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Methoden der musikalischen Analyse Eine Einführung anhand der Sonate in C-Dur KV 545, 1. Satz, Exposition von Wolfgang Amadé Mozart

Methoden - musikanalyse.net · UnterrichtsmaterialProf.Dr.UlrichKaiser ZitateundBeispieleaus: HugoRiemann,MusikalischeSyntaxis,Leipzig1877. ders.MusikalischeDynamikundAgogik,Hamburgu.a.1884

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Methodender musikalischen Analyse

Eine Einführung

anhand der Sonate in C-Dur KV 545,1. Satz, Exposition von Wolfgang Amadé Mozart

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EinführungDie hier zusammengestellten Materialien zu Methoden der musikalischen Ana-lyse sollen veranschaulichen helfen, dass es nicht ›die‹ richtige Analyse gibt,sondern dass verschiedene, angemessene Sichtweisen auf Musik nebenein-ander existieren können.

Mit der Funktionstheorie beispielsweise lassen sich harmonische Verläufe,mit Riemanns Phrasierungsbögen musikalische Abschnitte veranschaulichen.Auch die Bestimmung von ›formal functions‹ im Sinne William E. Caplinsgliedert Musik in Teile, ebenso wie eine Interpretation des Oberstimmenver-laufs nach Heinrich Schenker. Und es verhält sich auch nicht anders, wenn manSatzmodelle nach Carl Dahlhaus, Schemata nach Robert O. Gjerdingen oderandere Modelle zur Analyse heranzieht. Jedes Modell bzw. jede Methode re-duziert Musik auf nur wenige Parameter und gibt ihr erst dadurch eine Glieder-ung. Das wirft die Frage auf, warum man überhaupt Musik mit Modellenanalysiert und wenn man es tut, welche Modelle man dabei am besten verwen-det.

Die erste Frage ist leicht zu beantworten: Wir verwenden Modelle, weil es inunserer menschlichen Natur liegt. Modelle vereinfachen unsere komplexe Um-welt auf anschauliche Weise und ermöglichen es uns, sie zu ›verstehen‹ undfür unsere Interessen zu benutzen. Die Qualität von Modellen lässt sich dabeiim Hinblick auf ihre Ergebnisse beurteilen: Führt mich ein Stadtplan zum Ziel,bietet er mir ein gutes Modell einer Stadt. Ist er kompliziert, unübersichtlichoder zeigt er mir dort einen Fußweg an, wo ein Wasserkanal verläuft (erlebt inVenedig), ist er schlecht oder sogar gefährlich.

Das führt zur zweiten, weitaus schwieriger zu beantwortenden Frage:Welches Modell sollte man beim Analysieren verwenden? Eine Antwort aufdiese Frage hängt davon ab, auf welche Frage zu einer bestimmten Musik maneine Antwort finden möchte ("Warum wirken Kadenzen schließend?"). Glaubtman, auf eine Frage eine Antwort gefunden zu haben (z.B. "Die Schlusswirkungeiner Kadenz hängt an der Subdominante."), kann man diese Antwort bzw.›Theorie‹ methodisch überprüfen. Eine harmonische Chiffrierung mit Funk-tionssymbolen würde in diesem Fall recht schnell ergeben, dass der Satz falschist (denn es gibt viele Kadenzen mit großer Schlusswirkung, die keine subdo-minantischen Klänge enthalten).

Niklas Luhmann hat das Zusammenspiel von Theorie und Methode be-schrieben. Nach ihm und auf die musikalische Analyse übertragen, bestehteine ›Theorie‹ aus zusammenhängenden Aussagesätzen zu einer Musik, Me-thoden hingegen leisten die empirische Überprüfung der Aussagesätze unterVerwendung geeigneter Modelle. Dadurch, dass ein Scheitern einer metho-dischen Überprüfung die Modifikation eines theoretischen Satzes nach sichzieht, ein veränderter Satz hingegen die Modifikation der ihm zugehörigenMethode bewirken kann, entsteht ein Kreislauf, der die für Forschungsvorhabennotwendige Begrenzung bereitstellt, ohne dogmatische Grenzen zu ziehen.Oder, wie es Niklas Luhmann mit einem Paradox ausgedrückt hat: Dieser Kreis-lauf leistet »Limitationen ohne Limitation also!«

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Unterrichtsmaterial Prof. Dr. Ulrich Kaiser

Hugo Riemann (1849–1919) war Musiktheoretiker, Musikwissenschaftler undMusikpädagoge und ist heute bekannt als Begründer der dualistischen Funk-tionstheorie. Insbesondere seine frühen Schriften wie z.B. die MusikalischeSyntaxis (1877) sind dabei Zeugnis des Wandels von einer positivistischen zueiner autonomen und phänomenologisch geprägten Musiktheorie. Riemannging davon aus, dass Musikhören »kein fysisches Erleiden«, sondern eine »lo-gische Aktivität« bzw. ein Vorstellen von Tönen sei (S. VIII). Aufgrund der Dog-matik seiner späteren Schriften wird Riemann im fachwissenschaftlichen Dis-kurs oftmals kritisch gesehen. Die Funktionstheorie Riemanns ist von MaxReger und Hermann Grabner vereinfacht worden und nahm in der von WilhelmMaler publizierten Form in Deutschland lange eine Vorrangstellung ein.In den USA beruft sich heute die Neo-Riemannian-Theory auf den Dualismus

und die Schriften Hugo Riemanns.

Steckbrief

Abbilung aus: »Die ›sinfonische Welle‹ als Methode der musikalischen Analyse«,Link: http://musikanalyse.net/tutorials/sinfonische-welle/

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Noten

T D T S5

T D3

7 T

S T3

D5

7T

S6 D3

7 D 64 3

546

35

T

D = T

T D

5

7T D

7

T = I IV vii iii vi ii V I

S6 D64

53

T D7 7DT T

7

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Zitate und Beispiele aus:Hugo Riemann, Musikalische Syntaxis, Leipzig 1877.ders. Musikalische Dynamik und Agogik, Hamburg u.a. 1884.ders. Musikgeschichte in Beispielen, Leipzig 1912.

Funktionen und Stufen

Peter Rummenhöller unterschied zwischen Tonart- und Akkordfunktionen. Da-mit entspricht er Riemanns Anschauung, dass eine »These, welche Gestalt sieauch habe« sowohl »Hinstellung eines Klanges«, aber auch »Einigungspunktder Beziehung einer beschränkten Anzahl von Klängen« sein kann. (Riemann1877, S. 50).

Riemann bezeichnet als These das »Aufstelleneines Klanges als Hauptklang« (1877, S. 50).Dabei hat ein isolierter Klang die Tendenz, alsHauptklang zu wirken: »Zunächst werden wirimmer den ersten Klang als Hauptklang fassenund den zweiten nach seiner Dur- und Mollver-wandtschaft auf ihn beziehen« (1877, S. 15).

»Denn was wir bei Betrachtung der Motive alsselbstständiger dynamischen Formen alsScheidegrenze der Motive fanden, muss dochwohl zur Scheidegrenze der Phrasen werden,sobald wir die effektive dynamische Ausstat-tung vom Motiv auf die Phrase ausdehnen. DiePhrase erscheint sonach als ein grosses Motiv,dessen Untertheilungsmotive auch Taktmotivesein können.« (1884, S. 255).

Zum Phrasierungsbogen:

Zur These:

T S D T D

T

(1912, S. 326)

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Noten

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Systematik:

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Noten

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Heinrich Schenker, Neue musikalische Theorien und Phantasien,

Bd. III: Der freie Satz, Wien 1935, 2/1956, Fig. 124, 5a.

Heinrich Schenker, Neue musikalische Theorien und Phantasien,

Bd. III: Der freie Satz, Wien 1935, 2/1956, Fig. 47.

Heinrich Schenker, Der Tonwille 4 (1923), S. 19.

Diagramme

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Noten

Here the opening appears structured as a single phrase [...] The opening fourmeasures suggest a normative sentence presentation, aa' (mm. 1–2, 3–4) withthe characteristic harmonic oscillation around the tonic [...]The sentence's continuation Modul begins in mm. 5–8 (b, with its typical se-quential treatment of a shorter structural unit). Mm. 1–12 constitute the con-clusion of the sentence with the cadential module (essentially ii6–V in the tonickey). But mm. 9–12 also take on the transitional features of a typical drive to amedial caesura, including a dominant lock at m. 11 and a triple-hammer-blowgesture I:HC MC at m. 12. The continuation portion of P[rimary Theme] over-laps with TR[ansition], and P and TR thus merge (P⤇TR).

As definedhere, caden-tial functionbegins withthe onset ofthe cadentialprogression,which, in thecase of sen-tence form,usually occursaround themiddle of thecontinuationphrase.

Aus: Caplin 1998,S. 10 und S. 45.

Aus: Hepokoski/Darrcy 2006, S. 106.

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Noten

Partimento

Modelle

•Opening Gambit

• Prinner

• Indugio

•Ponte

•Complete MI-RE-DO

•Coda

•Final Fal l

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What I cal l »the Indugio«

— so named because it

signals a playful tarrying

or l ingering (It. , indugiare)

that delays the arrival of a

cadence — was a schema

for extending and focus-

ing on the first type of

sonority, a 6/3 or 6/5/3

chord on ④.

One

prominent

class of

cadentia l

melodies

featured a

❸–❷–❶ or

mi–re–do

descent.

S. 46.

S. 274.

S. 198.

S. 143.

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Steckbrief

In seinen Untersuchungen über die Entstehung der harmonischen Tonal ität

wies Carl Dahlhaus tonal harmonische Deutungen von Musik des 14. bis

frühen 17. Jahrhunderts als unhistorisch zurück. Theorien der harmonischen

Tonal ität bezeichnete er als »Dogmatiken«, als »systematische Expl ikationen

[ . . . ] einer besonderen Bl ickweise«, und schränkte ihren Geltungsbereich histor-

isch ein [ . . . ] H iermit eröffnete er eine Sicht auf die Musik des 17. bis 19.

Jahrhunderts, die in Tei len der deutschsprachigen Musiktheorie großen Anklang

fand [ . . . ]

An der Technischen Universität Berl in studierte und promovierte in den

siebziger und achtziger Jahren bei Dahlhaus eine Reihe von Musiktheoretikern,

Schulmusikern und Komponisten, die Musiktheorie bereits unterrichteten oder

später unterrichten sol lten. Etl iche der skizzierten Gedanken flossen in die Un-

terrichtspraxis dieser Generation ein und beeinflussten so das Denken weiterer

Generationen. Dies zeigen beispielsweise Christian Möl lers’ Vorarbeiten zu ein-

er unvol lendet gebl iebenen Harmonielehre, Ulrich Kaisers Gehörbi ldungsbuch

und Hartmut Fladts »Model l /Topos-Systematik«.

Christian Möllers kritisierte nicht al lein die an deutschen Musikhochschu-

len zu seiner Zeit dominierende Funktionstheorie nach Wilhelm Maler, sondern

darüber hinaus jeden Versuch, die musikal ische Vielfalt aus einem Grundprin-

zip abzuleiten: »Sprachen, auch musikal ische«, seien »keine axiomatischen

Systeme, sondern historisch gewachsene, die aus einer Vielzahl heterogener

Elemente in unterschiedl ichen Verknüpfungen bestehen« [ . . . ]

Ulrich Kaiser ertei lt der Funktionstheorie keine generel le Absage. Die Be-

handlung »mehrstimmiger Satzmodel le«, die einen wesentl ichen Inhalt seines

Gehörbi ldungslehrgangs bi ldet, begründet er außerdem einfach pragmatisch

durch den »enormen ›Wiedererkennungseffekt‹ , der diesen Formeln anhaftet«.

Dennoch l iegt dem Buch eine klare Auffassung von tonaler Musik zugrunde:

Begriffe der Funktionstheorie finden sich nur bei der Behandlung von Anfangs-

und Schlussformeln und Modulationen; al le weiteren Satzmodel le werden na-

hezu ausschl ießl ich als Interval lstrukturen erklärt. Indem die Hör- und Impro-

visationsaufgaben, die Kompositionen des 16. bis 19. Jahrhunderts entstam-

men, dem Schüler die Relevanz einer kontrapunktischen Betrachtungsweise

fast zwingend nahelegen, vermittelt die Gehörbi ldungsschule ein Verständnis

tonaler Musik als von Geschichte gezeichnetem Gefüge, in dem sich unter-

schiedl iche musikal ische Denkweisen überlagern.

Als Enkelschüler von Dahlhaus konnte Kaiser bei der Erstel lung seines Ge-

hörbi ldungsbuches auch auf Konzepte seines Lehrers Hartmut Fladt zurück-

greifen. Fladt selbst veröffentl ichte die für seinen Unterricht zentrale

Systematik von Model len bzw. Topoi [ . . . ] erst 2005.

Aus: Hans Aerts, »›Model l ‹ und ›Topos‹ in der deutschsprachigenMusiktheorie seit Riemann«, in: ZGMTH 4/1–2 (2007).

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Steckbriefe

William E. Caplin ist ein amerikanischer Musiktheoretiker, der in Kanada lebtund arbeitet. Er wurde an der University of Southern California sowie an derUniversity of Chicago graduiert, bevor er in Deutschland an der TechnischenUniversität Berlin bei Carl Dahlhaus Musikwissenschaft studierte. Seit 1978lehrt er an der Schulich School of Music der McGill University (Montreal) alsProfessor für Music Theory. Seine bekannteste Publikation in Deutschland istdas Buch: Classical Form, A Theory of Formal Functions for the Music of Haydn, Moz-art, and Beethoven, New York 1998. Auf Basis der von A. Schönberg und ErwinRatz entwickelten Ideen entwarf Caplin eine neue Theorie für Instrument-almusik des ›classicle style‹. Grundlegend für seinen Ansatz sind die ›FormalFunctions‹ (Formfunktionen) Praesentation, Continuation und Cadential.James Hepokoski und Warren Darcy sind amerikanische Musiktheor-

etiker/Musikwissenschaftler und wurden in Deutschland bekannt durch ihrePublikation Elements of Sonata Theory. Norms, Types, and Deformations in the Late-Eighteenth-Century Sonata, New York 2006.James Hepokoski erlangte seinen PhD in Music History an der Harvard Uni-

versity und promovierte 1979 über den Falstaff von Giuseppe Verdi. Heute ister Professor für Music/Music History an der Yale University (New Haven).Warren Darcy ist Professor of Music Theory am Oberlin College and Conser-

vatory (Oberlin). Er interessierte sich anfänglich für Komposition und kam erstspäter zur Musiktheorie. Nachdem er nach eigener Ansicht für die Entwicklungder Musiktheorie seinen Beitrag geleistet hat, widmet er sich derzeit demSchreiben von Horror- und Sience-Fiction-Romanen.

Expositionstypen (nach Hepokoski/Darcy):

P TRMC

ʼEEC

S C

Figure 3.1 The Two-Part Exposition,aus: Hepokoski/Darcy 2006, S. 24.

P TR FS CEEC

pointofconversion

Figure 4.1 The Continous Exposition,aus: Hepokoski/Darcy 2006, S. 24.

Legende:P = Primary ThemeTR = TransitionMC = Medial CaesuraS = Secondary ThemeC = CadenceFS = FortspinnungEEC = Essential

Expositional Closure

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Heinrich Schenker wurde 1868 in Wisniowczyk geboren und starb 1935 inWien. Er studierte Rechtswissenschaften, später dann am Wiener Konserva-torium Klavier, Harmonielehre (bei Anton Bruckner) und Kontrapunkt. Nacheinigen erfolglosen Versuchen als Komponist beschäftigte er sich intensiv mitMusiktheorie und musikalischer Analyse. Ein prominenter Schüler von HeinrichSchenker war Wilhelm Furtwängler, der bei ihm Privatstunden nahm.

Heinrich Schenker war Jude und starb 1935 (Schenkers Frau Jeanette wurdespäter im Ghetto Theresienstadt umgebracht). Die Schriften Schenkers sindvon den Nazis geächtet und in Deutschland erst relativ spät wieder rezipiertworden. Einige Schüler Schenkers (Hans Weisse, Felix Salzer, Oswald Jonasu.a.) sind in die USA emigriert, wo sein Analyseansatz (Schenkerian analysis)heute eine Vorrangstellung einnimmt.

Steckbrief

Steckbrief

Robert O. Gjerdingen ist Professor für Musik an The School of Music, Nor-thwestern University. Er hat an der Schnittstelle zwischen Kognitionswissen-schaften und musikalischer Analyse gearbeitet bzw. an einem theoretischenModell, das die Zusammenhänge zwischen Klangsyntax und Klangfolgeerwar-tung erklären soll. Von essentieller Bedeutung für Gjerdingen sind ›kognitiveSchemata‹. Bekannt ist er auch für seine unfangreiche Website mit Materialienzum Thema Partimento.

Robert O. Gjerdingen hat zahlreiche Aufsätze geschrieben, an vielen Institu-tionen unterrichtet (u.a. Univ. of Pennsylvania, Carleton College, Harvard Univ.,Univ. of Michigan, SUNY at Stony Brook) und ist Halter von zwei Patenten (zurDatenbankerstellung und zur Musiksuche/Patternerkennung).

Bekannte Publikationen von Robert O. Gjerdingen:

• A Classic Turn of Phrase: Music and the Psychology of Convention, Philadel-phia 1988.

• Music in the Galant Style, New York 2007 (alle Beispiele dieses Arbeitsplattesentstammen dieser Publikation).