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68 WISSENSWERTES / AUSLAND Gemüse 3/2003 68 Auf dem Markt haben frische Meerrettich-Wurzeln eine Neben- bedeutung. Als fertig zubereitete Creme in Gläschen oder Tuben hat dieser Kreuzblütler einen gewis- sen Stellenwert behauptet. Im Hinblick auf den Gesundheitswert ist der heilwirksamen Staude eine größere Beachtung zu wünschen. Scharfe Verwandtschaft Meerrettich (Armoracia rusticana) ist der schärfste Vertreter der Fami- lie der Kreuzblütengewächse (Bras- sicaceae). ZurVerwandtschaft zäh- len weit verbreitete Kulturpflan- zen wie Senf, Rettich und Raps. Sauere, magere Böden verstärken die Schärfe der 2 bis 8 cm dicke und etwa 50 cm langen Wurzel. Die auch als Kren, Mährrettig oder Beißwurzel bezeichnete mehrjäh- rige Staude ist winterhart. Die außen bräunlichen und innen weißen Wurzen verholzen mit zunehmendem Alter. Deshalb werden nur junge Wurzeln ge- nutzt und mit Hilfe der Seiten- wurzeln (Fechser) neue Pflanzen herangezogen. Im Erwerbsanbau ist Meerrettich eine einjährige Kultur, die im Ok- tober und November gerodet wird, so dass nur junge Wurzel- stangen anfallen. Der Aufwand für die vom Handel geforderten, ge- raden Wurzelstangen ist hoch: Zwei- bis dreimal jährlich die Wurzeln freilegen, um die Seiten- wurzeln auszubrechen. Der hohe Arbeitsaufwand kommt im Sprich- wort „Ein Kren will seinen Herrn jeden Tag sehn“ zum Ausdruck. Beißend scharf Roh ist Meerrettich geruchlos. Erst beim Schneiden oder Reiben ver- strömt er den stechenden, zu Trä- nen reizenden Geruch. Ursache sind Senfölglykoside (Glucosino- late), die Pflanzenzellen vor tieri- schen Schädlingen und Pilzbefall schützen. Wird der Zellverband oder eine Zelle verletzt, kommt das Enzym Myrosinase frei, das aus den Senfölverbindungen das antibiotische Allylsenföl erzeugt, das auf Viren, Bakterien und Pilze toxisch wirkt. Bei Meerrettich ist Sinigrin mit 0,16 bis 0,24% die Hauptkomponente mit gut 60% Anteil am Gesamtgehalt. Solche als Phytoallexine bezeich- nete Stoffe zeigen auch in der Hu- manmedizin therapeutische Erfol- ge. Zahlreiche Studien belegen zu- dem die Krebsschutzwirkung dieser schwefelhaltigen Verbindungen. Früher war Meerrettich zunächst eine Heilpflanze, schon Cato be- fasste sich ausführlich mit ihrem Anbau. Plinius meinte, mit der scharfen Wurzel Skorpione ab- wehren zu können. In Mitteleuro- pa ist sie seit dem 12. Jahrhundert verbreitet. Erst im späten Mittelal- ter wurde die Wurzel auch als Ge- würz eingesetzt. Geschätzt war nicht zuletzt der konservierende Effekt, der bis heute in Essig-Ge- müse-Konserven genutzt wird. Alte Heilpflanze Dass ein Stück Meerrettich in der Geldbörse hilft, immer gut bei Kasse zu sein, ist eindeutig Aber- glaube. Die medizinischen Heil- wirkungen, die schon im Altertum geschätzt waren, sind jedoch be- legt. Frühere Indikationen waren Ohrenschmerzen, Vergiftungen und Dreitagefieber. Heute sind Meerrettich-Extrakte in Arzneien gegen Grippe und Harnwegsin- fektionen enthalten. Meerrettich regt den Appetit an, steigert die Magensaftsekretion, Gemüse – Genuss und Gesundheit: Inhaltstoff Gehalt Energie 60/250 kcal/KJ Wasser 77,0 g Kohlenhydrate 11,5 g Fett 0,3 g Ballaststoffe 7,8 g Eiweiß 2,8 g Folsäure 0,06 mg Vitamin B1 0,14 mg Vitamin B2 0,11 mg Vitamin B3 0,60 mg Vitamin B6 0,18 mg Vitamin C 115,0 mg Kalium 550,0 mg Phosphor 65,0 mg Kalzium 105,0 mg Eisen 1,4 mg Zink 0,9 mg Kupfer 0,1 mg Mangan 0,4 mg Magnesium 33,0 mg Schwefel 150,0 mg Natrium 8,0 mg Fluor 0,01 mg Jod 0,003mg Inhaltstoffe in 100 g frischem Meerrettich Tabelle Foto: Buchter Wasabi oder Japanischer Meer- rettich (Wasabi japonica) ist wie weißer Meerrettich scharf und tränenreizend, hat aber einen fri- scheren Beigeschmack. Außer dem typischen Sinigrin enthält die grüne Wasabiwurzel spezifi- sche Isothiocyanate, die das in Japan geschätzte, besondere Aroma ausmachen. Da die Pflanze nur im fließenden Wasser gut gedeiht, ist Wasabi schwierig zu kultivieren und ent- sprechend teurer. Viele im Han- del erhältliche Wasabi-Produkte sind gefälscht: normaler Meer- rettich grün eingefärbt. H.B. Fälschung Meerrettich wirkt harntreibend, fördert das Schwitzen, regt den Kreislauf an, löst Bronchialschleim und fördert die Durchblutung. Breiumschläge helfen bei Frostbeulen, Rheuma und Ischias. Ein Brotaufstrich aus frisch geriebener Wurzel gilt als al- tes Hausmittel gegen Heuschnup- fen. Dass der Saft, der sich nach drei Stunden in einem ausgehöhl- ten und mit einem Löffel Honig gefüllten Rettich sammelt, sehr ef- fektiv gegen Bronchitis, Husten und Heiserkeit wirkt, ist ein be- kanntes Hausmittel. Weniger ver- breitet ist das russische Rezept, das genauso gut hilft: In ein Glas warmes Wasser je einen Esslöffel Honig und geriebenen Meerret- tich geben und über den Tag ver- teilt trinken. Bei Nierenleiden, Magenge- schwüren und Schilddrüsen-Fehl- funktionen sollte man Meerrettich nicht essen. Breiumschläge kön- nen empfindliche Haut reizen und Blasen hervorrufen. Dr. Helga Buchter-Weisbrodt, Rödersheim Die mehrjährige Pflanze Cacalia hastata wächst in den Bergen von Mittel- und Nordjapan. Im Winter sind die Pflanzen, die über 2 m hoch werden, zu einem großen Teil vom Schnee bedeckt, der in diesen Regionen reich- lich fällt. Neue Pflanzen entwickeln sich ab April aus Keimlingen. Im Mai werden von großen Pflanzen (min- destens drei Jahre alt) circa 30 cm lange Sprossspitzen gesammelt. Für 100 g dieses seltenen und geschätzten Gemüses, das nur in einer kurzen Zeit angeboten wird, wird ein Preis zwischen 1,00 und 1,90 Euro bezahlt. Die Versuchsstation in der in Nordjapan gelegenen Provinz Yamagata befasste sich mit dem Anbau von Caca- lia. Bei der Vermehrung aus Samen bekam man im Schnitt 150 Samen/Pflanze, von denen aber nur 4% reif waren. Durch eine mindestens 60 Tage dauernde feuchte Lagerung bei 5 °C wurde die Keimfähigkeit verbes- sert. Bei einer Aussaat Mitte Januar konnte man Ende Mai im Dreiblattstadium pflanzen. Nach der Weiterkul- tur im Freien erntete man im dritten Jahr eine geringe Anzahl Spitzen von den Haupttrieben. Im vierten Jahr erntete man 650 g Spitzen/m 2 . Im vierten Jahr spalten die Wurzelknollen der ausgewachsenen Pflanzen kleine Knöllchen ab. Verwendet man diese Knöllchen zur Vermehrung, wird die Kulturdauer bis zur Ernte um ein Jahr verkürzt. Man bekommt schon im zweiten Jahr eine erste kleine Ernte von den Haupttrieben und im dritten Jahr wird die Vollernte erreicht. Noko to Engei, Heft 7, 2003; M.K. Cacalia hastata – seltene Gemüseart für den Anbau? Japan Meerrettich Gemüse 3/2005-S.46-80 01.08.2005 11:03 Uhr Seite 68

Meerrettich

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Gemüse 3/200368

Auf dem Markt haben frischeMeerrettich-Wurzeln eine Neben-bedeutung. Als fertig zubereiteteCreme in Gläschen oder Tuben hatdieser Kreuzblütler einen gewis-sen Stellenwert behauptet. ImHinblick auf den Gesundheitswertist der heilwirksamen Staude einegrößere Beachtung zu wünschen.

Scharfe Verwandtschaft

Meerrettich (Armoracia rusticana)ist der schärfste Vertreter der Fami-lie der Kreuzblütengewächse (Bras-sicaceae). Zur Verwandtschaft zäh-len weit verbreitete Kulturpflan-zen wie Senf, Rettich und Raps.Sauere, magere Böden verstärkendie Schärfe der 2 bis 8 cm dickeund etwa 50 cm langen Wurzel.Die auch als Kren, Mährrettig oderBeißwurzel bezeichnete mehrjäh-rige Staude ist winterhart.Die außen bräunlichen und innenweißen Wurzen verholzen mitzunehmendem Alter. Deshalbwerden nur junge Wurzeln ge-nutzt und mit Hilfe der Seiten-wurzeln (Fechser) neue Pflanzenherangezogen.Im Erwerbsanbau ist Meerretticheine einjährige Kultur, die im Ok-tober und November gerodetwird, so dass nur junge Wurzel-stangen anfallen. Der Aufwand fürdie vom Handel geforderten, ge-raden Wurzelstangen ist hoch:Zwei- bis dreimal jährlich dieWurzeln freilegen, um die Seiten-

wurzeln auszubrechen. Der hoheArbeitsaufwand kommt im Sprich-wort „Ein Kren will seinen Herrnjeden Tag sehn“ zum Ausdruck.

Beißend scharf

Roh ist Meerrettich geruchlos. Erstbeim Schneiden oder Reiben ver-strömt er den stechenden, zu Trä-nen reizenden Geruch. Ursachesind Senfölglykoside (Glucosino-late), die Pflanzenzellen vor tieri-schen Schädlingen und Pilzbefallschützen. Wird der Zellverbandoder eine Zelle verletzt, kommtdas Enzym Myrosinase frei, dasaus den Senfölverbindungen dasantibiotische Allylsenföl erzeugt,das auf Viren, Bakterien und Pilzetoxisch wirkt. Bei Meerrettich istSinigrin mit 0,16 bis 0,24% dieHauptkomponente mit gut 60%Anteil am Gesamtgehalt.Solche als Phytoallexine bezeich-nete Stoffe zeigen auch in der Hu-manmedizin therapeutische Erfol-ge. Zahlreiche Studien belegen zu-dem die Krebsschutzwirkung dieserschwefelhaltigen Verbindungen.

Früher war Meerrettich zunächsteine Heilpflanze, schon Cato be-fasste sich ausführlich mit ihremAnbau. Plinius meinte, mit derscharfen Wurzel Skorpione ab-wehren zu können. In Mitteleuro-pa ist sie seit dem 12. Jahrhundertverbreitet. Erst im späten Mittelal-ter wurde die Wurzel auch als Ge-würz eingesetzt. Geschätzt warnicht zuletzt der konservierendeEffekt, der bis heute in Essig-Ge-müse-Konserven genutzt wird.

Alte Heilpflanze

Dass ein Stück Meerrettich in derGeldbörse hilft, immer gut beiKasse zu sein, ist eindeutig Aber-glaube. Die medizinischen Heil-wirkungen, die schon im Altertumgeschätzt waren, sind jedoch be-legt. Frühere Indikationen warenOhrenschmerzen, Vergiftungenund Dreitagefieber. Heute sindMeerrettich-Extrakte in Arzneiengegen Grippe und Harnwegsin-fektionen enthalten.Meerrettich regt den Appetit an,steigert die Magensaftsekretion,

Gemüse – Genuss und Gesundheit:

Inhaltstoff GehaltEnergie 60/250 kcal/KJWasser 77,0 gKohlenhydrate 11,5 gFett 0,3 gBallaststoffe 7,8 gEiweiß 2,8 gFolsäure 0,06 mgVitamin B1 0,14 mgVitamin B2 0,11 mgVitamin B3 0,60 mgVitamin B6 0,18 mgVitamin C 115,0 mgKalium 550,0 mgPhosphor 65,0 mgKalzium 105,0 mgEisen 1,4 mgZink 0,9 mgKupfer 0,1 mgMangan 0,4 mgMagnesium 33,0 mgSchwefel 150,0 mgNatrium 8,0 mgFluor 0,01 mgJod 0,003mg

Inhaltstoffe in100 g frischemMeerrettich

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Wasabi oder Japanischer Meer-rettich (Wasabi japonica) ist wieweißer Meerrettich scharf undtränenreizend, hat aber einen fri-scheren Beigeschmack. Außerdem typischen Sinigrin enthältdie grüne Wasabiwurzel spezifi-sche Isothiocyanate, die das inJapan geschätzte, besondereAroma ausmachen.Da die Pflanze nur im fließendenWasser gut gedeiht, ist Wasabischwierig zu kultivieren und ent-sprechend teurer. Viele im Han-del erhältliche Wasabi-Produktesind gefälscht: normaler Meer-rettich grün eingefärbt.

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Fälschung

Meerrettich

wirkt harntreibend, fördert dasSchwitzen, regt den Kreislauf an,löst Bronchialschleim und fördertdie Durchblutung. Breiumschlägehelfen bei Frostbeulen, Rheumaund Ischias. Ein Brotaufstrich ausfrisch geriebener Wurzel gilt als al-tes Hausmittel gegen Heuschnup-fen. Dass der Saft, der sich nachdrei Stunden in einem ausgehöhl-ten und mit einem Löffel Honiggefüllten Rettich sammelt, sehr ef-fektiv gegen Bronchitis, Hustenund Heiserkeit wirkt, ist ein be-kanntes Hausmittel. Weniger ver-breitet ist das russische Rezept,das genauso gut hilft: In ein Glaswarmes Wasser je einen EsslöffelHonig und geriebenen Meerret-tich geben und über den Tag ver-teilt trinken.Bei Nierenleiden, Magenge-schwüren und Schilddrüsen-Fehl-funktionen sollte man Meerrettichnicht essen. Breiumschläge kön-nen empfindliche Haut reizen undBlasen hervorrufen.� Dr. Helga Buchter-Weisbrodt,

Rödersheim

Die mehrjährige Pflanze Cacalia hastata wächst in den Bergen von Mittel- und Nordjapan. Im Winter sind diePflanzen, die über 2 m hoch werden, zu einem großen Teil vom Schnee bedeckt, der in diesen Regionen reich-lich fällt. Neue Pflanzen entwickeln sich ab April aus Keimlingen. Im Mai werden von großen Pflanzen (min-destens drei Jahre alt) circa 30 cm lange Sprossspitzen gesammelt. Für 100 g dieses seltenen und geschätztenGemüses, das nur in einer kurzen Zeit angeboten wird, wird ein Preis zwischen 1,00 und 1,90 Euro bezahlt.Die Versuchsstation in der in Nordjapan gelegenen Provinz Yamagata befasste sich mit dem Anbau von Caca-lia. Bei der Vermehrung aus Samen bekam man im Schnitt 150 Samen/Pflanze, von denen aber nur 4% reifwaren. Durch eine mindestens 60 Tage dauernde feuchte Lagerung bei 5 °C wurde die Keimfähigkeit verbes-sert. Bei einer Aussaat Mitte Januar konnte man Ende Mai im Dreiblattstadium pflanzen. Nach der Weiterkul-tur im Freien erntete man im dritten Jahr eine geringe Anzahl Spitzen von den Haupttrieben. Im vierten Jahrerntete man 650 g Spitzen/m2.Im vierten Jahr spalten die Wurzelknollen der ausgewachsenen Pflanzen kleine Knöllchen ab. Verwendet mandiese Knöllchen zur Vermehrung, wird die Kulturdauer bis zur Ernte um ein Jahr verkürzt. Man bekommt schonim zweiten Jahr eine erste kleine Ernte von den Haupttrieben und im dritten Jahr wird die Vollernte erreicht.

Noko to Engei, Heft 7, 2003; M.K.

Cacalia hastata – seltene Gemüseart für den Anbau?Japan

Meerrettich

Gemüse 3/2005-S.46-80 01.08.2005 11:03 Uhr Seite 68