droxy-3-(methylpentylamino)-propylidene bisphosphonat). Wie die anderen stickstoffhaltigen Bisphosphonate auch, hemmt das Ibandronat ein wichtiges Enzym des zellulären Stoffwechsels der Osteoklasten (Knochenfresszellen), die Farnesylpyrophosphat-Synthase. Im Vergleich mit anderen Bisphosphonaten hat Ibandronat aufgrund seiner besonde-ren chemischen Struktur eine stark hemmende Wirkung auf den Zellstoffwechsel der Osteoklasten. Durch die Hemmung des Zellstoffwechsels kommt es zu einer geringeren Aktivität der Osteoklasten und zu einer verringerten Osteoklastenan-zahl. Durch die Potenz des Ibandronat kommt man mit ge-ringen Substanzmengen aus, was die Darreichungsform mit langen Einnahmeintervallen ermöglicht.

Pharmakokinetik von Ibandronat (Aufnahme in den Körper, Speicherung und Ausscheidung)Bei der oralen Applikation als Tablette wird Ibandronat wie alle oralen Bisphosphonate nur zu einem geringen Teil (ca. 5 %) aus dem Darm aufgenommen. Bei der intravenösen Ver-abreichung verbleibt ca. 50 % im Knochen, der Rest wird über die Niere ausgeschieden. Im Knochen kommen praktisch nur die Knochenfresszellen (Osteoklasten) im Rahmen des Kno-chenabbaus mit dem Medikament in Kontakt und werden dadurch gehemmt. Dies führt zu einer starken Hemmung des Knochenabbaus und auch generell des Knochenumbaus, wo-bei aber die Zusammensetzung des Knochens nicht geändert wird, wie tierexperimentelle Studien ergeben haben. In um-

In Presse, Funk und Fernsehen wird der Laie vermehrt mit Berichten über verschiedene Möglichkeiten der medikamentösen Osteoporose-Therapie konfrontiert. Eine Entwicklung, die verunsichern kann. Vor diesem Hintergrund möchten wir Betroffenen in unserem MobilenLEBEN einen ausführlichen und umfassenden Überblick über die verschiedenen Therapie-Optionen geben.

Medikamente zur Behandlung der Osteoporose (1)

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fangreichen tierexperimentellen Studien konnte auch nach-gewiesen werden, dass die Knochenbruchheilung oder auch die Einheilung von Implantaten nicht verschlechtert wird. Andere Zellen oder Gewebe des Körpers kommen so gut wie gar nicht mit Ibandronat in Kontakt, was die spezifi sche, auf den Knochen bezogene Wirkung und die geringe Nebenwir-kungsrate erklärt. Eine mögliche Wirkung auf Zellen (z.B. Immunzellen oder auch Tumorzellen bei Knochenmetasta-sen) in der räumlichen Umgebung von Knochenabbaustel-len erscheint jedoch möglich. Ibandronat hat nach Absetzen eine längere Verweilzeit im Knochen als Risedronat, aber eine kürzere Halbwertszeit als Alendronat oder Zoledronat.

Klinische Wirkung von Ibandronat bei Patien-tinnen mit OsteoporoseAls starker Hemmer des Knochenabbaus kommt das Ibandro-nat bei verschiedenen Skeletterkrankungen zum Einsatz, so zum Beispiel zur Behandlung der Hypercalciämie (Erhöhung des Blutcalciumspiegels). 2004 wurde die BONE-Studie veröf-fentlicht, in der die Patienten über 3 Jahre mit 2,5 mg Iband-ronat behandelt wurden (Chesnut et al: J Bone Miner Res 2004;19:1241). Die Knochendichte stieg über 3 Jahre um 6,5 % an der Lendenwirbelsäule und um 3,4 % am hüftnahen Ober-schenkelknochen an. Über 3 Jahre konnte eine Reduktion des Risikos für Wirbelbrüche um 62 % gezeigt werden. In einer Untergruppe der Patienten mit einer sehr niedrigen Knochen-dichte am Schenkelhals konnte auch eine Reduktion des Risi-kos für nichtvertebrale Frakturen um 69 % gezeigt werden. Eine intermittierende orale Gabe von Ibandronat (mit tablet-tenfreien Intervallen) hatte in dieser Studie einen vergleich-baren Effekt auf die Frakturrate. In der Mobile-Studie wurde gezeigt, dass die Verabreichung von 150 mg Ibandronat ein-mal im Monat oral zu einer mindestens so guten Zunahme der Knochendichte wie die tägliche Einnahme führt, und in einer weiteren Studie führte die intravenöse Injektion von 3 mg Ibandronat alle 3 Monate (3-Monats-Spritze) zu einer noch besseren Zunahme der Knochendichte. Somit ist davon aus-zugehen, dass diese jetzt verwendeten Applikationsformen genauso gute Effekte auf die Senkung des Knochenbruchri-sikos aufweisen (Reginster et al. Ann Rheum Dis 2006;65:654; Delmas et al. Arthritis & Rheumatism 2006;54:1838).

Nebenwirkungen und GegenanzeigenIn der BONE-Studie mit der oralen Applikation gab es keine in Art und Häufi gkeit von der Kontrollgruppe signifi kant ab-weichende Nebenwirkungen. Bei der Anwendung von Iband-ronat als Spritze kann, wie bei anderen Bisphosphonaten auch, durch eine Stimulation von Immunzellen bei einigen Patienten (ca. 5 %) kurzzeitig eine grippeähnliche Reaktion auftreten, die durch Fieber, Muskelschmerz, Kopfschmerz, und Gelenkschmerzen gekennzeichnet ist. Diese grippeähn-lichen Beschwerden treten hauptsächlich nur nach der ers-ten Spritze auf, und sie halten auch nur ein bis zwei Tage an. So genannte Kieferknochennekrosen (die insbesondere bei Krebspatienten in Zusammenhang mit hochdosierter Bis-phosphonatbehandlung beobachtet werden), traten in den zitierten Osteoporosestudien mit Ibandronat nicht auf. Auch war die Heilung von Knochenbrüchen durch Ibandronat nicht verschlechtert. Gegenanzeigen: Überempfi ndlichkeit gegen

Ibandronat oder andere Bestandteile des Medikamentes Bonviva, Hypocalciämie (erniedrigter Blut-Calcium-Spiegel), Schwangerschaft und Stillzeit, stark eingeschränkte Nieren-funktion.

BeurteilungIbandronat (Bonviva®) erweitert die Applikationsformen der Medikamentengruppe der Bisphosphonate. Durch die Mo-natstablette kann bei einigen Patientinnen die Verträglich-keit und Akzeptanz der oralen Therapie mit Tabletten ver-bessert werden. Die 3-Monats-Spritze ist insbesondere für Patienten mit Problemen der Tabletteneinnahme und/oder mit Magen-Darm-Erkrankungen eine gute Therapieoption.

Parathormon 1-84 (Preotact®)

ZusammenfassungHumanes Parathormon 1-84 gehört zu den osteoanabolen Medikamenten, d.h. seine Wirkung besteht in der Stimula-tion des Knochenaufbaus. Ein weiterer, schon länger zuge-lassener Vertreter ist das humane Parathormon-Fragment hPTH-1-34 (Teriparatid). Humanes Parathormon 1-84 ist identisch mit dem in den Nebenschilddrüsen hergestellten natürlichen Hormon Parathormon, welches den Calcium-stoffwechsel reguliert. Parathormon hat im Knochen sowohl die Eigenschaft, die Knochenaufbauzellen zu stimulieren, als auch den Knochenabbau anzuregen. Bei der Anwendung als Osteoporosetherapeutikum überwiegt aufgrund der An-wendungsart die Stimulation des Knochenaufbaus. Parathor-mon 1-84 wird einmal täglich als Spritze subcutan (unter die Haut in das Unterhautfettgewebe) verabreicht (bevorzugte Injektionsstelle ist die Bauchhaut). Diese Injektionen können von den Patientinnen selbst mit einer Injektionshilfe (Pen) vorgenommen werden. Die zugelassene Gesamttherapie-dauer beträgt 2 Jahre. Während der Therapie kommt es zur Knochenneubildung, was sich anhand der biochemischen Marker für Osteoblastenaktivität, anhand von histologischen Knochenuntersuchungen und anhand der Zunahme der Kno-chendichte nachweisen lässt. In der Zulassungsstudie wurde bei postmenopausalen Frauen mit Osteoporose (überwie-gend noch ohne Knochenbruch) signifi kant das Risiko für Wirbelkörpereinbrüche gesenkt. Da diese Studie nicht dafür ausgerichtet war, auch die Wirkung auf nichtvertebrale Kno-chenbrüche zu untersuchen, liegen hierfür keine Daten vor. Das Nebenwirkungsprofi l ist günstig, es kann jedoch relativ häufi g (in mehr als einem Viertel der Patientinnen) zu einem Anstieg des Blutcalciumspiegels kommen, was eine Dosisre-duktion erfordert. Der Blutcalciumspiegel muss deshalb un-ter Therapie überwacht werden. Parathormon 1-84 ist für die Behandlung der postmenopausalen Osteoporose der Frau zugelassen.

Chemische Eigenschaften von Parathormon 1-84 und WirkmechanismusParathormon 1-84 ist ein Peptidhormon, das aus 84 Amino-säuren zusammengesetzt ist. Es wird natürlicherweise in den Nebenschilddrüsen auch beim Menschen gebildet. Parathor-mon bindet sich an spezifi sche Rezeptoren (PTH/PTHrP –Re- ➜

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zeptor, PTH1R) auf den Osteoblasten (Knochenaufbauzellen) beziehungsweise auf den osteoblastären Vorläuferzellen. Die Bindung des aminoterminalen Endes des Parathormonmole-küls an den Rezeptor führt zur Aktivierung von mehreren se-cond messenger –Wegen (Signalketten), zu denen die Bildung von cAMP, Steigerung des cytoplasmatischen ionisierten Cal-ciums, und Aktivierung von PLC und PKC gehört. Die Aktivie-rung der Postrezeptor-Signalketten wird offensichtlich durch die Dauer der Rezeptor-Aktivierung durch Parathormon be-einfl usst: Eine kurzzeitige Rezeptorbindung aktiviert andere Genmuster in der Zelle als eine dauerhafte Rezeptorstimula-tion. Die Effekte auf die osteoblastären Zellen bestehen in einer vermehrten Aktivierung von Wachstumsfaktoren und in einer Vermehrung der Osteoblasten. Parathormon bewirkt andererseits eine verstärkte Sekretion von Faktoren, die die Osteoklastenreifung und –aktivität fördern, wie z.B. RANK-Ligand und Interleukin-6.Bei der therapeutischen Anwendung von Parathormon mit einmal täglichen subcutanen Injektionen und nur kurzzei-tiger Präsenz von Parathormon am Rezeptor überwiegen deutlich die Aktivierung der osteoblastären Zellen und die Steigerung der Knochenneubildung. Darüber hinaus hat Parathormon auch an anderen Organen Effekte: In der Niere wird die Rückgewinnung von Calcium aus dem Primärurin gefördert, was zu einem verminderten Verlust von Calcium in den Urin führt (Calcium wird also im Körper zurückgehalten). Weiterhin aktiviert Parathormon in der Niere die Bildung der Hormonform von Vitamin D, das heißt, dass die Konzentration von 1,25-dihydroxyvitamin D (Calcitriol) ansteigt. Dies wiederum steigert die Aufnahme von Calcium aus der Nahrung im Darm. Diese Effekte erklä-ren, warum Parathormon zu einem Anstieg der Blutcalcium-Konzentration führt. Die therapeutische Anwendung von Parathormon mit einmal täglicher Gabe führt im Knochen zu einer Verdickung der

Knochenbälkchen und zu einer Verbesserung der Architektur der Knochenbälkchen.

Pharmakokinetik von Parathormon 1-84 (Auf-nahme in den Körper, Speicherung und Ausschei-dung)Nach subcutaner Injektion befi ndet sich Parathormon zu-nächst im Unterhautfettgewebe (subcutanes Gewebe), aus dem es allmählich freigesetzt wird. In der Blutbahn lässt sich Parathormon für einige Stunden nach Injektion nachweisen. Das in der Blutbahn befi ndliche Parathormon wird rasch in der Leber abgebaut und die Fragmente werden teilweise über die Niere ausgeschieden.

Klinische Wirkung von Parathormon 1-84 bei Patientinnen mit OsteoporoseDie Zulassungsstudie wurde als vollständiger Aufsatz 2007 ver-öffentlicht (Greenspan et al. Ann Intern Med 2007;146:326). Es handelte sich um eine 18-monatige randomisierte dop-pelblinde plazebokontrollierte Studie. Es wurden insgesamt 2532 Frauen für diese Studie rekrutiert (mittleres Alter 64 Jahre). Alle Frauen erhielten 400 Einheiten Vitamin D und 700 mg Calcium täglich. Im aktiven Arm der Studie wurden täglich 100 µg rekombinantes humanes Parathormon 1-84 einmal täglich gegeben. Unter Parathormontherapie nahm die Knochendichte an der Wirbelsäule um 6,9 % zu und am hüftnahen Oberschenkelknochen um 2,1 %. Am Unterarm nahm die Knochendichte etwas ab (dies ist durch eine Zunah-me des Durchmessers des Röhrenknochens unter Therapie er-klärbar). Innerhalb von einem Monat bereits kam es zu einem Anstieg der knochenspezifi schen alkalischen Phosphatase als Marker für die Osteoblastenaktivität, im weiteren Verlauf stieg auch der Osteoklastenmarker NTX im Urin an (insgesamt also wurde der Knochenstoffwechsel aktiviert). Im Vergleich zur Kontrollgruppe wurde das Risiko für Wirbelkörperbrü-

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che um 58 % gesenkt. Ein Effekt auf nichtvertebrale Kno-chenbrüche wurde nicht nachgewiesen (allerdings war die Studie dafür nicht ausgerichtet gewesen). Nach derzeitigem Kenntnisstand sollte nach Abschluss der Parathormonthera-pie eine antiresorptive (knochenabbauhemmende) Therapie angeschlossen werden, um den neu gebildeten Knochen vor Verlust zu schützen.

Nebenwirkungen und GegenanzeigenParathormon 1-84 kann aufgrund seiner Wirkung in den ver-schiedenen Organsystemen (Knochen, Niere, indirekt auch am Darm) den Serum-Calcium-Spiegel erhöhen. Eine Hy-percalciämie (Blutcalciumerhöhung) trat bei 28 % der Pati-entinnen in der Parathormontherapiegruppe auf ( 4,5 % in der Kontrollgruppe). Eine Kontrolle der Serumcalciumspiegel unter Parathormon 1-84 -Therapie ist deshalb zu empfehlen, und bei erhöhtem Calcium ist die Calciumsupplementation zu verringern oder zu pausieren, auch kann auf eine Injektion von Parathormon 1-84 alle 2 Tage übergegangen werden. Weitere Nebenwirkungen können Übelkeit, Schwindel, und Kopfschmerzen sein (bei abendlicher Injektion weniger aus-geprägt). Parathormon 1-84 ist kontraindiziert bei Kindern und Jugendlichen mit offenen Epiphysenfugen, bei Erkran-kungen mit erhöhtem Risiko ossärer Tumoren, bei Morbus Paget, und bei primärem oder sekundärem Hyperparathyre-oidismus.

BeurteilungParathormon 1-84 ist ein anabol wirksames Therapeutikum, das vor allem bei solchen Patientinnen sinnvoll ist, die einen stark reduzierten Knochenstoffwechsel haben und/oder auf die antiresorptiven Medikamente (z.B. Bisphosphonate) nicht ausreichend ansprechen (weiteres Absinken der Knochen-dichte und/oder neue Frakturen trotz Therapie). Aufgrund der hohen Therapiekosten muss der Einsatz von Parathor-mon 1-84 medizinisch gut begründet werden.

Strontiumranelat (Protelos®)

ZusammenfassungStrontium Ranelat wurde 2004 erstmals zur Therapie der Os-teoporose bei der postmenopausalen Frau in Deutschland zugelassen. Die Leitlinien des Dachverbandes Osteologie (DVO) verleihen dem Strontium Ranelat den Empfehlungs-grad A (also die höchste Bewertung) für die Verminderung von Wirbelkörperbrüchen und von peripheren Knochenbrü-chen (z.B. Oberschenkel, Unterarm, u.a.). Strontium Ranelat unterscheidet sich vom Wirkansatz her von den übrigen Os-teoporosemedikamenten: es stimuliert den Knochenaufbau und es hemmt gleichzeitig den Knochenabbau, was für eine positive Knochenbilanz sorgt. Die jeweiligen Einzeleffekte sind aber jeweils schwächer ausgeprägt als es bei solchen Medikamenten der Fall ist, die den Abbauhemmern (Anti-resorptiva) oder den Aufbaustimulatoren (Osteoanabolika) zugerechnet werden. Der Wirkmechanismus von Strontium Ranelat ist letztendlich noch nicht vollständig aufgeklärt, wobei Strontium Ranelat direkte Effekte auf die Knochenzel-len ausübt, die durch Aktivierung Kationen-sensitiver Rezep-

toren und durch Effekte auf interzelluläre Botenstoffe (z.B. Osteoprotegerin ) erklärt werden. Strontium Ranelat ist ein-fach einzunehmen: Es wird in Form eines Granulates zur Her-stellung einer Suspension angeboten, wobei die Einnahme einmal täglich abends mindestens 2 Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme erfolgen soll. In den Zulassungsstudien wurde in einem Zeitraum von 3 Jahren eine Verminderung des Risikos für Wirbeleinbrüche und für Knochenbrüche des peripheren Skelettes gezeigt. In einer Gruppe besonders gefährdeter Personen wurde auch das Risiko für hüftnahe Oberschenkelbrüche (z.B. Oberschenkelhalsbrüche) vermin-dert. In Verlängerungsstudien war dieser Effekt auch noch nach 5 Jahren nachweisbar. Strontium Ranelat ist auch noch bei hochbetagten Patientinnen mit einem Alter von > 80 Jah-ren wirksam. Unerwünschte Wirkungen betreffen vor allem gastrointestinale Nebenwirkungen (transiente Übelkeit und Durchfälle), die aber subjektiv meist tolerabel sind und meist nur am Anfang auftreten. Das Risiko für tiefe Beinve-nenthrombosen war in den Zulassungsstudien gering erhöht, und mittlerweile wurde auch über zwar selten auftretende, aber teilweise auch schwerwiegende allergische Reaktionen berichtet.

Chemische Eigenschaften von Strontium Rane-lat und WirkmechanismusStrontium Ranelat besteht aus 2 Atomen Strontium und einem Molekül Ranelicsäure. Strontium ist ein natürlich vor-kommendes Element. Im Erdreich und Wasser liegt Strontium normalerweise in variablen niedrigen Konzentrationen vor (0,01 – 0,45 mmol/l), und eine normale Kost enthält ca. 0,023 – 0,046 mmol Strontium pro Tag. Chemisch und Physikalisch hat Strontium eine große Ähnlichkeit mit Calcium und mit Magnesium. Im Knochen lagert es sich an die Oberfl äche der Mineralkristalle (Hydroxylapatit-Kristalle) an. Inwieweit eine mögliche Stabilisierung der Mineralkristalle zur klinischen Wirkung beiträgt, wird diskutiert. Strontium hat aber auch direkte Wirkung auf die Knochenzellen. In vitro (Zellkultur und Organkultur) steigert Strontium die Vermehrung von os-teoblastären Vorläuferzellen und trägt somit zur Steigerung der Zahl von Knochenaufbauzellen bei, während die Aktivität und Resorptionskapazität von Osteoklasten (der Knochenab-bauzellen) gehemmt wird. Der Wirkmechanismus auf mo-lekularer Ebene ist dabei noch nicht vollständig aufgeklärt. Strontium aktiviert Kationen-sensitive Rezeptoren, und in Zellkulturen konnte eine Modulation von Botenstoffen wie Osteoprotegerin und RANKL gezeigt werden. Tierexperimen-tell wurde mit Strontium eine Vermehrung der Knochenmas-se und eine Verbesserung der Knochenstruktur gezeigt, und der Knochen war nach Strontiumtherapie besser mechanisch belastbar, was einer verbesserten Festigkeit entspricht. In den Therapiestudien beim Menschen führte Strontium (im Ver-gleich zur Kontrollgruppe) zu einer leichten Abnahme von biochemischen Knochenresorptionsmarkern im Blut und zu einem leichten Anstieg der knochenspezifi schen alkalischen Phosphatase als Zeichen einer gesteigerten Knochenneubil-dung. Die histologische Auswertung von Knochenbiopsien zeigte im Studienverlauf bei den mit Strontium behandel-ten Patienten (im Vergleich zur Kontrollgruppe) eine hö-here Knochenneubildung und in der dreidimensionalen ➜

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Analyse mittels Mikro-Computertomographie eine bessere Knochenarchitektur. Dabei handelte es sich jedoch um eine Querschnittsanalyse und nicht um Daten aus gepaarten Pro-ben vor und nach Therapie. (Arlot et al. J Bone Miner Res 2008;23:215).

Pharmakokinetik von Strontium Ranelat (Auf-nahme in den Körper, Speicherung und Ausschei-dung)Aus dem Darm wird Strontium zu ca. 25 – 30 % aufgenom-men, die Aufnahme wird aber bei gleichzeitiger Zufuhr von Nahrung oder von Calcium vermindert (deshalb die Emp-fehlung, Strontium Ranelat erst in 2-stündigem Abstand zur Nahrungsaufnahme einzunehmen). Vitamin D verbessert die Aufnahme von Strontium aus dem Darm. Da Strontium che-misch und physikalisch eng mit Calcium verwandt ist, hat es eine hohe Affi nität (Anheftung) an den Knochen, wo es sich bei fortgesetzter Zufuhr weiter ansammelt (akkumuliert). Auf der Mineralebene wird Calcium ungerichtet durch Strontium ersetzt, wobei Strontium sich vor allem in neu gebildetem Knochen anreichert. Strontium reichert sich hauptsächlich auf der Kristalloberfl äche der Apatitkristalle der Mineralpha-se an, weniger im Kristallinneren. Wenn die Strontiumzufuhr beendet wird, kommt es inner-halb von 6 Wochen zu einer Reduktion des Strontiumgehaltes des Knochens um ca. 50 %. Die Halbwertszeit für diese erste Ausscheidungsphase von Strontium beträgt ca. 41 Tage, es gibt aber eine zweite Phase der langsameren Ausscheidung mit einer Halbwertszeit von ca. 3 Jahren.

Klinische Wirkung von Strontium Ranelat bei Patientinnen mit OsteoporoseStrontium Ranelat führt zu einer deutlichen Verbesserung der messbaren Knochenmineraldiche in der DXA-Analyse, im Mittel um 6 % im ersten Jahr der Behandlung. Da das in den Knochen eingelagerte Strontium aufgrund physikalischer Effekte die Messwerte der DXA-Messungen nach oben be-einfl usst, müssen die Anstiege der Knochendichte allerdings für die veränderte Absorption korrigiert werden; bei einer inhomogenen Strontiumverteilung im Knochengewebe kann diese allerdings nur näherungsweise erfolgen. Die Wirkung von Strontium Ranelat auf das Knochenbruchrisiko wurde in zwei Studien mit der Dosis von 2g bei postmenopausalen Frauen mit einer manifesten Osteoporose getestet. Dabei wurde in der SOTI-Studie bei Frauen mit einem durchschnitt-lichen Alter von 70 Jahren über 3 Jahre eine 41%ige Sen-kung des Risikos für Wirbelbrüche im Vergleich zu Plazebo gefunden. Die fraktursenkende Wirkung war bereits nach einem Jahr nachweisbar. (Meunier et al. N Engl J Med 2004; 350:459) In der TROPOS-Studie wurde bei älteren Frauen mit Osteoporose (durchschnittliches Alter 77 Jahre) das Risiko für nichtvertebrale Knochenbrüche um 16% gegenüber Plazebo gesenkt. In einer Subgruppenanalyse fand sich für die Hoch-risikogruppe eine Reduktion des Risikos für hüftnahe Ober-schenkelbrüche um 36%. (Reginster et al. J Clin Endocrinol Metab 2005;90:2816). In der Verlängerung der Studie wurde nach 5 Jahren eine Risikoreduktion um 43 % gesehen. Da-bei war die Zunahme der gemessenen Knochendichte am

Oberschenkelknochen signifi kant mit der Risikoreduktion für neue Wirbelbrüche verknüpft (Bruyere et al. J Clin Metab 2007;92:3076).

Nebenwirkungen und GegenanzeigenUnter Strontiumranelat kann es am Anfang der Behand-lung zu Durchfällen kommen. Insgesamt trat Durchfall in den Zulassungsstudien bei 6,6 % der mit Strontium Ranel-at behandelten Patientinnen und bei 4,3 % der mit Placebo (Scheinpräparat) behandelten Patientinnen auf. Übelkeit, Kopfschmerzen und allergischer Hauterscheinungen waren unter Strontium Ranelat ebenfalls etwas häufi ger. Selten kann es zu schwerwiegenden allergischen Reaktionen kom-men (so genanntes Dress-Syndrom), weshalb bei Auftreten von Hauterscheinungen das Medikament sofort abgesetzt werden muss. Unter Strontium Ranelat fand sich im Vergleich zur Kontrollgruppe ein ca. 1,4-fach höheres Risiko für tiefe Beinvenenthrombosen (gesamte Häufi gkeit 0,7 %). Bei Pa-tienten mit schwerer Nierenfunktionseinschränkung (Kreati-nin-Clearance unter 30 ml/min) wird Strontium Ranelat nicht empfohlen.

BeurteilungStrontium Ranelat (Protelos®) erweitert das Therapiespekt-rum der Osteoporose mit einem neuen, besonderen Wirk-prinzip. Hervorzuheben sind die nachgewiesene Wirkung auf das Risiko nicht nur von Wirbelbrüchen, sondern auch auf das Risiko von nichtvertebralen Brüchen und von hüftnahen Oberschenkelbrüchen. Auch wurde für Strontium Ranelat die Wirksamkeit bei älteren Patientinnen (über 80 Jahre) gezeigt. Die relative Risikosenkung für Knochenbrüche scheint im Vergleich mit anderen Therapeutika etwas geringer zu sein, wobei direkte Vergleichsstudien fehlen. Positiv zu werten ist der Nachweis der Wirksamkeit über eine Therapiedauer von bis 5 Jahren. Bisher gibt es nur Belege für die Wirksamkeit bei Frauen. Die Nebenwirkungsrate war in den Studien gering, in der Praxis muss vor allem auf das Auftreten von allergischen Reaktionen geachtet werden.

Zoledronat (Aclasta®)

Zusammenfassung2007 wurde ein weiteres Medikament aus der Wirkstoffgrup-pe der Bisphosphonate zur Behandlung der postmenopau-salen Osteoporose der Frau in Deutschland zugelassen: das Zoledronat (Zoledronäure). Damit wird das Spektrum der Osteoporose-Therapie um ein Präparat erweitert, das als In-fusion nur einmal im Jahr appliziert werden muss. Es ist des-halb eine geeignete Therapie z.B. für solche Patientinnen, die mit der Einnahme von Tabletten Probleme haben oder Unverträglichkeiten für orale Präparate aufweisen. Durch die Behandlung mit Zoledronat wurde in der Zulassungsstu-die im Vergleich zu einer Plazebogabe sowohl das Risiko von Wirbelkörperbrüchen als auch das Risiko von Brüchen des peripheren Skeletts (z.B. Oberschenkelknochen, Unterarm) gesenkt. Speziell wurde auch das Risiko für hüftnahe Ober-schenkelknochenbrüche (z.B. Schenkelhalsbrüche) signifi kant

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vermindert. In einer Nachfolge-Studie war Zoledronat auch bei solchen Patientinnen wirksam, die bereits einen hüft-nahen Oberschenkelknochenbruch erlitten hatten: Neben einer Verminderung von weiteren Knochenbrüchen konnte darüber hinaus auch eine geringere Sterblichkeit bei den mit Zoledronat behandelten Patientinnen gezeigt werden. Das Nebenwirkungsprofi l von Zoledronat ist günstig. Durch die Darreichungsform mit der Infusion in die Vene werden Ma-gen/Darm-Beschwerden vermieden. Allerdings tritt die von der Stoffgruppe der Bisphosphonate bekannte Akut-Phase-Reaktion häufi ger auf. Dabei handelt es sich um grippeähn-liche Beschwerden mit Gelenk- und Gliederschmerzen und leichtem Fieber, die für die Dauer von 1 – 2 Tagen in ca. 20 % der Fälle nach der erstmaligen Infusion auftraten. Kieferkno-chennekrosen traten bei der Anwendung von Zoledronat zur Osteoporosetherapie nicht vermehrt auf (anders als in der Hoch-Dosisbehandlung bei Krebspatienten mit gleichzeitiger Chemotherapie). Unbeeinfl usst blieben Leber- und Nieren-funktion.

Chemische Eigenschaften von Zoledronat und WirkmechanismusZoledronat (Zoledronsäure) gehört zur Medikamentengruppe der Bisphosphonate. Dabei handelt es sich um eine chemische Substanzklasse, die sich durch ein zentrales Kohlenstoffatom mit 2 daran gebundenen Phosphatgruppen auszeichnet. Die-se Phosphatgruppen bestimmen wesentlich die Bindung des Zoledronats an das Knochenmineral (Hydroxylapatit). An das Kohlenstoffatom sind zwei weitere Molekülreste gebunden, von denen ein Rest als Seitenkette ausgebildet ist, die aber auch ein Ringsystem enthalten kann. Beim Zoledronat sind im Ring der Seitenkette zwei Stickstoffatome eingefügt. Wie die anderen stickstoffhaltigen Bisphosphonate auch hemmt das Zoledronat ein wichtiges Enzym des zellulären Stoff-wechsels der Osteoklasten (Knochenfresszellen), die Farne-sylpyrophosphat-Synthase. Darüberhinaus kann Zoledronat den Zellstoffwechsel auch über die Bildung an ATP-Analoga beeinfl ussen (dadurch wird der Energiestoffwechsel der Zelle gehemmt). Im Vergleich mit anderen Bisphosphonaten hat Zoledronat aufgrund seiner besonderen chemischen Struk-tur mit die stärkste Bindung an das Knochenmineral und

die stärkste hemmende Wirkung auf den Zellstoffwechsel der Osteoklasten. Durch die Hemmung des Zellstoffwechsels kommt es zu einer geringeren Aktivität der Osteoklasten und zu einer verringerten Osteoklastenanzahl.

Pharmakokinetik von Zoledronat (Aufnahme in den Körper, Speicherung und Ausscheidung)Zoledronat wird bei Aufnahme über den Mund (orale Zu-fuhr) im Magen-Darm-Trakt nur sehr schlecht aufgenommen. Bei der medizinischen Anwendung wird Zoledronat deshalb in Form einer Infusion (Dauer 15 – 30 Minuten) direkt in die Vene zugeführt. Im Anschluss an die Infusion werden inner-halb von 24 Stunden ca. 40 % des Zoledronats über die Niere wieder ausgeschieden. Der Rest des Zoledronats gelangt in den Knochen und wird dort fest gebunden und gespeichert. Dies erklärt die lange Wirksamkeit (länger als ein Jahr) auch nach einmaliger Infusion. Im Knochen kommen praktisch nur die Knochenfresszellen (Osteoklasten) im Rahmen des Kno-chenabbaus mit dem Medikament in Kontakt und werden dadurch gehemmt. Dies führt zu einer starken Hemmung des Knochenabbaus und auch generell des Knochenumbaus, wobei aber auch nach Therapie über mehrere Jahre feinge-webliche, histologische Untersuchungen an Knochenbiopsien immer noch eine ausreichende Knochenstoffwechselaktivität zeigten. Andere Zellen oder Gewebe des Körpers kommen so gut wie gar nicht mit Zoledronat in Kontakt, was die spezi-fi sche, auf den Knochen bezogene Wirkung und die geringe Nebenwirkungsrate erklärt. Eine mögliche Wirkung auf Zel-len (z.B. Immunzellen oder auch Tumorzellen bei Knochen-metastasen) in der räumlichen Umgebung von Knochenab-baustellen erscheint jedoch möglich.

Klinische Wirkung von Zoledronat bei Patien-tinnen mit OsteoporoseAls starker Hemmer des Knochenabbaus kommt das Zoled-ronat bei verschiedenen Skeletterkrankungen zum Einsatz, so zum Beispiel schon lange als Zusatztherapie bei Krebser-krankungen, um die Ausbreitung von Knochenmetastasen aufzuhalten (Metastase = Tochtergeschwulst). Weitere Ein-satzmöglichkeiten sind die Hypercalciämie (Erhöhung des Blutcalciumspiegels) und die Paget-Erkrankung des Kno- ➜

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chens. Vor kurzem (2007) wurde nun aufgrund sehr positiver Studienergebnisse das Zoledronat auch für die Behandlung der Osteoporose der postmenopausalen Frau zugelassen. In der HORIZON-Studie wurden 7765 Patientinnen (mittleres Alter 73 Jahre) nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen ein-geteilt: Eine Gruppe erhielt bei Studienbeginn, nach einem Jahr, und nach zwei Jahren jeweils eine einzelne intravenöse Infusion von 5 mg Zoledronat (über 15 Minuten), während die zweite Gruppe (Kontrollgruppe) zu den gleichen Zeit-punkten eine Infusion mit einem unwirksamen Scheinpräpa-rat (Plazebo) erhielt. Die Studiendauer betrug 3 Jahre. Das Risiko für neue röntgenologisch nachweisbare Wirbelbrüche wurde um 70 % reduziert (3,3 % der Frauen in der Zoledro-natgruppe erlitten neue Wirbelbrüche, während 10,9 % der Frauen in der Plazebogruppe einen Wirbelbruch erlebten). Das Risiko für mit Beschwerden verbundenen Wirbelbrüche wurde um 77 % vermindert. Auch das Risiko für hüftnahe Oberschenkelbrüche (z.B. Schenkelhalsbrüche) wurde um 41 % vermindert. Die Knochendichte stieg an der Wirbelsäule um 6,7 % an und am hüftnahen Oberschenkelknochen um 6,0 %. Der Knochenumbau wurde anhand von Laborparame-tern (Umbaumarker) abgeschätzt, und es wurde unter Zole-dronat eine Reduzierung der Knochenumbaurate um ca. 60 % beobachtet. In einer weiteren Studie wurde der Effekt von Zoledronat bei Patienten mit proximaler Femurfraktur (hüftnahe Ober-schenkelknochenbrüche) untersucht, die eine Behandlung mit Bisphosphonat-Tabletten nicht durchführen konnten oder wollten. Innerhalb von 90 Tagen nach chirurgischer Be-handlung des Knochenbruchs erhielten die Patienten entwe-der einmalig 5 mg Zoledronat (1065 Patienten) oder Plazebo (1062 Patienten). Der Median der Beobachtungszeit war 1,9 Jahre. Die Zahl der mit Beschwerden verbundenen Knochen-brüche wurde in dieser Studie um 35 % gesenkt, wobei eine Verminderung sowohl von Wirbelbrüchen als auch von Brü-chen des peripheren Skeletts beobachtet wurde. Die Zahl der Patienten, die in der Beobachtungszeit nach der hüftnahen Oberschenkelfraktur verstarben, war nach Zoledronatbe-handlung um 28 % vermindert. Zu erwähnen ist, dass alle Patienten in den zitierten Studien begleitend Calcium und Vitamin D erhielten.

Nebenwirkungen und GegenanzeigenBisphosphonate rufen insbesondere nach Anwendung als Spritze oder Infusion in die Vene durch eine Stimulation von Immunzellen bei einigen Patienten kurzzeitig eine grippe-ähnliche Reaktion hervor, die durch Fieber, Muskelschmerz, Kopfschmerz, und Gelenkschmerzen auffallen kann. Meist treten diese grippeähnlichen Beschwerden nur nach der Erst-Infusion auf und sie halten auch nur wenige Tage an. Zur Abmilderung oder Vermeidung sollte auf eine ausreichende Trinkmenge geachtet werden, weiterhin können auch nicht-steroidale Antirheumatika wie z.B. Ibuprofen kurzfristig eingenommen werden. In der HORIZON-Studie traten diese grippeähnlichen Beschwerden nach der ersten Infusion bei 32 % der Zoledronat-Patientinnen (aber auch bei 6 % der plazebobehandelten Patientinnen!) und nach der 2 . Infusion noch bei 6,6 % und nach der dritten Infusion bei 2,8 % der Patientinnen auf. In der Studie mit Zoledronat bei Hüftfrak-turpatienten wurden grippeähnliche Beschwerden dagegen

nur bei 6,9 % der Patienten nach der 1. Zoledronat-Infusion beobachtet. Aufgrund der Hemmung des Knochenabbaus kann es nach Zoledronat-Infusion zu einem Absinken des Blutcalcium-Spiegels kommen. Vor der Zoledronat-Infusion sollte deshalb eine Behandlung mit Calcium und Vitamin D bereits eingeleitet worden sein. Bisphosphonate können auf-grund der Ausscheidung über die Niere die Nierenfunktion beeinfl ussen, insbesondere nach zu schneller Verabreichung hoher Dosierungen über die Vene. In der HORIZON Studie zeigten 1,2 % der zoledronatbehandelten Patientinnen ei-nen Kreatinin-Anstieg von mehr als 0,5 mg/dl, im Vergleich zu 0,4 % in der Plazebogruppe (Kreatinin ist ein Laborwert, der die Nierenfunktion repräsentiert). Eine ernsthafte Verschlech-terung der Nierenfunktion wurde in der Zoledronatgruppe jedoch nicht häufi ger als in der Plazebogruppe beobachtet. In der 2. Studie mit Zoledronat bei Hüftfrakturpatienten führte Zoledronat im Vergleich zu Plazebo zu keiner Ver-schlechterung der Nierenfunktion. Gemäß Fachinformation wird Zoledronat für Patienten mit schwerer Einschränkung der Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance < 30 ml/min) nicht empfohlen. In der HORIZON-Studie traten bei 1,3 % der Zoledronat-Patientinnen, aber nur bei 0,5 % der plazebo-behandelten Patientinnen behandlungsbedürftiges Vorhof-fl immern (eine Herzrhythmusstörung) auf. Andere Herzkreis-laufkomplikationen traten unter Zoledronat nicht häufi ger auf. In der Studie zur Anschlussbehandlung nach Hüftfrak-tur war das Auftreten von Vorhoffl immern unter Zoledronat aber sogar eher seltener als unter Plazebo, so dass in Bezug auf Herzkreislaufkomplikationen unter Zoledronat-Therapie Entwarnung gegeben werden kann. So genannte Kieferkno-chennekrosen (die bei Krebspatienten in Zusammenhang mit hochdosierter Bisphosphonatbehandlung beobachtet wer-den), traten in den zitierten Osteoporosestudien mit Zoled-ronat nicht auf. Auch war die Heilung von Knochenbrüchen durch Zoledronat nicht verschlechtert. Selten kann es, wie bei allen Bisphosphonaten, zu vorübergehenden Bindehautent-zündungen der Augen kommen. Gegenanzeigen: Überemp-fi ndlichkeit gegen Zoledronat oder andere Bestandteile des Medikamentes Aclasta, Hypocalciämie (erniedrigter Blut-Cal-cium-Spiegel), Schwangerschaft und Stillzeit.

BeurteilungZoledronat (Aclasta®) stellt eine wertvolle Innovation in der Osteoporosetherapie dar, indem dieses Medikament nur ein-mal im Jahr als venöse Infusion verabreicht wird. Daher ist es insbesondere für Patienten mit Problemen der Tabletten-einnahme und/oder mit Magen-Darm-Erkrankungen eine gute Therapieoption. Hervorzuheben ist auch die Wirksam-keit an allen Skelettorten (Wirbelsäule, periphere Knochen, Schenkelhals) und die sehr gute Risikoreduktion. Erstmals wurde auch die Effektivität der Therapie zur Verhinderung neuer Knochenbrüche bei Patienten gezeigt, die schon einen Schenkelhalsbruch erlitten haben, und dies auch bei älteren Patienten. Bisher sind Ergebnisse für eine Therapiedauer von 3 Jahren publiziert.

Privatdozent Dr. med. habil. Stephan ScharlaInternist & Endokrinologe/DiabetologeSalinenstraße 8, 83435 Bad Reichenhall

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VON PD DR. MED. HABIL. STEPHAN SCHARLA, BAD REICHENHALL

Alendronat (Fosamax®, Fosa- vance®, Alendronsäure-Generika)

Zusammenfassung Alendronat ist ein Osteoporosemedikament aus der Wirkstoff-gruppe der Bisphosphonate. Es wurde bereits 1996 (damals zunächst als täglich einzunehmendes Präparat) zugelassen und stellt somit den ältesten Wirkstoff mit sehr gut wissen-schaftlich nachgewiesener Wirksamkeit dar. Mittlerweile liegt Alendronat auch als einmal wöchentlich einzuneh-mende Präparation vor. Alendronat wird mittlerweile auch von Generika-Firmen als so genanntes Nachahmer-Präparat mit gleichem Wirkstoffgehalt angeboten. Das Original-Prä-parat wird inzwischen auch als Kombinationstablette mit Vitamin D3 angeboten (Fosavance). Die Zulassung liegt für postmenopausale Frauen und für Männer mit Osteoporose vor, und auch für die Glukokortikoid-induzierte Osteoporo-se. Alendronat senkt das Risiko für Wirbelkörperbrüche und auch für periphere Knochenbrüche (= Knochenbrüche, die nicht die Wirbelsäule betreffen) sowie auch speziell von pro-ximalen Femurfrakturen (Schenkelhalsbrüche). Aufgrund der breiten Wirksamkeit und infolge der Preissen-kungen durch die Generika-Hersteller wird Alendronat von der staatlichen Gesundheitsadministration (Krankenkassen, kassenärztliche Vereinigungen) als Leitsubstanz zur Osteopo-rose-Therapie favorisiert. Die übliche Therapiedauer beträgt 3 – 5 Jahre.

Chemische Eigenschaften von Alendronat und WirkmechanismusAlendronat (Alendronsäure) gehört zur Medikamenten-gruppe der Bisphosphonate. Dabei handelt es sich um eine chemische Substanzklasse, die sich durch ein zentrales Koh-lenstoffatom mit 2 daran gebundenen Phosphatgruppen auszeichnet. Diese Phosphatgruppen bestimmen wesentlich die Bindung des Alendronat an das Knochenmineral (Hydro-xylapatit). An das Kohlenstoffatom sind zwei weitere Mole-külreste gebunden, von denen ein Rest eine Hydroxylgrup-

pe, der andere Rest eine stickstoffhaltige Seitenkette ist (4-amino-1-hydroxybutylidene -1,1-bisphosphonat). Wie die anderen stickstoffhaltigen Bisphosphonate auch hemmt das Alendronat ein wichtiges Enzym des zellulären Stoffwechsels der Osteoklasten (Knochenfresszellen), die Farnesylpyrophos-phat-Synthase. Dadurch wird die Aktivität der Osteoklasten vermindert, und es kommt auch zu einer verringerten Osteo-klastenanzahl.

Pharmakokinetik von Alendronat (Aufnahme in den Körper, Speicherung und Ausscheidung)Bei der oralen Applikation als Tablette wird Alendronat wie alle oralen Bisphosphonate nur zu einem sehr geringen Teil aus dem Darm aufgenommen. Nach nächtlicher Nahrungs-karenz sind im Durchschnitt nur 0,75 % bioverfügbar, wenn mit dem Frühstück 2 Stunden gewartet wird. Wenn der Ab-stand zum Frühstück auf eine halbe Stunde verringert wird, dann verringert sich die Bioverfügbarkeit nochmals. Die in-dividuellen Unterschiede der Wirkstoffaufnahme aus der Ta-blette sind sehr groß. Alendronat wird praktisch unverändert über die Niere ausgeschieden. Nach Aufnahme von Alendro-nat kann ein Teil direkt wieder über die Niere ausgeschieden werden, der größere Anteil bindet sich an die Mineralphase im Knochen. Die Langzeit-Halbwertszeit von Alendronat be-trägt wahrscheinlich länger als 10 Jahre (Gertz et al. Osteo-porosis Int 1993;Suppl. 3:S13). Im Knochen kommen praktisch nur die Knochenfresszellen (Osteoklasten) im Rahmen des Knochenabbaus mit dem Medikament in Kontakt und wer-den dadurch gehemmt. Dies führt zu einer Verminderung des Knochenabbaus und auch generell des Knochenumbaus, wo-bei aber die Zusammensetzung des Knochens im allgemeinen nicht geändert wird, wie tierexperimentelle Studien ergeben haben. In Einzelfällen kann es aber auch zu einer sehr starken Hem-mung der Umbau- und Reparaturaktivität des Knochens kommen mit möglicherweise erhöhter Sprödigkeit des Kno-chens unter Langzeittherapie. Eine sehr lange Therapiedau-er (> 5 Jahre) muss deshalb vom Arzt individuell entschieden werden, unter Berücksichtigung von Krankheitsaktivität und Knochendichte und individuellen Risiken. Andere Zellen oder Gewebe des Körpers kommen so gut wie gar nicht mit Alendronat in Kontakt, was die spezifi sche, auf den Knochen

Unseren Überblick über die verschiedenen medikamentösen Therapie-Optionen bei Osteoporose möchten wird in dieser Ausgabe unseres MobilenLEBEN mit der ausführlichen und umfassenden Darstellung von vier „altbewährten“ Osteoporose-Medikamenten fortsetzen: Alendronat, Raloxifen, Risedronat und Teriparatid.

Medikamente zur Behandlung der Osteoporose ( II )

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bezogene Wirkung und die geringe Nebenwirkungsrate er-klärt. Nach einer aktuellen Mitteilung von J.D. Ringe auf dem ECCEO –Kongress scheint die Bioverfügbarkeit der Alendro-nat-Generika schlechter zu sein als beim Originalpräparat (inwieweit sich möglicherweise Generika untereinander un-terscheiden, ist nicht bekannt – der häufi ge Herstellerwech-sel bei der Apothekenabgabe infolge der Rabattverträge er-scheint in diesem Zusammenhang problematisch).

Klinische Wirkung von Alendronat bei Patien-tinnen mit OsteoporoseAufgrund der schon seit langem durchgeführten Anwen-dung von Alendronat liegen für diese Substanz Erfahrungen von vielen Patientinnen und Patienten vor, was einen sehr hohen Grad an Sicherheit für die klinischen Wirkungen und auch Nebenwirkungen bedeutet. Die grundlegenden Studi-en belegten eine Wirkung von Alendronat bei Frauen ohne vorbestehende Knochenbrüche und bei Frauen mit bestehen-den Knochenbrüchen. Die Frakturinterventions-Studie (FIT) zeigte bei Frauen mit vorbestehender Wirbelfraktur (insgesamt 2027 Studienteil-nehmerinnen), dass das Risiko für neue röntgenologisch nach-weisbare Wirbelbrüche um 47 % und das Risiko für hüftnahe Oberschenkelfrakturen um 51 % gesenkt wird (Black et al. The Lancet 1996;348:1535). Bei Frauen ohne vorbestehende Fraktur, aber mit niedriger Knochendichte, wurde das Risiko für extravertebrale Knochenbrüche um 47 % gesenkt (Pols et al. Osteoporos Int 1999;9:461). Bei Männern senkt Alen-dronat das Risiko für Wirbelbrüche um 62 % (Orwoll et al. N Engl J Med. 2000;343:604). Der Effekt auf die Absenkung der Frakturrate ist nach einem Jahr Therapiedauer bereits nachweisbar. Die meisten Studien liefen über 3 Jahre. Eine über 5 Jahre hinausgehende Therapiedauer ist wohl nur bei Patientinnen mit immer noch sehr niedriger Knochendichte sinnvoll. Alendronat verhindert auch bei postmenopausalen Frauen mit glukokortikoid-induzierter Osteoporose das Risi-ko für neue Knochenbrüche.

Nebenwirkungen und GegenanzeigenDie Nebenwirkungen von Alendronat betreffen hauptsäch-lich den Gastrointestinaltrakt (Enzündungen der Speiseröh-ren- und Magenschleimhaut). Zur Verringerung des Neben-wirkungsrisikos müssen die Einnahmevorschriften beachtet werden: Einnahme nüchtern mit einem großen Glas Leitungs-wasser, danach Vermeidung einer liegenden Position (damit die Tablette in den Darm durchrutschen kann). Seltene Ne-benwirkungen sind allergische Reaktionen (Hautexantheme, Bindehautentzündung), sehr selten ist eine Leberentzündung berichtet worden. Ebenfalls sehr selten sind Kieferknochen-nekrosen mit der Anwendung von Alendronat bei Osteopo-rose in Zusammenhang gebracht worden. Gegenanzeigen: Überempfi ndlichkeit gegen Alendronat, Hypocalciämie (erniedrigter Blut-Calcium-Spiegel), Erkran-kungen der Speiseröhre, Schwangerschaft und Stillzeit, stark eingeschränkte Nierenfunktion.

BeurteilungAlendronat (Fosamax ®, Generika Alendronsäure) ist unter den Medikamenten mit höchstem Wirksamkeitsnachweis (Evidenzgrad A) die Substanz mit der längsten Anwendungs-

zeit. Dies gibt Patienten und Ärzten sehr große Sicherheit. Da Bisphosponate bei Vitamin D-Mangel nicht so gut wirken können, ist das Kombinationpräparat Alendronat + Vitamin D (Fosavance 5600) von Interesse. Ob die Nachahmer-Präpa-rate (Generika) hinsichtlich Verträglichkeit und Bioverfügbar-keit wirklich mit dem Original vergleichbar sind, wird derzeit diskutiert.

Raloxifen (Evista®)

ZusammenfassungRaloxifen ist ein Osteoporosemedikament aus der Wirkstoff-gruppe der selektiven Östrogenrezeptormodulatoren (abge-kürzt SERMs). Raloxifen wird als Tablette einmal täglich ein-genommen, unabhängig von Mahlzeiten und Tageszeit (d.h. es kann sowohl nüchtern als auch mit Mahlzeiten genommen werden). Raloxifen ist für die Prophylaxe und Therapie der postmenopausalen Osteoporose zugelassen. Raloxifen senkt das Risiko für Wirbelkörperbrüche, für eine kleine Versuchs-gruppe mit manifester Osteoporose wurde auch eine Reduk-tion von peripheren Knochenbrüchen (= Knochenbrüche, die nicht die Wirbelsäule betreffen) gezeigt. Die Therapie mit Raloxifen hat als Zusatznutzen eine Senkung des Brustkrebs-risikos. Die Nebenwirkungsrate ist gering. Patientinnen mit erhöhtem Thrombose- oder Schlaganfallrisiko sollten jedoch nicht mit Raloxifen behandelt werden. Insbesondere bei Frauen kurz nach den Wechseljahren können Wechseljahrs-beschwerden wie Schwitzen verstärkt werden. Die übliche Therapiedauer beträgt 3 – 5 Jahre.

Chemische Eigenschaften von Raloxifen und WirkmechanismusRaloxifen gehört zur Medikamentengruppe der selektiven Östrogenrezeptormodulatoren (SERMS). Raloxifen selbst ist kein Sexualhormon und auch kein Steroid, chemisch ist es ein Benzothiophenderivat. Raloxifen bindet jedoch an den Ös-trogenrezeptor und moduliert bzw. beeinfl usst somit die Re-zeptoraktivität. Da Raloxifen in anderer Weise als Östrogen den Östrogenrezeptor bindet, hat es in einigen Organen (z.B. Knochen ) östrogenähnliche Wirkung, in anderen Organen (z.B. Brust) antiöstrogene Wirkung. An der Gebärmutter hat Raloxifen keine Wirkung. Durch die östrogenähnliche Wir-kung im Knochen wird über die Bildung von spezifi schen Si-gnalstoffen (z.B. Osteoprotegerin) und über die Hemmung von bestimmten anderen Signalstoffen (Zytokine wie Inter-leukin 6) auf physiologischem Weg die Osteoklastenaktivität gehemmt, d.h. es kommt zu einer Bremsung des Knochenab-baus. Durch gleichzeitige Stimulation von Wachstumsfakto-ren wird gleichzeitig der Knochenaufbau gefördert. Bei der therapeutischen Anwendung von Raloxifen in der Dosis von 60 mg täglich kommt vor allem die Hemmung des Knochen-abbaus zum Tragen. Der Knochenstoffwechsel wird aber nie-mals vollständig unterdrückt, so dass Reparatur- und Umbau-vorgänge im Knochen weitergehen können. Ebenso werden die Materialeigenschaften des Knochens nicht verändert.

Pharmakokinetik von Raloxifen (Aufnahme in den Körper, Speicherung und Ausscheidung)Bei der oralen Applikation als Tablette wird Raloxifen gut

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aufgenommen. Raloxifen wird über die Leber verstoffwech-selt, die Halbwertszeit ist relativ kurz, weshalb die Einnahme täglich erfolgen muss. Besondere Einnahmevorschriften sind nicht zu beachten. Wechselwirkungen mit anderen Medika-menten sind bisher nicht beobachtet worden.

Klinische Wirkung von Risedronat bei Patien-tinnen mit OsteoporoseIn der Zulassungsstudie für Raloxifen (MORE-Studie) wur-den 7705 postmenopausale Frauen untersucht. In der zuge-lassenen Dosierung von 60 mg täglich wurde das Risiko für Wirbelkörperbrüche um 30 % gesenkt. Die fraktursenkende Wirkung schien um so stärker ausgeprägt, je schlechter der Ausgangswert der Knochendichte ist. (Ettinger et al. JAMA 1999;282:637). In nachträglichen Auswertungen dieser Studie für die Gruppe der Frauen, die bereits vor Therapiebeginn schwere Wirbelbrüche aufwiesen, wurde auch ein Schutzef-fekt für extravertebrale (periphere) Knochenbrüche gezeigt. (Senkung des Risikos für Brüche z.B. an Armen, Beinen um 47 %). In Bezug auf klinische Wirbelbrüche (also solche, die Be-schwerden wie Schmerzen verursachen), konnte eine Risiko-senkung um 68 % bereits innerhalb des ersten Jahres gezeigt werden (Maricic et al. Arch Intern Med 2002;162:1140). Nach Absetzen von Raloxifen beginnen die Patientinnen wie-der Knochendichte zu verlieren, so dass diese Therapie mög-lichst langfristig angelegt sein sollte. In einer Beobachtungs-studie wurde ein guter Effekt auf die Schmerzsymptomatik, nicht nur an der Wirbelsäule, sondern auch an Gelenken nachgewiesen (Scharla et al. Current Medical Research and Opinion 2006;22:2393). Als positiver Zusatznutzen konnte sowohl in der Osteoporosestudie als auch in einer unabhän-gigen eigenen Studie eine Senkung des Risikos für Brustkrebs unter Raloxifenbehandlung nachgewiesen werden.

Nebenwirkungen und GegenanzeigenUnter Raloxifen kam es zwar selten, aber doch deutlich häu-fi ger als in der Kontrollgruppe zu tiefen Venenthrombosen und zu Lungenembolien. Weiterhin können Wechseljahrsbe-schwerden und Wadenkrämpfe auftreten. Selten sind aller-gische Reaktionen. Gegenanzeigen: bestehende oder in der Vorgeschichte aufgetretene thromboembolische Ereignisse, einschließ-lich tiefer Venenthrombose, Lungenembolie und Retinave-nenthrombose, eingeschränkte Leberfunktion, schwere Nie-renschädigung, unklare Uterusblutungen.

Beurteilung Raloxifen ist gut magenverträglich und deshalb gerade auch für Patientinnen mit Magen/Darm-Problemen geeignet. Die Wirkung auf den Knochen imitiert die normale Östrogen-wirkung ist deshalb als physiologisch, d.h. der natürlichen Stoffwechselregulation entsprechend, anzusehen. Hervorzu-heben ist der Zusatznutzen hinsichtlich der Vorbeugung vor Brustkrebs. Gegenanzeigen wie erhöhtes Thromboserisiko sind jedoch zu beachten.

Risedronat (Actonel®, Actonel + Ca/D®)

ZusammenfassungRisedronat ist ein Osteoporosemedikament aus der Wirk-stoffgruppe der Bisphosphonate. Es wurde zunächst als täg-lich einzunehmendes Präparat zugelassen, später wurde Risedronat auch als einmal wöchentlich einzunehmende Präparation zugelassen (Wochentablette). Die Risedronat-Ta-

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blette muss morgens nüchtern eine halbe Stunde vor dem Frühstück mit Leitungswasser eingenommen werden, danach sollen die Patienten sich nicht wieder hinlegen. Risedronat wird inzwischen auch als Kombipackung mit Calcium und als Kombipackung mit Calcium/Vitamin D3 angeboten (Actonel plus Calcium, Actonel + Ca/D). Die Zulassung liegt für postme-nopausale Frauen und für Männer mit Osteoporose vor, und auch für die Glukokortikoid-induzierte Osteoporose. Risedro-nat senkt das Risiko für Wirbelkörperbrüche und auch für pe-riphere Knochenbrüche sowie auch speziell von proximalen Femurfrakturen (Schenkelhalsbrüchen). Die Nebenwirkungs-rate ist gering und betrifft vor allem den Magen-Darm-Trakt. Die übliche Therapiedauer beträgt 3 – 5 Jahre.

Chemische Eigenschaften von Risedronat und WirkmechanismusRisedronat (Risedronsäure) gehört zur Medikamentengruppe der Bisphosphonate. Dabei handelt es sich um eine chemische Substanzklasse, die sich durch ein zentrales Kohlenstoffatom mit 2 daran gebundenen Phosphatgruppen auszeichnet. Die-se Phosphatgruppen bestimmen wesentlich die Bindung des Risedronat an das Knochenmineral (Hydroxylapatit). An das Kohlenstoffatom sind zwei weitere Molekülreste gebunden, von denen ein Rest eine stickstoffhaltige Seitenkette ist. Bei Risedronat ist das Stickstoffatom in einen Ring eingebunden (Pyridinyl-Bisphosphonat). Wie die anderen stickstoffhaltigen Bisphosphonate hemmt auch Risedronat ein wichtiges En-zym des zellulären Stoffwechsels der Osteoklasten (Knochen-fresszellen), die Farnesylpyrophosphat-Synthase. Dadurch wird die Aktivität der Osteoklasten vermindert, und es kommt auch zu einer verringerten Osteoklastenanzahl.

Pharmakokinetik von Risedronat (Aufnahme in den Körper, Speicherung und Ausscheidung)Bei der oralen Applikation als Tablette wird Risedronat wie alle oralen Bisphosphonate nur zu einem sehr geringen Teil aus dem Darm aufgenommen ( < 5 %) . Die korrekte Ein-nahme morgens nüchtern mit mindestens 30-minütigem Ab-stand zum Frühstück ist für die Bioverfügbarkeit sehr wichtig. Nach Einnahme der Tablette werden bis 50 % gleich über die Niere ausgeschieden. Der Rest wird in den Knochen einge-lagert. Risedronat wird nicht ganz so fest wie manche an-deren Bisphosphonate an die Mineralphase gebunden, was eine gleichmäßigere Verteilung der Substanz im Knochen er-möglicht und die kürzere Halbwertszeit erklärt. Die Langzeit-Halbwertszeit von Risedronat ist z.B. kürzer als für Alendro-nat oder Zoledronat. Risedronat wird nicht verstoffwechselt und praktisch unverändert über die Niere ausgeschieden. Im Knochen kommen praktisch nur die Knochenfresszellen (Osteoklasten) im Rahmen des Knochenabbaus mit dem Me-dikament in Kontakt und werden dadurch gehemmt. Dies führt zu einer Verminderung des Knochenabbaus und auch generell des Knochenumbaus, wobei aber die Zusammenset-zung des Knochens im allgemeinen nicht geändert wird, wie Studien mit Knochengewebsentnahme (Biopsien) und fein-geweblicher und materialkundlicher Untersuchung ergeben haben. Andere Zellen oder Gewebe des Körpers kommen so gut wie gar nicht mit Risedronat in Kontakt, was die spezi-fi sche, auf den Knochen bezogene Wirkung und die geringe Nebenwirkungsrate erklärt.

Klinische Wirkung von Risedronat bei Patien-tinnen mit OsteoporoseDie zusammenfassende Betrachtung der publizierten kont-rollierten Studien zeigt für eine 3-jährige Behandlung mit Risedronat einen Rückgang der Wirbelbrüche um 36 % und der nichtvertebraler Frakturen um 27 %. Die Knochendichte nahm über 3 Jahre an der Lendenwirbelsäule um 4,5% und am Schenkelhals um 2,75% zu. Risedronat senkt die Rate an Schenkelhalsfrakturen bei 70-79 Jahre alten Frauen mit einer deutlich erniedrigten Knochendichte im Schenkelhalsbereich um 40 % (McClung et al., N Engl J Med 2001; 344:333). In dieser Studie waren Schenkelhalsbrüche auch das primäre Studienziel gewesen. Die Senkung des Knochenbruchrisikos kann schon nach 6–monatiger Behandlungsdauer mit Risedronat gezeigt wer-den, sowohl in kontrollierten Studien als auch in Beobach-tungsstudien unter Praxisbedingungen. Die Senkung des Knochenbruchrisikos konnte bis zu einer Dauer von 5 Jahren im Vgl. zu einer Kontrollgruppe gezeigt werden. Risedronat senkt auch das Risiko für Wirbelbrüche bei Patienten unter Glukokortikoid-Behandlung (Cortison-induzierte Osteoporo-se) ( Wallach et al., Calcif Tissue Int 2000;67:277).

Nebenwirkungen und GegenanzeigenRisedronat ist bei korrekter Einnahme generell als nebenwir-kunsarm einzustufen. Die Nebenwirkungen von Risedronat betreffen hauptsächlich den Gastrointestinaltrakt (Enzün-dungen der Speiseröhren- und Magenschleimhaut). Diese treten in klinischen Beobachtungsstudien in bis zu 20 % auf. Die Verträglichkeit scheint aber besser zu sein als bei Alend-ronat, insbesondere Alendronat-Generika. Zur Verringerung des Nebenwirkungsrisikos müssen die Einnahmevorschriften beachtet werden: Einnahme nüchtern mit einem großen Glas Leitungswasser, danach Vermeidung einer liegenden Position (damit die Tablette in den Darm durchrutschen kann). Sel-tene Nebenwirkungen sind allergische Reaktionen. Gegen-anzeigen: Überempfi ndlichkeit gegen die Substanz, Hypo-kalzämie, schwere Nierenfunktionsstörungen.

BeurteilungRisedronat (Actonel®) gehört zur Medikamentengruppe der Bisphosphonate, die sich bei der Behandlung der Osteoporo-se bewährt hat. Es zeichnet sich durch schnellen Wirkungs-eintritt und durch nachgewiesene Wirkung gerade zur Ver-hinderung von Schenkelhalsbrüchen aus. Da Bisphosponate bei Vitamin D- und Calcium-Mangel nicht so gut wirken kön-nen, ist die Kombinationspackung Risedronat + Vitamin D + Calcium (Actonel + Ca + D) von Interesse.

Teriparatid = humanes Parathormon 1-34 (Forsteo®)

Zusammenfassung Humanes Parathormon 1-34 (Substanzname Teriparatid) ge-hört zu den osteoanabolen Medikamenten. Die Wirkung besteht also in der Stimulation des Knochenaufbaus. (Mitt-lerweile wurde ein weiterer Vertreter dieser Substanzklasse, das humane Parathormon 1-84 ebenfalls zugelassen, siehe

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MobilesLEBEN 2 I 2008 9

Report im letzten Mobilen Leben). Teriparatid entspricht dem biologisch aktiven Teilstück des menschlichen Parathormons, und es kann am Knochen und an der Niere die gleichen Wir-kungen wie auch das natürliche Parathormon hervorrufen. Teriparatid wird einmal täglich als Spritze subcutan (unter die Haut in das Unterhautfettgewebe) verabreicht. Die be-vorzugte Injektionsstelle ist die Bauchhaut. Diese Injektionen können von den Patientinnen selbst mit einer Injektionshil-fe (Pen ) vorgenommen werden. Teriparatid ist nach der In-jektion nur für ca. 3 Stunden in der Zirkulation nachweisbar. Diese pulsartige Wirkung ist verantwortlich dafür, dass im Knochen überwiegend der Aufbau (Knochenneubildung) an-geregt wird, und nur sekundär auch Knochenabbauvorgänge stattfi nden. In der Summe überwiegt die positive Knochen-bilanz (= Zuwachs an Knochenmasse) . Dies lässt sich bei Pati-enten unter der Therapie mittels Laboruntersuchungen (La-bormarker für die Osteoblasten-Tätigkeit), mittels Zuwachs der Knochendichte, und auch histologisch (feingewebliche mikroskopische Untersuchungen) nachweisen. Die pulsför-mige Therapie mit Teriparatid ruft also andere Wirkungen am Knochen hervor als das dauerhaft erhöhte Parathormon bei dem Krankheitsbild Hyperparathyreoidismus (Neben-schilddrüsenüberfunktion). Der besondere Vorteil der Teriparatid –Behandlung ist die Ver-besserung der Mikroarchitektur des Knochens. Das bedeutet, dass im Inneren des Knochens wieder mehr Knochenbälkchen entstehen, und dass auch die Verknüpfung bzw. Vernetzung der Knochenbälkchen wieder besser wird. Dies führt zu einer verbesserten Knochenfestigkeit. Die zugelassene Gesamtthe-rapiedauer beträgt 18 Monate. In der Zulassungstudie wurde bei postmenopausalen Frauen mit manifester Osteoporose und schon vorhandenen Knochenbrüchen signifi kant das Risiko für Wirbelkörpereinbrüche und auch für periphere Knochenbrüche gesenkt. Dieser vor Knochenbrüchen schüt-zende Effekt hielt auch nach Beendigung des Teriparatid-Zy-klus noch weiter an. Auch für Männer und für Patientinnen und Patienten mit Cortison-verursachter Osteoporose konnte eine Senkung des Knochenbruchrisikos gezeigt werden. Das Nebenwirkungsprofi l ist günstig. Aufgrund der puls-förmigen Kinetik kommt es fast kaum zu Erhöhungen des Blutcalciumspiegels. Der Calciumspiegel muss deshalb unter Therapie nicht speziell überwacht werden. Teriparatid hat eine umfangreiche Zulassung erhalten: Behandlung der Os-teoporose bei postmenopausalen Frauen (Frauen nach den Wechseljahren) und bei Männern mit einem hohen Knochen-bruchrisiko, Behandlung der Glukokortikoid („Cortison“)-in-duzierten Osteoporose bei Frauen und Männern mit hohem Knochenbruchrisiko.

Chemische Eigenschaften von Teriparatid (hu-manes Parathormon 1-34) und WirkmechanismusHumanes Parathormon 1-34 (= Teriparatid) ist ein Peptid, das aus 34 Aminosäuren zusammengesetzt ist. Es entspricht dem biologisch wirksamen Teilstück des natürlicherweise in den Nebenschilddrüsen des Menschen gebildeten Parathormons. Teriparatid bindet sich an spezifi sche Rezeptoren (PTH/PTHrP –Rezeptor, PTH1R) auf den Osteoblasten (Knochenaufbauzel-len) beziehungsweise auf den osteoblastären Vorläuferzel-len. Die Bindung an den Rezeptor führt zur Aktivierung von mehreren second messenger –Wegen (Signalketten), zu de-

nen die Bildung von cAMP, Steigerung des cytoplasmatischen ionisierten Calciums, und Aktivierung von PLC und PKC ge-hört. Die Aktivierung der Postrezeptor-Signalketten wird of-fensichtlich durch die Dauer der Rezeptor-Aktivierung durch Parathormon beeinfl usst: Eine kurzzeitige Rezeptorbindung aktiviert andere Genmuster in der Zelle als eine dauerhafte Rezeptorstimulation. Die Effekte auf die osteoblastären Zel-len bestehen in einer vermehrten Aktivierung von Wachs-tumsfaktoren und in einer Vermehrung der Osteoblastären Vorläuferzellen. Auf der anderen Seite wird die Lebensdauer der reifen Osteoblasten verlängert. Beides führt zu einer Zu-nahme der Osteoblastenzahl und damit zu einer vermehrten Bildung neuen Knochens. Parathormon bewirkt anderer-seits eine verstärkte Sekretion von Faktoren, die die Osteo-klastenreifung und –Aktivität fördern, wie z.B. RANK-Ligand und Interleukin-6. Bei der therapeutischen Anwendung von Teriparatid mit einmal täglichen subcutanen Injektionen und nur kurzzeitiger Präsenz des Hormonteilstücks am Rezeptor überwiegt deutlich die Aktivierung der osteoblastären Zellen und die Steigerung der Knochenneubildung. Darüber hinaus hat Teriparatid auch an anderen Organen Effekte: In der Nie-re wird die Rückgewinnung von Calcium aus dem Primärurin gefördert, was zu einem verminderten Verlust von Calcium in den Urin führt (Calcium wird also im Körper zurückgehalten). Weiterhin aktiviert Teriparatid in der Niere die Bildung der Hormonform von Vitamin D, was wiederum die Aufnahme von Calcium aus der Nahrung im Darm steigert. Dennoch kommt es bei Anwendung von Teriparatid in der zugelas-senen Dosierung von 20 µg täglich subcutan nur äußerst sel-ten zu einer bedeutsamen Erhöhung der Blutcalcium-Spiegel über den Normbereich hinaus. Die therapeutische Anwen-dung von Teriparatid mit einmal täglicher Gabe führt im Knochen zu einer Verdickung der Knochenbälkchen und zu einer Verbesserung der Architektur der Knochenbälkchen.

Pharmakokinetik von Teriparatid (Aufnahme in den Körper, Speicherung und Ausscheidung)Nach subcutaner Injektion befi ndet sich Teriparatid zu-nächst im Unterhautfettgewebe (subcutanes Gewebe), aus dem es allmählich freigesetzt wird. In der Blutbahn lässt sich Teriparatid für ca. 3 Stunden nach Injektion nachweisen. Die Halbwertszeit beträgt etwa eine Stunde. Es wird angenom-men, dass die Verstoffwechselung von Teriparatid in Leber und Niere stattfi ndet.

Klinische Wirkung von Teriparatid bei Patien-tinnen und Patienten mit OsteoporoseDie Zulassungsstudie wurde als vollständiger Aufsatz im Jahr 2001 veröffentlicht (Neer et al. N Engl J Med 2001;344:1434). Es handelte sich um eine randomisierte doppelblinde plaze-bokontrollierte Studie. Es wurden insgesamt 1637 Frauen für diese Studie rekrutiert (mittleres Alter 69 Jahre) . Alle Frauen erhielten 400 bis 1200 Einheiten Vitamin D und 1000 mg Cal-cium täglich. Es wurden 3 Gruppen gebildet. In den aktiven Armen der Studie wurden täglich 20 µg bezw. 40 µg Teripa-ratid einmal täglich s.c. gegeben. Die mittlere Therapiedauer mit Teriparatid betrug 19 Monate. Unter Teriparatidthera-pie mit 20 µg tgl. nahm die Knochendichte an der Wirbel-säule um 9,7 % zu und am hüftnahen Oberschenkelknochen um 2,6 %. Am Unterarm veränderte die Knochendichte sich

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T H E M A M E D I K A M E N T Ö S E O S T E O P O R O S E - T H E R A P I E

nicht signifi kant. Innerhalb von einem Monat bereits kam es zu einem Anstieg der knochenspezifi schen alkalischen Phosphatase als Marker für die Osteoblastenaktivität, im weiteren Verlauf stieg auch der Osteoklastenmarker NTX im Urin an (insgesamt also wurde der Knochenstoffwechsel ak-tiviert). Im Vergleich zur Kontrollgruppe wurde das Risiko für neue Wirbelkörperbrüche um 65 % gesenkt. Das Risiko für zwei oder mehr neue Frakturen wurde um 77 % gesenkt. Ins-besondere konnte das Knochenbruchrisiko auch bei solchen Patientinnen gesenkt werden, die schon eine sehr schwere fortgeschrittene Osteoporose mit mehreren Knochenbrü-chen bereits vor Therapie aufwiesen (Gallagher et al. J Clin Endocrinol Metab 2005;90:1583). Das Risiko für nichtvertebrale Knochenbrüche ohne adä-quate Gewalteinwirkung wurde mit 20 µg Teriparatid täglich um 53 % gesenkt. Eine Reduzierung des Risikos von neuen Wirbelbrüchen unter Teriparatid wurde auch für Männer nachgewiesen (Kaufman et al. Osteoporos Int 2005;16:510). Teriparatid wurde bei Frauen und Männern mit Glukokorti-koid-(Cortison)-induzierter Osteoporose miteinander verg-lichen: Teriparatid führte in dieser Patientengruppe zu einer stärkeren Knochendichtezunahme und zu einer geringeren Rate an neuen Wirbelbrüchen (Saag et al. 2007;357:2028). Nach derzeitigem Kenntnisstand sollte nach Abschluss der Teriparatidtherapie eine antiresorptive (Knochenabbau hem-mende) Therapie angeschlossen werden, um den neu gebil-deten Knochen vor Verlust zu schützen. Dies kann mit Raloxi-fen oder auch mit Bisphosphonaten geschehen.

Nebenwirkungen und GegenanzeigenTeriparatid kann aufgrund seiner Wirkung in den verschie-denen Organsystemen (Knochen, Niere, indirekt auch am Darm) den Serum-Calcium-Spiegel erhöhen. Eine relevante Hypercalciämie (Blutcalciumerhöhung) tritt jedoch nur sehr selten auf. Eine Kontrolle der Serumcalciumspiegel unter Teriparatid-Therapie ist deshalb entsprechend der Fachin-formation nicht regelhaft notwendig. Potentielle Nebenwir-

kungen können Gliederschmerzen, Muskelkrämpfe, Übel-keit, Schwindel, und Kopfschmerzen sein (bei abendlicher Injektion weniger ausgeprägt). Teriparatid ist kontraindi-ziert Überempfi ndlichkeit gegen den Wirkstoff, in Schwan-gerschaft und Stillzeit, bei vorbestehender Hypercalciämie, bei schwerer Nierenfunktionseinschränkung, bei anderen Stoffwechselerkrankungen des Knochens, bei unklarer Erhö-hung der alkalischen Phosphatase, bei Kindern und Jugend-lichen mit offenen Epiphysenfugen, bei malignen Skeletter-krankungen oder Knochenmetastasen, und bei relevanter Strahlenexposition des Skeletts in der Vergangenheit.

BeurteilungTeriparatid ist ein anabol wirksames Therapeutikum, das vor allem bei solchen Patientinnen und Patienten sinnvoll ist, die einen stark reduzierten Knochenstoffwechsel haben und/oder auf die antiresorptiven Medikamente (z.B. Bisphos-phonate) nicht ausreichend ansprechen (weiteres Absinken der Knochendichte und/oder neue Frakturen trotz Therapie). Aufgrund der hohen Therapiekosten muss der Einsatz von Teriparatid medizinisch gut begründet werden. Der Thera-piehinweis des gemeinsamen Bundesausschusses ist dabei zu beachten. Für Patientinnen und Patienten mit schwerer Cortison-verur-sachter Osteoporose stellt die kürzlich erfolgte Zulassung von Teriparatid für diese Indikation eine wertvolle Erweiterung der therapeutischen Möglichkeiten dar.

Privatdozent Dr. med. habil. Stephan ScharlaInternist & Endokrinologe/ DiabetologeSalinenstraße 8,83435 Bad Reichenhall