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ifo Schnelldienst 2/2013 – 66. Jahrgang – 30. Januar 2013 3 Immobilienmarkt sorgfältig beobachten Preissteigerungen rücken Immobilienmarkt in den Fokus Preisblasen an Immobilienmärkten gehö- ren generell zu den größten Risiken für die Finanzstabilität. Die Folgen derartiger Übertreibungen können Finanzinterme- diäre in Schieflage bringen und die Real- wirtschaft nachhaltig schwächen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wa- ren derartige Risiken in Deutschland zu vernachlässigen. Während in anderen Ländern Europas und auch in den USA die Immobilienpreise stark und zeitweise mit zweistelligen Jahresraten anstiegen, war in Deutschland im Allgemeinen eine Seitwärtsbewegung zu beobachten. Nach dem Platzen der Immobilienblasen in ver- schiedenen Ländern und dem Ausbruch der Finanzkrise und der Staatsschulden- krise hat sich dies jedoch geändert. Seit dem Jahr 2010 ist Bewegung in den deut- schen Immobilienmarkt gekommen. Insgesamt ergab sich in Deutschland für das Jahr 2011 eine Wachstumsrate der Wohnimmobilienpreise von 2,7%. 1 Be- trachtet man das Bild in Deutschland dif- ferenzierter, zeigt sich, dass sich die Im- mobilienpreise regional sehr unterschied- lich entwickeln. Dies verwundert nicht, wenn man demographische Faktoren wie die Zu- und Abwanderung kombiniert mit der unterschiedlichen wirtschaftlichen Dy- namik betrachtet. In vielen ländlichen Re- gionen ist ein stagnierendes und teilwei- se sogar rückläufiges Preisniveau zu ver- zeichnen. Die Preisanstiege konzentrie- ren sich insbesondere auf die Ballungs- räume. Dort haben sich mittlerweile Wohnimmobilien zum Teil sehr kräftig ver- teuert. So sind die Preise für neue Eigen- tumswohnungen im Jahr 2011 dort durchschnittlich um über 9%, für wieder- verkaufte Wohnungen um 8% gestiegen. Im Jahr 2012 dürfte sich an diesem Be- fund im Großen und Ganzen wenig geän- dert haben. Für den Preisanstieg gibt es zunächst konjunkturelle Gründe. Die gute wirt- schaftliche Lage in Deutschland und die damit verbundene niedrige Arbeitslosig- keit sowie die positiven Einkommensent- wicklungen und -erwartungen haben die Nachfrage und damit die Preise gestützt. Während sich die Einkommen im Zeit- raum von 1999 bis 2007 nur schwach entwickelten, stiegen sie in den letzten Jahren stärker an. Seit 2010 befinden sich auch die Einkommenserwartungen auf einem hohen Niveau. Längerfristig wird sich die ungünstige demographische Entwicklung dämpfend auf die Preisent- wicklung auswirken, wenngleich mittel- fristig allerdings noch ein Anstieg der An- zahl der Haushalte zu erwarten ist. Für die Ballungsgebiete spielen auch regio- nale Wanderungsbewegungen und die Urbanisierung eine Rolle. Darüber hinaus hat sicherlich auch das gegenwärtige makroökonomisch-finanz- wirtschaftliche Umfeld einen Anteil an der derzeitigen Dynamik am Immobilienmarkt. Erfahrungen anderer Länder zeigen, dass in einem Umfeld niedriger Zinsen und ho- her Liquidität Übertreibungen an den Im- mobilienmärkten entstehen können. Das historisch niedrige Zinsniveau wirkt sich auf verschiedene Weise auf die Immobi- lienpreise aus. Bei gleichen Kosten kann aktuell zum einen ein höherer Fremdkapi- talbetrag eingesetzt werden. Dies wirkt grundsätzlich preistreibend. Zum ande- ren werden die Wohnimmobilienpreise derzeit auch stark von Kapitalanlageent- scheidungen geprägt. Eine niedrige Ver- zinsung traditioneller Anlageformen und das insgesamt schwierige Anlageumfeld lenken die Aufmerksamkeit der Kapital- anleger auf den Immobilienmarkt. Das ge- sunkene Vertrauen gegenüber dem Fi- Immobilienblase? Miet- und Immobilienpreissteigerungen: Droht eine Andreas Dombret* Deuten die aktuellen Preisanstiege auf den Immobilienmärkten auf eine Immobilienblase hin? Wie kann dem Risiko einer Überhitzung wirksam begegnet werden? * Dr. Andreas Dombret ist Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank. 1 Berechnungen der Deutschen Bundesbank auf Ba- sis von Angaben der Bulwien Gesa AG.

Miet- und Immobilienpreissteigerungen: Droht eine ... · Anders als in der Meteorologie gibt es aber keine ausreichende Empirie zur Früherkennung. Die Preisblase erkennt man meist

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Immobilienmarkt sorgfältigbeobachten

Preissteigerungen rücken Immobilienmarkt in den Fokus

Preisblasen an Immobilienmärkten gehö-ren generell zu den größten Risiken für dieFinanzstabilität. Die Folgen derartigerÜbertreibungen können Finanzinterme-diäre in Schieflage bringen und die Real-wirtschaft nachhaltig schwächen.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten wa-ren derartige Risiken in Deutschland zuvernachlässigen. Während in anderenLändern Europas und auch in den USAdie Immobilienpreise stark und zeitweisemit zweistelligen Jahresraten anstiegen,war in Deutschland im Allgemeinen eineSeitwärtsbewegung zu beobachten. Nachdem Platzen der Immobilienblasen in ver-schiedenen Ländern und dem Ausbruchder Finanzkrise und der Staatsschulden-krise hat sich dies jedoch geändert. Seitdem Jahr 2010 ist Bewegung in den deut-schen Immobilienmarkt gekommen.

Insgesamt ergab sich in Deutschland fürdas Jahr 2011 eine Wachstumsrate derWohnimmobilienpreise von 2,7%.1 Be-trachtet man das Bild in Deutschland dif-ferenzierter, zeigt sich, dass sich die Im-mobilienpreise regional sehr unterschied-lich entwickeln. Dies verwundert nicht,wenn man demographische Faktoren wiedie Zu- und Abwanderung kombiniert mitder unterschiedlichen wirtschaftlichen Dy-namik betrachtet. In vielen ländlichen Re-gionen ist ein stagnierendes und teilwei-se sogar rückläufiges Preisniveau zu ver-zeichnen. Die Preisanstiege konzentrie-ren sich insbesondere auf die Ballungs-räume. Dort haben sich mittlerweileWohnimmobilien zum Teil sehr kräftig ver-teuert. So sind die Preise für neue Eigen-tumswohnungen im Jahr 2011 dort

durchschnittlich um über 9%, für wieder-verkaufte Wohnungen um 8% gestiegen.Im Jahr 2012 dürfte sich an diesem Be-fund im Großen und Ganzen wenig geän-dert haben.

Für den Preisanstieg gibt es zunächstkonjunkturelle Gründe. Die gute wirt-schaftliche Lage in Deutschland und diedamit verbundene niedrige Arbeitslosig-keit sowie die positiven Einkommensent-wicklungen und -erwartungen haben dieNachfrage und damit die Preise gestützt.Während sich die Einkommen im Zeit-raum von 1999 bis 2007 nur schwachentwickelten, stiegen sie in den letztenJahren stärker an. Seit 2010 befindensich auch die Einkommenserwartungenauf einem hohen Niveau. Längerfristigwird sich die ungünstige demographischeEntwicklung dämpfend auf die Preisent-wicklung auswirken, wenngleich mittel-fristig allerdings noch ein Anstieg der An-zahl der Haushalte zu erwarten ist. Fürdie Ballungsgebiete spielen auch regio-nale Wanderungsbewegungen und dieUrbanisierung eine Rolle.

Darüber hinaus hat sicherlich auch dasgegenwärtige makroökonomisch-finanz-wirtschaftliche Umfeld einen Anteil an derderzeitigen Dynamik am Immobilienmarkt.Erfahrungen anderer Länder zeigen, dassin einem Umfeld niedriger Zinsen und ho-her Liquidität Übertreibungen an den Im-mobilienmärkten entstehen können. Dashistorisch niedrige Zinsniveau wirkt sichauf verschiedene Weise auf die Immobi-lienpreise aus. Bei gleichen Kosten kannaktuell zum einen ein höherer Fremdkapi-talbetrag eingesetzt werden. Dies wirktgrundsätzlich preistreibend. Zum ande-ren werden die Wohnimmobilienpreisederzeit auch stark von Kapitalanlageent-scheidungen geprägt. Eine niedrige Ver-zinsung traditioneller Anlageformen unddas insgesamt schwierige Anlageumfeldlenken die Aufmerksamkeit der Kapital-anleger auf den Immobilienmarkt. Das ge-sunkene Vertrauen gegenüber dem Fi-

Immobilienblase?Miet- und Immobilienpreissteigerungen: Droht eine

Andreas Dombret*

Deuten die aktuellen Preisanstiege auf den Immobilienmärkten auf eine Immobilienblase hin? Wie

kann dem Risiko einer Überhitzung wirksam begegnet werden?

* Dr. Andreas Dombret ist Mitglied des Vorstands derDeutschen Bundesbank.

1 Berechnungen der Deutschen Bundesbank auf Ba-sis von Angaben der Bulwien Gesa AG.

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nanzsystem erhöht die Nachfrage von als sicher empfunde-nen Anlagen. Dies wird nicht zuletzt daran ersichtlich, dassdie stärksten Preisanstiege in jenen Marktsegmenten zu be-obachten waren, die sich aufgrund hoher Liquidität undTransparenz als Anlageobjekte anbieten.

Konservative Immobilienfinanzierung begrenztRisiken für Finanzstabilität

Aufgrund der Bedeutung des Immobilienkredites für ein sta-biles Finanzsystem muss die Entwicklung an den Immobi-lienmärkten grundsätzlich genau beobachtet werden. Diesergibt sich aus dem großen Umfang der immobilienmarkt-bezogenen Verschuldung. Wohnimmobilienkredite haben inDeutschland einen Anteil von über zwei Dritteln an der Ver-schuldung privater Haushalte. Bei den Banken machen sierund 40% der gesamten inländischen Buchkreditvergabean Unternehmen und Privatpersonen aus, bei Sparkassenund Kreditgenossenschaften sind es rund 50%. Preisüber-treibungen, die mit einer laxen Kreditvergabe einhergehen,können im Fall von Korrekturen schnell zu Schieflagen imBankensystem führen und die Realwirtschaft nachhaltig ne-gativ beeinflussen.

Aus Finanzstabilitätssicht muss neben der Preisentwicklungdaher vor allem auch die Kreditvergabe beobachtet werden.Kritisch sind Preissteigerungen dann, wenn sie mit einemstarken Kreditwachstum einhergehen. Hier besteht die Ge-fahr, dass sich Preissteigerungen und wachsende Verschul-dung gegenseitig verstärken. Dies wird nicht zuletzt dadurchbegünstigt, dass Immobilienkäufer offenbar dazu tendieren,Preissteigerungen der vorangegangenen Jahre fortzuschrei-ben. Darauf deuten Studien für das Ausland hin (vgl. Case,Shiller und Thompson 2012). Das kann zum einen die Ver-schuldungsbereitschaft erhöhen. Zum anderen können da-durch getriebene Kaufentscheidungen den Aufwärtstrendder Preise weiter verstärken.

Ein rascher Aufbau von Risiken für die Finanzstabilität inDeutschland ist bisher nicht zu erkennen. Dafür sprecheninsbesondere die robuste Schuldentragfähigkeit der priva-ten Haushalte, das moderate Kreditwachstum sowie diekonservativen Kreditvergabestandards. So ist die Gesamt-verschuldung der privaten Haushalte in Relation zum ver-fügbaren Einkommen seit Jahren rückläufig. Auch ist derZuwachs an Wohnimmobilienkrediten in Deutschland im-mer noch moderat, auch wenn nach dem Einbruch im Jahr2008 wieder eine gewisse Ausweitung der Immobilien-kreditvergabe zu beobachten ist (vgl. Deutsche Bundes-bank 2012). Mit 1,2% im Jahr 2011 befindet sich dieseaber noch immer auf einem moderaten Wert. Allerdingskönnen Anfangsphasen von Preisübertreibungen auch miteinem niedrigen Kreditwachstum einhergehen (vgl. Agnello und Schuknecht 2009). Möglicherweise spiegelt

sich die regionale Dynamik in den Durchschnittswerten nurunzureichend wider.

Die traditionell vergleichsweise konservative Ausgestaltungder Kreditvergabestandards in Deutschland wirkt ebenfallsrisikominimierend. Die hiesigen Immobilienmärkte sind da-durch weniger anfällig für Preisblasen, die Folgekosten even-tueller Preiskorrekturen werden begrenzt (vgl. Dagher und Fu2011; Europäische Zentralbank 2009; Duca, Muellbauer und Murphy 2010).

Die konservative Ausgestaltung zeigt sich beispielsweisedar in, dass in Deutschland ein Großteil der neu vergebenenKredite eine Zinsbindung von über fünf Jahren aufweist. Kre-ditnehmer sind innerhalb der Kreditlaufzeit damit besservor Zinsänderungsrisiken und Unsicherheiten über zukünf-tige Belastungen geschützt. Die Belastung bei einer An-schlussfinanzierung kann sich allerdings deutlich erhöhen,wenn während der Laufzeit nur wenig getilgt wird. Das nied-rige Zinsniveau kann zu einer Unterschätzung der eingegan-genen Risiken durch die Kreditnehmer führen. Grundsätz-lich besteht hier die Gefahr, dass sich Kreditnehmer bei stei-genden Zinsen mit deutlich höheren Belastungen konfron-tiert sehen.

Charakteristisch für die konservativen Kreditvergabestan-dards ist auch der Fremdfinanzierungsanteil. Bei Immobilien-käufen in Deutschland ist dieser im Allgemeinen geringer alsim internationalen Vergleich. Ein geringerer Fremdfinanzie-rungsanteil wirkt sich positiv auf das Kreditausfallrisiko aus.In Deutschland ist es eher unüblich, dass die Kredithöheden Beleihungswert erreicht oder übersteigt. Das hat auchmit der breiten Verwendung des Pfandbriefs als Refinanzie-rungsform zu tun. Hypotheken, die für den Deckungsstockdes Pfandbriefs herangezogen werden sollen, dürfen nurauf maximal 60% des Beleihungswertes lauten.

Was kann gegen Übertreibungen getan werden?

Die Entwicklung macht eine intensive Beobachtung erfor-derlich, um mögliche Risiken frühzeitig zu erkennen undgegenzusteuern zu können. Gleichzeitig ist die mikropru-denzielle Aufsicht gefragt, einer übermäßigen Lockerung derKreditstandards vorzubeugen. Institute mit sehr hohem Kre-ditwachstum müssen genauer unter die Lupe genommenwerden. Besonderes Augenmerk muss auf regional tätigeKreditinstitute im Immobiliengeschäft gelegt werden. Auf-grund der stark regionalen Konzentration der Preissteige-rungen kann es hier zu Klumpenrisiken kommen, die bei die-sen Instituten nicht in den Eigenmittelanforderungen berück-sichtigt werden.

Gegebenenfalls stünden makroprudenzielle Instrumente be-reit, um dem Aufbau von Risiken zu begegnen. Mit dem

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neuen Ausschuss für Finanzstabilität existiert ein Gremium,in dem national alle Stränge zusammenlaufen und das derBankenaufsicht den Einsatz dieser Instrumente empfehlenkann. Im Hinblick auf Immobilienmärkte gibt es verschiede-ne makroprudenzielle Handlungsoptionen. So wird zum Beispiel mit der Richtlinie zu EigenkapitalanforderungenCRD IV ein antizyklischer Kapitalpuffer eingeführt, der aushartem Kernkapital nach der Definition von Basel III beste-hen muss. In wirtschaftlich guten Zeiten mit exzessivemKreditwachstum können Banken so angehalten werden, ei-nen Eigenkapitalpuffer für Abschwünge aufzubauen (vgl.Dombret 2013).

Möglich ist auch die Anpassung von Risikogewichten fürImmobilienkredite, um Risiken an den Immobilienmärktenzielgerichtet zu begegnen. In der aktuellen Fassung der Ver-ordnung zu Eigenkapitalanforderungen CRR ist vorgese-hen, dass die Kapitalunterlegung von privaten und gewerb-lichen Realkrediten erhöht werden kann, um die durch Im-mobilien besicherte Kreditvergabe für die Kreditinstituteunattraktiver zu machen und somit Blasen auf nationalenImmobilienmärkten abzuschwächen. Eine solche Stärkungder Eigenkapitalbasis macht die Finanzinstitute widerstands-fähiger.

Zudem ermöglicht die CRR den Aufsehern, gegebenenfallsniedrigere Beleihungsgrenzen (Loan-to-Value-Relationen) zufordern. Eine solche Absenkung der Beleihungsgrenzen kanndie Dynamik an den Immobilienmärkten dämpfen, da derFremdkapitaleinsatz bei Immobilieninvestitionen einge-schränkt wird. Dies dämpft für sich genommen die Nach-frage und reduziert den Druck auf die Preise.

Die Begrenzung des maximalen Fremdkapitalhebels durcheine Leverage Ratio ist ein weiteres Mittel, eine exzessiveKreditvergabe zu verhindern. Sie ist allerdings als Instrumentgegen Übertreibungen an den Immobilienmärkten wenig ziel-genau einsetzbar, weil sie nicht nach einzelnen Kreditkate-gorien differenziert das Bilanzwachstum von Kreditinstitutenbremst. Die Leverage Ratio soll im Rahmen der CRD IV/CRRals Beobachtungskennziffer eingeführt werden.

Fazit

Um dem Aufbau von Risiken wirksam zu begegnen, istein eng verzahntes Ineinandergreifen von mikro- und ma-kroprudenzieller Aufsicht entscheidend. Risiken müssenfrühzeitig identifiziert und auch kommuniziert werden, umübermäßiges Kreditwachstum und unverhältnismäßige Ri-sikoübernahme auf Seiten der Banken nicht entstehen zulassen.

Mit der Umsetzung von CRD IV und CRR steht zukünftigeine ganze Reihe von Instrumenten zur Verfügung, die es

den zuständigen Behörden erlauben, über die mikropruden-zielle Aufsicht hinaus zielgerichtete Maßnahmen gegen ei-ne mögliche Blase auf den Immobilienmärkten zu ergreifen.Gefahren für die Finanzstabilität kann so wirksam begegnetwerden. Dies kommt auch der Realwirtschaft zugute.

Literatur

Agnello, L. und L. Schuknecht (2009), »Boom and Busts in Housing Markets,Determinants and Implications«, ECB Working Paper No 1071, Juli.

Case, K., R. Shiller und A. Thompson (2012), »What Have They Been Thinking? Home Buyer Behaviour in Hot and Cold Markets«, NBER WorkingPaper No 18400, September 2006.

Dagher, J.C. und N. Fu (2011), »What Fuels the Boom Drives the Bust: Regulation and the Mortgage Crisis«, IMF Working Paper WP/11/215, Sep-tember.

Deutsche Bundesbank (2012), Finanzstabilitätsbericht 2012, November,Frankfurt am Main.

Dombret, A. (2013), »Criteria for Financial Stability – the European View«,in: A. Dombret und O. Lucius (Hrsg.), Financial Stability, Wien, 25-43, imErscheinen.

Duca, J, J. Muellbauer und A. Murphy (2010), »Housing Markets and the Fi-nancial Crisis of 2007–2009: Lessons for the Future«, Journal of FinancialStability, 6(4), 203–217.

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Zur Diskussion gestellt

Noch lebt Schrödingers Katze

Wir befinden uns im Jahre 5 der Bergfahrt. Der Blick richtetsich talwärts und erzeugt zuweilen Höhenkoller. Vergessenscheinen die Höhen, die schon vor der letzten Talsohle er-klommen waren. Also wird heftig diskutiert, ob wir uns zuweit nach oben gewagt haben: Ist bereits ein Unwetter imAnzug, baut sich hinter dem nächsten Anstieg eines auf,oder droht zumindest eines aus der Ferne? Klar ist: Nicht je-de Wolke wird zum Gewitter, und nicht jeder Preisanstiegbirgt die Gefahr einer Blase. Anders als in der Meteorologiegibt es aber keine ausreichende Empirie zur Früherkennung.Die Preisblase erkennt man meist erst dann, wenn sie platzt.Besser als der Vergleich mit dem Wetter eignet sich zurBlasendiskussion daher ein Vergleich mit der Physik. Für diegroße Mehrheit genauso undurchschaubar wie die Immo-bilienmärkte liefert sie zumindest die passende Metapher zuraktuellen Lage: Schrödingers Katze.

Schrödingers Katze entspringt einem Gedankenexperimentaus der Quantenmechanik.1 Dabei befindet sich in einem ge-schlossenen Raum ein instabiler »Atomkern«, der innerhalbeiner bestimmten Zeitspanne mit einer gewissen Wahrschein-lichkeit »zerfällt«. Der Zerfall des Atomkerns wird von einemGeigerzähler detektiert. Im Falle einer Detektierung wird »Gift-gas« freigesetzt, das eine im Raum befindliche Katze tötet.

In der aktuellen Diskussion um Blasen versinnbildlichen der»Atomkern« das billige Geld, der »Zerfall« die Kreditaufnah-me und das »Giftgas« die zunehmende Schuldenquote; dietote Katze steht dann für die geplatzte Blase. Denn die nied-rigen Zinsen der Zentralbank erhöhen das Kreditangebot,und die schlechte Bonität der Staatsanleihen verursacht An-lagenotstand. Beides zusammen schürt die Inflationserwar-tung und treibt die Anleger in die (vermeintlich) sicheren Im-mobilienanlagen. Zum »Zerfall« kommt es aber erst, wennauch die Kreditnachfrage steigt, Wohnimmobilien also ver-

stärkt mit Fremdkapital finanziert werden. Der entscheiden-de Faktor ist aber schließlich die Zunahme der Verschul-dungsquote oder – um im Bild zu bleiben – die Freisetzungdes »Giftgases«. Denn das Platzen einer Preisblase, also derKatze Tod, hat nur dann negative volkswirtschaftliche Aus-wirkungen, wenn es eine Banken- oder Wirtschaftskrise nachsich zieht. Ohne relevante Verschuldung dagegen verlieren– vereinfacht formuliert – die Immobilieninvestoren »nur« ihrEigenkapital. Dies kann im Ergebnis volkswirtschaftlich so-gar vorteilhaft sein.2

Gemäß Quantenmechanik befindet sich der Atomkern nachAblauf der Zeitspanne im Zustand der Überlagerung (»nochnicht zerfallen« und »bereits zerfallen«). Demnach sollte sich,wenn die Quantenphysik auch auf makroskopische Syste-me anwendbar wäre, auch die Katze im Zustand der Über-lagerung, also »lebendig« und »tot«, befinden. Diese Schluss-folgerung erscheint paradox, wird aber wie folgt interpre-tiert: Beim Öffnen des Raumes und Beobachtung (Messung)springt der Atomkern, der sich zuvor im Zustand der Über-lagerung befand, in einen der möglichen Zustände. Erst beider Messung durch einen äußeren Beobachter entscheidetsich also, ob die Katze tot oder lebendig ist. Vor der Mes-sung kann über den Zustand der Katze nicht mehr als eineWahrscheinlichkeitsaussage getroffen werden.

Auch die Finanzmärkte befinden sich gewissermaßen in ei-nem Zustand der Überlagerung. Das billige Zentralbankgeldwird vom Markt sowohl »noch nicht angenommen« als auch»bereits angenommen«. Die Geschäftsbanken nutzen es fürsich, aber geben (noch) nicht alles an die Kunden weiter.Entsprechend befindet sich auch der Markt für Wohnim-mobilien im Zustand »noch keine Preisübertreibung« und»bereits Übertreibung«. Das »Öffnen des Raumes« entsprichtdaher dem Blick in die Zukunft – dann erst wissen wir, obsich eine Blase gebildet hat und geplatzt ist oder nicht. Bisdahin kennen wir nur eine Art Wahrscheinlichkeitsverteilung.Deren Parameter sind allerdings bekannt. So ist eine Blaseumso wahrscheinlicher

a) je weniger »Normalverdiener« sich eine Immobilie (noch)leisten können (Kaufpreise steigen schneller als die Einkommen),

b) je schlechter sich Mietwohnungen durch Mieteinnahmenrefinanzieren lassen (Kaufpreise steigen schneller als die Mieten),

c) je mehr Wohnungen in spekulativer Erwartung steigen-der Mieten oder Preise ohne Rücksicht auf die Nachfra-ge gebaut werden und

d) je mehr Kredite dazu aufgenommen werden.

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Reiner Braun*

* Dr. Reiner Braun ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der empirica AG.1 Erwin Schrödinger, »Die gegenwärtige Situation in der Quantenmechanik«,

Naturwissenschaften, Organ der Gesellschaft Deutscher Naturforscherund Ärzte, Bd. 23, Berlin 1935.

2 Unterstellt man, dass (in der aktuellen Situation) nur diejenigen ihre Im-mobilie verkaufen, die anderswo eine bessere Anlagealternative mit hö-herer Renditechance erwarten, dann wandert der Verkaufserlös zu den»Cleveren«, die es anschließend (volkswirtschaftlich) gewinnbringender in-vestieren.

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Zur Diskussion gestellt

Nur diese vier Parameter – nicht aber das Vorhandenseineiner Blase – können am Markt beobachtet werden (vgl.Tab. 1). So kosten Eigentumswohnungen im bundesweitenDurchschnitt derzeit 4,4 Jahreseinkommen bzw. 23,3 Mo-natsmieten.3 Pro Tausend Einwohner werden 1,7 Woh-nungen errichtet, und der Anteil neuer Wohnungsbaukre-dite am BIP liegt bei 7,2%. Vergleicht man dies mit den Wer-ten des Jahres 2004, sind ETW heutzutage eher preiswer-ter, die Fertigstellungen geringer und das Kreditvolumen et-wa gleich hoch.4 Alle vier Indikatoren geben demnach kei-nen Anlass zur Besorgnis: Da im Jahr 2004 kein Menschvon Blasen gesprochen hat, kann man wohl auch für dieGegenwart Entwarnung geben. Die Katze lebt also mut-maßlich noch.

Auch im internationalen Maßstab scheinen die Risiken ge-ring: So waren laut OECD die Hauspreise relativ zum BIP inden vier Jahren vor dem Crash bis 2007 in Irland (+ 2,7%p.a.) oder Spanien (+ 4,0% p.a.) ungleich stärker gestiegenals in den letzten vier Jahren bis 2011 in Deutschland (+ 0,6%p.a.). In den beiden Krisenländern wurden im Jahr 2008pro Tausend Einwohner mehr als 17 Wohnungen neu errich-tet, hierzulande im Jahr 2011 gerade einmal zwei. Und wäh-rend sich im Jahr 2009 die ausstehenden Bauschulden ge-

mäß OECD-Angaben in Irland auf mehr als70% und in Spanien auf über 60% des BIPaddierten, liegt der aktuelle Vergleichswert inDeutschland bei weniger als 40%.

Richtig ist natürlich auch, dass bundeswei-te Mittelwerte lokale Spitzen verschleiern. Be-trachten wir gewissermaßen eine Gesamt-heit von Systemen (mehrere Räume mit Kat-zen), dann wird nach einem bestimmten Zeit-intervall – nach dem Gesetz der großen Zah-len – ein Teil aller Katzen tot sein. Also wer-fen wir einen Blick auf die 113 kreisfreien

deutschen Großstädte (vgl. Tab. 2). Derselbe Zeitvergleichwie für ganz Deutschland zeigt ebenfalls eine überwiegendfallende oder stagnierende Tendenz der Nachfrage- und An-gebotsindikatoren (der Beleihungsindikator ist auf regiona-ler Ebene nicht verfügbar). In weniger als jeder siebten Groß-stadt sind die Kaufpreise schneller gestiegen als die Einkom-men, und nur in etwa jeder fünften sind die Kaufpreise schnel-ler gestiegen als die Mieten oder werden heute mehr Woh-nungen gebaut als vor acht Jahren.5

Aber nicht vergessen: Ein einzelner steigender Indikatorerhöht nur die Wahrscheinlichkeit und ist mithin nur einerster Hinweis für aufkommende Blasen. Zur Diagnose ei-ner Preisblase sollten schon mehrere Indikatoren gleich-zeitig ansteigen. Tatsächlich gibt es insgesamt 48 Groß-städte, in denen zumindest ein Indikator ansteigt. Aber nurin acht Städten steigen zwei und in gerade mal drei Städ-ten alle drei Indikatoren gleichzeitig an. In den restlichen37 Städten ist es immer nur ein Indikator, der aufkommen-de Blasen signalisiert.

Klar, man könnte jetzt den Blick noch weiter schärfen undeinzelne Stadtteile, Straßenzüge oder Gebäude unter dieLupe nehmen. Auch in Schrödingers Versuchsaufbau wür-den genaugenommen nicht nur zwei überlagerte Zuständeentstehen, sondern aufgrund der kontinuierlichen Zerfalls-wahrscheinlichkeit viele, früher oder später gestorbene Kat-

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Tab. 1 Indikatoren für Preisblasen in Deutschland insgesamt

2004 aktuella) Trendb) Preis-Einkommensverhältnis ETWc) 4,4 4,4 – 0,1 Vervielfältiger 24,5 23,3 – 1,1 Fertigstellungen je 1 000 Einwohner 3,0 1,7 – 1,3 Anteil neue Wohnungsbaukredite am BIP in % 7,1 7,2 0,1 a) H1/2012 bzw. Fertigstellungen 2011. – b) Differenz zwischen »2004« und »aktuell«. – c) Jahresnettoeinkommen.

Quelle: empirica-Preisdatenbank (IDN Immodaten GmbH); Bundesbank.

Tab. 2 Indikatoren für Preisblasen in Großstädten Veränderungen der Indikatoren im Zeitraum 2004 bis 2012a) in den 113 kreisfreien Städten

fällt stagniertb) steigt Summe

Preis-Einkommensverhältnis ETWc) 30 68 15 113 Vervielfältiger 75 14 24 113 Fertigstellungen je 1 000 Einwohner 57 33 23 113

Preis-Einkommensverhältnis ETWc) 27% 60% 13% 100% Vervielfältiger 66% 12% 21% 100% Fertigstellungen je 1 000 Einwohner 50% 29% 20% 100% a) Mieten und Preise H1/2012, Fertigstellungen 2011. – b) Veränderung des Indikators ± 0,5. – c) Jahresnettoeinkommen.

Quelle: empirica-Preisdatenbank (IDN Immodaten GmbH).

3 Dieser Vervielfältiger scheint etwas hoch, das liegt aber an der Unschär-fe, die daraus resultiert, dass hier inserierte Miet- und Kaufpreise dersel-ben Stadt, nicht aber derselben Wohnung zueinander ins Verhältnis ge-setzt werden.

4 Kurzfristigere Vergleiche vernachlässigen, dass die Mieten lange vor denKaufpreisen angezogen haben. 5 Mehr Städtedetails in den empirica-Wohnungsmarktreports im IZ-shop.de.

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zen. Man wird also immer eine tote Katze oder eben einelokale Mikrolage finden, bei der alle Indikatoren auf Blasendeuten. Aber was bedeutet das? Das heißt doch weiternichts als dass es Quartiere gibt, in denen man nicht mehrkaufen sollte. Aber muss man deswegen gleich alle Katzenfür tot erklären?

Der Katze Tod ist nicht unabwendbar

Die Zutaten für eine Blase liegen bereit. Aber anders als beiSchrödingers Gedankenexperiment können wir unserer Kat-ze den »Atomkern« wegnehmen. Will heißen: früher oderspäter wird die EZB das Geld verteuern und werden die Staa-ten ihre Schulden reduzieren. Dann wäre der Anlagenotstandschnell beendet und (deutsche) Immobilien nicht länger dereinzige sichere Hafen für deutsche, südeuropäische und an-dere Anleger.

Bis dahin muss alles getan werden, was den »Zerfall« ver-langsamen kann. Die Halbwertszeit der Schuldenfalle wirddurch allerlei politische Parameter und Verhaltensweisen derMarktakteure bestimmt. Hilfreich sind zunächst einmal dietraditionell niedrigen Beleihungsausläufe und die konserva-tive Wertermittlung der deutschen Kreditgeber. Zusammenmit der Festzinshypothek sichern sie hauptsächlich die selbstnutzenden Wohneigentümer vor einem Kreditausfall bei stei-genden Zinsen und platzenden Preisblasen. Im Falle der Ka-pitalanleger wird ein rasanter Anstieg der Verschuldungs-quote vor allem durch die Abwesenheit erhöhter Abschrei-bungsmöglichkeiten im deutschen Steuerrecht verhindert.Zum Wohle der Katzen sollten daher Sonderabschreibun-gen jeglicher Art auch künftig unterbleiben. Schließlich wirktals globale Schuldenbremse für alle Kreditnehmer und Im-mobiliensegmente eine strengere Kreditvergabe als Folgehöherer Eigenkapitalhinterlegung und verbesserter Banken-aufsicht (Basel III).

Als dritte Stellschraube kann auch das »Giftgas« entschärftwerden. Eine steigende Verschuldung ist ungiftiger, wennsie reale Investitionen und nicht nur monetär aufgeblähteBestände finanziert. Derzeit aber werden private Investo-ren durch Mietpreisdeckel im Bestand und drohende De-ckelung im Neubau gegängelt. Hinzu kommen weitere Auf-lagen im Rahmen städtebaulicher Verträge (Mindestquo-te »billiger« Wohnungen, kostenfreie Errichtung Kindergar-ten, Übererfüllung der EnEV). Hier gilt: Die Dosis macht dasGift. Jede zusätzliche Vorschrift verschreckt einen weite-ren Investor und verhindert damit ausreichenden Neubau.Im Ergebnis nimmt die Knappheit weiter zu: Bestandsprei-se, Mietniveau und Blasenangst werden zusätzlich ge-schürt. Zusätzlicher Neubau erfordert auch mehr Bauland.Die Kommunen sagen, es sei genug da. Das ist zuweilensogar wahr, aber es wird gehortet. Die Haltekosten unbe-bauter Grundstücke sind zu gering. Denen könnte eine hö-

here Grundsteuer für brachliegende oder untergenutzteFlächen auf die Sprünge helfen.

In der aktuellen Blasendiskussion wird allzu oft vergessen,dass es neben dem krisenbedingten Preisanstieg infolge der(kurzfristigen) Zusatznachfrage nach Immobilien als Wertan-lage auch einen knappheitsbedingten Preisanstieg infolgeder demographisch bedingten (langfristigen) Zusatznachfra-ge nach neuem, vor allem höherwertigem Wohnraum gibt.6

Solange also Neubau durch Auflagen erschwert oder ein-facher Wohnraum zulasten hochwertiger Alternativen durch(Quer-)Subventionen bevorzugt wird, solange spiegeln diesteigenden Miet- und Kaufpreise vorzugsweise reale Knapp-heiten und weniger monetäre Blasen. Das Restrisiko mo-netärer Blasen wird allerdings solange bestehen, wie der»Kern« des Problems, das billige Geld, nicht beseitigt ist.Daher sollte man alles tun, was den »Zerfall« verlangsamt(Kreditrestriktionen beim Bestandserwerb) und das »Gift-gas« entschärft (weniger Auflagen und mehr Bauland imNeubau). Dann ist auch Schrödingers Katze noch ein lan-ges und glückliches Leben beschert.

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6 Vgl. empirica paper Nr. 210 »Der große Irrtum am Wohnungsmarkt«, on-line verfügbar unter: http://www.empirica-institut.de/kufa/empi210rb.pdf.

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Zur Diskussion gestellt

Trotz Sondereffekten: Preisbildung basiert auf soliden Rahmenbedingungen

Die Frage nach der Bildung einer Immobilienpreisblase inDeutschland bedarf zunächst dem Verständnis bzw. der De-finition einer Preisblase. Sodann gilt es zu analysieren, welcheCharakteristika der deutsche Wohnimmobilienmarkt aufweist,um zu verstehen, welche Parameter die Preisblasenbildungbeeinflussen können – sowohl positiv als auch negativ. Ab-schließend schafft ein Blick auf die historische Entwicklung desMarktes Klarheit, ob sich das reale Preisniveau sowie das Ver-hältnis der Ausgaben privater Haushalte für Wohnen im Ver-hältnis zum verfügbaren Einkommen und deren Entwicklungunter die Definition einer Preisblase subsumieren lassen.

Definition Preisblase

Nach Stiglitz (1990, 13) existiert eine Preisbla-se, sobald der Grund für einen hohen aktuel-len Preis lediglich im Glauben der Investorenan einen hohen Verkaufspreis in der Zukunftbegründet ist und somit fundamentale Fak-toren den Preis nicht rechtfertigen – also derzugrundliegende nachhaltige Wert der Immo-bilie nicht wiederspiegelt wird.

Gründe für die Stabilität des deutschen Wohnimmobilienmarktes

Die Natur des deutschen Wohnimmobilien-marktes unterscheidet sich in mehrerlei Hinsicht

grundlegend von derer anderer internationaler Wohnimmo-bilienmärkte (vgl. Abb. 1). Neben der internationalen Diffe-renzierung ist bei der Betrachtung des deutschen Wohnim-mobilienmarktes allerdings auch zwischen der Preisentwick-lung selbstgenutzter Wohnimmobilien sowie der Preisentwick-lung vermieteter Wohnungen zu unterscheiden. Für den Marktselbstgenutzter Wohnimmobilien und insbesondere für denselbstgenutzter Einfamilienhäuser stellt vor allem die solideBausubstanz eine Hemmschwelle für die zügige Absorptionvon Nachfrageschocks dar, da Anpassungen des Angeboteslangsamer erfolgen als beispielsweise in den USA. Des Wei-teren stellen sich in Deutschland die Baukosten für die Er-stellung neuen Angebots weniger attraktiv dar als beispiels-weise in Ländern wie Spanien.1 Die Konsequenz hieraus sindzunächst steigende Preise.2 Zugleich stellt die hohe Qualitätder Bausubstanz (und die damit verbundene Eintrittsbarrie-re) einen natürlichen Schutzmechanismus vor einer Schaffungvon Wohnraum dar und führt zu langen Lebenszyklen derWohnimmobilien, die in einer geringeren Neubauaktivität undgeringeren Transaktionsvolumina resultiert.

Des Weiteren, und dies gilt sowohl für den selbstgenutz-ten als auch für den vermieteten Wohnimmobilienbestand,basiert die deutsche Kreditvergabe in Bezug auf die Im-mobilienfinanzierung auf einem soliden Grundsystem mithohen Standards, welches in der Regel auf einen langenZeitraum ausgelegt ist und die Qualität der Darlehen zumBeispiel durch geringe Beleihungsausläufe3 sichert, welchesich nicht zuletzt aus der Deckungsstockfähigkeit für dendeutschen Pfandbrief ergeben – dies war in Ländern wiez.B. den USA nicht der Fall. Hier ist aktuell kein übermäßi-ges Anwachsen der Kreditmasse zu beobachten, worauf

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Nico. B. Rottke* Christopher Yvo Oertel*

Quelle: Rottke (2012), IWL, Bd. II, Kap. A1.

A. Lage

B. Substanz

C. Rechtebündel

D. Zahlungsströme(Mietvertrag,

Veräußerungserlös)

Wert bestimmende Parameter von ImmobilienAbb. 1

* Prof. Dr. Nico. B. Rottke und Christopher Yvo Oertel,M.Sc., sind Mitarbeiter der Deutsche Reihenhaus For-schungsstelle Wohneigentum am Real Estate Manage-ment Institute der EBS Universität für Wirtschaft undRecht, Wiesbaden.

1 Ein Vergleich internationaler Baukosten kann unterwww.echarris.com eingesehen werden.

2 Vergleiche für die Funktionsweise des Wohnimmobilien-marktes auch DiPasquale und Wheaton (1992, 187).

3 Der Beleihungsauslauf beschreibt den Quotienten ausKredithöhe und Beleihungswert.

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Zur Diskussion gestellt

auch die Bundesbank im Rahmen ihres viel-zitierten Finanzstabilitätsbericht 2012 zuRecht hinweist. Zudem fördert die Kredit-vertragsgestaltung mit Vorfälligkeitsentschä-digung eine geringe Umzugsquote von ak-tuell ca. 14,5% in deutschen Großstädten,was die geringen Transaktionsvolumina wei-ter unterstütz.4

Ferner nimmt das Mietrecht in Deutschlandeine sehr starke Position ein und lässt zumBeispiel durch die Kappungsgrenze5 nur ei-ne begrenzte Mietsteigerung zu. Dies machtWohnimmobilieninvestitionen in normalen bissehr guten Lagen für opportunistische Inves-toren unattraktiv, so dass nur wenig speku-lative Investitionen in diesem Bereich unter-nommen werden. Zudem verhindert es beigegebener Mobilität Preisaufschreibungen, wie sie in ande-ren europäischen Ländern zu beobachten waren.

Einen weiteren Aspekt stellt der soziale Wohnungsbau bzw.die soziale Wohnraumförderung dar. Diese haben das Miet-niveau in Deutschland auf einem relativ geringen Level ge-halten und in einigen Bereichen die Marktmiete sogar unterdie Kostenmiete gedrückt, was Neubauaktivitäten unattrak-tiver hat erscheinen lassen. Die starke Position des Sozial-staates verhindert damit zusätzlich eine übermäßige Steige-rung der Kaufpreise. Hinzu kommt die geringe Wohneigen-tumsquote in Deutschland, welche eng mit dem sozialenWohnungsbau und dem niedrigen Mietzinsniveau verbun-den ist. Sie erlaubt einen hochkompetitiven und gut funk-tionierenden Mietmarkt und lässt im internationalen Vergleichdie Nachfrage auf Käuferseite geringer ausfallen, was wie-derum die geringen Transak tionsvolumina fördert und diePreise auf einem angemessenen Niveau hält.

Historische Wertentwicklung desdeutschen Wohnimmobilienmarktes

Die historische Preisentwicklung des deut-schen Wohnimmobilienmarktes verdeutlicht,dass eine Blasenbildung auf gesamtdeut-scher Ebene fern liegt. Betrachtet man zu-nächst den Zeitraum von 1980 bis zum Be-ginn der aktuellen Krise im Jahr 2007, ist fürDeutschland ein Rückgang der realen Immo-bilienpreise von über 20% zu verzeichnen

(vgl. Abb. 2). Im Vergleich hierzu stehen Preisaufschreibun-gen im deutlich dreistelligen Bereich, wie zum Beispiel in denLändern Spanien, Irland oder auch Großbritannien. Erwei-tert man den Betrachtungszeitraum und analysiert den Zeit-raum seit der deutschen Wiedervereinigung bis Ende 2011,zeigt sich ein noch klareres Bild. In diesem Zeitraum stie-gen die Preise für Wohnimmobilien nominal um weniger als20%, während in dieser Zeit der Verbraucherpreisindex ei-ne Preissteigerung von über 45% aufzeigt. Unabhängig derWahl des Zeithorizontes wird deutlich, dass historisch ge-sehen die Wohnimmobilieninvestition in Deutschland eineWertaufschreibung aufweist, welche den Wertverlust durchInflation nicht kompensiert.

Betrachtet man den Gesamtzeitraum der verfügbaren Da-ten zurück bis in das Jahr 1970, wird deutlich, dass Deutsch-land im Trend als einziges Land im dargestellten Vergleichkonstante bis leicht rückläufige reale Wohnimmobilienprei-se zu verzeichnen hatte (vgl. Abb. 3), welcher nur von drei

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4 Die durchschnittliche Wohndauer in einer Immobilieliegt somit bei ca. sieben Jahren. Deutschlandweit ge-sehen lag die historische Umzugsquote deutlich nied-riger, bei nur ca. 11% (vgl. www.techem.de).

5 Die Kappungsgrenze begrenzt die Mietsteigerung be-stehender Mietverträge innerhalb eines Dreijahreszeit-raumes.

62.70%

70.35%

71.14%

93.41%

96.70%

152.78%

207.45%

221.42%

36%

21%

277%

729%

289%

379%

395%

711%

798%

1 055%

1 539%

-21.73 %

-1.59 %

- 50 100 250 400 550 700 850 1 000 1 150 1 300 1 450 1 600

Deutschland

Japan

USA

Italien

Belgien

Kanada

Frankreich

Australien

Vereinig. Köngreich

Irland

Spanien

nominal

real

Prozentualer Anstieg der Hauspreise von 1980 bis 2007

Quelle: OECD (2012).

%

Abb. 2

20

40

60

80

100

120

140

160

180

70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 06 08 10 12

USA

Japan

Deutschland

Frankreich

Italien

Großbritannien

Kanada

Australien

Spanien

Irland

Index 2005 = 100

Entwicklung der realen Hauspreise von 1970 bis 2012

Quelle: OECD (2012).

Abb. 3

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Ausnahmen durchbrochen wurde. Sowohl Ende der sieb-ziger Jahre als auch Anfang der neunziger Jahre waren mo-derate Preisaufschreibungen über einen vergleichsweise kur-zen Zeitraum zu beobachten. Die dritte Ausnahme stelltder Zeitraum seit Anfang 2010 bis heute dar. Um diese Ab-kehr vom Trend bewerten zu können, ist es notwendig, ei-nen Blick auf aktuelle Sondereffekte zu werfen, welche ei-nen direkten oder indirekten Einfluss auf die aktuelle Preis-entwicklung für deutsche Wohnimmobilien haben.

Sondereffekte

Im Folgenden wird sowohl auf das Mietpreis- als auch aufdas Kaufpreisniveau Bezug genommen. In Deutschland tref-fen zum gegenwärtigen Zeitpunkt mehrere preistreibendeFaktoren zusammen. Zum einen führen die verkürzten Abi-turjahrgänge zu einem erhöhten Studentenaufkommen indeutschen Universitäts- und Hochschulstädten. Dieser Ef-fekt wird durch die Abschaffung der Wehrpflicht noch deut-lich verschärft und führt zu einem bisweilen enormen Nach-frageüberhang, sodass dass das Angebot an günstigemWohnraum in angemessenen Lagen vielerorts sehr be-schränkt ist. Gleichzeitig trifft den deutschen Wohnimmobi-lienmarkt vor allem im hochpreisigen Segment eine gestie-gene Nachfrage ausländischer, aber auch inländischer, ver-mögender institutioneller wie auch privater Anleger, welcheden deutschen Wohnimmobilienmarkt als sichere Anlage-möglichkeit suchen. Der massive Nachfrageüberhang in mo-deraten Preisregionen führt dort zwar zu steigenden Prei-sen, diese sind allerdings durch die unelastische Nachfra-ge vieler, vor allem junger Mieter mit geringen Einkommen,in ihrer Höhe begrenzt. Anders gestaltet es sich in Top-La-gen, in denen die gesteigerte Nachfrage zu ebenfalls höhe-ren Preisen führt, welche allerdings auf eine sehr elastischeNachfrage hoher Einkommen stößt und somit schnell zustarken Preisanstiegen führen kann.

Aktuelle Maßnahmen

Das aktuell geplante Eingreifen der Politik in den Wohnungs-markt hat eine lange Tradition und ist gerade in Wahljahrendurch seinen großen Wirkungskreis ein stark diskutiertesThema. Neben der bereits 2001 auf 20% abgesenkten Kap-pungsgrenze ist nun eine weitere Absenkung auf 15% ge-plant. Hierbei wird jedoch ignoriert, dass den größten Preis-treiber nicht bestehende Mietverträge darstellen, sondernneu geschlossene Mietverträge, für welche die Kappungs-grenze aktuell nicht gilt und auch in Zukunft nicht geltensoll. Dies reduziert die Attraktivität einer Immobilieninvestiti-on weiter, darf jedoch nicht dazu führen, dass notwendigeInstandhaltungsarbeiten nicht mehr wirtschaftlich attraktivsind, da sich diese nur mit einem ausreichemden Kapital-puffer leisten lassen. Dies gilt auch für die Konsequenzen

aus der geplanten Änderung der Energieeinsparverordnungmit einer Senkung des Primärenergiebedarfs um 80% bis2050, was nur mit einem erheblichen Kapitalaufwand er-reicht werden kann und ohne staatliche Förderung eine Er-höhung der Mieten zur Folge haben wird.

Fazit

Aktuell lassen sich auf dem gesamtdeutschen Wohnimmo-bilienmarkt, vor allem vor dem Hintergrund der historischenPreisentwicklung, keine Überhitzungstendenzen ausmachen.Lediglich in kleinen, regionalen Teilmärkten lassen sich Preis-entwicklungen beobachten, welche sich unter die Definiti-on einer Preisblase subsumieren lassen. Um von einer all-gemeinen Preisblase sprechen zu können, sind also deut-lich massivere und vor allem flächendeckendere Preisauf-schreibungen notwendig, als sie gegenwärtig zu beobach-ten sind. Hierbei gilt es auch zu beachten, dass sich die Er-schwinglichkeit deutscher Wohnimmobilien, also das Ver-hältnis von Kaufpreisen zu Einkommen, trotz einer Steige-rung seit dem Jahr 2010, immer noch auf einem historischniedrigen Niveau bewegt.6

Für die Zukunft ist davon auszugehen, dass, solange die La-ge auf den internationalen Märkten weiter angespannt bleibt,der deutsche Wohnimmobilienmarkt weiterhin als attrakti-ves Anlageziel gesehen und die Nachfrage nach Top-La-gen nicht abnehmen wird. Durch die solide Kreditvergabe-politik sowie vergleichsweise geringe Renditen ist eine all-gemeine Überhitzung jedoch auch in naher Zukunft nichtzu erwarten. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund zu be-trachten, dass sich der Nachfrageüberhang durch die be-schriebenen Sondersituationen in den kommenden Jahrenwieder entspannen wird.

Literatur

Deutsche Bundesbank (2012), Finanzstabilitätsbericht 2012, Deutsche Bun-desbank, Frankfurt am Main.

DiPasquale, D. und W.C. Wheaton (1992), »The Markets for Real Estate As-sets and Space: A Conceptual Framework«, Real Estate Economics 20(2),181–198.

OECD (2012), Primärdaten, elektronisch erhalten am 16. August 2012.

Rottke, N.B. (2012), »Besonderheiten von Immobilien und deren Märkten«,in: N.B. Rottke und M. Voigtländer (2012), Immobilienwirtschaftslehre Band II– Ökonomie, Immobilien Manager Verlag, Köln, 83–100.

Stiglitz, J. (1990), »Symposium on Bubbles«, Journal of Economic Perspec -tives 4(2), 13–18.

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6 Für das erste Quartal 2012 lag der OECD-Erschwinglichkeitsindex bei ca.102 – im Vergleich zum historischen Durchschnitt seit 1980 von ca. 127(vgl. OECD 2012).

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Steigende Preise auf stabilem Fundament?

Die Preise für Wohnraum haben in einer Reihe deutscherGroßstädte während der letzten Jahre stark zugenommen.Dies lässt sich anhand verschiedener Indizes trotz kompli-zierter Datenlage und der daraus resultierenden Unsicher-heit bei der Berechnung feststellen (vgl. Hansen und Pink-wart 2012). Der Aufwärtstrend steht im Kontrast zu sta-gnierenden Preisen in anderen europäischen Ländern undist auch angesichts der Seitwärtsbewegung des deutschenImmobilienmarktes während der letzten beiden Jahrzehnteein neues Phänomen. So sind seit 2007 die Quadratmeter-preise für Wohnungen in Berlin, München, Hamburg, Frank-furt, Dresden, Stuttgart und Köln im Durchschnitt um 34%gestiegen (vgl. Kholodilin und Mense 2012).

Die jüngste Entwicklung spielt sich nicht zuletzt vor dem Hin-tergrund der europäischen Staatsschuldenkrise ab, welchedie Bewertung von Anlagerisiken auf dem Immobilienmarktbeeinflusst. Immobilien werden als besonders sichere Formder Geldanlage beworben, wobei sich die meist stark be-tonte Stabilität des Wertes aus der physischen Stabilität desObjekts abzuleiten scheint. Hinzu kommt ein niedriger Zins-satz, der die Finanzierung erleichtert und so die relative Ren-dite von Immobilien im Vergleich mit festverzinslichen Anla-gen hebt.

Auf der anderen Seite führt die momentane Attraktivität ei-niger Metropolen zu einer erhöhten Nachfrage nach Woh-nungen, deren Bestand zumindest auf kurze Sicht fix ist.Städte wie München, Frankfurt, Hamburg oder Dresden zie-hen Arbeitskräfte an, welche die Region wiederum für Fir-men interessant machen. Dabei kann eine sich selbst ver-stärkende Dynamik entstehen, die über einen gewissen Zeit-raum für ein stetes Bevölkerungswachstum in den betref-fenden Städten sorgt.

Die eben skizzierten möglichen Ursachen für die beobach-teten Preisanstiege können Aufschluss darüber geben,ob die Entwicklung zu einem neuen Gleichgewicht auf oderüber dem jetzigen Niveau führen kann, oder ob eher mitAnpassungen nach unten zu rechnen ist. Es stellt sich dieFrage, inwiefern der Boom in den betreffenden Städtendurch fundamentale Faktoren bedingt ist, welche eine öko-nomische Begründung liefern. Ist dies nicht oder nur teil-weise der Fall, so wäre von einer Überhitzung oder gar ei-ner Blase auszugehen, was letztlich zu fallenden Preisenführen würde.

Steigende Häuserpreise werden in der Literatur in der Re-gel auf zwei sich ergänzende Arten erklärt. Der fundamen-tale Ansatz leitet aus zunehmenden Einkommen und ei-ner wachsenden Bevölkerung eine steigende Nachfragenach Wohnraum ab, was Druck auf Kauf- und Mietpreiseausübt, weil das Angebot kurzfristig starr und der zur Ver-fügung stehende Raum begrenzt ist. Demgegenüber be-trachtet der finanzmarktorientierte Ansatz Immobilien inerster Linie als Anlageobjekte, wodurch das Verhältnis vonPreisen zu Mieten sowie Finanzierungs- und Instandhal-tungskosten in den Fokus rücken. Hier werden auch al-ternative Anlageformen wie Aktien oder Anleihen betrach-tet (vgl. Poterba 1992).

Keine krassen Fehlentwicklungen sichtbar

Dem fundamentalen Ansatz zufolge sollten die beobachte-ten Preisanstiege durch das Wachstum der Bevölkerung undeine Zunahme der Einkommen in den Städten zu erklärensein. Im Rahmen dieses Essays kann eine ausführliche Ana-lyse dieses Zusammenhangs nicht geleistet werden. Aller-dings können einfache Korrelationen einen ersten Hinweisgeben, ob die Entwicklungen der verschiedenen Größendivergieren oder nicht.

In Abbildung 1 sind zu diesem Zweck die Preisveränderun-gen zwischen Januar 2007 und September 2012 zusam-men mit der Zunahme der Bevölkerung zwischen 2007 und2011 in den jeweiligen Städten abgebildet.1 Die Korrelationist mit 0,70 relativ hoch. Es lohnt hier allerdings ein Blick aufdie Ausreißer: In Berlin und Hamburg waren zwar die stärks-ten Preissteigerungen zu beobachten, die Bevölkerung nahmim betrachteten Zeitraum aber nur im etwas mehr als 2%zu. Insgesamt deutet die Abbildung jedoch nicht auf kras-se Fehlentwicklungen hin. Vielmehr scheinen die Preisan-stiege zu einem guten Teil auf einen Nachfrageüberhang hin-zudeuten.

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Andreas Mense*

* Andreas Mense Ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschafts-wissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg.

1 Die Preisdaten stammen aus Kholodilin und Mense (2012). Es handelt sichhierbei um qualitätsbereinigte Angebotspreise (Eigentumswohnungen) für25 deutsche Großstädte. Die Bevölkerungsdaten sind Daten des Statis-tischen Bundesamtes, Bevölkerung von Kreisen und kreisfreien Städten.

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Um die wirtschaftliche Situation abzubilden, wurden die Mit-telwerte der Salden der Gewerbeanmeldungen pro Einwoh-ner im Alter von 18 bis 65 Jahren von 2007 bis 2011 be-rechnet.2 Auch hier zeigt ein Vergleich mit den Preissteige-rungen eine hohe Korrelation von 0,76, was darauf hindeu-tet, dass keine extremen Ungleichgewichte bestehen. Eini-ge Städte scheinen jedoch etwas aus der Reihe zu fallen.So liegen Berlin und Hamburg vergleichsweise hoch, wo-hingegen sich die Ruhrgebietsstädte fast geschlossen imunteren Bereich versammeln.3

Durch den demographischen Wandel könnte eine Stützefür den Immobilienmarkt allerdings bald wegbrechen, wenn-gleich die Großstädte von dieser Tendenz nach vorherr-schender Meinung nicht so stark betroffen sein werdenwie ländliche Gebiete. Dass sich Trends wie die jüngsteUrbanisierungswelle auch umkehren können, ist jedochnicht von der Hand zu weisen. Regionalökonomische Mo-delle legen nahe, dass die Entwicklung der Mieten selbstder Auslöser für eine solche Wende seien könnte, da diegestiegenen Lebenshaltungskosten in der Stadt irgend-wann nicht mehr durch die besseren Verdienstmöglichkei-ten in Ballungszentren und andere Vorteile des urbanen Le-bens gerechtfertigt sind.

Entwicklung der Mieten hinkt hinterher

Zur Vorsicht mahnt in diesem Sinne das in einigen Städtendeutlich gestiegene annualisierte Preis-Miete-Verhältnis, dasals Maßzahl für die Stabilität des Marktes einige Aussage-kraft innehat (vgl. Kholodilin und Mense 2012). Steigt die-ses Verhältnis, so verliert der Kauf einer Immobilie gegen-über deren Anmietung an Attraktivität. Die drei prominen-testen Beispiele sind hier Berlin, Hamburg und München,wo sich eine Eigentumswohnung aktuell in 24½ Jahren überdie Miete refinanziert. Der Durchschnitt der 25 in der Studieuntersuchten Städte liegt hingegen bei 19½ Jahren. Ausökonomischer Sicht sollte ein Investment aber unabhängigvom Ort bei ansonsten gleichem Risiko auch die gleichenErträge abwerfen, weswegen mittelfristig eine Angleichungdes Preis-Miete-Verhältnisses zu erwarten ist.

Eine solche Angleichung kann naturgemäß über steigendeMieten oder fallende Preise erreicht werden. Ersteres wür-de ein wachsendes Einkommen desjenigen Teiles der Be-völkerung voraussetzen, der auch tatsächlich in Mietwoh-nungen lebt. Dies ist zumindest momentan nicht absehbar.4

Zwar rechtfertigen die extrem niedrigen Kreditkosten in derTheorie moderate Preisanstiege, weil dadurch die Kostendes Kaufs gegenüber der Miete sinken. Im internationalenVergleich konnte allerdings zuletzt kein starker Zusammen-hang zwischen den Zinssätzen für langfristige Kredite undImmobilienpreisen festgestellt werden (vgl. Igan und Loun-gani 2012).

Ein denkbares Motiv für die Entscheidung, in Immobilien zuinvestieren, stellt zudem die Unsicherheit angesichts der

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13

-4

-2

0

2

4

6

8

10

12

-4 -2 0 2 4 6

Bevölkerungsentwicklung in %

Veränderung der Wohnungspreise und Bevölke- rungswachstum

Preisentwicklung in %

Quelle: Berechnungen des Autors.

Berlin

München

Leipzig

Gelsenkirchen

BonnKöln

Hamburg

Krefeld

Frankfurt

Dresden

Stuttgart

Duisburg

Nürnberg

Mannheim

Düsseldorf

Bremen

Bielefeld

Wiesbaden

Augsburg

Bochum

Hannover

Wuppertal

EssenDortmund

Mönchengladbach

Abb. 1

-4

-2

0

2

4

6

8

10

12

0 1 2 3 4 5 6 7

Gewerbeanmeldungen (Saldo) pro 1 000 EW (18–65 Jahre)

Veränderung der Wohnungspreise und Gewerbean-meldungen

Preisentwicklung in %

Quelle: Berechnungen des Autors.

Berlin

München

Leipzig

Gelsenkirchen

BonnKöln

Hamburg

Krefeld

FrankfurtDresden

Stuttgart

Duisburg

Nürnberg

Mannheim

Düsseldorf

Bremen

Bielefeld

Wiesbaden

Augsburg

Bochum

Hannover

Wuppertal

Essen

DortmundMönchengladbach

Abb. 2

2 Statistisches Bundesamt, Gewerbeanmeldungen nach Kreisen.3 Auf eine Betrachtung der Angebotsseite wird hier aus Platzgründen ver-

zichtet.4 Dem ist entgegenzuhalten, dass Wertsteigerungen der Immobilie die nied-

rige Mietrendite ausgleichen können. Wertsteigerungen lassen sich aberin der Regel nicht prognostizieren, so dass die niedrige Mietrendite letzt-endlich den Kauf unattraktiver macht.

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Staatsschuldenkrise dar. Weil Wohnraum einen materiellenWert aufweist, eignet sich ein solches Investment zur Ver-minderung von Inflationsrisiken. Im Umkehrschluss bedeu-tet dies aber, dass bei einer Beruhigung der Lage mit Kapi-talverschiebungen in andere Märkte gerechnet werdenmüsste, was die Preise für Immobilien in Deutschland drü-cken würde.5 Weiter könnte die zwischenzeitlich erhöhteNachfrage als nachhaltig interpretiert werden und in der Fol-ge zu einer Ausweitung der Bautätigkeit im entsprechendenMarktsegment führen. Dies würde den anschließenden Preis-verfall verstärken (vgl. Glaeser et al. 2008). Hinzu kommt,dass für den deutschen Immobilienmarkt in der Regel einerelativ hohe Angebotselastizität angenommen wird. Im vor-liegenden Fall liegt die Korrelation der Preissteigerungsratenmit der Anzahl der Baugenehmigungen seit 2007 im Bereichvon 0,5.

Die Gefahren, die von einer solchen Überhitzung ausge-hen, hängen von einer Reihe an Faktoren ab. Im Vergleichmit der Situation in den USA in den Jahren 2001 bis 2007sind deutliche Unterschiede zu erkennen, welche die ak-tuelle Situation in Deutschland weitaus weniger bedrohlicherscheinen lassen. Zum einen ist die private Finanzierungvon Immobilienbesitz in Deutschland traditionell wesent-lich konservativer als in den USA, wodurch das Ausfallri-siko von Krediten niedriger ist. Dies ist auch momentannoch gültig, wie jüngst im Finanzstabilitätsbericht der Bun-desbank festgestellt wurde (vgl. Deutsche Bundesbank2012). Zum anderen ist eine Beleihung der Immobilie ver-gleichsweise unüblich, was ebenfalls den Schaden einergeplatzten Blase begrenzen würde. Auch fehlen die inter-nationalen Verstrickungen, die mittels des Weiterverkaufsvon gebündelten Krediten hauptverantwortlich für das Aus-maß der Finanzkrise von 2007 und 2008 waren. Hinzukommt, dass der aktuelle Boom sich bisher auf regionaleZentren beschränkt.

Langfristige Wertzuwächse von Immobilien sindsehr gering

Weitet man den Blick und betrachtet die Wertentwicklungvon Immobilien über einen längeren Zeitraum, so ist laut Shil-ler (2005) eine der wesentlichen Gefahren des Immobilien-marktes die Tendenz zur Übertreibung von Preissteigerungs-raten. Durch die Langlebigkeit von Immobilien wird häufigdie Wirkung der Inflation vernachlässigt, so dass Hausbe-sitzer die realen Wertzuwächse über die Lebensdauer ei-nes Objektes hinweg stark überschätzen. Der von Shiller be-rechnete Index der Häuserpreise in den USA legt eine jähr-

liche reale Steigerungsrate von 0,4% über einen Zeitraumvon 114 Jahren von 1890 bis 2004 nahe. Von den insge-samt zwei Perioden, in denen die Preise während dieser Zeitdeutlich stiegen, führte nur die erste auf ein stabiles höhe-res Preisniveau: Die aus dem zweiten Weltkrieg zurückkeh-renden »Baby-Boomer« sorgten in den 1950er Jahren füreine deutliche Zunahme der Nachfrage nach Wohnraum,welche durch den damaligen starken wirtschaftlichen Auf-schwung unterstützt wurde. Die zweite Periode begann umdie Jahrtausendwende und löste eine knappe Dekade spä-ter die Finanzkrise aus, wobei bekanntermaßen auch dieHäuserpreise fielen.

Reinhart und Rogoff (2009) argumentieren in ihrem vielbe-achteten Werk »This Time is Dfferent – Eight Centuries ofFinancial Folly«, dass Blasen und Überschuldung von Staa-ten und Volkswirtschaften vor allem deshalb immer wiederentstehen können, weil Marktteilnehmer diesbezügliche An-zeichen konsequent ausblenden. Stattdessen konzentrie-ren sie sich auf die Unterschiede zu historischen Negativer-eignissen und deuten diese als Beweise für die Stabilitätder aktuellen Lage. Dadurch werden die für die jeweilige Si-tuation spezifischen Risiken nicht ausreichend beachtet. Indiesem Sinne sollten die bestehenden Unterschiede zur Bla-se in den USA nicht überbewertet werden. So hatte der ame-rikanische Immobilienmarkt nach dem Platzen der Dot-Com-Blase erheblich an Fahrt aufgenommen und wurde auchdurch eine zwischenzeitlich schwache Konjunktur nicht ge-bremst. Dies ist der momentanen Situation in Deutschlandnicht unähnlich, wo die Eurokrise zu einer Verschiebungder Anlegerpräferenzen hin zum Immobilienmarkt führte.Es ist gut möglich, dass die nachlassende Konjunktur zumJahreswechsel diesen Trend nicht brechen wird, weil wei-terhin eine latente Unsicherheit bezüglich der Eurokrise undder damit verbundenen Gefahren vorherrscht.

Angesichts dieser historischen Erfahrungen erscheint esdoch wahrscheinlich, dass sich die jüngsten Preisanstiegein manchen deutschen Großstädten nicht auf unbestimm-te Zeit fortsetzen werden. Beide Faktoren, welche die Prei-se momentan treiben, werden aller Voraussicht eher früherals später wieder verschwinden, sollte sich Deutschland nichtdoch noch zu einem Einwanderungsland entwickeln: Auf-grund der demographischen Entwicklung wird die Zahl derHaushalte voraussichtlich ab Mitte des nächsten Jahrzehntsschrumpfen, wobei gleichzeitig die verfügbaren Einkommenbelastet werden. Beides wird einen Rückgang der Nach-frage nach Wohnraum zufolge haben. Und anders als nachdem zweiten Weltkrieg ist hierzulande heute nicht mit ei-nem deutlichen Wirtschaftswachstum zu rechnen.

Droht in den deutschen Großstädten nun eine Immobilien-blase? Diese Frage kann insofern mit Ja beantwortet wer-den, als die Gefahr besteht, dass die bisherige Entwicklungunreflektiert in die Zukunft fortgeschrieben wird, obwohl die

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5 Dies kann sich als Verschiebung innerhalb Deutschlands gestalten, bei-spielsweise hin zu Aktien und Anleihen, oder als Abfluss ausländischenKapitals aus dem deutschen Immobilienmarkt. Allerdings haben Schmitzund Voigtländer (2012) hierzu festgestellt, dass der Anteil von grenzüber-schreitenden Käufen aus dem Ausland im Jahr 2011 weniger als 1% desGesamtvolumens des deutschen Immobilienmarktes ausmachte.

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Zur Diskussion gestellt

ursächlichen Elemente vornehmlich kurzfristiger Natur sind.Es ist angesichts der gesamteuropäischen Lage und der de-mographischen Entwicklung weder auf mittel- noch auf lang-fristige Sicht anzunehmen, dass die zur Refinanzierung vonweiteren Preissteigerungen notwendigen Mieterhöhungenauch in Zukunft durchgesetzt werden können. Das gilt letzt-endlich unabhängig davon, ob die bisherigen Preissteige-rungen fundamental gerechtfertigt waren.

Literatur

Deutsche Bundesbank (2012), Finanzstabilitätsbericht 2012, Frankfurt amMain.

Glaeser, E.L., J. Gyourko und A. Saiz (2008), »Housing Supply and HousingBubbles«, Journal of Urban Economics, 64(2), 198–217.

Hansen, H.-J. und N. Pinkwart (2012), »Preise für Wohnimmobilien«, Wirt-schaftsdienst 92(4), 280–282.

Igan, D. und P. Loungani (2012), »Global Housing Cycles«, Working Paper12/217, IWF.

Kholodilin, K.A. und A. Mense (2012). »Forecasting the Prices and Rents forFlats in Large German Cities«, Discussion Paper 1207, DIW, Berlin.

Poterba, J.M. (1992), »Taxation and Housing: Old Questions, New Answers«,The American Economic Review 82(2), 237–242.

Reinhart, C.M. und K.S. Rogoff (2009), This Time Is Different. Eight Centu-ries of Financial Folly, Princeton University Press, Princeton.

Schmitz, M. und M. Voigtländer (2012), »Grenzüberschreitende Immobilien-Transaktionen – Umfang, Trends und Determinanten«, IW Trends 39(4), 1–14.

Shiller. R.J. (2005), Irrational Exuberance, Princeton University Press, Princeton,

Wie gefährlich wäre eine Immobilien -blase in Deutschland?

Aktuell große Nachfrage nach (Wohn-)Immobilien– aber keine spekulativen Überhitzungen

Das Platzen einer Immobilienblase kann enorme negativeFolgen für die betroffenen Länder, die internationalen Finanz-märkte und die Weltwirtschaft haben. Das zeigen die Ent-wicklungen in den USA, dem Vereinigten Königreich, Spa-nien und Irland. Diese Krisen haben deutlich gemacht, dasseine vorausschauende Wirtschaftspolitik dazu beitragen soll-te, Immobilienblasen zu vermeiden. Dazu gehört auch, mög-liche Blasen frühzeitig zu erkennen.

Angesichts der möglichen Folgen einer Blase überraschtes nicht, dass wegen seit einiger Zeit spürbar steigendenImmobilienpreisen in Deutschland das »SchreckgespenstImmobilienpreisblase (...) die Runde macht« (Rottke 2012).Dennoch gibt es keinen Grund zur Panik. Die Experten sindsich weitgehend einig, dass es derzeit keine Immobilienbla-se in Deutschland gibt. Dafür sprechen etwa die Entwick-lung der Immobilienpreise in den letzten 30 Jahren auchim internationalen Vergleich, die Entwicklung der Preis-Miet-Relationen, der Einkommen und Beschäftigung, der Er-schwinglichkeit von Wohneigentum, des Transaktionsge-schehens und der Kreditvolumina (so etwa Braun 2012;Bundesbank 2012; DIW 2011; Henger, Pomogajko undVoigtländer 2012; Rottke 2012; Vornholz 2012). Die aktu-ellen Preissteigerungen liegen bundesweit erstmals seitetwa 15 Jahren oberhalb der Inflationsrate und lassen sichgut durch Fundamentalwerte erklären. Dazu gehört auchdas in den letzten Jahren gesunkene Niveau der Arbeitslo-sigkeit, das sich als Einmaleffekt in einem höheren Immo-bilienpreisniveau niederschlagen dürfte (vgl. OECD 2010).

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Jens Schumacher*

* Jens Schumacher ist Referent im Referat Immobilien- und Wohnungswirt-schaft, Wohneigentum beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt-entwicklung.Der Beitrag gibt die persönliche Auffassung des Autors wieder.

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Auch die deutlich steigende Zuwanderung trägt zu denPreissteigerungen bei.

Die zunehmende Nachfrage von Kapitalanlegern aus demIn- und Ausland kommt zum richtigen Zeitpunkt. Wenn dankdieser Nachfrage mehr Neubau in den gefragten Städtenentsteht, kann so die bestehende Wohnungslücke schnel-ler geschlossen werden. Viele dieser Investoren sind der-zeit auf der Suche nach sicheren Anlagemöglichkeiten undhalten weniger nach großen Renditen Ausschau. Dies dürf-te das Risiko einer Blase derzeit gering halten.

Abbildung 1 zeigt beispielhaft an der Entwicklung der An-gebotsmieten von 2007 bis zum ersten Halbjahr 2012, dasssich größere Preis- und Mietsteigerungen bislang auf weni-ge Kreise beschränken. Das schränkt das Risiko einer Bla-senbildung ein.

Für heute Entwarnung, aber auch für die Zukunft?

Auch wenn derzeit Entwarnung gegeben werden kann, lässtsich nicht ausschließen, dass die aktuellen Preissteigerun-gen zukünftig in einer Blase münden. Allerdings führen selbststarke Preissteigerungen über mehrere Jahre nicht notwen-digerweise zu einer Blasenbildung (vgl. Helbling 2005). Da-her ist es schwierig, eine Blasenbildung rechtzeitig und ein-deutig zu identifizieren. So entwickelt sich erfahrungsgemäßjede Blase anders. Allerdings entstehen Preisblasen über ei-nen längeren Zeitraum, was eine Früherkennung erleichtert(vgl. DIW 2011).

Daher ist zu begrüßen, dass beispielsweise das Bundesmi-nisterium der Finanzen bereits frühzeitig eine Expertise zur»Erkennung von Anzeichen zur Blasenbildung« in Auftrag ge-geben hat (vgl. DIW 2011). Auch die Bundesbank betont,dass sie die »weitere Entwicklung am deutschen Immobilien-markt (...) sowohl aus mikro- als auch aus makroprudenziel-ler Sicht sorgfältig beobachtet« (Bundesbank 2012).

Wie gefährlich wäre das Platzen einer Immobilienblase in Deutschland?

Wenn eine Blase platzt, sinken die Immobilienpreise deut-lich – oft mehrere Jahre lang. Wie gefährlich wären diesePreisrückgänge für die deutsche Volkswirtschaft?

Solange an einem konservativen Immobilienfinanzierungs-system (lange Festzinsbindung, vergleichsweise hohe Ei-genkapitalquoten) festgehalten wird, sind Eigenheimbe-sitzer in Deutschland vergleichsweise wenig anfällig fürdeutliche Preiskorrekturen. Zudem gibt es keinen Sub-prime-Sektor wie etwa in den USA (vgl. Bundesregierung

2009; 2012). Auch für die selbstgenutzte Wohnimmobilieals Altersvorsorge drohen nur geringe Risiken, solange dieImmobilie auch im Alter weiter genutzt und nicht verkauftwird.

Der große Mietwohnungsmarkt in Deutschland schützt Ge-ringverdiener weitgehend vor den Risiken eines Platzens ei-ner Blase. Mieter könnten sogar von sinkenden Mieten pro-fitieren. Allenfalls könnten geringere Finanzierungsspiel-räume bzw. Gewinnaussichten ihrer Vermieter zu geringe-ren Instandhaltungs- oder Modernisierungsaufwendungenführen.

Die Risiken liegen vielmehr bei denjenigen, die sie am ehes-ten tragen können – bei Kapitalanlegern. Ihre Ausgangsla-ge ist auf den ersten Blick ähnlich wie bei einem Crash amAktienmarkt. Sie machen deutliche Verluste. Allerdings wer-den Immobilien im Gegensatz zu Aktien meist auch mitFremdkapital finanziert. Immobilien sind zudem nur wenigfungibel. Unkalkulierte Mietausfälle bei Leerstand, sinkendeMieten und geringe Verkaufspreise können so schnell zuFinanzierungsausfällen führen. Eine solche Entwicklungkönnte im Extremfall zu einer Gefahr für das Finanzsystemwerden. Selbst bei regional beschränkten Korrekturen sindAuswirkungen auf regional tätige Banken möglich (vgl. Bun-desbank 2012).

Die Erfahrungen aus der ersten Welle der großen Woh-nungstransaktionen von 2004 bis 2007 zeigen eindrucks-voll, dass die Marktkenntnisse der Investoren und die Hö-he des Eigenkapitalanteils großen Einfluss auf die Kauf-preise haben. Je geringer Marktkenntnisse und Eigenka-pital waren, desto eher akzeptierten Investoren Kaufprei-se, die sich im Nachhinein als überhöht herausstellten.Viele so genannte »Amateurvermieter« nutzten diese Zeit,sich mit Gewinn von ihren Wohnungsbeständen zu tren-nen. Sie haben sich damit rationaler verhalten als viele derdamals neuen ausländischen Investoren (vgl. BMVBS2010, 2011a). Die aktuell auf dem deutschen Wohnungs-markt aktiven Akteure sollten aus dieser Zeit gelernt ha-ben. Zudem dürften die Finanzierungsbedingungen lang-fristig nicht mehr so attraktiv wie vor der Finanzkrise sein(vgl. BMVBS 2011b). Beides dämmt mögliche Übertrei-bungen ein.

Die Bauwirtschaft würde das Platzen einer Blase deutlichzu spüren bekommen. So dürfte die Neubautätigkeit, diederzeit ein Viertel des Wohnungsbauvolumens ausmacht,deutlich einbrechen. Auch die Bestandsinvestitionen dürf-ten zurückgehen. Es ist aber davon auszugehen, dass dieBauwirtschaft aus den Erfahrungen der 1990er Jahre ge-lernt hat und nicht wieder so große Überkapazitäten auf-bauen würde. Insgesamt dürfte die Bruttowertschöpfungin der Bauwirtschaft kaum nochmals in zehn Jahren, wiebereits von 1995 bis 2005, um knapp 30% sinken.

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Abb. 1Entwicklung der Angebotsmieten 2007 bis 1. Halbjahr 2012 in Prozent pro Jahr

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Der Einfluss der Immobilienpreisentwicklung auf die Konsum-nachfrage ist vor allem wegen des Immobilienfinanzierungs-systems in Deutschland gering (vgl. IW, Universität Mannheimund ZEW 2009). Daher dürfte die Konsumnachfrage vor al-lem indirekt durch ein schlechteres Konsumklima und einegeringere Beschäftigung im Baugewerbe betroffen sein.

Insgesamt würde ein deutlicher Einbruch der Immobilien-preise die allgemeine Konjunkturentwicklung beeinflussen.Die Folgen dürften aber im Vergleich zu früheren Immobi-lienkrisen in anderen Ländern vergleichsweise moderat aus-fallen. Entscheidend werden letztlich die Kreditvergabepra-xis der Banken und der daraus folgende Fremdkapitalein-satz sein (vgl. Henger, Pomogajko und Voigtländer 2012).Über die Finanzmärkte und die Handelsverflechtungen wä-ren die Folgen aber kaum auf Deutschland beschränkt.

Fazit: Das Schadenspotenzial ist hoch. Es dürfte aber weit-aus geringer sein als etwa in den Immobilienkrisen in denUSA oder Irland. Was folgt daraus?

Schwerpunkt der Politik: Wohnungsknappheitenund nicht Blasenbekämpfung

Die wichtigste aktuelle Herausforderung der Wohnungspo-litik sind die Wohnungsknappheiten in vielen Städten undnicht die mit einer Immobilienpreisblase verbundenen Risi-ken. Darauf sollte sich die Wohnungspolitik weiter konzent -rieren. Allerdings sollte die Politik unbedingt vermeiden, dasssie mit möglichen Maßnahmen gegen die Knappheit Markt-mechanismen aushebelt und den Nährboden für eine Bla-se bereitet.

Die aktuelle Preissteigerungen sind auch Folge der hohenBautätigkeit der 1990er Jahre. Nachdem jahrelang über Be-darf gebaut wurde, gingen die Preise real zurück. Erst seit-dem der Überhang abgebaut und in einen Mangel umge-schlagen ist, steigen die Immobilienpreise wieder. Mit et-was Verzögerung ist die Neubautätigkeit kräftig angesprun-gen. Allerdings zeigt Abbildung 2 mit dem Vergleich für 2010von Neubaubedarf (vgl. BBSR 2011) und Neubautätigkeitbeispielhaft, dass gerade in vielen Großstädten noch deut-lich mehr gebaut werden müsste, um die entstandene Lü-cke zu schließen. Deshalb ist hier auch mit weiteren Preis-steigerungen zu rechnen.

Was kann präventiv gegen eine Blase getan werden?

Auf jeden Fall sollte die Marktentwicklung sorgfältig beob-achtet werden.

Mehr Markttransparenz hilft Investoren, marktgerechte Ent-scheidungen zu treffen und Fehlinvestitionen zu vermeiden

(vgl. Bundesregierung 2012). Neben kleinräumigen mittel-fristigen Haushaltsprognosen und Neubaubedarfsschätzun-gen wären flächendeckende amtliche Daten zu Mieten undPreisen hilfreich. Ziel muss vor allem sein, regional flächen-deckend zeitnah umfassende Preisdaten auf Grundlage derguten Datenbasis der Gutachterausschüsse zu generieren.Der Häuserpreisindex des Statistischen Bundesamts (vgl.Dechent und Ritzheim 2012) sollte nur der Anfang sein.

Mit guten und planbaren Rahmenbedingungen (rechtlicheRahmenbedingungen, Förderpolitik, Marktinformationen)kann die Politik gute Investitionsbedingungen in Deutsch-land sicherstellen, damit sich einerseits Nachfrageüberhän-ge schneller schließen und es andererseits zu keinen Über-investitionen wie in den 1990er Jahren kommt. So kann einStück weit vermieden werden, dass sich Spekulationen ver-selbständigen.

Die aktuelle Bautätigkeit spricht dafür, dass die Investiti-onsbedingungen als gut eingeschätzt werden. Allerdingsdürfte die Bautätigkeit in vielen Großstädten (vor allem Ber-lin, Hamburg und München) noch nicht ausreichen, die Lü-cke zu schließen. Hier sind vor allem die betroffenen Städ-te und die umliegenden Kreise gefordert, mehr Bauland be-reitzustellen und, wo Bauland knapp ist, mehr Baumöglich-keiten etwa in die Höhe zuzulassen (vgl. IW 2012). Ansons-ten ist es möglich, dass sich dort die Preisentwicklung ver-selbständigt.

Markteingriffe wie etwa zur Begrenzung der deutlich stei-genden Mieten sollten gut überlegt sein, da sie auch dasGegenteil des intendierten Ziels erreichen können. Treffge-nauere Instrumente gegen hohe Wohnkostenbelastungensind das Wohngeld und die Übernahme der Kosten derUnterkunft im Rahmen der Grundsicherung. Diese Instru-mente unterstüzen Geringverdiener gezielt unterstützen, dievon den Mietsteigerungen am meisten betroffen sind.

Literatur

BBSR (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung) (2011), Woh-nungsmarktprognose 2025, Analysen Bau.Stadt.Raum, Band 4, BBSR, Bonn.

BMVBS (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung) (2010)(Hrsg.), Mehrfachverkäufe von Mietwohnungsbeständen, ForschungenHeft 146, Berlin.

BMVBS (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung) (2011a)(Hrsg.), Transaktionen kleiner Mietwohnungsbestände, Forschungen Heft 152,Berlin.

BMVBS (Hrsg.) (2011b): »Finanzierungsstrategien wohnungswirtschaftlicherAkteure unter veränderten Rahmenbedingungen auf den Finanzierungsmärk-ten«, BMVBS-Online-Publikation 04/2011.

Braun, R. (2012), »Euroangst als Blasenpflaster«, Immobilienzeitung 29. No-vember, 2.

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Abb. 2Vergleich für 2010 von Neubaubedarf laut BBSR-Wohnungsmarktprognose 2025 und Neubautätigkeit

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Zur Diskussion gestellt

Bundesregierung (2009), »Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirt-schaft in Deutschland«, BT-Drucksache 16/13325.

Bundesregierung (2012), »2. Bericht über die Wohnungs- und Immobilien-wirtschaft in Deutschland«, BT-Drucksache 17/11200.

Dechent, J. und S. Ritzheim (2012), »Preisindizes für Wohnimmobilien«, Wirt-schaft und Statistik (10), 891–897.

Deutsche Bundesbank (2012), Finanzstabilitätsbericht 2012, Frankfurt/Main.

DIW (2011), Methoden zur Analyse der Entwicklung von Vermögenspreisenmit Blick auf Erkennung von Anzeichen von Blasenbildung, Endbericht, DIW,Berlin.

Helbling, T.F. (2005), »Housing Price Bubbles – a Tale Based on Housing Price Booms and Busts«, BIS Papers Nr. 21, 30-41.

Henger, R., K. Pomogajko und M. Voigtländer (2012), »Gibt es eine speku-lative Blase am deutschen Wohnimmobilienmarkt?«, IW-Trends 39(3), 3–16.

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IW, Universität Mannheim und ZEW (2009), Wirtschaftsfaktor Immobilien:Die Immobilienmärkte aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive, Berlin, Wies-baden.

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