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Die kleine Kurzfortbildung. www.nydahl.de > Skripte Mundpflege update Mundpflege in Europas Intensivstationen Umfrage in 59 ICUs, 7 Länder: 77% berichten von einem adäquaten Training & Schulung, 93% möchten mehr darüber lernen, 88% räumen der Mundpflege bei beat- meten Patienten eine hohe Priorität ein. 37% geben, dass die Qualität der Mundpflege über die Zeit nach- lässt. 61% benutzen CHX 0,12% (ParoEx), 22% Schwämme, 42% Speichelersatz, 41% benutzen Zahn- bürsten. Auf den ICUs am UK S-H gibt es unterschiedliche Ge- pflogenheiten zur Mundpflege. Rello J et al. (2007). Oral care practices in intensive care units: a sur- vey of 59 European ICUs. Intensive Care Med. 2007 Jun;33(6):1066- 70. Epub 2007 Mar 24. Fazit: Standards sind sicherlich sinnvoll, aber die Über- tragbarkeit von Studien ist von einer Patientenpopulation auf die andere nicht immer gegeben, Teamstrukturen und Priorisierung der Mundpflege sind unterschiedlich. Speichel vor Umlagerung absaugen senkt Pneumo- nierate bei Beatmeten! Speichel im Rachen ist eine der potentiellen Keimreser- voire, aus denen aspiriert werden kann. Bei Umlagerun- gen besteht ein erhöhtes Risiko der Tubusverlagerung und damit der Aspiration. Prospektive, nicht randomisierte Studie (n= 159 / 102). Risikoreduktion der Pneumonierate: 0,32, Überlebens- chance 1,5fach erhöht. Aber: qualitativ fragwürdige Studie (ø Randomisierung, ø Signifikanzen) Chao YF et al. (2009). Removal of oral secretion prior to position change can reduce the incidence of ventilator-associated pneumonia for adult ICU patients: a clinical controlled trial study. J Clin Nurs. 2009 Jan;18(1):22-8. Fazit: sicherlich nicht als Standard sinnvoll, aber bei be- atmeten Patienten, die hypersalivieren. Plan B: Scopo- dermpflaster gegen Hypersalivation. Zähne putzen senkt die Pneumonierate auf Null! Neurologische Intensivstation mit VAP-bundle: 30 o er- höhtes Kopfteil, Händehygiene, Magenschutz, Frühmo- bilisierung, tägliche Sedierungspause um 10.00 und: alle 8h Zähne putzen. Geplant: prospektive, randomisierte Studie, die abgebrochen worden ist, da die Pneumonie- rate in der Interventionsgruppe auf Null sank! Fields LB. (2008). Oral care intervention to reduce incidence of ventila- tor-associated pneumonia in the neurologic intensive care unit. J Neu- rosci Nurs. 2008 Oct;40(5):291-8. Fazit: klingt gut, aber zu wenig Daten, fragliche Über- tragbarkeit. Zähne putzen ist wichtig – wenn vorhanden Chlorhexidin, Zähne putzen oder beides? Es gibt Studien, die nur auf die Wirksamkeit von Chlorhexidin hinweise oder andere, die nur das Zähne putzen untersuchen. Also: 4 Gruppen: 1. nur CHX, 2. nur Zähneputzen, 3. CHX + Zähne putzen, 4. Standard- pflege (nicht definiert!). Ergebnis: die vier Gruppen un- terschieden sich kaum. In der Gruppe, die zu Beginn keine Pneumonie hatte, war ein signifikanter Effekt durch CHX mit weniger Pneumonien nachzuweisen (Gruppe 1). Munro CL et al. (2009). Chlorhexidine, toothbrushing, and preventing ventilator-associated pneumonia in critically ill adults. Am J Crit Care. 2009 Sep;18(5):428-37 Fazit: Spannend, die Studie hinterfragt die vorherige, daher: was ist mit den Teamstrukturen und der Priorisie- rung? In Seitenlage Tubus tiefer legen? Keime folgen der Schwerkraft. Wenn ein Patienten in Seitenlage (45 o ) liegt und der Tubus unter das Niveau der Trachea führt, müsste dies zu weniger Aspirationen führen. Prospektive Studie an 20 Patienten, eine Gruppe lag 30 o erhöht, die andere in Seitenlage mit tiefer gelegtem Tu- bus (siehe Abb. aus Mauri). Beide Gruppen hatten eine ähnliche Pneumonierate, d.h. wir schädigen Patienten in Seitenlage nicht. Mitunter kann dies auch sinnvoll sein (Instabilität, Wohlbefinden), aber: 45 o und tiefer geleg- ter Tubus. Qualität: geringe Anzahl, nicht randomisiert, Mauri T et al. (2010). Lateral-horizontal patient position and horizontal orientation of the endotracheal tube to prevent aspiration in adult sur- gical intensive care unit patients: a feasibility study. Respir Care. 2010 Mar;55(3):294-302. Fazit: Interessanter Ansatz, aber Vorsicht wegen schlechter Studienqualität und fraglicher Übertragbar- keit. Gesamtfazit: Pneumonien bei beatmeten sind teuer und haben viele, ernsthafte Konsequenzen (Beatmungsdauer, Lebens- qualität usw). Wissen Wir haben keine „absolute“ Gewissheit darüber, was bei allen gleich gut wirkt. CHX es hilft nicht immer, aber es ist das Beste, was wir haben. Zähne putzen Es kann eine protektive Wirkung haben – und gehört zur Mundpflege dazu Seitenlage evtl. okay, wenn auf Tubusposition geachtet wird (mittig kleben?) Speichel absaugen: ja, bei Patienten mit Hypersalivati- on

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Mundpflege update Mundpflege in Europas Intensivstationen Umfrage in 59 ICUs, 7 Länder: 77% berichten von einem adäquaten Training & Schulung, 93% möchten mehr darüber lernen, 88% räumen der Mundpflege bei beat-meten Patienten eine hohe Priorität ein. 37% geben, dass die Qualität der Mundpflege über die Zeit nach-lässt. 61% benutzen CHX 0,12% (ParoEx), 22% Schwämme, 42% Speichelersatz, 41% benutzen Zahn-bürsten. Auf den ICUs am UK S-H gibt es unterschiedliche Ge-pflogenheiten zur Mundpflege. Rello J et al. (2007). Oral care practices in intensive care units: a sur-vey of 59 European ICUs. Intensive Care Med. 2007 Jun;33(6):1066-70. Epub 2007 Mar 24. Fazit: Standards sind sicherlich sinnvoll, aber die Über-tragbarkeit von Studien ist von einer Patientenpopulation auf die andere nicht immer gegeben, Teamstrukturen und Priorisierung der Mundpflege sind unterschiedlich. Speichel vor Umlagerung absaugen senkt Pneumo-nierate bei Beatmeten! Speichel im Rachen ist eine der potentiellen Keimreser-voire, aus denen aspiriert werden kann. Bei Umlagerun-gen besteht ein erhöhtes Risiko der Tubusverlagerung und damit der Aspiration. Prospektive, nicht randomisierte Studie (n= 159 / 102). Risikoreduktion der Pneumonierate: 0,32, Überlebens-chance 1,5fach erhöht. Aber: qualitativ fragwürdige Studie (ø Randomisierung, ø Signifikanzen) Chao YF et al. (2009). Removal of oral secretion prior to position change can reduce the incidence of ventilator-associated pneumonia for adult ICU patients: a clinical controlled trial study. J Clin Nurs. 2009 Jan;18(1):22-8. Fazit: sicherlich nicht als Standard sinnvoll, aber bei be-atmeten Patienten, die hypersalivieren. Plan B: Scopo-dermpflaster gegen Hypersalivation. Zähne putzen senkt die Pneumonierate auf Null! Neurologische Intensivstation mit VAP-bundle: 30o er-höhtes Kopfteil, Händehygiene, Magenschutz, Frühmo-bilisierung, tägliche Sedierungspause um 10.00 und: alle 8h Zähne putzen. Geplant: prospektive, randomisierte Studie, die abgebrochen worden ist, da die Pneumonie-rate in der Interventionsgruppe auf Null sank! Fields LB. (2008). Oral care intervention to reduce incidence of ventila-tor-associated pneumonia in the neurologic intensive care unit. J Neu-rosci Nurs. 2008 Oct;40(5):291-8. Fazit: klingt gut, aber zu wenig Daten, fragliche Über-tragbarkeit. Zähne putzen ist wichtig – wenn vorhanden Chlorhexidin, Zähne putzen oder beides? Es gibt Studien, die nur auf die Wirksamkeit von Chlorhexidin hinweise oder andere, die nur das Zähne putzen untersuchen. Also: 4 Gruppen: 1. nur CHX, 2. nur Zähneputzen, 3. CHX + Zähne putzen, 4. Standard-pflege (nicht definiert!). Ergebnis: die vier Gruppen un-terschieden sich kaum. In der Gruppe, die zu Beginn keine Pneumonie hatte, war ein signifikanter Effekt durch CHX mit weniger Pneumonien nachzuweisen (Gruppe 1).

Munro CL et al. (2009). Chlorhexidine, toothbrushing, and preventing ventilator-associated pneumonia in critically ill adults. Am J Crit Care. 2009 Sep;18(5):428-37 Fazit: Spannend, die Studie hinterfragt die vorherige, daher: was ist mit den Teamstrukturen und der Priorisie-rung? In Seitenlage Tubus tiefer legen? Keime folgen der Schwerkraft. Wenn ein Patienten in Seitenlage (≥ 45o) liegt und der Tubus unter das Niveau der Trachea führt, müsste dies zu weniger Aspirationen führen. Prospektive Studie an 20 Patienten, eine Gruppe lag 30o erhöht, die andere in Seitenlage mit tiefer gelegtem Tu-bus (siehe Abb. aus Mauri). Beide Gruppen hatten eine ähnliche Pneumonierate, d.h. wir schädigen Patienten in Seitenlage nicht. Mitunter kann dies auch sinnvoll sein (Instabilität, Wohlbefinden), aber: ≥ 45o und tiefer geleg-ter Tubus.

Qualität: geringe Anzahl, nicht randomisiert, Mauri T et al. (2010). Lateral-horizontal patient position and horizontal orientation of the endotracheal tube to prevent aspiration in adult sur-gical intensive care unit patients: a feasibility study. Respir Care. 2010 Mar;55(3):294-302. Fazit: Interessanter Ansatz, aber Vorsicht wegen schlechter Studienqualität und fraglicher Übertragbar-keit. Gesamtfazit: Pneumonien bei beatmeten sind teuer und haben viele, ernsthafte Konsequenzen (Beatmungsdauer, Lebens-qualität usw). Wissen Wir haben keine „absolute“ Gewissheit darüber, was bei allen gleich gut wirkt. CHX es hilft nicht immer, aber es ist das Beste, was wir haben. Zähne putzen Es kann eine protektive Wirkung haben – und gehört zur Mundpflege dazu Seitenlage evtl. okay, wenn auf Tubusposition geachtet wird (mittig kleben?) Speichel absaugen: ja, bei Patienten mit Hypersalivati-on