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Mehr als nur zufrieden:
Vom Nutzen der Nutzenmessung im Gesundheitsbereich
Dr. David Schwappach, MPH
Juniorprofessor für Gesundheitsökonomie
Universität Witten / Herdecke
Masterstudiengang "Management von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen"
Witten 2005
Jun.-Prof. Dr. D. Schwappach, MPH Universität Witten / Herdecke 2
Nachteile von Zufriedenheitsmessungen
Nur "ex post" einsetzbar
keine Bewertung durch "potentielle Nutzer" möglich keine Bewertung hypothetischer Produkte oder Dienstleistungen möglich
Keine relative Gewichtung einzelner Komponenten zueinander
Interpretation, praktische Relevanz und Gestaltungskonsequenz unklar
Theoretisches Konzept: Diskrepanz zwischen Erwartung und Erfahrung
Jun.-Prof. Dr. D. Schwappach, MPH Universität Witten / Herdecke 3
Beispiel: Zufriedenheit mit Facharzt-Konsultation
Wartezeit auf Termin
Wartezeit am Termin
Gesprächsdauer
Gesprächsqualität
Behandlungsort
0 7
Unzufrieden Zufrieden
5,5
2
6,5
3
5
Zufriedenheit mit ...
Jun.-Prof. Dr. D. Schwappach, MPH Universität Witten / Herdecke 4
Nachteile von Zufriedenheitsmessungen
Keine Abwägungsentscheidungen ("trade-offs")
Kein "Zwang" zur Offenlegung der Präferenzstärke Fehlende Limitierungen unrealistisch
Nur "ex post" einsetzbar
keine Bewertung durch "potentielle Nutzer" möglich keine Bewertung hypothetischer Produkte oder Dienstleistungen möglich
Keine relative Gewichtung einzelner Komponenten zueinander
Interpretation, praktische Relevanz und Gestaltungskonsequenz unklar
Theoretisches Konzept: Diskrepanz zwischen Erwartung und Erfahrung
Jun.-Prof. Dr. D. Schwappach, MPH Universität Witten / Herdecke 5
Überblick: Verfahren der Nutzen-Messung
Verwurzelt in ökonomischer Theorie
Jedes Gut / Dienstleistung lässt sich durch ein Bündel von Attributen charakterisieren (z.B. "Darreichung", "Risiko von NW" und "Zuzahlung")
Der Nutzen eines Gutes ergibt sich als Summe der Attribut-Ausprägungen
Erstellung von Szenarien aus Attribut-Kombinationen
Probanden: Wahl zwischen alternativen Optionen trade-offs
Individuen werden das Gut präferieren, welches ihren Nutzen maximiert
Vorteile: Rückführung des Gesamtnutzens auf werttragende Komponenten
Bewertung auch hypothetischer Attribut-Kombinationen möglich
"Abwägen" und "Wählen" entspricht realen Entscheidungsprozessen
Jun.-Prof. Dr. D. Schwappach, MPH Universität Witten / Herdecke 6
Frage: Wie entscheiden potentielle Patienten?
Welche Kriterien sind bedeutsam für die Wahl der Behandlungsoption?
Wie werden Leistungsanbieter attraktiv für Patienten?
Wie häufig sind dominante Präferenzen für ein Behandlungs-Setting?
Haben Personen mit eigener Operationserfahrung andere Präferenzen?
Nutzenmessung "Ambulante Operationen"
Ausgangslage: Einführung "stationsersetzender Leistungen"
Niedergelassene und Krankenhäuser in direktem Wettbewerb um Patienten
Patienten haben zunehmend die Wahl zwischen Behandlungs-Settings
Jun.-Prof. Dr. D. Schwappach, MPH Universität Witten / Herdecke 7
Design Nutzenmessung "Ambulante Operationen"
Stichprobe:Potentielle Patienten, repräsentativ in Alter, Geschlecht, formaler Bildungn = 1.134 Personen
Hypothetische Situation:Elektive arthroskopische Operation des KniegelenkesModerate Schmerzen im Alltag; keine schwere Hausarbeit oder Sport möglich
Interaktive Befragung: je Person: 5 Entscheidungen zwischen paarweisen Behandlungs-SzenarienAufgabe: Wahl der präferierten Behandlungsoption, definiert durch 5 Kriterien
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Charakteristika der Behandlungs-Szenarien
Setting: Versorgungsform Niedergelassen, Ambulant-Krankenhaus oder Stationär
Wartezeit: Wartezeit bis zur Behandlung 1, 2 oder 4 Wochen
Anfahrtszeit: Fahrtzeit zwischen Wohn- und Behandlungsort 15 vs. 40 Minuten
Spezialisierung: Langjährige Erfahrung mit komplexen Situationen, Umgang mit Risiken Ja vs. Nein
Kontinuität: Personelle Beständigkeit in Vorbesprechung, Operation und Nachbetreuung 1 Behandler, Behandlungsteam oder mehrere zunächst unbekannte Behandler
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Beispielszenario: Wahl der präferierten Behandlungs-Option
Wo würden Sie sich lieber behandeln lassen?
Alternative 1 Alternative 2
Ort und Art der Durchführung Stationär im Krankenhaus
Ambulant in Facharztpraxis
Wartezeit zum Operationstermin 1 Woche
2 Wochen
Anfahrtszeit vom Wohnort 40 Minuten
15 Minuten
Spezialisierung auf komplexe
Situationen Nein
Ja
Kontinuität in der Behandlung
Vorbesprechung, Operation und
Nachbetreuung (z.B. Fäden
ziehen) durch die gleiche Person
Vorbesprechung, Operation und
Nachbetreuung (z.B. Fäden
ziehen) jeweils durch
verschiedene Personen, die Ihnen
bei der Vorbesprechung
vorgestellt werden
Welche der beiden Alternativen würden Sie persönlich vorziehen?
O Alternative 1 O Alternative 2
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Ergebnisse Studie "Ambulante Operationen"
Einfluss Relative Wichtigkeit
Amb. KH
Niedergelassen Setting:
Stationär
8%
1 Woche
2 Wochen Wartezeit:
4 Wochen
27%
15 Min. Anfahrtszeit:
40 Min.
13%
Ja Spezialisierung:
Nein
36%
Ein Behandler
Wechsel Kontinuität:
Team
16%
1. Rang
2. Rang
3. Rang
5. Rang
4. Rang
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Ergebnisse "Ambulante Operationen"
Dominante Präferenzen für eine Versorgungsform extrem selten:
Insgesamt 1% dominante Präferenzen
0,6% für ambulante OP im Krankenhaus 0,4% für ambulante OP in Praxis
Kaum Unterschiede zwischen Personen mit vs. ohne eigene OP-Erfahrung:
Mit Erfahrung … Gleiche Präferenz für ambulante Behandlung im
Krankenhaus Gleiche neutrale Haltung gegenüber "Behandlungs-Teams"
Leicht stärkere Abneigung gegen stationäre Versorgung Stärkere Präferenz für die Behandlung durch eine Person Weniger sensitiv für längere Wartezeiten
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Marginale Substitutionsraten "Ambulante Operationen"
Austauschrelation zwischen den Attributen:
Wieviel Verbesserung in Attribut X kompensiert für eine Verschlechterung in Attribut Y?
Ambulant-KH statt Stationär 1 zusätzliche Woche Wartezeit
Spezialisierung Ja statt Nein Wechsel statt 1 Behandler
25 min. längere Anfahrtszeit Stationär statt Ambulant-KH
1 statt 4 Wochen Wartezeit 25 min. längere Anfahrtszeit
Team statt 1 Behandler Niedergelassen statt Ambulant-KH
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Szenario Setting Wartezeit Anfahrtszeit Spezialisierung Kontinuität 1 Amb., Praxis 1 Woche 15 Min. Ja Ein Behandler 2 Amb., KH 1 Woche 15 Min. Ja Team 3 Amb., KH 2 Wochen 15 Min. Ja Wechsel 4 Amb., Praxis 2 Wochen 15 Min. Nein Ein Behandler 5 Stat., KH 4 Wochen 40 Min. Ja Ein Behandler 6 Stat., KH 1 Woche 15 Min. Nein Team 7 Amb., Praxis 4 Wochen 40 Min. Ja Team 8 Amb., KH 2 Wochen 40 Min. Nein Ein Behandler 9 Stat., KH 4 Wochen 40 Min. Nein Wechsel
-0,8
-0,6
-0,4
-0,2
0,0
0,2
0,4
0,6
0,8
Vorh
erg
esag
te N
utz
wert
e
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Szenario
Konfidenzintervall Mittelwert
-0,8
-0,6
-0,4
-0,2
0,0
0,2
0,4
0,6
0,8
Vor
her
ges
agte
Nut
zwer
te
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Szenario
Konfidenzintervall Mittelwert
Vorhergesagte Nutzwerte ausgewählter Szenarien
Jun.-Prof. Dr. D. Schwappach, MPH Universität Witten / Herdecke 14
Ergebnis-Interpretation "Ambulante Operationen"
Spezialisierung:Technische Qualität ist entscheidender Wettbewerbsvorteil Dokumentation und Kommunikation wichtig!
Setting:Nicht wahlentscheidend Wettbewerb über Versorgungsan- gebot, nicht Behandlungsort
Anfahrtszeit: Bedeutung "wohnortnaher Versorgung" wird häufig überschätzt
Wartezeiten: Hohe Bedeutung bei präoperativer Beeinträchtigung, aber:
Keine artifiziell kurzen Terminwartezeiten auf Kosten kontinuierlicher Prozesse!
Kontinuität: Erstmals zwei Nutzen-Komponenten kontrastiert & quantifiziert: Mehrere Behandler vs. Erwartung des "Unbekannten"
Subpopulationen mit starker Präferenz für "institutionelle Kontinuität"!
Jun.-Prof. Dr. D. Schwappach, MPH Universität Witten / Herdecke 15
Zusammenfassung
Nutzenmessung bietet Vorteile, die weit über traditionelle Einstellungs- und Zufriedenheitsmessung hinaus gehen
Konkrete Handlungsoptionen für Leistungserbringer ableitbar
Notwendigkeit der Abwägung führt oft erst zur Vergegenwärtigung von Präferenzen
Durch Beurteilung von "Entitäten" und schließende Dekomposition realistischer
Besonders geeignet um (noch) nicht am Markt beobachtbare Entscheidungen über Nutzung zu untersuchen
Nachteil: Aufwendiger, mehr Vorkenntnisse erforderlich