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Modellierung und Simulation von Anergienetzen Johannes Nagler, Karl Ponweiser TU Wien, Institut für Energietechnik und Thermodynamik 4. Praxis und Wissensforum Fernwärme / Fernkälte, AIT, 29. Nov. 2018

Modellierung und Simulation von Anergienetzen

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Page 1: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Johannes Nagler, Karl PonweiserTU Wien, Institut für Energietechnik und Thermodynamik

4. Praxis und Wissensforum Fernwärme / Fernkälte, AIT, 29. Nov. 2018

Page 2: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Ergebnisse aus dem Forschungsvorhaben

2

Dezentrale geothermale Niedertemperatur Wärmenetze in urbanen GebietenProjektlaufzeit: 03/2016 – 02/2017

Partner: Geologische Bundesanstalt TU Wien, Institut für Energietechnik und Thermodynamik AIT Austrian Institute of Technology GmbH Geoconsult ZT GmbH Zentrum für Energiewirtschaft und Umwelt (e-think)

Page 3: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Warum Anergienetz: Grundlagen

3

Q

TA TB

Verluste durch die Wand

Klimatisierter Raum:

Thermodynamik des Heizens und KühlensHeizen und Kühlen sind Prozesse, bei welchen einem System Energie in Form von Wärmezugeführt oder entzogen wird.

Die Temperatur des Systems kann dabei erhöht, abgesenkt oder konstant gehalten werden.

Q

Heizkörper

Wenn TA > TB , fließt durch die Wand ein bestimmter Wärmestrom ab.

Wenn TA konstant bleiben soll, muss dem Raum genau so viel Energie zugeführt werden,als durch die Wand entweicht.

Page 4: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Grundlagen

4

Thermodynamik des Heizens und KühlensExergiedefinition:Exergie E ist jene Energie, die sich unter Mitwirkung einer vorgegebenen Umgebung vollständig in jede andere Energieform umwandeln lässt.

Mit dieser Definition kann man 3 Gruppen von Energien unterscheiden:1. unbeschränkt umwandelbare Energie (Exergie), wie z.B. mechanische Energie,2. beschränkt umwandelbare Energie,

z.B. die innere Energie eines Systems oder die Wärme und3. nicht in Exergie umwandelbare Energie, wie die innere Energie der Umgebung (Anergie).

Anergie B ist Energie, die sich nicht in Exergie umwandeln lässt.

AnergieExergieEnergie

Für jede Energieform gilt die allgemeine Gleichung

Page 5: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

• TA und TB > TU : Exergiestrom in Richtung des Wärmestroms, da 01

TTU

Grundlagen

5

Thermodynamik des Heizens und KühlensExergiefluss durch eine Wand:

Es sind 2 Fälle zu unterscheiden:

• TA und TB < TU : Exergiestrom gegen die Richtung des Wärmestroms, da 01

TTU

Befindet sich zwischen zwei Systemen A und B mit den Temperaturen TA TB eine diathermeWand, so fließt mit dem Wärmestrom

QAQAAB BEQ der Exergiestrom

ABA

UQA Q

TTE

1

und der Anergiestrom

ABA

UQA Q

TTB

in die Wand.

Beim Verlassen der Wand ist die Exergie-Anergie-Aufteilung eine andere:

ABB

UQB Q

TTE

1

ABB

UQB Q

TTB

Page 6: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Grundlagen

6

Q

Stationäres HeizenBeim Heizen auf eine konstante TemperaturT TU ist der dem Raum zuzuführende Energiestromgleich dem Wärmestrom, der den Raum durchdie Wand verlässt.

geheizter Raum Wand Umgebung

UT

T

In der Wand wird die Exergie des Wärmestromsvollständig in Anergie verwandelt.Der Exergieverluststrom ist daher

QU

V EQTTE

1

QE

QB

VEDie Exergie-Anergie-Aufteilung entspricht etwaeiner Raumtemperatur von 20°C bei einer Umgebungstemperatur von -10°C.

Page 7: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Grundlagen

7

Q

Stationäres HeizenBei einer elektrischen Widerstandsheizung ist die erforderliche Leistung gleich dembenötigten Wärmestrom. - Der Exergieverlust ist dementsprechend hoch.

geheizter Raum Wand Umgebung

QPel

T

Elektroheizung

VQ EB

UT

T

QE

QB

VE

TT

QE

PE

ζ UQ

el

QEH 1

Page 8: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Grundlagen

8

Q

Stationäres HeizenReversibles Heizen kann man nur mit einer Wärmepumpe realisierten.

geheizter Raum Wand Umgebung

UT

T

QB T

UT

Umgebung Wärmepumpe

Mit der zugeführten Antriebsleistung wird dem Raumdie erforderlichen Exergie zugeführt: Q

TTEP U

Qrev

1

Die erforderliche Anergie wird der Umgebung entnommen: Q

TTB U

Q

QE

QB

VE

revQ PE

Page 9: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Grundlagen

9

Q

Stationäres HeizenBei der realen Wärmepumpe ist die erforderliche Leistung um die Exergieverluste in derMaschine vergrößert.

geheizter Raum Wand Umgebung

Vrev EPP

QB T

UT

Umgebung Wärmepumpe

VE

UT

T

Leistungsziffer einer Wärmepumpe:PQεWP

Exergetischer Wirkungsgrad:VQ

Q

Vrev

QQWP EE

EEP

EP

WPζ bis 0.45

QE

QB

VE

Page 10: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Temperatur der Anergie

10

Tief

e ab

Gel

ände

ober

kant

e / m

Ungestörte Erdreichtemperatur / °C

Lufttemperatur / °C0 10 20 30-10

SommerWinter

Page 11: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Netze

11

* Sulzer, M. (2016). Impulsvortrag "Thermische Netze: Grundlagen, Konzepte und Beispiele aus der Schweiz". DEGENT‐NET Expertenworkshop am 5.12.2016. Geologische Bundesanstalt.

Netztypologien nach Sulzer (2016)*

Jeder Anschluss kann thermische Energie beziehen / abgeben (Heizen / Kühlen) Nutzung lokal verfügbarer Abwärme (ab 20°C) und saisonale Speicherung im Erdreich Flexible, dezentrale Netzstruktur Minimale Verteilverluste Auslegung mit „free cooling“ möglich Zusammenschluss mehrerer Wärme- / Kältenetze mittels Vermaschung

Page 12: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Netze

12

Lokales Wärme- / Kältenetz (Prosumer) Netztemperatur warm genug für

effiziente Wärmepumpe undkühl genug für „free cooling“

Grundkonzept DEGENT-NET (Anergienetz)

Abwärmenutzung Erdreich als saisonaler Speicher Bidirektionaler Netzfluss

Page 13: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Pilotgebiet Wien

13

Abwärmenutzung Erdreich als saisonaler Speicher Bidirektionaler Netzfluss

Lageübersicht BGF Wohnen

BGF Gewerbe

BGF gesamt

NrWhg

NGF Wohnen

Heiz-bedarf

Warmwasser-bedarf

Kühl-bedarf

m² m² m² - m² MWh MWh MWh57868 3417 61285 579 43401 2426,9 1887,6 367,7

Page 14: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Pilotgebiet Wien

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Lageübersicht BGF Wohnen

BGF Gewerbe

BGF gesamt

NrWhg

NGF Wohnen

Heiz-bedarf

Warmwasser-bedarf

Kühl-bedarf

m² m² m² - m² MWh MWh MWh57868 3417 61285 579 43401 2426,9 1887,6 367,7

Page 15: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Methodik

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Input - Output

Lastgänge Gebäude, 

LastgangEinspeiser

Volldynamische Netzsimulation

(Matlab/Simulink)

Input

Dimensionierung Netz & Erdsondenfeld

Wirtschaftlichkeitsanalyse CO2 Berechnung

Output

Kennzahlen der technischen Komponenten (Wärmepumpe, Umwälzpumpen, technische Speicher,..

Programmierung Erdsondenmodul(kalibriert mit Feflow)

Randbedingungen (min. & max. Netztemperaturen, 4 K Temperaturspreizung)

Skalierungseffekte technischer Komponenten

Bi‐Direktionale Massenflüsse

Netztemperaturen

Page 16: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Simulation

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Volldynamische Gesamt-Netz-Simulation in Matlab/Simulink

Erdsondenspeicher

Heizzentrale HZ1

Heizzentrale HZ4

Heizzentrale HZ2

Heizzentrale HZ5

Heizzentrale HZ3

EinspeiserGrundwasser

EinspeiserRechenzentrum

Rohrabschnitt 6

Rohrabschnitt 5Rohrabschnitt 4Rohrabschnitt 3Rohrabschnitt 2

Rohrabschnitt 1

Rohrabschnitt 8 Rohrabschnitt 7

Page 17: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Komponenten

17

Technikzentrale

Hydraulischer Schaltplan der Technikzentralen. Kühlung: Plattenwärmetauscher, WW: WP-Verdampfer Warmwasser, Heizung: WP-Verdampfer Heizung, WL/KL: NTWK-Netz Warm- und Kaltleiter.

Page 18: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Komponenten

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Technikzentrale

Hydraulischer Schaltplan der Technikzentralen. Kühlung: Plattenwärmetauscher, WW: WP-Verdampfer Warmwasser, Heizung: WP-Verdampfer Heizung, WL/KL: NTWK-Netz Warm- und Kaltleiter.

Page 19: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Komponenten

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Technikzentrale

Hydraulischer Schaltplan der Technikzentralen. Kühlung: Plattenwärmetauscher, WW: WP-Verdampfer Warmwasser, Heizung: WP-Verdampfer Heizung, WL/KL: NTWK-Netz Warm- und Kaltleiter.

Page 20: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Komponenten

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Gesamtlänge Rohrnetzwerk: 577 mMax. Durchmesser: DN 180

Netz-element

Rohr-länge

DN

m mmTZ1 48,3 140TZ2 6,1 125TZ3 3,8 110TZ4 5,3 110TZ5 9,2 90E1 16,5 180ESF 32,5 180Ringnetz 455,3 180Gesamt 577,0

• Ringnetzwerk, 2 Leiter• Keine Netzzirkulationspumpe• Umwälzpumpe in Technikzentrale

Betrieb nach Bedarf mit ΔT = 4 K• Auslegung der Rohrdimensionen nach gängigen

Fernwärmekriterien (Randbedingung nach Strömungsgeschwindigkeit und einem spezifischen Druckverlust von 60-80 Pa/lfm)

Rohrnetzwerk

Page 21: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Komponenten

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Heizungswärmepumpemit Pufferspeicher

Warmwasserwärmepumpemit Pufferspeicher

ϑWP,WW = 60 °CGröße des Pufferspeichers auf ganzjährig konstant en Betrieb der Wärmepumpe mit Nennlast ausgelegt(6 - 17 m³)Wärmepumpe = 28-65 kW

ϑWP,H = 40 °C Vorlaufemperatur in Abhängigkeit der AußentemperaturPufferspeicher = 70 m³Wärmepumpe = 120 – 260 kW

Page 22: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Simulationsergebnisse

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Erdwärmesondenfeld alssaisonaler Speicher

ErdsondenspeicherEinheit Entladen Beladen Gesamt

Anzahl der Erdsonden - 160Tiefe der Erdsonden m 150

Bohrmeter m 24.000Spitzenleistung kW -490 524

spezifische Sondenleistung, max W/lfm -20,4 21,8

Jahresenergie MWh/a -837 906 1.743spezifischer

Sondenumsatz Wh/lfm -35 38 73

Betriebszeit h 5.441 3.319 8.760Stillstandszeit h 0 0

Vollbetrieb (4 Teilfelder) h 2.902 432 38,1 %Dreiviertelbetrieb (3 TF) h 884,5 114,5 11,4 %

Halbbetrieb (2 TF) h 643 2.074 31,0 %Viertelbetrieb (1 TF) h 1.012 698 19,5 %

Maximaler Sondendurchfluss pro

Sondel/h 775 774

Mittlerer Sondendurchfluss pro Sonde, wenn Sonde in

Betrieb

l/h 448 474

Page 23: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Simulationsergebnisse

23

Jahresverlauf der Anergienetz-Kalt- und -Warmleitertemperatur

Im Jahresverlauf dem Erdsondenspeicherzugeführte Energie - kumuliert

Page 24: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Simulationsergebnisse

24

Jahrestemperaturverläufe Warmleiter Kaltleiter Speicherwand Speicher

Widerstands- Kapazitäts-Modell

Page 25: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Simulationsergebnisse

25

nachgefragte und bereitgestellte Energiemengen

Typ EnergiemengeBedarf Heizung 2426,9 MWhBedarf Warmwasser 1887,5 MWhBereitstellung Rechenzentrum 2928,1 MWhBereitstellung Grundwasser 438,0 MWhBereitstellung Gebäudekühlung 367,7 MWhBereitstellung WP WW elektrisch 507,1 MWhBereitstellung WP H elektrisch 458,5 MWhBereitstellung WP GW elektrisch 38,7 MWhBereitstellung Umwälzpumpen 65,8 MWhJAZ WP Heizen 5,87 -JAZ WP Warmwasser 3,82 -Anzahl Erdsonden 160 -

Page 26: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Simulationsergebnisse

26

Energieflussdiagramm

Page 27: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Simulationsergebnisse

27

Thermischer Wirkungsgrad

Produktion klimawirksamer Treibhausgase im Vergleich mit Fernwärme und Erdgas:

• Hoher exergetischer Wirkungsgrad der Wärmebereitstellung 𝜁 = 50  bis 60%, aufgrund der hohen Jahresarbeitszahlen

• Hoher exergetischer Wirkungsgrad der Wärmeverteilung𝜁 = 70 bis 80%, bedingt durch die niedrigen Netztemperaturen

-> exergetischer Gesamtwirkungsgrad etwa doppelt so hoch wie jener konventioneller Fernwärmenetze

CO2 Einsparungspotenzial

Exergetischer Wirkungsgrad

Der thermische Wirkungsgrad des Wiener Anergienetzes liegt im Jahresmittel bei ca. 70 %.

Szenarien tCO2 äqu Einsparung %

ErdgasVergleichsszenario

1055 75

FernwärmeVergleichsszenario

755 65

DEGENT-NET System

263

Page 28: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Simulationsergebnisse

28

Wirtschaftlichkeitsbetrachtung

Annahmen für Basisszenario: Betrachtungszeitraum: 40 a (technische Lebensdauer

des Erdsondenfeldes)

Kalkulationszinsfuß: 5,0 %/a Inflation: 1,0 %/a Reale Teuerung elektrischer Energie: 2,0 %/a Reale Teuerung Wärmeenergie: 1,5 %/a Jährliche Wärmeabnahme pro Jahr ist konstant (keine

Klimawandelfolgen) Kälte aus „free cooling“ ist für die Endkunden gratis Ein backup-System in Form eines

Fernwärmeanschlusses ist integriert

Details:DEGENT-NET Dezentrale geothermale Niederteperatur-Wärmenetze in urbanen Gebieten, Projektnummer: 853649 https://www.energieforschung.at/assets/project/final-report/DEGENT-NET-Publizierbarer-Endbericht-final.pdf

Page 29: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Aktuelle Forschungsvorhaben

29

Development of a multi-level and interdisciplinary simulation algorithmfor a low-temperature heating and cooling grid for the futureSmart Anergy Quarter Baden - SANBA

Page 30: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Konsortium

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SANBAProjektlaufzeit: 09/2018 – 02/2021

Partner: AIT Austrian Institute of Technology GmbH, Center for Energy NÖM AG Geological Survay of Austria TU Wien, Institute for Energy Systems and Thermodynamics ENFOS e.U. – Energie und Forst, Forschung und Service Institute of Building Research and Innovation ZT-GmbH City of Baden MONTAN UNIVERSITÄT Leoben, Chair of Energy Network Technology Geohydrotherm GmbH BauConsult Energy GmbH

Page 31: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

Konsortium

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SANBAProjektlaufzeit: 09/2018 – 02/2021

Page 32: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

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Attraktivität von Anergienetzten

Dezentrale Versorgung mit thermischer Energie Heiz- und Kühlbedarf vorhanden Nutzbarmachen von Industrieller Abwärme

(auch auf niedrigem Temperaturniveau) Besonders geringe Treibhausgasemissionen Thermischer Speicher für überschüssige Energie

(z.B. elektrische Energie)

Page 33: Modellierung und Simulation von Anergienetzen

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Danke für die Aufmerksamkeit

Johannes NAGLERKarl [email protected]

DEGENT-NET Dezentrale geothermale Niederteperatur-Wärmenetze in urbanen Gebieten, Projektnummer: 853649 https://www.energieforschung.at/assets/project/final-report/DEGENT-NET-Publizierbarer-Endbericht-final.pdf

Johannes NAGLER: Design Criteria for GCHP-Systems with Seasonal Storage (Anergienetze), Diss, TU Wien, 2018