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Wir müssen reden Es war ein Experiment: Wir haben uns einen Tag lang in ein Wiener Kaffeehaus gesetzt und mit lauter Menschen gesprochen, die wir mögen. Über die großen Themen. Über die kleinen Dinge. Über das Leben. Warum? Weil wir Lust dazu hatten Nummer 3 22. Januar 2010 Florian Scheuba Werner Gruber Erwin Wurm Gustav Marlene Streeruwitz Thomas Glavinic Lotte Tobisch Martin Blumenau Stefan Ruzowitzky Robert Pfaller Hans Hurch Nina Proll

Moment 24: Nina Proll

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Stadtgespräch Wien

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  • Wir mssen reden Es war ein Experiment: Wir haben uns einen Tag lang in ein Wiener Kaffeehaus gesetzt und mit lauter Menschen gesprochen, die wir mgen. ber die groen Themen. ber die kleinen Dinge. ber das Leben. Warum? Weil wir Lust dazu hatten

    Nummer 3 22. Januar 2010

    Florian Scheuba Werner Gruber Erwin Wurm Gustav

    Marlene Streeruwitz Thomas Glavinic Lotte Tobisch Martin Blumenau

    Stefan Ruzowitzky Robert Pfaller Hans Hurch Nina Proll

  • Erwin Wurm Knstler

    Stefan Ruzowitzky Filmemacher

    Lotte Tobisch Grande Dame

    Marlene Streeruwitz Schrift-stellerin

    Robert Pfaller Philosoph

    Nina Proll Schau-spielerin

    Martin Blumenau Moderator

    Florian Scheuba Kabarettist

    Hans Hurch Leiter der Viennale

    Werner Gruber Physiker

    Thomas Glavinic Schriftsteller

    Gustav Musikerin

    Die Deut-schen sind Gastarbei-ter S. 16

    Wir sind so arm und be-deutungs-los S. 16

    Beim Walzer wird mir immer schlecht S. 17

    Eine Dame muss auch Arsch sagen knnenS. 18

    Fr mich war die Schau-spielerei eine Therapie S. 18

    Am Wr-thersee versteht man Jrg Haiders Komplexe S. 19

    Politiker und Selbst-achtung das geht nicht zu-sammen S. 20

    Eine De-pression ist doch was Sch-nes S. 20

    Sie wissen doch, dass Sprache etwas Grausames ist S. 22

    Warum hat es Freud aus-gerechnet in Wien gegeben? S. 22

    Wenn ihr frei denkt, tut ihr euch nur weh S. 23

    In ster-reich richtet sich der Zorn immer nach unten S. 24

    Herr Ober, mein Nach-bar muss abgesaugt werdenS. 24

    Dieser Aristo-teles war ein Trottel S. 25

    Die RAF war ein Kindergar-tenverein S. 26

    Der ist eine meiner Roman-figuren S. 24

    Trinken? Nur zur Selbstver-teidigung S. 28

    Die Idee: Ein Experiment.Der Ort: Das Caf Englnder in Wien.Die Gste: 12 Menschen, die uns interessieren.Die Zeit: 4. Dezember, Mittag bis Mitternacht.

    14:00 15:00 16:00 17:00 18:00 19:00 20:00 21:00

    Die Themen: Adorno, Deutschland, Burn-out, Haider, Demenz, Fuball, Kehlmann, die RAF, Zahnrzte, Selbstmord, Cordon bleu, sterreich.Das Ergebnis: ein Experiment. Fotos: Peter Rigaud

  • 16 Sddeutsche Zeitung Magazin Sddeutsche Zeitung Magazin 17

    dann einer kommt, der eigentlich auch keine Chance hat und es dennoch schafft, dann Wurm: Dann heit es: Wieso der und ich nicht? Das muss ein Arsch sein. Oder er schleimt sich ein.SZ-Magazin: Werden Sie auf der Strae erkannt?Ruzowitzky: Inzwischen schon. Ich war aber auch bei der Promi-Millionenshow und beim Opern-ball und beim Life Ball. Ich lerne eben jetzt Leute kennen, die ich sonst nicht kennengelernt htte. Den Herrn Wurm htte ich wahr-scheinlich nichtsdestoweniger kennengelernt.Wurm: Beim Roberto zum Bei-spiel.Ruzowitzky: Das ist mein Zahn-arzt.Wurm: Meiner auch. Roberto ist ein Magnet.Ruzowitzky: Er ist jedermanns Zahnarzt, der Knig der Zahn-rzte. Wurm: Auch von irgendwelchen Scheichs. Oder Habsburgern.Ruzowitzky: Roberto vernetzt. Er macht Partys. Er ist befreundet mit der Daisy Treichl, die seit einigen Jahren den Opernball or-ganisiert, und die sagt dem Rober-to, er soll fr eine Loge ein paar Promis ankarren. Und so komme ich dann zum Opernball.Wurm: Ich hab den Roberto sogar auf einem Foto.Ruzowitzky: In der Brieftasche?Wurm: Ich habe ihn fr eine mei-ner Arbeiten fotografiert. Als schwulen Priester.

    Beim Walzer wird mir immer schlecht

    15:45 Uhr. Lotte Tobisch, 83, die groe Dame der Wiener Gesell-schaft, ist eingetroffen.

    Tobisch: Ich mchte nur eines wissen: Worber reden wir?

    SZ-Magazin: Das wollen wir alle wissen. Sie kennen einander?Ruzowitzky: Nicht persnlich.SZ-Magazin: Das ist Stefan Ruzo-witzky, Filmregisseur.Tobisch: Ich wei. Nicht alle, die man nicht kennt, mssen einem vorgestellt werden.SZ-Magazin: Wir haben gerade ber die Wiener Gesellschaft ge-redet. Auch ber den Opernball, den Sie von 1981 bis 1996 organi-siert haben.Tobisch: Ich kann Ihnen versi-chern: Der Opernball war nie das Zentrum meiner geistigen Exis-tenz. Es war ganz unterhaltsam, aber selten ist mir ein Abschied in meinem Leben so leicht gefallen wie nach diesen 15 Jahren.SZ-Magazin: Was machen Sie heute? Tobisch: Ich bin hauptberuflich Schnorrer fr den Verein Knst-ler helfen Knstlern, dessen Pr-sidentin ich bin. Wir betreiben ein schnes Altersheim in Baden bei Wien fr alte Knstler. Bei uns leben dreiig Leute, die werden uralt, weil die Pflege so gut ist.SZ-Magazin: Sind die alten Knstler noch sehr theatralisch?Tobisch: Das kommt vor. Wenn man sehr alt ist und niemanden mehr hat, was bleibt einem da, auer die Triumphe von damals?SZ-Magazin: Hat der Opernball heute noch eine Bedeutung?Tobisch: Natrlich ist er nicht mehr zeitgem. Aber er ist At-traktion und bringt ein Geld, wieso soll man das nicht machen? An und fr sich war ich die fal-sche Besetzung. Ich tanze keinen Walzer. Um nichts auf der Welt, da wird mir sofort schlecht. Und ich trinke keinen Alkohol und ich hasse Cocktailpartys. Wurm: Perfekt! SZ-Magazin: Knnen Sie uns das Wiener Brgertum erklren?Tobisch: Na ja, meistens gleitet das ja ab ins Spiebrgertum, und das ist ein Albtraum. Reaktionr.

    Zeit14:35 16:00 Uhr

    Themensterreichische Wehleidigkeit600 Jahre PolizeistaatRoberto, der Zahnarzt

    Die Deutschen sind hier Gastarbeiter

    Wien, das Caf Englnder im 1. Bezirk. Es ist 14:35 Uhr, immer noch sind viele Mittagsgste da. Rechts neben dem Eingang hat das SZ-Magazin einen groen Tisch bis zur Sperrstunde reserviert. Als erster Gast trifft der Knstler Erwin Wurm, 55, ein.

    SZ-Magazin: Wie geht es Ihnen? Wurm: Wieder gut, danke. Ich bin gerade am Auge operiert worden, gegen Grauen Star. Man liegt bei vollem Bewusstein da, dann klappen sie einem das Auge auf und stechen mit einer lan-gen Nadel hinein. Aber alles nicht so schlimm Kellner: (bringt heie Zitrone) Herr Professor, bitte hflichst.Wurm: Sagen S doch nicht immer Herr Professor. Danke sehr. SZ-Magazin: Wir haben fr Sie Zettel mit Fragen vorbereitet. Wollen Sie eine ziehen?Wurm: Das ist ja wie bei den japa-nischen Zen-Meistern. Jetzt kom-men sicher die Fragen des Lebens. (ffnet ein Zettelchen.) Was ist alt und gut? Verstehe ich nicht. Muss ich antworten?SZ-Magazin: Sie mssen gar nichts.Wurm: Wir knnen ja ber Wien reden. Dass jetzt so viele Deutsche

    zu uns kommen. Und wir uns so berschwemmt fhlen. Und ih-nen gegenber benachteiligt. Weil sie so ein gutes Deutsch sprechen und wir nicht.SZ-Magazin: Was wollen die denn alle in Wien?Wurm: Studieren. Bis vor Kurzem hat es in sterreich fr die meis-ten Fcher keine Studienplatz- beschrnkung gegeben. Eh klar, dass die dann zu uns kommen. Die Frage ist: Wie knnen wir das bewltigen, ohne dass unsere Stu-denten einen Frust kriegen? SZ-Magazin: Seit Wochen sind die Hochschulen in sterreich besetzt. Doch nicht wegen der deutschen Studenten?Wurm: Nein. Die Deutschen sind ja berall. Wenn man frher nach Tirol gefahren ist, haben da viel-leicht ein paar Italiener oder Tschechen gearbeitet. Jetzt sind es lauter Deutsche. In den Sech-zigern und Siebzigern waren die sterreicher Gastarbeiter in Deutschland.SZ-Magazin: Viele sterreichische Journalisten sind es noch immer. Wurm: Wo sollen die bei uns auch schreiben? Wir haben viele gute Schriftsteller. Werner Schwab. Ro-bert Menasse, Thomas Bernhard, die Jelinek. Wenn ich nachdenke, fallen mir noch zwanzig ein. Kei-ne Ahnung, wieso dann die Zei-tungen so schlecht sind. SZ-Magazin: So schlimm?Wurm: Das hngt mit der nicht vorhandenen Gesprchs- und Dis-kussionskultur zusammen. Wir sind 600 Jahre lang von einer ein-zigen Familie regiert worden, den Habsburgern. 600 Jahre restrikti-ver Polizei- und Militrstaat. Und dazu die katholische Kirche, die auch nicht gerade meinungsfrei-heitsfrdernd war. Zwischen die-sen Blcken ist irgendwie der ster-reichische Charakter entstanden. SZ-Magazin: Wir Deutschen bil-den uns ein, der sterreicher habe Geprchskultur.

    Wurm: Bitte? SZ-Magazin: Diese Kaffeehaus-kultur Wurm: Geh bitte, da geht es doch nicht um einen Meinungsaus-tausch, da geht es um das Recht-haben. Der sterreicher streitet gern und ist schnell beleidigt. SZ-Magazin: Warum ist er so wehleidig? Wurm: Wenn ich das wsste. Ich bin nicht der Staatspsychologe. SZ-Magazin: Ihnen bedeutet das Kaffeehaus nichts?Wurm: Ich sitze nicht stunden-lang bei einer Tasse Kaffee herum. Das freut mich nicht mehr, und Zeit hab ich auch keine. Heute gehe ich ins Fitnesscenter. Viel-leicht eine Alterserscheinung.SZ-Magazin: Man sagt, Knstler sitzen den ganzen Tag im Caf.Wurm: Ich nicht. Ich habe auch nie jemanden kennengelernt, der im Kaffeehaus geschrieben hat. Der Werner Schwab zum Beispiel hat nie im Kaffeehaus geschrie-ben. Der hat sich irgendwo unten in der Steiermark verkrochen und versteckt geschrieben. Zugedrhnt zwar, aber doch versteckt. SZ-Magazin: Wie lange ist es jetzt her, dass er gestorben ist?

    Wurm: 15 Jahre? Knnte sein. Der Werner war ein Jugendfreund. Bis es unertrglich wurde. Ich habe keinen zweiten Menschen ken-nengelernt, der seine Kreativitt so ausschlielich aus der Aggres-

    sion geschpft hat. Seine Mutter war Putzfrau, der Vater Alkoholi-ker, und er hat alles gehasst, was mit normaler Familie, Brgerlich-keit zu tun hatte. Er war sehr frh-reif, sehr belesen, sehr intelligent, aber dieser Hass

    Wir sind so arm und bedeutungslos

    15 Uhr. Der Regisseur Stefan Ruzo-witzky, 48, kommt an den Tisch.

    SZ-Magazin: Woher kennen Sie beide einander?Wurm: Na, den Ruzowitzky kennt man ja.Ruzowitzky: Ich bin seit zwei Jah-ren eine Celebrity in sterreich. Da luft man den anderen Cele-britys dauernd ber den Weg. Wir beide haben uns erst letztes Wochenende getroffen. Bei zwei Gnsen und einem Truthahn. Kellner: Begre Sie, entschul-digen Sie, Herr Ruzowitzky, was darf es fr Sie sein?Ruzowitzky: Einen Tee, bitte. Kellner: Schwarztee? Medizinal-tee? Frchtetee?Ruzowitzky: Schwarz, schwarz. Ohne nix danke SZ-Magazin: Wie lebt es sich als Celebrity?Ruzowitzky: Nett. Ich bin ja nicht Celebrity, weil ich stadtbekannter Pderast bin, sondern weil ich ei-nen Oscar gewonnen habe. Wurm: Es hie gleich: Wir sind Oscar! Sei froh, dass der Kellner noch Herr Ruzowitzky sagt und nicht Gr Gott, Herr Os-car. Zum Ruhm kommt er-schwerend hinzu, dass die Kolle-gen einen hassen.SZ-Magazin: Ist das auch bei Ihnen so?Ruzowitzky: In sterreich herrscht die Meinung: Wir sind so arm und bedeutungslos, dass man eh keine Chance hat. Wenn

    Nachschub Was darfs sein, Herr Professor?

    Bestellungen Heie ZitroneSchwarzer Tee ohne Milch

    Erwin Wurm KnstlerSeine One Minute Sculp-tures haben den 55-Jhrigen endgltig berhmt gemacht, seine Werke werden auf der ganzen Welt gezeigt, unter anderem bis zum 31. Januar im Kunstbau in Mnchen.

    Stefan Ruzowitzky FilmemacherFr das KZ-Drama Die Fl-scher bekam der 48-Jhrige 2008 einen Oscar.

    Lotte Tobisch Grande DameHat am Burgtheater gespielt. Und 15 Jahre lang den Opern-ball organisiert. Vor allem deswegen gilt die 83-Jhrige in sterreich als gesellschaft-liche Institution.

    Nina Proll SchauspielerinDie 36-Jhrige spielt in grandiosen Filmen wie in Barbara Alberts Nordrand mit, in Fernsehserien und in Musicals.

    Florian Scheuba KabarettistDie4da, die wchentliche Satiresendung auf ORF 1, gehrte mit zum Komischten und Bsesten, was das Fern-sehen zu bieten hatte (Bei-spiele auf youtube). Scheuba, 44, ist zurzeit mit seinem Programm Mnner frs Grobe auf Tournee. Nebenbei: Scheuba ist und bleibt der beste Haider-Imitator!

    Martin Blumenau RadiomoderatorWar lange Redakteur bei 3, konzipierte den vielfach kopierten Jugendsender FM4 und moderiert dort. Moderatoren sind normaler-weise prchtig gelaunt. Der 49-Jhrige nicht. Das und sein tglicher Blog haben ihn bekannt gemacht.

    Hans Hurch Leiter der ViennaleBeim Wiener Filmfestival geht es nicht um Stars, sondern ums Kino. Auch darum erhielt der 57-Jhrige von Frankreich den Orden Chevalier des Arts et Lettres .

    Werner Gruber PhysikerSo jemanden gibt es nur in sterreich: im Brotberuf am Institut fr Experimentalphy-sik der Uni Wien, in der Frei-zeit Kabarettist. Am Theater fhrt er vor, wie man einen perfekten Schweinsbraten kocht. Das Rezept findet man auch bei Google unter: wer-ner gruber schweinsbraten.

    Marlene Streeruwitz SchriftstellerinDie Themen der 59 Jahre al-ten und vielfach preisgekrn-ten Schriftstellerin: das Elend zwischen den Geschlechtern und in den sterreichischen Verhltnissen. Bekannte Werke: Jessica, 30; Partygirl; Nachwelt.

    Robert PfallerPhilosophProfessor an der Wiener Universitt fr Angewand-te Kunst und groartiger Diagnostiker unserer Zeit; bekannt geworden durch sei-ne Studien zur Interpassivitt warum der Mensch das Ge-nieen delegiert. Oder: Glanz und Elend der Ambivalenz.

    Thomas GlavinicSchriftsteller37 Jahre, Schachspieler und ein wilder und wunderbarer Schrifsteller. Sein neuestes Buch: Das Leben der Wn-sche.

    Gustav Musikerin, SngerinEigentlich Eva Jantschitsch, 31, macht Avantgarde-Pop, zwei Platten: Rettet die Wale und Verlass die Stadt. Zurzeit ist ihre Musik im Mnchener Residenztheater zu hren in dem Stck Von morgens bis mitternachts.

    Unsere Gste

    Der Schauplatz Ein Tisch fr 16, bis zur Sperrstunde.

    MitwirkendeErwin WurmStefan RuzowitzkyLotte Tobisch

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  • 18 Sddeutsche Zeitung Magazin Sddeutsche Zeitung Magazin 19

    (0800) 2673333www.testhoerer.deKennziffer 10AWSZM003

    Zitiert aus: tv 14 10/2005, Guter Rat 5/2005Patentrechte in den USA und anderen Lndern verliehen und/oder beantragt.

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    Krntner Bevlkerung zu zeigen, die nicht zufrieden sind mit dem, was dort abgeht. SZ-Magazin: Versteht man Krn-ten und Jrg Haider besser, wenn man am Wrthersee urlaubt?Scheuba: Man versteht vielleicht den Minderwertigkeitskomplex oder die Disco-Mentalitt Hai-ders. In meiner Kindheit war der Krnten-Urlaub noch Main-stream. Heute nicht mehr. Blumenau: Heute trifft man dort eher die deutsche Familie. Nicht aus politischen Grnden, sondern weil sich das Preis-Leistungs-Ver-hltnis verschoben hat.Scheuba: Schon der alte Bruno Kreisky hat gesagt: Den Wrther-see kann ich mir nicht leisten. Da-bei ist Krnten momentan pleite, weil die Politiker das Geld aus dem Fenster geworfen haben.Proll: Nicht nur in Krnten.Scheuba: So pleite wie die ist kei-ner. berlegener Platz eins.Lotte Tobisch bricht auf. Als auf den Tonbndern wieder etwas zu verste-hen ist, spricht Florian Scheuba gera-de ber Jrg Haider.Scheuba: Es war fr den Haider wahnsinnig demtigend, dass die FP mit seinem Nachfolger Heinz-Christian Strache genauso gut funktioniert. Selbst die rgs-ten Gegner Haiders haben ihm

    zugestanden, dass er intelligent, taktisch brillant und rhetorisch toll ist. Lauter Eigenschaften, die dem Strache nicht einmal von seinen besten Freunden nachge-sagt werden. Was Haider passiert ist, muss man sich ungefhr so vorstellen: Der Brandauer spielt zuerst am Burgtheater den Ham-let und beschliet dann, seine ei-gene Bhne aufzumachen, und die Burg nimmt statt Brandauer den Hansi Hinterseer, und es funktioniert genauso gut! Das ist wahnsinnig demtigend gewesen, gar keine Frage.

    Politiker und Selbst-achtung das geht nicht zusammen17:20 Uhr. Hans Hurch, 57, Leiter des Filmfestivals Viennale, der zu-fllig im Caf sa, kommt an den Tisch.

    Hurch: Was wird das hier?Blumenau: Ziellosigkeit.SZ-Magazin: Wir haben an alle nur drei Fragen: Gabs drauen einen Parkplatz? Wie gehts der Mama? Wie war der Urlaub?Hurch: Ich mache keinen Urlaub, ich habe kein Auto, und meine

    Mutter ist so dement, dass sie nicht mehr wei, dass es mich noch gibt.Proll: Geht es ihr gut damit oder schlecht?Hurch: Der geht es gut. Wenn ich aufs Klo gehe und nach fnf Mi-nuten wieder hereinkomme, freut sie sich und sagt: Mei, schn, dass du da bist.

    Proll: Das ist aber schn.Scheuba: Darf ich den Journa-listen eine Frage stellen? Kennt ihr unseren Bundeskanzler Fay-mann?SZ-Magazin: Eigentlich nicht.Scheuba: Und den Herrn Dichand?SZ-Magazin: Den Verleger der mchtigen Kronen Zeitung Scheuba: In Wahrheit ist Dichand

    der erste Mann im Staat. Der Bun-deskanzler ist ihm und der Kronen Zeitung zu einem gewissen Grad hrig. Er war Kandidat der Krone, und als solcher regiert er.Hurch: Dichand wollte die VP unter dem frheren Kanzler Schssel loswerden, weil er dage-gen war, dass es eine Koalition zwischen Schssel und Haider gibt. Der Haider hat ihm in der Opposition viel besser gefallen. Da war er ntzlicher.Blumenau: Schrfer!Hurch: Haider war alles, was sich eine Zeitung nur wnschen kann. Und als Schssel Haider in die Regierung gebracht hat, war Dichand dem Schssel auf ein-mal ganz feind. Das war der Grund, warum er den Schssel demontiert und Faymann aufge-baut hat. Das war sein Liebkind. Man sagt dem Faymann nach, dass er Dichand Onkel nennt, auch wenn er das selbst bestreitet.Scheuba: Onkel Hans! SZ-Magazin: Fehlt den sterrei-chischen Politikern die Selbst-achtung?Hurch: Einem Politiker muss es um die Macht gehen, um Macht-erhaltung, Machterringung. Das geht mit Selbstachtung nicht zu-sammen.SZ-Magazin: Wenn man sich von

    Ruzowitzky: Reaktionr, genau. Wenn es zum Beispiel darum geht, in welchem Bezirk man wohnt, nmlich im 18. oder im 19. Und falls man im 17. wohnt, versucht man sich zu retten, in-dem man sagt, dass man in Neu-stift wohnt da, wo die Arbeiter nicht sind.Tobisch: Ich bin im 1. Bezirk ge-boren, mit einer Villa im 19. Be-zirk. Aber gerade deshalb bin ich so, wie ich bin. Wenn ich aus dem 17. Bezirk kme, htte ich vielleicht blo das Bedrfnis ge-habt, mich irgendwann in den 19. Bezirk zu verbessern. Aber weil ich aus dem 19. komme, hat-te ich das Bedrfnis, aus all dem herauszugehen. 16:10 Uhr. Erwin Wurm verabschie-det sich.Wurm: Ich muss aufs Land. Hat mich gefreut, auf Wiedersehen.Tobisch: Ich habe als junge Frau beschlossen, zum Burgtheater zu gehen, und mir ein Zimmer ge-nommen. Und dann habe ich viele Jahre mit einem Mann ge-lebt, der viel lter war als ich. Mei-ne Familie hat sich immer nur bekreuzigt, wenn wir gekommen sind. Ein Spierutenlauf. Aber einmal hat jemand gesagt: Es gibt nur zwei Liebesgeschichten die von Romeo und Julia und die von der Lotte Tobisch. Wenn man mit Shakespeare verglichen wird, kann man es aushalten.SZ-Magazin: Herr Ruzowitzky, wollen Sie uns noch etwas zum Wiener Brgertum sagen?Ruzowitzky: Auf welche Schulen man seine Kinder schickt, ist im-mer noch ein groes Thema. Da gibt es zum Beispiel das Schotten-gymnasium oder das Theresia-num. Da werden dann die Kinder von den Eltern fr die Vorstel-lungsgesprche trainiert: Rede in ganzen Stzen, schau den Leuten in die Augen. Und wenn sie es schaffen, lernst du andere schicke Eltern kennen, das ist nmlich

    der Schmh. Dann werden deine Kinder eingeladen, auf Skiurlaub nach Kitzbhel und lauter so Sa-chen bis hin zum Opernball, und du hast gute Chancen, dass sie sich hhergestellt paaren. Das Ers-te, was der Wiener Brger fragt, ist: Aus welchem Bezirk sind Sie?Tobisch: Ich kme nie auf die Idee. Vielleicht machen Sie das, ich nicht.

    Eine Dame muss auch Arsch sagen knnen16:20 Uhr. Stefan Ruzowitzky ver-abschiedet sich.

    SZ-Magazin: Frau Tobisch, Sie sind lange mit dem Philosophen Theodor W. Adorno befreundet gewesen. Wie kam es dazu?Tobisch: Er hat sich von mir an seine Jugend erinnert gefhlt, als er in Wien Musik studiert hat. Der Teddy hat es immer eine anachronistische Jugendbezie-hung genannt. Sie hat wie alle Beziehungen bei Adorno damit angefangen, dass er hbsche blonde Frauen mochte. Als er gemerkt hat, dass da nichts zu holen war, hat sich eine zweck-freie Beziehung entwickelt.SZ-Magazin: Warum hing er so sehr an Wien?Tobisch: Wegen Schnberg, we-gen Berg, wegen des Jugendstils. In Wien hat ihn die Atmosphre angezogen, diese gewisse Deka-denz. Er war ja in mancher Hin-sicht merkwrdig. Seine Liebe zu Aristokratinnen zum Beispiel, das war ja grotesk. Mich hat er immer zur Grfin gemacht. Na ja. Er hat an den Adeligen gemocht, dass sie keine Brger waren.SZ-Magazin: Vermutlich hat die Aristokratie selten gehalten, was er sich von ihr versprochen hat.

    Tobisch: Wie heit es so schn: Nicht blo Kinder speist man mit Mrchen ab.SZ-Magazin: Sie werden oft als Dame bezeichnet. Behagt Ihnen das?Tobisch: Na ja. Eine Dame, die nicht Arsch sagen kann, ist kei-ne Dame, und damit Schluss.

    Fr mich war die Schauspielerei eine Therapie16:30 Uhr. Die Schauspielerin Nina Proll, 36, kommt an den Tisch.

    Proll: Wer war denn schon da?SZ-Magazin: Stefan Ruzowitzky und Erwin Wurm haben uns schon wieder verlassen.Proll: Schade, Herrn Ruzowitz-ky htte ich gern getroffen.Tobisch: Sagen Sie, was machen Sie mit dem, was Sie da alles auf Band aufnehmen?SZ-Magazin: Wir werden es nach den notwendigen Kr-zungen drucken.Tobisch: Da wird alles, was ich gesagt habe, nicht drinstehen. Sondern nur die Quintessenz: Eine Dame, die nicht Arsch sagen kann, ist keine. SZ-Magazin: Jetzt sitzen hier zwei gelernte Schauspielerinnen. Ist das fr sie beide ein Sehn-suchtsberuf gewesen?Proll: Bei mir schon. Und wenn mein Mann noch so oft sagt, dass er Schauspieler doof findet,

    fr die die Schauspielerei eine Therapie ist, muss ich trotzdem sagen: Fr mich war sie eine Therapie.SZ-Magazin: Wogegen?Proll: Die Schauspielerei war fr mich die einzige Mglichkeit, mich freizuspielen. In meiner Familie gab es starke Regeln, was man tut und was nicht. Fr mich war das ein Escape.

    Am Wrthersee versteht man Jrg Haiders Komplexe16:50 Uhr. Nun sind auch der Kaba-rettist Florian Scheuba, 44, und Martin Blumenau, 49, eingetroffen, Moderator beim Radiosender FM4.

    Blumenau: Wer war denn schon aller da?Proll: Das hab ich auch gefragt! SZ-Magazin: Erwin Wurm und Stefan Ruzowitzky. Scheuba: In diesem Lokal ist auch die natrliche Fluktuation an interessanten Menschen hoch.Proll: Da drben sitzt Hans Hurch, der Chef von der Vien-nale, dem Filmfestival.SZ-Magazin: Eine Frage, ber die wir lange nachgedacht haben, ehe wir uns nach Wien begaben, lau-tet: Wie war der Urlaub?Proll: Ich war in China und Viet-nam, aber das war kein Urlaub, ich war zum Arbeiten da.Tobisch: Ich gehe jetzt nach Du-bai. Ich mchte mir den Turmbau zu Babel noch anschauen, bevor er einstrzt. Ich werde mir anse-hen, wie die dort untergehen. Scheuba: Das muss gespenstisch sein, diese Ruinen. Tobisch: 800-Meter-Wolkenkrat-zer. Unglaublich.Scheuba: Ich will an dieser Stel-le eine Lanze fr den Krnten-Urlaub brechen. Es ist wichtig, Solidaritt mit den Teilen der

    Zeit16:00 17:30 Uhr

    Themen Wo bessere Wiener wohnenAdornos Liebe zu BlondinenJrg Haider und Hansi Hinterseer

    Bestellungen Gespritzter HollerEarl Grey

    Nina Proll Geht es Ihrer Mutter gut oder schlecht?

    Lotte Tobisch: Spiebr-ger sind ein Albtraum.

    MitwirkendeErwin WurmStefan RuzowitzkyLotte Tobisch

    Nina ProllFlorian ScheubaMartin BlumenauHans Hurch

  • 20 Sddeutsche Zeitung Magazin Sddeutsche Zeitung Magazin 21

    lang fttert, hat man keinen Gus-to auf Zigaretten mehr. Ich setze auf Psychopharmaka und nehme ein leichtes Antidepressivum. Schauen wir mal, wie es mir dann geht. Und meiner Umgebung. Blumenau: Drogen sind super, oder?Gruber: Fr mich gibt es medizi-nische Grnde. Wenn in der Frh der Husten 20 Minuten dauert, sind das 20 Minuten Arbeitszeit, die dir nachhngen. Worber re-den wir? Das Universum?Scheuba: Wir haben schon ber Dichand, Krnten und das SMS-Parken geredet.Gruber: Also noch nicht ber schwarze Lcher?Blumenau: Doch, doch. Schssel, die anderen Schwarzen, alles schon erledigt.Hurch: Kennt Ihr den Begriff Burn-out? Ich hr das immer nur wie sind die Menschen denn dann?SZ-Magazin: Antriebslos. Mde und gleichzeitig aufgekratzt.Blumenau: Aufgekratzt und ide-enlos? Das klingt nach groer Koalition.Hurch: Ich finde, das klingt inter-essant. Kann man das knstlich herbeifhren?Proll: Ja. Doppelt so viel arbeiten.Gruber: Reden wir schon wieder ber Drogen?Blumenau: Quasi. Die neue Dro-ge ist Burn-out. Gruber: Als Neuro-Wissenschaftler wei ich: 80 Prozent aller Depres-sionen werden durch Stress verur-sacht. Wir haben lange nicht ge-wusst, wie stark das von den Hor-monen gesteuert wird. Seit wir das wissen, seit fnf Jahren ungefhr, knnen wir fragen: Stressindu-zierte oder bipolare Depression? Und entsprechend behandeln.Proll: Was heit bipolar?Gruber: Mit manischen Phasen. Hurch: Unsere deutschen Freunde fragen sich jetzt sicher, warum wir sterreicher ein so groes Interes-

    se an der Depression haben.SZ-Magazin: Das haben die Deut-schen doch auch.Gruber: Aber ihr lebt es nicht aus! Ihr freut euch nicht darber!SZ-Magazin: Die Deutschen ha-ben ein depressives Verhltnis zur Depression.Blumenau: Dabei ist das doch etwas Schnes.Der Kellner bringt Champagner.Proll: Oh, danke. Grade wollte ich Alkohol bestellen. Ich habe bri-gens ein Au-pair-Mdchen aus Georgien, das auch fnf Jahre in Deutschland gelebt hat. Neulich hat sie zu mir gesagt: Die Deut-schen sagen ganz oft Scheie. Aber in sterreich sagen alle im-mer nur Wurscht! Eine geniale Beobachtung SZ-Magazin: Ist es eigentlich alles wahr, was man sich ber Ihren ehemaligen Finanzminister Gras-ser so erzhlt?Blumenau: Nein. Es ist Scheuba: noch viel schlimmer. Beim System Grasser war einer der Knackpunkte, dass seine Freunde immer wieder profitiert haben, egal ob es um Bundes- immobilien oder Bundeswoh-nungen ging. Das fliegt gerade ein wenig auf. Es ist schwer nach-zuweisen, wie es gelaufen ist. Aber dass etwas gelaufen ist, ist offensichtlich. Proll: Da wurden zum Beispiel Bundesimmobilien zum Verkauf angeboten, und es gab zwei Bie-ter. Nun wird dem Grasser vorge-worfen, dem einen Bieter gesteckt zu haben, was der andere geboten hat, damit der Erste wei, wie viel er bieten muss.SZ-Magazin: Herr Scheuba, Sie sind von Grassers Ehefrau Fiona Swarovski verklagt worden, weil Sie in einem Kabarettprogramm einen Witz ber sie gemacht ha-ben. Welchen denn?Scheuba: Das darf ich nicht sagen.SZ-Magazin: Warum denn?

    einem Verleger abhngig macht, ist das doch Ohnmacht.Hurch: Aber dann bin ich Bun-deskanzler. Sonst wre ich mit Selbstachtung in Opposition.SZ-Magazin: Sie reden ber Ihr sterreich, als wre es ein fernes seltsames Ausland.Hurch: sterreich ist das Beste, was es gibt! Proll: Wien ist die Stadt mit der hchsten Lebensqualitt. Es geht uns irrsinnig gut!Hurch: Das Problem ist nicht, dass Wien nicht modern genug, sondern dass es nicht mehr rck-stndig genug ist. Wenn Wien gebremst htte, wre es in drei Jahren eine Kultstadt. Aber das hat sich niemand getraut.SZ-Magazin: Wovon reden Sie?Hurch: Frher war Wien der letz-te Punkt vor dem Osten. Dahinter hat das Niemandsland begonnen. In dem Moment, wo der Eiserne Vorhang aufgegangen ist, war Wien pltzlich nur eine weitere Stadt in Europa. Blumenau: Man htte eine neue Philosophie gebraucht, die auf den Fall des Eisernen Vorhangs reagiert htte. Aber abgesehen von den Banken und der Indus-trie hat niemand reagiert. Hurch: Ich lebe seit 36 Jahren in Wien, ich leite ein internationales Filmfest, ich reise nach Buenos Aires, aber ich war noch nie in Bratislava und in Budapest. SZ-Magazin: Die Wiener haben eine so routinierte Art, Miss- stnde mit einem freundlichen Lcheln zu beschreiben Scheuba: Der Widerstand redu-ziert sich in Wahrheit auf die Kunst. Es bleibt bei den Hof-narren und den Kasperln hngen, sich zu Wort zu melden und zu sagen: Das ist ein Wahnsinn. Dann klopfen uns die Leut auf die Schultern und sagen: Super.SZ-Magazin: Gibt es denn gar keine Hoffnungsgestalt, die nicht aus der Kunst kommt?

    Hurch: Nennen Sie mir eine Hoff-nungsgestalt aus Deutschland.Proll: Den Guttenberg?Hurch: Na, danke schn, solche haben wir auch. Bei uns heien sie Karl-Heinz Grasser. Scheuba: Aber der Grasser mit

    seinen Affren, das ist schon ein Unterschied.Hurch: Der Guttenberg ist fr mich der deutsche Halbadelige mit fettig zurckgequetschten Proll: Das ist eine uerlichkeit.Hurch: uerlichkeit! Es gibt keine uerlichkeiten. Das hat schon Augustinus gesagt: Der Krper ist die Form der Seele.Proll: Was sagt es, wenn er sich die Haare gelt?Hurch: Er ist ein deutscher neo-liberaler Junker. Aber mit einem demokratischen Unterbau. SZ-Magazin: Frau Proll, Sie ms-sen uns noch sagen, wie es Ihrer Mutter geht.Proll: Sie freut sich, weil sie Gro-mutter geworden ist.SZ-Magazin: Haben Sie leicht ei-nen Parkplatz gefunden?Proll: Ich schicke alle zwei Stun-den eine SMS, um die Parkscheine zu erneuern.Scheuba: Handy-Parken, ah!Hurch: Herr Scheuba hat seine Mutter im Auto eingesperrt.Scheuba: Genau. Sie muss die ganze Zeit hndisch Parkscheine austauschen. SZ-Magazin: Wie funktioniert

    denn Handy-Parken?Proll: Man lsst sich mit seinem Kennzeichen registrieren. Dann kann man die Parkgebhren per SMS bezahlen. Alle zwei Stunden muss man eine neue SMS schi-cken, damit man wieder zwei Stunden parken kann.Hurch: Strt Sie nicht, wenn jeder wei, wo Ihr Auto steht?Proll: Wieso jeder?Hurch: Na ja, man kann feststel-len, dass Sie Ihr Auto so und so lange geparkt haben und Sie so und so lange nicht mit dem Auto unterwegs waren, also offensicht-lich irgendwo anders.Proll: Irgendwelche Hacker kn-nen das herausfinden?Hurch: Das bleibt unserer Fanta-sie berlassen. Das Verkehrsamt gibt es dem Innenministerium weiter, das Innenministerium dem Vatikan, der Vatikan Proll: Mich strt es mehr, wenn ich einen Strafzettel kriege.Hurch: Mir ist nur gerade einge-fallen, dass man sich wieder ein Stck mehr ortbar macht.SZ-Magazin: Und Sie, Herr Blumenau?Blumenau: Ich bin aus der U-Bahn-Station meines Vertrauens gestiegen. Ich wrde aber gern noch auf die vllig richtige Un-terstellung reagieren, dass wir abgeklrt ber die Dinge spre-chen, die nicht in Ordnung sind. Das hngt auch mit der Situati-on der hier Eingeladenen zusam-men. Wenn man sich ins besetzte Audimax der Universitt Wien gesetzt htte, wre die Situation eine andere. Dort ist die Ausein-andersetzung mit aktuellen Pro-blemen schon emotionalisierter.SZ-Magazin: Werden die Studen-tenproteste von den Politikern nicht einfach ausgesessen?Blumenau: Wichtig ist, was fr Konsequenzen es hat. Wenn die Konsequenz nur darin besteht, dass eine Generation, die sich bis-lang nicht getraut hat, Muh und

    Mh zu machen, jetzt ein gestei-gertes Selbstbewusstsein hat, ist das schon eine ganze Menge.

    Eine Depression ist doch etwas Schnes

    Kurz nach 18 Uhr. Gerade sind be-legte Brote serviert worden. Der Ex-perimentalphysiker Werner Gruber, 39, kommt an den Tisch.

    Gruber: Gr Gott, Mahlzeit. Fr wen sind die Brote?Alle: Fr alle.Gruber: Wieso steht bei mir der Kse und nicht die Wurscht? Na ja. Darf ich mich vorstellen: Gru-ber, Werner. Universitt Wien, Institut fr Experimentalphysik. Mit Neurophysik verdiene ich mein Geld, aber das interessiert medial keinen. Trete gemein- sam auf mit den Science-Busters, der wohl schrfsten Science-Boy-Group des Universums, um der Bevlkerung Physik nher zu bringen. Hurch: Nach welchen berle-gungen haben Sie hier denn ein-geladen?Gruber (zndet sich eine Zigarette an): Jetzt ist das ein Rauchertisch. Ich habe brigens vor, in zwei, drei Wochen mit dem Rauchen aufzuhren. Der Trick ist: Es gibt ein Belohnungssystem im Gehirn, und wenn man das eine Woche

    Zeit17:30 18:30 Uhr

    Themen Guttenbergs HaargelSMS-ParkscheineBurn-out und groe Koalition

    Bestellungen Bauernbrot mit BeinschinkenRmerquelle, prickelndChampagner

    Original So sieht ein echter Kaffeehaus-Kellner aus.

    Hurch, Proll: sterreich ist das Beste, was es gibt.

    MitwirkendeNina ProllMartin BlumenauFlorian Scheuba

    Hans HurchWerner Gruber

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  • 22 Sddeutsche Zeitung Magazin Sddeutsche Zeitung Magazin 23

    Scheuba: Das darf ich auch nicht sagen.Gruber: Wie ist der Prozess denn ausgegangen?Scheuba: Mit einem Vergleich. Damit sie ihre Klage zurckzog, musste ich erklren, dass ich es bedaure, wenn meine Scherze falsch verstanden wurden. Diese Formulierung war so groartig, dass ich sofort darauf eingegan-gen bin. Das gilt ja fr jeden Scherz! Natrlich bedauert man es, wenn man anders verstanden wird, als man es beabsichtigt hat. Jedenfalls haben wir nach diesem Prozess nicht nur einen Scherz ber Fiona, sondern gleich zehn Scherze ins Programm genom-men, einen eigenen Fiona-Block.Blumenau (zu Gruber): Ich habe einmal im Deutschen Fernsehen gesehen, wie Ihnen ein Experi-ment missglckt ist. Gruber: Das war beim Markus Lanz in der Sendung. Aber nur, weil die Deutschen keine ge-scheiten Schweizerkracher bauen knnen!Blumenau: Alles muss man selber mitnehmen Gruber: Aber wie? Im Flieger? Keine Chance. Ich habs per Post verschickt. Zwei Tage spter kriege ich einen Anruf vom Postzent-rum: Herr Gruber, in Ihrem Paket haben wir Sprengstoff gefunden. Scheuba: Man hat dich ja ent-deckt im Deutschen Fernsehen.Gruber: Ich bin jetzt der Haus- und Hofphysiker beim Lanz. Und das als sterreicher! Das schaffst nicht so leicht. Blumenau: Ja ja, der deutsche Markt. Unverzichtbar.Scheuba: Ich mache bald ein Stck. Es heit Cordoba. Das Rck-spiel und handelt von den deut-schen Tschuschen in sterreich. Die Deutschen sind ja hier die zweitgrte Gastarbeitergruppe, und bei den Neuzuwanderungen Nummer eins. Das gibt natrlich Integrationsprobleme.

    Sie wissen doch, dass Sprache etwas Grausames istKurz nach 18 Uhr. Mittlerweile sind auch die Schriftstellerin Marlene Streeruwitz, 59, und der Philosoph Robert Pfaller, 47, eingetroffen und haben abseits der anderen eine Unterhaltung begonnen.

    Streeruwitz: Wer sind Sie?Pfaller: Ich bin Philosoph und arbeite an der Angewandten. (Universitt fr Angewandte Kunst)Streeruwitz: Wie heien Sie?Pfaller: Robert Pfaller.Streeruwitz: Dann wei ich eh alles. Wie stehts mit der Beset-zung der Universitt?Pfaller: Die Angewandte ist nicht besetzt.Streeruwitz: Ich habe aber Pla-kate gesehen.Pfaller: Sie hat sich solidarisiert. Alleine die Verschulung der Stu-dienplne Streeruwitz: Es hat niemand eine Vorstellung mehr, was Bildung ist, damit geht es los. Es gibt noch ein-zelne Schmuckstcke, aber der Christbaum ist nicht bekannt, auf den das gehngt wird. Warum sind Sie Professor? Was wollen Sie da?Pfaller: Ich habe das Glck, dass auf einer knstlerischen Univer-sitt alles noch ein bisschen bes-ser funktioniert und die Prozesse ein bisschen spter greifen, von denen die anderen Universitten bereits betroffen sind.

    Streeruwitz: Unser Gesprch hier wird aufgezeichnet. Wie alle. Den Leuten muss es also darum gehen zu unterhalten. Dann gehen sie nach Hause. Und Frau Proll macht ein Gesicht, als wrde sie alles ver-stehen, und (unverstndlich) ins Chaos verfallen (unver-stndlich) die Grausamkeit einer gepflegten Unterhaltung.Pfaller: Sie sind Schriftstellerin, Sie mssen doch wissen, dass Sprache etwas Grausames ist.Marlene Streeruwitz wechselt den Platz.SZ-Magazin: Herr Pfaller, Sie sind gerade frisch zur Runde gestoen. Vermutlich fragen Sie sich, was hier los ist?Pfaller: Haben Sie den Anwe-senden Fragen zum Fra vor- geworfen?SZ-Magazin: Wie war der Urlaub? Haben Sie einen Parkplatz gefun-den? Wie gehts der Mama?Pfaller: Wo haben Sie diese infa-men Fragen denn her? Und was waren Ihre B-Fragen?SZ-Magazin: Was ist alt und gut?Pfaller: Der Bic-Kugelschreiber. So etwas erfreut mich immer sehr. Dass einfache Dinge so wahnsinnig gut funktionieren und sehr schn sind. Schreibt immer. In der Nationalbiblio-thek in Wien liegt kopiert der Nachruf auf so einen Kugel-schreiber aus, verfasst vom Herrn Tobias von der Leihstelle. Gute einfache Dinge sind oft bedroht. Universitten auch.SZ-Magazin: Hat die Politik die Botschaft der Studenten denn verstanden?Pfaller: Es gibt eine wohlmein-dend aggressive Brokratie, die von sich behauptet, im Namen der bildungsfernen Schichten zu sprechen. Ihr Argument lautet:Man muss die Studien verschu-len, weil die bildungsfernen Schichten nicht wissen, wo sie hinsollen. Also mssen wir sie an der Hand nehmen und das Stu-

    dium verschulen. Das halte ich fr ein ganz infames Argument, das von einer tiefen Verachtung geprgt ist. Ich habe schon vor einem Jahr in einem Zeitungs-kommentar gefordert, dass man fr alle, die das Bachelor-Studium eingefhrt haben, eine Mindest-strafe festsetzt in Form eines Bachelor-Studiums.

    Warum hat es Freud ausgerechnet in Wien gegeben?Kurz nach 19 Uhr. Nina Proll hat sich verabschiedet, die anderen re-den weiter ber sterreicher und Deutsche.

    Scheuba: Neulich hat sich sogar der Herr Graf von der FP ber die Auslnderfeinlichkeit den deutschen Studenten gegenber beschwert. Das muss man sich einmal vorstellen: Die FP pran-gert den Rassismus an!Blumenau: Es ist ja wahr! Hurch: Man kann Deutschen ge-genber nicht rassistisch sein. Das ist ein Widerspruch in sich.Scheuba: Der Herr Graf sieht das aber so, dass es antideutscher Ras-sismus ist, der im Zuge der Uni-Debatte hochgekchelt ist. Es gab ja tatschlich schon Vorflle in Wien: Schlgereien von deut-schen gegen sterreichische Stu-denten.Blumenau: Die Piefke haben sich sozusagen zusammengerottet!Hurch: Wenn wir ber die Deut-schen schimpfen, ist das arischer Selbsthass. Das ist nicht irgend-wie Piefke-Feindlichkeit SZ-Magazin: Die Bayern haben es auch nicht leicht Hurch: Die Bayern mssten ein-fach zu sterreich gehren, dann wren sie das Problem los.SZ-Magazin: Oder die ster-reicher zu Bayern.

    Hurch: Ich bin aufgewachsen in Schrding am Inn. Das Haus war direkt am Fluss, und wenn ich hinausgeschaut habe, habe ich nach Deutschland geschaut. Ich habe immer gefunden, dass Pas-sau viel besser zu sterreich ge-passt htte. SZ-Magazin: Dann mssten Sie aber ganz Bayern nehmen, auch die Franken. Blumenau: Ein grauenerregender Dialekt. Lothar Matthus, Daniel Kblbck (der allerdings nicht aus Franken, sondern aus Niederbayern stammt; d. Red.). Schrecklich! Gruber: Wer ist dieser Kblbck?Hurch: Ein berhmter Fuballer, lange Zeit Kapitn der deutschen Fuballnationalmannschaft Scheuba: Der Matthus Hurch: Jetzt hat er es verraten Scheuba: Tu ihn doch nicht r-gern, den Armen. Der glaubt das ja! Der erzhlt das ja weiter!Gruber: Ich erzhle nur Sachen, von denen ich hundertprozentig berzeugt bin. Nur, was ich selber gemessen habe. Hurch: Das muss ein langweiliges Leben sein.Gruber: Nein, das ist super! Ein Beispiel: Ihr habt zwei Flaschen, gleich gro. Die eine ist voll an-gefllt mit Wasser, die andere nur zur Hlfte, aber sonst sind beide Flaschen gleich. Ich lasse sie aus zwei Meter Hhe gleich-zeitig fallen. Welche Flasche kommt zuerst an: Die leichtere? Die schwerere?Blumenau: Oder sie bleiben in der Luft stehen.

    Scheuba: Weil irgendwelche Pro-tonen sie stoppen. Gruber: 90 Prozent der Menschen glauben, dass die schwerere Fla-sche zuerst am Boden aufkommt. Seit Galileo Galilei, das ist jetzt schon fast 500 Jahre her, kommen beide Flaschen na ja, sind sie vorher auch schon, aber seitdem wissen wir es, kommen beide Fla-schen gleichzeitig am Boden auf.Im Hintergrund klirrt es. Und zwar so laut, dass es sich eigentlich nur um eine Flasche handeln kann. Scheuba: Manchmal glauben die Leute etwas nicht, nur weil man es in Satire verpackt. Wir haben in unserem Programm zum Bei-spiel die Geschichte mit dem Zwlf-Millionen-Euro-Gutachten in Krnten. Da htte ein VP-Steuerberater fr ein mndliches Gutachten zwlf Millionen Euro bekommen sollen. Ein Geheim-gutachten, das nur drei bis vier Leuten bekannt war. Mndlich vorgetragen! Und dann ist der Rechnungshof draufgekommen.Hurch: Woher kam das Geld?Scheuba: Vom Land Krnten. Als es aufgeflogen ist, hat er gesagt: Ich bin ein guter Patriot, ich neh-me nur die Hlfte, und hat sechs Millionen kassiert. Das war natr-lich eine versteckte Parteienfinan-zierung, weil das der Steuerbera-ter eines VP-Politikers war. Die haben damals tatschlich behaup-tet, dass ein mndliches Gutach-ten zwlf Millionen Euro wert sein kann. Als wir das in unserem Programm behandelt haben, ka-men nach der Vorstellung die Leute zu uns und wollten wissen, warum wir uns das ausgedacht haben.Hurch: Krnten tut Ihrem Pro-gramm also gut?Scheuba: Eigentlich muss man froh sein, dass es so viele Missstn-de gibt. Sonst htten wir nicht so viel zu reden. Aber wnschen tu ich mir das nicht.Hurch: Wir definieren Restster-

    reich immer ber Krnten. Es ist immer komisch zu verallgemei-nern, was das sterreichische ist. Aber es gibt schon Aspekte, bei denen man sprt, dass wir Scheuba: Das sterreichische Selbstbild schwankt immer zwi-schen Selbstmitleid und Selbst-berschtzung.Gruber: Grenwahn bis zum Gehtnichtmehr. Wir knnen al-les. Wir knnen nach Stalingrad marschieren. Und: Wir bringen nichts zusammen, wir sind un- fhig, wir sind die Letzten.Scheuba: Perfekt zum Ausdruck gebracht in den Polen Fuball und Skifahren.Hurch: Ich glaube, dass dieses Land kein Volk hat und dass das Volk sich nur ber Niederlagen definiert. Das fngt an bei den Bauernkriegen, das geht 1848 wei-ter. Die Franzosen haben ihren Kaiser gekpft, sogar die Italiener haben den Mussolini erschossen zum Schluss. Bei uns hat sich der Kaiser mit dem letzten Zug nach Spanien verzwitschert. Wir muss-ten befreit werden, ganz am Schluss, und wir nehmen nicht einmal zur Kenntnis, dass uns die Russen befreit haben! Bei uns hat es nie das Selbstbewusstsein eines Citoyens gegeben, das Selbstbe-wusstsein eines Volkes. Deswegen haben wir diesen Schwang zwi-schen Grenwahnsinn und De-pression, der nichts anderes ist als kein Identittsgefhl.Gruber: Das Standesbewusstsein der Kche Blumenau: Bitte jetzt nicht ver-witzeln Gruber: Das meine ich ernst, das ist kein Witz! Die sterreichischen Kche kommen mit Stolz ins Ausland.Blumenau: Die sterreichischen Skifahrer kommen auch mit Stolz ins Ausland, aber darum geht es doch nicht.Hurch: Das Interessante ist, dass es in diesem Land zugleich gelun-

    gen ist, historische kulturelle Leis-tungen zu vollbringen. Sigmund Freud zum Beispiel. Genau aus diesem Widerspruch hat sich eine Produktivitt entwickelt aber ist ja wurscht.Im Hintergrund sagt eine Stimme: Wurscht! Es ist Wurscht!Gruber: Warum hat es den Freud ausgerechnet in Wien gegeben?

    Wenn ihr frei denkt, tut ihr euch nur weh

    19.10 Uhr. Marlene Streeruwitz ist irritiert ber Werner Gruber, der gerade am anderen Ende des Ti-sches stimmgewaltig sagt: Ihr wart diejenigen, die mit dem Napoleon einmarschiert sind! Ihr wart die Feinde!

    Streeruwitz: Bitte, wer ist das?SZ-Magazin: Werner Gruber, ein Physiker.Streeruwitz: Das sind die, die Teilchen aufeinanderhetzen, was? Da drben geht es schon die gan-ze Zeit so aggressiv zu. Ich hr dauernd: Ihr seids doch ned!, Des habts ihr doch nie!, Des homma nie, und berhaupt nie! I was eh, wie es is! Jetzt fehlt nur noch der Satz: Ein bissl was geht immer.SZ-Magazin: Man kommt ja mit zehn Formeln ganz gut durch die meisten Konversationen.Streeruwitz: Das ist das Geheim-nis der Demenz! In der Demenz reden sie nur in solchen einfa-chen Stzen. So kann sich sogar jemand, der hirntot ist, an Kon-versationen beteiligen und sie unter Umstnden dominieren.SZ-Magazin: Als Sie noch nicht da waren, haben wir auch schon ber das Dominieren gesprochen. ber die Kronen Zeitung.Streeruwitz: Die Kronen Zeitung ist unglaublich patriarchal in einem sehr moralischen, alt-

    Zeit18:00 19:30 Uhr

    Themen Bic-KugelschreiberArischer SelbsthassDas Geheimnis der Demenz

    Bestellungen Gsser GoldMariniertes RindfleischSoda-Citron

    Pfaller, Streeruwitz: Wer sind Sie? Wie heien Sie?

    Gruber, Scheuba: Selbst-mitleid und Grenwahn.

    MitwirkendeMartin BlumenauFlorian ScheubaHans Hurch

    Werner GruberRobert PfallerMarlene Streeruwitz

  • 24 Sddeutsche Zeitung Magazin Sddeutsche Zeitung Magazin 25

    risch-neurotischer Alkoholiker ist. Dann hlt einen niemand mehr fhig zu einem normalen Ge-sprch. Es ist anstrengend, wenn die Leute eine Vorstellung von einem haben. Selbst wenn die Vorstellung stimmen wrde, wre es nicht angenehm. Hans Hurch bricht auf und ver- abschiedet sich auch von Thomas Glavinic.

    Glavinic: Der kommt in meinem Roman vor. Ist eine Romanfigur von mir.Hurch: Ich streiche mir nach-denklich durch den Bart, oder? (streicht sich dabei nachdenklich durch den Bart)SZ-Magazin: Und das im An-schluss an die Beschwerde, die Leute wrden die Figuren in Ih-rem Buch mit der Realitt ver-wechseln Glavinic: Das eine widerspricht dem anderen doch nicht. Trin-ken wir noch ein bisschen?Gustav: Hast du den Preis be-kommen, fr den du nominiert warst?Glavinic: Ich wei zwar nicht, welchen du meinst, aber die Antwort ist bestimmt nein.Gustav: Du warst in irgendeiner

    Bestsellerliste. Die deutsche wie heit denn das, wo du da reingekommen bist? (Gustav meint den Deutschen Buchpreis, auf dessen Longlist Glavinics Ro-man Das Leben der Wnsche stand, um dann in der Shortlist nicht mehr aufzutauchen. d. Red.)Glavinic: Keine Ahnung. Gustav: Doch, das weit du, du hast bei Interviews davon ge-sprochen.Glavinic: Lngst vorbei.Gustav: Die fnf bestverkauften oder beliebtesten der deut-schen Literatur Glavinic: Wir mchten das The-ma wechseln. Wir mchten bitte ber andere Dinge reden.Gustav: Ich muss mich ja auch informieren Glavinic: Ja eben!

    Dieser Aristoteles war ein Trottel

    Kurz nach 20 Uhr, anderswo am Tisch.

    Pfaller: Der Clarence Seedorf kann etwas, was ganz wenige knnen: spielerische Dichte er-zeugen. Er steht am Sechzehner und wartet. Wartet, bis die ganze Viererkette dann luft er einen Schritt und hebt den Ball

    Scheuba: Da kommen Dinge zu-sammen, die sich nicht bers Hirn erklren lassen. Diese Form von Wahrnehmung, die der Typ haben muss. Gruber: Wen vernichtet ihr gerade?

    modischen und auch monarchi-schem Sinn. Das ist die Weiter-fhrung der Hofburg: Ich sage euch, was ihr denken sollt. Diese Anti-Revolutions-Haltung: Wenn ihr frei denkt, Kinder, dann tut ihr euch nur weh. Die Bild-Zei-tung hat da einen liberaleren Schwung. Sie hat nur Leser, es gibt keine Leserin. Jeder, der die Bild-Zeitung liest, bernimmt das mnnliche Geschlecht, wird zum Mann. Wer die Krone liest, dem wird gesagt: Kind, denke nicht, ich sage es dir! In der Bild ist die Botschaft: Komm Bursche, wir laufen jetzt gemeinsam fr Deutschland. Wir sind da in der Rotte, wir machen das und du wirst gut rauskommen, wenn du bei uns mitlufst.

    In sterreich richtet sich der Zorn immer nach untenEs muss etwa 19:30 sein. Martin Blumenau informiert sich mit sei-nem internetfhigen Handy ber die Auslosung der Fuball-WM.

    Blumenau: Deutschland hat Serbien, Ghana und Australien. Niederlande hat Dnemark, Japan und Kamerun.Pfaller: Ist das grade ausgelost worden?Blumenau: Ja.Scheuba: Wen hat Brasilien?Blumenau: Elfenbeinkste, Por-tugal, Nordkorea.Scheuba: Uuuuh. Gruber: Fr sterreich ist das nicht so relevant. Es gibt zwei Fuballereignisse, die in ster-reich relevant waren: das Match in Cordoba. Und: Rapid Wien wird deutscher Meister.Pfaller: Haben Sie das Gefhl, dass Sie Ihr Publikum im Gelchter vereinen oder dass Sie es spalten?Scheuba: Das ist unterschiedlich.

    Bevor wir in Klagenfurt aufge- treten sind, habe ich gedacht, bei den Haider-Pointen wird es Widerspruch geben. Aber nein, da war Lnderspielstimmung, da war Torjubel. Man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass sich die Welt dadurch ndert, aber es ist ein Erfolg, wenn die Leute merken: Man kann etwas dage-gen sagen, man muss sich nicht frchten.Pfaller: Das ist etwas, was Hans Hurch vorher gesagt hat: In Ln-dern, in denen Revolutionen im-mer gescheitert sind, richten sich die Emprung und der Zorn meistens nach unten, zum Bei-spiel gegen Migranten. Und in Lndern, in denen Revolutionen gelungen sind, richtet sich das nach oben.Scheuba: Das hast du in ster-reich in allen Kleinigkeiten. Bei der EU-Debatte geht es kaum um die Machtstruktur der EU, son-dern um die Ost-Banden oder die Zuwanderer aus dem Osten, die uns Arbeitspltze wegnehmen. Oder gegen Sozialschmarotzer.

    Herr Ober, mein Nachbar muss abgesaugt werden!19:55 Uhr. Marlene Streeruwitz und Werner Gruber prallen auf- einander.

    Gruber: Meine Freundin hat mich fast geschlagen, als ich einmal gesagt habe: Ich muss noch Ttensuppen einkaufen. (In sterreich heit es Packlsuppe.)Streeruwitz: Von wo sind Sie?Gruber: Aus Wien, aber ich habe relativ viel Familie in Deutsch-land. Ich versuche, den sterrei-chischen Dialekt hochleben zu lassen und auch sterreichische Dialektbegriffe ins Hochdeutsche zu bringen.

    Streeruwitz: Das ist sicher h problematisch.Gruber: In Deutschland ist es sehr wichtig zu wissen, wie man wo korrekt beleidigt. Wenn man in Dresden oder Leipzig Voll-koffer sagt, knnen die damit nichts anfangen.Streeruwitz hustet.Gruber: Brauchen S ein Husten-zuckerl? Streeruwitz: Das ist das Rauchen hier.Gruber: Ich habe festgestellt, in Deutschland ist zwar Rauch- verbot, aber dafr riecht es jetzt berall nach Schwei.SZ-Magazin: Ist neben Ihnen noch ein Platz frei?Streeruwitz: Jajajaja. Er sagt gra-de, dass es in Deutschland berall nach Schwei riecht. Wenn Leute trinken, stinken sie immer. Das ist ja unvermeidlich.SZ-Magazin: Aber frher hat man dagegen angeraucht. Streeruwitz: Rauchen ist sozusa-gen eine Verwolkung der anderen?Gruber: Eine geruchsmige Gleichmacherei.Streeruwitz: Eine Verwolkung, die erst Gesellschaft ermglicht. Gruber: In Deutschland kennt man das zweite Wohnzimmer nicht, das Kaffeehaus. Dort arbei-te ich, dort nehme ich Prfungen ab, dort mache ich Interviews. Das funktioniert tadellos. Streeruwitz: Aber wie ist es, wenn schon frh am Morgen alle nach

    Rauch stinken?Gruber: In meinem Stammcaf gibt es eine sehr starke Anlage.Streeruwitz: Also eine technische Frage.Gruber: Ja, so einfach ist es.Streeruwitz: Absaugen! Herr Ober, absaugen! Saugen Sie das doch bitte ab! Mein Nachbar muss abgesaugt werden!Kellner: Gerne, gerne, gerne.Kurze Zeit spter verabschiedet sich Marlene Streeruwitz.Gruber: Gehen Sie schon? Hat mich gefreut, auf Wiedersehen.Streeruwitz: Auf Wiedersehen. Gruber: Ich merke, dass die Knst-ler noch immer in massiver ber-zahl sind.SZ-Magazin: Zu wenige Physiker am Tisch?Gruber: Naturwissenschaftler.

    Der ist eine meiner Romanfiguren

    Kurz nach 20 Uhr sind die letzten beiden Gste im Caf Englnder eingetroffen: der Schriftsteller Tho-mas Glavinic, 37 und die Musike-rin Gustav, 31, die mit brgerlichem Namen Eva Jantschitsch heit.

    SZ-Magazin: Wie geht es Daniel Kehlmann?Glavinic: Kehlmann ist komi-scherweise jener Mensch, auf den ich am hufigsten angesprochen werde. SZ-Magazin: Weil Sie befreundet sind?Glavinic: Weil in einem meiner Romane der Ich-Erzhler heit wie ich und eine Romanfigur wie er. Die Leute nehmen ja alles fr bare Mnze, was sie lesen.SZ-Magazin: Ist es nicht ange-nehm, ein ffentliches Alter Ego zu haben? Dann hat doch das wirkliche Ego seine Ruhe. Glavinic: Nicht, wenn dieses Alter Ego unbedachterweise ein hyste- DESIGNHAUS

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    Zeit19:30 20:15 Uhr

    Themen Schwei in DeutschlandFuball-WM-AuslosungDaniel Kehlmann

    Bestellungen ZigarettenBackhendlsalatGsser Gold

    Streeruwitz: Wenn Leute trinken, stinken sie immer.

    Gustav, Glavinic: Lass uns das Thema wechseln.

    MitwirkendeMartin BlumenauFlorian ScheubaWerner Gruber

    Robert PfallerMarlene StreeruwitzThomas GlavinicGustav

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  • 26 Sddeutsche Zeitung Magazin Sddeutsche Zeitung Magazin 27

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    Knoll ist der Rechteinhaber am Barcelona Chair 250LC. Barcelona Chair ist ein eingetragenes Markenzeichen von Knoll.

    Scheuba: Wir sind ganz freund-lich, es geht um Fuball.Gruber: Was keiner glauben mag: Ich war einmal Tanzlehrer. Da-mals war ich auch nicht viel dn-ner als jetzt. Kein Schmh, latein-amerikanische Tnze.Scheuba: Respekt.Gruber: Heute keine Chance mehr, die Kondition. Aber ich schau mir das immer noch gern im Fernsehen an. Ich bertrage meine Vorlesungen ins Internet, das ist wie Fernsehen. Brauchst nur eingeben: Gruber Werner Ge-hirn oder Gruber Werner Schweins-braten.Scheuba: Schweinsbraten hat eine eigene Seite?Gruber: Klar, Papierflieger auch. Ich habe mich gefragt, wieso ich eine steigende Studentenzahl in den Vorlesungen habe, wenn man sich doch alles im Internet an-schauen kann. Da hocke ich mich doch mit WLAN ins Kaffeehaus. Die Studenten haben gesagt: Live sind Sie besser.Scheuba: Gruber unplugged.Gruber: Habt ihr gewusst, dass alle Menschen von acht Frauen abstammen? Das sind unsere Urmtter.Blumenau: Und wo sind die her-gekommen?Gruber: Aus Afrika, man kennt sogar das Tal.Scheuba: Die Basis! Eine Selbst-findungsgruppe war das. Ein Tpferkurs.Gruber: Oder eher ein Feuer-mach-Kurs.Scheuba: Oder Kohlenlaufen.Gruber: Kohlenlaufen gibt es erst seit 1350. Vorher gibt es keine ur-kundliche Erwhnung.Blumenau: Auch so ein vlliger Schwachsinn.Gruber: Dafr zu bezahlen ist Schwachsinn. Aber wenn ich als Physiker zeige, dass ich ber Koh-len laufen kann, weil die Gesetze der Physik fr alle gelten, finde ich das nicht schwachsinnig.

    Blumenau: Sich einer poten-ziellen Gefahr auszusetzen finde ich Schwachsinn.Gruber: Als Physiker wei man, dass das keine Gefahr ist. Dieses Wissen gibt mir Sicherheit!Blumenau: Es sind schon viele ums Leben gekommen durch die Sicherheit ihres Wissens.

    Gruber: Da kenne ich keinen Ein-zigen. Von den Physikern ist bei uns schon lange keiner mehr ge-storben. Wir haben Selbstmorde am Institut, wir haben Morde ge-habt, wir haben Schlgereien. Aber dass einer sich bei einem Experiment wehgetan htte, ist nie vorgekommen.Blumenau: Jetzt vielleicht. Aber in den letzten Jahrhunderten ha-ben die groen Experimente ge-nug Opfer gefordert.Gruber: Welche? Blumenau: Sagen wir, die Ge-schichte der Polar-Expeditionen.Gruber: Das waren keine Natur-wissenschaftler, das waren Aben-teurer. Wenn dieselben Bedin-gungen bestehen, ist das Resultat immer dasselbe.Blumenau: Geh bitte, die Be-dingungen! Das Leben funktio-niert nie unter denselben Be-dingungen. Gruber: Dann knnten wir nicht leben, wenn es so wre.Blumenau: Kein Moment ist in unserem Leben wiederholbar!Gruber: Auer in Experimenten, und das reicht.Blumenau: Mich interessiert aber das Leben.

    Gruber: Griechische Philosophen sind jahrtausendelang gescheitert an den elementaren Fragen des Lebens. Dann ist Galilei gekom-men und hat gesagt: Burschen, lasst uns verallgemeinern.Blumenau: Das stimmt ja so nicht.Gruber: Vor Galilei waren das al-les Trotteln. Was hat Aristoteles schon geleistet?Blumenau: Er war mit Sicherheit kein Trottel.Gruber: Schwerkraft ist keine Idee. Das wei jeder Pilot. Schwer-kraft ist immer. Alleine die Er-kenntnis, dass morgen die Sonne aufgeht, rettet in Amerika wahr-scheinlich 10 000 Leuten das Le-ben. Bei den Azteken sind 10 000 Leute geopfert worden, damit am nchsten Tag die Sonne aufgeht.Blumenau: Das hatte wohl eher philosophische und psycholo-gische Grnde.Gruber: Das zeigt, dass Psycho-logen und Philosophen nicht un-bedingt auf der richtigen Seite sind.Blumenau: Ich bin ja gar nicht gegen das Experiment. Ich bin nur gegen die Fetischisierung des Experiments.Gruber: Das ist kein Fetisch! Ich habe andere Fetische: Schweins-braten. Prost. Sind wir wieder gut?Blumenau: Eh spitze. Passt eh.Gruber: Einem Experimental-physiker sagen, Experimente brauchen wir nicht: na ja.

    Die RAF war nur ein Kindergartenverein

    20:35 Uhr. Robert Pfaller und Mar-tin Blumenau haben sich verab-schiedet, Florian Scheuba spricht ber Deutsche und sterreicher.

    Scheuba: Frher war klar: Der sterreicher war der Kellner. Der

    Deutsche war es gewohnt, von sterreichern bedient zu werden, der sterreicher war es wiederum gewohnt, den deutschen Gast um den Finger zu wickeln und dafr ein fettes Trinkgeld einzustreifen. Das geht sich heute nicht mehr aus. Denn der russische Gast, der in manchen Orten die Mehrheit hat, trifft genau wie der deutsche Gast auf den deutschen Kellner. Und er ist es gewohnt, einen Kell-ner wirklich zu karniefeln und zu schikanieren. Der deutsche Gast, der mitkriegt, wie der deutsche Kellner vom russischen Gast schi-kaniert wird, findet das nicht lus-tig. Der beschwert sich.SZ-Magazin: Und die ster-reicher, die das beobachten, die lachen darber? Scheuba: Das ist schon sehr ko-misch. Oder du bist auf einer Berghtte irgendwo in Hintertux und hrst, wie einer sagt: Wolln Se ne Weinschorle?Gruber: Einen Kurs in Deutsch brauchen die schon, die deut-schen Kellner: Das heit nicht Weinschorle, sondern Gspritzter. Das mssen die lernen.Scheuba: Der Zusatzaspekt, dass die Deutschen auf einmal die Un-derdogs sind, ist komplett neu.Gruber: Die wenigsten wissen, dass die meisten aus Ostdeutsch-land kommen. Dann funktioniert das ja wieder: Wenn der Wessi Ur-laub macht und wei, der Kellner ist ein Ostdeutscher, dann ist das okay. Dann karniefelt er ihn.Scheuba: Aber dass der Russe den Ossi karniefelt, mag der Wes-si auch nicht. Und wenn noch der Bayer ins Spiel kommt, der den Saupreuen berhaupt ablehnt, funktioniert das gar nicht mehr. Der innerdeutsche Rassismus ist noch viel zu wenig erforscht. Scheuba bestellt Hirschbratwrstel, Gruber Gulasch. Nachdem der Champagner leer getrunken ist, kommen nun Weinflaschen auf den Tisch.

    Gruber: Ich bin brigens gera-de bersiedelt in die Nhe des Riesenrades im 2. Bezirk. Dort gibt es alles, was man braucht: Drogen, Waffen, Prostituierte, den Afrikaner-Strich. Scheuba: Der 2. Bezirk ist die Gentrifizierungszone Num-mer eins in Wien. Gruber: Wien ist eine sichere Stadt. Als ich einmal in Han-nover war, war ich bei einer Veranstaltung, wo sich auch der niederschsische Minister-prsident die Ehre gegeben hat. Auf einmal tauchen zehn Bo-dyguards auf. Ich habe mir ge-dacht: Bitte, wo sind wir? In sterreich haben der Bundes-kanzler und Minister doch kei-nen Bodyguard. Ihr habt in Deutschland einen Sicherheits-fimmel! Eure Ministerprsi-denten kennt doch eh kein Mensch.SZ-Magazin: Wir hatten in den Siebzigerjahren Terrorismus. Die RAF Gruber: Die RAF war doch ein Kindergartenverein! Was ha-ben die schon gemacht? SZ-Magazin: Die Freipressung der Terroristen, die Entfhrung der Landshut, der Mord am Ar-beitgeberprsidenten, seinem Chauffeur, an Unbeteiligten Das Gulasch und die Hirschbrat-wrstel werden aufgetragen.Scheuba: Zum Thema RAF fllt mir eine meiner Lieblings-

    anekdoten ein. Es gab doch diesen Hungerstreik und die Zwangsernhrungsdebatte. Ein Riesenthema: Drfen wir die zwangsernhren oder verstt das gegen die Menschenrechte? Damals sa die RAF-Terroristin Waltraud Bock in einem Wie-ner Gefngnis und ist mit den anderen RAF-Hftlingen in den Hungerstreik getreten. Daraufhin hat die Gefngnis-leitung gesagt: Frau Bock, Sie haben doch immer angesucht, nicht in Einzelhaft zu sitzen. Ab heute ist Ihrem Ansuchen stattgegeben. Sie bekommen eine Zellengenossin, die Frau Hilde. Die Frau Hilde war fi-gurmig ein bisschen in Rich-tung vom Werner. Und dieser Frau Hilde hat man gesagt: Frau Hilde, Sie drfen sich wegen guter Fhrung eine Wo-che lang zum Essen bestellen, was Sie wollen. Der Hunger-streik von Waltraud Bock hat genau einen Tag gedauert.Gruber: Ich wollte nicht die Taten der RAF verharmlosen, aber das waren nur Geistes-wissenschaftler. Wenn die technisch ein bisschen was draufgehabt htten, htte das ganz anders ausgehen kn-nen. Muss man ganz ehrlich sagen. Wenn ich das verglei-che mit Leuten, die etwas ge-konnt haben, wie die IRA das waren Profis!Scheuba: Du hast einen sprengtechnischen Zugang zur RAF.Gruber: Was die wenigsten wis-sen: Der Sprengstoff, der heute fr viele Attentate verwendet wird, ist vom Bauernbund Wis-consin erfunden worden. Die sogenannte Agrar-Bombe, ein-fach herzustellen. Der Bauern-bund wollte damals Enten- teiche sprengen, und ein paar Shne der Bauernbndler, die auf der Universitt gewesen

    Zeit20:15 20:50 Uhr

    Themen Selbstmorde bei PhysikernInnerdeutscher RassismusFrau Hilde und die RAF

    BestellungenHirschbratwrstelZweigeltGrner Veltliner

    Blumenau: Kohlenlaufen ist doch schwachsinnig.

    MitwirkendeFlorian ScheubaMartin BlumenauWerner Gruber

    Robert Pfaller

    Sachertorte: Irgendwann musste es so weit kommen.

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    sind, haben sich eine Lsung dafr ausgedacht. Danach ist das um die Welt gegangen. Von fnf Attentaten gehen drei auf den Bauernbund von Wisconsin zu-rck. Die erste Autobombe war brigens eine Kutschenbombe. 1900 war das. Apropos: Nchstes Jahr feiern wir ein gewaltiges Ju-bilum: 110 Jahre Cordon bleu. Scheuba: Wobei man sagen muss, in Wien heit es meist Gordon: Ham S a Puten-Gordon?Gruber: Reden wir wieder ber etwas Gescheites. Den Sinn des Lebens.Scheuba: Du willst doch nur angeben.Kurze Zeit spter verabschieden sich Gruber und Scheuba.

    Trinken? Nur zur Selbstverteidigung

    Etwa 21 Uhr. Thomas Glavinic und Gustav unterhalten sich.

    Glavinic: Trink noch ein bissl!Gustav: Gern.Glavinic: Es heit immer, ab einem gewissen Alter soll man sich einmal im Jahr untersuchen lassen, krperlich und geistig. Also habe ich mir in diesem Som-mer gedacht, ich mach das, aber vorher trinke ich drei Wochen keinen Alkohol. Schlielich habe ich 32 Tage nichts getrunken, und dann bin ich zur Blutprobe. Ich hatte wunderbare Werte. Am Abend habe ich das gefeiert. Gustav: Du bist ja eher der gesel-lige Typ. Glavinic: Ich bin berhaupt nicht gesellig. Ich trinke nur, um mich zu verteidigen. Das ist ein reines Defensivkonzept.Gustav: Wisst ihr, was das Beste an sterreich ist? Die Wurst!SZ-Magazin: Die Wurst?Gustav: Die Wurst! Das stelle ich immer wieder fest in Deutsch-

    land. Dort gibt es keine Wurst. Das Angebot und die Diversitt der Wurst, der verschiedenen Wurstsorten in sterreich, das hast du sonst nirgends in der Qualitt.Glavinic: Ich habe sterreich noch nie unter diesem Gesichts-punkt betrachtet Gustav: Ich nur!

    Glavinic: Als ich neulich aus Ja-pan kam, habe ich sterreich geliebt wie selten zuvor. Die Japaner freuen sich ja extrem, wenn man sagt: Das kann ich nicht essen. Die haben mir Fischkpfe vorgelegt und ande-re Grausligkeiten. Unfassbar. Ir-gendwann denkst du dir: Es ist genug! Und greifst aus Notwehr zu Bier. Es hat Kalorien, es ist nahrhaft, es schmeckt vertraut. Ich wusste nicht, dass ich das kann, aber ich habe schon zum Frhstck ein Bier getrunken. (Thomas Glavinic nimmt das Dik-tiergert und fhrt es zu seinem Mund): brigens mchte ich an dieser Stelle an die Veranstalter das Wort richten: Die Versuchs-kaninchen hier abzufllen, und ihnen zu sagen, dass sie keine Mglichkeit haben, ihre ue-rungen vor der Verffentlichung noch einmal zu lesen, ist schnd-lich!SZ-Magazin: Wir haben heute schon viel darber gesprochen, wie wichtig es in Wien ist, in

    welchem Bezirk man wohnt. Wo wohnen Sie?Gustav: Im 16., gleich bei der Lugner City. Ich bin ja ein Fan dieser Lugner City. Das hat so einen lustigen ostigen Charme. Es wirkt wie ein Einkaufszent-rum in Budapest. Nur billigste Lden.SZ-Magazin: Wer geht da hin?Gustav: Die Leute, die dort woh-nen, Migranten, Menschen mit migrantischem Hintergrund. Kurz vor der Nationalratswahl hat der Strache von der FP dort eine Wahlkampfveran- staltung abgehalten. Und die Migranten, die in der Lugner City unterwegs waren, sind alle mit FP-Luftballons herum- gestanden.SZ-Magazin: Also genau die Leu-te, die Herr Strache zum Teufel wnscht?Gustav: Total absurd, ein absur-der Ausdruck der politischen Verhltnisse. SZ-Magazin: Wehren sich die Migranten nicht gegen die Hass-reden, die ihnen gelten?Gustav: Nicht die, die da waren. Die wollten nur Luftballons. Die sind gekommen, um einen zu sehen, den man aus dem Fernsehen kennt. Eine Berhmt-heit eben. Es ist gerade sehr laut im Caf Eng-lnder. Deswegen ist auf den Ton-bndern minutenlang nur Chaos. Als man wieder etwas verstehen kann, unterhalten sich Glavinic und Gustav ber ihr Publikum.Glavinic: Ich glaube, mit dem Buch, das ich jetzt verffentlicht habe, habe ich mir ein enormes Problem mit den Damen um die sechzig eingebrockt. Da geht es ja um einen Mann, der eine Geliebte hat. Die mgen dann den Autor gleich auch nicht. Gustav: Ich bin auch so eine Le-serin, ich kann das auch nicht auseinanderdividieren. Fr mich hat so etwas Realitt. In meiner

    Lieblingsserie geht es um einen Werbefuzzi in den Sechzigerjah-ren, der ein Verhltnis mit sei-ner Sekretrin hat. Es dauert irrsinnig lange, bis ich Roman-figuren oder Serienfiguren so etwas verzeihen kann. Ich bin das Publikum ber fnfzig.Pause.Gustav: Du bist auch Steirer, wie ich?Glavinic: Ja, das ist ein Makel.Gustav: Ich finde es super, dass ich gerade in Mnchen lebe. Dort kann ich Dialekt sprechen und werde trotzdem verstanden.SZ-Magazin: Und wie ist Mn-chen sonst so?Gustav: Ein Wahnsinn. Viel kon-servativer als Wien. Das ist echt heftig mit den ganzen Dirndln.Glavinic: Das war eben nie eine wirklich wichtige Stadt.Gustav: Die Langeweile von Wien ist viel inspirierender als die von Mnchen. Weil alles viel unauf-geregter ist. In Mnchen hast du noch diese Konfrontation mit dieser reichen Oberschicht. So etwas wie die Maximillianstrae gibt es in Wien gar nicht.Kurz vor 23 Uhr. Ein paar Glser weiter.SZ-Magazin: Ein vorlufig letztes Mal bekommen Sie ein Diktier-gert vorgelegt.Glavinic: Aha. Eva, magst du bitte wiederholen, was du gerade ge-sagt hast?Gustav: Ich hatte vor, diesen Raum total dicht zu verlassen.Glavinic: Das musst du ber-setzen.Gustav: Das heit betrunken.SZ-Magazin: Dafr ist es ja noch nicht zu spt.Glavinic: Ich habe Gerchte ge-hrt, dass du frchterliche Sachen gesagt hast. Und dass das das Highlight des Gesprchs wird.Gustav: Da, wo ich ausfallend war?Glavinic: Wei ich nicht. Aber ir-gendwas musst du gesagt haben.

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    hat es schon geschmeckt...!1,2 Millionen Kinobesuchern

    Was sonst noch geschah, als die Tonbnder ab-geschaltet waren

    23:10: Robert Pfaller und Nina Proll sind wieder da. Pfaller hat den Nachruf auf den Bic-Kugel-schreiber mitgebracht, den er ein paar Stunden zuvor erwhnt hat, und versucht, Nina Proll seinen Lieblingsphilosophen Slavoj Zi-zek schmackhaft zu machen: Den knnen Sie sogar auf You-tube anschauen!23:35: Hans Hurch betritt erneut das Caf Englnder und whlt entschlossen einen Tisch am an-deren Ende des Lokals. Pfaller:

    Jetzt kann er mehr als einen ln-geren Satz sagen, ohne dass ihn ein Physiker in lauter Elementar-teilchen zerlegt.23:50: Thomas Glavinic erzhlt von einer seltsamen Nacht. Als 22-Jhriger spielte er bei einem Schachturnier mit eigenartigen

    Regeln: Wer einen Bauern verlor, musste einen Jgermeister trin-ken. Bei einem Turm waren es vier, bei Verlust der Dame acht. Glavinic verlor. Als er am nchs-ten Tag aufwachte, fehlten ihm zwei Backenzhne. Er hat nie her-ausgefunden, wie das passiert ist.0:30: Das Caf Englnder gibt eine letzte Runde aus. Man be-stellt Averna. Der Morgen danach ist katerlos.

    Zeit20:50 24:00 Uhr

    Themen 110 Jahre Cordon bleuBier trinken in JapanLangweiliges Mnchen

    Das war der Plan: Wir la-den zehn sterreicher, die wir interessant finden, in ein Wiener Kaffeehaus ein. Sie kommen, wann sie wollen, und gehen, wann sie wollen, sie re-den, mit wem sie wollen und worber sie wollen. Als sich Susanne Schnei-der, Wolfgang Luef, Peter Praschl und Moritz von Uslar mit sieben Tonbn-dern mittags ins Caf Englnder setzten, frchteten sie, es knnte

    sich doch um eine Schnapsidee handeln. Zehn Stunden spter, vor allem aber nach Lektre der insge-samt 220 Seiten Protokoll, be-schlossen sie, im nchsten Jahr wiederzukommen in eine andere Stadt, mit anderen Gsten, denn: Wir mssen reden. Mehr denn je, oder?

    BestellungenMarillenpalatschinkenSchnapsAverna

    MitwirkendeFlorian ScheubaWerner GruberThomas Glavinic

    Gustav

    Zahlen, bitte! Der Back-hendlsalat war ein Gedicht.

    Gustav: Die Langeweile von Wien ist inspirierend.