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Menschenrechtsverletzungen identifizieren Online-Vortrag von Roman Herre am 13.4.2015 FIAN-Fortbildung „Menschenrechtliche Instrumente kennen und nutzen“ Mit finanzieller Unterstützung des

Menschenrechtsverletzungen identifizieren & reagieren€¦ · •‚Pflichten-Trias‘ von Staaten auch beim Zugang zu Land anwenden: –Zugang zu Land respektieren (nicht durch staatliche

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  • Menschenrechtsverletzungen identifizieren

    Online-Vortrag von Roman Herre am 13.4.2015

    FIAN-Fortbildung „Menschenrechtliche Instrumente kennen und nutzen“

    Mit finanzieller Unterstützung des

  • Gliederung

    1. Menschenrechtsverletzungen identifizieren: ein normativer Rahmen

    2. Praxisbezug: Landkonflikte

    3. Exkurs: Landrechte & Menschenrechte

    4. Verantwortlichkeiten identifizieren

    5. Ein kleines Fazit

  • Menschenrechtsverletzungen identifizieren: ein normativer Rahmen • Allgemeine Menschenrechtspflichten

    – Nicht-Diskriminierung

    – Nicht-Rückschritt

    – Transparenz

    – Teilhabe / Partizipation

    – Rechenschaftspflicht

    – Rechtsstaatlichkeit

    • Spezifische Menschenrechtspflichten (‚Pflichtentrias‘) – Respektieren

    – Schützen

    – Gewährleisten

  • Normativer Rahmen (2)

    Wichtige MR-basierte Interpretationen

    • FAO-Leitlinien zum Recht auf Nahrung

    • Maastrichter Grundsätze zu extraterritorialen Staatenpflichten

    • UN-Leitlinien zu Land, Wäldern und Fischgründen

    • Berichte der UN-SonderberichterstatterInnen

  • Normativer Rahmen (3)

    • In der Praxis ist die Nutzung der verschiedenen Referenzen meist notwendig, um…

    – umfassend menschenrechtliche Missstände zu identifizieren

    – und Verantwortlichkeiten zuzuschreiben

  • Praxisbezug: Recht auf Nahrung & Landkonflikte

    ‚Zugang zu Land‘ ist Teil des normativen Gehaltes des Menschenrechts auf Nahrung

    2 Beispiele

    • Das Recht auf Nahrung beinhaltet laut allgemeinem Rechtskommentar zum Recht auf Nahrung, dass „sich Menschen dank ertragreicher Böden oder sonstiger natürlicher Ressourcen unmittelbar selbst ernähren können.“ (ICESCR 1999)

    • FAO-Leitlinien zum RaN führen aus, dass die Vertragsstaaten Maßnahmen ergreifen sollten, „um die Sicherheit von Landbesitz insbesondere im Hinblick auf Frauen, arme und benachteiligte Gesellschaftsschichten [...] zu fördern und zu schützen... […] Mechanismen erwägen, welche die Landreform mit dem Ziel eines verbesserten Zugangs der armen Bevölkerung und von Frauen vorantreiben.“ (FAO 2004, Leitlinie 8B)

  • Landkonflikte (2)

    • ‚Pflichten-Trias‘ von Staaten auch beim Zugang zu Land anwenden:

    – Zugang zu Land respektieren (nicht durch staatliche

    Aktivitäten beschneiden, Bsp. Landkonzessionen vergeben)

    – Zugang zu Land schützen (wenn Dritte diesen Zugang beschneiden, Bsp. Agrarinvestoren)

    – Zugang zu Land gewährleisten (aktiv Zugang zu Land verbessern/ schaffen, Bsp. Agrarreform)

  • Landkonflikte (3)

    Beispiel Kambodscha • Durch re-klassifizieren von Land (‚state public land‘ zu ‚state

    private land‘) vergibt die Regierung riesige Landflächen

    • Über 600.000 Menschen von Landkonflikten betroffen

    • Legale Besitzrechte (‚possession rights‘) werden kaum anerkannt

  • Landkonflikte (4)

    Menschenrechtsverletzungen beinhalten gewaltsame Vertreibung…

    …und in weit größerem Umfang den Verlust des Zugangs zu Land, Wäldern, Weiden und Wasser

  • Landkonflikte (5)

    Menschenrechtsverletzungen beinhalten weiterhin

    • Keine Teilhabe bzw. aktive Ausgrenzung

    – Bevölkerung lehnt Landvergabe ab

    • Verweigerung der rechtsstaatlich garantierten Anerkennung von Landrechten

    • Kriminalisierung – Sprecher der Betroffenen werden verhaftet

    – Dorfbewohner werden angeklagt

  • Landkonflikte (6)

    • Keine angemessene Entschädigung

    “Es gab keine Treffen. Es gab auch keine Kompensationsverhandlungen. Wir wurden gezwungen. Wir wollten unser Land nicht für so einen geringen Preis verkaufen”

    ( Dorfbewohner aus Kork)

    • Wachsende Landkonzentration/ Landlosigkeit – Strukturelle Menschenrechtsverletzungen

  • Exkurs: Landrechte & Menschenrechte

    Landrechte (egal ob schriftlich verankert oder Gewohnheitsrechte) versuchen einen rechtlichen Rahmen für die Nutzung von Land und (vermehrt ) von Landbesitz zu schaffen

    • Landrechte sprechen nur einen Teil der vielen Dimensionen von Land in einen rechtlichen Rahmen an.

    • Landrechtskonflikte werden oft zwischen zwei privaten Personen (juristische oder natürliche) geklärt und sind damit Teil des Privatrechts.

    • Landrechte sind aus diesem Blickwinkel exklusive, nicht-universelle Rechte (“Nur ich habe das Rechte dieses ganz spezielle Stück Land zu nutzen”)

  • Exkurs (2)

    Menschenrechte beziehen insbesondere den Staat als Akteur mit ein. Dieser muss seine Schutz-, Respekt- und Gewährleistungspflichten achten.

    • Menschenrechte können existierendes Landrecht infrage stellen, wenn dies beispielsweise

    diskriminierend ist. Dies kann die Tatsache aufdecken, dass der Kern eines Landkonflikts die Nicht-Umsetzung von Menschenrechtspflichten ist.

    • Dies wiederum kann dazu beitragen, die rechtliche und politische Perspektive auf einen Konflikt zu verändern: von einer zwei private Akteure betreffende und vom Privatrecht behandelten zu einer eines kollektiven sozialen Konflikts, welcher das öffentliche Interesse betrifft und verfassungsrechtliche Fragen beinhaltet (beispielsweise der soziale Nutzen von Privateigentum oder gerechter Zugang zu Land).

    “Der Ausschuss empfiehlt, dass der Vertragsstaat das Gesetz Nr. 2007-037 überarbeitet und den Zugang zu Land und weiteren natürlichen Ressourcen für BäuerInnen und Menschen in ländlichen Gebieten fördert. Er empfiehlt weiterhin, dass der Vertragsstaat eine nationale Debatte zu Investitionen in die Landwirtschaft durchführt und vor Vertragsabschlüssen mit ausländischen Firmen die freie und informierten Zustimmung der Betroffenen einholt.“

    (Abschlussbemerkung des CESCR zum Staatenbericht Madagaskars (2009))

  • Verantwortlichkeiten identifizieren

    • Menschenrechtliche Verantwortung bei Landkonflikte ist oft vielschichtig

    – Der kambodschanische Staat

    – Heimatstaaten der ‚Investoren‘

    – Heimatstaaten finanzierender Banken

    – Staaten, die mit ihren Politiken diese Landkonflikte anheizen

    – Beteiligte Entwicklungshilfe

  • Verantwortlichkeiten (2)

    Intransparenz: Praktisches & menschenrechtliches Problem bei der Identifikation von konkreten Verantwortlichkeiten • Wissen um die beteiligen Akteure fehlt oder ist lückenhaft

    – Finanzierung durch internationale Banken (inkl. Entwicklungsbanken) quasi unbekannt

    • Konkrete Entscheidungsprozesse nur schwer nachvollziehbar – Bspw. welche Behörde wann welche Fakten kannte und wie genau damit

    umging.

    • Bei ‚Entwicklungsprojekten‘ fehlt oft die systematische Information zu menschenrechtlichen Problemstellungen. Information zu konkreten Projekten gibt es – wenn überhaupt – oft erst nach Durchführungsstart.

    • Öffentliche Kontrolle durch Parlamente und Zivilgesellschaft oft nicht möglich

  • Ein kleines Fazit

    • Landkonflikte beinhalten oft eine ganze Reihe von Menschenrechtsverletzungen

    • Gleichzeitig gibt es eine ganze Reihe von beteiligten Akteuren

    • Zuordnung konkreter menschenrechtlicher Verantwortungen (als wichtige Grundlage menschenrechtlichen Handelns / ‚reagieren‘) wird jedoch durch Intransparenz erschwert

  • Lesenswert….

    • Menschenrechtsanalyse Zuckerrohrplantagen Kambodscha: http://www.fian.de/fileadmin/user_upload/dokumente/shop/landwirtschaft/2014_casedossier_Cambodia_dt_screen_final.pdf

    • UN-Leitlinien zu Land http://www.fao.org/docrep/016/i2801e/i2801e.pdf

    • Maastrichter Prinzipien zu extraterritorialen Staatenpflichten http://www.fian.de/fileadmin/user_upload/dokumente/shop/RaN/2012_ETO_Maastricht_Principles_en_de_final.pdf – Dazugehöriger Kommentar http://www.etoconsortium.org/nc/en/library/maastricht-

    principles/?tx_drblob_pi1[downloadUid]=63

    http://www.fian.de/fileadmin/user_upload/dokumente/shop/landwirtschaft/2014_casedossier_Cambodia_dt_screen_final.pdfhttp://www.fian.de/fileadmin/user_upload/dokumente/shop/landwirtschaft/2014_casedossier_Cambodia_dt_screen_final.pdfhttp://www.fian.de/fileadmin/user_upload/dokumente/shop/landwirtschaft/2014_casedossier_Cambodia_dt_screen_final.pdfhttp://www.fian.de/fileadmin/user_upload/dokumente/shop/landwirtschaft/2014_casedossier_Cambodia_dt_screen_final.pdfhttp://www.fao.org/docrep/016/i2801e/i2801e.pdfhttp://www.fao.org/docrep/016/i2801e/i2801e.pdfhttp://www.fao.org/docrep/016/i2801e/i2801e.pdfhttp://www.fian.de/fileadmin/user_upload/dokumente/shop/RaN/2012_ETO_Maastricht_Principles_en_de_final.pdfhttp://www.fian.de/fileadmin/user_upload/dokumente/shop/RaN/2012_ETO_Maastricht_Principles_en_de_final.pdfhttp://www.fian.de/fileadmin/user_upload/dokumente/shop/RaN/2012_ETO_Maastricht_Principles_en_de_final.pdfhttp://www.fian.de/fileadmin/user_upload/dokumente/shop/RaN/2012_ETO_Maastricht_Principles_en_de_final.pdfhttp://www.etoconsortium.org/nc/en/library/maastricht-principles/?tx_drblob_pi1[downloadUid]=63http://www.etoconsortium.org/nc/en/library/maastricht-principles/?tx_drblob_pi1[downloadUid]=63http://www.etoconsortium.org/nc/en/library/maastricht-principles/?tx_drblob_pi1[downloadUid]=63http://www.etoconsortium.org/nc/en/library/maastricht-principles/?tx_drblob_pi1[downloadUid]=63http://www.etoconsortium.org/nc/en/library/maastricht-principles/?tx_drblob_pi1[downloadUid]=63http://www.etoconsortium.org/nc/en/library/maastricht-principles/?tx_drblob_pi1[downloadUid]=63

  • Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

    „Menschenrechtsverletzungen identifizieren“

    Roman Herre

    FIAN Deutschland