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Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz Bodenschutz im Spannungsfeld von Umwelt- und Naturschutz Berichte 22. Jahrgang, Heft 1, 2009 Bundesverband Boden Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie

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009 Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz

Bodenschutz im Spannungsfeld von Umwelt- und Naturschutz

Berichte22. Jahrgang, Heft 1,2009

Bundesverband Boden

Landesamt fürBergbau, Energieund Geologie

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NNA Ber. 22. Jg. H. 1 97 S. Schneverdingen 2009 ISSN: 0935-1450

Bodenschutz im Spannungsfeld von Umwelt- und Naturschutz

Zitiervorschlag: Gunreben, M., Miehlich, G., Salomon, B. (Hrsg. 2009): Bodenschutz im Spannungsfeld von Umwelt- undNaturschutz – NNA-Berichte 22. Jg., H. 1, Schneverdingen, 97 S.

Herausgeber und Bezug:

Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz (NNA)Hof Möhr, D-29640 Schneverdingen,Telefon (05199) 989-0, Telefax (05199) 989-46E-Mail: [email protected]: www.nna.de

Schriftleitung: Dr. Marion GunrebenBundesamt für Bergbau, Energie und GeologieBundesverband Boden (BVB)

Prof. Dr. Günter MiehlichUniversität Hamburg, Institut für Bodenkunde

Bernhard SalomonDr. Renate StrohschneiderNNA

Titelbild:Podsol-Bodenprofil bei Hof Möhr (Foto: NNA-Archiv)

ISSN 0935-1450

Gedruckt auf Recyclingpapier (aus 100 % Altpapier).

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Seit ihrer Gründung im Jahr 1982 ist die Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz (NNA) in der Aus- undFortbildung zum Themenbereich Umwelt- und Naturschutz tätig. Neueste wissenschaftliche Erkenntnissewerden hierbei diskutiert und den Praktikern im Rahmen eines Fachdialoges vermittelt. Der Schutz desBodens stand bei der NNA daher auch immer wieder auf dem Programm und war Thema verschiedenerFachseminare und Fachtagungen.

Bereits seit einigen Jahren führen wir nun schon in Kooperation mit dem Bundesverband Boden (BVB)eine jährliche Veranstaltungsreihe zum Bodenschutz durch, für die sich mittlerweile das Oberthema „Bo-denschutz im Spannungsfeld von Umwelt- und Naturschutz“ etabliert hat. Das letzte Fachseminar ausdieser Reihe erfolgte zusätzlich in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geo-logie (LBEG). In dieser Veranstaltungsreihe greifen wir die verschiedenen fachlichen, technischen undrechtlichen Fragen des Bodenschutzes einschließlich ihrer Relevanz für die Umweltbildung auf und bie-ten eine Plattform für den interdisziplinären Erfahrungsaustausch, nicht zuletzt auch als Brücke zwischenWissenschaft und Bodenschutz-Vollzug. Diese Veranstaltungen mit ihren Einzelthemen und Fachdiskus-sionen bilden auch die Grundlage für die vorliegende Publikation.

Die Entscheidung und Prioritätensetzung für eine jährliche Vertiefung dieses Themas mit einer Ver-anstaltungsreihe hat folgenden Hintergrund:

Der Boden mit seinen vielfältigen und lebensnotwendigen Funktionen im Naturhaushalt ist inzwi-schen sowohl national als auch international Gegenstand verschiedener Schutzüberlegungen. Den As-pekten des vorsorgenden und nachhaltigen Bodenschutzes wird daher auch in der Gesetzgebung undbei übergeordneten Strategien zur Nachhaltigkeit verstärkt Rechnung getragen. Dieses gilt beispielsweisefür das Bundesnaturschutzgesetz, das den Schutz des Bodens als Bestandteil des Naturhaushalts behan-delt, aber auch für die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt, die das Bundeskabinett 2007 u.a. mitdem Bodenschutz-Ziel verabschiedet hat, eine gebietstypische, natürlich und historisch gewachsene Viel-falt an Böden langfristig in ihrer natürlichen Funktionsfähigkeit zu erhalten. Diesem Ziel soll durch einegute fachliche Praxis der Bodennutzung Rechnung getragen werden. Zudem hat Deutschland nunmehrseit 10 Jahren ein eigenes Fachrecht zum Schutz des Bodens. Die Bundesregierung hat 1999 mit demBundes-Bodenschutzgesetz das Ziel, die Funktionen des Bodens nachhaltig zu sichern, in einem eigenenFachgesetz verankert. Die Grundlagen zur Bewertung von Böden im Rahmen von Planungs- und Geneh-migungsverfahren werden aus diesem Bundes-Bodenschutzgesetz und der Bundes-Bodenschutz- undAltlastenverordnung abgeleitet.

Jede flächenbezogene Planung beeinflusst im Ergebnis den Boden, seine Entwicklung, seine Lebens-gemeinschaften, seine Funktions- und Leistungsfähigkeit. Mit den rechtlichen Vorgaben zum Boden-schutz wie auch mit den Grundsätzen des Naturschutzes sind Ziele formuliert, die bei allen Planungenund Maßnahmen in der Fläche zu berücksichtigen sind. Um bei Planungsprozessen mögliche Beeinträch-tigungen abschätzen und weitgehend vermeiden zu können, sind Grundkenntnisse über Böden, Boden-funktionen und deren Beeinträchtigungsmöglichkeiten erforderlich. Wesentliches Ziel unserer Veran-staltungsreihe war daher die Information zu den fachlichen und rechtlichen Grundlagen des Boden-schutzes. Wir haben unsere Veranstaltungsreihe 2006 deshalb auch mit einem Schwerpunktthema„Grundlagen des Bodenschutzes in der Raumplanung“ begonnen. Zusätzlich zu diesen Grundlagen desBodenschutzes war und ist für unsere Veranstaltungen aber auch Folgendes relevant:

Die Ziele und Anforderungen des Bodenschutzes konkurrieren im täglichen Verwaltungsvollzug mitsolchen aus anderem öffentlichen Recht. Die Integration des Bodenschutzes in die Alltagsarbeit der Fach-verwaltungen kann in der Praxis leicht von anderen Raumansprüchen und anderen Schutz- und Gefähr-dungsfragen verdrängt werden. In der Gesellschaft erfährt der Boden zudem häufig nach wie vor nureine geringe Wertschätzung. Da die Böden in der Öffentlichkeit und z.T. auch in Planungsprozessen vor-rangig als „Nutzungsfläche“ wahrgenommen werden, d.h. als Baugrund, Rohstofflagerstätte oder z.B.als landwirtschaftlich nutzbare Fläche, stehen oftmals die natürlichen Zusammenhänge und Schutzfunk-tionen des Bodens weniger im Vordergrund. Außerdem hat das Bundes-Bodenschutzgesetz zwar eineneigenen ordnungsrechtlichen Rahmen, verfügt aber nicht über eigene planerische und vorhabensbe-

Vorwort

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zogene Instrumente, um die Ziele des Bodenschutzes durch konkrete Maßnahmen zu operationalisierenund umzusetzen. Die Sicherung und Entwicklung der natürlichen Bodenfunktionen muss also über dieUmsetzungsinstrumente anderer Fachplanungen erfolgen, insbesondere über jene des Naturschutzrech-tes wie Landschaftsplanung, Eingriffsregelung und über den Flächen- und Objektschutz. Aus diesemGrund kommt dem Fachdialog zwischen dem Boden- und dem Naturschutz auch eine ganz besondereBedeutung zu. Außerdem ist es natürlich ein gemeinsames Anliegen beider Fachrichtungen, diegesellschaftliche Wertschätzung für die Funktionen des Naturhaushaltes, einschließlich des Bodens, zuerhöhen. Um insbesondere diesen konstruktiven Dialog zwischen Boden- und Naturschutz zu unterstüt-zen, haben wir in unserer Veranstaltungsreihe immer wieder Themen aus der Schnittmenge dieser Fach-richtungen aufgegriffen.

Für unsere Veranstaltung im Jahr 2007 haben wir das Schwerpunktthema „Der Boden, Stiefkind desNaturschutzes? – Der Schutz des Bodens in der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung“ gewählt,um auch in diesem Zusammenhang die mit der Novellierung zu erwartenden Änderungen im Boden-schutzvollzug zu diskutieren. Die aktuellen Probleme bei der Integration des Bodenschutzes in andereFachplanungen und die Erörterung der Schnittstellen mit anderem öffentlichen Recht war darüber hinausstets ein Schwerpunkt dieser Veranstaltungsreihe. Im Jahr 2008 wurden diese Aspekte dann auch vertieftund mit konkreten Fragen des Verwaltungsvollzuges beider Fachrichtungen verknüpft, d.h. mit der Be-wertung der Bodenfunktionen, Bodenschutzfragen in Naturschutzgebieten, im Zusammenhang mit dernaturschutzrechtlichen Eingriffsregelung und in Verbindung mit der Verfüllung von Abbaustätten. ImJahr 2009 haben wir dann mit der Archivfunktion von Böden, der Rolle von organischen Böden als Kohlen-stoffspeicher und mit den Anforderungen an eine nachhaltige landwirtschaftliche Nutzung drei weitere,fachlich relevante Themen aus dem Bodenschutzbereich aufgegriffen.

Insgesamt wurden somit in unserer Veranstaltungsreihe bereits viele wichtige Themen des Boden-schutzes behandelt, die sich in folgende Themensegmente gliedern lassen: Die notwendige Daten-grundlage des Bodenschutzes, die Bodenfunktionsbewertung, der Schutz von Archivböden sowie aktuelleProbleme des Bodenschutzes, z.B. hinsichtlich des Flächenverbrauches und des Bodenbewusstseins in derGesellschaft. Darüber hinaus haben wir uns aber auch mit den Schnittmengen von Boden- und Natur-schutz und mit den Anforderungen an eine nachhaltige Nutzung der Böden auseinander gesetzt. Inzwi-schen sind auf diese Weise so viele relevante Inhalte zum Bodenschutz zusammengekommen, dass es sinn-voll erscheint, die Ergebnisse dieser Fachveranstaltungen einer breiteren, interessierten Öffentlichkeit zurVerfügung zu stellen. Diesem Ziel dient diese Ausgabe der NNA-Berichte. Die vorliegende Publikationwurde in bewährter Kooperation mit dem Bundesverband Boden erstellt sowie in Zusammenarbeit mitdem Institut für Bodenkunde der Universität Hamburg und dem Landesamt für Bergbau, Energie undGeologie. Hierfür herzlichen Dank seitens der NNA. Die Referentinnen und Referenten der einzelnen Fach-veranstaltungen haben sich bereit erklärt, als Autorinnen und Autoren an dieser Publikation mitzuwir-ken. Ihnen sei an dieser Stelle ebenfalls ganz herzlich gedankt!

Ist denn nun mit dieser Publikation die Veranstaltungsreihe der NNA und des BVB zum Bodenschutzabgeschlossen?

Nein, aus zwei Gründen ist eine Fortsetzung sinnvoll. Einerseits sind noch verschiedene weitere The-men des Bodenschutzes für unsere Veranstaltungsreihe von Bedeutung, gerade unter dem Blickwinkeldes interdisziplinären Erfahrungsaustausches und des Fachdialoges zwischen Wissenschaft und Praxis, zwi-schen Fach- und Vollzugsbehörden. Andererseits ist derzeit deutlich feststellbar, dass die aktuellen undwesentlichen Probleme des Bodenschutzes durch die beherrschenden Themen des Umweltschutzes wieBiodiversität oder Klimawandel verdrängt werden und daher in der öffentlichen Wahrnehmung kaumnoch vorhanden sind. Natürlich ist die Gefährdung der biologischen Vielfalt ein zentral bedeutendesThema genau so wie die Debatte um den sich deutlich abzeichnenden Klimawandel, aber die gesell-schaftliche Aufmerksamkeit wäre natürlich dringend ebenso erforderlich für die aktuellen Probleme desBoden- und Naturschutzes, beispielsweise für die auch in Deutschland nach wie vor gravierend weitervoranschreitende Flächeninanspruchnahme durch Bodenversiegelung.

Also wird es auch im nächsten Jahr eine Veranstaltung der NNA in Kooperation mit dem BVB zumThema „Bodenschutz im Spannungsfeld von Umwelt- und Naturschutz“ geben.

Bernhard SalomonNNA – Hof Möhr29640 Schneverdingen

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NNA-Berichte

22. Jahrgang/2009, Heft 1

Bodenschutz im Spannungsfeld von Umwelt- und NaturschutzEine Veranstaltungsreihe der NNA in Kooperation mit dem Bundes-verband Boden (BVB)

Inhalt

Datengrundlage des Bodenschutzes

Alexander Gröngöft Die Erfassung planungsrelevanter Bodeneigenschaften 5und Günter Miehlich

Wolfram D. Kneib Die Bodenregionalisierung, vom Punkt zur Fläche oder umgekehrt? 11

Bodenfunktionsbewertung

Irene Dahlmann Bewertung von Bodenfunktionen – Aktivitäten der Bund/Länder-Arbeits-gemeinschaft Bodenschutz (LABO) 16

Marion Gunreben Die Berücksichtigung des Bodenschutzes in der Bauleitplanung 22

Ulrich Greiten Die Bewertung der Bodenfunktionen in der kommunalen Praxis 28

Aktuelle Probleme des Bodenschutzes

Marion Gunreben Strategien zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme und Bodenversiegelung in Niedersachsen 35

Heinz-Ulrich Bertram Anforderungen an die Verwertung von Abfällen bei der Verfüllung vonAbgrabungen 39

Günter Miehlich Bodenbewusstsein – ein Schlüssel zur Förderung des Bodenschutzes 48

Bodenschutz und Naturschutz

Wilhelm Breuer Der Schutz des Bodens in der Eingriffsregelung 54

Günter Miehlich Bodenschutz im Naturschutz 62und Stephan Schwank

Schutz der Archivfunktion

Hildegard Nelson Böden als Archive für die Archäologie und Denkmalpflege 70

Günter Miehlich Böden als Archive der Natur- und Kulturgeschichte 76

Anforderungen des Bodenschutzes an eine nachhaltige Nutzung der Böden

Marion Senger Böden nachhaltig nutzen – Landwirtschaft und Bodenschutz 86

Heinrich Höper Die Rolle von organischen Böden als Kohlenstoffspeicher 91

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NNA-Berichte 1/2009

1 Einführung

Böden stellen ein Umweltmedium dar,das aufgrund seiner Bedeutung für dieProduktion von Nahrungsmitteln vonjeher für den Menschen eine besondereBedeutung hatte und in Deutschland in-zwischen durch das BBodSchG (1998) ei-nen besonderen Schutz genießt. Aberauch durch andere Gesetze (z.B. BBauG,BImSchG, BNatSchG, UVPG) mit dem zu-gehörigen Regelwerk wird der Schutzder Böden direkt oder indirekt berück-sichtigt, wobei das Medium Boden da-bei teils mehr hinsichtlich seiner ökolo-gischen Funktion, teils mehr hinsichtlichseiner Nutzbarkeit betrachtet wird.

Die Untersuchung der Böden mitihren Eigenschaften, Entstehungsbedin-gungen, Veränderungsprozessen undihren Bedeutungen im landschaftlichenKontext ist seit langem Aufgabenstel-lung der Bodenwissenschaft, die anzahlreichen Universitäten und Fach-

hochschulen gelehrt wird. Mit demwissenschaftlich-technischen Fortschritthaben die Möglichkeiten zur Untersu-chung wie auch zur Erfassung und Do-kumentation von Bodeneigenschaftenerheblich zugenommen.

Trotz des hohen Wissensstands überdie Böden im Allgemeinen und der kla-ren Zieldefinition des Bodenschutzes inden gesetzlichen Regelungen lässt sichan vielen Stellen ein Umgang mit Bödenbeobachten, der die Frage aufwirft, obBelange des Bodenschutzes hinreichendberücksichtigt wurden. Die Umsetzungvon Eingriffen in die Landschaft und da-mit in der Regel auch in die Böden folgteinem räumlichen Planungsrecht, dassich von der Landesplanung über die re-gionale Raumplanung hin zu den kom-munalen Flächennutzungsplänen undBebauungsplänen immer weiter kon-kretisiert und durch sektorale Fach-pläne (z.B. Landschaftsrahmenpläne)unterstützt wird. In allen Planungsebe-

nen können Belange des Bodenschutzesflächenscharf spezifiziert oder in Formtextlicher Festsetzungen allgemein be-rücksichtigt werden. Da weitverbreitetder Grundsatz nicht hinreichend beach-tet wird, dass Eigentum dem Gemein-wohl verpflichtet ist, und insbesondereauf der kommunalen Ebene nur wenigfachlich ausgebildetes Personal vorhan-den ist, werden bislang die Instrumentezum Bodenschutz nur unzureichendeingesetzt. Zu diesem Defizit trägt einungenügendes Wissen über Böden undihre Eigenschaften ganz erheblich bei.Ziel dieses Beitrags ist es daher heraus-zustellen,� durch welche Merkmale ein Bodenbeschrieben werden kann,� welche dieser Merkmale für die Be-wertung der Schutzwürdigkeit von Bö-den benötigt werden und daher in Pla-nungsprozessen relevant sind,� wie diese Eigenschaften im konkre-ten Fall erfasst oder aus vorhandenenDatenquellen entnommen werden kön-nen und � welche Schritte zu einen Verbesse-rung der Erfassung planungsrelevanterBodeneigenschaften eingeleitet wer-den sollten.

2 Eigenschaften von Böden – ein Überblick

Betrachtet man einen bestimmten Bo-den – der Bodenkundler zieht als kleins-te Bodeneinheit das Pedon mit einerFläche von ca. 1 m2 in Betracht –, so lässtsich dieser je nach Sichtweise und Unter-suchungstechnik mit einer großen Zahlvon Eigenschaften beschreiben. Bei dernaturwissenschaftlichen Herangehens-weise zur Erfassung lassen sich dieMerkmale einteilen in diejenigen, dieam Boden selbst sinnlich oder messenderfasst werden können, und diejenigen,für deren Erfassung ein Labor mit ent-sprechenden Messgeräten vorhandensein muss. Eine weitere Unterteilung istsinnvoll im Hinblick auf die Dynamik,denen die Merkmale im Tages-, Jahres-zeiten- oder langfristigen Verlauf unter-liegen. Da ein Boden aus einer Abfolgevon zwei oder mehr Horizonten mitunterschiedlichen Eigenschaften be-steht, beziehen sich die genanntenMerkmale sogar nicht auf den Boden alsGanzes, sondern nur auf den jeweiligenHorizont. Die Tabelle 1 zeigt beispiel-haft, welche Parameter die Eigenschaf-

Die Erfassung planungsrelevanterBodeneigenschaftenvon Alexander Gröngröft und Günter Miehlich

Schlüsselwörter: Bodeneigenschaften, Bodenfunktionsbewertung, RaumplanungKeywords: soil properties, soil functions, spatial planning

Ort der Erfassung Dynamik der Veränderung

Parameter (Beispiele)

am Bodenprofil hoch-dynamisch

Temperatur – Feuchtigkeit – Anteil und Zu-sammensetzung der Bodenluft – Wasserspan-nung – Geruch – Redoxpotenzial – mikro-bielle Umsatzleistungen

mäßigdynamisch

Farbe – Humusgehaltsstufe – Festigkeit – Ein-dringwiderstand – Gefügeformen und -grö-ßen – Anteil an Wurzeln

stabil Bodenart (Klebrigkeit und Formbarkeit) –Anteil, Größe und Art von Steinen – Konkre-tionen

im Labor anhandvon Proben

hoch-dynamisch

Zusammensetzung der Bodenlösung

mäßigdynamisch

Trockenrohdichte – Porengrößenverteilung –pH-Wert – Anteil und Fraktionen des organi-schen Kohlenstoffs – Nährstoffgehalte –Schadstoffgehalte – Kationenaustausch-kapazität – Basensättigung

stabil Korngrößenverteilung – Mineralzusammen-setzung – Dichte der Partikel – Schadstoffge-halte

Tab. 1: Übersicht primärer Eigenschaften von Bodenhorizonten

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ten eines Bodenhorizonts nach dieserUntergliederung beschreiben können.Dabei ist zu berücksichtigen, dass einTeil nur nominal skaliert ist und die be-grenzte Wahrnehmungsfähigkeit desMenschen auch im Falle eindeutigerRangfolgen nur zu ordinalen Merkmals-abstufungen führt.

Aufgeführt sind dabei nur solche Bo-denmerkmale, die direkt an einem Bo-den erfasst werden können (Primärda-ten). Ausgehend von diesen Primärin-formationen der Horizonte sowie denInformationen über die örtliche Einbin-dung des Profils in die Landschaft sowiedem geschichtlichen Nutzungskontexteines Bodens ist es möglich, zahlreicheEigenschaften des Bodens abzuleiten.Dies betrifft sowohl bodentypologischeEinordnungen als auch Nutzungs- oderFunktionseinstufungen.

Für die Felderfassung von Bodenei-genschaften sind in der Bodenkund-lichen Kartieranleitung (AG Boden2005, international siehe FAO 2006) dieMerkmale und ihre Skalierung defi-niert. Die Aufnahmebögen gliedern sichin a) Titeldaten, in denen z.B. Datum,Koordinaten, Geländehöhe und Bear-beiter zu erfassen sind, b) Daten derAufnahmesituation, in denen z.B. Re-lief, Nutzung und Vegetation erfasstwerden, und c) die Daten der Bodenho-rizonte, in der für jeden Horizont zahl-reiche Primärdaten, aber auch interpre-tierte Daten (Horizont- und Substratbe-zeichnung) eingetragen werden. DieAnwendung der Kartieranleitung (AGBoden 2005) auf allen Kartierungen, beidenen rechtlich relevante Daten benö-tigt werden, ist über die Bodenschutz-verordnung (BBodSchV 1999) im An-hang 1 verpflichtend festgelegt.

3 Planungsrelevanz vonBodeneigenschaften

Anhand der Liste der primären Boden-merkmale (siehe Beispiele in Tab.1) lässtsich nicht erkennen, ob und in welcherForm diese Merkmale für Zwecke derRaumplanung benötigt werden. Dieseskann nur aus den bodenbezogenen Pla-nungszielen abgeleitet werden. Hierzusollen zunächst einige gesetzliche Ziel-vorgaben betrachtet werden. So müs-sen gemäß § 1 (6) BauBG (2008) bei derAufstellung der Bauleitpläne die Be-lange des Umweltschutzes, insbeson-dere auch die Auswirkungen auf den

Boden und dessen Wechselwirkungenzu anderen Umweltmedien berücksich-tigt werden. Außerdem wird in §1a aus-drücklich der sparsame und schonendeUmgang mit dem Boden gefordert undfür die Anwendung der Eingriffsrege-lung nach dem Bundesnaturschutzge-setz festgelegt, dass bei der Abwägungder Leistungs- und Funktionsfähigkeitdes Naturhaushalts auch der Boden zuberücksichtigen ist. Im § 2 des Gesetzesüber die Umweltverträglichkeitsprü-fung (UVPG 2008) wird bestimmt, dassbei der Durchführung einer Umweltver-träglichkeitsprüfung der Boden einesder zu betrachtenden Schutzgüter dar-stellt und ebenfalls Wechselwirkungenzu berücksichtigen sind. In den Grund-sätzen des Naturschutzes und der Land-schaftspflege (§ 2 BNatSchG 2008) wirdfestgelegt: „Die Ziele des Naturschutzesund der Landschaftspflege sind ins-besondere nach Maßgabe folgenderGrundsätze zu verwirklichen … Bödensind so zu erhalten, dass sie ihre Funk-tionen im Naturhaushalt erfüllen kön-nen. … Für nicht land- oder forstwirt-schaftlich oder gärtnerisch genutzteBöden, deren Pflanzendecke beseitigtworden ist, ist eine standortgerechteVegetationsentwicklung zu ermög-lichen. Bodenerosionen sind zu vermei-den.“ Es wird deutlich, dass die zitiertenZielvorgaben nur grundsätzlich auf denBoden und seine Leistungen und Funk-tionen im Naturhaushalt abstellen,ohne dieses zu konkretisieren. Dieses er-folgt im Gesetz zum Schutz vor schäd-lichen Bodenveränderungen und zurSanierung von Altlasten (BBodSchG1998), das zum Ziel hat (§1), „nach-haltig die Funktionen des Bodens zusichern oder wiederherzustellen. Hierzusind schädliche Bodenveränderungenabzuwehren, … und Vorsorge gegennachteilige Einwirkungen auf den Bo-den zu treffen …“. Dabei wird definiert,dass der Boden folgende Funktionen imSinne des Gesetzes erfüllt: „1. natürliche Funktionen als

a) Lebensgrundlage und Lebens-raum für Menschen, Tiere, Pflanzen undBodenorganismen,

b) Bestandteil des Naturhaushalts,insbesondere mit seinen Wasser- undNährstoffkreisläufen,

c) Abbau-, Ausgleichs- und Aufbau-medium für stoffliche Einwirkungen aufGrund der Filter-, Puffer- und Stoffum-wandlungseigenschaften, insbesondere

Gröngröft /Miehlich – Die Erfassung planungsrelevanter Bodeneigenschaften

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auch zum Schutz des Grundwassers,2. Funktionen als Archiv der Natur- undKulturgeschichte sowie3. Nutzungsfunktionen als

a) Rohstofflagerstätte,b) Fläche für Siedlung und Erholung,c) Standort für die land- und forst-

wirtschaftliche Nutzung,d) Standort für sonstige wirtschaft-

liche und öffentliche Nutzungen, Ver-kehr, Ver- und Entsorgung.“

Zwar greifen die Bestimmungen desBBodSchG nur insofern, als andere Ge-setze die schädlichen Einwirkungen aufden Boden nicht regeln (Subsidaritäts-klausel § 3); da allerdings in anderen Ge-setzen die Funktionen der Böden nichtdefiniert sind, hat das BBodSchG hierfüreine deutliche Ausstrahlungswirkung(siehe Kommentar bei Holzwarth et al.2000) entwickelt (Miehlich et al. 2003).Entsprechend greifen bei der funktio-nalen Bewertung von Böden die meistenin den Ländern entwickelten Verfahren(z.B. Hochfeld et al. 2003, Übersichtsiehe Ad-hoc AG Boden 2007) die imBBodSchG genannten Funktionen auf,wobei i.d.R. eine Begrenzung auf dienatürlichen und die Archivfunktionenerfolgt, da für die Umsetzung von Nut-zungsfunktionen eine Reihe andererRegelungen greifen und hierbei diemöglichen Konflikte mit den natür-lichen und Archivfunktionen abzuwä-gen sind. Aus dieser Situation kann ab-geleitet werden, dass planungsrelevantmindestens alle Bodenparameter sind,anhand derer die im Gesetz genanntenFunktionen beurteilt werden können.

Für die Beurteilung von Böden hin-sichtlich ihrer Bedeutung und damitWertigkeit für die gemäß BBodSchG zuschützenden Funktionen wurden fürdie Planungspraxis Ableitungsverfah-ren entwickelt, die über mehrere Stufenzu einer integrierten Bewertung kom-men (Schema siehe Abb. 1). Zunächstwerden die gesetzlich formulierten Bo-denfunktionen in Form von Teilfunktio-nen untergliedert, für die sich Kriterienzur Beurteilung finden lassen. Beispiels-weise kann aus der sehr weit gefass-ten Ausgleichsfunktion gemäß §1.1cBBodSchG die Teilfunktion „Ausgleichs-medium für stoffliche Einwirkungen aufGrund der Filter- und Puffereigenschaf-ten für Schwermetalle“ definiert wer-den. Die so beschriebene Eigenschaftdes Bodens deckt nur einen Teil der ge-setzlich zu schützenden Funktionen ab

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Gröngröft /Miehlich – Die Erfassung planungsrelevanter Bodeneigenschaften

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und erst durch weitere Teilfunktionenist es möglich, die gesetzlich weit defi-nierte Bodenfunktion abzudecken. Fürdas genannte Beispiel der Teilfunktionlässt sich ein Kriterium finden, dessenErfüllungsgrad über die Bedeutung desBodens im Hinblick auf diese Teilfunk-tion entscheidet: „Fähigkeit zur Bin-dung von Schwermetallen“. Für diesesKriterium liegen Verfahren vor, anhandderer aus primären Bodeneigenschaf-ten eine Quantifizierung für verschie-dene Schwermetalle möglich ist (siehez.B. Blume et al. 1998). In diesen Ver-fahren ist anhand von Verknüpfungsre-geln festgelegt, wie die primären Bo-denmerkmale (hier insbesondere Bo-denart, pH-Wert, Anteil an Humus) zugewichten und verknüpfen sind, damitdie Bindungsfähigkeit für einen kon-kreten Boden bestimmt und die so er-zielten Werte in Wertstufen umgesetztwerden können. Festzulegen ist dabeiauch der Tiefenbezug, d. h. die Frage, biszu welcher Tiefe eine Speicherung vonSchwermetallen zu betrachten ist (z.B.nach BBodSchV vorgeschriebene Tiefe,bis ein Meter Tiefe oder bis zum Grund-wasserhöchststand). Die erzielten Wert-stufen für die Teilfunktionen könnenplanerisch mit verschiedenen Verfahrenintegriert werden (Balla et al. 2008) undfließen so abschließend in die Abwä-gung der unterschiedlichen Belange ein.

Der in Abb. 1 gezeigte Ablauf ver-deutlicht, dass das Wissen über die Bo-

deneigenschaften im Zentrum der Bo-denfunktionsbewertung steht. Plane-risch relevant sind daher die Merkmale,die bei den Ableitungen von Boden-funktionen in den Bewertungsverfah-ren benötigt werden. Ein Katalog der inden Bundesländern entwickelten Me-thoden zur Bewertung der Bodenfunk-tionen wurde durch die Ad-Hoc-AG Bo-den (2007) erstellt. Darin werden fürjede Methode ‚bewertungsrelevanteEinflussgrößen/-komplexe‘ aufgeführt,die bekannt sein müssen, wenn dieMethode angewendet werden soll. Ausdem Katalog wurden für die Boden-funktionen des BBodSchG die Einfluss-größen in Tab. 2 zusammengestellt, wo-bei für jede Bodenfunktion sowohl alleTeilfunktionen wie auch alle der zu-sammengestellten Methoden betrach-tet wurden. Den Größen wurde zuge-ordnet, aus welchen Quellen sie in derRegel stammen. Es wird deutlich, dass essich bei den Einflussgrößen bzw. -kom-plexen teilweise um die beispielhaft inTab. 1 aufgeführten Primärmerkmale,in vielen Fällen aber bereits um abgelei-tete Größen, für deren Bestimmung Ab-leitungsfunktionen zur Verfügung ste-hen müssen, handelt. Für die Ableitungzahlreicher Größen gibt Hennings(2000) die Verfahren an, wobei auchhierfür wieder eine Reihe von Primär-daten vorhanden sein muss.

Zusammenfassend ergibt sich, dassfür die Anwendung von Verfahren der

Bodenfunktionsbewertung die primärbei Bodenkartierungen erhebbarenMerkmale in einer großen Breite zurVerfügung stehen sollten und dass fürdie Bewertung der Lebensraum- und Ar-chivfunktion insbesondere auch solcheInformationen relevant sind, anhandderer sich die anthropogene Überprä-gung bzw. die Seltenheit der Böden be-urteilen lassen. Diese Informationen las-sen sich z.T. aus der Nutzungsgeschichteeiner Fläche ableiten. Zu Besonderhei-ten der Beurteilung der Archivfunktionvgl. den Beitrag G. Miehlich „Böden alsArchive der Natur- und Kulturge-schichte“ in diesem Heft.

Auch wenn die Bewertung von Bo-denfunktionen nach einheitlichen Maß-stäben vorgenommen wird, darf nichtübersehen werden, dass in jeder Stufedes Ableitungsverfahrens erheblicheFehlerquellen enthalten sind (Miehlich2006), deren Einfluss bei einer Beurtei-lung berücksichtigt werden sollten. Diebei den Verfahren prinzipiell nicht ver-meidbaren Fehler nehmen mit unzu-länglicher Datenbasis erheblich zu.

4 Erfassbarkeit und VerfügbarkeitplanungsrelevanterBodeneigenschaften

Die Größe der zu beplanenden Fläche,genauer eigentlich die Irrtumswahr-scheinlichkeit des Bewertungsergebnis-ses bezogen auf die Einzelflächen, ent-scheidet im konkreten Planungsfallüber die Art der benötigten Bodenda-ten. Bei kleinmaßstäbigen Bodenbe-wertungen, z.B. für die Aufstellung ei-nes Regionalplans, können Bodenmerk-male nur mittels Bodenkarten regiona-lisiert werden, wobei die Einzelmerk-male den Karteneinheiten zugeordnetwerden müssen und eine gegenüberder Bodenkarte differenziertere Dar-stellung nur mittels anderer Karten-werke – z.B. einer Biotop-, Nutzungs-oder Reliefkarte – möglich ist (vgl.hierzu den Beitrag W. Kneib „DieBodenregionalisierung, vom Punkt zurFläche oder umgekehrt?“ in diesemHeft). Bei großmaßstäbigen Bewertun-gen, z.B. für die Erstellung eines Um-weltberichts im Rahmen der Bauleitpla-nung, ist eine an Flurstücken oder Nut-zungseinheiten angepasste Geometrieder zu bewertenden Flächen sinnvoll,für die spezifische Bodeninformationenbenötigt werden. Die VerfügbarkeitAbb.1: Stellung von Bodenparametern bei der planerischen Bewertung von Bodenfunktionen

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Gröngröft /Miehlich – Die Erfassung planungsrelevanter Bodeneigenschaften

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Bewertungsrelevante Einflussgrößen und -komplexe

Lebensraum undLebensgrundlagefür Menschen,Tiere, Pflanzenund Bodenorga-nismen

Bestandteil desNaturhaushalts,insbesondere auch mit seinenWasser- undNährstoffkreis-läufen

Abbau-, Aus-gleichs- und Auf-baumedium fürstoffliche Einwir-kungen auf Grundder Filter-, Puffer-und Stoffum-wandlungseigen-schaften, insbe-sondere auch zumSchutz des Grund-wassers

Archiv der Natur- und Kulturgeschichte

BiotoptypCarbonatgehaltFlurabstandGeomorphologieGründigkeit/VerdichtungGrundwasser/Stauwasser/ÜberschwemmungHangneigungHumusformHumusgehaltsstufeHydromorphieNutzungBodenart, TongehaltTrockenrisseVersiegelung/VerdichtungBodentypErhaltungsgrad, Naturnähe, HemerobieHorizontierungSubstratabfolgeÜberprägungAustauschhäufigkeit des Bodenwassersbodenchemische ProzesseGrundwasserdruckverhältnisseInfiltrationsvermögenKAKpotkapillarer Aufstiegkf-WertMineralisierungspotenzialNFKpotenzielle NährstoffgehalteSickerwassermengeSpeicherkapazitätStandörtliche FeuchtestufeVerwitterungsrateWasserhaushaltsstufenWeBodenzahlKlassenzahlKlimaNiederschlagNutzungsgeschichteSeltenheit / regionaler FlächenanteilStamm-FruchtbarkeitszifferVerdunstungpHGehalt an organischer Substanzphysikochemische EigenschaftenExpertise

Tab. 2: Übersicht von Einflussgrößen und -komplexen, die für die Bewertung von Bodenfunktionen relevant sind (aus Ad-Hoc-AG Boden 2007)

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von Bodeneigenschaften in Bodenda-tenbanken und Kartenwerken der Bo-denschutzbehörden ist stark vom zubearbeitenden Maßstab abhängig. Ge-mäß der Recherche von Planungs-gruppe Ökologie + Umwelt (2003) undFroelich & Sporbeck (2006) kann zurVerfügbarkeit bodenkundlicher Karten-grundlagen festgestellt werden:� Für die obere Planungsebene (Maß-stab � 1:100.000) ist die analoge unddigitale Datenverfügbarkeit verhältnis-mäßig gut. Sie wird von der Boden-übersichtskarte (BÜK) im Maßstab1:200.000 bestimmt, die mittelfristigflächendeckend für die BRD vorliegt.� Für die mittlere Planungsebene istdie derzeitige Datenlage unbefriedi-gend. Die Standardkartenwerke sinddie Bodenkarte oder Bodenübersichts-karte in den Maßstäben 1:50.000 oder1:25.000. Welches der beiden Karten-werke längerfristig vervollständigtwird, ist länderspezifisch unterschied-lich und aufgrund des Personalabbausbei den bodenkundlichen Diensten derLänder nicht absehbar.� Für die untere Planungsebene (Maß-stäbe � 1:10.000) liegen lediglich inNiedersachsen, Sachsen-Anhalt undNordrhein-Westfalen in nennenswer-tem Umfang Karten vor.

Für die Verfügbarkeit bodenkund-licher ‚Punktinformationen’, d.h. vonprimären horizont- und profilbeschrei-benden Daten, stellt sich die Situationebenfalls sehr heterogen dar. SoweitBodenkarten vorhanden sind, könnenvon den datenhaltenden Behördenauch Beschreibungen der Kartenlegen-den erhalten werden, Allerdings sinddie planungsrelevanten Bodenmerk-male nicht immer verfügbar. Häufigsind in allen Maßstabsebenen die fol-genden Eigenschaften erhältlich: Aus-gangsmaterial der Bodenbildung, Bo-dentyp, Substratabfolge, Bodenart desFeinbodens, Horizontierung, Torfhori-zontierung, Torfart, Zersetzungsstufe,Carbonatgehalt/Kalkmenge im Profil,hydromorphe Merkmale, Humusgehalt/Humusmenge, mittlerer Grundwasser-stand, Feldkapazität (FK), nutzbareFeldkapazitäten (nFK), Wasserdurchläs-sigkeit. Dagegen können nur selten In-formationen über Hemerobiestufen,Naturnähe eines Bodens, Repräsentanz,Seltenheit und Hintergrundgehalt so-wie Belastungen des Bodens mit orga-nischen oder anorganischen Schadstof-

Gröngröft /Miehlich – Die Erfassung planungsrelevanter Bodeneigenschaften

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fen den Karteneinheiten zugeordnetwerden. Wichtige Primärdaten wie z.B.pH-Werte, Wasserleitfähigkeit und Mi-neralisierungspotenzial des Bodens lie-gen für die untere Planungsebene nur in mittlerer Häufigkeit vor. Außer derMöglichkeit, die Karteneinheiten überrepräsentative (?) Primärdaten zu spezi-fizieren und damit bewerten zu kön-nen, liegen in den Bodenschutzbehör-den ebenfalls Bodenprofildaten vor, de-ren räumliche Verteilung wie auchderen parametrische Breite jedoch sehrungleichmäßig ist. Für den Einzelfall ei-ner Bodenbewertung muss daher dieVerfügbarkeit abgefragt werden. Beider Planung einer großmaßstäbigen Bo-denbewertung sollte daher vorsorglichdavon ausgegangen werden, dass keineoder nur unzulängliche Daten verfüg-bar sind und diese daher mittels Kartie-rungen zu erheben sind.

In der Anwendungspraxis von Bo-denfunktionsbewertungen ist es häufigvorteilhafter, in der unteren Planungs-ebene auf die z.T. langwierige Beschaf-fung von Primärdaten aus bestehendenDatenbanken zu verzichten und die be-nötigten Daten direkt zu kartieren.Durch diese Praxis kann auch von vorn-herein sichergestellt werden, dass allebenötigten Parameter auch von allen zu bewertenden Teilflächen vorliegenund daher die Umsetzung der Bewer-tungsmethoden nicht an den teilweisefehlenden Daten scheitert. Für die Ver-teilung von Bohrpunkten bei der Di-rekterhebung (Kartierung) liegen Vor-schriften vor, die sich zunächst an derGeometrie von Flurstücken orientieren,wobei einerseits benachbarte Flur-stücke bei gleicher Nutzung und Nut-zungsgeschichte zusammengefasst wer-den können und andererseits Flurstückebei erkennbarer Binnendifferenzierungweiter aufgeteilt werden (Hochfeld etal. 2002, Grabowsky et al. 2008). Durcheine Vorschrift, bei der die Bohrpunkt-dichte mit der Flächengröße abnimmt,kann sichergestellt werden, dass auchvon relativ kleinen Teilflächen eine hin-reichend hohe Informationsdichte vor-liegt, die die Anwendung der Metho-den der Bodenfunktionsbewertung er-möglicht, und gleichzeitig bei großen,vergleichsweise homogenen Teilflächender Bearbeitungsaufwand überschau-bar bleibt. Soweit der Planer anhandder Auswertung der Vorinformationeneine Konzeptkarte erstellt und die for-

malen Voraussetzungen für die Kartie-rung erfüllt sind (Betretungserlaub-nisse, ggf. Befreiungen von Schutzver-ordnungen, Freigabe durch Kampf-mittelräumdienst und Abstand derBohrpunkte von Rohr- und Leitungs-trassen sichergestellt), hält sich die Er-fassung der planerisch relevantenBodeneigenschaften nach den in derBodenkundlichen Kartieranleitung ge-nannten Methoden in einem über-schaubaren Arbeitsumfang. Betrachtetman die hohe Bedeutung der Parameter„Humusgehalt“ und „pH-Wert“ inner-halb der Bewertungsmethoden, die Un-sicherheiten bei der Feldansprache bei-der Variablen und die leichte analyti-sche Bestimmbarkeit, so sollten beideWerte wenigstens für die Oberbödengemessen werden.

5 Zusammenfassung

Für die sachgerechte Prüfung von Ein-griffen in den Boden in der Anwendungder gesetzlichen Regelungen steht einbreites Instrumentarium an Verfahrenfür die Planungspraxis zur Verfügung.Die Verfahren greifen auf bodenkund-liche Primärdaten zurück, die für die zu beurteilende Fläche in inhaltlicherBreite und räumlicher Differenziertheitvorliegen sollten und deutlich über einebodensystematische Einstufung hinaus-gehen. Über moderne Datenbanken istgrundsätzlich ein schneller Zugriff aufdie benötigten Informationen möglich,allerdings scheitert dies in der Praxishäufig an der zu geringen Datendichtein amtlichen Beständen, z.T. auchdaran, dass die Daten inzwischen veral-tet sind. Hier zeigt sich, dass der massiveAbbau des Fachpersonals in den boden-kundlichen Fachdiensten der Länder inkrassem Gegensatz zu dem aus den Ge-setzen abzuleitenden Bedarf steht. Esbleibt zu hoffen, dass unter Einschlussvon Ingenieurbüros und der universitä-ren Fachinstitute die Datenbanken wei-ter ausgebaut werden können.

Summary

In Germany, the soils are protected fromdegradation of soil functions by nume-rous legal regulations. Within article 2 ofthe Federal Soil Protection Act the func-tions are defined, which have to be pro-tected from harmful changes. For plan-ning purposes, these functions have to

Page 11: Muster f. Umbruch

Gröngröft /Miehlich – Die Erfassung planungsrelevanter Bodeneigenschaften

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be assessed in a sufficient spatial resolu-tion. In general, the federal states envi-ronmental agencies allocate data aboutregional distribution (maps) of soil unitsand properties. Nevertheless, requestsabout existing data revealed that mapscovering a large area are existing only insmall scales (� 1:100.000) and the know-ledge about soil properties on the localscales are restricted with regard to num-ber of profiles and variables. For the as-sessment of natural soil functions andfunctions as an archive a large numberof soil variables including texture, bulkdensity, carbonates, root density, humustype and content, hydromorphic featu-res as well as site properties (habitattype, land use, slope and others) areneeded. Using agreed upon pedotrans-fer functions, from these data a numberof secondary soil properties can bederived. For the purposes of local soilfunction assessments, a survey of soilproperties using existing standards hasbeen approved. Regarding the demandon local data to fulfill legal require-ments on the one-hand side and the re-duction of professional soil survey per-sonnel within the states soil protectionauthorities on the other side there arechallenging options to improve officialdata banks through consultancies anduniversity institutes.

Literatur

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Anschrift der Verfasser

Dr. Alexander GröngröftProfessor Dr. Günter MiehlichInstitut für Bodenkunde der UniversitätHamburgAllende-Platz 220146 HamburgE-Mail: [email protected]

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NNA-Berichte 1/2009

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1 Einleitung

Kleinste räumliche Ausschnitte aus derBodendecke sind Pedons im boden-kundlichen Sinne, die an Bodenprofilenuntersucht und als Punktinformationangesehen werden. Stoffbestand undStoffanordnung werden sinnvoll untergenetischen und/oder funktionalen Ge-sichtspunkten klassifiziert. Die räumli-che Ausstattung der Pedons wird dabeiim Allgemeinen als punktförmige Infor-mation einer bestimmten Fläche be-trachtet und entsprechend gruppiertund/oder generalisiert. Unter Regionali-sierung wird die Übertragung des amProfil ermittelten Typs auf die benach-barte Fläche verstanden, deren Ausdeh-nung durch die Verbreitung der den Typbestimmenden Merkmale und durchderen Spannweiten bestimmt wird.

Da Böden als Ergebnis der bodenbil-denden Faktoren in Raum und Zeit de-finiert sind, müssen Stoffbestand undStoffanordnung direkt und signifikantmit der räumlichen Verbreitung dieserFaktoren korrelieren. Das heißt analog,der am „Punkt“ wirkende Faktoren-komplex ist in dem Maß auf die ihn um-gebende Fläche übertragbar, wie sichdie Wirkung der Faktoren innerhalb derdefinierten Klassen nicht maßgeblichändert.

Wer also Böden regionalisierenmöchte, kann dies auch über die räum-liche Differenzierung und Klassifizie-rung der bodenbildenden Faktoren tun.Es bedarf dann der „Punktinformation“zur Eineichung und Zuordnung zu einerräumlichen Einheit, zum Beispiel einerKartiereinheit. Die Ausdehnung der je-weiligen Fläche wird damit gleicherma-ßen durch die Art der Klassenbildung,bezogen auf die Genese und/oder Funk-tion, und die räumliche Variabilität derbodenbildenden Faktoren bestimmt.

Da sich die Beschreibung der Bödender direkten visuellen Erfassung ent-

zieht, ist es mit vertretbarem Aufwandunmöglich, die Merkmalsausstattungder Böden insgesamt zu erfassen. DieRegionalisierung bedient sich daher desgeschilderten Sachzusammenhangs undkonzentriert sich auf die räumliche Dif-ferenzierung der bodenbildenden Fak-toren. Man kann in der Konsequenz auchformulieren, dass eine Regionalisierungvon Böden nur dort sinnvoll und möglichist, wo die räumliche (flächenhafte) Ver-breitung von Klima, Substrat und Reliefsowie der Vegetationsdecke und desÜberformungsgrads durch den Men-schen unzweifelhaft bekannt ist. Es stelltsich damit durchaus die Frage, ob dieRegionalisierung nicht besser von diesenFlächen gleicher Ausstattung mit boden-bildenden Faktoren ausgeht und auf diean einem Ort (Punkt) mit hoher Wahr-scheinlichkeit zu erwartende Boden-form oder ihre bodenkundliche Funk-tionalität schließt, also den Titel besserumkehrt: Von der Fläche zum Punkt?

Entscheidend für die Richtung derVorgehensweise sind die Fragestellungund die Größe des Aussageraums.

Beim Bodenschutz in der Raumpla-nung handelt es sich um die Umsetzungbodenkundlicher Sachverhalte in Be-wertungen und deren Regionalisierungim mittelmaßstäbigen Bereich. Es wirdim Folgenden zu klären sein, welchesAusmaß die kleinräumige Variabilitätvon Böden hat, welche Rolle dabei diejeweilige Klassenbildung einnimmt undwie sich aus Faktorenkomplexen Regio-nalisierungen erfolgreich im Sinne vonpraxisrelevanten Fragestellungen, wiez.B. der nachhaltigen Bodenschutzpla-nung, bewerkstelligen lassen.

2 Ergebnisse von grundlegendenUntersuchungen zur Variabilitätvon Böden

Auf der Grundlage einer Vielzahlvon Einzeluntersuchungen im Raster

und an Sequenzen, zum Teil mit einerAuflösung unterhalb von 5 m, sind fol-gende Aussagen zu machen, die sich ge-nerell in einer Vielzahl von bodenkund-lichen Kartierungen im In- und Auslandin den letzten zwanzig Jahren bestätigthaben.

Eine dem Subtyp-Niveau entspre-chende Kartiereinheit im holsteinischenHügelland ist in 50% der Fälle bereitsnach etwa 40 m zu Ende, in der Geestsind es 90 m, bei Bodenklassen in derenglischen Bodenkartierung liegen dieGrenzabstände zwischen 200 und 400 m(Details siehe Kneib 1989). Wenn alsoein Subtyp eine bestimmte Funktiona-lität vertritt, dann darf zur ausreichen-den räumlichen Absicherung und pla-nerischen Umsetzung unter Umständenein Kartierabstand von 40 m im Rasternicht überschritten werden.

Diese Ergebnisse beziehen sich auf den weitgehend unüberformtenAußenbereich. In suburbanen und ur-banen Planungsräumen gelten nacheiner Vielzahl von Untersuchungen desArbeitskreises Stadtböden (AKS) derDeutschen Bodenkundlichen Gesell-schaft (DBG) folgende Regelhaftigkei-ten (siehe AKS 1996) in Bezug auf die Di-versität (Zahl der Klassen) und Variabi-lität (Zahl der räumlichen Einheiten):� Mit zunehmender Überformung desNaturraums durch den Menschennimmt die Diversität ab und die Variabi-lität vom Stadtrand in Richtung City zu-nächst zu. Das heißt, die größte Vielfaltder Böden existiert im verdichtetenSiedlungsraum.� In der Kernstadt (z.B. von Hamburg)nehmen die Diversität und die Variabi-lität jedoch wieder ab.� Die Grenzabstände des verdichtetenSiedlungsraums können im Durch-schnitt um den Faktor 1,7 kleiner sein alsim Außenbereich.

Vier Beispielgebiete (Grundkarten)mit zunehmendem Stadtgradientenweisen dabei in Bezug auf einzelneMerkmale eine deutliche Differenzie-rung auf, die auf einer Mischung vonnatürlich ererbten und durch Überfor-mung erworbenen Merkmalen besteht.Das GK-Blatt Bostelbek liegt am Stadt-rand von Hamburg, Wilhelmsburg giltals Siedlungsraum mittlerer Verdich-tung, Wandsbek als innerstädtisch undHamm rechnet zur Kernstadt.

Für Hamburg gilt auf der Grundlagevon intensiven Bodenkartierungen

Die Bodenregionalisierung, vom Punktzur Fläche oder umgekehrt?von Wolfram D. Kneib

Schlüsselwörter: Regionalisierung der Böden, Bodenbildende Faktoren, Boden-kartierung, BodenschutzplanungKeywords: regionalization of soils, factors of soil formation, soil survey, soilconservation planning

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(über 2500 statistisch repräsentativerProfilbeschreibungen), dass die Kern-stadt zu 96% aus Auftragsböden auf-gebaut ist, die steinreicher, sandigerund humusärmer als in anderen Stadt-gebieten sind. Die natürliche Prägungdes Geest-Standorts Bostelbek schlägtin den Daten ebenso durch wie die desElbmarsch-Standorts Wilhelmsburg.

Fazit: Die kleinräumige Variabilitätvon Böden verlangt zum Teil Profildich-ten, die im Verwaltungsvollzug des vor-sorgenden Bodenschutzes in der Regelnicht bezahlt werden. Eine Vereinfa-chung der Regionalisierung möglichstohne Qualitätsverlust ist deshalb unab-dingbar.

3 Ergebnisse zur Regionalisierungdurch Faktoren derBodenbildung

Die Auswertung der Profile hinsichtlichdes bodenbildenden Faktors „Überfor-mung durch den Menschen“, räumlichabgegrenzt durch die Realnutzung(Typisierung nach AKS 1987) führt indem obigen Projekt zu folgenden Er-gebnissen:� Für Flächen gleicher Realnutzungkann ein dominierender Typ oder eineKlasse (das heißt, mehr als 50% der Pro-file gehören diesem Typ oder dieserKlasse an) mit einer Wahrscheinlichkeitvon 65–74% erwartet werden. Wird einüberwiegend dominierender Typ erwar-

tet (das heißt, mehr als 70% der Profilegehören einem Typ oder einer Klassean), dann ist dies für 48–55% der Real-nutzungstypen der Fall. Diese Spanneder Wahrscheinlichkeiten bezieht sichauf die Substrattypen (mit 10 Typen)und die Bodensubtypen (mit 9 Typen)bzw. die Klassen der Eignung als Pflan-zenstandort (9 Klassen).� Komplexere Auswertungen der Pro-file wie die potenzielle Sickerwasserrate(3 Klassen) oder Immobilisierungskapa-zität für Cadmium (5 Klassen) sind überden Realnutzungstyp deutlich schlech-ter zu regionalisieren. Wird ein domi-nierender Typ (> 50%) dieser Funktio-nen erwartet, ist das (trotz der geringenZahl von Klassen) nur für 56–60% derRealnutzungstypen der Fall.

Eine deutlich bessere Regionalisie-rung kann man erreichen, wenn manstatt der Realnutzung den Nutzungs-wandel als „bodenbildenden Faktor“benutzt. Aus Chronologien der Topo-graphischen Karte 1:25.000 und histori-schen Karten sind in Norddeutschland inder Regel folgende Nutzungswandel-Typen ableitbar (Tab. 2).

Fazit: Diese Gruppierung hat sich be-sonders bewährt bei der Ausweisungvon Verdachtsflächen mit schädlichenBodenveränderungen und von schutz-würdigen Flächen im Sinne des vorsor-genden Bodenschutzes besonders auchder Archivfunktion. Die Wahrscheinlich-keit, über eine solche Regionalisierung

zu einer besseren Erfassung der Bödenmit weniger Aufwand und zu einer pra-xisorientierten Bewertung zu kommen,steigt mit dieser Gruppierung erheblich.

Als weitere – meist auch digitalzugriffsfähige – Flächeninformationenbieten sich digitale Geländemodelleoder einfache morphologische Typisie-rungen und die Substratdaten derReichsbodenschätzung (RBS) an (sieheKneib 1989).

Die Wahrscheinlichkeit, aus den Vor-informationen Relief, Bodenart undNutzungswandel bzw. Vorflutdichte aufdie maßgebliche Bodenvergesellschaf-tung zu schließen, gibt die folgendeTabelle 3 wieder. Die Daten der Ta-belle 3 sind im schleswig-holsteinischenGroßnaturraum Geest gewonnen wor-den.

Fazit: Die Wahrscheinlichkeit ausden Vorinformationen, die richtige Bo-dengesellschaft und den überwiegen-den Typ/Subtyp zu bestimmen, liegtzwischen 74 und 100%, der Kartierauf-wand vermindert sich beträchtlich und

Kneib – Die Bodenregionalisierung, vom Punkt zur Fläche oder umgekehrt?

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Tab. 1: Stadtgradienten ausgewählter Merkmale in Hamburg (Kneib & Braskamp 1990).

Kartiergebiete Skelettgehalt (in Vol.%) Tongehalt (Gew. %)

Bostelbek 4,1 4,0

Wilhelmsburg 5,4 11,8

Wandsbek 19,1 7,5

Hamm 18,0 9,5

Alle Auftragsböden (%)Reine Auftragsböden (%)

(Y bis 2 m)

Bostelbek 22,6 14,6

Wilhelmsburg 57,7 20,6

Wandsbek 94,2 60,8

Hamm 95,8 74,6

Humusgehalte des 1. Horizonts

< 2% 2–4% > 4%

Bostelbek 64 21 15

Wilhelmsburg 8 33 59

Wandsbek 21 51 28

Hamm 23 60 17

Tab. 2: Ableitbare Nutzungswandeltypen(Kneib & Schemschat 2004, 2006)

Wichtige Nutzungswandeltypen Nr.

Wald, älter als ca. 200 Jahre 1

Grünland, älter als ca. 200 Jahre 2

Wald, jünger als ca. 200 Jahre,vorher Grünland 3

Wald, jünger als ca. 200 Jahre,vorher Acker 4

Grünland, jünger als ca. 200Jahre, vorher Acker 5

Acker, jünger als ca. 200 Jahre,vorher Grünland 6

Acker, älter als ca. 200 Jahre 7

Grünanlagen 8

Neuere offene Siedlungsbebau-ung (nach ca. 1955) 9

Ältere offene Siedlungsbebau-ung (vor ca. 1955) 10

Neuere dichte Siedlungsbebau-ung (nach ca. 1955) 11

Ältere dichte Siedlungsbebau-ung (vor ca. 1955) 12

Neuere Gewerbeflächen 13

Neuere Industrieflächen 14

Ältere Industrie- und Gewerbe-flächen 15

Neuere Entsorgungsflächen 16

Ältere Entsorgungsflächen 17

Page 14: Muster f. Umbruch

die planungsrelevanten räumlich flä-chenscharfen Bewertungen verbessernsich erheblich.

Wenn man diesem Ansatz der Land-schaftsgliederung folgend das Land inüber 30 Kleinnaturräume unterteilt,dann ist zum Beispiel eine Regionalisie-rung der Pedofunktion „PflanzlicheProduktion“ in einer Güte möglich, diemit der Qualität der Bewertung der RBSvergleichbar ist (Details in Kneib &Schroeder 1984).

Die Bewertung erfolgt über den Ge-treideertrag des Kleinnaturraums ausüber 20 Jahren (nach Unterlagen desBuchführungsverbands aus den Jahren1955 bis 1975) – jeweils vergleichbar ge-macht, indem der Kleinnaturraum mitdem Höchstertrag eines Jahres gleich100% gesetzt wurde. Maximal- und Mi-nimalwerte sowie die erwartbare Er-tragssicherheit für den Getreideertragsind dadurch ablesbar. Da die ackerbau-liche Nutzung in jedem Kleinnaturraumauf wenige dominante Subtypen be-grenzt ist, ergibt sich ein Rückschluss aufdie natürliche Fruchtbarkeit dieser Bö-den und ihre räumliche Verteilung.

Die Ergebnisse lassen sich wie folgtzusammenfassen:� Kleinnaturräume mit Höchsterträgenvon Getreide sind Fehmarn, OldenburgNordost mit den so genannten „Fehma-raner Schwarzerden“ (85–100%), die

Probstei mit nährstoffreichen Pseudo-gleyen (80–95%) sowie an der West-küste in Norderdithmarschen die Kalk-marschen (85–100%).� Minimale Ertragspotenziale für Ge-treide finden sich auf den Knick-marschen in der Seestermühermarsch (65–75%) und in der „Niederen Geest“Neumünster-Nortorfs vornehmlich mitnährstoffarmen Braunerde-Podsolenund vereinzelt auch Parabraunerde-Pseudogleyen (50–70%).

Will man den über die Vorinforma-tionen gewonnenen Einheiten mit ei-nem dominierenden Bodentyp ein spe-

zifisches Ertragspotenzial zuordnen,dann sind zusätzlich klimatische Datensehr hilfreich. Für Winterweizen sinddies der Niederschlag im Sommerhalb-jahr und das Sättigungsdefizit für Was-ser in der bodennahen Luftschicht imMai und Juni.

Auch diese Daten liegen für einemittelmaßstäbige Betrachtung in aus-reichender räumlicher Auflösung flä-chendeckend vor. Zur Verifizierung ei-nes solchen Ansatzes wurden Ergeb-nisse der „Besonderen Ernteermitt-lung“ mehrerer Jahre aus der GeestSchleswig-Holsteins zusammenfassendausgewertet (Details siehe ebenso inKneib & Schroeder 1984).

Inwieweit der typische oberflächen-nahe Bodenwasserhaushalt die Defiziteim Wasserdargebot zu kompensierenvermag, ist aus den Kurvenverläufensehr gut ablesbar, bei den grundwasser-nahen Gley-Podsolen zum Beispiel sehrviel besser als bei den Braunerde-Podso-len, bei denen ein um 2 mm höheres Sät-tigungsdefizit in der Hauptvegetations-periode etwa 20% Ertragseinbußenverursacht.

Eine Typisierung des oberflächen-nahen Bodenwasserhaushalts auf derGrundlage der Substratinformationen(z.B. aus der RBS) und der Reliefgliede-rung erweist sich als äußerst hilfreich fürdie Regionalisierung von Böden und Bo-denfunktionen und damit auch für diePlanung im Bodenschutz und der Bo-dennutzung.

Diese Typen und ihre Übergangsfor-men sind mit Hilfe der genannten Ein-gangsdaten (im Maßstab 1:5.000 undkleiner) flächenscharf abzubilden.

Kneib – Die Bodenregionalisierung, vom Punkt zur Fläche oder umgekehrt?

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Tab. 3: Beziehung zwischen bodenbildenden Faktoren und Vergesellschaftung von Böden (aus Kneib 1989)

* H = Moor, GA = Anmoor-Gley, G = Gley, P = Podsol, B = Braunerde, S = Pseudogley

Relief Bodenart (nach RBS)

Nutzungs-wandel/Vorflut

Bodentypen* %

H GA G PG GP P B BS S

Senke Sand Altes Grünland,später Änderung

XX XX XX 74

Senke Sand „Heide”, späterÄnderung

XX XX XX 75

Senke Moor/Sand Dauergrünland XX XX XX 75

Senke Moor/Sand Dauergrünland XX XX XX 90

Senke Moor Dauergrünland XX 85

Senke Moor Vorflut eng XX 100

Hang Anlehm. Sand – XX XX XX 83

Hang Anlehm. SandAltes Grünland,später Änderung

XX XX100

Hang Sand – XX XX XX XX 84

Rücken – XX XX 75

Tab. 4: Typen des oberflächennahen Bodenwasserhaushalts (ausführliche Darstellung inKneib & Schemschat 2006).

P Perkolationstyp ... vornehmlich vertikale Wasserbewegung nach untenund hohe Sickerwasserrate durch den Boden

A Abflusstyp ... ein hoher Anteil oberflächlich abfließenden Nieder-schlagswassers entsprechend der Hangneigung

V Vorratstyp ... ein hohes Rückhaltevermögen des Bodens für Nieder-schlagswasser

S Stautyp ... nahezu permanent im Boden auftretendes Stauwasser

H Hangzugstyp ... vornehmlich laterale Wasserbewegung im Boden ent-sprechend des Hanggradienten

Z Zuschusstyp ... nahezu permanenter Wasserzuschuss z.B. in Hangfuß-oder Hangschulterlagen und abflusslosen Senken

O Oberflächenent-wässerungstyp

... sehr hoher oberflächlicher Abfluss infolge eines hohenVersiegelungsgrades

U Untergrundent-wässerungstyp

... Regulierung der Vorflut, d.h. hohe Vorflutdichte

Page 15: Muster f. Umbruch

Aus ihnen sind die Dynamik des Was-serhaushalts in der Landschaft und diepotenzielle Grundwasserneubildungebenso ableitbar wie die Filter- und Puf-fereigenschaften, das Wasserangebotfür die Pflanzen und die Erosionsanfäl-ligkeit und damit alle wesentlichenschutzwürdigen und schutzbedürftigennatürlichen Bodenfunktionen.

Fazit: Die genannten Verfahren derRegionalisierung gestatten somit eineverbesserte räumliche Abgrenzung –bei gleichzeitig vermindertem Kartier-aufwand für die Aspekte Bodengenese,Bodenfunktion und Vorbelastung – undermöglichen damit die Umsetzung derwesentlichen Leitbilder des Boden-schutzes.

4 Umsetzung vonRegionalisierungsverfahren

In einem entsprechenden Projekt desBodenschutzes in der Regional- undRaumplanung (Maßstab 1:25.000 undkleiner) für die Deutsche Umweltstif-tung am Beispiel der Stadt Eckernfördestimmten die Flächen, die aus dem Nut-zungswandel und dem oberflächenna-hen Bodenwasserhaushalt abgeleitetwerden konnten, mit einer Gesamtab-weichung von etwa 2% mit den Kartier-einheiten einer vorab erfolgten diffe-renzierten aufwändigen Kartierungüberein.

Folgende Maßnahmen des Boden-schutzes konnten formuliert und flä-chenscharf dargestellt werden. Der Leit-bildkatalog ist für die verschiedenen Pla-nungsebenen hierarchisch gegliedert.Angegeben ist meist das höchste Diffe-renzierungsniveau (Leitbilder 4. Ord-nung). Das heißt, für die Raumplanungstärker inhaltlich zusammengefasst, sinddie Leitbilder niederer Ordnung zu wäh-len und die Raumeinheiten entspre-chend zu generalisieren (Details sieheKneib & Schemschat 2004 und 2006):1. Strikte Erhaltung der Nutzungswan-

deltypen 1, 2 und 4 nach Tab. 2 (Leit-bild 1111 und 1131),

2. Rückbau der Entwässerung in denNiedermooren und den Zuschussge-bieten (Leitbild 1121 und 1122),

3. Ausweisung von Sukzessionsflächenauf den Flächen besonders hoherOligotrophie und hohen Säuregra-des sowie den besonderen minerali-schen und organischen Leitsubstra-ten (Leitbild 1112 und 1132),

4. Aufforstung und extensive Dauer-grünlandnutzung auf den Abfluss-flächen A (Leittyp) und ...a (Begleit-typ), sowie den Zuschussflächen (Z)nach Tab. 4 (Leitbild 1321),

5. Keine die Bodenverdichtung erhö-hende Bodennutzung auf Nieder-moorflächen (Leitbild 1322),

6. Bevorzugte Umsetzung dieser Vor-schläge (1–5) auf den Flächen mitmehr als 200 Jahren Ackerbau nachTab. 2 und niedrigen Ertragspoten-zialen mit Bodenzahlen (nach RBS) <50 (Leitbild 1324),

7. Bevorzugte bodenverträgliche acker-bauliche Nutzung auf allen Flächenmit Bodenzahlen (nach RBS) >= 50und Vorratstypen nach Tab. 4 (Leit-bild 1211 und 1212),

8. Ausweisung von potenziellen Sied-lungsflächen auf alten Ackerflächenminderer Güte und besonderer Ver-kehrslage (Leitbild 1240 und 1260),

9. Erhaltung von zwei Mergelkuhlenund einer Tongrube als kulturhisto-rische Bodendenkmäler (Leitbild1231).

10. Nutzung aller bisher nicht erwähn-ten Teile des Planungsraums unterVermeidung der Entstehung schäd-licher Bodenveränderungen imSinne des Bundes-Bodenschutzge-setzes (BBodSchG) und der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverord-nung (BBodSchV) (Leitbild 1300).Fazit: Abschließend kann man kon-

statieren, dass in der Umkehrung desTitels und der entsprechenden Umset-zung der entscheidende Zugewinn anQualität von Regionalisierungen beigleichzeitig erheblich verminderterKosten bei der Kartierung erreicht wer-den kann und damit die Akzeptanz desBodenschutzes erheblich zunehmenkönnte, wenn er denn politisch wirklichgewollt wäre!

5 Zusammenfassung

Der Artikel beschreibt die Möglichkei-ten der Regionalisierung zum Zweckeder Bodenschutzplanung vornehmlichim mittelmaßstäbigen Bereich. DieWechselbeziehung zwischen Faktoren,Merkmalen und Funktionen von Bödengestattet es, den Weg der Regionalisie-rung nicht nur vom Punkt zur Fläche,sondern auch umgekehrt zu gehen. Alsin diesem Sinne sinnvolle räumliche bo-denbildende Faktoren haben sich dabei

die räumliche Differenzierung dergrundsätzlichen Bodengenese aus Re-lief und Substrat und die Dynamik desoberflächennahen Boden- und Land-schaftswasserhaushalts sowie der Über-formungsgrad durch den Menschen an-hand des Nutzungswandels erwiesen.Die meisten dieser Daten liegen mittler-weile digital vor und stehen für ent-sprechende Auswertungen zur Verfü-gung. Diese Art der Regionalisierungverbessert die Aussagefähigkeit für denBodenschutz und die Bodennutzung er-heblich und vermindert die Kosten derBodenkartierung beträchtlich.

Summary

The article describes the possibilities ofthe regionalization for the soil conser-vation planning principally in a mediumscale. The correlation between factorsof soil formation, soil properties andfunctions of the soils allows not goingthe way of the regionalization onlyfrom the point to the area but also re-versed. The spatial distinction of thefundamental soil genesis formed by re-lief and substratum and the dynamics of the surface near soil and landscapewater balance as well as the anthropo-genic over-forming degree in form ofland use change have proved to be theright differentiation for this approach.Meanwhile most of these data existdigitally and are available for corres-ponding evaluations. This type of theregionalization improves the informa-tion value for the soil conservation andthe land utilization considerably andhighly reduces the costs of the soilsurvey.

Literatur

AKS (Hrsg., 1996): Urbaner Boden-schutz. 121–127, Berlin.

AKS (Hrsg.,1987 und 1997): Empfehlun-gen des Arbeitskreises Stadtbödender Deutschen BodenkundlichenGesellschaft für die bodenkundlicheKartierung urban, gewerblich, in-dustriell und montan überformterFlächen (Stadtböden), 1. und 2. Auf-lage, Teil 1 und Teil 2 Feldführer undHandbuch, Sekretariat büro für bo-denbewertung, Kiel.

Kneib, W. D. (1989): Böden – Einheit undVielfalt. Bodenschutz , BoS II/89, ESV,Berlin.

Kneib – Die Bodenregionalisierung, vom Punkt zur Fläche oder umgekehrt?

14

Page 16: Muster f. Umbruch

Kneib, W. D. & Braskamp, A. (1990): VierJahre Stadtbodenkartierung vonHamburg – Probleme und Ergeb-nisse. Mitteilungen der DeutschenBodenkundlichen Gesellschaft, 61,S. 97–104.

Kneib, W. D. & Schemschat, B. (2004):Bodenschutzrelevante Planungenim urbanindustriellen und suburba-nen Raum. Handbuch des Boden-schutzes, 3. Auflage. Hrsg. H.-P.Blume. Ecomed. Landsberg Lech.

Kneib, W. D. & Schemschat, B. (2006):Bodenschutzrelevante Planung undUmsetzung im urbanindustriellenund suburbanen Raum (Langfas-sung). Handbuch der Bodenkunde,5/06, Ecomed. Landsberg Lech.

Kneib, W. D. & Schroeder, D. (1984): Die Bewertung der Pedofunktion„Pflanzliche Produktion“ in Schles-wig-Holstein. Z. Pflanzenernährungund Bodenkunde, 147. Bd.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Wolfram D. KneibBSD Bodenschutzdienst für Städte undGemeinden GmbHRehsenweg 7524148 KielE-Mail: [email protected]

Kneib – Die Bodenregionalisierung, vom Punkt zur Fläche oder umgekehrt?

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Page 17: Muster f. Umbruch

NNA-Berichte 1/2009

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1 Einleitung

Die Bund/Länder-ArbeitsgemeinschaftBodenschutz (LABO) ist ein Arbeitsgre-mium der Umweltministerkonferenz(UMK), in dem die für den Bodenschutzzuständigen obersten Behörden derLänder und des Bundes zusammen-arbeiten. Die LABO begleitet die Ent-wicklung des Bodenschutzes und desBodenschutzrechts und unterstützt denErfahrungsaustausch zwischen demBund und den Ländern. Sie besteht ausdem Leitungsgremium und drei ständi-gen Ausschüssen:� Ständiger Ausschuss 1 Recht (BORA),� Ständiger Ausschuss 2 VorsorgenderBodenschutz (BOVA),� Ständiger Ausschuss 3 Altlasten(ALA).

Empfehlungen zur Bodenfunktions-bewertung werden in erster Linie imStändigen Ausschuss 2 (BOVA) erar-beitet. Der BOVA hat u.a. folgende Aufgabenschwerpunkte (www.labo-deutschland.de):� Begrenzung der Bodenversiegelungund der Flächeninanspruchnahme,� Methoden und Verfahren zur Bewer-tung von Bodenfunktionen,� Vorsorgender Bodenschutz in Pla-nungen und Verfahren sowie gebiets-bezogene Maßnahmen.

Vor diesem Hintergrund hat derBOVA in den letzten Jahren wesentlichefachliche Grundlagen erarbeitet, dieinsbesondere für den Vollzug der Bo-denfunktionsbewertung relevant sind.Für die Konkretisierung der Boden-schutzbelange in Planungs- und Zulas-sungsverfahren ist eine Beurteilung desZustands von Böden und deren Leis-tungs- und Funktionsfähigkeit erfor-derlich. Grundlage dafür sind die in § 2 Abs. 2 Bundes-Bodenschutzgesetz(BBodSchG) genannten natürlichen Bo-denfunktionen und die Archivfunktio-

nen der Böden. Die jeweiligen Boden-(teil)funktionen werden anhand vonKriterien erfasst und bewertet (Tab.1).

2 Veröffentlichungen und Gut-achten der LABO zum ThemaBodenfunktionsbewertung

2.1 Empfehlungen zur Klassifikationvon Böden in räumlichenPlanungen

Eine im Auftrag der Amtschefkonferenzder Umweltminister (ACK) im Jahre2000 durchgeführte Umfrage zu Me-thoden der Bodenfunktionsbewertunghat ergeben, dass bundesweit einegroße Vielfalt an Methoden zur Boden-funktionsbewertung existiert. Diesesliegt zum einen an den unterschied-

Bewertung von Bodenfunktionen –Aktivitäten der Bund/Länder-Arbeits-gemeinschaft Bodenschutz (LABO)von Irene Dahlmann

Schlüsselwörter: Bodenschutz, Bodenfunktionsbewertung, Gesamtbewertung,Kriterien, UmweltprüfungKeywords: soil protection, soil functions, soil evaluation, environmental audit

Bodenfunktionen Bodenteilfunktionen Kriterien

Lebensraum-funktion

• Lebensraumfunktion fürMenschen

• Überschreitung von Vor-sorge-, Prüf- und Maßnah-menwerten der BBodSchV

• Lebensraum für Pflanzen • Standortpotenzial fürnatürliche Pflanzen

• Natürliche Bodenfrucht-barkeit

• Lebensraum für Boden-organismen

• Standorteignung fürBodenorganismen-Gemeinschaften

• Naturnähe

Funktion alsBestandteil desNaturhaushalts

• Funktion des Bodens imWasserhaushalt

• Abflussregulierung• Beitrag des Bodens zur

Grundwasserneubildung(Sickerwasserrate)

• Allgemeine Wasserhaus-haltsverhältnisse

• Funktion des Bodens imNährstoffhaushalt

• Nährstoffpotenzial undNährstoffverfügbarkeit

Abbau-, Aus-gleichs- undAufbaumedium

• Filter und Puffer füranorganische sorbierbareSchadstoffe

• Bindungsstärke des Bodensfür Schwermetalle

• Filter, Puffer und Stoff-umwandler für organischeSchadstoffe

• Bindung und Abbauorganischer Schadstoffe

• Puffervermögen desBodens für saure Einträge

• Säureneutralisations-vermögen

• Filter für nicht sorbierbareStoffe

• Retention des Boden-wassers

• Sickerwasserverweilzeit

Archiv der Natur-und Kultur-geschichte

• Archiv der Naturgeschichte • naturgeschichtlich bedeut-same Pedogenesen

• Archiv der Kulturgeschichte • kulturgeschichtlich bedeut-same Pedogenesen

Tab. 1: Bodenfunktionen, Bodenteilfunktionen und Bewertungskriterien (Ingenieurbüro Feldwisch & Bosch und Partner GmbH, 2006).

Page 18: Muster f. Umbruch

lichen fachlichen Interpretationen vonBodenfunktionen, an begrifflichen Un-klarheiten sowie an den unterschied-lichen Datengrundlagen in den einzel-nen Ländern. Aufgrund dessen hat dieACK die LABO 2001 beauftragt, einenVorschlag zur „Zusammenfassung undStrukturierung relevanter Methodenund Verfahren zur Klassifikation undBewertung von Bodenfunktionen fürPlanungs- und Genehmigungsverfahrenmit dem Ziel der Vergleichbarkeit“ zuerarbeiten. Das Gutachten wurde imJahr 2003 abgeschlossen (Planungs-gruppe Ökologie & Umwelt 2003).

2.1.1 Datenverfügbarkeit

Eine Anwendung von Bodenbewer-tungsmethoden ist nur dann möglich,wenn entsprechende Datengrundlagenmit angemessenem Aufwand zur Verfü-gung gestellt werden können. Um Bo-denschutzbelange verstärkt in den Voll-zug bei Planungs- und Zulassungsver-fahren einzubringen, ist daher dieflächendeckende Bereitstellung von ge-eigneten Datengrundlagen von ent-scheidender Bedeutung.

Das Gutachten „Empfehlungen zurKlassifikation von Böden in räumlichenPlanungen“ (Planungsgruppe Ökologie& Umwelt 2003) hat auf der Grundlageeiner bundesweit durchgeführten Re-cherche aufgezeigt, dass die größtenDefizite auf der unteren Planungsebenebestehen, bei der in besonderem MaßeBeeinträchtigungen von Bodenfunktio-nen (z.B. durch Bauvorhaben) ausgelöstwerden können. Bodenkundliche Kar-tierungen können auf dieser Planungs-ebene in den Ländern wegen des er-heblichen Aufwandes nur in geringemMaße erfolgen, deshalb kommt derNutzung der Bodenschätzung erhebli-che Bedeutung zu. Da die Bodenschät-zung zwar flächendeckend für die land-wirtschaftlich genutzten Flächen, aberbis auf wenige Ausnahmen nur in ana-loger Form vorliegt, ist eine Digitalisie-rung der Flächen- und Profildaten drin-gend erforderlich, um ihre Verfügbar-keit zu erhöhen. Bei projektbezogenenPlanungs- und Zulassungsverfahrenkann eine Neukartierung erforderlichsein.

Auf der mittleren Planungsebenebesteht ein erheblicher Entwicklungs-

bedarf für bodenkundliche Karten inden Maßstäben 1:25.000 und 1:50.000.Insbesondere für gebietsbezogene Pla-nungsverfahren wie Regionalplanungund Landschaftsrahmenplanung wirddamit die Darstellung von Bodenfunk-tionen ermöglicht.

2.1.2 Bewertung vonBodenfunktionen

In den jeweiligen Planungs- und Zulas-sungsverfahren müssen nicht alle Bo-denfunktionen regelmäßig bewertetwerden. Stattdessen ist die Bewertungzielgerichtet und effektiv auf derGrundlage entscheidungsrelevanter Bo-denteilfunktionen durchzuführen:� Regelmäßig relevant sind die Lebens-raumfunktion mit ihren Kriterien Natur-nähe, Standortpotenzial für natürlichePflanzengesellschaften und natürlicheBodenfruchtbarkeit sowie die Archiv-funktionen.� Die Funktion des Bodens als Bestand-teil des Naturhaushalts mit der Teil-funktion Wasserhaushalt ist bei Planun-gen mit Auswirkungen auf den Wasser-haushalt relevant.

Dahlmann – Bewertung von Bodenfunktionen – Aktivitäten der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz (LABO)

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Abb. 1: Bewertung und Zuordnung der Bodenbewertungsmethoden hinsichtlich ihrer Anwendung in Planungs- und Zulassungsverfahren(Planungsgruppe Ökologie und Umwelt 2003, verändert, J. Erdmann)

Page 19: Muster f. Umbruch

� Die Funktionen des Bodens als Ab-bau-, Ausgleichs- und Aufbaumediumsind i.d.R. zu untersuchen, wenn spe-zielle Änderungen der Flächennutzung(sensible Nutzungen) oder Vorhabenmit Emissionswirkungen geplant sind.� Die Funktion des Bodens als Bestand-teil des Naturhaushalts mit der Teil-funktion Nährstoffhaushalt ist nur imAusnahmefall relevant.

Auf dieser Grundlage werden füralle aufgeführten Planungs- und Zu-lassungsverfahren im Gutachten Emp-fehlungen zur Relevanz von Boden-funktionen/Bodenteilfunktionen sowiezur Verfügbarkeit und fachlichen Eig-nung von Bewertungsmethoden gege-ben (vgl. Abb. 1).

Zur Erfüllung des ACK-Auftragesarbeitete die LABO eng zusammen mitdem Bund/Länder-Ausschuss Bodenfor-

schung (BLA-GEO). Der Personenkreis„Grundlagen der Bodenfunktionsbe-wertung“ der Ad-hoc-ArbeitsgruppeBoden des BLA-GEO stellte einen Me-thodenkatalog zusammen, in dem dieMethoden der verschiedenen Bundes-länder zur Bewertung der natürlichenBodenfunktionen und der Archivfunk-tionen zusammengefasst sind (Ad-hoc-AG Boden 2007). Die Methodenauswahlzur Bodenfunktionsbewertung solltesich künftig an diesem Methodenkata-log ausrichten.

Beide Veröffentlichungen ergänzensich und bilden einen einheitlichenRahmen für den Vollzug der Boden-funktionsbewertung in den einzelnenLändern.

Die ACK hat im November 2003 dievon der LABO vorgelegte Zusammen-fassung zur Klassifikation von Böden

zur Kenntnis genommen und sieht indem Bericht in Verbindung mit dem„Methodenkatalog zur Bodenfunk-tionsbewertung“ eine Arbeitshilfe zurpraktischen Anwendung von Methodenzur Bodenfunktionsbewertung in denLändern.

2.2 Erarbeitung eines einheitlichenOrientierungsrahmens zurzusammenfassenden Bewertungder Bodenfunktionen

Die Praxis der Bodenfunktionsbewer-tung hat allerdings deutlich gemacht,dass im Abwägungsprozess innerhalbvon Planungs- und Zulassungsverfahrenein zu stark differenziertes Bewertungs-ergebnis, welches sich auf einzelne Bo-denfunktionen bezieht, häufig hinder-lich ist. Daher hat die LABO 2005 ein

Dahlmann – Bewertung von Bodenfunktionen – Aktivitäten der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz (LABO)

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Tab. 2: Vor- und Nachteile der methodischen Grundtypen zur zusammenfassenden Bewertung von Bodenfunktionen (Ingenieurbüro Feldwisch & Bosch und Partner GmbH 2006).

Grundtypen Vorteile Nachteile Möglichkeiten der Qualifizierungder Grundtypen

PriorisierungeinzelnerBoden-funktionen

Schwerpunktsetzung erleich-tert die zusammenfassendeBewertung

Hervorhebung der besondersbedeutenden Bodenfunktionstärkt deren Gewicht in derAbwägung mit anderenSchutzgütern

gut vermittelbar

guter Einzelfallbezug

Aufstellung einer Zielhierarchienotwendig � ggf. zusätzlicher Auf-wand bei regionalen und lokalenAnpassungen

Entlastung der einzelnen Pla-nungs- und Zulassungsvorhabendurch Erarbeitung regionalerUmweltqualitätsziele des Boden-schutzes als Grundlage der Priori-sierung (beispielsweise im Rah-men der Landschaftsplanung)

Maximalwert-prinzip

Alle besonders schutzwürdi-gen Bodenflächen werdengleichberechtigt berücksich-tigt

leicht umsetzbar

gut vermittelbar

Umfang der besonders schutzwürdi-gen Bodenflächen sehr groß

Gleichstellung aller Bodenfunktionensteht Schwerpunktsetzung entgegen

ggf. Schwächung der Bodenbelangein der Abwägung durch fehlendeSchwerpunktsetzung

iterative Anpassung der Bewer-tung / Klassengrenzen, um denFlächenumfang besonders schutz-würdiger Bodenflächen nicht zugroß werden zu lassen

Ergänzung des Maximalwertprin-zips durch Priorisierungen einzel-ner, besonders bedeutender Bo-denfunktionen

Mittelwert-prinzip / Summenbildung

Alle Bodenfunktionsergeb-nisse werden gleichberechtigtberücksichtigt

leicht umsetzbar

gut vermittelbar

Nivellierung des zusammenfassendenBewertungsergebnisses

Gleichstellung aller Bodenfunktionensteht Schwerpunktsetzung entgegen

ggf. Schwächung der Bodenbelangein der Abwägung durch fehlendeSchwerpunktsetzung

inhaltlich abhängige Bewertungser-gebnisse einzelner Bodenfunktionenkönnen nicht gemittelt werden.

gewichtete Mittel- oder Summen-wertbildung zur Priorisierungeneinzelner, besonders bedeutenderBodenfunktionen

Berücksichtigung nur unabhängi-ger Bodenfunktionen

Page 20: Muster f. Umbruch

weiteres Gutachten in Auftrag gege-ben. In diesem Gutachten soll ein Ver-fahrensvorschlag bzw. Rahmen erarbei-ten werden, ob und wie die verschiede-nen Bodenteilfunktionen und Kriteriennachvollziehbar und entscheidungs-orientiert zu einer Gesamtaussage zu-sammengeführt werden können. Einezusammenfassende Bewertung von Bo-denfunktionen ist insbesondere bei bo-deneingreifenden Planungen und Maß-nahmen sinnvoll, z.B. zur Beurteilungvon direkten Flächeninanspruchnah-men. Mit diesem Projekt soll die letzteinhaltliche Lücke innerhalb der Verfah-ren zur Bodenfunktionsbewertung ge-schlossen werden.

Der „Orientierungsrahmen für einezusammenfassende Bewertung von Bo-denfunktionen“ (Ingenieurbüro Feld-wisch & Bosch und Partner GmbH 2006),gibt eine Empfehlung für eine Zu-sammenfassung mehrerer Bodenfunk-tionen. Das Vorhaben basiert im We-sentlichen auf einer Recherche vorhan-dener Methodenansätze zur zusam-menfassenden Boden(teil)funktionsbe-wertung und einer diesbezüglichenUmfrage bei den Bodenschutzbehör-den der Länder. Aufgrund der Metho-denvielfalt zur Bodenfunktionsbewer-tung wird auch bei der Gesamtbe-wertung in den einzelnen Ländern er-wartungsgemäß unterschiedlich verfah-ren. Die Vielfalt der landesspezifischenBodenfunktionsbewertungen soll je-doch mit den methodischen Empfeh-lungen nicht eingeschränkt werden.

Das Gutachten kommt zu dem Er-gebnis, dass die Einsatzmöglichkeit zu-sammenfassender Bodenfunktionsbe-wertungen in Planungs- und Zulassungs-verfahren abhängig von der jeweiligenplanerischen Fragestellung ist. Insbeson-dere für Fragestellungen, die auf dervorgelagerten Planungsebene auf denSchutz des Bodens vor Totalverlust ab-zielen (z.B. im Rahmen von Regionalpla-nung, Flächennutzungsplanung, Raum-ordnungs- oder Linienbestimmungsver-fahren), sind zusammenfassende Boden-funktionsbewertungen gut geeignet.

Betrachtungen zu qualitativen Be-einträchtigungen und deren Kompen-sation benötigen demgegenüber häu-fig eine differenzierte Betrachtungs-weise. Je kleiner die Maßstabsebene,desto eher ist eine pauschale Betrach-tung einer zusammenfassenden Boden-funktionsbewertung sinnvoll.

In der Bodenschutzpraxis werdendrei wesentliche Grundtypen zur zu-sammenfassenden Bewertung ange-wendet (vgl. Tab. 2):� Priorisierung einzelner Bodenfunk-tionen,� Maximalwertprinzip,� Mittelwertprinzip / Summenbildung.

Die im Orientierungsrahmen vorge-stellten Möglichkeiten zur zusammen-fassenden Bewertung der Bodenfunk-tionen tragen zur Bündelung der Be-lange des vorsorgenden Bodenschutzesbei, so dass sie effektiver in planerischeAbwägungsprozesse eingebracht wer-den können.

In Niedersachsen sollte eine anhandder regionalen Verhältnisse und derkonkreten Ziele des Bodenschutzes be-gründete Priorisierung einzelner Bo-denfunktionen durchgeführt werden,bei der dann das Maximalwertprinzipangewendet wird. Gegenüber formalenAggregationsmethoden wie z.B. demreinen Maximal- bzw. Mittelwertprinziphat sich diese Methode der zusam-menfassenden Bewertung bewährt(Gunreben & Boess 2008).

2.3 Bodenschutz in der Umwelt-prüfung nach dem Baugesetzbuch(BauGB) – Leitfaden für die Praxisder Bodenschutzbehörden in derBauleitplanung

Durch die Novellierung des BauGB sinddie Vorgaben der EU-Richtlinie über diePrüfung der Umweltauswirkungen be-stimmter Pläne und Programme für dieim BauGB geregelten Belange in deut-sches Recht umgesetzt worden. Dieneuen Regelungen sind am 20. 07. 2004in Kraft getreten. Kernstück der Novel-lierung sind Regelungen über die Um-weltprüfung im Rahmen der Aufstel-lung der Bauleitpläne. Gemäß § 2 Abs. 4Satz 1 sind die Gemeinden verpflichtet,für die Belange des Umweltschutzeseine Umweltprüfung durchzuführen, inder die voraussichtlichen erheblichenUmweltauswirkungen ermittelt und ineinem Umweltbericht beschrieben undbewertet werden. Das Ergebnis der Um-weltprüfung ist in der Abwägung zuberücksichtigen.

Die Einführung der Umweltprüfungist aus Bodenschutzsicht relevant, da zuden Belangen des Umweltschutzes auchder Boden gehört. Im Auftrag der LABOwurde 2009 eine Arbeitshilfe für Ge-

meinde- und Stadtverwaltungen, Pla-nungsbüros sowie Träger öffentlicherBelange erstellt, aus der ersichtlich ist, inwelchem Umfang und Detaillierungs-grad die Belange des Bodenschutzes beider Erarbeitung der Umweltprüfungberücksichtigt werden müssen (Peteret al. 2009). Ziel ist dabei, durch eine so-wohl bodenschutz-fachlich als auch pla-nerisch-fundierte Umweltprüfung einegeeignete Entscheidungsgrundlage fürden Abwägungsprozess in der Bauleit-planung zu schaffen. Der Schwerpunktdes Leitfadens liegt auf dem vorsorgen-den Bodenschutz.

Der Leitfaden beschreibt die Bau-steine zur Berücksichtigung der Boden-schutzbelange in der Umweltprüfung:� Beschreibung der Auswirkungen desPlanvorhabens auf den Boden, ausge-hend von den Wirkfaktoren und Wir-kungspfaden,� Beschreibung und Bewertung des Ist-Zustands der Böden mithilfe von Me-thoden zur Beschreibung und Bewer-tung von Bodenfunktionen,� Ermittlung der Erheblichkeit und Pro-gnose der Auswirkungen des Planvor-habens auf den Boden,� Prüfung von Planungsalternativen,� Ermittlung von Maßnahmen zur Ver-meidung, Verringerung und Kompensa-tion von Beeinträchtigungen,� Maßnahmen zur Überwachung,� Zu allen Arbeitsschritten werden diewesentlichen zu beachtenden Punktebeschrieben sowie Hintergrundinfor-mationen bereitgestellt.

Die Umweltprüfung nach BauGB istein integrativer Bestandteil des Bauleit-planverfahrens. Sie besteht aus den Bau-steinen Scoping, Umweltbericht undMonitoring und wird schrittweise inRückkoppelung mit den Arbeitsphasender Bauleitplanung weiterentwickelt. Indem Leitfaden werden zu jedem dieserVerfahrensschritte konkrete Handlungs-hilfen gegeben. Dabei ermöglichenPrüfkataloge und Checklisten für die Be-rücksichtigung der Bodenschutzbelangebei den einzelnen Verfahrensschrittensowie eine Mustergliederung für denUmweltbericht eine praxisnahe Handha-bung des Leitfadens.

Ein Auszug aus dem Prüfkatalog„Prüffragen zu notwendigen Angabenzum Schutzgut Boden“ ist in Abb. 2dargstellt.

An drei textlich und kartografischnäher beschriebenen Fallbeispielen ei-

Dahlmann – Bewertung von Bodenfunktionen – Aktivitäten der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz (LABO)

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Page 21: Muster f. Umbruch

nes Flächennutzungsplans, Bebauungs-plans im Außenbereich und eines vor-habenbezogenen Bebauungsplans wirddas gesamte Anwendungsspektrum desLeitfadens auch praktisch beleuchtet.Eine kommentierte Literaturliste er-leichtert den Anwenderinnen und An-wendern eine zielgerichtete Identifi-kation der für sie relevanten Literaturund ein Glossar gibt einen Überblicküber die einschlägigen Begriffe zumThema.

Die Endredaktion des Leitfadens er-folgte mit Unterstützung des Ausschus-ses für Stadtentwicklung, Bau- undWohnungswesen der Bauministerkon-ferenz. Die Umweltministerkonferenzhat im Mai 2009 der Veröffentlichungdes Leitfadens zugestimmt und ihn zurAnwendung empfohlen.

2.4 Schutzwürdige Böden inNiedersachsen

Die Arbeitshilfe „Schutzwürdige Bödenin Niedersachsen“ stellt auf der Grund-lage der beiden von der LABO in Auftraggegebenen Gutachten unter Berück-sichtigung der Datenlage in Niedersach-sen dar, wie eine Bodenfunktionsbe-wertung regelmäßig im Rahmen von

Planungs- und Zulassungsentscheidun-gen durchgeführt werden sollte (Gun-reben & Boess 2008). Für die zusam-menfassende Bewertung von Böden imRahmen von Planungs- und Genehmi-gungsverfahren wird für Niedersachsendanach vorgeschlagen, die folgendenbesonders schutzwürdigen Böden re-gelmäßig im Abwägungsprozess zu be-rücksichtigen:� Böden mit hoher Lebensraumfunk-

tion:� Böden mit besonderen Standort-bedingungen,� Böden mit hoher natürlicher Bo-denfruchtbarkeit.

� Böden mit hoher Archivfunktion:� Böden mit hoher naturgeschicht-licher Bedeutung,� Böden mit hoher kulturgeschicht-licher Bedeutung,� seltene Böden.Den niedersächsischen Vollzugsbe-

hörden wird damit eine praxistauglicheArbeitshilfe zur Verfügung gestellt, dieaufzeigt, welche Böden in hohem Maßedie natürlichen Bodenfunktionen unddie Archivfunktionen erfüllen und da-mit besonders schutzwürdig sind. Siesollen im Rahmen der Planungs- undZulassungsverfahren besonders berück-

sichtigt werden. Die Bewertung erfolgtdabei aus Landessicht. Für die regionaleEbene (z.B. Bauleitplanung, Flurberei-nigung) wird in der Regel eine demMaßstab angepasste Modifizierung er-forderlich sein.

3 Zusammenfassung

Die Bund/Länder-ArbeitsgemeinschaftBodenschutz (LABO) hat wesentlichefachliche Grundlagen zur Bewertungvon Bodenfunktionen erarbeitet, diedazu dienen, einen einheitlichen Rah-men für die Vorgehensweisen in deneinzelnen Ländern zu schaffen. Metho-den zur Gesamtbewertung von Boden-funktionen und zur Berücksichtigungvon Bodenschutzbelangen in der Um-weltprüfung des BauGB wurden eben-falls erarbeitet.

Summary

The Bund-Länder working group(LABO) has developed fundamentalbaselines for the evaluation of soilswhich serve as a standard frame for ap-proaches in the federal states. Methodsconcerning the overall evaluation of soilfunctions and concerning the conside-ration of soil protection aspects withinenvironmental audits of the building le-gislation also have been worked out.

Literatur

Ad-hoc-AG Boden des Bund-Länder-Ausschusses für Bodenforschung(BLA-GEO) – Personenkreis „Grund-lagen der Bodenfunktionsbewer-tung“ (2007): Methodenkatalog zurBewertung natürlicher Bodenfunk-tionen, der Archivfunktionen desBodens, der Gefahr der Entstehungschädlicher Bodenveränderungen so-wie der Nutzungsfunktionen „Roh-stofflagerstätte“ nach BBodSchG. –2., überarbeitete und ergänzte Auf-lage, <http://www.bgr.bund.de/cln_006/nn_334066/DE/Themen/Boden/Zusammenarbeit/Adhocag/Downloads/methodenkatalog,templteld=raw,property=publicationFile.pdf/methodenkatalog.pdf>.

Gunreben, M. & Boess, J. (2008): Schutz-würdige Böden in Niedersachsen.GeoBerichte 8/2008), Landesamt fürBergbau, Energie und Geologie(LBEG), Hannover.

Dahlmann – Bewertung von Bodenfunktionen – Aktivitäten der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz (LABO)

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Abb. 2: Auszug aus dem Prüfkatalog – Prüffragen zu notwendigen Angaben zum SchutzgutBoden im Umweltbericht (Peter et al. 2009).

Kap. Prüffragen Kontrolle

1.1 Sind Ort und Umfang des Vorhabens und die damit verbun-dene Bodeninanspruchnahme ausreichend dargestellt?

1.2 Sind die gesetzlichen Ziele des Bodenschutzes dargestellt(vgl. Kap. 3.3)?

Sind die bodenbezogenen Ziele der übergeordneten Raum-planungen dargestellt?

Sind die bodenbezogenen Ziele der Landschaftsplanung(Landschaftsrahmenplan, Landschaftsplan) dargestellt?

Wird beschrieben, wie diese Ziele bei der Planung berück-sichtigt wurden?

2.1 Erfolgt eine ausreichende Bestandsdarstellung des Bodens(vgl. Kap. 3.2)?

Wird bei der Bestandsbeschreibung die Bodenfunktion alsArchiv der Natur- und Kulturgeschichte berücksichtigt?

Wird bei der Bestandsbeschreibung die Lebensraumfunktiondes Bodens berücksichtigt?

Werden bei der Bestandsbeschreibung die Bodenteilfunktio-nen im Wasserhaushalt und im Nährstoffhaushalt berück-sichtigt?

Wird bei der Bestandsbeschreibung die Bodenfunktion alsAbbau-, Ausgleichs- und Aufbaumedium berücksichtigt?

Page 22: Muster f. Umbruch

Ingenieurbüro Feldwisch & Bosch undPartner GmbH (2006): Orientie-rungsrahmen zur zusammenfassen-den Bewertung von Bodenfunktio-nen (LABO-Endbericht). Bergisch-Gladbach,<http://www.labo-deutschland.de/pdf/TOP%2011.1_Endbericht.pdf>.

Peter, Miller, R., Kunzmann, G. & Schit-tenhelm, J. (2009): Bodenschutz inder Umweltprüfung (LABO-End-bricht), Obermörlen, <http://www.labo-deutschland.de/pdf/umweltpruefung.pdf>.

Planungsgruppe Ökologie & Umwelt(2003): Zusammenfassung undStrukturierung von relevanten Me-thoden und Verfahren zur Klassifi-

kation und Bewertung von Boden-funktionen für Planungs- und Zu-lassungsverfahren mit dem Ziel der Vergleichbarkeit. (LABO-End-bericht). Hannover, <http://www.hamburg.de/boden/142662/bodenfunktionsbewertung-labo.html>.

Anschrift der Verfasserin

Dipl.-Ing. Irene DahlmannNiedersächsisches Ministerium für Umwelt und KlimaschutzArchivstr. 230169 HannoverE-Mail: [email protected]

Dahlmann – Bewertung von Bodenfunktionen – Aktivitäten der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz (LABO)

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Page 23: Muster f. Umbruch

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NNA-Berichte 1/2009

1 Einleitung

Von zentraler Bedeutung für einen wir-kungsvollen Schutz der Böden vor Über-bauung ist die Berücksichtung des vor-sorgenden Bodenschutzes im Rahmender Bauleitplanung. Durch sie wird einGroßteil der Flächeninanspruchnahmefür Siedlungs- und Verkehrsflächen vor-bereitet und umgesetzt. Es dauert in un-serer Klimazone 100–300 Jahre, bis einhumoser Oberboden von 1 ZentimeterDicke entsteht. Für eine hohe Frucht-barkeit unserer Ackerböden benötigenwir davon immerhin 30 bis 40 cm. Damitwird deutlich, dass die Ressource Bodenbegrenzt ist und eine nur bedingte Re-generationsfähigkeit aufweist, wennein Boden erst einmal überbaut wird(vgl. Abb.1 und 2). Einem wirkungsvol-len Bodenschutz durch die Bauleitpla-nung kommt deshalb eine tragendeRolle zu.

2 Gesetzliche Grundlagen

2.1 Baurecht

Planungsträger für die Bauleitplanungist in der Regel die Gemeinde. Sie stelltden rechtsverbindlichen Bauleitplan(Bebauungsplan) und den vorbereiten-den Bauleitplan (Flächennutzungsplan)auf, der in Niedersachsen in der Regeldurch die Landkreise bzw. die RegionHannover genehmigt wird. Im Flächen-nutzungsplan, der das gesamte Ge-meindegebiet abdeckt, werden dieGrundzüge der Bodennutzung be-stimmt. Der Bebauungsplan, der sichnur auf einen Teilbereich des Gemein-degebietes bezieht, wird als rechtsver-bindliche Satzung mit Festsetzungenund Kennzeichnungen verabschiedetund ist verbindlich. Von Bedeutung sinddarüber hinaus städtebauliche Satzun-gen, z.B. Satzung über Veränderungs-sperre oder Sanierungssatzungen.

Mit der Verabschiedung des Europa-rechtsanpassungsgesetzes Bau (EAG

Bau) ist in Deutschland am 20. 07. 2005die Umsetzung von EU-Vorgaben hin-sichtlich der Durchführung von Um-weltprüfungen für Pläne und Pro-gramme in nationales Recht erfolgt unddas Baugesetzbuch entsprechend geän-dert worden. Bei der Aufstellung derBauleitpläne ist nunmehr eine Um-weltprüfung durchzuführen (§ 2 Abs. 4BauGB), in der die erheblichen Umwelt-auswirkungen der jeweiligen Planungzu ermitteln sind.

Von zentraler Bedeutung für denBodenschutz sind die ergänzenden Vor-schriften des BauGB zum Umweltschutz(§ 1a BauGB), die auch die Berücksichti-gung im Rahmen der Abwägung festle-gen. Danach soll mit Grund und Bodensparsam und schonend umgegangenwerden. Zur Verringerung der zusätz-lichen Inanspruchnahme von Flächenfür bauliche Nutzungen sind die Mög-lichkeiten der Entwicklung der Ge-meinde insbesondere durch Wieder-nutzbarmachung von Flächen, Nachver-dichtung und andere Maßnahmen zurInnenentwicklung zu nutzen sowie Bo-denversiegelungen auf das notwendige

Die Berücksichtigung desBodenschutzes in der Bauleitplanungvon Marion Gunreben

Schlüsselwörter: Bodenschutz, Bodenfunktion, Bodenbewertung, BauleitplanungKeywords: soil protection, soil function, soil assessment, urban land use planning

Abb. 1: Bild einer fruchtbaren Schwarzerde;im roten Kasten: Ackerkrume (Foto: LBEG)

Abb. 2: Beispiel für die Überplanung von landwirtschaftlichen Nutzflächen durch ein neuesBaugebiet (Foto: LBEG).

Page 24: Muster f. Umbruch

Maß zu begrenzen. Landwirtschaftlich,als Wald oder für Wohnzwecke ge-nutzte Flächen sollen nur im notwendi-gen Umfang umgenutzt werden.

2.2 Bodenschutzrecht

Im Bodenschutzrecht nehmen die Funk-tionen des Bodens eine zentrale Bedeu-tung ein. Dabei wird nur in Ausnahme-fällen der Boden „an sich“ geschützt.Grundsätzlich orientiert sich der Boden-schutz an den Bodenfunktionen, die im§ 2 Abs. 2 BBodSchG genannt sind:1. Natürliche Funktionen als

� Lebensgrundlage und Lebens-raum für Menschen, Tiere, Pflanzenund Bodenorganismen,� Bestandteil des Naturhaushalts,insbesondere mit seinen Wasser- undNährstoffkreisläufen,� Abbau-, Ausgleichs- und Aufbau-medium für stoffliche Einwirkungenauf Grund der Filter-, Puffer- undStoffumwandlungseigenschaften,insbesondere auch zum Schutz desGrundwassers,

2. Funktionen als Archiv der Natur- undKulturgeschichte sowie3. Nutzungsfunktionen als

� Rohstofflagerstätte,� Fläche für Siedlung und Erholung,� Standort für die land- und forst-wirtschaftliche Nutzung,� Standort für sonstige wirtschaft-liche und öffentliche Nutzungen,Verkehr, Ver- und Entsorgung.Zur Ermittlung der erheblichen Aus-

wirkungen eines Planungs- bzw. Geneh-migungsverfahrens auf den Boden bil-det das Bundes-Bodenschutzgesetz diefachliche Grundlage. Eine besondereBedeutung kommt in der Planungspra-xis den natürlichen Bodenfunktionenund der Archivfunktion des Bodens zu.Bei Einwirkungen auf den Boden (z.B.durch Versiegelungen im Rahmen vonBaumaßnahmen) sollen Beeinträchti-gungen der natürlichen Funktionensowie seiner Funktion als Archiv der Na-tur- und Kulturgeschichte so weit wiemöglich vermieden werden (vgl. § 1BBodSchG).

3 Bodendaten für dieBauleitplanung

Welche Bodendaten für die Bauleitpla-nung relevant sein können, habenSchneider et al. 2000 dargestellt.

In der Bestandsaufnahme des Um-weltzustandes ist die Bodenausstattungdarzustellen. Dies geschieht durch eineBodenkarte (vgl. Abb. 3 und 4), in derdie Böden des Plangebietes dargestelltsind.

Grundsätzlich sollten für Aussagenim Rahmen der Bauleitplanung nurgroßmaßstäbige Karten verwendetwerden, die aufgrund ihrer höheren

Auflösung deutlich genauere Aussagenermöglichen (Abb. 4). Oftmals liegen inden Bundesländern flächendeckendaber nur Karten im mittleren Maßstab(Abb. 3) vor, aus denen Bodenbewer-tungen abgeleitet werden. Für die Zu-kunft bleibt die Erstellung flächende-ckender großmaßstäbiger Bodenkartenein ehrgeiziges Ziel der staatlichen geo-logischen Dienste.

Gunreben – Die Berücksichtigung des Bodenschutzes in der Bauleitplanung

23

Abb. 3: Bodenübersichtskarte (Quelle: Dahlmann et al. 2004, verändert).

Abb. 4: Bodenkarte 1:5000 auf Grundlage der Bodenschätzung, dargestellt als Klassenzeichender Bodenschätzung.

Page 25: Muster f. Umbruch

Die natürlichen Bodenfunktionenund die Archivfunktionen des Bodensgem. § 2 BBodSchG werden in Nieder-sachsen durch folgende Kriterien (vgl.Tab. 1) bewertet.

Böden, bei denen die natürlichenFunktionen und die Archivfunktion imWesentlichen erhalten sind, zählen zuden schutzwürdigen Böden. Ihr Kenn-zeichen ist, dass sie bei der Kriterienbe-wertung nach Tab. 1 eine hohe Funk-tionserfüllung aufweisen. Sie solltenregelmäßig in der Bewertung berück-sichtigt werden.

Die besonders schutzwürdigen Bö-den sind:� Böden mit besonderen Standortei-genschaften (Extremstandorte)� Naturnahe Böden� Böden mit hoher natürlicher Boden-fruchtbarkeit� Böden mit einem hohen Wasserrück-haltevermögen� Böden mit einem hohen Filterpoten-zial gegenüber Schwermetallen, orga-nischen Schadstoffen und Nitrat� Naturgeschichtlich bedeutsame Bö-den� Kulturgeschichtlich bedeutsame Bö-den� Seltene Böden

Neben dem Vorkommen von schutz-würdigen Böden spielt die Vorbelas-tung der Böden eine wichtige Rolle. DieBöden im Planungsgebiet sind deshalbauch hinsichtlich ihrer Vorbelastungendurch Schwermetalle oder organischeSchadstoffe zu bewerten. Die Beurtei-lung erfolgt dabei anhand der Prüf- und Maßnahmenwerte nach BBodSchV.Auch die Empfindlichkeiten der Bödengegen Erosion und Verdichtung spielteine wichtige Rolle, die in Abhängigkeitvon Art und Umfang der geplanten Nut-zungen von Bedeutung ist.

Je nach Bedarf, Standortbedingun-gen und Vorbelastungen sind daher diefolgenden Auswertungskarten zu be-rücksichtigen, die in Niedersachsen flä-chendeckend zur Verfügung stehen:� Karte der Schwermetallbelastungen� Karte der organischen Belastungen� Karte der Erosionsgefährdung� Karte der Sickerwasserrate

Durch die Verschneidung von bo-denkundlichen Auswertungen mit ge-planten Nutzungen (z.B. Wohnbauflä-chen, gemischte Bauflächen oder Ge-werbeflächen im Flächennutzungsplan)können Abwägungshinweise gegebenwerden, ob beispielsweise wertvolleBöden (Abb. 5) oder belastete Böden

(Abb. 6) von Änderungen im Bauleit-plan betroffen sind.

Bodendaten, Auswertungskartenund Angaben zum Vorkommen schutz-würdiger Böden in einem Planungsge-biet können vom LBEG bezogen werden.

Suchräume für die aus Landessichtschutzwürdigen Böden (vgl. Abb. 7) in Niedersachsen sind auch auf demKartenserver des LBEG kostenfrei imInternet einsehbar (www.lbeg.niedersachsen.de).

Die entsprechenden Datendateienzur weiteren Verarbeitung beispiels-weise in einem geographischen Infor-mationssystem werden für Kommunenentgeltfrei abgegeben, soweit sie imRahmen eines gegenseitigen Datenaus-tauschs auch dem LBEG bodenrelevanteDaten zur Verfügung stellen.

Zur Frage, ob bestimmte schutzwür-dige Böden in einem Planungsgebietauch tatsächlich vorkommen, reichendie Hinweise aus den Suchräumen in al-ler Regel nicht aus. Die planenden Be-hörden werden dabei nicht umhin kom-men, sich selbst im Rahmen von Sondie-rungen und bodenkundlichen Profil-aufnahmen (Abb. 8) einen Eindruck vonden Bodenverhältnissen zu verschaffenbzw. diese in Auftrag zu geben.

Gunreben – Die Berücksichtigung des Bodenschutzes in der Bauleitplanung

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Tab. 1: Natürliche Bodenfunktionen und Archivfunktionen nach BBodSchG und Kriterien für die Bewertungspraxis in Niedersachsen (Gunreben & Boess 2003).

Natürliche Bodenfunktion und Archiv-funktionen (vgl. § 2 BBodSchG)

Bodenteilfunktionen Kriterien

Lebensgrundlage und Lebensraum fürMenschen, Tiere, Pflanzen und Boden-organismen

Lebensgrundlage und -raum fürMenschenLebensgrundlage und -raum für TiereLebensgrundlage und -raum fürPflanzenLebensgrundlage und -raum für Boden-organismen

• Besondere Standorteigenschaften(Extremstandorte),

• Naturnähe,• Natürliche Bodenfruchtbarkeit

Bestandteil des Naturhaushalts, insbe-sondere mit seinen Wasser- und Nähr-stoffkreisläufen

Bestandteil des WasserhaushaltsBestandteil des Nährstoffhaushalts

Bodenwasserhaushalt:• Wasserspeichervermögen

Abbau-, Ausgleichs- und Aufbaume-dium für stoffliche Einwirkungen aufGrund der Filter-, Puffer- und Stoffum-wandlungseigenschaften, insbesondereauch zum Schutz des Grundwassers

Filter und Puffer für anorganische sor-bierbare SchadstoffeFilter und Puffer für organische Schad-stoffePuffervermögen des Bodens für saureEinträgeFilter für nicht sorbierbare Stoffe

Filterpotenzial gegenüber • Schwermetallen,• Organischen Schadstoffen,• Nitrat

Funktionen als Archiv der Natur- undKulturgeschichte

Archiv der NaturgeschichteArchiv der Kulturgeschichte

Naturgeschichtliche BedeutungKulturgeschichtliche BedeutungSeltenheit

Page 26: Muster f. Umbruch

4 Beispiele für Bodenschutz-maßnahmen im Rahmen derBauleitplanung

4.1 Bodenbezogene Maßnahmen zurVermeidung und Verringerung vonBodenbelastungen

Sind schutzwürdige Böden (vgl. Tab. 1)im Planungsgebiet vorhanden, solltendiese soweit wie möglich erhalten wer-den.

Beeinträchtigungen des Schutzgu-tes Boden sind durch geeignete Maß-nahmen so weit wie möglich zu vermei-den. Geeignete Maßnahmen zur Ver-meidung bzw. Verringerung dernachteiligen Auswirkungen auf dasSchutzgut Boden können auf unter-schiedlichster Art und Weise realisiertwerden (vgl. auch Dahlmann et al.2003).

Der nach BauGB geforderte spar-same Umgang mit Grund und Bodenkann z.B. durch verdichtete Bauweise,durch Beschränkung der Grundflächen-dichte oder Reduzierung des Ausbau-grades von Erschließungsstraßen er-reicht werden.

Ein konsequentes Brachflächenre-cycling, also die Wiedernutzung ehe-maliger Gewerbe- und Industriestand-orte (vgl. Abb. 9 und 10), vermindert die Flächeninanspruchnahme bishernicht überbauter landwirtschaftlicherFlächen.

Durch die Verwendung wasser-durchlässiger Beläge bzw. Teilversiege-lungen (Abb. 11) anstatt einer Vollver-siegelung durch Asphalt kann der Ver-siegelungsgrad der Böden verringertwerden.

Im Rahmen der Baumaßnahmenkönnen Beeinträchtigungen des stand-örtlichen Bodentyps vermieden wer-den, wenn so wenig Bodenauftrag bzw.-abtrag wie möglich durchgeführt wird.Ein Boden schonender Bauablauf kannBodenschadverdichtungen vermeidenhelfen. Der Befahrungszeitraum solltesich an den aktuellen Witterungsbedin-gungen orientieren (z.B. keine Befah-rung bei wassergesättigten Böden).Durch entsprechende Maßnahmen zumErosionsschutz lässt sich Bodenabtraginfolge von Baumaßnahmen verhin-dern. Der Eintrag von Schadstoffen inden Boden kann durch die Anwendungumweltneutraler Baustoffe, Bodenschonender Pflegemaßnahmen (z.B.

Gunreben – Die Berücksichtigung des Bodenschutzes in der Bauleitplanung

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Abb. 5: Berücksichtigung der Bodengüte im Rahmen der Bauleitplanung (Quelle: Dahlmannet al. 2004, verändert).

Abb. 6: Berücksichtigung der relativen Bindungsstärke des Oberbodens für Schwermetalle imRahmen der Bauleitplanung (Quelle: Dahlmann et al. 2004, verändert).

Page 27: Muster f. Umbruch

Verzicht auf Streusalz) sowie Anlagevon Schutzpflanzungen verringertwerden.

4.2 Bodenbezogene Maßnahmen zum Ausgleich von Boden-beeinträchtigungen

Als bodenbezogene Ausgleichsmaß-nahmen für Planungen und Maßnah-men, die das Schutzgut Boden nachtei-lig beeinflussen, kommen insbesonderein Betracht (vgl. hierzu u.a.: Dahlmannet al. 2003):

Entsiegelung von Böden:Für Maßnahmen und Planungen, durchdie Böden neu versiegelt werden, istgrundsätzlich aufgrund der Schwereder Beeinträchtigung die Entsiegelungvon Böden an anderer Stelle zu fordern.Dies kann der Rückbau von Bodenver-siegelungen (vollständige Entsiege-lung) oder auch eine Teilentsiegelungdurch einen Belagwechsel (z. B. durchdie Verwendung wasserdurchlässigerBeläge) sein.

Abtrag von Bodenüberformungen:Eine naturnahe Bodensituation kannwiederhergestellt werden, in dem tech-nogene Aufschüttungen wieder ent-fernt bzw. zurückgebaut werden. Im

Rahmen dieser Rückbaumaßnahmen istdie Freilegung des ursprünglichen Pro-fils mit den standorttypischen Boden-funktionen anzustreben.

Auftrag von standortgemäßemBodenmaterial:Bei Böden, die aufgrund eines anthro-pogenen Abtrages von (zumeist wert-vollem) Oberbodenmaterial negativ be-einflusst worden sind, bietet sich derAuftrag von standortgemäßem Boden-material an. Dadurch kann das ur-sprünglich am Standort vorhandene Bo-denprofil mit seinen Bodenfunktionenggf. wiederhergestellt werden.

Bodenlockerung verdichteter Böden:Bei Böden, die durch die Bewirtschaf-tung oder durch Baumaßnahmen eineSchadverdichtung aufweisen, kann eineBodenlockerung zur Wiederherstellungbzw. Stärkung der natürlichen Boden-funktionen führen. Hierdurch könneninsbesondere die natürliche Boden-fruchtbarkeit und der Wasserhaushaltim Boden verbessert werden.

Wiederherstellung des Bodenwasser-haushalts:Wenn in Böden der natürliche Wasser-haushalt beeinträchtigt wurde (z.B.durch Entwässerungsmaßnahmen bei

Gunreben – Die Berücksichtigung des Bodenschutzes in der Bauleitplanung

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Abb. 8: Bodenkundliche Profilansprache(Bilder: Engel & Mithöfer).

Abb. 9: Brachflächenrecycling am Beispiel derNachnutzung einer Möbelfabrik – vorher –(Bild: Landkreis Nienburg).

Abb. 10: Brachflächenrecycling am Beispielder Nachnutzung einer Möbelfabrik – nach-her – (Bild: Landkreis Nienburg).

Abb. 11: Wassergebundene Decke im öffent-lichen Grün (Bild: Gunreben).

Abb. 7: Ausschnitt aus der Karte der schutzwürdigen Böden (Kartenserver LBEG).

Page 28: Muster f. Umbruch

grundwasserbeeinflussten Böden oderVernässungen bei grundwasserfernenStandorten), bietet es sich an, den ur-sprünglich am Standort vorhandenenWasserhaushalt soweit möglich wieder-herzustellen. Dies kann z.B. durch dieWiedervernässung von melioriertenStandorten oder die Entwässerungtechnogen vernässter Bodenstandortegeschehen.

Nutzungsextensivierungen und -änderungen:Hierunter fallen sowohl Maßnahmender konservierenden Bodenbearbei-tung (z.B. Mulchsaat, Direktsaat) alsauch Maßnahmen aus dem Arten- undBiotopschutz, wenn sie zu einer Verbes-serung der natürlichen Bodenfunktio-nen führen. Nutzungsänderungen (z.B.die Umwandlung von Acker- in Grün-land) können ggf. zu einer Verminde-rung des nutzungsbedingten Schad-stoff- und Nährstoffeintrages führenund die Bodenerosion vermindern.

Beseitigung von Bodenverun-reinigungen:Zum Ausgleich von Schadstoffeinträgendurch geplante Nutzungen kann auchdie Beseitigung bzw. Verminderung vonbereits vorhandenen Bodenkontamina-tionen durchgeführt werden (z.B. Sa-nierungsmaßnahmen).

5 Zusammenfassung

Für einen wirkungsvollen Schutz unbe-bauter Böden vor einer Flächeninan-spruchnahme für Siedlungs- und Ver-

kehrsflächen ist die Berücksichtigungdes vorsorgenden Bodenschutzes in derBauleitplanung von zentraler Bedeu-tung. Im Beitrag werden die gesetz-lichen Grundlagen aus dem Baurechtund aus dem Bodenschutzrecht darge-stellt und aufgeführt, welche Bodenda-ten für die Berücksichtigung bei derBauleitplanung relevant sind. Gezeigtwird, welche bodenbezogene Maßnah-men zur Vermeidung und Verringerungvon nachteiligen Auswirkungen auf dieBöden in Frage kommen und welcheAusgleichsmaßnahmen durchgeführtwerden können.

Summary

Effective protection of non built-up soils in urban land use planning pre-vents land consumption. The article gi-ves a review on the legal bases and iden-tifies the soil data necessary to be consi-dered in the planning process. Measures are specified to avoid damage of the soil and compensatory measures arepresented.

Literatur

Bundesverband Boden (Hrsg., 2001): Bo-denschutz in der Bauleitplanung. –BVB-Materialien, Band 6. Berlin.

Gunreben, M. & J. Boess (2003): Schutz-würdige und schutzbedürftige Bö-den in Niedersachsen. NachhaltigesNiedersachsen, Heft 25. Hildesheim.

Dahlmann, I. et al. (2003): Bodenbe-zogene Ausgleichs- und Ersatzmaß-nahmen in der Bauleitplanung. Vor-

schläge des Bundesverbandes Bo-den, Fachausschuss 3.1 „Bewertungvon Böden in der Bauleitplanung“.In: Rosenkranz / Einsele / Harreß(Hrsg.): Bodenschutz – ErgänzbaresHandbuch der Maßnahmen undEmpfehlungen für Schutz, Pflegeund Sanierung von Böden, Land-schaft und Grundwasser. 7360(37. Lieferung). Berlin.

Dahlmann, I., Hernandez Diaz, T. & J.Schneider (2004): Vom Brachflä-chenkataster zum Flächenmanage-ment. Nachhaltiges Niedersachsen,Heft 29. Hildesheim.

Schneider, J., Kunzmann, S. & F. Raecke(2000): Bereitstellung von Bodenda-ten für die Bauleitplanung. Arbeits-hefte Boden, Heft 2000/2. Hannover.

Anschrift der Verfasserin:

Dr. Marion Gunrebenehemals Referat „Landwirtschaft undBodenschutz, Landesplanung“Landesamt für Bergbau, Energie undGeologie Stilleweg 230655 [email protected]

Gunreben – Die Berücksichtigung des Bodenschutzes in der Bauleitplanung

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Page 29: Muster f. Umbruch

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NNA-Berichte 1/2009

1 Einleitung

Jedes raumwirksame planungsrechtli-che Verfahren hat heute den Boden zubeachten. Der vorsorgende Boden-schutz ist Bestandteil des Bundes-Bo-denschutzgesetzes (BBodSchG 1998),des EuroparechtsanpassungsgesetzesBau (EAG-Bau 2004), des Baugesetzbu-ches (BauGB 2004) und des Niedersäch-sischen Naturschutzgesetzes (NNatG2004). Im Vordergrund des vorsorgen-den Bodenschutzes stehen beimBBodSchG vorrangig die natürlichenBodenfunktionen und die Archivfunk-tion. Die Stadt Osnabrück hat sich aufdem Gebiet des Bodenschutzes bis 2006im Wesentlichen auf den nachsorgen-den Bodenschutz konzentriert. Hierzugehörte die intensive Beschäftigung mitder Altlastenfrage und der Ver- und Ent-siegelung (Greiten 2004).

Im Rahmen von Planungsverfahren(Flächennutzungs- und Bebauungsplan)konnte der Bodenschutz bisher nur aufdie Darstellung der „wichtigen Boden-bereiche“ im Landschaftsrahmenplan(Büro für Landschaftsplanung 1992) zu-rückgreifen. Als weitere Datengrund-lage für die Darstellung und zum Teil fürdie Bewertung der Böden sowie derenFunktionen und Empfindlichkeit kannin der Regel auf Materialien des Nieder-sächsischen Bodeninformationssystems(NIBIS, LBEG 2009a) zurückgegriffenwerden. Für den Außenbereich sindflächendeckende Bodeninformationenin digitaler Form vorhanden (1:25.000).Das Stadtgebiet selbst wird von diesenBodenkarten nicht erfasst. Hier werdenstattdessen die Daten der Bodenüber-sichtskarte 1:50.000 (LBEG 2009b) ver-wendet. Entsprechend generalisiert undungenau waren die Aussagen und Ab-grenzungen bei Planungen auf denMaßstabsebenen von1:5.000 bis1:10.000.

Kennzeichnend für Stadtböden sindaber die kleinen Flächen und plötzlich

auftretenden Übergänge verschiedenerNutzungen sowie Bodenarten.

In wenigen Einzelfällen liegen fürdiese Fälle Informationen aus Gutachtenund speziellen Kartierungen (Grund-wasserinformationssystem, Altlasten-kartierung, Baugrunduntersuchungen,Versickerungsgutachten etc.) vor.

Um den Boden im Abwägungspro-zess der Bauleitplanung besser beurtei-len zu können und ihm einen gleichran-gigen Stellenwert zu den Umweltme-dien Luft und Wasser zu verschaffen,reichen diese großmaßstäblichen Un-tersuchungen aber i.d.R. nicht aus. Zieldes Bodenschutzes auf kommunalerEbene sollte es daher sein, den Boden-verbrauch messbar, beurteilbar undsteuerbar zu machen.

Das am 20. Juli 2004 in Kraft getre-tene Gesetz zur Anpassung des Bauge-setzbuches an EU-Richtlinien (Europa-rechtsanpassungsgesetz Bau, EAG-Bau2004) fordert zudem den sparsamenUmgang mit dem Boden. Es wird unter-stellt, dass die Kommunen über einetaugliche Planungsgrundlage zur Bo-denqualität verfügen. Weitere Voraus-setzung ist, dass die Kommunen denBodenverbrauch steuern können undkonkrete Vorstellungen haben, nachwelchen Gesichtspunkten gesteuertwerden soll. Beides bedarf eines Bewer-tungssystems, das die lokalen Besonder-heiten berücksichtigt.

Diese Umstände veranlassten dieStadt Osnabrück (Fachbereich Umwelt)zusammen mit der FachhochschuleOsnabrück 2006 einen Bodenkartier-schlüssel zur Bewertung der speziellenBodensituation in Osnabrück zu ent-wickeln (Meuser & Greiten 2006).

Mittlerweile konnten mit diesem In-strument ca. 15 potenzielle Bauflächenuntersucht und beurteilt werden.

Da die Stadt Osnabrück für Aus-gleichs- und Ersatzmaßnahmen die Be-wertungsmethodik nach Breuer (1994,

2006) anwendet, die insbesondere den„wichtigen Böden“ eine besondereStellung im Modell beimisst, ist es erfor-derlich, die Wertigkeit der Böden zu be-stimmen (vgl. den Beitrag von W. Breuerin diesem Heft). Zwar ist nach demBauGB (2004) die Abwägung der Bo-denbelange erforderlich, aber durch diebesondere Bedeutung der „wichtigenBöden“ bei den Ausgleichsmaßnahmenwurde in der kommunalen Praxis demBoden eine höhere Bedeutung beige-messen.

2 Anforderungen an dieEntwicklung einer Methodik

2.1 Bedingungen für ein Bewertungs-system in der kommunalen Praxis

Soll das Bewertungssystem in der kom-munalen Praxis Erfolg haben, muss esden Entscheidungsträgern Kriterien zurVerfügung stellen, mit denen sie � die Qualität der Böden in der Fläche, � den Bodenverbrauch in Menge undGüte und � den Unterschied zwischen schützens-werten und „bebaubaren Böden“ beur-teilen können � und das System im Ergebnis einfachzu verstehen ist.

Gleichzeitig muss das System einerfachlichen Beurteilung Stand haltenund hierfür folgende Anforderungenerfüllen: � alle 24 Bodenteilfunktionen nachBBodSchG sind abzubilden und zu be-werten,� die Bewertung muss nachvollziehbarsein,� neben den Böden im Außenbereichmüssen die Stadtböden berücksichtigtwerden,� die spezifische Situation in Osna-brück muss Berücksichtigung findenund� die Maßstabsebene sollte 1:500 bis1:5.000 sein.

Weitere Rahmenbedingungen ent-standen aus der praktischen kommuna-len Arbeit heraus: � Reduzierung des Kartieraufwandesauf das notwendige Maß, � Reduzierung der Untersuchungskos-ten (max. 5.000 € pro Fläche), � Einbeziehung von vorhandenenFachinformationen aus anderen Berei-chen (Naturschutz, Wasserbehörde, Alt-lastenbereich etc.)

Die Bewertung der Bodenfunktionen inder kommunalen Praxisvon Ulrich Greiten

Schlüsselwörter: kommunale Praxis, vorsorgender Bodenschutz, Bodenbewertung,BauleitplanungKeywords: municipal practice, precautionary soil protection, soil evaluation, urbanland-use planning

Page 30: Muster f. Umbruch

� Schnell durchführbare Untersuchun-gen und� Eignung zum Aufbau eines/einer Bo-denkatasters/-karte.

Letztere Kriterien waren erforder-lich, damit auch eine schrittweise Ein-führung des neuen Bewertungs- undBeurteilungssystems Erfolg hat.

2.2 Erfassung der Parameter zurBewertung der Bodenfunktionen

Am Anfang stand die Idee, möglichstviele der Bewertungsparameter aus denbestehenden Daten (Gutachten zur Ver-sickerungsfähigkeit des Bodens, Biotop-bestimmungen etc.) und der Boden-karte 1:25.000 herauszufiltern und denUntersuchungsaufwand auf ein Mini-mum zu beschränken. Leider liegennicht für alle gewünschten Parameter(s. Kap. 2.3.) genügend Gutachten vorund die digitale Bodenkarte spiegeltkleinräumige Besonderheiten nicht wi-der. Dies konnte auch durch Metho-den vergleichende Untersuchungen imRaum Osnabrück (Meuser & Greiten2006, S. 12ff) deutlich gemacht werden.Weiterhin sind auch anthropogeneEingriffe in der digitalen Bodenkartenicht in ausreichendem Umfang und dernotwendigen Aktualität verzeichnet.Die Bodenkarten aus kleinmaßstäb-lichen Kartierungen (z.B. Bodenkarte1:50.000) sind erst recht bei einem Maß-stabswechsel mit nicht tolerierbarenFehlern behaftet (Hochfeld et al. 2003).Folglich ist eine bodenkundliche Feld-untersuchung unumgänglich. Auch da-rauf muss die Parameterauswahl abge-stimmt werden.

2.3 Auswahl der Parameter

Bodenbewertungsverfahren stellen ei-nen Kompromiss zwischen der Forde-rung nach fachlicher Richtigkeit, Voll-ständigkeit und Differenzierungsfähig-keit einerseits und den Anforderungenan die Praktikabilität andererseits dar.Grundsätzlich gilt, dass ein Bewertungs-system für alle Bodenzustände des Gel-tungsraums (Flächennutzungen) an-wendbar sein muss (allgemeingültigeAnwendbarkeit). Alle verwendeten Me-thoden, auch zur Ableitung von not-wendigen Hilfsparametern, müssennachvollziehbar sein. Bei gängigen Me-thoden kann auf Standardwerke ver-wiesen werden (z.B. Ad-hoc-Arbeits-

gruppe Boden 2005); alle anderen Me-thoden bzw. Teilmethoden sollten imBewertungsverfahren wiedergegebensein (Reproduzierbarkeit, Transparenz).Diese Anforderungen sind generell zustellen, da das Verfahren von unter-schiedlichen Personen mit möglichstgleichem Ergebnis durchgeführt werdensoll und damit eine weitgehende Objek-tivität der Bewertungsergebnisse zu ge-währleisten ist (Hochfeld et al. 2003).

Wichtig ist auch, dass grundsätzlichbei allen (Teil)flächen alle Bodenfunk-tionen bewertet werden können.

Es sollten fachlich begründete undstandardisierte Parameter zur Ermitt-lung der Bodenfunktionen benanntwerden. Der Aufwand zur Erhebung derParameter sowie zur Ermittlung desBewertungsergebnisses muss für alle zubetrachtenden Flächen in einem ver-nünftigen Verhältnis zum Aufwand ste-hen (Praktikabilität) (v. Held & Mueller2001).

Dabei ist Genauigkeit bei der Para-metererfassung gefragt. Wie sich beider Anwendung von Auswertungsme-thoden gezeigt hat, kann beispielsweiseeine abweichende Bewertung der Bo-denart (mittel statt schwach lehmigerSand) zu signifikant anderen Ergebnis-sen führen (v. Held & Mueller 2001).

Bei einigen Bodenfunktionen ist die Parametrisierung problematisch. ImRahmen einer funktionalen Bodenbe-wertung ist beispielsweise die flächen-hafte Erfassung der Vorräte und derVerfügbarkeit aller Nährstoffe nichtmöglich. Alternativ kann der Aspekt der Nährstoffversorgung über andereParameter wie die potenzielle Katio-nenaustauschkapazität bewertet wer-den (Hochfeld et al. 2003).

Für die Beurteilung aller Boden-funktionen müssen Parameter oder Er-satzkriterien zur Beurteilung gefundenwerden.

Für die in Kap. 2.1 genanntenRahmenbedingungen wurden die inTabelle 1 aufgelisteten erforderlichen23 Parameter zur Bewertung aller Bo-denfunktionen herausgearbeitet. Diefachliche Begründung ist in Meuser &Greiten (2006) nachlesbar.

Die Schadstoffproblematik wurde indas Konzept nur optional aufgenom-men. In der Regel ist die Altlastenver-dachtsproblematik für Altablagerun-gen und Altstandorte sowie erfassteAltlasten in Osnabrück gut bekannt und

nur ein Abgleich mit diesem Kataster er-forderlich. Treten während der Kartie-rungen zusätzliche Verdachtsmomenteauf, sollte die in Tabelle 1 mit * ge-kennzeichnete Analytik durchgeführtwerden.

Die Felduntersuchung muss von ei-nem/r Bodenkundler/in durchgeführtwerden. Die dargestellte Parameterlistespiegelt indirekt auch weitestgehenddie Bedeutung bestimmter Böden fürden Klimaschutz wider. Die Diskussionüber Böden als Kohlenstoffsenke wurdeerst in den letzten beiden Jahren ver-stärkt geführt. Betrachtet man aber dieBewertung im Ergebnis, so ist erkenn-bar, dass Böden mit hohen Kohlenstoff-vorräten wie z.B. Gleye/Pseudogleye ineine hohe Bewertungsstufe und somitunter die besonders zu betrachtendenBöden fallen.

2.4 Bewertungsmatrix

Zur Bewertung der Bodenfunktionenhaben sich in der Planungspraxis fünfKlassen sowohl als praktikabel als auchals ausreichend differenzierend erwie-sen („sehr hoch – hoch – mittel – gering– sehr gering“).

Da auch innerhalb der fünfstufigenKlasse erhebliche Spannweiten desErfüllungsgrads der Bodenfunktionenauftreten, ist zu berücksichtigen, dassim Einzelfall ein Eingriff eine deutlicheÄnderung einer Parameterausprägungbewirken kann, ohne dass sich dies inder Änderung einer Wertstufe einer Bo-denfunktion abzeichnet. Andererseitskann in Grenzfällen eine geringe Ver-änderung bei einem Parameter bereitseinen Klassenwechsel bedingen. Dies istaber das generelle Problem jeder Klas-senbildung (Hochfeld et al. 2003).

Um eine Differenzierung der Aus-prägungen von Parametern zu errei-chen, sollte gegebenenfalls in solchenFällen eine Spreizung relevanter Bewer-tungsergebnisse über alle fünf Wertstu-fen hinweg erfolgen, damit keine der 5Klassen unbesetzt ist (Jessel et al. 2001).

Die Kategorisierung der Bodenfunk-tionen ist in Hinblick auf die Baugrund-funktion folgendermaßen zu definieren:

Stufe1: Vorzugsstandort für die Bebau-ung. Es sind keine besonderen Auf-lagen zur Vermeidung von Boden-beeinträchtigungen und keine Kom-pensationsmaßnahmen notwendig.

Greiten – Die Bewertung der Bodenfunktionen in der kommunalen Praxis

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Page 31: Muster f. Umbruch

Stufe 2: Vorzugsstandort für die Be-bauung. Nur wenige Auflagen zurVermeidung von Bodenbeeinträch-tigungen sind erforderlich. Kom-pensationsmaßnahmen sind nichtoder nur in geringem Umfang not-wendig.

Stufe 3: Standort ist für die Bebauungakzeptabel. Einige Auflagen zurVermeidung von Bodenbeeinträch-tigungen und Kompensationsmaß-

nahmen in nennenswertem Umfangsind notwendig.

Stufe 4: Standort ist für eine Bebauungnicht akzeptabel. Viele Auflagen zurVermeidung von Bodenbeeinträch-tigungen und Kompensationsmaß-nahmen in hohem Umfang sind not-wendig.

Stufe 5: Standort ist für eine Bebauungnicht akzeptabel. Sehr viele Aufla-gen zur Vermeidung von Bodenbe-

einträchtigungen und Kompensa-tionsmaßnahmen in sehr hohemUmfang sind notwendig.

2.5 Hierarchisierung derBodenfunktionen

Die oben dargestellte Bodenfunktions-bewertung wurde in Osnabrück an 5unterschiedlichen Baugebieten getestetund optimiert. Bei den Arbeiten wurdedann deutlich, dass ohne eine gewisseHierarchisierung (Priorisierung der Bo-denfunktionen) des Bewertungsschlüs-sels das Bewertungssystem für die Bau-leitplanung nicht auskommt. Zum Bei-spiel wurde ein 26 ha großes Plangebietunter bodenkundlichen Aspekten in13 Teilflächen aufgeteilt. Für jede dieserTeilflächen sind 24 Bodenfunktionenbewertet worden. Demzufolge lagen312 Einzelbewertungen vor, die die Stu-fen 1 bis 5 (sehr gering bis sehr hoch) ab-deckten. Man kann sich vorstellen, dassdies nicht zur Vereinfachung der Be-wertung führt und mehr Fragen auf-wirft als beantwortet. Insbesonderewird hierdurch die Nachvollziehbarkeitfür die Planer und Entscheidungsträgernicht erhöht.

Beim Verzicht auf eine Wichtung derBodenfunktionen führt die Vielzahl derEinzelfunktionen dazu, dass alle Stand-orte gleich bedeutend sind, weil in je-dem Einzelfall sowohl höhere Wertstu-fen als auch geringere Wertstufen er-zielt werden. Letztendlich würde danndas Umweltmedium Boden sogar an Be-deutung verlieren, da alle Standorte ins-gesamt in der Tendenz gleichwertig er-scheinen (LfU Sachsen-Anhalt 1998).

In Osnabrück wurde die Wichtungnach Gewichtungsstufen vorgenom-men (Meuser & Greiten 2007). Damitfolgt Osnabrück grundsätzlich dem vonder Bund/Länder-ArbeitsgemeinschaftBoden (LABO) empfohlenen und vomLand Niedersachsen ebenfalls akzep-tierten Weg.

Zunächst wurde ermittelt, welcheTeilfunktionen für das Stadtgebiet vonbesonderer Bedeutung sind. Die Teil-funktionen wurden in 3 Gewichtungs-gruppen A – C eingestuft:

Stufe A: hohe Relevanz für den Boden-schutz in Osnabrück; eine funktio-nale Bewertung im Rahmen der Bau-leitplanung sollte in jedem Fall er-folgen.

Greiten – Die Bewertung der Bodenfunktionen in der kommunalen Praxis

30

Tab.1: Liste der erforderlichen Parameter für die Bodenfunktionsbewertung.

Parameter Vorgehensweise

Textur Anhang A 1 °

Grobbodenanteil (Skelettgehalt, Anteil technogenerSubstrate)

Anhang A 2 °

Lagerungsdichte Anhang A 3 °

Effektive Durchwurzelungstiefe (We) Anhang A 4a und b °

Humusgehalt Anhang A 5 °

Substanzvolumen von Torfen Anhang A 6 °

Zersetzungsgrad von Torfen Anhang A 7 °

Carbonatgehalt Anhang A 8 °

Nutzbare Feldkapazität (nFK), Feldkapazität (FK), Luft-kapazität (LK)

Anhang A 9a bis d °

Gesättigte Wasserleitfähigkeit (kf-Wert) Anhang A 10a bis c °

Potenzielle Kationenaustauschkapazität (KAKpot),effektive Kationenaustauschkapazität (KAKeff)

Anhang A 11 °

Humusform Anhang A 12 °

Bodennutzung / Vegetation Anhang A 13 °

Versiegelungsgrad Anhang A 14 °

Meliorationsmaßnahmen Anhang A 15 °

Bodenfarbe KA 5 (Munsell – Farb-tafeln)

Gefügeform KA 5

Bodenfeuchte KA 5

Bodentyp / Horizontierung KA 5

pH-Wert Analytik (Feld)

Salzgehalt (EC-Wert) Analytik (Feld)

(Halb)metalle As, Cd, Cr, Hg, Ni, Pb, Zn Analytik (Labor) *

Organische Stoffe (PAK, PCB) Analytik (Labor) *

Lösliches Phosphat: P (CAL) Analytik (Labor) *

Gesamtgehalt Kohlenstoff (C), Stickstoff (N) Analytik (Labor) *

Ausgangsgestein Auswertung Geologi-sche Karte

Hangneigung, -länge und -exposition Auswertung DGK 5oder TK 25

* Bestimmung optional bzw. Ableitung aus bereits bestehenden Gutachten zur Altlasten-problematik, falls vorhanden° Anhang A1 – A15 s. S.146ff (Meuser & Greiten 2006) u. KA5 (Ad-hoc-Arbeitsgruppe Boden2005).

Page 32: Muster f. Umbruch

Stufe B: mittlere Relevanz für den Bo-denschutz in Osnabrück; eine Einbe-ziehung im Rahmen der Bauleitpla-nung ist sinnvoll, kann aber in derGesamtbewertung nur untergeord-net Einfluss nehmen.

Stufe C: i.d.R. geringe Relevanz für denBodenschutz in Osnabrück; eine Ein-beziehung dieser Teilfunktionensollte nur fallbezogen nach gutach-terlicher Begründung erfolgen.

In Tabelle 2 ist die Einordnung der Bo-denteilfunktionen in die einzelnen Stu-fen dargestellt. Exemplarisch sol-len hier 3 Teilfunktionen in der Be-gründung ihrer Einteilung dargestelltwerden.

2.5.1 Lebensgrundlage Mensch

Die eigentlich wichtige Funktion „Le-bensgrundlage für den Menschen“wurde im Osnabrücker Konzept in dieunbedeutendere Stufe C eingeordnet.Eine sichere Lebensgrundlage für denMenschen bietet der Boden nur bei ge-

ringen Schadstoffgehalten. In der Regelsind auch im urbanen Raum für dieseTeilfunktion die Gehalte der human-toxikologisch relevanten Schadstoffpa-rameter von Bedeutung (Hochfeld et al.2003). Da die Schadstoffgehalte aberbereits bei anderen Bodenbewertun-gen in Osnabrück, die im Rahmen derBauleitplanung stattfinden (Altlasten-verdacht, Altlastenflächen), ausrei-chend berücksichtigt werden, ist dieBewertung der Teilfunktion „Lebens-grundlage für den Menschen“ im Rah-men der Bodenfunktionsbewertungnicht erneut erforderlich. In der Ge-samtabwägung zum Bebauungsplanfließt dieser Aspekt aber auch mit ein.

2.5.2 Kulturgeschichtliche Bedeutung

Die Teilfunktion „Archiv der Kultur-geschichte“ wird in Stufe C eingeord-net, da die hier relevanten Standortekein Flächenpotenzial aufweisen undSchutzmechanismen bereits durch an-dere Faktoren, die in die Bauleitpla-nung einfließen (Denkmalschutz), ab-

gedeckt sind. Zudem sind die schützens-werten Objekte entweder sehr kleinflä-chig (z.B. Östringer Steine), linear aus-gebildet (z.B. Landwehr Eversburg)oder für eine Bebauung als Tabuflächeneinzustufen (z.B. alter Hasefriedhof).Schützenswerte Standorte wie Plaggen-esche werden bereits über die Teilfunk-tion Archiv der Naturgeschichte (Rege-nerierbarkeit) in Stufe A ausreichendberücksichtigt, wenn der Bodentyp alsErfassungsparameter verwendet wird.

2.5.3 Lebensgrundlage für Pflanzenund Tiere

Diese Teilfunktion entspricht dem Bio-topentwicklungspotenzial des Standor-tes. Sie korrespondiert mit den nachBNatSchG zu bewertenden Kriterien fürPflanzen und Tiere, die im Abwägungs-prozess der Bauleitplanung hohe Be-deutung haben. Besonderes Augen-merk wird auf Extremstandorte gelegt,die zugleich die meisten gefährdetenArten beherbergen; insofern stellt dieBewertung dieser Bodenfunktion aucheine Hilfestellung für den Naturschutzdar. Sie unterstützen sich in ihrer Be-deutung gegenseitig. Beispielsweise istein sich entwickelndes potenzielles„§ 28a-Biotop“ (n. BNatSchG) für sichallein über das Naturschutzgesetz nochnicht geschützt, kann aber durch dieBodenbewertung in seiner Bedeutungsteigen. Es gibt jedoch auch Abwei-chungen, wenn bei der Bewertung die-ser Bodenteilfunktion neben den bo-denkundlichen Standortbedingungen(Nährstoffe, Wasserhaushalt etc.) auchdie Naturnähe des Bodens (Hemerobie-grad, anthropogene Störung des Bo-dens) einbezogen wird. In urban ge-prägten Räumen ist die Verknüpfungvon Biotop-Entwicklungspotenzial undGrad der Naturnähe für diese Teilfunk-tion unabdingbar. Widersprüche zwi-schen der Bewertung der Standortfunk-tion für die Vegetation und für die Bo-denfunktionen können dann jedochauftreten. In Osnabrück, mit einem ho-hen Anteil anthropogener Böden (Kul-tosole, Deposole), muss diese Bodenteil-funktion in jedem Fall starke Berück-sichtigung (Stufe A) finden.

Weitere Begründungen für die Zu-ordnung der Bodenteilfunktionen inGewichtungsstufen sind in Meuser &Greiten 2007 und Greiten & Meuser2009 (im Entwurf) nachzulesen.

Greiten – Die Bewertung der Bodenfunktionen in der kommunalen Praxis

31

Tab. 2: Einteilung der Bodenteilfunktionen nach Gewichtungsstufen (Meuser & Greiten 2007).

Gewichtungsstufe Bodenteilfunktion

Stufe A Lebensgrundlage für Pflanzen und TiereBestandteil des Naturhaushalts (Ausgleichskörper imWasserhaushalt)Seltenheit von Böden Naturnähe von Böden Regenerierbarkeit von BödenLand- und forstwirtschaftliche Ertragsfähigkeit

Stufe B Lebensgrundlage für Bodenorganismen (bodenbiologischeAktivität)Filtereigenschaften für grobdisperse StoffeFilter- und Puffereigenschaften für SchwermetalleRückhaltevermögen für nicht sorbierbare StoffeEignungsfähigkeit für die Niederschlagswasserversickerung

Stufe C Lebensgrundlage für den Menschen Bestandteil des Naturhaushalts (Nährstoffkreislauf)Filter- und Puffereigenschaften für organische SchadstoffePuffereigenschaften gegenüber SäurenStoffumwandlungseigenschaften organischer SchadstoffeKulturgeschichtliche BedeutungEignung als RohstofflagerstätteEmpfindlichkeit gegenüber Wassererosion und Ver-schlämmungEmpfindlichkeit gegenüber Deflation (Auswehung,Verwehung)Empfindlichkeit gegenüber VerdichtungBaugrundeignung Wiederverwertbarkeit von Aushubmaterial

Page 33: Muster f. Umbruch

2.6 Bewertungsmodell für dieanschließende Bodenfunktions-bewertung

Abschließend wird nach den Arbeits-schritten der Kartierung von etwa 36Parametern pro Teilfläche (s. Kap. 2.3),der Beurteilung der 24 Bodenteilfunk-tionen in 5 Bewertungsstufen (s.Kap. 2.4) und der Hierarchisierung/Priorisierung der Bodenteilfunktionen(s. Kap. 2.5) eine endgültige Bodenbe-wertung (Tab. 3), die pro Teilfläche nurnoch die Einstufung nach 5 Bewer-tungsstufen besitzt, durchgeführt.

Betrachtet man nun theoretisch eineFläche, die z.B. bei den Bodenfunktio-nen „Seltenheit“ und „Lebensgrund-lage für Pflanzen und Tiere“ jeweils inder Bewertungsstufe 3 (mittel) einge-stuft wurde und ansonsten nur Bewer-

tungen der Stufe 2 erhielt, ist dieser Bo-den erst einmal als mittelwertig zu be-werten und somit für Bebauung akzep-tabel (s. Kap. 2.4). Hat dieser Boden aberdann noch bei den Teilfunktionen derStufe B, z.B. bei der „Lebensgrundlagefür Bodenorganismen“ und der „Eig-nung für Niederschlagsversickerung“eine sehr hohe Bewertung (Stufe 5),wird die Gesamtbewertung um 1 Stufeerhöht und liegt dann bei dieser Flächein der Bewertung bei Stufe 4 (hoch) undist somit nicht mehr für die Bebauungakzeptabel (s. Kap. 2.4.).

Zum Schluss liegt für jeden auf denersten Blick ein Ergebnis vor, das einfachzu erfassen ist, aber in jedem Fall nach-vollziehbar und begründet ist.

Der Rat der Stadt Osnabrück hat am8. Juli 2008 einstimmig beschlossen, dasszukünftig bei der Aufstellung und Än-

derung von Bebauungsplänen die„Künftigen ökologischen Standards inder Bauleitplanung“ im Regelfall ange-wendet werden. Hierzu gehört auch diePrüfung der Böden nach dem „Kartier-und Bewertungsschlüssel für die Boden-funktionen in Osnabrück“ (Meuser &Greiten 2006).

3 Verknüpfung der Bewertungmit der Eingriffsregelung

Nach der so vorgenommenen Bewer-tung der Bauflächen ist dem Boden eineeindeutige Bewertung zugeordnet.Sollte diese Bewertung unter die Stufen4 bis 5 (hoch bis sehr hoch) fallen, ist ausBodenschutzsicht eine Bebauung nichtakzeptabel. Aber nicht immer lässt sichallein daraus der Verzicht auf Bebauungdurchsetzen, weil andere übergeord-nete Ziele im Abwägungsprozess Prio-rität haben.

In diesen Fällen folgt die Stadt Os-nabrück mit der Eingriffsregelung desBNatSchG dem Grundsatz nach entspre-chend der „Naturschutzfachlichen Hin-weise zur Anwendung der Eingriffsre-gelung in der Bauleitplanung“ (Breuer1994, 2006). Sie sehen für die Kompen-sation einer versiegelten Fläche das nu-merische Verhältnis 1:0,5 bzw. bei Bö-den mit besonderer Bedeutung 1:1 vor.Dem System nach Breuer trägt auch dieGesamtbewertung der Osnabrücker Bö-den Rechnung. Die „besondere Bedeu-tung“ erlangen Böden, wenn sie amEnde mit der Stufe 4 oder 5 (hoch bissehr hoch) bewertet wurden.

4 Praktische Erfahrungen in der Anwendung derBodenbewertung

Das Bewertungskonzept wurde schritt-weise eingeführt. In Abstimmung mitder Stadtplanung und den anderenFachdiensten des Fachbereiches Um-welt (Naturschutz, Wasserbehörde, Alt-lastenbereich etc.) wurde das Konzepterstellt. Hieran schloss sich eine Test-phase in 5 Baugebieten an. Diese erfolg-reichen Tests wurden dann vor einerersten Anwendung für einen Bebau-ungsplan im Bereich mit potenziell„wichtigen Böden“ (Landschaftsrah-menplan, 1992) ausgeweitet. Als nächs-ter Schritt wurde die Bewertung mit derEingriffsregelung verbunden. In derletzten Phase hat der Rat das Bewer-

Greiten – Die Bewertung der Bodenfunktionen in der kommunalen Praxis

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Tab. 3: Bewertungsmodell für die abschließende Bodenfunktionsbewertung in Osnabrück.

Bewertung der Teilfunktionen der Stufe A:1. Lebensgrundlage für Pflanzen und Tiere2. Ausgleichskörper im Wasserhaushalt 3. Land- und forstwirtschaftliche Ertragsfähigkeit4. Seltenheit des Bodens5. Naturnähe / Regenerierbarkeit des Bodens (Verknüpfungsmatrix)

(Meuser 2007)

Bedingung Bewertung Stufe

mindestens 1 x Bewertungsklasse 5 sehr hoch 5

mindestens 2 x Bewertungsklasse 4 hoch 4

1 x Bewertungsklasse 4odermindestens 2 x Bewertungsklasse 3

mittel3

1 x Bewertungsklasse 3odermindestens 2 x Bewertungsklasse 2

gering2

maximal 1 x Bewertungsklasse 2 sehr gering 1

Zusätzliche Bewertung der Teilfunktionen der Stufe B:1. Lebensgrundlage für Bodenorganismen2. Filtereigenschaften für grobdisperse Stoffe (Stäube)3. Filter- und Puffereigenschaften für Schwermetalle4. Rückhaltevermögen für nicht sorbierbare Stoffe5. Eignungsfähigkeit für die Niederschlagswasserversickerung

mindestens 2 Teilfunktionen Bewer-tungsklasse 5

Erhöhung der Gesamtbewertung umeine Stufe

Optionale Bewertung ausgewählter Teilfunktionen der übrigen 12 Teilfunktionen der Stufe C nach gutachterlicher Begründung

mindestens 2 x Bewertungsklasse 5 Erhöhung der Gesamtbewertung umeine Stufe

Page 34: Muster f. Umbruch

tungskonzept dann als Bestandteil der„ökologischen Bewertungskriterien inder Bauleitplanung“ beschlossen.

Mittlerweile konnten mit diesem In-strument 15 potenzielle Bauflächen mitca. 100 Teilflächen beurteilt werden. Sokonnte jedes Baugebiet gut nach derBedeutung der Böden differenziertwerden (s. Abb.1.) Die Baugebiete ha-ben eine Größe von 1 bis 45 ha. Die Kos-ten lagen zwischen 900 bis 5.500 € proBaugebiet. Die Bodenuntersuchungenwurden schnell (innerhalb eines Mona-tes) durchgeführt und führten zu keinerVerzögerung der Planungsmaßnahmen.

Von den 15 Anwendungsbeispielensind einige Baugebiete noch nicht reali-siert. Gleichwohl wurde bis heute durchdie differenzierte Bodenbewertungnoch kein Baugebiet „verhindert“. In4 Fällen konnten Teilflächen mit einerhohen Bedeutung für den Boden ausden Bebauungsplänen herausgenom-men bzw. als schützenswerte Freifläche/Biotop gesichert werden. Zum Teil wa-ren diese Flächen auch aus naturschutz-fachlicher Sicht bedeutend bzw. besit-zen ein hohes Entwicklungspotenzial.Es waren in allen Fällen die natur-schutzrechtlichen Argumente für denSchutz dieser Flächen allein nicht aus-reichend.

Das potenzielle Baugebiet in Abb.1zeigt die Differenzierbarkeit eines etwa45 ha großen Gebietes. Das Gebietwurde bodenkundlich in 13 Teilflächenunterteilt. Wohn-, Hof- und Friedhofs-flächen wurden nicht untersucht. Der-zeit ist geplant, das nördliche, nicht be-waldete Gebiet, das mit einer mittlerenBewertung versehen ist, zu bebauen.Der nordwestlich liegende Hofbereichwird derzeit noch nachkartiert.

5 Ausblick

Die Stadt Osnabrück wird weiter an derErstellung einer städtischen Boden-karte, der Beurteilung von Stadtbödenund der Überprüfung von Kompensa-tionsmaßnahmen aus Sicht des Boden-schutzes arbeiten.

6 Zusammenfassung

Mit dieser Vorgehensweise kann einegeordnete Bodenbewirtschaftung, mitwelcher die heutigen Bodenvorräte er-halten bleiben, verbindlicher als bisherangegangen werden. Gleichzeitig wird

dem EAG-Bau (2004) für die Verfahrenzur Bauleitplanung, die auch die quali-tative Komponente der Bodeninan-spruchnahme bewerten müssen, Rech-nung getragen.

Mit dem hier vorgestellten Kartier-schlüssel und Bewertungssystem kannauch eine Kartengrundlage geschaffenwerden, in der die qualitativen Boden-verhältnisse flächendeckend sowohl fürnaturnahe Böden im Außenbereich alsauch für Stadtböden im Innenbereichpraxistauglich aufbereitet und darge-stellt werden. Aus ihr lässt sich leicht ab-lesen, wie sich die Bodenqualität im Falleiner Planung ändert.

Das System ist mittlerweile erfolg-reich an vielen Flächen erprobt und zumTeil weiter verbessert worden. Dieschrittweise Einführung hat alle Betei-ligten langsam mit dem Verfahren ver-traut gemacht. Dies führt auch zu einerallgemeinen Akzeptanz bei allen Ak-teuren (Verwaltung, Politik und Inves-toren). Die Bewertung ist eingebettet in die allgemeine Umweltverträglich-keitsprüfung, liegt mit den Kosten z.T.deutlich niedriger als bei anderenUntersuchungen im Rahmen der Auf-stellung eines B-Plans und führt, außerbei Frost, auch zu keiner Verzögerungdes Planungsablaufes. Als Nächstesmuss das Verfahren noch intensiver füranthropogen überprägte Stadtbödengetestet werden. Gegebenenfalls sind

dann noch Konzeptanpassungen oder -erweiterungen notwendig.

Zusätzlich ist das Konzept zumschrittweisen Aufbau einer städtischenBodenkarte von hoher Bedeutung. Die-ses Bewertungssystem wurde auch zurÜberprüfung von Maßnahmen auf 4Kompensationsflächen in der Stadt Os-nabrück (Hase 2009) angewendet. Esstellte sich heraus, das auf 2 Flächen derBodenschutz keine ausreichende Be-rücksichtigung fand und die Kompensa-tionsziele nicht vollständig mit dem Bo-denschutz übereinstimmen bzw. der Bo-den für die angestrebte Kompensationnicht geeignet ist. Dies soll künftig vorAuswahl von Kompensationsflächenverstärkt Berücksichtigung finden.

Literatur

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BNatSchG (2004): Bundesnaturschutz-gesetz (2004): BGBl. I Nr. 22, S. 186ff.

Greiten – Die Bewertung der Bodenfunktionen in der kommunalen Praxis

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Abb. 1: Beispiel der Bodenbewertung eines potenziellen Baugebietes.

Page 35: Muster f. Umbruch

Breuer W. (1994, 2006): Naturschutz-fachliche Hinweise zur Anwendungder Eingriffsregelung in der Bauleit-planung, Hannover.

Büro für Landschaftsplanung (1992):Landschaftsrahmenplan Osnabrück,Osnabrück.

EAG-Bau (2004): Europarechtsanpas-sungsgesetz Bau. BGBl. Nr. 31,S. 1359ff.

Greiten, U. (2004): „Entsiegelung undRegenwasserversickerung am Bei-spiel der Stadt Osnabrück“. In localland & soil news, 9/1, Osnabrück.

Greiten, U. & Meuser, H. (2009): Boden-funktionsbewertung in Osnabrück,Osnabrück (unveröff., Entwurf).

Hase, M. (2009): Vergleichende Boden-funktionsbewertung auf bestehen-den Kompensationsflächen derStadt Osnabrück, Diplomarbeit, 68S., (unveröff.), Universität Osna-brück.

Held, G. v. & Mueller, K. (2001): Die EDV–gestützte Ausgrenzung potenziellbesonders schutzwürdiger Böden imLandkreis Osnabrück auf Basis der

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Hochfeld, B., Gröngröft, A. & Miehlich,G. (2003): Großmaßstäbliche Boden-funktionsbewertung für HamburgerBöden – Verfahrensbeschreibungund Begründung. Institut für Bo-denkunde Universität Hamburg.

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LBEG (2009a): Landesamt für Bergbau,Energie und Geologie: das Bodenin-formationssystem NIBIS [(14.06.09)www.lbeg.niedersachsen.de/master/C38061580_N38212487_L20_D0_I31802357.html].

LBEG (2009b): Landesamt für Bergbau,Energie und Geologie: Bodenkund-liche Übersichtskarte 1:50.000 vonNiedersachsen, Hannover.

LfU (1998): Landesamt für Umwelt-schutz Sachsen-Anhalt (1998): Bo-

denschutz in der räumlichen Pla-nung. Berichte des Landsamtes fürUmweltschutz, Heft 29, Halle.

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NNatG (2004): Niedersächsisches Natur-schutzgesetz: GVBl. Nr. 9, S. 417ff.

Anschrift des Verfassers:

Dipl.-Geophys. Ulrich GreitenStadt Osnabrück, Fachbereich Umwelt Postfach 4460 49034 Osnabrück [email protected]

Greiten – Die Bewertung der Bodenfunktionen in der kommunalen Praxis

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Page 36: Muster f. Umbruch

NNA-Berichte 1/2009

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1 Einleitung

Die Ausweisung von Neubaugebieten,großzügig geplante Gewerbeflächen inOrtsrandlagen sowie neue Einkaufszen-tren „auf der grünen Wiese“ haben inder Vergangenheit dazu geführt, dassimmer mehr Böden für Siedlungs- undVerkehrsflächen in Anspruch genom-men werden (Abb. 1).

Diese zunehmende Flächeninan-spruchnahme muss im Rahmen einer ander Nachhaltigkeit orientierten Raum-ordnungs- und Bodenschutzplanungdifferenziert bewertet werden: Neben

Folgen wie Freiraumzerschneidungen,erhöhte Anforderungen an die Mobi-lität durch weite Wege oder auch dieVerschlechterung der Lebensqualität inInnenstädten leiden vor allem die Bö-den an der zunehmenden Überplanungund Überbauung, da die Neuauswei-sungen zu einem großen Teil auf bisherlandwirtschaftlich genutzten Flächenstattfinden, deren Anteil stark zurück-geht (Abb. 2).

Nicht selten sind von dieser Flächen-inanspruchnahme wertvolle Böden be-troffen, die besonders fruchtbar unddamit auch besonders schutzwürdigsind (vgl. Gunreben & Boess 2003).

Eine gravierende Nebenwirkung der zunehmenden Flächeninanspruch-nahme ist die Versiegelung der Böden.Ca. 30–50% der Verkehrs- und Sied-lungsflächen sind jeweils versiegelt. Ins-gesamt sind in Niedersachsen bereitsmehr als 5 Prozent der Landesflächeversiegelt, wobei die höchsten Versie-gelungsgrade in den Ballungsgebietenliegen (Dahlmann et al. 2003). Mit derBodenversiegelung einher geht der Ver-lust eines der wertvollsten Umweltgü-

ter, nämlich des fruchtbaren Bodens.Die Böden sind unsere Lebensgrundlageund unser Lebensraum. Wir Menschenerzeugen dort unsere Nahrung, einGroßteil der Tiere lebt auf und in denBöden, und fast alle Pflanzen wachsenauf ihnen. Bei einer vollständigen Ver-siegelung gehen die natürlichen Boden-funktionen verloren, ein Gas- und Was-seraustausch mit der Atmosphäre findetnicht mehr statt, und die Böden könnendas versickernde Regenwasser nichtmehr filtern. Unter versiegelten Flächenist auch die Neubildung von Grundwas-ser behindert, weil die Niederschlägegrößtenteils durch die Kanalisation ab-geleitet werden. Dadurch kann dieHochwassergefahr steigen (Abb. 3).

Einmal überbauter Boden ist in sei-nen natürlichen Funktionen für Genera-tionen verloren: Es dauert in der Regel100–300 Jahre, bis 1 cm humosen Bo-dens neu entstanden ist, und ein Acker-boden braucht davon 30–40 cm. Dieniedersächsischen Böden haben größ-tenteils mehrere Tausend Jahre ge-braucht, um sich in ihrer heutigen Formentwickeln zu können. Bei Verlust oderÜberbauung sind die Böden folglich nursehr schwer wieder herstellbar.

Mehr als 13% der GesamtflächeNiedersachsens bestehen derzeit ausSiedlungs- und Verkehrsflächen. Von1989 bis 2004 hat die Siedlungs- undVerkehrsfläche in Niedersachsen um15% zugenommen. Täglich kommenmehr als 14 Hektar hinzu (Stand 2005).Das politische Ziel, die Flächeninan-spruchnahme in Niedersachsen bis 2020auf täglich 20 ha zu verringern, würde

Strategien zur Reduzierung derFlächeninanspruchnahme undBodenversiegelung in Niedersachsenvon Marion Gunreben

Schlüsselwörter: Flächenverbrauch, Bodenversiegelung, Ausstellung, FördermittelKeywords: land consumption, soil sealing, exhibition, subsidies

Abb. 1: Flächeninanspruchnahme durch Neu-baugebiete (Bild: Schubert).

Abb. 2: Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsflächen in Nieder-sachsen (Graphik: Basedow).

Abb. 3: Folgen der Bodenversiegelung (Graphik: Basedow).

Page 37: Muster f. Umbruch

für Niedersachsen eine Reduzierung auf3,6 ha bedeuten – ein Wert, von dem dasLand derzeit noch weit entfernt ist(Abb. 4).

2 Öffentlichkeitsarbeit – Die Wanderausstellung „Land unter“

Das Landesamt für Bergbau, Energieund Geologie (LBEG) stellt als nieder-sächsische Fachbehörde für Boden-schutz in Nachfolge des Niedersächsi-schen Landesamtes für Bodenforschung(NLfB) und des Niedersächsischen Lan-desamtes für Ökologie (NLÖ) die Wan-derausstellung „Land unter – Flächenin-anspruchnahme und Bodenversiege-lung in Niedersachsen“ (vgl. Abb. 5) zurVerfügung. Die Ausstellung ist Teil derÖffentlichkeitsarbeit zum Flächenspa-ren und hat zum Ziel, für den Umgangmit Grund und Boden zu sensibilisieren.

Neben dem Stellenwert und der Be-deutung des Bodens ist dargestellt, wa-rum der Boden geschützt werden sollteund welches die Probleme sind, denener ausgesetzt ist. Aufgezeigt sind dieFolgen der Bodenversiegelung wie derVerlust der natürlichen Bodenfunktio-nen durch die Abdichtung des Bodensoder auch der beschleunigte Abflussund die damit verbundene möglicheHochwassergefährdung, die durch eineVersiegelung eintreten kann.

Gezeigt werden aber auch geeig-nete Maßnahmen zu Vermeidung, Ver-ringerung oder Kompensation vonneuen Bodenversiegelungen. Dabei ste-hen die Möglichkeiten im Vordergrund,die sowohl Kommunen als auch der ein-zelne Grundbesitzer haben, beispiels-weise Beläge versickerungsfreundlichzu gestalten (Abb. 6 und 7) oder im Be-reich der Stadtplanung mehr in dieInnenbereiche zu gehen und neueÜberplanungen auf der so genanntengrünen Wiese zu vermeiden: � Entsiegelung von Böden,� Verwendung wasserdurchlässiger Be-läge,� Brachflächenrecycling (Wiedernut-zung von Industrie- und Gewerbebra-chen),� Schließung von Baulücken,� Altbausanierung statt Neuauswei-sungen,� Verstärkung des Geschossflächen-baues.

Nach drei Jahren Erfahrung mit derAusstellung kann konstatiert werden,dass die Beschäftigung mit dem Thema

Flächeninanspruchnahme bei Landkrei-sen und größeren Städten im Wachsenbegriffen ist. Dies ist wohl auch vor demHintergrund der Prognosen zum de-mographischen Wandel zu sehen. Ge-mischt sind die Erfahrungen mit denkleineren Städten und Gemeinden. Dortist noch eine sehr große Zurückhaltunggegenüber dem Thema Bodenversiege-lung und Flächeninanspruchnahme zuverzeichnen und es wird oftmals nochein Nachholbedarf gesehen, verstärktNeuausweisungen auf der grünenWiese durchzuführen.

Die Aufgeschlossenheit der Land-kreise begründet sich wohl auch damit,dass im Zuge der Verwaltungsmoderni-sierung in Niedersachsen die Bezirksre-gierungen seit 2005 nicht mehr existie-ren und heute für die Bauleitpläne dieLandkreise in aller Regel die genehmi-genden Behörden sind. Diese greifendurchaus auch steuernd ein und nutzendie öffentlichkeitswirksame Ausstel-lung zur Unterstützung ihrer Flächen-haushaltspolitik.

Gunreben – Strategien zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme und Bodenversiegelung in Niedersachsen

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Abb. 4: Flächeninanspruchnahme und Bodenversiegelung in Niedersachsen in ha/Tag.

Abb. 5: Wanderausstellung „Land unter –Flächeninanspruchnahme und Bodenversie-gelung in Niedersachsen“ (Bild: Schubert).

Abb. 6: Versickerungsfreundliches breitesFugenpflaster (Bild: Pilgrim).

Abb. 7: Versickerungsfreundlich angelegteGaragenzufahrt mit Teilversiegelung nur aufden Fahrstreifen (Bild: Gunreben).

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Die Ausstellung kann unentgeltlichentliehen werden. Zielgruppen für dieöffentlichkeitswirksame Ausstellungsind in erster Linie Landkreise, Städteund Gemeinden, aber auch Fachbehör-den sowie Naturschutz- und Umweltor-ganisationen (Kontakt: [email protected]). Nähere Infor-mationen finden Sie auch im Internetunter www.lbeg.niedersachsen.de (un-ter Boden&Grundwasser>Bodenschutz>Flächeninanspruchnahme und Boden-versiegelung>Wanderausstellung „Landunter“).

3 Fördermaßnahmen

Um die Wiedernutzung von Brachflä-chen zu erleichtern, hat das LandNiedersachsen eine Förderrichtlinie imRahmen der EU-Strukturfondsförde-rung erlassen.

Die Brachflächenpotenziale inNiedersachsen werden auf insgesamtca. 3300 ha geschätzt (IES 2002), wobeider Großteil auf Konversionsflächenentfällt, die nach Aufgabe der militäri-schen Nutzung anderen Nutzungen zu-geführt werden können (Abb. 8).

Im Rahmen der Fördermaßnahmenwerden für den Förderzeitraum 2007–2013 Investitionen zur Wiederherstel-lung des physischen Umfelds einschließ-lich der Sanierung von verschmutzten

Geländen und der Neuerschließung von brachliegenden Flächen gefördert(EFRE-VO).

Gegenstand der Förderung sind diefolgenden Maßnahmen:� Erstellung von Brachflächenkatas-tern,� Durchführung von Schadstoffunter-suchungen,� Sanierung von Flächen; dazu gehörtauch die Dekontamination von Bau-substanz sowie die Demontage und Ent-sorgung von Bauteilen.

Zuwendungsberechtigt sind Land-kreise, Städte und Gemeinden, Anstal-ten und Stiftungen des öffentlichen

Rechts sowie juristische und natürlichePersonen des privaten Rechts.

Zuwendungsvoraussetzungen sind:� mit dem Vorhaben ist noch nicht be-gonnen worden,� bei der Erstellung eines Brachflä-chenkatasters ist das Muster-Brachflä-chenkataster des Landes zu verwenden(Abb. 9 und 10),� bei der Förderung von Sanierungs-maßnahmen ist die Altlast in das Altlas-tenkataster aufgenommen worden undeine Gefährdungsabschätzung wurdeentsprechend § 9 BBodSchG und denBestimmungen der BBodSchV durchge-führt.

Die zuwendungsfähigen Gesamt-ausgaben müssen für Maßnahmen zurSanierung mindestens 50.000 €, im Übri-gen mindestens 5.000 € betragen. DieZuwendung beträgt für Maßnahmen in Ziel 1-Gebieten bis zu 75% der zu-wendungsfähigen Ausgaben und in Ziel2-Gebieten bis zu 50% der zuwen-dungsfähigen Ausgaben.

Bewilligungsbehörde ist die NBank,dort sind die Antragsunterlagen anzu-fordern. Die Antragsberatung und diefachliche Prüfung der Anträge erfolgtebenso wie die Projektbegleitung und -kontrolle durch das Staatliche Gewer-beaufsichtsamt Hildesheim.

4 Zusammenfassung

Die zunehmende Inanspruchnahme vonbisher unbebauten Böden zu Siedlungs-und Verkehrszwecken führt zu vielfälti-gen ökologischen Problemen. Aus Sichtdes Bodenschutzes ist hier in erster Liniedie Versiegelung von Böden zu nennen.Sie führt dazu, dass Böden ihre natür-

Gunreben – Strategien zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme und Bodenversiegelung in Niedersachsen

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Abb. 8: Brachflächenpotenziale in Niedersachsen (2002).

Abb. 9: Brachflächenkataster – Stammdaten (vgl. Dahlmann et al. 2004).

Page 39: Muster f. Umbruch

lichen Bodenfunktionen nur noch ein-geschränkt wahrnehmen können. Umfür die Probleme von Flächenverbrauchund Bodenversiegelung zu sensibilisie-ren, vertreibt das Landesamt für Berg-bau, Energie und Geologie eine Wan-derausstellung mit dem Titel „Landunter – Flächenverbrauch und Boden-versiegelung Niedersachsen“, die un-entgeltlich entliehen werden kann. ZurFörderung der Wiedernutzung vonBrachflächen hat das Land Niedersach-sen eine Förderrichtlinie im Rahmen der EU-Strukturfondsförderung erlas-sen. Kommunen, aber auch Einzelperso-nen können danach Zuwendungen bei-spielsweise für Gefährdungsabschät-zungen oder Sanierungsmaßnahmenerhalten.

Summary

Manifold ecological problems arise dueto the fact that non built-up soils aremore and more covered with buildingsand traffic routes, e.g. surface sealing

degrades the natural functions of thesoils. The State Authority for Mining,Energy and Geology makes a touringexhibition available free of charge tocall attention to the problems of landconsumption and soil sealing. The go-vernment of Lower Saxony issued astructural fund directive to encouragesubsequent use of industrial fallowland. Local authorities as well as indivi-duals are able to obtain benefits e.g. forrisk assessment or remedial actions.

Literatur

Dahlmann, I. & Hernandez Diaz, T.(2003): Vom Brachflächenrecyclingzum Flächenmanagement (Teil I). In:Niedersächsischer Städtetag – Nach-richten, Heft 6/2003, S. 168–170.Hannover 2003.

Dahlmann, I., Hernandez Diaz, T. & J. Schneider (2004): Vom Brachflä-chenkataster zum Flächenmanage-ment. Nachhaltiges Niedersachsen,Heft 29. Hildesheim.

Gunreben, M. & J. Boess (2003): Schutz-würdige und schutzbedürftige Bö-den in Niedersachsen. NachhaltigesNiedersachsen, Heft 25. Hildesheim.

IES – Institut für Entwicklungsplanungund Strukturforschung GmbH an derUniversität Hannover (2002): Wohn-baulandumfrage 2002. Hannover.

Anschrift der Verfasserin:

Dr. Marion GunrebenReferat Qualitätsmanagement undBundesamt für StrahlenschutzWilly-Brandt-Straße 538226 [email protected]

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Abb. 10: Auszug Brachflächenkataster (vgl. Dahlmann et al. 2004).

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NNA-Berichte 1/2009

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1 Einführung

Rohstoffabbaustätten (Abgrabungen),insbesondere Kies-, Sand- und Tongru-ben, werden vielfach mit mineralischenAbfällen verfüllt. Hierbei stehen ver-schiedene Gesichtspunkte im Vorder-grund, mit denen ökonomische undökologische Vorteile verbunden seinkönnen:� Der Abbauunternehmer kann derVerpflichtung zur Sicherung der Abbau-stätte oder zum Ausgleich des Eingriffs(teilweise oder vollständige Verfüllung)nachkommen, die ihm im Zusammen-hang mit der Erteilung der Genehmi-gung des Rohstoffabbaus auferlegtworden ist.� Der Abbauunternehmer kann dievorhandene Infrastruktur (Zufahrt,Waage, Betriebsgebäude, Geräte) wei-ter nutzen.� Ein Teil der Lkw-Leerfahrten zur Ab-baustätte kann dadurch genutzt wer-den, dass Bodenaushub, der bei Bau-maßnahmen nicht unmittelbar verwer-tet werden kann, zu der Abbaustätte alsVerfüllmaterial transportiert wird.� Landschaftsverbrauch, der durch dieEinrichtung von Deponien für in Bau-maßnahmen nicht verwertbares Boden-material entsteht, kann vermindertwerden.

In den letzten Jahren haben aller-dings einige Verfüllungsmaßnahmenfür negative Schlagzeilen gesorgt. Ab-grabungen und Tagebaue sind auch mitheizwertreichen Abfällen verfüllt wor-den, die aufgrund der Vorgaben der Ab-fallablagerungsverordnung noch nichteinmal auf Deponien hätten abgelagertwerden dürfen. Durch die im Jahr 2005in Kraft getretene Abfallablagerungs-verordnung wurde festgelegt, dass Ab-fall nach dem 31. 05. 2005 nur nochdann abgelagert werden darf, wenn erdie strengen Zuordnungswerte dieser

Verordnung einhält. Diese können inder Regel nur dann erreicht werden,wenn der Abfall vorher mechanisch-bio-logisch oder thermisch behandeltwurde. Es ist davon auszugehen, dassmit dieser Umgehung der geltenden ab-fallrechtlichen Vorschriften erheblicheGewinne erzielt worden sind.

Die Verfüllung von Abbaustättenoder Deponien mit heizwertreichenund anderen ungeeigneten Abfällengefährdet die Bereitschaft der Entsor-gungswirtschaft, in moderne Abfallbe-handlungsanlagen zu investieren unddamit die Voraussetzungen für eine Ent-sorgungssicherheit auf hohem techni-schen Niveau zu schaffen. Aus ökologi-scher Sicht kann die Verfüllung von Ab-grabungen mit diesen Abfällen zuerheblichen Belastungen von Bodenund Grundwasser führen. Darüber hin-aus wird die in den heizwertreichen Ab-fällen enthaltene Energie bei einer Ver-füllung nicht genutzt.

Im Zusammenhang mit diesen Ereig-nissen und auch hinsichtlich der Verfül-lung von Abgrabungen mit minerali-schen Abfällen wird daher die Frage dis-kutiert, welche Anforderungen Abfälleerfüllen müssen, die zur Verfüllung ge-nutzt werden sollen.

2 Rechtliche Anforderungen

Die Verfüllung von Abgrabungen (z.B.Kies-, Sand-, Tongruben, Steinbrüche)wird in den Bundesländern auf derGrundlage unterschiedlicher Rechtsvor-schriften genehmigt. In den neuen Län-dern wurden viele Abgrabungen undderen Verfüllung aufgrund des Eini-gungsvertrages auf der Grundlage desBergrechts zugelassen. In den altenLändern wird die Verfüllung von Ab-grabungen z.B. nach Bau-, Immissions-schutz-, Abfall-, Abgrabungs- und Na-turschutzrecht genehmigt.

Unabhängig von diesen unter-schiedlichen verfahrensrechtlichen Vor-schriften ergeben sich die Anforderun-gen an Abfälle, die in Abgrabungen ver-wertet werden sollen, aus dem Ab-fallrecht. Nach den Grundpflichten derKreislaufwirtschaft müssen Abfälle ord-nungsgemäß und schadlos verwertetwerden (§ 5 Abs. 3 KrW-/AbfG). Die Ver-wertung erfolgt ordnungsgemäß, wennsie im Einklang mit den Vorschriften desKreislaufwirtschafts- und Abfallgeset-zes (KrW-/AbfG) und anderen öffent-lich-rechtlichen Vorschriften steht. Zudiesen gehören das Bundes-Boden-schutzgesetz (BBodSchG) und das Was-serhaushaltsgesetz (WHG). Das heißt,bereits durch den Begriff „ordnungsge-mäß“ finden auch die Anforderungendes vorsorgenden Boden- und Gewäs-serschutzes Eingang in die Regelungendes Abfallrechts. Die Verwertung er-folgt „schadlos“, wenn nach der Be-schaffenheit der Abfälle, dem Ausmaßder Verunreinigungen und der Art derVerwertung Beeinträchtigungen desWohls der Allgemeinheit nicht zu er-warten sind, insbesondere keine Schad-stoffanreicherung im Wertstoffkreislauferfolgt. Die für das „Wohl der Allge-meinheit“ relevanten Schutzgüter wer-den durch § 10 Abs. 4 KrW-/AbfG kon-kretisiert.

2.1 Bewertung der ordnungsgemäßenVerwertung

Die ordnungsgemäße Verwertung setztgemäß § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG über dieEinhaltung der anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften hinaus voraus,dass die Verwertungsmaßnahme auchim Einklang mit dem KrW-/AbfG steht.Nach § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG beinhaltetdie stoffliche Verwertung die Substitu-tion von Rohstoffen oder die Nutzungder stofflichen Eigenschaften. DerHauptzweck der Maßnahme muss in derNutzung des Abfalls liegen. Die ord-nungsgemäße Verwertung beinhaltetsomit auch die Forderung nach der Eig-nung und der Nützlichkeit des für dieVerwertung vorgesehenen Abfalls. Ausdieser gesetzlichen Forderung ergebensich Anforderungen an den zu verwer-tenden Abfall (funktional) und an dieVerwertungsmaßnahme (funktional,formell).

Mineralische Abfälle, die in techni-schen Bauwerken verwertet werden

Anforderungen an die Verwertung vonAbfällen bei der Verfüllung vonAbgrabungenvon Heinz-Ulrich Bertram

Schlüsselwörter: Verwertung von Bodenmaterial, Bodenmaterial, Bodenschutz,VerfüllungKeywords: recycling of soil material, soil material, soil protection, backfilling

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sollen, müssen die bauphysikalischenEigenschaften (z.B. Scherfestigkeit,Druckfestigkeit, Frostbeständigkeit)aufweisen, die aus bautechnischer Sichtfür die Herstellung des Bauwerkes er-forderlich sind.

Sollen mineralische Abfälle in bo-denähnlichen Anwendungen (Verfül-lung von Abgrabungen und Abfallver-wertung im Landschaftsbau) verwertetwerden, müssen mit diesen natürlicheBodenfunktionen (z.B. Filter-, Puffer-und Rückhaltevermögen, Lebensraum,Wasserhaltekapazität) (wieder)herge-stellt oder verbessert werden können.Diese Anforderung wird durch die„Grundsätze zur Abgrenzung der An-wendungsbereiche der BBodSchV hin-sichtlich des Auf- und Einbringens vonMaterialien auf und in den Boden vonden diesbezüglichen abfallrechtlichenVorschriften“ (LABO 2000) untermau-ert, die gemeinsam von den Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaften Boden-schutz (LABO), Abfall (LAGA) und Was-ser (LAWA) unter Beteiligung des Län-derausschusses Bergbau (LAB) erarbei-tet wurden und denen die 26. Amts-chefkonferenz (ACK)1 zugestimmt hat.

Die Abgrenzungsgrundsätze waren beider Fortschreibung der LAGA-Mittei-lung 20 (LAGA 2003) (siehe Kapitel 2.2)und der Technischen Regeln des LAB(LAB 2004) zu berücksichtigen.2

„Die Anforderungen des vorsorgen-den Bodenschutzes gelten auch unter-halb der durchwurzelbaren Boden-schicht und ergeben sich materiellinsbesondere aus § 7 BBodSchG3 in Ver-bindung mit § 9 BBodSchV4. Nach § 2BBodSchG ist Boden im Sinne des Ge-setzes die obere Schicht der Erdkruste,soweit sie Träger der in § 2 Abs. 2BBodSchG genannten Bodenfunktio-nen ist, ohne Grundwasser und Gewäs-serbetten. Mithin beziehen sich dieBestimmungen für den vorsorgendenBodenschutz nicht nur auf die durch-wurzelbare Bodenschicht, sondern aufden Boden insgesamt. Das heißt, § 7BBodSchG gilt insbesondere in Verbin-dung mit § 9 BBodSchV für den gesam-ten Boden, also auch unterhalb derdurchwurzelbaren Bodenschicht. Hierist vorrangig die natürliche Bodenfunk-tion als Abbau-, Ausgleichs- und Auf-baumedium für stoffliche Einwirkungengemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe cBBodSchG insbesondere auch zumSchutz des Grundwassers zu schützenund zu erhalten.“5

„Die Anforderungen des § 7 BBod-SchG müssen auch von Materialien ein-gehalten werden, die z.B. zur Auffül-lung von Senken, Abgrabungen oderzur Modellierung der Landschaft aufoder in den Boden eingebracht werdenund die eine oder mehrere natürlicheBodenfunktionen im Endzustand erfül-len. Sofern über die Herstellung einerdurchwurzelbaren Bodenschicht gemäߧ 12 BBodSchV hinaus Materialien imRahmen von Baumaßnahmen auf oderin den Boden eingebracht werden, beidenen die Materialien im Endzustanddauerhafter Bestandteil der Landschaftwerden und somit eine oder mehrerenatürliche Bodenfunktionen erfüllen,z.B. bei der Auffüllung von Senken oderder Landschaftsmodellierung zur Her-stellung eines Golfplatzes, haben dieseMaterialien selbst die Anforderungender Vorsorge gemäß § 7 BBodSchG inVerbindung mit § 9 BBodSchV einzu-halten. Diese Anforderungen sollen da-durch erfüllt werden, dass hierfür aus-schließlich Bodenmaterial gemäß § 2Nr. 1 BBodSchV verwendet wird.“6

Die Abgrenzungsgrundsätze wur-

den in dem Bericht „Verfüllung von Ab-grabungen“ (LABO 2003), der von einerArbeitsgruppe aus Vertretern der LABO(Federführung), der LAWA, der LAGAund des LAB erarbeitet worden ist, wiefolgt berücksichtigt:

„Für die Verfüllung von Abgrabun-gen unterhalb der durchwurzelbarenBodenschicht eignet sich in der Regelnur Bodenmaterial. Geeigneter Bau-schutt, der die nachfolgend beschriebe-nen Anforderungen des Boden- undGrundwasserschutzes erfüllt, darf nurfür betriebstechnische Zwecke verwen-det werden.“

Die Umweltministerkonferenz(UMK)7 und die Wirtschaftsminister-konferenz (WMK)8 haben diesem Be-richt zugestimmt (Dinkelberg et al.2002, Dinkelberg et al. 2003). Er istdurch die Festlegung von Anforderun-gen für die Einbauklasse 0 in der LAGA-Mitteilung 20 und in der überarbeitetenTechnischen Regel Boden (TR Boden,neu) (LAGA 2004) umgesetzt worden.

Aufgrund der aktuellen Diskussionüber die Verfüllung von Abgrabungenmit heizwertreichen Abfällen hat derAusschuss für abfalltechnische Fragen(ATA) der Bund/Länder-Arbeitsgemein-schaft Abfall (LAGA) in einem Bericht an die LAGA-Vollversammlung „Verfül-lung von Abgrabungen mit Abfällen“(LAGA 2008) erneut auf diesen Sachver-halt hingewiesen:

„Aus dem seit 1999 geltenden Bo-denschutzrecht folgt, dass in Abgrabun-gen nur solche Abfälle verwertet wer-den dürfen, welche die Vorsorgeanfor-derungen des BBodSchG erfüllen undgeeignet sind, natürliche Bodenfunk-tionen (wieder)herzustellen. …“

„Aufgrund der sehr großen Hetero-genität, des hohen organischen Anteils(Glühverlust) und der fehlenden boden-physiologischen Eignung ist es insbe-sondere ausgeschlossen, dass Abfällemit dem Abfallschlüssel (AS) 19 12 129

technische Funktionen im Sinn von § 4Abs. 3 KrW-/AbfG oder natürliche Bo-denfunktionen im Sinn von § 2 Abs. 2Nr. 1 BBodSchG übernehmen können.Für mineralische Abfälle aus der Sortie-rung von Hausmüll, hausmüllähnlichenGewerbeabfällen und gemischten Bau-und Abbruchabfällen (AS 19 12 09) gel-ten die vorstehenden Ausführungenhinsichtlich der möglichen Heterogeni-tät und der Belastung entsprechend.Aussagen über die physikalischen und

Bertram – Anforderungen an die Verwertung von Abfällen bei der Verfüllung von Abgrabungen

40

1 26. ACK am 11./12. 10. 2000 in Berlin,TOP 53.1: Anpassung der Zuordnungswertedes LAGA-Regelwerkes „Anforderungen andie stoffliche Verwertung von mineralischenAbfällen – Technische Regeln“ an die Vor-gaben der Bundes-Bodenschutzverordnung –Abgrenzung der Anwendungsbereiche derBundes-Bodenschutzverordnung hinsichtlichdes Auf- und Einbringens von Materialien aufund in den Boden von den diesbezüglichenabfallrechtlichen Vorschriften.

2 Siehe Abgrenzungsgrundsatz Nr. 9.3 Bundes-Bodenschutzgesetz (NN 1998).4 Bundes-Bodenschutz- und Altlasten-

verordnung (NN 1998).5 Siehe Abgrenzungsgrundsatz Nr. 4 mit

Begründung.6 Siehe Abgrenzungsgrundsatz Nr. 6 mit

Begründung.7 58. UMK am 06./07. 06. 2002 in Templin,

TOP 14: Verfüllung von Abgrabungen.8 WMK am 14./15. 05. 2003 in Berlin, TOP

6.2: Verfüllung von Abgrabungen.9 Bei Abfällen, die dem Abfallschlüssel

19 12 12 zugeordnet werden, handelt es sichum Sortierreste aus der Sortierung von Haus-müll, hausmüllähnlichen Gewerbeabfällenund gemischten Bau- und Abbruchabfällen.Dieser Abfall ist grundsätzlich nicht weitersortierbar und enthält heizwertreiche Abfälle.

Page 42: Muster f. Umbruch

chemischen Eigenschaften sowie dieAuswirkungen auf die Umwelt sind da-her auch hier nur auf der Grundlage vonAnalysen kleiner und repräsentativerTeilmengen möglich. Aufgrund der Her-kunft der Abfallgemische, aus denendieser Abfallteilstrom aussortiert wird,ist in der Regel nicht davon auszugehen,dass er natürliche Bodenfunktionen imSinn von § 2 Abs. 2 Nr. 1 BBodSchG über-nehmen kann.“

Damit liegt – unabhängig von derBewertung der Schadlosigkeit der Ver-wertung und allein aufgrund der feh-lenden Eignung – insbesondere bei derVerfüllung von Abgrabungen mit heiz-wertreichen Sortierresten – keine Ver-wertung gemäß § 4 Abs. 3 KrW-/AbfGvor, sondern eine Beseitigung in hierfürnicht zugelassenen Anlagen.10

Neben der funktionalen Eignungdes Abfalls muss die Verwertungsmaß-nahme funktionale Anforderungen undformelle Voraussetzungen erfüllen. Dasheißt, bei der geplanten Maßnahmemuss es sich um eine „echte“ Verwer-tungsmaßnahme (keine „Scheinverwer-tung“) handeln.

Bei der Verwertung von Abfällen intechnischen Bauwerken kann hiervonausgegangen werden, wenn folgendeKriterien erfüllt werden:� Für die Durchführung der Maß-nahme muss die Verwendung der mine-ralischen Abfälle erforderlich sein.� Der Abfall muss Primärrohstoffe er-setzen, die sonst verwendet wordenwären.� Die Maßnahme würde auch ohneVerwendung von Abfällen durchge-führt werden.� Die Maßnahme muss zeitlich defi-niert sein (konkreter Beginn, konkretesEnde).� Die Maßnahme muss ohne größereVerzögerungen und Unterbrechungendurchgeführt werden (kontinuierlicherBaustellenbetrieb).

Diese Voraussetzungen können imGrundsatz auch auf die Verfüllung vonAbgrabungen übertragen werden. Vonbesonderer Bedeutung ist hierbei je-doch die öffentlich-rechtliche Verpflich-tung, dass der durch den Abbau ent-standene Hohlraum teilweise oder voll-ständig verfüllt werden muss. Wennhierfür das am Standort vorhandene Bo-denmaterial, das bei der Erschließungdes Bodenabbaus abgeschoben wurde,nicht ausreicht, kann für die Verfüllung

auch standortfremdes Bodenmaterialverwendet werden.

Hinsichtlich der formellen Anforde-rungen müssen die planungs- und ge-nehmigungsrechtlichen Voraussetzun-gen für die Durchführung der Maß-nahme erfüllt sein.

Nur wenn die vorstehend genann-ten Voraussetzungen für die zu verwer-tenden Abfälle und für die Verwer-tungsmaßnahme erfüllt sind, handelt essich um eine Abfallverwertung:

„Hauptzweck muss … primär dieVerwertung der Abfälle sein. Wenn dieVerwertung als bloße Nebenfolge ein-tritt, ist der Hauptzweck damit nichtmehr die Verwertung an sich, sonderndie Beseitigung des Abfalls. …“

„Nur das für den Zweck erforderlicheMinimum an Abfällen kann nach demPrinzip der Ressourcenschonung als Ver-wertungsmaßnahme gelten. … Dem-entsprechend kann nur diejenigeMenge an Abfällen als Verwertung an-gesehen werden, die die entsprechendeMenge an Primärrohstoffen substitu-iert. Im Falle eines öffentlich-recht-lichen Handlungsgebotes (zur Siche-rung) gilt nichts anderes. Nur dieMenge, die die öffentliche Hand demPflichtigen als für die Maßnahme etwazur Verfüllung erforderlichen Primär-rohstoff aufgeben darf, ist verhältnis-mäßig, mit der Folge, dass nur insoweiteine Substitution durch geeignete Ab-fälle erfolgen kann.“11

2.2 Bewertung der schadlosenVerwertung (LAGA-Mitteilung 20)

Materielle Anforderungen an dieSchadlosigkeit der Verwertung von mi-neralischen Abfällen enthält weder dasKrW-/AbfG noch gibt es hierfür auf dasAbfallrecht gestützte Rechtsvorschrif-ten. Verwertungsvorhaben müssen da-her zurzeit im Wesentlichen mit Hilfeanderer schutzgutbezogener Vorschrif-ten bewertet werden. Grundlage hier-für sind insbesondere die Vorschriftendes Boden- und Gewässerschutzes, so-fern sie über den Begriff „ordnungsge-mäß“ nicht bereits unmittelbar zu be-rücksichtigen sind.

Um sicherzustellen, dass es in den16 Ländern zu einer einheitlichen Be-urteilung von Verwertungsvorhabenkommt und die fachlichen Bewertungs-ansätze mit den Vorgaben der verschie-denen Rechtsbereiche im Einklang ste-

hen, wurden im Auftrag der Umwelt-ministerkonferenz (UMK) unter der Fe-derführung der Länderarbeitsgemein-schaft Abfall (LAGA) von einer Bund/Länder-Arbeitsgruppe (LAGA-AG „Mi-neralische Abfälle“) Anforderungen andie Verwertung mineralischer Abfälleerarbeitet.

Die LAGA-Mitteilung 20 „Anforde-rungen an die stoffliche Verwertungvon mineralischen Abfällen – Techni-sche Regeln“ definiert übergreifendeVerwertungsgrundsätze und legt Ver-wertungsanforderungen unter Berück-sichtigung der Nutzung und der Stand-ortverhältnisse für die Verwertung vonmineralischen Abfällen in technischenBauwerken und für die Verwertung vonBodenmaterial in bodenähnlichen An-wendungen fest. U.a. wird dort die Ver-wertung von Bodenmaterial (sieheAbb.1), Bauschutt, Straßenaufbruch,Aschen aus Abfallverbrennungsanla-gen, Gießereiabfällen sowie Aschen aus steinkohlebefeuerten Kraftwerken,Heizkraftwerken und Heizwerken ge-regelt. Nicht behandelt wird das Ein-/Aufbringen von mineralischen Abfällenin/auf die durchwurzelbare Boden-schicht sowie das Einbringen dieser Ab-fälle in bergbauliche Hohlräume.

Zur Vereinheitlichung des Vollzugeswerden in den Technischen Regeln(Teil II der LAGA-Mitteilung 20) für denEinbau der mineralischen Abfälle ab-fallspezifische Zuordnungswerte fest-gelegt, die unter Berücksichtigung derjeweiligen Einbaubedingungen eineschadlose Verwertung gewährleisten.Bei diesen Zuordnungswerten handeltes sich um Vorsorgewerte aus der Sichtdes vorsorgenden Boden- und Gewäs-serschutzes sowie der Abfallwirtschaft(keine Schadstoffanreicherung). Hier-von sind die Regelungen und Werte aus dem Bereich der Gefahrenabwehrabzugrenzen. Abweichungen von denZuordnungswerten können zugelassenwerden, wenn im Einzelfall der Nach-

Bertram – Anforderungen an die Verwertung von Abfällen bei der Verfüllung von Abgrabungen

41

10 Siehe: Antwort des Ministeriums fürUmwelt und Klimaschutz auf die Frage 5 desAbgeordneten Martin Bäumer (CDU) „Ille-gale Müllentsorgung“, 22. Sitzung des Nie-dersächsischen Landtags am 14. 11. 2008, Ste-nografischer Bericht, Seite 2573–2574.

11 Urteil des Verwaltungsgerichts Hallezur Renaturierung einer Halde mit Abfällenvom 26. 02. 2008 (2 A 424/06 HAL), Seiten 15–16 und 19.

Page 43: Muster f. Umbruch

weis erbracht wird, dass das Wohl derAllgemeinheit nicht beeinträchtigtwird.

Beim Einbau mineralischer Abfällewerden mehrere Einbauklassen unter-schieden, deren Einteilung auf Her-kunft, Beschaffenheit und Verwen-dungsart des Abfalls unter Berücksichti-gung der jeweiligen Standortverhält-nisse basiert.

In dem Teil III „Probenahme undAnalytik“ dieses Regelwerkes werdendie allgemein gültigen Verfahren fürdie Probenahme, die Probenaufberei-

tung und die Analytik sowie spezifischeVorgaben für die in den jeweiligenTechnischen Regeln behandelten Ab-fallarten festgelegt.

Aufgrund der neuen rechtlichen Re-gelungen zum Schutz des Bodens (NN1998, NN 1999) und der Konkretisierungder Anforderungen zum Schutz desGrundwassers durch die Länderarbeits-gemeinschaft Wasser (LAWA) (LAWA2002) ist die LAGA von der Umwelt-ministerkonferenz12 gebeten worden,die LAGA-Mitteilung 20 zu überarbei-ten (Bertram 2004).

Die 32. Amtschefkonferenz13 hat am06. 11. 2003 die Fortschreibung des All-gemeinen Teils (Teil I) der LAGA-Mittei-lung 20 (neu) zur Kenntnis genommenund dessen Veröffentlichung zuge-stimmt. Damit lagen neben den fach-lichen Grundlagen auch die formalenVoraussetzungen für die Überarbeitungder einzelnen Technischen Regeln (Teil IIder LAGA-Mitteilung 20) vor.

Die 63. UMK14 hat die Fortschrei-bung der LAGA-Mitteilung 20 um die„Technische Regel Boden“ (TR Boden,neu) und den Teil III „Probenahme undAnalytik“ (neu) zur Kenntnis genom-men, jedoch der von der LAGA ange-regten Veröffentlichung nicht zuge-stimmt. Allerdings hat die Mehrheit derLänder in einer Protokollnotiz erklärt,sie werde die überarbeitete LAGA-Mit-teilung 20 (neu) veröffentlichen und inden Vollzug übernehmen.

Die Wirtschaftsministerkonferenzhat diesem Beschluss der 63. UMK in ih-rer Sitzung am 08./09. 12. 200415 wider-sprochen.

Auf die Überarbeitung weiterer Ab-schnitte der LAGA-Mitteilung 20 wurdezugunsten eines auch nach außenrechtsverbindlichen Regelungsansatzesdurch eine Rechtsverordnung verzich-tet. Die LAGA hat daher die LAGA-AG„Mineralische Abfälle“ in ihrer 82. Sit-zung16 aufgelöst und das Vorsitzlandgebeten, Empfehlungen für eine „Ver-ordnung über die Verwertung von mi-neralischen Abfällen“17 zu erarbeiten.Diese wurden der 63. UMK nachrichtlichvorgelegt und stehen dem Bundesum-weltministerium (BMU) als Grundlagefür die Erarbeitung einer Verordnungzur Verfügung.

Durch Einbauklasse 0 der TR Boden(neu) werden die Anforderungen an dieBewertung der Schadlosigkeit der Ver-wertung von Bodenmaterial umgesetzt,die das Arbeitspapier Verfüllung vonAbgrabungen (siehe Kapitel 2.1) ent-hält.

„§ 9 BBodSchV bestimmt ausdrück-lich, dass die Vorsorgewerte nach An-hang 2 Nr. 4 BBodSchV ,in der Regel‘einen Maßstab für einen Besorgnistat-bestand darstellen. … Die Vorschriftlässt es somit zu, Ausnahmen zu defi-nieren, in denen diese Werte zwar nichteingehalten werden, es aufgrund dersonstigen Randbedingungen der Maß-nahmen aber dennoch nicht zur Be-sorgnis des Entstehens schädlicher Bo-denveränderungen kommen kann. AusSicht des vorsorgenden Bodenschutzesist in diesen Fällen eine schädliche Bo-denveränderung grundsätzlich nicht zubesorgen, wenn die Geringfügigkeits-schwellen des vorsorgenden Grund-wasserschutzes im Sickerwasser, das aus der Verwertungs- bzw. Baumaß-nahme austritt, sicher unterschrittenwerden.“18

Danach ist die Verwertung von Bo-denmaterial in Abgrabungen bei Ein-haltung der nachstehenden Anforde-rungen als schadlos zu bewerten:1. Für Bodenmaterial, das einer der

Bodenarten Ton, Lehm/Schluff oderSand zugeordnet werden kann, gel-ten die bodenartspezifischen Zuord-nungswerte Z 0. Bei Einhaltung die-ser Zuordnungswerte ist eine Eluat-untersuchung nicht erforderlich. Inder TR Boden werden weitere Fall-gestaltungen beschrieben, in denendas Eluat auch bei Einhaltung derVorsorgewerte untersucht und be-wertet werden muss.

Bertram – Anforderungen an die Verwertung von Abfällen bei der Verfüllung von Abgrabungen

42

Abb. 1: Überblick über die Regelungen zur Verwertung von Bodenmaterial.

Regelungen zur Verwertung von Bodenmaterial (mineralischen Abfällen)

Auf- und Einbringen in oderauf eine durchwurzelbare

Bodenschicht oder Herstellen einer durch-

wurzelbaren Bodenschicht1)

Verwertung außerhalb der durch-wurzelbaren Bodenschicht

zur Herstellungeiner natürlichenBodenfunktion1):

Z 0, Z 0*

zur Herstellungeiner technischen

Funktion2): Z 1.1, Z 1.2, Z 2

Vollzugshilfe zu § 12 BBodSchV 1) in der Regel Bodenmaterial

LAGA-Mitteilung 20 1) in der Regel Bodenmaterial 2) Bodenmaterial und/oder andere mineralische Abfälle

12 49. UMK am 05./06. 11. 1997 in Erfurt,TOP 13.16: LAGA-Regelwerk „Anforderun-gen an die stoffliche Verwertung von mine-ralischen Abfällen – Technische Regeln“.

13 32. ACK am 06. 11. 2003 in Berlin, TOP20: LAGA-Mitteilung 20 „Anforderungen andie stoffliche Verwertung von mineralischenAbfällen – Technische Regeln – AllgemeinerTeil“.

14 63. UMK am 04./05. 11. 2004 in Nie-dernhausen, TOP 24: Verwertung von mine-ralischen Abfällen.

15 WMK am 08./09.12.2004, TOP 16f: Ver-wertung von mineralischen Abfällen.

16 82. LAGA-Sitzung am 23./24. 03. 2004 inSpeyer, TOP 20: LAGA-Mitteilung 20 „Anfor-derungen an die stoffliche Verwertung vonmineralischen Abfällen – Technische Regeln“.

17 Siehe www.bmu.de, Home > ThemenA-Z > Abfallwirtschaft > Aktuell >BMU-Workshop zur Verwertung von mineralischenAbfällen > Workshop mit Einzelvorträgen >LAGA-Eckpunkte.

18 Siehe Abgrenzungsgrundsatz Nr. 5 mitBegründung.

Page 44: Muster f. Umbruch

2. Eine Verfüllung von Abgrabungenmit Bodenmaterial, das die Vorsor-gewerte (Zuordnungswerte Z 0)überschreitet, ist bei Einhaltung fol-gender Bedingungen zulässig (Aus-nahme von der Regel):� Die Abgrabungen/Verfüllungen

liegen außerhalb folgender(Schutz-)Gebiete:� festgesetzte, vorläufig sicher-gestellte oder fachbehördlich ge-plante Trinkwasserschutzgebiete,Zone I bis III A,� festgesetzte, vorläufig sicher-gestellte oder fachbehördlich ge-plante Heilquellenschutzgebiete,Zone I bis III,� Wasservorranggebiete, die imInteresse der künftigen Wasser-versorgung raumordnerisch aus-gewiesen worden sind,� Karstgebiete und Gebiete mitstark klüftigem, besonders was-serwegsamem Untergrund,und

� das Bodenmaterial überschreitetnicht die Zuordnungswerte Z 0*im Feststoff

� und� das Bodenmaterial überschreitet

nicht die Zuordnungswerte Z 0*im Eluat

� und� oberhalb des verfüllten Boden-

materials wird eine Schicht ausBodenmaterial, das die Vorsorge-werte der BBodSchV einhält undsomit alle natürlichen Boden-funktionen übernehmen kann,aufgebracht. Diese Bodenschichtoberhalb der Verfüllung muss inder Regel eine Mindestmächtig-keit von 2 m aufweisen.

3. Eine Verwertung von Bodenmate-rial, das die Zuordnungswerte Z 0*(Feststoff /Eluat) überschreitet, istaus Gründen des vorsorgenden Bo-den- und Grundwasserschutzes auchbei günstigen hydrogeologischenBedingungen nicht zulässig.

4. In Gebieten mit naturbedingt odergroßflächig siedlungsbedingt erhöh-ten Gehalten können unter Berück-sichtigung der Sonderregelung des§ 9 Abs. 2 und Abs. 3 BBodSchV füreinzelne Parameter spezifische Zu-ordnungswerte (als Ausnahmen vonden Vorsorgewerten nach Anhang 2Nr. 4 BBodSchV) festgelegt werden,soweit die dort genannten weiteren

Tatbestandsvoraussetzungen erfülltsind.

3 Die LAGA-Mitteilung 20 imLicht des „Tongrubenurteils“

Die LAGA-Mitteilung 20 enthält Maß-stäbe für die Bewertung der Schadlosig-keit der Verwertung von mineralischenAbfällen. Das Bundesverwaltungsge-richt hat in dem „Tongrubenurteil“19

vom 14. 04. 2005 festgestellt, dass dieLAGA-Mitteilung 20 (alt = Stand: 06. 11.1997), die bisher für die Bewertung her-angezogen worden ist, das geltendeBodenschutzrecht nicht berücksichtigt.Die Begründung des „Tongrubenur-teils“ ist für die Verwertung von mine-ralischen Abfällen von erheblicher Be-deutung und enthält für die Bewertungder Schadlosigkeit der Verwertung die-ser Abfälle wichtige Aussagen:a) Im Rahmen des bergrechtlichen Zu-

lassungsverfahrens können die Be-lange des Boden- und Gewässer-schutzes nicht anhand der LAGA-Mitteilung 20 (alt) mit der dazuge-hörigen TR Boden (alt) konkretisiertwerden. Eine Heranziehung schei-det schon deshalb aus, weil diesesRegelwerk nach dem damaligenStand (= Zulassung des Betriebs-planes) noch nicht an die später inKraft getretenen Regelungen vonBBodSchG und BBodSchV angepasstwar.20

b) Im Rahmen eines bergrechtlichenZulassungsverfahrens sind die mate-riellen Maßstäbe des BBodSchG undder BBodSchV inhaltlich voll an-wendbar. Entsprechendes gilt, ohnedass vorliegend darüber zu entschei-den war, auch bei einer Genehmi-gung für den Einbau von (Boden)Material auf der Grundlage einerbaurechtlichen oder bodenabbau-rechtlichen Genehmigung.

c) § 7 Satz 3 BBodSchG verlangt, dass je-mand, der auf den Boden einwirkt,Bodeneinwirkungen, die die Vorsor-gewerte überschreiten, grundsätz-lich unterlässt, sofern nicht Aspekteder Verhältnismäßigkeit im Hinblickauf den Zweck der Nutzung ent-gegenstehen.

d) Der vom Berufungsgericht hilfs-weise herangezogene § 10 Abs. 1Satz 2 BBodSchV beschränkt dieVorkehrungen gegen Schadstoffein-träge beim Aufbringen von Material

nicht darauf, bei einer Überschrei-tung der Vorsorgewerte Maßnah-men zur Sicherung gegen die Schad-stoffausbreitung und zur Überwa-chung vorzusehen. Vielmehr sindSchadstoffeinträge auch im Rahmender Änderung von Anlagen oderVerfahren zu vermeiden oder wirk-sam zu vermindern.Das heißt, technische Sicherungs-maßnahmen – wie die in der Ein-bauklasse 2 der LAGA-Mitteilung 20vorgesehene Abdichtung der einge-bauten Abfälle – können ein Über-schreiten der Vorsorgewerte nichtrechtfertigen. Diese Vorkehrungensind nicht zur Kompensation einerÜberschreitung der Vorsorgewertebestimmt.

e) Das BVerwG legt es nahe, dass Besit-zer von Nachbargrundstücken, diean verfüllte Grundstücke grenzen,die Einhaltung der Vorsorgestan-dards im Rechtswege fordern kön-nen. Den einschlägigen boden-schutzrechtlichen Bestimmungenhat das BVerwG jedenfalls (auch)drittschützenden Charakter beige-messen.

Diese Ausführungen des BVerwG zumBodenschutzrecht sind sowohl für dieNormsetzung als auch für den Vollzugvon erheblicher Bedeutung. Sowohl diemit der LAGA, der LAWA und der LABOabgestimmten „Technischen Regeln fürdie stoffliche Verwertung von Abfällenim Bergbau über Tage“ des Länderaus-schusses Bergbau (LAB) als auch dieLAGA-Mitteilung 20 der LAGA sind aufdieser Grundlage zu überprüfen.

Das „Tongrubenurteil“ bezieht sichzwar in seinem konkreten Sachverhaltu.a. auf die Frage, welche Anforderun-gen mineralische Abfälle aus Sicht desvorsorgenden Bodenschutzes erfüllenmüssen, wenn diese zur Verfüllung einesTontagebaus verwendet werden. Eslässt sich jedoch aus fachtechnischerund auch aus rechtlicher Sicht auf alleanderen Fragestellungen im Zusam-menhang mit der Bewertung der Schad-

Bertram – Anforderungen an die Verwertung von Abfällen bei der Verfüllung von Abgrabungen

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19 Urteil des Bundesverwaltungsgerichtsvom 14. 04. 2005 (7C 26.03), www.bundesver-waltungsgericht.de/media/archive/2902.pdf.

20 Hinweis: Außerdem berücksichtigt dieLAGA-Mitteilung 20 (alt = Stand: 06. 11. 1997)nicht das KrW-/AbfG sondern bezieht sich indem Allgemeinen Teil (Nr. I.4.2 Abfallrecht)noch auf das AbfG.

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losigkeit der Verwertung von minera-lischen Abfällen übertragen, weil dasBodenschutzrecht nicht zwischen bo-denähnlichen Anwendungen (z.B. Ver-füllung eines Bodenabbaus) und techni-schen Bauwerken (z.B. Bau eines Lärm-schutzwalles) unterscheidet. Letztend-lich geht es bei allen Fallgestaltungenauch um die Frage, ob die Maßnahme,in der mineralische Abfälle verwertetwerden, die Besorgnis einer schädlichenBodenveränderung auslöst. Das heißt,das „Tongrubenurteil“ wirkt sich nichtnur auf den Einbau von mineralischenAbfällen in den so genannten boden-ähnlichen Anwendungen aus, sondernauch auf den Einbau in technischen Bau-werken. Es besitzt damit eine grund-legende Bedeutung für alle Anwen-dungsbereiche der LAGA-Mitteilung 20.

Das BVerwG hat sich aufgrund deszu beurteilenden Sachverhaltes (Zulas-sung des Abschlussbetriebsplanes imMärz 2000) nur mit dem Inhalt derLAGA-Mitteilung 20 (alt) befasst. Daherist zu prüfen, ob sich das „Tongruben-urteil“ auch auf die Anforderungen aus-wirkt, die in der überarbeiteten LAGA-Mitteilung 20 (neu) und in der überar-beiteten TR Boden (neu) festgelegtworden sind.

Die überarbeitete LAGA-Mitteilung20 (neu) wurde im Allgemeinen Teil undin der TR Boden (neu) an das Boden-

schutzrecht angepasst. Ihr fachlichesKonzept, das in einem erläuternden An-hang zum Allgemeinen Teil beschriebenwird, stimmt in vollem Umfang mit deraktuellen Rechtslage und dem Urteil desBVerwG überein und ermöglicht somiteinen sachgerechten und rechtskonfor-men Vollzug. Das überarbeitete Regel-werk kann sowohl aus technischer alsauch aus rechtlicher Sicht der Bewer-tung von Abweichungen von den Vor-sorgewerten (Abweichung vom Regel-fall des § 9 Abs. 1 BBodSchV) bei derEinzelfallbewertung zugrunde gelegtwerden.

Die LAGA-Mitteilung 20 (neu) ent-hält ein stringentes Konzept, um bei derVerfüllung von Abgrabungen und beider Verwertung von Abfällen in techni-schen Bauwerken Spielräume zur Über-schreitung der Vorsorgewerte des An-hangs 2 Nr. 4 der BBodSchV zu eröffnen– sofern wegen der geringen Eluierbar-keit oder der Verhinderung der Entste-hung von Sickerwasser eine Beeinträch-tigung der Umwelt ausscheidet – alsauch die Grenzen solcher Ausnahmenim Hinblick auf die wasserrechtlichenAnforderungen darzustellen. Bei natur-und siedlungsbedingten Schadstoffbe-lastungen können Ausnahmen entspre-chend den Vorgaben des Bodenschutz-rechts zugelassen werden.

Diese Bewertung wird durch gleich-lautende Beschlüsse der für diese Frage-stellung zuständigen Länderarbeitsge-meinschaften LABO21, LAGA22 undLAWA23 bestätigt:

„Die LABO/LAGA/LAWA ist der Auf-fassung, dass die überarbeitete Techni-sche Regel Boden (Stand 05. 11. 2004)die Vorgaben des Urteils des BVerwGvom 14. 04. 2005 – 7 C 26.03 – berück-sichtigt. Diese Technische Regel ist dahereine geeignete Grundlage für die ord-nungsgemäße und schadlose Verwer-tung gemäß § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG indem Übergangszeitraum bis zur Verab-schiedung einer Bundesverordnung.“

Die überarbeitete LAGA-Mitteilung20 (neu) berücksichtigt zwar hinsichtlichder Zuordnungswerte für die Bewer-tung des Sickerwassers (Eluatkonzen-trationen) noch nicht die Erkenntnisseaus aktuellen Forschungsvorhaben. Dasie jedoch der aktuellen Rechtslage ein-schließlich des „Tongrubenurteils“ ent-spricht, kann sie für einen begrenztenÜbergangszeitraum bis zum Inkrafttre-ten einer Bundesverordnung im Vollzug

angewendet werden. Die materiellenAnforderungen dieses Regelwerkes ver-hindern zuverlässig – wenn sie denn an-gewendet werden und verbindlicherBestandteil von Anlagengenehmigun-gen sind –, dass Ton-, Sand- und Kies-gruben mit ungeeigneten Abfällen ver-füllt werden. Dieses belegt eine aktuelleBestandserhebung in Niedersachsen,wonach die mehr als 500 Bodenabbau-stätten ausschließlich mit unbelastetemBodenmaterial verfüllt werden dürfen.Das heißt, die Verfüllung von Abgra-bungen mit dafür ungeeigneten Abfäl-len lässt sich bereits mit den derzeit gel-tenden Rechtsvorschriften verhindern.

Dieses gilt auch für Abgrabungen,deren Verfüllung auf der Grundlage desBergrechts genehmigt worden ist. Inden Technischen Regeln für die Verwer-tung von Abfällen im Bergbau überTage (neu), die vom LänderausschussBergbau zustimmend zur Kenntnis ge-nommen und den Ländern zur Einfüh-rung empfohlen wurden24, wird näm-lich festgelegt, dass bei Einsatzbedin-gungen, wie sie in der LAGA-Mitteilung20 (neu) beschrieben werden, die dortfestgelegten Anforderungen auch imGeltungsbereich des Bergrechts anzu-wenden sind. Dieses gilt auch für Fort-schreibungen dieses Regelwerkes, alsoauch für die überarbeitete TR Boden(neu).

Nach der Entscheidung des BVerwGsind somit keine durchgreifenden Argu-mente dagegen ersichtlich, die Schadlo-sigkeit der Verwertung auf der Grund-lage der LAGA-Mitteilung 20 (neu) mitder TR Boden (neu) zu bewerten.25 Wersich dagegen weiterhin auf die LAGA-Mitteilung 20 (alt) stützt, verstößt ge-gen geltendes Recht.

Mit entsprechenden Hinweisen aufihren Internetseiten haben inzwischendie meisten Länder26 auf das Tongru-benurteil reagiert und einen Weg auf-gezeigt, wie in der Übergangszeit biszum Inkrafttreten einer Bundesverord-nung über die Verwertung von mine-ralischen Abfällen sachgerecht undrechtskonform die ordnungsgemäßeund schadlose Verwertung von minera-lischen Abfällen bewertet werden kann.

Die teilweise diskutierte Frage, obvor dem Hintergrund der Arbeiten desBMU an einer Bundesverordnung eineUmsetzung der LAGA-Mitteilung 20(neu) in den Ländern sinnvoll sei, stelltsich nicht. Vollzugsentscheidungen sind

Bertram – Anforderungen an die Verwertung von Abfällen bei der Verfüllung von Abgrabungen

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21 28. LABO-Sitzung am 12./13. 09. 2005in Limburg, TOP 15: Entscheidung desBVerwG 7 C 26.03 vom 14. 04. 2005 – Boden-schutzanforderungen bei der Verfüllung ei-ner Tongrube.

22 85. LAGA-Sitzung am 14./15. 09. 2005in Saarbrücken, TOP 12: Anforderungen andie Verwertung von mineralischen Abfällen in technischen Bauwerken und in boden-ähnlichen Anwendungen – Auswirkungendes Urteils des BVerwG vom 14. 04. 2005 (7 C 26.03).

23 129. LAWA-Sitzung am 27./28. 09.2005 in Düsseldorf/Hombroich, TOP 10.2:Fortschreibung des technischen Regelwerksder LAGA und der LABO.

24 124. Sitzung des LänderausschussesBergbau am 11. 05. 2004 in Bonn, TOP 3: Be-richt über die Tätigkeit der Obleute des Län-derausschusses Bergbau – Bergbauliche Hohl-räume und Abfallentsorgung.

25 Eine ausführliche Bewertung enthal-ten (Attendorn 2006) und (Bertram 2007).

26 Siehe www.laga-online.de, Pfad:Home > Aktuelles > 06. 03. 2007.

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heute und auf der Grundlage des gel-tenden Rechts zu treffen. Abfälle kön-nen nicht bis zur Verabschiedung derBundesverordnung zwischengelagertwerden. Das heißt, die Umsetzung derLAGA-Mitteilung 20 (neu) und der TRBoden (neu) schafft für den Übergangs-zeitraum bis zum Inkrafttreten einerBundesverordnung einheitliche Rah-menbedingungen für den Vollzug imSinne des „Tongrubenurteils“ desBundesverwaltungsgerichts.

Vor diesem Hintergrund hat dasNiedersächsische Umweltministeriumfür die Verfüllung von Abgrabungenmit Erlass vom 25. 08. 2006 gegenüberden unteren Naturschutzbehörden klar-gestellt, dass die Anforderungen an dasVerfüllmaterial in der Nr. 8 des „Leitfa-dens zur Zulassung des Abbaus von Bo-denschätzen“ (NMU 2008) beschriebenwerden. Dieser Leitfaden ist aufgrundeines Runderlasses vom 07. 11. 200327

bei der Zulassung des Abbaus von Bo-denschätzen zu beachten.

Entsprechend den Ausführungen inden Kapiteln 2.1 und 2.2 hat auch nachdiesem Leitfaden die inhaltliche Vor-bereitung einer Entscheidung über Ver-füllungsmaßnahmen, z.B. im Rahmeneiner neuen Bodenabbaugenehmigungoder anlässlich einer Änderung, Ergän-zung oder Konkretisierung zu einer be-reits erteilten Genehmigung, zwei Ge-sichtspunkte zu betrachten:� Die Verfüllungsmaßnahme muss fürdie naturschutzrechtlich abgeleiteteKompensation erforderlich sein (funk-tionale Anforderungen und formelleVoraussetzungen).� Das einzubringende Bodenmaterialmuss bestimmte Anforderungen (Funk-tionalität, Schadlosigkeit) erfüllen.Diese Anforderungen ergeben sich – er-gänzend zu dem o.g. Runderlass – ausdem Bericht Verfüllung von Abgrabun-gen (siehe Kapitel 2.1 und 2.2), der in dieTR Boden (neu) eingeflossen ist. Das inVerfüllungen einzubringende Boden-material ist daher auf der Grundlageder Anforderungen der Einbauklasse 0der TR Boden (neu) zu bewerten.

4 Entwurf des BMU für eineArtikelverordnung

Das BMU arbeitet zurzeit an dem Ent-wurf einer Artikelverordnung, mit derdie Rechtssicherheit und der einheitli-che Vollzug in den Ländern bei der Ver-

wertung von mineralischen Abfällenverbessert werden sollen. Mit der Er-satzbaustoffverordnung (Artikel 1) solldie ordnungsgemäße und schadloseVerwertung von mineralischen Abfällensowie die Verwendung von minerali-schen industriellen Nebenprodukten –zusammenfassend als mineralische Er-satzbaustoffe bezeichnet – in techni-schen Bauwerken geregelt werden. Mitder Ergänzung der BBodSchV (Artikel 2)sollen Anforderungen an die Verwer-tung von mineralischen Abfällen inbodenähnlichen Anwendungen außer-halb der durchwurzelbaren Boden-schicht (bisherige Einbauklasse 0 derLAGA-Mitteilung 20, neu) festgelegtwerden. Der erste Arbeitsentwurfwurde im November 2007 vorgelegtund mit den Ländern sowie den betei-ligten Kreisen im Januar 2008 erörtert.Das BMU hatte angestrebt, im Frühjahr2009 einen zweiten Arbeitsentwurf un-ter Berücksichtigung der abgegebenenStellungnahmen und der Ergebnisse ei-nes Workshops im Mai 2008 in Dessausowie der noch nicht abgeschlossenenwissenschaftlichen Zuarbeit (zur Über-prüfung der Modellierung bestimmterEinbauweisen, Aufnahme neuer Stoffe,Berücksichtigung der aktuellen Daten-lage und Analytik) vorzulegen. (Hin-weis: Dieser Entwurf liegt zum Zeit-punkt des Erscheines dieser Veröffent-lichung noch nicht vor.)

Im Grundsatz ist es zu begrüßen,dass das BMU dem Wunsch der Ländergefolgt ist, bundeseinheitliche Anfor-derungen für die Bewertung der Schad-losigkeit der Verwertung von minera-lischen Abfällen und anderen mine-ralischen Materialien in einer Verord-nung festzulegen und gleichzeitig dieBBodSchV um Anforderungen an dieVerwertung von mineralischen Abfällenin bodenähnlichen Anwendungen (Ver-wertung von Abfällen im Landschafts-bau und Verfüllung von Abgrabungen)zu ergänzen. Die Stellungnahmen zudem ersten Arbeitsentwurf haben je-doch gezeigt, dass es gravierende fach-technische und rechtliche Bedenkengibt, die eine grundlegende Überarbei-tung des Entwurfes der Artikelverord-nung erfordern.

Der erste Arbeitsentwurf28 weicht inseinen Grundlinien von der bisherigenRechtslage, der eingeführten Vollzugs-praxis und den Beschlüssen der UMK-Gremien wesentlich ab, ohne dass hier-

für gute Gründe erkennbar wären. Ersieht Regelungen vor, die einerseits sehrschwer vollziehbar wären und anderer-seits die Grenze des materiell Zulässigenin die Nähe konkreter Gefahren für Bo-den und Gewässer verschieben. Die Ver-ordnung würde in der vorgelegten Fas-sung die Voraussetzungen für die groß-räumige und irreversible Verteilung vonschadstoffhaltigen mineralischen Abfäl-len schaffen und damit im Widerspruchzu den Anforderungen des vorsorgen-den Umweltschutzes stehen.

Die beiden Arbeitsentwürfe solltenauf der Grundlage der bisher bei derAnwendung der LAGA-Mitteilung 20(neu) und des Arbeitspapiers „Verfül-lung von Abgrabungen“ gewonnenenpositiven Erfahrungen grundlegendüberarbeitet und mit ausreichendemzeitlichen Vorlauf für die weiteren Be-ratungen vorgelegt werden.

5 Zusammenfassung

Bei der Verfüllung von Abgrabungen istdie Frage zu beantworten, welche An-forderungen an Abfälle gestellt werdenmüssen, die zur Verfüllung genutzt wer-den sollen.

Unabhängig von den unterschied-lichen verfahrensrechtlichen Vorschrif-ten (z.B. Bergrecht, Naturschutzrecht,Baurecht) müssen Abfälle, die in Abgra-bungen verwertet werden sollen, dieGrundpflichten der Kreislaufwirtschaft(§ 5 Abs. 3 KrW-/AbfG) erfüllen. Danachhat die Verwertung von Abfällen ord-nungsgemäß und schadlos zu erfolgen.

Nach § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG beinhal-tet die stoffliche Verwertung die Substi-tution von Rohstoffen oder die Nutzungder stofflichen Eigenschaften. DerHauptzweck der Maßnahme muss in derNutzung des Abfalls liegen. Die ord-nungsgemäße Verwertung beinhaltetsomit auch die Forderung nach der Eig-nung und Nützlichkeit des für die Ver-wertung vorgesehenen Abfalls. Mit Ab-fällen, die in bodenähnlichen Anwen-dungen (Verfüllung von Abgrabungen

Bertram – Anforderungen an die Verwertung von Abfällen bei der Verfüllung von Abgrabungen

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27 RdErl. d. MU v. 07. 11. 2003 – 28-22442/1/1 (Nds. MBl. Nr. 36/2003, S. 739,VORIS 28100.

28 Arbeitsentwurf für eine Verordnungüber den Einbau von mineralischen Ersatz-baustoffen in technischen Bauwerken undzur Änderung der Bundes-Bodenschutz- undAltlastenverordnung (Stand: 13. 11. 2007).

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und Abfallverwertung im Landschafts-bau) verwertet werden sollen, müssendaher natürliche Bodenfunktionen (z.B.Filter-, Puffer- und Rückhaltevermögen,Lebensraum, Wasserhaltekapazität)(wieder)hergestellt oder verbessertwerden können. Diese Anforderungenerfüllt in der Regel nur Bodenmaterial.Neben dieser funktionalen Eignung desAbfalls muss die Verwertungsmaß-nahme funktionale Anforderungen undformelle Voraussetzungen erfüllen.

Maßstäbe für die Bewertung derSchadlosigkeit der Verwertung von mi-neralischen Abfällen in Abgrabungenenthält die LAGA-Mitteilung 20 (neu,LAGA 2003) mit der Technischen RegelBoden (TR Boden, neu, LAGA 2004). Die-ses Regelwerk entspricht der aktuellenRechtslage und steht im Einklang mitder Begründung zum „Tongrubenur-teil“ des Bundesverwaltungsgerichts.Auch wenn die Zuordnungswerte fürdie Bewertung des Sickerwassers nichtmehr den Erkenntnissen aus den ak-tuellen Forschungsvorhaben entspre-chen, kann die LAGA-Mitteilung 20(neu) für einen begrenzten Übergangs-zeitraum bis zum Inkrafttreten einerentsprechenden Bundesverordnung imVollzug angewendet werden. Das gel-tende Recht und die daraus abgeleite-ten materiellen Anforderungen der TRBoden (neu) verhindern zuverlässig –wenn sie denn angewendet werdenund verbindlicher Bestandteil von Anla-gengenehmigungen sind –, dass Ton-,Sand- und Kiesgruben mit ungeeigne-ten Abfällen verfüllt werden.

Die Entsorgung von heizwertreichenSortierresten in Abbaustätten ist zwei-felsfrei nicht mit dem geltenden Abfall-und Bodenschutzrecht zu vereinbaren.29

Derartige Abfälle besitzen nicht die fürdie Verfüllung erforderlichen Eigen-schaften (bautechnische Eigenschaften,Herstellung von natürlichen Bodenfunk-tionen). Damit liegt keine Verwertunggemäß § 4 Abs. 3 des Kreislaufwirt-schafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG), sondern eine Beseitigung in hier-für nicht zugelassenen Anlagen vor.

Diese Form der Abfallentsorgung istdurch Maßnahmen� an der „Quelle“ (in den Sortieranla-gen, in denen dieser Abfall entsteht),� entlang des Transportweges,� an der „Senke“ (in den Sortieranla-gen und an den Verfüllungen und Ab-baustätten, denen diese Abfälle zuge-führt werden) und� durch ergänzende Maßnahmen ent-lang der Entsorgungskettezu unterbinden. Die hierfür erforder-lichen rechtlichen Rahmenbedingun-gen stehen für diese Maßnahmen imGrundsatz zur Verfügung (Bertram2009).

Literatur

Attendorn, T. (2006): Wasser- und bo-denschutzrechtliche Anforderungenan die Verfüllung von Abgrabungennach dem Tongrubenurteil II. Ab-fallR 4/2006, S. 167–175, Lexxion Ver-lagsgesellschaft, Berlin.

Bertram, H.-U. (2004): Überarbeitungder LAGA-Mitteilung 20 der Länder-arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA)„Anforderungen an die stofflicheVerwertung von mineralischen Ab-fällen – Technische Regeln“. Müll-handbuch, Kennzahl 6541.2, 21 Sei-ten, ISBN 3503028307, Lieferung4/2004, Erich Schmidt Verlag, Berlin.

Bertram, H.-U. (2007): Anforderungenan die Verfüllung von Abgrabungen– Anmerkungen und Ergänzungenzu der Veröffentlichung von Atten-dorn in AbfallR 2006. AbfallR 1/2007,S. 37–42, Lexxion Verlagsgesell-schaft, Berlin.

Bertram, H.-U. (2009): Die Entsorgungheizwertreicher Sortierreste. Vor-trag bei der bvse-Fachtagung„Neues Deponierecht in Deutsch-land – Fortschritt für die hochwer-tige Verwertung, Bonn-Bad Godes-berg, 10. 03. 2009.

Dinkelberg, W., Bannick, C. G., Bertram,H.-U., Freytag, K. (2002): Anforde-rungen des Bodenschutzes an dieVerfüllung von Abgrabungen. Bo-denschutz, 7. Jahrgang, Heft 4,S. 120–125, ISSN 1432170X, ErichSchmidt Verlag, Berlin.

Dinkelberg, W., Bertram, H.-U., Freytag,K., Leuchs, W., Bannick, C. G. (2003):Verfüllung von Abgrabungen. Bo-denschutz, Kennzahl 7770, 11 Sei-ten, ISBN 3503027181, 39. Lieferung

XII/2003, Erich Schmidt Verlag,Berlin.

LAB (2004): Länderausschuss Bergbau:Anforderungen an die Verwertungvon bergbaufremden Abfällen imBergbau über Tage – TechnischeRegeln, Stand: 30. 03. 2004 (inzwi-schen aktualisierte Fassung), http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C4575457_L20.pdf.

LABO (2000): Bund/Länder-Arbeitsge-meinschaft Bodenschutz: Abgren-zungsgrundsätze (08. 08. 2000) undBegründung (18. 09. 2000) zu denAnwendungsbereichen der BBod-SchV hinsichtlich des Auf- und Ein-bringens von Materialien auf und inden Boden von den diesbezüglichenabfallrechtlichen Vorschriften. Ver-öffentlicht auf der Internetseite derLABO als Anhang 4 der „Vollzugs-hilfe zu § 12 BBodSchV“: www.labo-deutschland.de (Pfad: Home > Ver-öffentlichungen > Bewertungs- undVollzugsfragen > Vollzugshilfe zu§ 12 BBodSchV (Sep. 2002) oder di-rekt: http://www.labo-deutschland.de/pdf/12-Vollzugshilfe_110902.pdf.

LABO (2003): Bund/Länder-Arbeitsge-meinschaft Bodenschutz: LABO inZusammenarbeit mit LAGA undLAWA, unter Mitwirkung des LAB:„Verfüllung von Abgrabungen“, Be-richt an die 29. ACK zu TOP 32/33 der27. ACK sowie zu TOP 30 der 28.ACK;veröffentlicht auf der Internetseiteder LABO: www.labo-deutschland.de, Pfad: Home > Themen > Verfül-lung von Abgrabungen (05/2003) >Bericht zu Verfüllung von Abgra-bungen.

LAGA (2003): Bund/Länder-Arbeitsge-meinschaft Abfall: Anforderungenan die stoffliche Verwertung vonmineralischen Abfällen – TechnischeRegeln. Stand: 06. 11. 2003; erschie-nen als Mitteilungen der Länder-arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA)20, 5. erweiterte Auflage (ISBN 3 503063951) im Erich Schmidt-Verlag,Berlin, 2004

LAGA (2004): Bund/Länder-Arbeitsge-meinschaft Abfall: Anforderungenan die stoffliche Verwertung von mi-neralischen Abfällen, Teil II: Techni-sche Regeln für die Verwertung, 1.2Bodenmaterial (TR Boden), Stand:05. 11. 2004, unveröffentlicht.

LAGA (2008): Bund/Länder-Arbeitsge-meinschaft Abfall: Ausschuss für ab-

Bertram – Anforderungen an die Verwertung von Abfällen bei der Verfüllung von Abgrabungen

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29 90. LAGA-Sitzung am 16./17. 04. 2008in Leipzig, TOP 4.1: „Bericht Verfüllung vonAbgrabungen“ (Auszug aus dem Beschluss):„Die LAGA bekräftigt ihre Auffassung, dassdie Verfüllung von Abgrabungen mit mine-ralischen Abfällen, die organische Anteileenthalten, rechtswidrig ist.“

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falltechnische Fragen (ATA), Berichtan die LAGA-Vollversammlung „Ver-füllung von Abgrabungen mit Ab-fällen“, Stand: 06. 03. 2008, unver-öffentlicht.

LAWA (2002): Bund/Länder-Arbeitsge-meinschaft Wasser: Grundsätze desvorsorgenden Grundwasserschutzesbei Abfallverwertung und Produkt-einsatz (GAP), Hannover. Veröffent-licht auf der Internetseite der LAWA:http://www.lawa.de/ (Pfad: Home >Publikationen > Veröffentlichungennach Sachgebieten > kostenloseDownloads > Grundwasser > GAP-Papier) oder direkt: http://www.lawa.de/pub/kostenlos/gw/GAP-Papier06-02NEU.pdf.

NMU (2008): Niedersächsisches Umwelt-ministerium: Leitfaden zur Zulas-sung des Abbaus von Bodenschät-zen unter besonderer Berücksichti-gung naturschutzrechtlicher Anfor-

derungen, 3. Auflage, Januar 2008,veröffentlicht auf der Internetseitedes Niedersächsischen Ministeriumsfür Umwelt und Klimaschutz:www.umwelt.niedersachsen.de.(Pfad: Themen > Bodenschutz & Alt-lasten > Bodenabbau).

NN (1998): Bundes-Bodenschutzgesetz(BBodSchG) vom 17. 03. 1998.

NN (1999): Bundes-Bodenschutz- undAltlastenverordnung (BBodSchV)vom 16. 07. 1999.

Anschrift des Verfassers:MR Dr.-Ing. Heinz-Ulrich BertramNiedersächsisches Ministerium fürUmwelt und KlimaschutzArchivstr. 230169 HannoverE-Mail: [email protected]

Bertram – Anforderungen an die Verwertung von Abfällen bei der Verfüllung von Abgrabungen

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NNA-Berichte 1/2009

1 Einleitung

Es gibt keinen Zweifel, dass Böden vonunschätzbarem Wert für Mensch undUmwelt sind. Der Mensch produziertmehr als 90% seiner Nahrungsmittel,Tierfutter, Faserstoffe und Brennstoffeauf Böden (Hurni 1998). Er dient ihm alsRohstoffquelle und er gründet seine Ge-bäude auf ihnen. Böden sind Teil derUmwelt und haben wichtige Funktio-nen in Wasser-, Stoff- und Energiekreis-läufen. Außerdem bieten sie unzähli-gen Organismen Lebensgrundlage undLebensraum.

Trotz Ihrer Bedeutung sind Bödenweltweit bedroht. In industriell gepräg-ten Regionen wirken v.a. Versiegelung,Stoffeintrag und Verdichtung negativauf Böden ein. In landwirtschaftlichgenutzten Gebieten sind Bodenero-sion, Überdüngung bzw. Nährstoffver-armung oder Versalzung die Hauptfak-toren der Bodendegradation. Letzteresind besonders in den Trockengebietender Entwicklungsländer ein Problem.Trotz erheblicher Anstrengungen, dieFruchtbarkeit von Böden zu erhaltenbzw. wiederherzustellen, nimmt die de-gradierte Fläche – bei steigender Welt-bevölkerung – weiter deutlich zu. ImJahr 2003 waren 24% der nutzbarenLandfläche der Erde degradiert, wobeica. 1/5 Ackerland betraf. Besonders be-

unruhigend ist, dass im Vergleich zu1991 weitgehend neue Flächen betrof-fen sind und die früheren überwiegendauf einem minimalen Ertragspotenzialblieben (FAO 2009).

Angesichts dieser dramatischenLage kann es nur verwundern, dass inder Öffentlichkeit das Problem kaumwahrgenommen wird. Es fehlt das Be-wusstsein für den Wert der Böden unddie Notwendigkeit, sie zu schützen.Gesetze und Verordnungen allein kön-nen keinen ausreichenden Bodenschutzgewährleisten, solange es kein ausrei-chendes Bodenbewusstsein gibt.

Der Beitrag soll die Gründe für dasmangelhaft entwickelte Bodenbewusst-sein aufzeigen, den Stand der Bemü-hungen beschreiben und Vorschläge füreine Stärkung des Bodenbewusstseinsmachen.

2 Was ist Bodenbewusstsein?

Mit dem vom Begriff Umweltbewusst-sein abgeleiteten Wort Bodenbewusst-sein soll hier die aus Wissen und Ein-stellung gespeiste Bereitschaft zu ver-antwortlichem Verhalten gegenüberBöden beschrieben werden. Die fol-genden Ausführungen zu den Kompo-nenten des Bodenbewusstseins und ih-ren Wechselbeziehungen basieren auf den grundlegenden Ergebnissen desArbeitskreises Bodenbewusstsein desMUNLV Nordrhein-Westfalen (aku/iku2001).

Aus Abb. 2 lässt sich ableiten:Bodenbewusstsein kommt nicht

ohne Wissen aus.� Zu Objektwissen kann man fragen:Wissen die Akteure, die mit dem Bodenumgehen oder indirekt auf ihn einwir-ken, genug über die Natur der verschie-denen Böden, um Folgen von Eingriffenabschätzen zu können? Hat die Öffent-lichkeit eine einigermaßen zutreffendeVorstellung von Böden und ihren Funk-tionen? Kennt sie die Bedrohung derBöden?

� Das Problemwissen fragt nach denFolgen, die Bodenveränderungen fürMensch und Umwelt haben. Gut zu wis-sen, wie hoch der Bodenabtrag in Bay-ern ist, aber welcher Abtrag ist hinsicht-lich der Bodenfruchtbarkeit tolerabel?Welche Risiken sind mit der Arsenbelas-tung im Oberboden von Hamburg ver-bunden (Abb. 3)? Wie sehr verstärkt dieBodendegradation die Migration in Tro-ckengebieten?� Handlungswissen wird benötigt, umSchäden an Böden vorzubeugen, sie zuvermeiden oder eingetretene Schädenzu sanieren. Ausgelöst durch Fälle gra-vierender Bodenbelastungen, habenForschung, Gesetzgeber und Verwal-tung in den vergangenen 30 Jahren um-fangreiche Erfahrung zum Handlungs-wissen gesammelt. Es gilt nun, sie um-fassend umzusetzen.

Neben dem Wissen ist die persönli-che Einstellung der Bodenakteure vonBedeutung, unter der folgende Aspektesubsumiert werden:� Werte: In diesem Zusammenhangvon besonderer Bedeutung sind dieAchtung vor der Natur, die auch Bödenmit ihren vielfältigen Funktionen ein-schließt, die Sorge für sich und die kom-mende Generation, die produktive Bö-den braucht, auf denen unbelastetePflanzen wachsen, Nachhaltigkeit, dienicht nur Maßstab für die Bewirtschaf-tung der Böden in der Region seinsollte, sondern auch Schäden an Bödenin anderen Ländern ausschließt (vgl.Kap. 3) und dass Eigentum verpflichtet,was Vorsorge gegen schädliche Boden-veränderungen einschließt. � Betroffenheit ist ein emotional be-stimmter Anteil am Problembewusst-sein, ausgelöst z.B. durch Berichte überSchadstoffe in Böden, Umweltzerstö-

Bodenbewusstsein – ein Schlüssel zurFörderung des Bodenschutzesvon Günter Miehlich

Schlüsselwörter: Bodenbewusstsein, BodenschutzKeywords: soil consciousness, soil protection

Abb. 1: Böden kann man nicht essen, aberohne Böden gibt es nichts zu essen (Bild G. Miehlich).

Abb. 2: Komponenten des Bodenbewusst-seins (nach Kuckartz 1995 und aku/iku 2001).

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Abb. 3: Bodenerosion in Bayern und Arsenbelastung in Hamburg (Bilder G. Miehlich).

rung durch Erosion oder die Folgen ei-ner Klimaänderung für die Fruchtbar-keit von Böden. Betroffenheit ist einstark wirksames Element des Bewusst-seins. Ständig neue Katastrophenmel-dungen („Schadstoff des Monats“) oderdie fortwährende Wiederholung vonGefahren (Klimawandel) können je-doch abstumpfend und damit kontra-produktiv für die Entwicklung des Bo-denbewusstseins wirken.� Mit dem Begriff Boden verbindensich sehr widersprüchliche Gefühle. Bo-den ist schmutzig, schmierig, feucht. Bo-den ist fruchtbar (Mutter Erde). Der Be-griff ist ideologisch belastet: Blut undBoden. Bodeneigentum löst „Besitzer-stolz“ aus. Da Gefühle meist unbewusstdas Verhalten steuern, kann bei dieserGemengelage keine eindeutig positiveWirkung auf das Bodenbewusstsein er-wartet werden.� Verantwortung und Überzeugung:Um Werte im Verhalten zu verankern,bedarf es der Verantwortlichkeit für un-sere Umwelt und der Überzeugung,dass Handeln des Einzelnen für den Bo-denschutz sinnvoll und erfolgverspre-chend ist.

Es gibt viele Akteure, die direkt oderindirekt auf den Boden einwirken:� Direkte Akteure sind z.B. Landwirte,Forstwirte, Gärtner, Landschaftsgärtner,Gartenbesitzer und Kleingärtner, Indus-trie und Gewerbe, Baufirmen. � Indirekte Akteure sind z.B. Gesetz-geber, Bauherren, Bodenschutzbehör-

den, Gemeinderäte, Planer, Berater undVerbraucher und damit letztlich jeder-mann.

Die Komponenten Wissen, Einstel-lung und Verhalten der Akteure wirkenin einem komplexen Wechselspiel zu-sammen. Wenn man aus empirischenUntersuchungen zum Umweltbewusst-sein (Kuckartz 1995) auf das Bodenbe-wusstsein schließen darf, gibt es zwareinen gesicherten Zusammenhang zwi-schen Wissen und Einstellung, der Ef-fekt beider auf das Verhalten war in die-ser Untersuchung jedoch nicht signifi-kant. Daraus kann geschlossen werden,dass Bodenbewusstsein möglichst di-rekt bei den Akteuren geweckt werdenmuss. Interessante Einblicke in das Bo-

denwissen und das Verhalten einerGruppe von Betroffenen (Bewohner ei-ner ehemaligen Altlast) und Akteuren(Kleingärtner) geben Matschonat et al.(2004).

3 Bodenbewusstsein hat esschwer

Verglichen mit anderen Aspekten desNatur- und Umweltschutzes, ist eine po-sitive Einstellung zu Böden und Boden-schutz sehr schwer zu erreichen. Das hatmehrere Gründe:� Böden sind unsichtbar: Sie sind inSiedlungen weitgehend versiegelt undaußerhalb, zumindest in humiden Ge-bieten, unter einer geschlossenen Ve-getationsdecke verborgen. Lediglichackerbaulich genutzte Böden lassenwenigstens zeitweise die Oberfläche er-kennen. Auch in Profilgruben sind nurzwei Dimensionen sichtbar und nichtnur die Böden selbst, sondern auch diemeisten wertbestimmenden Eigen-schaften sind nicht sicht- oder fühlbar,sondern nur durch aufwändige Analy-sen ableitbar. � Böden haben keine Gestalt (Abb. 4),sondern sind Quasicontinua im Raum,deren Grenzen nicht sichtbar sind, son-dern aus indirekten Merkmalen abge-leitet werden müssen. Dadurch wird dieVorstellung von Böden „schwer ver-mittelbar“.� Böden entwickeln sich sehr langsam(Quasicontinua über die Zeit). Die Ent-wicklung einer Blüte ist ein für Men-schen zeitlich überschaubarer Prozess.Die Bodenentwicklung braucht oft Jahr-hunderte, bis Veränderungen sichtbar

Miehlich – Bodenbewusstsein – ein Schlüssel zur Förderung des Bodenschutzes

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Abb. 4: Böden habenkeine Gestalt (BilderG. Miehlich).

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werden. Böden wirken daher auf unsstatisch, starr. � Böden haben keinen Kuschelfaktor.Wie sollen sie da um die Gunst der Auf-merksamkeit gegen Pandabären oderden Vogel des Jahres konkurrieren?� Böden bewegen sich nicht. Was sol-len Filmemacher damit anfangen? Ach-ten Sie einmal auf Naturfilme: 70% der Zeit handelt von Tieren, die sich selbstbewegen, 10% von Landschaft, bewegtdurch die Kamera, 10% handelt vonBlumen, aber nur, wenn sie vom Windbewegt werden. Als Bild kommt derBoden höchstens fünf Sekunden voroder als (meist negativ besetzter) Kom-mentar aus dem Off.

� Uns ist die Herkunft unserer Lebens-mittel nicht mehr bewusst. Fragen Siedoch einmal Schüler, was Schokoriegelmit Boden zu tun haben könnten. Es ist mühsam, die Bedeutung des Bodens für die Bestandteile Getreide, Milch,Zucker, Nüsse und Kakao zu erarbeiten.Aber auch Erwachsenen fehlt das Be-wusstsein, von der Produktion von Feld-früchten abhängig zu sein, die auf demBoden wachsen.� Die Wirkungsketten zwischen Bodenund Mensch sind oft sehr komplex. DieFrage, warum ein Schnitzel auf unseremTeller häufig etwas mit Bodenzerstö-rung in Entwicklungsländern zu tun hat,braucht zur Beantwortung die Ablei-tung: Schnitzel / Schwein / Futter / Soja-import aus Entwicklungsland / niedrigerWeltmarktpreis / niedrige Umweltstan-dards / keine nachhaltige Bewirtschaf-tung der Böden im Erzeugerland.� Die meisten Menschen haben denKontakt zum Boden verloren. Wie vieleKinder wissen, wie Böden aussehen,riechen, schmecken und warum einePflanze den Boden braucht? � Böden kann man besitzen: Der ge-setzlich garantierte Schutz des Eigen-tums lässt manchen vergessen, dass Ei-gentum auch zur Vorsorge gegenüberBöden verpflichtet.� Böden und Bodenschutz ist selten einThema in den Medien. Zwar sieht dieBevölkerung den Umweltschutz inzwi-schen wieder als ein sehr wichtiges Pro-blem an (BMU 2008), aber das ThemaKlimawandel überlagert alle übrigenBereiche.

Diese Widerstände dürfen für dasBodenbewusstsein Aktive nicht entmu-tigen, sondern sollten alle ermuntern,sie zu überwinden.

4 Ziele zur Entwicklung vonBodenbewusstsein bei denAkteuren

Ohne Anspruch auf Vollständigkeitseien hier wichtige Ziele zur Verbes-serung des Bodenbewusstseins ange-sprochen: � Kinder: Sie haben einen unkompli-zierten Zugang zu Böden, der in Kin-dergärten, Waldkindergärten, Natur-schutzzentren, aber auch im eigenenGarten dazu genutzt werden kann,spielerisch verschiedene Eigenschaftenvon Böden und wichtige Bodenfunk-tionen (Boden als Lebensraum, Boden

als Pflanzenstandort) kennen zu lernen. � Schüler: Angepasst an die unter-schiedlichen Schultypen und Lernstu-fen, sollten die Themen Boden als Le-bensraum, die Rolle der Böden in Stoff-kreisläufen, die Bedeutung der Bödenfür die Produktion von Nahrungsmit-teln sowie die unterschiedlichen For-men der Gefährdung der Böden und die Möglichkeiten, sie durch Vorsorgezu vermeiden, behandelt werden. InSchulprojekten können Böden vorge-stellt werden. Übergreifendes Ziel mussdie Vermittlung eines ausreichendenWissens und einer positiven Grund-einstellung zur Bedeutung von Bödensein, die in verantwortliches Verhaltenmündet. � Studierende: In Studiengängen für„direkte Bodenakteure“ (Agrar-, Forst-wissenschaften, Gartenbau, Architek-tur, Landschafts- und Städteplanung,Archäologie sowie Hoch- und Tiefbau)sollte Bodenwissen und Bodenschutzden Fachrichtungen angepasst ausrei-chend gelehrt werden. Um zukünftigenLehrern die Scheu vor der Beschäfti-gung mit Böden zu nehmen, sollte Stu-dierenden der Fächer Geowissenschaf-ten, Biologie und Chemie Lehrangeboteüber Böden und Bodenschutz als Wahl-fach angeboten werden. � Allgemeinheit: Vermittlung von aus-reichendem Wissen, um bodenschutzre-levante Aspekte (z.B. Flächenverbrauch,Lebensmittelproduktion, Bodenerosionoder Futtermittelimporte) angemessenbeurteilen und entsprechend handelnzu können. � Direkte Bodenakteure: Land-, Forst-wirte, Gärtner (professionelle sowieHobbygärtner), Landschaftsgärtner, In-dustrie und Gewerbe sowie Baufirmenmüssen ausreichend informiert undüberzeugt werden, dass Bodenschutzeine Aufgabe von hoher gesellschafts-relevanter Bedeutung ist, die über dieErfüllung gesetzlicher Mindestvorga-ben hinausreicht.� Indirekte Bodenakteure: Baubehör-den, Gemeindevertretern, Planern,Agrarberatern u.a. sollte bewusst ge-macht werden, welche Folgen ihre Ent-scheidungen, Planungen oder Rat-schläge für Böden haben und welcheMöglichkeiten es gibt, schädlicheBodenveränderungen zu vermeiden.Selbst Angehörigen unterer Boden-schutzbehörden fehlt häufig das not-

Miehlich – Bodenbewusstsein – ein Schlüssel zur Förderung des Bodenschutzes

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Abb. 6: Was hat ein Schokoriegel mit Bodenzu tun? (Bild G. Miehlich).

Abb. 5: Vogel und Boden des Jahres 2009(Bild links A. Jahn, Loki Schmidt Stiftung,Hamburg, rechts G. Miehlich).

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wendige bodenkundliche Wissen, umeinen sachgerechten und nachhaltigenBodenschutz sicherstellen zu können.� Entscheidungsträger: HochrangigeEntscheidungsträger in Politik und Ge-sellschaft haben bisher kaum die Ge-fährdung der Böden thematisiert. Wennman bedenkt, dass es Angela Merkelwar, die in ihrer Amtszeit als Bundes-umweltministerin das Bundes-Boden-schutzgesetz mit ihrer Unterschrift aufden Weg gebracht hat, muss schon ver-wundern, dass unter ihrer Regierungder EU-Richtlinie zum Bodenschutz dieZustimmung versagt bleibt.

5 Es mangelt nicht an Aktivitätenzur Verbesserung desBodenbewusstseins

Es gibt eine Fülle von Materialien undAktivitäten, die sich mit Böden, Boden-schutz und Bodenbewusstsein beschäf-tigen. Alle Medien sind vertreten:Bücher, Broschüren, Artikel in boden-kundlichen und pädagogischen Fach-zeitschriften, Internetforen, Arbeits-kreise, Anleitungen zum praktischenHandeln, Wanderausstellungen, Mu-seen mit Schwerpunkt Boden, Kampag-nen, Filme, Videos, Spiele, „Bodenkof-fer“ zur Untersuchung von Bodenei-genschaften vor Ort.

Beispielhaft seien hier genannt: � Überlegungen zum Bodenbewusst-sein: Ergebnisse des Arbeitskreises Bo-denbewusstsein des MUNLV Nordrhein-Westfalen (aku/iku 2001), den Über-sichtsartikel Thoenes et al. (2004), dieDenkschrift zum Bodenbewusstsein desWissenschaftlichen Beirats Bodenschutz(WBB 2002), zum nachhaltigen Umgangmit Böden (Haber et al. 1999), Ergeb-nisse eines Workshops über Zukunfts-optionen und Strategien zur Verbesse-rung des Bodenbewusstseins (Lazar etal. 2009).� Internetauftritte: insbesondere diePlattform Bodenwelten (BMU/BVB/ahu2009) und die Website der Natur- und Umweltschutzakademie Nord-rhein-Westfalen (nua 2009) bieten um-fangreiche Materialien für Kinder, Schü-ler und Allgemeinheit. In beiden Inter-netauftritten finden sich zahlreicheVerweise auf andere Aktivitäten. Einbreites Informationsangebot zu Bo-denthemen bietet die Bodenplattformdes österreichischen Umweltbundes-amtes und der österreichischen Boden-

kundlichen Gesellschaft (ÖBG & Um-weltbundesamt 2009). UmfangreicheLinks zu bodenkundlichen Institutionenund Materialien zum Bodenbewusst-sein bietet das Institut für Bodenkundeder Universität Hamburg (IFB 2009).Dort finden sich auch Materialien zumThema Öffentlichkeitsarbeit und Bo-denschutz.� Schule, Öffentlichkeit: Eine kommen-tierte Zusammenstellung von Unter-richtsmaterialien vom Kindergartenüber die Schule bis zur Allgemeinbil-dung gibt der Medienkatalog Boden(Böhme & Müller 2007). Unterrichtsma-terialien finden sich z.B. in Fraedrich(1998), hypersoil (2009), BayerischesStaatsministerium Umwelt und Gesund-heit (2009), Regierungspräsidium Karls-ruhe (2009). Es gibt Broschüren, die überBöden und Bodenschutz informieren(z.B. LBEG 2008, Niedersächsisches Um-weltministerium 2007).� Arbeitsgruppen: Mit Fragen des Bo-denbewusstseins beschäftigen sich Ar-beitskreise bzw. Fachgruppen der Deut-schen Bodenkundlichen Gesellschaft(DBG 2009) und des BundesverbandsBoden (BVB 2009). Über die DeutscheBodenkundliche Gesellschaft könnenauch Informationen zum Boden des Jah-res abgefragt werden.� Lokale und regionale Projekte zumBodenbewusstsein: z.B. der Stadt Wup-pertal (Hudeck et al. 2007) oder dieRegion Osnabrück (Museum am Schö-lerberg, Terra.park, Geopark Terra.vita, Fachhochschule mit SchwerpunktBoden).� Pfade: Um Böden sichtbar zu ma-chen, wurden in Deutschland viele Bo-denlehr- bzw. -erlebnispfade eingerich-tet. Den Stand bis 2001 gibt der vomUmweltbundesamt herausgegebene„Reiseführer zu den Böden Deutsch-lands“ (UBA 2001) wieder, der derzeitaktualisiert wird. Jüngere Bodenlehr-bzw. -erlebnispfade entstanden in meh-reren Bundesländern, z.B. in SchleswigHolstein (Landesamt für Natur und Um-welt Schleswig Holstein 2008), in Sach-sen (Sächsisches Landesamt für Umwelt,Landwirtschaft und Geologie 2009) undin Nordrhein-Westfalen (Stadt Wupper-tal 2009). Eine virtuelle Reise durchösterreichische Böden bietet der Boden-kompass der „Bodenplattform“ (ÖBG & Umweltbundesamt 2009). In derSchweiz ist das Thema Boden Bestand-teil der Themenwege (Institut für Um-

welt und Natürliche Ressourcen der Zür-cher Hochschule für Angewandte Wis-senschaften 2009).� Museen: Das Osnabrücker Museumam Schölerberg (Museum am Schöler-berg 2009) beherbergt die umfangrei-che Dauerausstellung unter.Welten, inder begehbar Böden unter verschiede-nen Nutzungsformen erlebbar sind. Inden Niederlanden gibt es das unterirdi-sche Museum „Museonder“ im Natio-nalpark De Hoge Veluwe (museonder2009) und das Internationale Boden-museum in Wageningen (ISRIC 2009)mit einer umfangreichen Schausamm-lung von Böden.� Die Wanderausstellung „Unter unse-ren Füßen – Lebensraum Boden“ (Sen-ckenberg Museum für Naturkunde Gör-litz 2009).

Und – es gibt sogar eine BodenSINN-phonie (Schulz 2000).

6 Warum ist, trotz aller Bemühun-gen, das Bodenbewusstsein sowenig verbreitet?

Trotz der großen Zahl von Aktivitätenist das „Bodenbewusstsein“ nicht nur inder Bevölkerung, sondern auch bei vie-len Akteuren, die auf den Boden ein-wirken, sehr gering. Ursache sind einesoder mehrere folgender Defizite:

Miehlich – Bodenbewusstsein – ein Schlüssel zur Förderung des Bodenschutzes

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Abb. 7: Bodenprofil eines überwehten Pod-sols, der viel über die Landschafts- und Kul-turgeschichte erzählt (www.bodenlehrpfad.de, Bild G. Miehlich).

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� Sie finden nicht das Interesse derZielgruppe. Teils schätzen sie das Vor-wissen und die Interessen der verschie-denen Zielgruppen nicht richtig ein,teils stehen Informationen über Bödenim Vordergrund und nicht die Motiva-tion, warum sich der Bürger für Bödenund ihren Schutz interessieren und en-gagieren soll. Die Kampagnen erreichenso oft nur die „Information der Infor-mierten“ und nicht die wichtigste undam schwersten zu erreichende Ziel-gruppe: die nicht hinreichend infor-mierte Bevölkerung. � Sie berücksichtigen nicht alle we-sentlichen Zielgruppen. Die meisten Ak-tivitäten zur Verbesserung des Boden-bewusstseins richten sich an Schüler, dieÖffentlichkeit und Landwirte. Seltensind gezielte Aktivitäten für andere, imBodenschutz wichtige Gruppen, wieGärtner, Landschaftsarchitekten, Gar-tenbesitzer, Bauherren, Baufirmen, Pla-ner, Gemeinderäte. � Sie sind nicht professionell genug ge-staltet. Der Bürger ist z.B. durch die Re-klame, aber auch durch professionellgestaltete Medien im Umweltbereicheinen so hohen Standard an graphischerund inhaltlicher Gestaltung gewohnt,dass er liebevoll, aber dilettantisch vonWissenschaftlern produzierte Aktivitä-ten eher belächelt als ernst nimmt. � Sie sind nicht professionell gema-nagt. Nach aku/iku (2001) gehören dazuAuswahl der Zielgruppe, Ermittlung desWissensstandes und der Motivation derGruppe, Zieldefinition der Aktion, Auf-bau der Aktionsformen, Sicherstellung

der Finanzierung, Gewinnung von Ko-operations- und Medienpartnern, Koor-dination des Ablaufs, Erfolgskontrolle.� Sie haben nicht die erforderliche Ver-breitung. Oft werden Aktionen zur Ver-besserung des Bodenbewusstseins voneiner kleinen Gruppe Enthusiasten mitminimalem Budget entwickelt und ha-ben dann oft nur eine lokale, besten-falls eine regionale Wirkung. Auch dieisolierte Darstellung von Aspekten desBodenbewusstseins im Internet nütztwenig, wenn sie den Adressaten nichterreicht (lost in www-dot-nirvana).

7 Was ist zu tun?

Zunächst sollten die Unterlagen und Ak-tionen in Sinne der oben angesproche-nen Probleme verbessert werden. Insbe-sondere scheint mir wichtig, die bislangwenig beachteten Zielgruppen direktanzusprechen. Hier sind unter anderemdie Fachgruppe Boden in Schule undWeiterbildung der DBG und der Ar-beitskreis Beruf und Bildung des BVBgefordert, geeignetes Material im Inter-net zur Verfügung zu stellen.

Von entscheidender Bedeutung istein professionelles Netzwerk, in demIdeen, Unterlagen ausgetauscht, Akti-vitäten koordiniert und neue professio-nelle Unterlagen geschaffen werdenkönnen. Die Idee ist nicht neu (z.B.Thoenes et al. 2004), aber bislang stetsan mangelnder Finanzierung geschei-tert. Es ist zu hoffen, dass dem unterdem Dach der European Soil Alliance(ELSA 2009) geplanten „European Net-work Soil Awareness“ (ENSA) ein Erfolgbeschieden ist, so dass jeder, der mitdem Boden zu tun hat, seinen persön-lichen Draht zu Mutter Erde findet.

8 Zusammenfassung

Trotz der großen Bedeutung der Bödenfür Mensch und Umwelt ist den wenigs-ten Menschen bewusst, wie gefährdetdiese ebenso wertvolle wie empfind-liche Ressource ist. Das Bodenbewusst-sein kämpft mit einer großen Zahl vonProblemen. Böden sind unsichtbar,formlos, „schmutzig“, starr; sie sind alsowenig medientauglich. Es gibt vieleNutzer, die in unterschiedlicher Weisedirekt auf den Boden einwirken. Vor al-lem haben die Verbraucher vergessen,woher ihre Nahrungsmittel stammen.Obwohl es ein breites, die unterschied-

lichsten Medien umfassendes Angebotan Informationen gibt (Internet-Ange-bote für Kinder und Schüler, die Öffent-lichkeit, Bodenlehrpfade, Museen), istes zu wenig wirksam, vor allem, weil esnicht professionell genug gestaltet bzw.gemanagt wird. Abhilfe kann nur einefinanziell hinreichend ausgestattetePlattform leisten, die nicht nur die Akti-vitäten vernetzt, sondern Unterstüt-zung zur Gestaltung und Vermarktunganbietet.

Summary

Despite of the significance of soils forthe well-being of man and his environ-ment, only few people realize howmuch this valuable and sensitive re-source is threatened. Soil awareness fa-ces a large number of problems. Soilsare considered as invisible, shapeless,„dirty”, rigid, in short nearly unsuitablefor the media. Many users impact soilsin various ways, in particular consumersof agricultural goods and products seemto have forgotten where their dailyfood comes from. Although a vast offerof information for the different mediaexists (web based information tailoredto the needs of kids, students, the publicat large and soil users as well as soil trailsand soil museums), these sources are notvery effective because they are in parti-cular isolated, ineffectively presentedand managed. Improvement can onlybe expected from a sufficiently fundedplatform, offering not only networkingof activities but also supports creativestructuring and marketing of soil infor-mation.

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Miehlich – Bodenbewusstsein – ein Schlüssel zur Förderung des Bodenschutzes

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Abb. 8: Der persönliche Draht zum Boden(Bild G. Miehlich).

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Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. Günter MiehlichInstitut für Bodenkundeder Universität [email protected]

Miehlich – Bodenbewusstsein – ein Schlüssel zur Förderung des Bodenschutzes

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NNA-Berichte 1/2009

1 Einleitung

Naturschutz ist in Deutschland die fürStaat und Bürger gesetzlich verpflich-tende Aufgabe, Natur und Landschaftvor negativen anthropogenen Verände-rungen und zivilisatorischen Trends zuschützen. Diese Aufgabe umfasst dreiTeilziele: 1. die Gewährleistung „ungestörterEntwicklung“, d.h. sich selbst organi-sierender Natur möglichst auf großerFläche,2. die Erhaltung „historischer Kultur-landschaften“, d.h. dort, wo sie nochexistieren, wenigstens aber in repräsen-tativen Ausschnitten und3. die Bindung jeder Nutzung an Krite-rien der Nachhaltigkeit, d.h. die Öko-systeme nicht übernutzen, keinen Raub-bau betreiben, stattdessen Wirtschafts-und Nutzungsweisen, vor denen Naturund Landschaft gar nicht geschützt zuwerden brauchen, Naturschutz außer-halb von Schutzgebieten.

So ist – nehmen wir alle drei Ziele zu-sammen – Naturschutz ein alle Politik-bereiche und hundert Prozent des Rau-mes durchdringendes Handlungs- undGestaltungsprinzip.

Dieses Ziel schließt den Schutz desBodens ein, weil Boden Teil oder Vor-aussetzung der Güter ist, die in der Ziel-bestimmung des Bundesnaturschutzes(§ 1 BNatSchG) als zu schützen genanntsind: die Leistungs- und Funktionsfähig-keit des Naturhaushalts, die Regenera-tionsfähigkeit und nachhaltige Nut-zungsfähigkeit der Naturgüter, die Tier-und Pflanzenwelt einschließlich ihrerLebensstätten und Lebensräume, dieVielfalt, Eigenart und Schönheit sowieder Erholungswert von Natur und Land-schaft.

Zudem hat das Bundesnaturschutz-gesetz von 1976 die Verwirklichung derNaturschutzziele an den Grundsatz ge-knüpft, Boden zu erhalten und einenVerlust seiner natürlichen Bodenfrucht-barkeit zu vermeiden (§ 2 Abs. 1 Nr. 4BNatSchG a.F.), und seit der Novelle2002, Böden so zu erhalten, dass sie ihreFunktionen im Naturhaushalt erfüllenkönnen (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 BNatSchG).1

2 Die Bewertung des Bodens im Naturschutz

Insofern ist der Schutz des Bodens auchSache des Naturschutzes. Dieser Schutzgilt allerdings nicht dem Boden an sich,jedenfalls nicht allen Böden unter-schiedslos, sondern nach dem Zielsys-tem des Naturschutzes bestimmtenBöden mehr als anderen – nämlich dennatürlichen, anthropogen wenig verän-derten, aber auch den kulturhistori-schen Böden. Warum?

So wie es bezogen auf den Natur-haushalt das Ziel des Naturschutzes ist,den für den jeweiligen Naturraum typi-schen „Ökosystemsatz“ oder auch „Ar-tensatz“ zu schützen, sollen auch be-zogen auf den Boden die für den je-weiligen Naturraum typischen Bödengeschützt werden.

Diese Sorge beschränkt sich nicht aufdie natürlichen Böden, denn der BegriffNaturraum ist nicht auf die vom Men-schen unbeeinflusste Landschaft einge-engt, sondern umfasst sowohl die natür-liche Beschaffenheit der Erdoberflächeals auch deren Veränderung durch dieKulturtätigkeit des Menschen, also Na-turlandschaft und ihre Überformung zur Kulturlandschaft, soweit sich in ihrdie natürlichen Landschaftsfaktoren desStandortes noch „durchpausen“ (Nie-dersächsischer Minister für Ernährung,Landwirtschaft und Forsten 1989: 35).

Dort, wo Böden infolge des außer-ordentlichen zivilisatorisch-technischenWandels ihre naturraumtypische (undfolglich auch kulturhistorische) Iden-

tität verloren haben, erlischt nicht dieSorge des Naturschutzes um den Boden.Allerdings tritt dort an die Stelle desSchutzes die Wiederherstellung des Bo-dens oder zumindest elementarer Bo-denfunktionen nach Maßgabe des § 1BNatSchG.

Gegenüber diesen Kriterien mussdie agronomische Bedeutung eines Bo-dens im Naturschutzhandeln zurücktre-ten, wie übrigens auch im Artenschutznicht die Bedeutung einer Art für diemenschliche Ernährung für ihren Schutzausschlaggebend sein kann. Anderen-falls müssten wir jagdbares Wild besserschützen als andere wildlebende Tiere.Die Fürsorge des Naturschutzes gilt des-halb den Rothirschen nicht mehr als denRotbauchunken und den Braunerdennicht mehr als dem Podsol oder demRanker. Jagdwirtschaftliche oder agro-nomische Bewertungen sind eben nichtauch schon die Bewertungen des Natur-schutzes.

Aus diesem Ansatz heraus hat dieniedersächsische Landesnaturschutzver-waltung die Böden fünf Bedeutungs-stufen zugeordnet (siehe Übersicht 1).Diese Einstufungen haben nicht nur Be-deutung für die eigene Fachplanung desNaturschutzes, die Landschaftsplanung,die Unterschutzstellung von Gebietenund die Verwirklichung der Natur-schutzziele insgesamt, sondern auch fürdie Anwendung der Eingriffsregelung.

3 Schutz des Bodens in derEingriffsregelung

Der Schutz des Bodens ist auch Sache der Eingriffsregelung. Sie unter-wirft Veränderungen der Gestalt oderNutzung von Grundflächen sowie Ver-änderungen des mit der belebten Bo-denschicht in Verbindung stehendenGrundwasserspiegels, sofern diese Ver-änderungen die Leistungs- und Funk-tionsfähigkeit des Naturhaushalts oderdas Landschaftsbild erheblich beein-trächtigen können, einem Programmabgestufter Sanktionen (§§ 18ff BNat-SchG) (siehe Abb. 1).

3.1 Einschränkungen von Eingriffs-tatbestand und Eingriffsregelung

Die Eingriffsregelung hat auch Bedeu-tung für den Schutz des Bodens. Aller-dings sollte die Wirksamkeit der Ein-griffsregelung weder in dieser Hinsicht

Der Schutz des Bodens in derEingriffsregelungvon Wilhelm Breuer

Schlüsselwörter: Naturschutz, Eingriffsregelung, Bodenschutz, BodenbewertungKeywords: nature conservation, impact mitigation, soil protection

1 Der Beitrag bezieht sich auf die Rechts-vorschriften der Eingriffsregelung des Bun-des- und des Niedersächsischen Naturschutz-gesetzes mit Stand 12. Mai 2009.

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noch für den Schutz von Natur undLandschaft insgesamt überschätzt wer-den – aus folgenden Gründen:

Einschränkungen des Eingriffstatbe-standes� Die land- und forstwirtschaftliche Bo-dennutzung ist – soweit sie die Ziele undGrundsätze des Naturschutzes und derLandschaftspflege berücksichtigt – nachder Fiktion des Bundesnaturschutzge-setzes nicht als Eingriff anzusehen undinsofern aus der Eingriffsregelung aus-genommen (§ 18 Abs. 2 BNatSchG). � Das Niedersächsische Naturschutzge-setz stellt darüber hinaus auch die Än-derung der Nutzungsart landwirtschaft-lich genutzter Flächen in eine anderelandwirtschaftliche Bodennutzung re-gelmäßig vom Tatbestand des Eingriffsfrei (§ 7 Abs. 1 Satz 2 NNatG). Das be-trifft insbesondere den bodenschutzkri-tischen Umbruch von Grünland in Acker(siehe Abb. 2).

Einschränkungen des Geltungsbereichs� In Niedersachsen gilt die Eingriffsre-gelung für Eingriffe nur, wenn diese

Übersicht 1: Wertstufen von Böden (Niedersächsisches Umweltministerium und Niedersächsisches Landesamt für Ökologie 2003: 124)

Böden von besonderer Bedeutung (Wertstufe V/IV)– Naturnahe Böden (natürlicher Profilaufbau weitgehend unverändert, keine nennenswerte Entwässerung, keine neu-

zeitliche ackerbauliche Nutzung; z.B. alte Waldstandorte, nicht/wenig entwässerte Hoch- und Niedermoorböden,Dünen), sofern selten

– Böden mit besonderen Standorteigenschaften/Extremstandorte, sofern selten, (z.B. sehr nährstoffarme Böden, sehrnasse Böden mit natürlichem Wasserhaushalt oder nur geringfügig abgesenkten Wasserständen wie Hoch- und Nieder-moore, Anmoorböden, Gleye, Auenböden; sehr trockene Böden, wie z.B. trockene Felsböden; Salzböden). Gilt für Bio-toptypen unter landwirtschaftlicher Nutzung nur für Nassgrünland und trockenes Grünland

– Böden mit kulturhistorischer Bedeutung (z.B. Plaggenesche, sofern selten; Wölbäcker; Heidepodsole/nur repräsentativeAuswahl)

– Böden mit naturhistorischer und geowissenschaftlicher Bedeutung (u.a. Paläoböden, Schwarzerden, sofern selten)– Sonstige seltene Böden (landesweit/naturräumlich mit Flächenanteil <1%)

Böden mit allgemeiner Bedeutung (Wertstufe III)– Durch Nutzungen überprägte organische und mineralische Böden (durch wasserbauliche, kulturtechnische oder be-

wirtschaftungsbedingte Maßnahmen, z.B. intensive Grünlandnutzung oder Ackernutzung, auch von Böden mit beson-deren Standorteigenschaften/Extremstandorten)

– Extensiv bewirtschaftete oder brachliegende/nicht mehr genutzte, überprägte organische und mineralische Böden (z.B.Acker- und Grünlandbrachen, Hutungen)

Böden von allgemeiner bis geringer Bedeutung (Wertstufe II)– Durch Abbau entstandene Rohböden– Anthropogene Böden, durch Kulturverfahren völlig von natürlichen Bodenaufbau abweichend (z.B. Deutsche Sand-

mischkultur, Rigosole, Auftragsböden)

Böden von geringer Bedeutung (Wertstufe I)– Kontaminierte Böden– Versiegelte Böden

Breuer – Der Schutz des Bodens in der Eingriffsregelung

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Abb. 1: Bodenabbau. Am augenfälligsten greift der Bodenabbau in den Boden ein. Das istaber keineswegs der einzige Eingriff in dieses Schutzgut, sondern beinahe jedes Bauvorha-ben beansprucht Boden. Die damit verbundenen Beeinträchtigungen von Natur und Land-schaft müssen ermittelt, nach Möglichkeit vermieden und die unvermeidbaren erheblichenBeeinträchtigungen bestmöglich kompensiert werden. Dies ist Sache der Eingriffsregelung.Nur wenn die mit einem Eingriff verbundenen Folgen besonders schwerwiegend sind, kannder Eingriff untersagt werden (Bild: M. Papenberg).

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nach öffentlichem Recht unter Zulas-sungs- oder Anzeigevorbehalt stehen,einer Planfeststellung bedürfen odervon einer Behörde durchgeführt odergeleitet werden.� Der Bundesgesetzgeber hat jüngsteine Reihe bauplanungsrechtlicher Vor-haben vom Geltungsbereich der Ein-griffsregelung ausgenommen.

Begrenzung der Vermeidungspflicht� Das Vermeidungsgebot der bundes-rechtlichen Eingriffsregelung gilt nichtdem Eingriff an sich, sondern nur denmit seiner Durchführung verbundenenvermeidbaren Beeinträchtigungen vonNatur und Landschaft. Aus dem Vermei-dungsgebot lässt sich deshalb wedereine Pflicht zur Prüfung von Standort-oder Vorhabensalternativen ableiten,noch gar ein Vorrang für nicht oderweniger beeinträchtigende Alternati-ven.

Keine Untersagung des Eingriffs an sich� Die Eingriffsregelung untersagt nichtden Eingriff an sich, sondern nur solcheEingriffe, deren Folgen so schwerwie-gend sind, dass sie nicht kompensiertwerden können – und dies auch nur, so-weit dem Schutz von Natur und Land-schaft ein Vorrang vor dem Eingriffsin-

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teresse zuerkannt wird. Die Entschei-dung darüber liegt nur ausnahmsweisebei der Naturschutzbehörde. Die Erfah-rung zeigt, dass nahezu keinem Eingriffaus Gründen des Naturschutzes und derLandschaftspflege die Zulassung ver-sagt wird.

Beschränkung auf Kompensation� Die Praxis der Eingriffsregelung be-schränkt sich nahezu ausschließlich aufdie Festlegung von Ausgleichs- oder Er-satzmaßnahmen oder – falls eine Natu-ralrestitution nicht möglich – eine Er-satzzahlung. Insofern ist die Eingriffsre-gelung bestenfalls, auf die Bewältigungvon Eingriffsfolgen ausgerichtet, einbloßer Reparaturbetrieb, Nachsorgeund eben – ganz im Unterschied zumSelbstverständnis der Umweltpolitik –keine Vorsorge. Auch die Entscheidun-gen über Art und Umfang der Kompen-sation liegen nur bedingt im Verant-wortungsbereich der Naturschutzbe-hörden.

Eingeschränkte Kompensation� Allen Beteiligten ist klar, dass der Ge-setzgeber mit den Begriffen Ausgleichoder auch Kompensation mehr ver-spricht, als gehalten werden kann. Rea-lisierbar ist immer nur eine annähernde

Kompensation der Eingriffsfolgen, wo-bei der Ausgleich nur bezüglich ausge-wählter Funktionen oder Werte erfolgtund als Konsequenz davon andereFunktionen und Werte ohne Kompen-sation bleiben.� In der Bauleitplanung ist die Kom-pensation nicht striktes Recht, sondernunter den Vorbehalt der Abwägung ge-stellt. Zudem hat die Bauleitplanungs-seite eine andere Vorstellung von demSteuerungssystem der Eingriffsregelungentwickelt, welches das streng abge-stufte Programm der Eingriffsfolgenbe-wältigung aufheben soll. Der größteTeil des Flächenverbrauchs vollzieht sichaber in der Bauleitplanung, also dort,wo die Steuerungsmöglichkeiten derEingriffsregelung aus verschiedenenGründen am wenigstens greifen (Breuer2001). � Die finanziellen Aufwendungen fürKompensationsmaßnahmen bewegensich zumeist unter 5%, bezogen auf dieKosten für Planung und Ausführung desEingriffs. Bei den VerkehrsprojektenDeutsche Einheit liegen sie zwischen 5–7%, was den niedersächsischen Ge-setzgeber dazu bewog, die Höhe der Er-satzzahlung in den Fällen des § 12 bAbs. 1 Nr. 1 NNatG auf maximal 7% zubeschränken (Niedersächsischer Land-tag 2003). In der Praxis sind es übrigensnur durchschnittlich 2,5%. So gesehenbewegen wir uns in der naturalen wie in der monetären Kompensation im Fi-nanzvolumen für „Kunst am Bau“(Breuer et al. 2006). � Dieses Niveau wird noch weiterunterschritten, denn im Mittel der un-tersuchten Fälle werden nur etwa50 Prozent der auferlegten Ausgleichs-und Ersatzmaßnahmen wie vorgesehenrealisiert. Vielfach erfolgt die Realisie-rung gar nicht, nur unvollständig, inmodifizierter Form, unter Nichtbeach-tung zeitlicher Fristen, oder die Maß-nahmen werden nicht dauerhaft erhal-ten. Auf Grund dieser Umsetzungsdefi-zite bleiben erhebliche Restschäden anNatur und Landschaft zurück, die sichangesichts der Vielzahl der Eingriffe – inNiedersachsen jährlich immerhin mehrals 12.000 (Breuer et al. 2006), darin sinddie bauleitplanerisch vorbereiteten Ein-griffe noch gar nicht eingerechnet – zueinem gravierenden Problem entwi-ckeln (Meyhöfer 2000).

Schon aus diesen Beschränkungenheraus ist leichter zu verstehen, dass die

Abb. 2: Maisanbau. Der zunehmende Anbau von Energiemais führt zu immer engeren Frucht-folgen und damit vielerorts zur Verdrängung von Winterkulturen und Zwischenfrüchten. Aufdiese Weise wird die Gefahr des Eintrages von Nährstoffen in Böden, Grundwasser und Ober-flächengewässer verstärkt. Von der Anwendung der Eingriffsregelung nimmt das Bundes-naturschutzgesetz die landwirtschaftliche Bodennutzung aber weitgehend aus (Bild: M. Papenberg).

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Eingriffsregelung nur unzureichend zurBegrenzung des Flächenverbrauchs undzum Schutz des Bodens insgesamt hatbeitragen können und ein deutlich grö-ßerer Beitrag auch künftig von ihr ehernicht, jedenfalls nicht ohne weiteres er-wartet werden kann. – Dabei haben wirdas möglicherweise größte Hindernisfür die Einlösung der zum Teil weit ge-spannten Erwartungen des Bodenschut-zes an die Eingriffsregelung noch garnicht in den Blick genommen: Der Bodenist nämlich nicht schon an sich Schutzgutder Eingriffsregelung.

3.2 Für sich genommen ist Boden keinSchutzgut der Eingriffsregelung

Der Boden ist für sich genommen keinSchutzgut der Eingriffsregelung, son-dern er ist es nur, soweit er Teil oderVoraussetzung der Leistungs- und Funk-tionsfähigkeit des Naturhaushaltesoder des Landschaftsbildes ist, denn nurdiese sind die Schutzgüter der Eingriffs-regelung. Die Eingriffsregelung kanninsoweit nur mit Sanktionen zum Schutzdes Bodens angewandt werden, wennder Eingriff nicht bloß Boden beein-trächtigt, sondern diese Beeinträchti-gung muss zugleich eines dieser beidenSchutzgüter – Leistungs- und Funktions-fähigkeit des Naturhaushalts oder dasLandschaftsbild – beeinträchtigen, undzwar zudem erheblich.

So ist also z.B. nicht schon jede ne-gative Veränderung von Boden, auchnicht seine Versiegelung, ein Eingriff imnaturschutzrechtlichen Sinne, sonderndas ist sie nur, wenn die Veränderungeine erhebliche Beeinträchtigung derLeistungs- und Funktionsfähigkeit desNaturhaushaltes oder des Landschafts-bildes auslösen kann (siehe Abb. 3).

Nun mag eine erhebliche Beein-trächtigung umso eher gegeben sein, jemehr der Flächenverbrauch fortschrei-tet; Gegenstand der Anwendung derEingriffsregelung ist jedoch nicht dieSummation allen Flächenverbrauchs,sondern – eine weitere Einschränkungder Eingriffsregelung – jeder Eingriff fürsich genommen.

In der Praxis wird hingegen zumeisteinfach und stark vereinfachend jedeVersiegelung als erhebliche Beeinträch-tigung der Leistungs- und Funktions-fähigkeit des Naturhaushalts oder desLandschaftsbildes angesehen (etwaschon die mit der Errichtung einer

Breuer – Der Schutz des Bodens in der Eingriffsregelung

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Windenergieanlage oder dem Bau einesRadweges verbundene geringfügigeBodenversiegelung) und diese mit Kom-pensationsforderungen verbunden. Dasrückt die Eingriffsregelung faktisch indie Nähe einer Versiegelungsabgabeoder Bodenverbrauchssteuer, als die sienicht gedacht ist.

Während diese Praxis weitgehendakzeptiert scheint, orientiert sich übri-gens die Prüfung von Plänen und Pro-jekten, welche Natura 2000-G Gebieteerheblich beeinträchtigen können, be-merkenswerterweise an Erheblichkeits-schwellen (siehe Lambrecht & Trautner2007), welche je nach gemeinschafts-rechtlich zu schützendem Lebensraum-typ direkte Flächenverluste u.U. von biszu 2.500 m2 (bei bestimmten marinenBiotoptypen sogar 50.000 m2) – ob zuRecht, sei hier dahingestellt – als uner-heblich einstufen.

Dieses unterschiedliche Niveau istkaum zu verstehen, zumal die Eingriffs-regelung nur einen allgemeinen Schutzin der Gesamtheit von Natur und Land-schaft, der besondere Gebietsschutzhingegen einen auf einzelne Gebietebeschränkten strengen Schutz entfaltensoll.

So gesehen ist die Kritik, der Natur-schutz in der Eingriffsregelung unter-nähme zu wenig zum Schutz des Bo-dens, zumindest bezogen auf die Ver-

siegelung am wenigsten gerechtfertigt.Bei anderen Beeinträchtigungsfaktorenmögen die Dinge anders liegen.

Am ehesten ist die Kritik gerecht-fertigt, die Eingriffsregelungspraxis be-schränke sich zu Lasten der Gesamtheitvon Natur und Landschaft auf denSchutz elitärer Arten und Biotope. Aller-dings: die Eingriffsregelung ist – jeden-falls gemessen an dem enorm hohenAnteil gefährdeter Biotoptypen und Ar-ten – offensichtlich auch auf diesemFeld nicht erfolgreicher als im Boden-schutz.

4 Perspektiven für den Schutz desBodens in der Eingriffsregelung

4.1 Aktuelle Tendenzen im Bereich derEingriffsregelung

Der Forderung nach einem wirksame-ren Schutz des Bodens in und mit derEingriffsregelung stehen nicht nur diegenannten Einschränkungen gegen-über, sondern auch aktuelle Tendenzen: � Die Bestrebungen, einzelne Typenvon Eingriffen ganz oder teilweise ausder Anwendung der Eingriffsregelungauszunehmen, halten an.� Die Tendenz, in der Eingriffsregelungnicht die Verpflichtung zur bestmög-lichen Kompensation konkreter Ein-griffsfolgen, sondern ein Flächenbe-

Abb. 3: Bodenversiegelung. Nicht schon jede negative Veränderung des Bodens, auch nichtjede Versiegelung, ist ein Eingriff im naturschutzrechtlichen Sinne, sondern das ist sie nur,wenn die Veränderung eine erhebliche Beeinträchtigung der Leistungs- und Funktionsfähig-keit des Naturhaushaltes oder des Landschaftsbildes auslösen kann. So ist beispielsweise dermit der Errichtung von Windenergieanlagen verbundene Verlust an Boden für das Fundamentder Anlage nicht das zentrale Problem, sondern die Wirkung dieser Anlagen auf Fledermäuse,bestimmte Vogelarten und das Landschaftsbild (Bild: M. Papenberg).

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schaffungs- und Finanzierungsinstru-ment generell für Maßnahmen des Na-turschutzes zu sehen, führt zu einemVerlust an Kompensation der tatsäch-lichen Eingriffsfolgen – auch solcher fürBoden und Böden.� Die landwirtschaftlichen Interessen-vertretungen drängen auf einen Ver-zicht solcher Kompensationsmaßnah-men, welche mit einer Aufgabe derlandwirtschaftlichen Nutzung verbun-den sind. Das sind aber zugleich dieMaßnahmen, die für den Schutz desBodens besonders wirksam sind (z.B.Wiedervernässung, Aushagerung über-düngter Böden, Aufgabe kritischer Nut-zungen, Einleitung ungestörter Ent-wicklung von Böden). Die politisierteKritik an solchen Maßnahmen ist sodurchschlagend, dass Teile der Politikdiese Maßnahmen unzulässigerweisedem Flächenverbrauch zurechnen oderihm gleichstellen. Mit wachsender Ver-knappung landwirtschaftlicher Nutz-flächen und steigenden Erzeugerprei-sen wird sich diese Haltung noch ver-schärfen. � Damit im Zusammenhang stehennicht zuletzt agrarökonomische Bestre-bungen, die vertraglich vergütete Hin-nahme bestimmter Einschränkungender landwirtschaftlichen Bodennutzung

Breuer – Der Schutz des Bodens in der Eingriffsregelung

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als Kompensation anzuerkennen, ohnedie Nutzung selbst aufzugeben (so ge-nannte „produktionsintegrierte Kom-pensation“). Diese Maßnahmen könnenzwar bestimmte Pflanzen- und Tierar-ten der Agrarökosysteme fördern, tra-gen aber zu einer Kompensation beein-trächtigter Funktionen und Werte desBodens oft eher wenig oder nichts bei. � Ob das kommende Bundesnatur-schutzgesetz am Ableitungszusammen-hang von Eingriffsfolgen und Kompen-sation sowie am Vorrang naturaler vormonetärer Kompensation festhält oder(wie von der niedersächsischen Landes-regierung verlangt) beide gleichstellt,ist – wie die Zukunft der Eingriffsrege-lung insgesamt – ungewiss. Bei einerGleichstellung dürfte der Umfang tat-sächlicher Kompensationsmaßnahmenabnehmen.

4.2 Erfordernisse für einenwirksameren Schutz des Bodens in der Eingriffsregelung

Soll die Eingriffsregelung einen deutlichgrößeren Beitrag zum Schutz des Bo-dens entfalten, bedarf das Sanktions-programm der Eingriffsregelung einerFortentwicklung um mindestens fol-gende Aspekte:

� Das Vermeidungsgebot sollte sichnicht allein auf die einzelne mit einemVorhaben verbundene Beeinträchti-gung erstrecken, sondern sollte um diePflicht zur Prüfung von Standortalter-nativen und einen Vorrang der für Na-tur und Landschaft günstigsten Alterna-tive ergänzt werden. � Der Stellenwert des Schutzes nachdem Zielsystem des Naturschutzes be-sonders wertvoller Böden in der Ab-wägung sollte gestärkt werden, etwadergestalt, dass im Falle der Zerstörungoder erheblichen Beeinträchtigung die-ser Böden nur überwiegende Gründedes öffentlichen Interesses die Zulas-sung rechtfertigen können und wennzumutbare Alternativen nicht gegebensind (Parallele zu § 19 Abs. 3 Satz 2BNatSchG „Schutz bestimmter Lebens-räume streng geschützter Arten“)(siehe Abb. 4).

4.3 Beachtung guter fachlicher Praxisder Eingriffsregelung

Während solche naturschutzrechtlichenVerbesserungen in nächster Zeit vomGesetzgeber kaum zu erwarten sind,könnte die Praxis aus sich selbst herauszu einem stärkeren Schutz des Bodens in der Eingriffsregelung beitragen. Eswäre nämlich schon ein Fortschritt, wür-den einige allgemein gültige Anforde-rungen guter fachlicher Praxis beachtet:� Die gegebenen Möglichkeiten zurVermeidung von Beeinträchtigungenmüssen ausschöpft und der Eingriff undseine Wirkungen auf das unabdingbareMaß begrenzt werden. So heißt es in§ 1a Abs. 2 BauGB: Mit Grund undBoden soll sparsam und schonend um-gegangen werden; dabei sind zur Ver-ringerung der zusätzlichen Inanspruch-nahme von Flächen für bauliche Nut-zungen die Möglichkeiten der Ent-wicklung der Gemeinde insbesonderedurch Wiedernutzbarmachung von Flä-chen, Nachverdichtung und andereMaßnahmen zur Innenentwicklung zunutzen sowie Bodenversiegelungen aufdas notwendige Maß zu begrenzen.� Die Prognose muss alle Beeinträchti-gungen einschließen, die mit hinrei-chender Wahrscheinlichkeit auftretenkönnen. Einzubeziehen ist nicht alleindie Versiegelung von Boden, sondernalle der Leistungs- und Funktionsfähig-keit des Naturhaushaltes sowie demLandschaftsbild abträglichen Eingriffs-

Abb. 4: Flächenverbrauch. Würde die Eingriffsregelung um die Pflicht zur Prüfung von Stand-ortalternativen und einen Vorrang der für Natur und Landschaft günstigsten Alternative er-gänzt, könnte sie stärker zum Schutz des Bodens beitragen. Baugebiete würden dann weni-ger häufig auf der buchstäblich „grünen Wiese“ errichtet, sondern eher auf solche Standortegelenkt, die aus Sicht von Naturschutz und Landschaftspflege weniger bedeutend sind(Bild: M. Papenberg).

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folgen, also auch die z.B. mit Auftrag,Abtrag, Verlagerung von Boden undBodenbestandteilen, Entwässerung undBewässerung, stofflichen und sonstigenEinträgen verbundenen Beeinträchti-gungen. � An die Stelle einer angemessenenSachverhaltsermittlung dürfen keineBewertungsverfahren treten, die an-hand einfacher Parameter wie Flächen-versiegelung oder biotopbezogenerWertpunkte auf einem unzureichendenErfassungsniveau die Fragen der Ein-griffsregelung nur scheinbar einlösenund Natur und Landschaft lediglich denvier Grundrechenarten zuführen. � Kompensation bedeutet nicht ein-fach irgendwo irgendetwas Gutes fürden Naturschutz zu tun, sondern dieKompensationsmaßnahmen müssen aufdie konkreten Eingriffsfolgen ausge-richtet sein und diese vollständig undbestmöglich kompensieren. Ersatzzah-lungen sind nur als „Ultima Ratio“ zu-lässig. � Den Kompensationsmaßnahmen darfnur die Wirksamkeit zugesprochen wer-den, die sie unter realistischen Bedin-gungen tatsächlich erreichen können.Das ist eine ständige Mahnung vor alleman die Gutachterbüros der Eingriffsver-ursacher.� Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmenmüssen sorgfältiger geplant und ausge-führt werden. Es ist darauf zu achten,dass sie nicht selbst zu neuen inakzep-tablen Eingriffen in den Boden führen.Maßnahmen, die zur Kompensation derBeeinträchtigungen von z.B. Arten, Bio-topen und Landschaftsbild beitragensollen, sind nicht automatisch auch einBeitrag zur Wiederherstellung der vomEingriff zerstörten Böden und Boden-funktionen. Zwar kann eine solche„Mehrfachfunktion“ gegeben sein; ihreAnrechenbarkeit auf den Kompensa-tionsumfang setzt aber einen entspre-chenden Nachweis voraus.

Die Beachtung solcher Grundsätzewird aber nicht schon zu dem drasti-schen Rückgang des Flächenverbrauchsführen, der in der Umweltpolitik seitlanger Zeit als dringend notwendig ge-fordert wird. Dazu bedarf es vermutlichder Einführung einer Flächenver-brauchssteuer oder Versiegelungsab-gabe, die so bemessen ist, dass sie die ge-wünschten Korrekturen im Umgang miteiner schwindenden Ressource auslösenkann (siehe Abb. 5).

Soll in der Eingriffsregelung zumin-dest eine stärkere Lenkung von Eingrif-fen (nämlich Schonung wertvoller Be-reiche notwendigerweise zu Lasten we-niger wertvoller Bereiche) oder eineumfassendere Kompensation der Ein-griffsfolgen erreicht werden, müsstendie Anforderungen an Art und Umfangvon Kompensationsmaßnahmen be-trächtlich heraufgesetzt werden. Dasgilt möglicherweise auch für die An-forderungen, die von der niedersäch-sischen Landesnaturschutzverwaltung(z.T. in Abstimmung mit der Wirtschaft)vereinbart worden sind (siehe Über-sicht 2).

Es wäre allerdings bereits ein Ge-winn für den Bodenschutz, wenn dievereinbarten Anforderungen überalldurchgesetzt würden. Das ist nicht nureine Frage der Naturschutzbehörden,sondern mehr noch des Einflusses derEingriffsverursacher und der Bereit-schaft der Zulassungsbehörden, diesenAnforderungen zur Durchsetzung zuverhelfen.

5 Zusammenfassung

Der Schutz des Bodens ist auch Sacheder Eingriffsregelung. Sie unterwirftVeränderungen der Gestalt oder Nut-zung von Grundflächen sowie Verän-derungen des mit der belebten Bo-

denschicht in Verbindung stehendenGrundwasserspiegels, sofern diese Ver-änderungen die Leistungs- und Funk-tionsfähigkeit des Naturhaushalts oderdas Landschaftsbild erheblich beein-trächtigen können, einem Programmabgestufter Sanktionen (§§ 18ff BNat-SchG). Die Eingriffsregelung ist aller-dings nicht dem Schutz des Bodens ansich oder aller seiner Funktionen ver-pflichtet.

Zudem ist die Eingriffsregelung aufviele Boden beanspruchende oder be-einträchtigende Nutzungen (insbeson-dere die Landwirtschaft) und bestimmtebauliche Vorhaben nicht oder nur sehreingeschränkt anwendbar. Vorhabens-und Standortalternativen zur Vermei-dung oder Verminderung von Beein-trächtigungen werden nicht hinrei-chend ausgeschöpft. In der Praxis setztsich zumeist der Eingriff zu Lasten vonNatur und Landschaft durch. Die in die-sem Fall geschuldete Kompensationbleibt vielfach hinter den gesetzlichenVerpflichtungen und fachlichen Mög-lichkeiten zurück.

Soll mit der Eingriffsregelung zu-mindest eine stärkere Lenkung von Ein-griffen oder eine umfassendere Kom-pensation der Eingriffsfolgen erreichtwerden, müssten die Anforderungen anArt und Umfang von Kompensations-maßnahmen beträchtlich heraufgesetzt

Breuer – Der Schutz des Bodens in der Eingriffsregelung

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Abb. 5: Bauleitplanung. Der größte Teil des Flächenverbrauchs vollzieht sich in der Bauleit-planung der Städte und Gemeinden. Das ist zugleich der Bereich von Eingriffen, in dem dieSteuerungsmöglichkeiten der Eingriffsregelung am wenigsten greifen. Gerade im Siedlungs-bau könnte weitaus flächensparender gebaut werden. Dazu fehlen allerdings ökonomischeAnreize (Bild: S. Brücher).

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Breuer – Der Schutz des Bodens in der Eingriffsregelung

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werden. Eine wirksame Begrenzung desBodenverbrauchs dürfte hingegen nurmit einer Flächenverbrauchssteuer oderVersiegelungsabgabe zu erreichen sein.Diese müssten so hoch bemessen sein,dass sie als ökonomische Anreize zu ei-nem flächensparenden und bodenscho-nenden Umgang wahrgenommen wer-den (siehe Abb. 6).

Gesetzliche Verbesserungen dieserArt sind in nächster Zeit nicht zu erwar-ten. Es ist eher zu befürchten, dass dieMöglichkeiten der Eingriffsregelungeingeschränkt werden. Die Praxis derEingriffsregelung könnte allerdings bisauf weiteres aus sich selbst heraus mitBeachtung einiger Grundsätze guterfachlicher Praxis zu einem stärkerenSchutz des Bodens beitragen.

Summary

Soil protection is a matter which can, tosome extent, be dealt with in the courseof impact mitigation. If shape or use of

Abb. 6: Bodenschutz – alles eine Frage der Perspektive? Teile von Politik und Wirtschaft dis-kutieren Bodenschutz mitunter unter ganz anderen Gesichtspunkten, nämlich dem Schutz vonlandwirtschaftlichen Flächen nicht vor Industrie, Siedlungsbau, Rohstoffwirtschaft oder Ver-kehr, sondern vor einer Inanspruchnahme für naturschutzrechtliche Kompensationspflichten,die mit Eingriffen notwendigerweise verbunden sind (Bild: M. Papenberg).

Übersicht 2: Beispielhafte Anforderungen der niedersächsischen Landesnaturschutzverwaltung an die Kompensation den Boden betreffen-der Eingriffsfolgen (Niedersächsisches Landesamt für Ökologie 1994 in Verbindung mit Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft,Küsten- und Naturschutz 2006).

Bei einer Versiegelung von Böden mit besonderer Bedeutung für den Naturhaushalt sind im Verhältnis 1:1 Kompen-sationsmaßnahmen durchzuführen. Bei den übrigen Böden genügt ein Verhältnis von 1:0,5.

Für die Kompensation ist vorrangig die Entsiegelung von Flächen erforderlich. Die Flächen sind zu Biotoptypen der Wert-stufen V und IV oder – soweit dies nicht möglich ist – zu Ruderalfluren oder Brachflächen zu entwickeln. Soweit keine ent-sprechenden Entsiegelungsmöglichkeiten bestehen, sind die Flächen aus der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung zunehmen und entsprechend zu entwickeln.

Neben der Entsiegelung von Flächen können u.U. mit der Entwicklung o.g. Biotoptypen auf intensiv genutzten Flächenerheblich beeinträchtigte Funktionen und Werte des Bodens (einschließlich ihrer Regulationsfunktion für das Grundwas-ser) wiederhergestellt werden.

Kompensationsmaßnahmen für erhebliche Beeinträchtigungen durch Bodenversiegelung sind auf den unmittelbarenKompensationsbedarf für Biotope und Arten nicht anrechenbar. Die Versiegelung eines Bodens zerstört alle oder fast allemit dem Boden verbundenen Funktionen und Werte des Naturhaushalts. Diese Beeinträchtigungen gehen über die bloßeZerstörung von Biotoptypen hinsichtlich ihrer Bedeutung für Biotope und Arten noch hinaus. Da bereits die Zerstörungeines Biotoptyps kompensationspflichtig ist, müssen die zusätzlichen Beeinträchtigungen, die mit der Versiegelung vonBoden verbunden sind, zusätzlich kompensiert werden. Die Kompensationsmaßnahmen für die Versiegelung können aufMaßnahmen für das Landschaftsbild angerechnet werden, soweit dies mit den funktionsbezogen abgeleiteten Zielen dieserMaßnahmen vereinbar ist.

Auch andere als die versiegelungsbedingten erheblichen Beeinträchtigungen des Bodens (z.B. infolge Entwässerung, Ab-trag oder Auftrag von Boden) erfordern Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen.

Soweit diese Eingriffe zugleich zu erheblichen Beeinträchtigungen von Biotoptypen der Wertstufe V, IV oder III führenkönnen, sind die erforderlichen Maßnahmen in der Regel mit den biotoptypbezogenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnah-men abgegolten. In den übrigen Fällen, die nur ausnahmsweise auftreten, sind eigens Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmendurchzuführen, und zwar bei Böden mit besonderer Bedeutung im Verhältnis 1:1, bei den übrigen Böden im Verhältnis1:0,5. Als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen können z.B. geeignet sein: Wiedervernässung von Böden, Aufgabe der Nut-zung (z.B. Entwicklung zu Biotoptypen der Wertstufen V und IV, Ruderalfluren oder Brachen).

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given plots is altered or the groundwater level nearest the biological active layer of soil is affected, any such impact is subject to sanctions ofvarying degrees, depending on whetherthe impact is likely to harm either the capacity of the ecosystem or the scenery. Impact mitigation does not, ho-wever, protect soil as such nor all itsfunctions.

Moreover, impact mitigation can, inmany cases of land use likely to have animpact on soil, especially in agricultureor certain cases of construction, eitherbe not applied or only restrictedly so.Alternatives in terms of site and /ormodalities to mitigate impacts are notsufficiently exploited.

In practice, impacts at the expense of nature and landscape prevail. Duecompensation is, in most cases, way be-hind legal obligations and technicalpossibilities.

If impact mitigation is to exert stron-ger directions or more comprehensivecompensation, requirements on charac-ter and extent of compensation willhave to be raised considerably. Effectivelimitations to land consumption, how-ever, might only be effected by meansof a tax on land consumption or chargeson soil sealing. These would have to beof a magnitude that serves as incentiveto a land-saving approach and a consi-dered use of soil

Improved legislation on the matter isnot to be expected anytime soon. Thereeven is concern that impact mitigationwill be further restricted.

For the time being, the applicationof impact mitigation under the provi-sions of some well-tried basic principlesfrom practise could contribute to moreeffective soil protection.

Breuer – Der Schutz des Bodens in der Eingriffsregelung

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Danksagung

Für die Übersetzung der Zusammenfas-sung in die englische Sprache ist ThomasHerrmann (Hannover) zu danken.

Literatur

Breuer, W. (2001): Ökokonto – Chanceoder Gefahr? Die Eingriffsregelungist kein Flächen- und Mittelbeschaf-fer des Naturschutzes. Naturschutzund Landschaftsplanung, 33, (4).2001: 113–117.

Breuer, W., Killig, U. & M. Weyer (2006):Ersatzzahlung in Niedersachsen2004–2005 – Umfrageergebnisse. In-formationsdienst Naturschutz Nie-dersachsen 26. Jg. Nr. 3: 181–185.

Lambrecht, H. & Trautner, J. (2007):Fachinformationssystem und Fach-konventionen zur Bestimmung derErheblichkeit im Rahmen der FFH-VP– Endbericht zum Teil Fachkonven-tionen. Schlussstand Juni 2007 – FuE-Vorhaben im Rahmen des Umwelt-forschungsplanes des Bundesminis-teriums für Umwelt, Naturschutzund Reaktorsicherheit im Auftragdes Bundesamtes für Naturschutz –FKZ 804 82 004. Hannover, Filder-stadt.

Meyhöfer, T. (2000): Ausgleich und Er-satz in Bebauungsplänen. Umset-zungsdefizite, Ursachen und Lö-sungswege. Naturschutz und Land-schaftsplanung 32 (11) 2000: 325–328.

Niedersächsischer Landesbetrieb fürWasserwirtschaft, Küsten- und Na-turschutz (2006): Aktualisierung„Naturschutzfachliche Hinweise zurAnwendung der Eingriffsregelungin der Bauleitplanung“. Informa-

tionsdienst Naturschutz Niedersach-sen, 26. Jg. Nr. 1, S. 53.

Niedersächsischer Landtag (2003) 15.Wahlperiode Drucksache 15/395.

Niedersächsischer Minister für Ernäh-rung, Landwirtschaft und Forsten(1989): Niedersächsisches Land-schaftsprogramm.

Niedersächsisches Landesamt für Ökolo-gie (1994): NaturschutzfachlicheHinweise zur Anwendung der Ein-griffsregelung in der Bauleitpla-nung. Informationsdienst Natur-schutz Niedersachsen, 14. Jg. Nr. 1, 1–60.

Niedersächsisches Umweltministerium& Niedersächsisches Landesamt fürÖkologie (Hrsg.) (2003): Arbeitshilfezur Anwendung der Eingriffsre-gelung bei Bodenabbauvorhaben.Informationsdienst Naturschutz Nie-dersachsen, 23, Nr. 4, 117–152.

Anschrift des Verfassers:

Wilhelm BreuerNiedersächsischer Landesbetrieb fürWasserwirtschaft, Küsten- undNaturschutz (NLWKN)Geschäftsbereich IVBetriebsstelle Hannover-HildesheimGöttinger Chaussee 76 A30453 HannoverE-Mail: [email protected]

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NNA-Berichte 1/2009

1 Einleitung

Obwohl der Schutz von Böden und ihrerFunktionen im Bundesnaturschutzge-setz gefordert wird, ist nicht allen aktivim Naturschutz Tätigen bewusst, dassBodenschutz eine konkrete Aufgabedes Naturschutzes ist (Loki Schmidt Stif-tung und Institut für Bodenkunde derUniversität Hamburg 2006). Der Beitraggeht auf die rechtlichen Grundlagenund Ziele des Bodenschutzes im Natur-schutz ein und benennt Voraussetzun-gen für den Bodenschutz in Schutzge-bieten. Nicht selten greifen Pflege- undEntwicklungsmaßnahmen des Natur-schutzes selbst, meist ohne Berücksichti-gung der Auswirkungen, massiv in dieBodeneigenschaften ein. Ein Praxisbei-spiel zeigt, wie Bodenschutz in denSchutz-, Pflege- und Entwicklungsplaneines Naturschutzgebiets integriertwerden kann. Ziele sind hier der Schutzvon Flächen mit hoher Bedeutung derBodenfunktionen, die Wiederherstel-lung von Bodenfunktionen anthropo-gen veränderter Böden und die Nut-zung des Naturschutzgebiets zur Ent-wicklung des Bodenbewusstseins.

2 Grundlagen

2.1 Rechtliche Grundlagen

Das Bundesnaturschutzgesetz (BNat-SchG) erwähnt den Schutz des Bodensmehrfach explizit oder als Bestandteildes Naturhaushalts.

In den Grundsätzen des Naturschut-zes und der Landschaftspflege (§ 2)heißt es „Der Naturhaushalt ist … so zusichern, dass die den Standort prägen-den biologischen Funktionen, Stoff-und Energieflüsse sowie landschaftlicheStrukturen erhalten, entwickelt oderwiederhergestellt werden“ … „Bödensind so zu erhalten, dass sie ihre Funk-tionen im Naturhaushalt erfüllen kön-nen“ … „Bodenerosionen sind zu ver-meiden“.

Normen zur Land-, Forst- und Fi-schereiwirtschaft sind in § 5 festgelegt.In § 5 (4) heißt es: „Die Landwirtschafthat neben den Anforderungen, die sichaus den für die Landwirtschaft gelten-den Vorschriften und § 17 Abs. 2 desBundes-Bodenschutzgesetzes ergeben,insbesondere die folgenden Grundsätzeder guten fachlichen Praxis zu beach-ten: Bei der landwirtschaftlichen Nut-zung muss die Bewirtschaftung stand-ortangepasst erfolgen und die nach-haltige Bodenfruchtbarkeit und dielangfristige Nutzbarkeit der Flächen ge-währleistet sein.“ … „Die natürlicheAusstattung der Nutzfläche (Boden,Wasser, Flora, Fauna) darf nicht über daszur Erzielung eines nachhaltigen Ertra-ges erforderliche Maß hinaus beein-trächtigt werden.“

Paragraph 14 beschreibt die Inhalteder Fachplanungen des Naturschutzes.Landschaftsprogramme, Landschafts-rahmenpläne und Landschaftspläne sol-len Angaben über Erfordernisse undMaßnahmen u.a. zum Schutz, zur Ver-besserung der Qualität und zur Regene-ration von Böden, Gewässern, Luft undKlima enthalten. Mit diesem Instrumentkönnen der Zustand der Böden erfasstund steuernde Festlegungen zumSchutz oder zur Entwicklung besonderswertvoller oder empfindlicher Bödengetroffen werden.

Folgen von Eingriffen in Böden sind,soweit sie die Leistungs- und Funktions-fähigkeit des Naturhaushalts oder dasLandschaftsbild erheblich beeinträchti-gen können, bestmöglich zu kompen-sieren (Eingriffsregelung nach §§ 18und 19). Der Beitrag von W. Breuer indiesem Heft setzt sich detailliert mitdem Schutz des Bodens in der Eingriffs-regelung auseinander. Mehrere Bun-desländer haben Arbeitshilfen zur Be-rücksichtigung des Schutzguts Boden inder naturschutzrechtlichen Eingriffsre-gelungen herausgegeben (z.B. Wolf etal. 2007). Eine Umfrage in den Bundes-ländern zur Berücksichtigung von Bo-

den und Bodenfunktionen bei Aus-gleich und Ersatz von Eingriffen in Na-tur und Landschaft hat ergeben, dassRegelungen zum Ausgleich von Ein-griffen in Böden und Bodenfunktionenbestehen, die Beurteilung der Eingriffeund Kompensation länderspezifischunterschiedlich erfolgen und die Maß-nahmen zu Ausgleich und Ersatz häufig„multifunktional“ aus der Entwicklungvon Biotopen bestehen, was aus Sichtdes Bodenschutzes unbefriedigend ist.Obwohl häufig durch Eingriffe in Bödenbegründet, werden Mittel aus Ersatz-zahlungen nur gelegentlich speziell fürBodenbelange eingesetzt. „Es muss alsErfolg für den Bodenschutz verbuchtwerden, wenn Ausgleichs- und Ersatz-maßnahmen nicht einen weiteren Ein-griff in Böden beinhalten“ (Oechtering2006). So stellen zum Beispiel die An-lage eines Feuchtbiotops oder die Her-stellung einer Offenbodenfläche gra-vierende Veränderungen von Bödendar. Ohne Berücksichtigung des Wertsder Bodenfunktionen im betroffenenGebiet ist es nicht möglich zu beurteilen,ob dadurch wertvolle Böden in ihrenFunktionen gemindert oder gar zerstörtwerden. Häufig fehlt es an ausreichen-den Informationen über Böden, häufigwird der Bodenschutz nicht berücksich-tigt.

Wesentlich für den Schutz von Bö-den und Bodenfunktionen sind Schutz-gebiete. Das BNatSchG beschreibt inden §§ 22–33 den Rahmen für Schutz-zwecke derartiger Gebiete und die da-raus folgenden Ge- und Verbote. InNaturschutzgebieten und einigen ande-ren naturschutzrechtlich besonders ge-schützten Gebieten können z. B. Archiv-böden aus wissenschaftlichen, naturge-schichtlichen oder landeskundlichenGründen Schutzzweck sein und aus die-sem Grund eigens unter Schutz gestelltwerden. In den kleinflächigen Natur-denkmälern können Böden sogar allei-niges Schutzziel sein. In Naturschutzge-bieten und anderen ähnlich streng ge-schützten Gebieten sind Böden faktischvor Versiegelung, Abgrabung und Über-deckung geschützt. Soweit eine land-und forstwirtschaftliche Bodennutzungin einem solchen Gebiet unzulässig ist,werden Böden in Schutzgebieten auchvor Stoffeinträgen und mechanischerVeränderung durch diese Nutzungsfor-men bewahrt. Peine (2007) weist jedochdarauf hin, dass der Schutz des Bodens

Bodenschutz im Naturschutzvon Günter Miehlich und Stephan Schwank

Schlüsselwörter: Bodenschutz, Naturschutz, Schutz-, Pflege- und Entwicklungs-plan, NaturschutzgebietKeywords: soil protection, nature protection, ecological clean-up and develop-ment plan, nature reserve

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in Naturschutzgebieten „höchstens re-lativ“ sei, weil die Verordnungen dermeisten Naturschutzgebiete Vorbe-halte zugunsten schutzgebietswidrigerHandlungen enthalten. In Landschafts-schutzgebieten kann es Schutzzwecksein, natürliche Bodenfunktionen groß-flächig zu schützen, zu entwickeln oderwiederherzustellen. In Gebieten von be-sonderer kulturhistorischer Bedeutungkann der Erhalt der Bodenfunktion „Ar-chiv der Kulturgeschichte“ Schutzzielsein.

Die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinieder EU erwähnt Böden nicht explizit.Böden sind aber integraler Bestandteilder Lebensräume, deren Erhaltung imZentrum des Schutzziels steht. Die Habi-tatabgrenzungen der Natura-2000-Flä-chen (Ssymank et al. 1998) basieren u.a.auf genau definierten Böden, deren Er-fassung und Beurteilung detaillierte bo-denkundliche Kenntnisse erfordern.Dies mögen zwei Beispiele verdeut-lichen:

FFH-Lebensraumtyp Nr. 4060 (Alpineund boreale Heiden): Ranker und Pod-sol-Ranker über Silikatgestein. In denregenreichen höheren Gebirgslagender Alpen ist auch über Kalk- und Dolo-mitgestein eine Rohhumusbildung (z.B.Tangelrendzina) mit Heideentwicklungmöglich.

FFH-Lebenraumtyp Nr. 4010 (Feuch-te Heidegebiete des nordatlantischenRaumes mit Erica tetralix): Feucht biswechselfeucht, meist grundwasserbe-einflusst oder in niederschlagsreichenGebieten, anmoorige, bodensauereoder torfige Böden.

Das Bundes-Bodenschutzgesetz(BBodSchG) und das BNatSchG sind kon-kurrierende Rechtsvorschriften. Da dasBBodSchG den Schutz natürlicher Bo-denfunktionen und der Archivfunktionim vergleichsweise wenig wirksamenVorsorgebereich ansiedelt, hält dasBNatSchG wirksamere Instrumente zumSchutz von Bodenfunktionen und Bö-den bereit. Das BNatSchG nimmt teil-weise Bezug auf das BBodSchG (z.B. diegute fachliche Praxis in der Landwirt-schaft).

2.2 Ziele des Bodenschutzes inSchutzgebieten

Schutz, Entwicklung und Wiederher-stellung natürlicher Bodenfunktionen:Grundsätzlich sind die natürlichen Bo-

denfunktionen in Naturschutzgebietenund analog geschützten Bereichen an-derer Schutzgebiete vor negativenVeränderungen geschützt. Soweit inden Verordnungen der SchutzgebieteAusnahmeregelungen enthalten sind,sollte überprüft werden, ob davonnatürliche Bodenfunktionen betroffensind und wie negative Veränderungenzu vermeiden sind; gegebenenfallssollten die Ausnahmeregelungen ange-

passt werden. Auch Maßnahmen jen-seits seiner Grenzen können die natür-lichen Bodenfunktionen eines Schutz-gebiets negativ beeinflussen. Dies giltbesonders für den Eintrag von Stoffenaus Anlagen und für Maßnahmen derWasserwirtschaft, die sich auf die Hy-drologie des Schutzgebiets auswirken.

Auch Arbeiten zur Pflege und Ent-wicklung von Schutzgebieten könnennatürliche Bodenfunktionen massiv ver-

Miehlich/Schwank – Bodenschutz im Naturschutz

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Abb. 1: Die Herstellung einer „bodenfreien“ Fläche und randliche Ablagerung des abgescho-benen Materials im NSG „Boberger Niederung“ (Bild G. Miehlich).

Abb. 2: Bodenverdichtender Maschineneinsatz bei Pflegemaßnahmen im NSG „Boberger Nie-derung“ (Bild G. Miehlich).

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ändern. Die Anlage eines Laichgewäs-sers, die Schaffung von Vernässungsflä-chen oder die Herstellung von „boden-freien“ Sandflächen haben erheblicheAuswirkungen auf die natürlichen Bo-denfunktionen. Um Schäden an Bödenzu vermeiden, muss schon in der Pla-nungsphase geprüft werden, ob davonbesonders schützenswerte Böden be-troffen sind (Abb. 1).

Auch Pflegemaßnahmen in Schutz-gebieten können gravierende Verände-rungen der natürlichen Bodenfunktio-nen darstellen. Beispiele sind das Plag-gen in Heidelandschaften, die Räumungvon Gräben und Teichen mit Ablage-rung des Baggerguts an Land oder eineBeweidung. Auch hier sind bereits in derPlanung Aspekte des Bodenschutzes zubeachten. Bei der Ausführung ist daraufzu achten, dass die eingesetzten Ma-schinen keine gravierenden Schäden anBöden hervorrufen (Abb. 2).

Jenseits des Biotopschutzes kannauch Ressourcenschutz Ziel einer Ge-bietsverordnung sein. Maßnahmen zurFörderung natürlicher Bodenfunktio-nen können z. B. die Aushagerung zurEntwicklung nährstoffarmer Standorteoder die Schaffung naturnaher Boden-wasserverhältnisse sein, womit ebennicht immer die Herstellung einesFeuchtgebiets gemeint ist. Bei versie-gelten, erodierten oder mit technoge-nem Substrat überdeckten Böden sind

Wiederherstellungsmaßnahmen dieVoraussetzung für die Entwicklung na-türlicher Bodenfunktionen (Wolf 2000).

Schutz von Archivböden: Böden, diebedeutsame Informationen zur Natur-und Kulturgeschichte enthalten, sollennach BBodSchG so wenig wie möglichbeeinträchtigt werden. Naturschutzge-biete und Schutzgebiete mit analogemSchutzstatus eignen sich besonders fürden Schutz von Archivböden. Da Natur-schutzgebiete häufig in naturnah er-haltenen Regionen liegen, gibt es einegute Chance, vom Menschen wenig ver-änderte Böden zu finden. Naturschutz-gebiete umfassen häufig Extremstand-orte, so dass Böden mit seltenen Ei-genschaften auftreten können. Vorallem wegen der hohen wissenschaft-lichen Bedeutung sind Böden mit fossi-len und reliktischen Merkmalen zu er-halten. In Kulturlandschaften sollte derSchutz von Böden, die durch histori-schen Land- oder Gartenbau Archive derKulturgeschichte darstellen, in die Ver-ordnungen von Schutzgebieten aufge-nommen werden. Ausführlich mit Ar-chivböden beschäftigt sich in diesemHeft der Beitrag „Böden als Archive derNatur- und Kulturgeschichte“ von G.Miehlich.

Förderung des Bodenbewusstseinsin der naturschutzpädagogischen Ar-beit: Bodenschutz kann nur gelingen,wenn die Bedeutung der Böden für

Mensch und Umwelt allen Bevölke-rungskreisen bewusst wird (Wissen-schaftlicher Beirat Bodenschutz 2002).Trotz vieler Bemühungen ist es bislangnicht gelungen, in der Öffentlichkeit fürdieses wichtige Teilgebiet des Umwelt-bewusstseins eine angemessene Auf-merksamkeit zu erreichen (vgl. den Bei-trag in diesem Heft von G. Miehlich „Bo-denbewusstsein – ein Schlüssel zurFörderung des Bodenschutzes“). Es gibtmehrere inhaltliche und logistischeGründe, warum gerade in Naturschutz-gebieten die Chance besteht, das Bo-denbewusstsein zu fördern. Natur-schutzgebiete sind meist in naturnah er-haltenen Gebieten mit einer breitenPalette unterschiedlicher Biotope ein-gerichtet. Es gibt daher oft die Möglich-keit, unterschiedliche und naturnah er-haltene Böden und ihre Bedeutung fürFlora und Fauna vorstellen zu können.Bei Naturschutzgebieten in Kulturland-schaften können einerseits der Einflussdes Menschen auf Böden und umge-kehrt die bodenbedingten Auswirkun-gen dieser Veränderungen auf Menschund Umwelt demonstriert werden.

In vielen Naturschutzgebieten gibtes Informationsstationen mit natur-schutzfachlich geschulten Mitarbeitern,die Menschen aller Altersgruppen undVorbildung ansprechen. Die Einbezie-hung des Bodens und des Bodenschut-zes in deren Arbeit wäre nicht nur wich-tig für die Förderung des Bodenbe-wusstseins, sondern bietet die Chance,den Blick über den Artenschutz hinausauf die Wechselwirkungen zwischenbiotischen und abiotischen Faktoren zuerweitern.

2.3 Voraussetzungen für denwirksamen Schutz

Die Umsetzung des Bodenschutzes imNaturschutz ist an mehrere Vorausset-zungen geknüpft.

Zunächst muss sich bei den Verant-wortlichen und bei den vor Ort im Na-turschutz Tätigen die Erkenntnis durch-setzen, dass Bodenschutz eine Aufgabedes Naturschutzes ist. Um die Einsicht inpraktisches Handeln umsetzen zu kön-nen, müssen Naturschützer ein Basiswis-sen über Böden und deren Bedeutunghaben. Dies kann nur gelingen, wenndas Fach Bodenkunde Bestandteil derNaturschutz- bzw. Landespflege-Ausbil-dung an Hoch- und Fachschulen ist. Die

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Abb. 3: Boden in der naturschutzpädagogischen Arbeit (Bild A. Jahn, Loki Schmidt Stiftung,Hamburg).

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entsprechenden Arbeitsgruppen bzw.Fachgruppen der Deutschen Boden-kundlichen Gesellschaft (DBG, o.J.) oderdes Bundesverbands Boden (BVB, o.J.).könnten gezielt internetbasierte Pro-gramme für Mitarbeiter in Behördenoder ehrenamtlich tätige Naturschützerentwickeln.

Eine weitere wesentliche Vorausset-zung für die Umsetzung des Boden-schutzes sind detaillierte Informationenüber Eigenschaften und Verbreitungvon Böden der Schutzgebiete. Der Klas-siker „Im Naturschutzgebiet sind über-wiegend Braunerden, lokal auch Braun-erde-Podsole und Ranker verbreitet“reicht nicht. Nur wenn für die Einzelflä-chen der Biotope Aussagen zu Bodenei-genschaften gemacht werden können,sind Bodenschutz und umgekehrt dieNutzung der bodenkundlichen Kennt-nisse für Pflege- und Entwicklungsmaß-nahmen möglich. Dazu sind eine aus-führliche Dokumentation ihrer Eigen-schaften und eine großmaßstäbigeVerbreitungskarte erforderlich.

Der wirksame Schutz von Boden-funktionen setzt ein Verfahren zur Bo-denfunktionsbewertung voraus. Es gibteine große Zahl solcher Verfahren(LABO 2003, Ad-hoc-AG Boden 2007),die für Planungs- und Zulassungsverfah-ren in der Bauleitplanung entwickeltwurden. Es ist zu überprüfen, ob daseingesetzte Verfahren für die Beurtei-lung von Böden in Schutzgebieten ge-eignet ist oder modifiziert werdenmuss.

Böden und Bodenschutz müssenfachgerecht und umfassend in Schutz-,Pflege- und Entwicklungspläne der Na-turschutzgebiete integriert werden. DieEmpfehlungen sollen konkrete Maß-nahmen zum Schutz von Böden enthal-ten. Bei Pflege- und Entwicklungsmaß-nahmen, die Auswirkungen auf Bödenhaben, sind Aspekte des Bodenschutzeszu berücksichtigen. Ggf. ist bereits inder Planungsphase ein Experte einzu-schalten, der die Folgen eines Eingriffssachgerecht bewertet und Vorschlägezur Minimimierung der Auswirkungender Maßnahme auf die Böden macht.

Um die Bedeutung von Böden undBodenschutz in die naturschutzpädago-gische Arbeit aufnehmen zu können,müssen die Verantwortlichen ausrei-chende Kenntnisse über Böden undüber die Zusammenhänge zwischen Bö-den und Organismen erwerben. Anre-

gungen finden sich in diesem Heft imBeitrag von G. Miehlich „Bodenbe-wusstsein – ein Schlüssel zur Förderungdes Bodenschutzes“.

Schließlich sollten Mittel aus Ersatz-zahlungen, die häufig durch Eingriffe inBöden begründet sind, wenigstens zumTeil für Maßnahmen des Naturschutzesund der Landschaftspflege verwendetwerden, die dem Schutz des Bodens zu-gute kommen.

3 Fallbeispiel des Naturschutz-gebiets (NSG) BobergerNiederung

Die Abteilung Bodenschutz/Altlastender Hamburger Behörde für Stadtent-wicklung und Umwelt hat im Rahmender Aktualisierung des Pflege- und Ent-wicklungsplans für das NSG „BobergerNiederung“ ein Vorhaben gefördert,das sich exemplarisch mit dem SchutzgutBoden in einem Naturschutzgebiet be-fasst (Miehlich et al. 2007). Die Ergeb-nisse dieses Projektes bilden die Basisfür die folgenden Ausführungen. Dervollständige Bericht ist vom Erstautorals pdf-Datei erhältlich.

3.1 Einführung in das Gebiet

Das im Osten von Hamburg am Elbhangliegende, 350 ha große NSG „BobergerNiederung“ umfasst die natürlichenLandschaftseinheiten Geesthochfläche,Geesthang, Randmoor, Binnendüneund Flussmarsch. Wesentlich für seine

ungewöhnlich hohe Biodiversität (inTeilbereichen >400 Blütenpflanzen/km2,Poppendieck 2006) ist die intensive an-thropogene Überprägung des Gebiets(prähistorische Entwaldung, massiverAbbau von Lehm und Sand, Torfgewin-nung, Tiefpflügen der Geestfläche so-wie Eindeichung und Entwässerung derFlussmarsch), die eine große Zahl vonStandorten mit unterschiedlichen Bo-deneigenschaften schuf.

3.2 Böden und ihreStandorteigenschaften

Datengrundlage und Datenverarbei-tung: Der größte Teil der Informationenüber die Böden des NSG wurde schonvor seiner Einrichtung innerhalb vonStudentenpraktika und Diplomarbeitenerarbeitet. Im Rahmen des Projekts fan-den ergänzende Geländeuntersuchun-gen in bislang bodenkundlich nochnicht erfassten Bereichen statt. Die Da-ten dienten der Erfassung von Eigen-schaften und Verbreitung der Bödenund ihrer Substrate. Aus der bodensys-tematischen Einheit und dem Substratwurden Bodenformen gebildet, denenjeweils ein Musterprofil zugeordnetwurde. Da nicht alle Bodenformen la-boranalytisch untersucht werden konn-ten, mussten die Eigenschaften derMusterprofile teilweise aus dem Profil-aufbau und analogen, laboranalytischuntersuchten Bodeneinheiten abgelei-tet werden. Die Daten dienen zur Er-mittlung der Standorteigenschaften

Miehlich/Schwank – Bodenschutz im Naturschutz

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Abb. 4: Lage und Landschaftsaspekt des NSG Boberger Niederung (Bild G. Miehlich).

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und der Parameter zur Bodenfunktions-bewertung.

Für die Datenverarbeitung und -darstellung wurde ein GeographischesInformationssystem verwendet. Durch die Verschneidung homogener Boden-(Miehlich & Schwank 2007) und Biotop-flächen (Kurz 2007) ergaben sich für dieAnwendung geeignete Teilflächen mitInformationen zu Lage, Größe, Boden-substrat, Bodeneigenschaften, Stand-orteigenschaften und Bodenfunktions-bewertung. Das Geographische Infor-mationssystem ist offen für zusätzlicheInformationen und geänderte Bewer-tungssysteme.

Böden und Standorteigenschaften:Im Naturschutzgebiet gibt es 11 natür-liche und 13 anthropogen erzeugteoder vom Menschen stark beeinflussteBodensubstrate. Die Spannweite natür-licher Substrate reicht vom Klei derMarsch, über die Sande der Düne, denNiedermoortorf der Randmoore zu Ge-schiebelehm, -mergel und Flugsand-decken der Geesthänge. Anthropogenüberformt sind diverse umgelagertenatürliche Substrate, wie fluviatil oderäolisch verfrachtete Kolluvien sowieAbraum der Lehmgewinnung und Bau-schutt. Die große Zahl der Bodensub-strate, die sehr unterschiedlichen Was-serverhältnisse und die Auswirkungender menschlichen Eingriffe bedingenein komplexes Bodeninventar (13 Bo-dentypen mit 27 Subtypen und 56 Ein-

heiten auf dem Niveau von Bodenvarie-täten). Kombiniert mit Substrattypenlassen sich im NSG 80 Bodenformenunterscheiden, deren Eigenschaften dieTeilflächen des Gebiets charakterisie-ren. Abb. 5 und 6 geben einen Eindruckvon der Vielfalt der Böden im NSG. Cha-rakteristisch und für die Biodiversitätdes Gebiets von großer Bedeutung sinddie großen Flächenanteile mit sehr jun-gen Böden.

Die große Zahl und die starkenMerkmalsunterschiede der im NSG Bo-berger Niederung auftretenden Bödenbedingen eine ungewöhnliche Vielfaltan Standorteigenschaften (Abb.7). Die

Spannweite reicht von sauer bis basisch,trocken bis grund- bzw. staunass, sehrgeringer bis hoher natürlicher Nähr-stoffversorgung und von lose rieseln-dem Sand bis zu im trockenen Zustandharten,feucht zähplastischen Marschen-böden. Um das Zusammenspiel derStandorteigenschaften auf einer Flächezu charakterisieren, wurden aus denParametern Reaktion, Wasserhaushalt,Grundwasserstand, Nährstoffe und Kon-sistenz 17 Standorttypen abgeleitet. DieErgebnisse tragen zur Erklärung der Le-bensgemeinschaften in den verschiede-nen Biotopen bei. Vor allem aber werdensie benötigt, um Auswirkungen vonMaßnahmen zur Pflege- und Entwick-lung des Gebiets beurteilen zu können.

3.3 Bodenfunktionsbewertung

Die Bodenfunktionsbewertung basiertauf dem Hamburger Verfahren (BUG2003), das aufgrund der bestehendenDatengrundlage und der speziellen An-forderungen an eine Bodenfunktions-bewertung in Naturschutzgebieten infolgenden Punkten modifiziert wurde:� Berücksichtigung finden nur Boden-teilfunktionen, die für die Formulierungvon Bodenschutzzielen in Naturschutz-gebieten relevant sind (Lebensraum fürTiere, Pflanzen und Bodenorganismen,Böden als Bestandteil des Wasserhaus-halts und Nährstoffkreislaufs, Funktionals Archiv der Natur- und Kulturge-schichte).� Die Datenlage und die große Zahlvon Teilflächen zwingen dazu, statteinzelflächenbezogener Bodenbeurtei-

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Abb. 5: Beispiele für Böden des NSG „Boberger Niederung“: Offenboden mit Lockersyrosem,Regosol und Fluss-Kleimarsch (Bilder G. Miehlich).

Abb. 6: Ausschnitt aus der Bodenkarte des NSG „Boberger Niederung“ (Entwurf G. Miehlichu. S. Schwank).

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lung, Leitprofile (vgl. oben) zur Bewer-tung heranzuziehen.� Die Teilfunktion Archiv der Naturge-schichte wurde um eine seltene Boden-form ergänzt und zur Beurteilung derTeilfunktion Archiv der Kulturge-schichte das Alter des Eingriffs als Krite-rium hinzugefügt.

Die Gesamtbewertung ergeben sichaus der Kombination der Teilfunktionen„Lebensraum und Lebensgrundlage fürTiere, Pflanzen und Bodenorganismen“,„Archiv der Naturgeschichte“ und „Ar-chiv der Kulturgeschichte“, wobei je-weils die günstigste Beurteilung einerder Teilfunktionen die Wertstufe be-stimmt. Farben kennzeichnen die Wert-stufen der Bodenbewertungskarten,Ziffern beschreiben, welche Teilfunktio-nen zur Einstufung geführt haben.

Etwa 45% der Teilflächen gehörenzur höchsten Wertstufe 1. Die Anteileder Wertstufen 2 und 3 liegen bei ca. 20bzw. 25%, 10% der Teilflächen wurdenmit 4 bewertet, die Wertstufe 5 ist nichtvertreten. Die wertbestimmende Teil-funktion variiert; auch die Verteilungder Wertstufen innerhalb der einzelnenLandschaftseinheiten ist sehr unter-schiedlich.

Der in Abb. 8 gewählte Ausschnittaus der Bodenwertkarte enthält Flä-

chen sehr unterschiedlicher Wertung.Besonders schützenswert sind Bödenmit besonderen Eigenschaften (1a),Reste naturnaher Böden bzw. Archiveder Naturgeschichte (1b) und ein Archivder Kulturgeschichte (1c).

3.4 Empfehlungen zum Bodenschutz

Der Pflege- und Entwicklungsplan fürdas NSG „Boberger Niederung“ enthält

mehrere Empfehlungen zum Boden-schutz.

Als Maßnahme zur Wiederherstel-lung natürlicher Bodenfunktionen wirdvorgeschlagen, den Wasserspiegel inTeilflächen der Marsch auf das Niveauvor der Entwässerung anzuheben.Grundsätzlich sollen auf Flächen derWertstufen 1 und 2 Maßnahmen unter-bleiben, die natürliche Bodenfunktio-nen beeinträchtigen. Sollten dennochEingriffe in diese Gebiete geplant sein,ist zu prüfen, ob nicht auf Flächen mitgeringerer Wertigkeit ausgewichenwerden kann. Wenn eine Verlegungnicht möglich ist, soll rechtzeitig ein Ex-perte die Maßnahme sachgerecht be-werten und Vorschläge zur Minimie-rung der Folgen für Böden machen. ImDetail wird auf die Auswirkungen typi-scher Pflegemaßnahmen im NSG hinge-wiesen.

Besonders schützenswert sind Bö-den mit besonderen Eigenschaften (z.B.Nassgleye, bodenfreie trockene Zonenmit Lockersyrosemen, Gley-Regosole),naturnah erhaltene Böden (Anmoor-gleye, Moorgleye), seltene Böden (z.B.Quellen-Nassgleye), Zeugnisse der Na-turgeschichte (Reste eines Podsols, derfrüher die gesamte Düne überzogenhat) sowie Archive der Kulturgeschichte(äolisch verlagerte Kolluvisole der ei-senzeitlichen Rodungsphase).

Eine Besonderheit des NSG stellengroße Flächen dar, deren Substrat inden vergangenen 150 Jahren durch Ab-trag freigelegt wurde. Für diese Flächenwird empfohlen, eine ungestörte Bo-

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Abb. 8: Ausschnitt aus der Karte der Bodenfunktionsbewertung des „NSG Boberger Niede-rung“ (Entwurf G. Miehlich u. S. Schwank).

Abb. 7: Ausschnitt aus der Karte der Standorteigenschaften im NSG „Boberger Niederung“(Entwurf G. Miehlich u. S. Schwank).

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denentwicklung zuzulassen, denn Flä-chen mit genau datierbarer Dauer un-gestörter Bodenentwicklung sind selten.

Böden und Bodenschutz sollen so-wohl in der Ausstellung des Natur-schutzinformationshauses dokumen-tiert als auch an Bodenstationen aufden Wegen des Naturschutzgebiets ge-zeigt werden. Schwerpunkt der Inhaltesind die Auswirkungen menschlicherEingriffe auf Böden und deren Folgenfür Lebensgemeinschaften.

Die Datengrundlage ist durch dieUntersuchung weiterer Bodenprofileund Begleituntersuchung bei Maßnah-men zur Pflege und Entwicklung desNSG zu verbessern. Spezialarbeiten sol-len Fragestellungen wie den Verlauf in-itialer Bodenentwicklung in Sand undGeschiebemergel oder die Ansprüchebodenbewohnender Insekten an bo-denmechanische Eigenschaften klären.

Ein Pflege- und Entwicklungsplan istviel geduldiges Papier. Entscheidend ist,welche Konsequenzen er hat. Seit seinerVerabschiedung im Jahr 2008 wurdemehrfach fachlicher Rat bei Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen einge-holt. Ein Bodenexperte ist Mitglied inder Arbeitsgemeinschaft Boberg, in deraktuelle Maßnahmen im NSG bespro-chen werden. Mit Unterstützung derBehörde für Stadtentwicklung und Um-welt Hamburg sollen Bodenstationen indie bestehenden Info-Wege des Natur-

schutzgebiets integriert werden. Im ge-planten Haus der Natur sollen Bödenund Bodenschutz Teil des Ausstellungs-konzepts sein.

4 Zusammenfassung

Das Bundesnaturschutzgesetz regeltüber den allgemeinen Grundsatz hi-naus, dass Böden so zu erhalten sind,dass sie ihre Funktionen im Naturhaus-halt erfüllen können, Aspekte des Bo-denschutzes in der Land- und Forstwirt-schaft. Es verlangt die Darstellung derErfordernisse und Maßnahmen zumSchutz, zur Verbesserung der Qualitätund zur Regeneration von Böden in derFachplanung des Naturschutzes und re-gelt den Ausgleich bzw. Ersatz für Ein-griffe in Böden, soweit damit eine Be-einträchtigung der Leistungs- und Funk-tionsfähigkeit des Naturhaushalts oderdes Landschaftsbilds verbunden ist. InNaturschutzgebieten und Naturdenk-malen sind Böden vor Versiegelung, Ab-grabung und Überdeckung geschützt.Dort und in einigen anderen natur-schutzrechtlich besonders geschütztenGebieten kann z.B. der Schutz von Bö-den mit wertvoller ArchivfunktionSchutzzweck sein. In Landschaftsschutz-gebieten kann es Schutzzweck sein, dieBodenfunktionen großflächig zu schüt-zen, zu entwickeln oder wiederherzu-stellen.

Ziel von Maßnahmen zum Boden-schutz ist die Schonung, Förderung und ggf. Wiederherstellung natürlicherBodenfunktionen und der wirksameSchutz nicht wieder herstellbarer Ar-chivböden. In Naturschutzgebieten istdarauf zu achten, dass Maßnahmen zurBiotopentwicklung nicht auf Flächenstattfinden, deren Bodenfunktionenhoch zu bewerten sind. Voraussetzun-gen für die Umsetzung des Bodenschut-zes im Naturschutz sind hinreichendeKenntnisse über Bodeneigenschaftenund deren Bedeutung, die Berücksichti-gung des Bodenschutzes in Schutz-,Pflege- und Entwicklungsplänen vonNaturschutzgebieten sowie die Verwen-dung von Mitteln aus der Eingriffsrege-lung für Maßnahmen im Bodenschutz.Auch durch die Einbeziehung des Bo-dens in die naturschutzpädagogischeArbeit kann ein wesentlicher Beitragzum Bodenschutz geleistet werden. EinPraxisbeispiel zeigt, wie Bodenschutz inden Pflege- und Entwicklungsplan einesHamburger Naturschutzgebiets inte-griert wurde.

Summary

Beside the general principle of conser-vation of soil functions the federal na-ture conservation law also regulates as-pects of soil protection in agricultureand forestry. It is required that soil pro-tection has to be provided in landscapeplans. If impacts on soils lead to a declineof the capacity of the ecosystem orlandscape scenery, compensation accor-ding impact mitigation regulations areapplied. In nature reserves and naturalmonuments soil functions and soils itselfgenerally are well protected. In theseareas the protection goal may refer tosoils of special interest for science, na-ture or landscape history. In landscapeprotection areas soil functions may beprotected, developed or even restored.

The aim of measures of soil conser-vation is the protection, developmentand restoration of natural soil functionsand also effective protection of not res-torable soils as archives of geologicaland archaeological heritage. For the im-plementation of soil protection in na-ture conservation sufficient knowledgeof the importance of soil properties isneeded along with the consideration ofaspects of soil conservation in develop-ment plans of nature reserves and also

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Abb. 9: Schützenswerte Archive der Natur- und Kulturgeschichte des NSG „Boberger Niede-rung“: links Rest des Podsols, der ursprünglich die Düne bedeckt hat, rechts äolisch verlager-tes Kolluvium der 1. Rodungsphase (Bilder G. Miehlich).

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the use of funds from the impact miti-gation regulations for issues of soil con-servation. An essential contribution tothe protection of soils is represented byan inclusion of environmental educa-tion. A practical example shows howconservation can be implemented in anature reserve.

Danksagung

Die Autoren danken Herrn W. Breuer(NLWKN, Hannover) für die sorgfältigeDurchsicht des Manuskripts und um-fangreiche Verbesserungsvorschläge.

Literatur

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Anschrift der Verfasser:

Prof. Dr. Günter Miehlich, Institut für Bodenkunde derUniversität HamburgAllende-Platz 220146 [email protected]

Dipl.-Biol. Stephan SchwankInstitut für Bodenkunde derUniversität HamburgAllende-Platz 220146 [email protected]

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NNA-Berichte 1/2009

1 Einleitung

Niedersachsen bietet wie kein anderesBundesland eine besonders große Viel-falt an Landschaften, Bodenreliefs, Bo-dentypen und damit letztlich auch vonarchäologischen Kulturen.

So liegen im niedersächsischen Küs-tengebiet eine Reihe von Fundplätzen –vorwiegend aus den Jahrhunderten umChr. Geburt – vor der Küste im Watten-meer und sind dort im höchsten Maßegefährdet (Niederhöfer 2004).

In den Kleiböden der Marschen ander Nordsee und den größeren Flüssenmusste der Mensch infolge des nacheis-zeitlichen Meeresspiegelanstiegs abChr. Geburt zunächst Wurten und späterauch Deiche errichten, um hier dauer-haft siedeln zu können.

Die ausgedehnten Moore im nord-westlichen Niedersachsen wurden zwarin vorgeschichtlicher Zeit nicht besie-delt, jedoch belegen die zahlreichen,bereits ab der Wende vom 5. zum 4.Jahrtausend vor Chr. errichteten Boh-lenwege, dass die Menschen sich nichtvöllig aus diesen Bereichen zurückzie-hen konnten oder wollten (Metzler2004).

Die fruchtbaren Lössböden im süd-lichen und südöstlichen Niedersachsensorgten für eine frühe Besiedlung durchAckerbau und Viehzucht betreibendeBevölkerungen ab Mitte des 6. Jahrtau-sends vor Chr. (Nüsse 2004), währendsich diese Wirtschaftsform in den an-grenzenden Geestlandschaften erst ca.1500 Jahre später nach und nach durch-setzte (Nüsse 2004).

Für den Harz mit seinem großen Erz-und Mineralreichtum sind frühestemetallurgische Aktivitäten bereits abChr. Geburt zu belegen – er blieb fürJahrhunderte Grundlage des Reichtumsvor allem Goslars (Klappauf 2004).

Die Höhlen im niedersächsischenBergland sind durch die jüngsten For-schungen in der Lichtensteinhöhle beiOsterode und den spektakulären Ergeb-nissen der DNA-Analysen am dort ge-fundenen Skelettmaterial in der Fach-welt und darüber hinaus bekannt ge-worden (Flindt 2004).

Schließlich hat sich in den letztenJahren herausgestellt, dass wir im süd-lichen Niedersachsen mit einer weitausstärkeren römischen Präsenz rechnenmüssen, als bisher angenommen wurde.Erwähnt seien hier nur das vor wenigenJahren entdeckte Römerlager bei Hede-münden im Ldkr. Göttingen (Grote2005) und die jüngst mehrfach in derPresse dargestellten Funde vom Harz-horn im Landkreis Northeim.

2 Böden als kulturgeschichtlicheArchive

Die überwiegende Zahl der archäologi-schen Fundstellen ist heute weitgehendim Boden verborgen und lässt sich imGelände nicht mehr ohne weiteres er-kennen. Daraus ergibt sich, dass für denArchäologen und für den im Bereich derArchäologie tätigen Denkmalpflegerunsere Böden das wichtigste und na-hezu einzige Archiv darstellen; dennauch die Funde, die heute in denMuseen und Sammlungen aufbewahrtwerden, sind in der Regel irgendwanneinmal aus dem Boden geborgenworden.

In den Böden steckt für den Archäo-logen also das, was für den Historiker ineiner Schatulle mit alten Schriftstückenaufbewahrt wird – die primäre Quellefür seine wissenschaftlichen Erkennt-nisse. Ein wesentlicher Unterschied zumHistoriker besteht allerdings darin, dassder Archäologe dann, wenn er Fundeaus dem Boden birgt, gleichzeitig denGroßteil seiner Quelle zerstört. Um beider Analogie zu bleiben, wäre es fürden Historiker so, als würden die Schrift-stücke beim Lesen allmählich zerfallen.

Daher ist es für den Ausgräber unbe-dingt erforderlich, sorgsam jedes Detailder Ausgrabung zu dokumentieren; derArchäologe muss wie ein Kriminalistvorgehen, der einen Tatort aufs Genau-este untersucht und jede Einzelheit ver-zeichnet (Abb. 1, Abb. 2). Neben derfotografischen und zeichnerischen Do-kumentation, der Anlage von Profil-schnitten und genauer dreidimensiona-ler Einmessung der Funde sind auch ver-schiedenste Proben für spätere natur-wissenschaftliche Untersuchungen zunehmen (z.B. Phosphatanalyse, 14C-Datierung, Holzartenbestimmung) undggf. Wissenschaftler aus Nachbardiszi-plinen wie etwa der Bodenkunde vorOrt einzubeziehen. (Vgl. dazu den Bei-trag von G. Miehlich „Böden als Archiveder Natur- und Kulturgeschichte“ in die-sem Heft). Dabei steht der Archäologe

Böden als Archive für die Archäologieund Denkmalpflegevon Hildegard Nelson

Schlüsselwörter: Archäologie, Archivböden, KulturerscheinungenKeywords: archaeology, archaeological cultures, soil cultural heritage

1 NDL – Niedersächsisches Landesamt fürDenkmalpflege.

Abb. 1: Fotografische Dokumentation einerarchäologischen Ausgrabung (Foto: AndreaMoser, NLD1).

Abb. 2: Zeichnerische Dokumentation einerArchäologischen Ausgrabung (Zeichnung:NLD).

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vor dem Problem, dass er auch bei äu-ßerst akribischer Arbeit immer nur denaktuellen Ansprüchen genügen kann;die wissenschaftlichen Methoden je-doch ständig weiter entwickelt werdenund auch die heute modernste Arbeits-weise in 50 Jahren zumindest in Teilenbereits wieder überholt sein wird. Er-wähnt sei hier nur die erst vor wenigenJahren entwickelte Möglichkeit derDNA-Analyse am Knochenmaterial.

Für den Archäologen ist zwar jedeseinzelne Fundstück, sei es ein goldener,reich verzierter Armreif, ein Faustkeiloder aber nur eine winzige, verwitterteKeramikscherbe, von Interesse; für dieRekonstruktion historischen Gesche-hens ist jedoch der Kontext, in dem dieStücke gelegen haben, von noch weit-aus größerer Bedeutung.

Dieser Kontext wird in der archäolo-gischen Fachsprache Befund genannt.Der überwiegende Teil der Befunde, dieder Archäologe freilegt, ist auf bewuss-te oder unbewusste Eingriffe des Men-schen in den Boden zurückzuführen.Dabei muss im Blick behalten werden,dass ein großer Anteil menschlicherHandlungen zunächst einmal keinerleiEingriff in den Boden bedeutet, etwaein Gespräch, eine Jagd, das Fällen vonBäumen, das Ernten von Früchten, dasMahlen von Getreide usw. Findet das

Gespräch jedoch an der Feuerstelle in ei-nem Haus statt, werden die Jagdabfälleoder das bei der Arbeit zerbrochene Beilin einer Abfall-Grube entsorgt, landendie nicht verzehrbaren Teile der Früchteund Getreidereste im Schlamm einesnahe gelegenen Tümpels, so kann untergünstigen Umständen ein indirekterNachweis dieser Tätigkeiten erfolgen.Grundlegend ist hierbei eine Erkennt-nis, die zuerst von Carl Schuchhardt,dem Begründer der archäologischenBurgenforschung in Deutschland, Endedes 19. Jahrhunderts anlässlich einerGrabungsbesichtigung sehr prägnantgegenüber Kaiser Wilhelm II formuliertwurde und die lautet: „Nichts ist dauer-hafter als ein ordentliches Loch.“ InAbb. 3 ist beispielhaft dargestellt, wel-che Überreste einer Siedlung nach Jahr-hunderten im Boden Spuren hinterlas-sen würden. Im oberen Teil der Zeich-nung sind verschiedene Eingrabungenzu sehen, für die Pfosten des Hauses, fürAbfälle und einen Befestigungsgraben.Nach Aufgabe der Siedlung verfallendie Gebäude, übrig bleiben – auch nochnach Jahrtausenden – die „Löcher“.Später werden die mit humosem Mate-rial verfüllten Eingrabungen durch denPflug angeschnitten, bei größererPflugtiefe unter Umständen auch zer-stört.

3 Befunderhaltung

Ob ein archäologischer Befund sichdeutlich im Boden abzeichnet oder obnur noch schwache Spuren erkennbarsind, hängt von verschiedenen Faktorenab, die im Folgenden kurz aufgeführtwerden sollen:

Werden Gruben mit sehr viel organi-schem Material – insbesondere mitHolzkohle – verfüllt, so zeichnen sie sich deutlich ab. Ebenfalls gut erkenn-bar sind Feuerstellen, Herdgruben oderÖfen (Abb. 4). Oftmals kommt es – wiehier deutlich zu sehen ist – aufgrund derstarken Hitze sogar zu einer Verziege-lung der Tonpartikel im Boden.

Da die organischen Stoffe im Laufeder Jahrhunderte nach und nach ausge-waschen werden, sind in der Regel äl-tere Befunde entsprechend blass undoftmals kaum mehr zu erkennen(Abb. 5). Erschwert wird die Ansprachenoch durch die hier vorhandenen vielenälteren und jüngeren Tiergänge (sog.Bioturbation).

Unter besonderen Umständen, wieetwa aufgrund der Abdeckung durcheinen Grabhügel, können sich aber auchmittelsteinzeitliche Befunde noch sehrdeutlich abzeichnen. Im nordwest-lichen Niedersachsen finden sich darü-ber hinaus gelegentlich archäologischeFundstellen unter den mittelalterlichen

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Abb. 3: Schematische Darstellung der Entste-hung und Veränderung archäologischer Be-funde (Zeichnung: Pit Becker; nach: Heege1994).

Abb. 4: Vorgeschichtliche Herdgrube mit stark verfärbter Umgebung im Profilschnitt (Foto: Ute Bartelt, NLD).

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Eschaufträgen. So ließ sich in der Nösch-kenheide bei Bersenbrück nachweisen,dass ein vermutlich in der ausgehendenJungsteinzeit oder frühen Bronzezeiterrichteter Grabhügel sowie weitereGrabanlagen der jüngeren Bronzezeitab dem Hochmittelalter fortlaufend mitPlaggen überdeckt worden waren, derdie Befunde dann vor neuzeitlichen Ein-griffen weitgehend schützte (Friede-richs 2004).

Auch die Boden-Eigenschaften spie-len eine wesentliche Rolle bei der Be-funderhaltung. Während in den kalkar-men Sandböden der Geest in der Regelvon Bestattungen – wenn überhaupt –nur so genannte Leichenschatten nach-weisbar sind (Abb. 6), finden sich inFeuchtböden oder im Löss oftmals sehrgut erhaltene Bestattungen (Abb. 7).

4 Großflächiger Bodenverbrauch –Bedrohung der kultur-geschichtlichen Archive

Der in den letzten Jahrzehnten stark an-gestiegene Flächen- und damit Boden-verbrauch ist eine enorme Bedrohungfür die Archivböden. Jede Maßnahme,bei der Bodenbewegungen bzw. ein Bo-denabtrag stattfindet, sei es für ein Ge-werbe- oder Neubaugebiet, für den Baueiner Pipelinetrasse, für die Verbreite-rung einer Straße, für großflächigen Bo-denabbau, bei Umwandlung von Wald

in Ackerland, Verlegen von Drainageusw. stellt einen irreversiblen Eingriff indas Bodenarchiv und damit auch einepotenzielle Gefährdung und Zerstö-rung archäologischer Fundstellen dar.Zwar können sich – wenn diese Eingriffedurch Fachkräfte beobachtet und ggf.wissenschaftlich untersucht werden –mitunter auch überraschende Fenster indie Vergangenheit öffnen. Dieser Nut-zen ist aber insgesamt als weitaus ge-ringer einzuschätzen als der Schaden.Darüber hinaus müssen die archäologi-schen Untersuchungen zumeist untererheblichem Zeitdruck durchgeführtwerden, damit sich die Bauvorhabennicht zu sehr verzögern, was wiederumdazu führen kann, dass sie den wissen-schaftlichen Ansprüchen kaum mehrgenügen.

Ein besonders prägnantes Beispielfür den unerwarteten Einblick, dengroßflächiger Bodenabbau bietenkann, ist der Braunkohletagebau Schö-ningen im Landkreis Helmstedt. Vordem Beginn des Bodenabbaus warenhier nur einige wenige Fundstellen be-kannt. Seit 1983 werden im unmittel-baren Vorfeld des Abbaus Rettungs-grabungen durchgeführt, bei denenzahlreiche, vor allem jungsteinzeitlicheSiedlungs- und Bestattungsreste freige-legt werden konnten. Seit 1992 wurdenmehrere Fundplätze der frühen Alt-steinzeit entdeckt, im Herbst 1994schließlich – in der Uferzone eines ehe-maligen Flachwassersees – ein etwa400.000 Jahre altes Wildpferd-Jagd-

lager mit Tausenden von Großsäuger-knochen, Feuersteinartefakten undschließlich den bekannten – inzwischen8 – hölzernen Wurfspeeren. Die alt-steinzeitlichen Fundschichten befindensich z.T. in 10–15 Metern Tiefe unter derheutigen Erdoberfläche (Abb. 8) undwären ohne den tief greifenden Boden-abbau nie entdeckt worden. Zur Datie-rung der Schichten dienen neben denGeologischen Schichtprofilen auch dieReste von klimatisch empfindlichenKleinsäugern, deren Überreste teilweisein überraschend gutem Zustand sind.

Trassengrabungen stellen die Archä-ologen in der Regel vor große logisti-

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Abb. 5: Eine kaum noch erkennbare Grubenverfärbung der mittleren Steinzeit (Foto: KlausGerken, Helstorf).

Abb. 6: Jungsteinzeitlicher Leichenschattenim Sandboden (Foto: Klaus Ludwig Voss (†),LMH2).

Abb. 7: Jungsteinzeitliche Hockerbestattungim Lössboden (Foto: Klaus-Günther Kullig,NLD).

2 LMH – Niedersächsisches Landesmu-seum Hannover.

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sche Herausforderungen, da in relativkurzer Zeit eine enorme Fläche zuuntersuchen ist und die Arbeitsweisesich in erster Linie an den Bauarbeitenzu orientieren hat. Sie bieten aber dieMöglichkeit, eine Art Querschnitt durcharchäologische Landschaften zu legenund damit die Kenntnis über dieseRäume deutlich zu verbessern. So zeigtesich beim Bau der 150 km langen Pipe-line-Trasse von Stade nach Teutschen-thal in Sachsen-Anhalt, dass in manchenbislang für archäologisch uninteressantgehaltenen Bereichen eine Vielzahl ar-chäologischer Fundstellen nachzuwei-sen war (Gebers 2004).

Auch Grabungen in den heutzutageteilweise sehr groß konzipierten Neu-bau- oder Gewerbegebieten stellen diearchäologische Denkmalpflege auf-grund des sehr engen Zeitrahmens undder unzureichenden personellen Aus-stattung der Denkmalschutzbehördenhäufig vor große Probleme. Sie bietenandererseits aber die Chance, großflä-chige Strukturen freizulegen und nichtnur Ausschnitte zu erfassen.

Untersuchungen in Feuchtböden –

also in Moor und Marschböden – sindfür den Archäologen von besonderemReiz, weil sich hier oftmals in großerAnzahl organische Hinterlassenschaftenfinden. Technisch sind diese Grabungennaturgemäß sehr aufwändig, sie lohnen

aber Mühe und Kosten aufgrund derreichhaltigen, sonst kaum erhaltenenBefunde (Abb. 9).

Vor allem die dabei geborgenenFundstücke aus Leder, Textil und Holz(Abb. 10) geben Einblick in eine uns

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Abb. 8: Grabungssituation und Schema der stratigraphischen Abfolge im Schöninger Tagebau (Foto: Jens Lehmann, NLD; Grafik: nach Thieme1999).

Abb. 9: Reste der Burg „Heidenwall“ an einem alten Huntearm bei Oldenburg mit sehr guterHolzerhaltung (Foto: NLD).

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noch weitgehend unbekannte mate-rielle Kultur. Die Einbeziehung von Spe-zialisten aus naturwissenschaftlichenDisziplinen ist hierbei von besondersgroßer Bedeutung.

In unseren Mooren ist zwar die Kul-tivierung bzw. Torfgewinnung vie-lerorts zurückgegangen, aufgrund desheute maschinellen Torfabbaus werdendie Befunde in der Regel jedoch uner-kannt zerstört, ein Umstand, der auchdurch umfangreiche Untersuchungenim Vorfeld nur bedingt abzumildern ist.Umso spektakulärer war daher vor we-nigen Jahren der Fund einer Moorleiche(„Moora“) aus der vorrömischen Eisen-zeit im Uchter Moor (Bauerochse &Metzler 2006).

5 Moderne Prospektions-methoden als Lösung?

Um bereits im Vorfeld von anstehendenBodenbewegungen Erkenntnisse überim Boden verborgene Fundstellen zu er-halten, gewinnt eine umfassende Pro-spektion immer mehr an Bedeutung. Alsbewährte Vorgehensweise ist hier zu-nächst die intensive Begehung und ggf.Anlage kleiner Suchschnitte zu nennen.Diese Methode ist allerdings sehr zeit-und personalaufwändig und daherkurzfristig nur bedingt anwendbar.Außerdem ist sie nicht immer erfolg-reich, da nicht alle Fundstellen an derOberfläche erkennbar sind. In den letz-ten Jahrzehnten haben daher weitereProspektionsmethoden an Bedeutunggewonnen.

An erster Stelle ist hier die Prospek-tion mittels Luftbildern zu nennen. DieAnfänge der Luftbildarchäologie rei-chen in Niedersachsen bis in das Jahr

1931 zurück; von diesem Zeitpunkt anwurden von verschiedenen Institutio-nen und Privatleuten Luftbild-Prospek-tionen durchgeführt, die zumeist regio-nal begrenzt waren. Heute befindensich im archäologischen Luftbild-Archivdes NLD über 30.000 Luftbilder.

Die Luftbildarchäologie beruht inerster Linie darauf, dass verfüllte Gru-ben und Gräben im Boden mehr Feuch-tigkeit speichern können als ihre Umge-bung, so dass die an diesen Stellen wur-zelnden Pflanzen – besonders dasGetreide – hier bessere Wachstumsmög-lichkeiten haben und früher reifen(Abb. 11). Im Gegensatz dazu bleibenPflanzen, die oberhalb von Mauerres-ten oder anderweitig verdichtetemBoden wachsen, im Wachstum zurück.Beides lässt sich im Luftbild dokumen-tieren. Durch den intensiven Einsatz derLuftbildprospektion in den letzten 20Jahren ließ sich u.a. eine bis dahin fürNiedersachsen kaum bekannte Denk-malgattung – die jungsteinzeitlichenErdwerke – neu erschließen (Abb. 12).Die Luftbilder zeigen uns darüber hin-aus eindrucksvoll, dass archäologischeBefunde, die tief genug liegen, auchdurch über Jahrhunderte andauerndelandwirtschaftliche Nutzung nichtzwangsläufig zerstört werden.

In den letzten Jahren haben sichweitere, ursprünglich für andere Berei-che entwickelte geophysikalische Pro-spektionsmethoden in der Archäologiebewährt. Zu nennen sind hier die Geo-magnetik, die Geoelektrik und das Geo-radar. Diese Methoden werden in derRegel auf schon bekannten oder dochzumindest vermuteten archäologischenFundstellen benutzt, um Anhaltspunkteüber Ausdehnung und markante Struk-

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Abb. 12: Ergebnis der Luftbildprospektion:Gräben eines jungsteinzeitlichen Erdwerksbei Wittmar, Ldkr. Wolfenbüttel (Foto: OttoBraasch, Landshut).

Abb. 13: Grabungssituation und Geoelektrische Kartierung der Posteburg, Ldkr. Schaumburg(Foto: Hans-Wilhelm Heine, NLD; Grafik: nach Schulz et al. 2004).

Abb. 10: Der „Holz-Thron“ aus dem Gräber-feld bei Wremen, Ldkr. Cuxhaven. Ein Bei-spiel für hervorragende Erhaltung organi-schen Materials im Marschenboden (Foto:nach Schön 1995).

Abb. 11: Schematische Darstellung der Ent-stehung von Bewuchsmerkmalen im Luftbild(Zeichnung: Pit Becker; nach Heege 1994).

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turen zu gewinnen. Beispielhaft sei hierdas Ergebnis der Geoelektrischen Kar-tierung der Posteburg bei Schmarrie ge-zeigt (Abb. 13).

6 Fazit

Trotz verbesserter Prospektionsmetho-den können die NiedersächsischenDenkmalpfleger ihren Aufgaben auf-grund des enormen Flächen- und Bo-denverbrauchs der heutigen Zeit – ins-besondere bei der sehr angespanntenPersonalsituation – kaum noch gerechtwerden.

Nicht zuletzt aufgrund der Novellie-rung des Denkmalschutzgesetzes imJahre 2004, wonach die Unteren Denk-malschutzbehörden, die sehr häufignicht mit Fachpersonal ausgestattetsind, nicht mehr der Fachaufsicht derOberen Denkmalschutzbehörde (ehem.Bezirksregierung) unterstellt sind, ge-hen täglich Teile unseres Bodenarchivsund damit der archäologischen Quellenunwiederbringlich verloren.

7 Zusammenfassung

Die große Vielfalt an Landschaften,Bodenreliefs und Bodentypen in Nie-dersachsen hat auch die Vielfalt archäo-logischer Kulturerscheinungen mit ge-prägt. Die Böden stellen für den Archä-ologen sein wichtigstes Archiv und dieprimäre Quelle für seine Erkenntnissedar. Der großflächige Bodenverbrauchder letzten Jahrzehnte bedroht diesesArchiv in zunehmendem Maß, was auchdurch den Einsatz moderner Prospek-tionsmethoden nicht kompensiert wer-den kann.

Summary

Lower Saxony is formed by a greatdiversity of landscapes, man-madechange of relief and soil types whichalso influenced the development anddistribution of the different archaeolo-gical cultures.

The soils are the most important andprimary sources for the archaeologist. In

the last decades, this sources were re-duced by the increasing consumption ofsoil. Even with the application of newprospecting technologies the loss of thisarchives cannot be compensated.

Literatur

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Friederichs, A. (2004): Unter dem Esch …alle möglichen Gräber. Archäologiein Niedersachsen, 7, 73–76.

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Metzler, A. (2004): Neolithischer Moor-wegebau in der Dümmerniederung .In: Archäologie Land Niedersachsen– 25 Jahre Denkmalschutzgesetz –400.000 Jahre Geschichte. Archäolo-

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Niederhöfer, K. (2004): Archäologie imWattenmeer. In: Archäologie LandNiedersachsen – 25 Jahre Denkmal-schutzgesetz – 400.000 Jahre Ge-schichte. Archäologische Mitteilun-gen aus Nordwestdeutschland, Bei-heft 42, 511–513, Oldenburg.

Nüsse, H.-J. (2004): Chronologie und Pe-riodengliederung der Archäologiein Niedersachsen. In: ArchäologieLand Niedersachsen – 25 Jahre Denk-malschutzgesetz – 400.000 Jahre Ge-schichte. Archäologische Mitteilun-gen aus Nordwestdeutschland, Bei-heft 42, 32–39, Oldenburg.

Schön, M. D. (1995): Der Thron aus derMarsch. Ausgrabungen an der Fall-ward bei Wremen im Kreis CuxhavenI, 84 S., Bremerhaven.

Schulz, R , Igel, J., Kurz, G., Sauer, J.,Schuricht, R., Südekum, W. & Ziekur,R. (2004): Geophysikalische Prospek-tion. In: Archäologie Land Nieder-sachsen – 25 Jahre Denkmalschutz-gesetz – 400.000 Jahre Geschichte.Archäologische Mitteilungen ausNordwestdeutschland, Beiheft 42,66–76, Oldenburg.

Thieme, H. (1999): AltpaläolithischeHolzgeräte aus Schöningen, Ldkr.Helmstedt. Bedeutsame Funde zurKulturentwicklung des Menschen.Germania 77/2, 451–487.

Anschrift der Verfasserin:

Dr. Hildegard NelsonNiedersächsisches Landesamt fürDenkmalpflegeScharnhorststr. 1 30175 HannoverE-Mail: [email protected]

Nelson – Böden als Archive für die Archäologie und Denkmalpflege

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NNA-Berichte 1/2009

1 Einleitung

Die aktuelle Ausprägung eines Bodensist das Ergebnis einer meist Jahrhun-derte bis Jahrtausende andauerndenBodenentwicklung, in deren Verlauf dasAusgangsgestein unter dem steuerndenEinfluss der Faktoren der Bodenbildungdurch Stoffumwandlung und -verlage-rung verändert wurde. Da die Konstel-lation der Faktoren der Bodenbildung(Ausgangsgestein, Klima, Organismen,Relief, Dauer der Bodenbildung) klein-räumig variiert, ist die feste Erdoberflä-che von einem Muster unterschiedlicherBöden bedeckt. In ihren Eigenschaftenspiegeln sie die regionalspezifischen Bil-dungsbedingungen im Verlauf der Zeitwider; sie werden damit zu einem „Ar-chiv der Naturgeschichte“ einer Region.Da der Mensch in Mitteleuropa fast flä-chendeckend gestaltend in die Bödeneingegriffen hat, finden sich in ihnenauch vielfältige Spuren menschlicherTätigkeit; sie werden dadurch zu „Ar-chiven der Kulturgeschichte“. So gese-hen sind alle Böden Archive der Natur-und der Kulturgeschichte. Ein Schutzder Gesamtheit der Böden als Archiv ist im Bundesbodenschutzgesetz wedervorgesehen noch ist er sinnvoll. Einwirksamer Schutz bedeutsamer Archiveder Natur- und Kulturgeschichte setzteine hinreichende Datengrundlage, einBewertungssystem ihrer Bedeutungund Instrumente für ihren Schutz vo-raus. Von der Behandlung dieser Grund-lagen ausgehend, charakterisiert derBeitrag unterschiedliche Formen vonBöden mit Archivfunktion und Möglich-keiten zu ihrem Schutz. Die Bedeutungder „Böden als Archive für die Archäo-logie und Denkmalpflege“ beschreibtNelson in diesem Band.

2 Grundlagen

Sonderstellung der Funktion Archiv derNatur- und Kulturgeschichte. Unter den

nach Bundes-Bodenschutzgesetz ge-setzlich geschützten Funktionen nimmtdie Rolle als „Archiv der Natur- undKulturgeschichte“ eine Sonderstellungein. Während die übrigen Funktionenwegen ihrer Bedeutung für das Ökosys-tem (natürliche Funktionen) oder fürdie Nutzung durch den Menschen (Nut-zungsfunktionen) von Bedeutung sind,betreffen die Archivfunktionen Infor-mationen, die sich aus den Eigenschaf-ten der Böden ableiten lassen. Dies kön-nen Informationen zur Naturgeschichteund der Kulturgeschichte sein. Oft ver-einen Böden Informationen zu beidenAspekten. Archivböden können u.a. In-formationen zur Rekonstruktion derBodengenese, des Paläoklimas, zur Ent-wicklung des Reliefs, zur Vegetations-geschichte, zu Auswirkungen histori-scher und rezenter Bodennutzung undder Bergbau-, Industrie- und Siedlungs-geschichte enthalten.

Mit Hilfe der Archivfunktion könnennoch am ehesten Böden „um ihrer selbstwillen“ geschützt werden. Es gibt, wiefür Tiere und Pflanzen längst einge-führt, den Versuch, eine „rote Liste“ fürBöden aufzustellen (Bosch 1994), in derArchive der Natur- und Kulturge-schichte eine bedeutsame Rolle spielen.Ungelöst ist die Frage, auf welcher Flä-che Archivböden wie geschützt werdensollen. Sind sie in ihrem Gesamtvorkom-men schützenswert oder sollen nur Teil-flächen vorgehalten werden, auf derdie im Boden vorhandenen Informatio-nen wirksam geschützt sind? Dies ist vorallem bei weit verbreiteten Archivender Kulturgeschichte, z.B. Plaggen-eschen oder kultivierten Mooren inNiedersachsen, ein Problem.

Der Schutz von Archivböden hatauch die Nutzer dieser Funktion zu be-rücksichtigen. Meist können die im Bo-den enthaltenen Informationen nurdurch laboranalytische Untersuchungen„geborgen“ werden. Dies setzt voraus,dass Archivböden für die Forschung zu-

gänglich sind. Jede Entnahme von Bo-denproben zerstört aber eine Teilflächedes Schutzobjekts. Es bedarf einer gutenOrganisation und Dokumentation derEingriffe, wie sie z.B. für Boden-Dauer-beobachtungsflächen festgelegt sind(SAG 1993), damit nicht ArtefakteGegenstand späterer Untersuchungwerden. Stets sollte eine ausreichendgroße Fläche für zukünftige Fragestel-lungen und Forschungsansätze unge-stört erhalten bleiben. Wichtig sind of-fene Profilgruben als Anschauungs- undUntersuchungsobjekte für die Lehre anHochschulen (Bodenkunde, Biologie,Geographie, Geologie, Archäologie,Landschaftsökologie), für den Schul-unterricht und für die Allgemeinbil-dung. Weil Archivböden „Geschichten“erzählen, eignen sie sich besonders zurFörderung des Bodenbewusstseins,ohne das wirksamer Bodenschutz nichterfolgreich sein wird (vgl. in diesemBand Miehlich: „Bodenbewusstsein –ein Schlüssel zur Förderung des Boden-schutzes“).

Datengrundlage. Die Erfassung boden-kundlicher Daten ist regional sehr un-terschiedlich, dementsprechend lücken-haft ist der Stand thematischer Kartenzum Thema Boden. Flächendeckendgibt es für Deutschland Bodenüber-sichtskarten im Maßstab 1:1.000.000und kleiner. Von der Bodenübersichts-karte 1:200.000 lagen Ende 2008 erst70% vor (BGR 2009a). Bodenkarten ingrößeren Maßstäben sind nur in weni-gen Bundesländern flächendeckendvorhanden. Spezielle Kartenwerke, indenen Archivböden ausgewiesen sind,gibt es in mehreren Bundesländern(LABO 2006). In Nordrhein-Westfalengibt es z.B. flächendeckend Kartenschutzwürdiger Böden im Maßstab1:50.000 (Geologischer Dienst NRW2009). Archivböden sind häufig nur sehrkleinflächig verbreitet und könnendann in bodenkundlichen Karten oftnicht dargestellt werden (Boess 1999,Schraps & Schrey 1997). Hilfreich sind indiesem Fall Karten, in denen Flächen ge-kennzeichnet sind, in denen Archivbö-den vermutet werden und deren Eigen-schaften und Verbreitung bei einerPlanänderung detailliert erfasst und beider Abwägung der Belange berücksich-tigt werden können (z.B. Fachplan„Schutzwürdige Böden“ in Hamburg,Oechtering 2006). Institutionen der

Böden als Archive der Natur- undKulturgeschichtevon Günter Miehlich

Schlüsselwörter: Archivfunktion, Bodenschutz, Bodenbewertung, ArchivbödenKeywords: soil function, soil protection, soil assessment, soil natural heritage, soil cultural heritage

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Bundesländer halten teils öffentlich zu-gängliche Datenbanken mit Punkt- undFlächendaten über Böden vor, die sichauch hinsichtlich der Archivfunktionauswerten lassen. Beispiele sind dasNiedersächsische Bodeninformations-system NIBIS (LBEG 2009) oder das Bo-deninformationssystem Bayern (Bayeri-sches Landesamt für Umwelt 2009a).

Bewertung der Archivfunktion von Bö-den. Bei der Beurteilung von Boden-funktionen wird die BegriffshierarchieBodenfunktion / ggf. Teilfunktionen /Kriterium zur Beschreibung der Teil-funktion / Parameter zur Erfassung derKriterien akzeptiert (Ad-hoc-Arbeits-gruppe Boden 2007, PlanungsgruppeÖkologie + Umwelt 2003 und der Bei-trag von M. Gunreben „Die Berücksich-tigung des Bodenschutzes in der Bau-leitplanung“ in diesem Heft). Kriteriensind Eigenschaften oder Potenziale ei-nes Bodens, welche die zu beurteilendeFunktion hinreichend beschreiben. Pa-rameter sind an Böden beschreib- odermessbare Kennwerte, durch die Krite-rien beurteilt werden können. Dabei istimmer zu berücksichtigen, dass sowohldie Kennzeichnung der Kriterien durchParameter als auch die Erfassung derFunktionen durch Kriterien unvollstän-dig oder fehlerhaft sein können (Hoch-feld 2004, Miehlich 2006). Inzwischenhat sich die Akzeptanz der Kriterien undParameter eines Bewertungssystems soweit verselbständigt, dass Fehlerbe-trachtungen kaum stattfinden.

Der Methodenkatalog der Ad-hoc-Arbeitsgruppe Boden 2007 nennt fürArchive der Naturgeschichte die Krite-rien Seltenheit, Naturnähe, naturge-schichtlich bedeutsame Böden, regio-naltypische Böden bzw. Substrate, Ei-genart, Wert als Anschauungsobjekt,Erhaltungszustand, Flächengröße, Re-präsentanz und Alter. Archive der Kul-turgeschichte werden durch die Krite-rien Zugehörigkeit zur Klasse der an-thropogenen Böden nach Kartieran-leitung (Ad-hoc-Gruppe Boden 2005),Nutzungsgeschichte, Erhaltungsgrad,Seltenheit und Alter bewertet. Die Wahlder Kriterien ist nach Bundesländernverschieden. Zu welchen Widersprü-chen dies führen kann, beschreibt Hoch-feld 2004. Oft wird als Nachteil ange-führt, dass zur Beurteilung von Archiv-böden Expertenwissen erforderlich ist.Ich teile diese Meinung nicht, denn es

gibt genügend versierte Fachleute. Dasdabei einfließende subjektive Elementführt keineswegs zu größeren Fehlernals bei angeblich „objektiven“ Bewer-tungsverfahren der übrigen Boden-funktionen (Miehlich 2006).

Häufig werden die Kriterien Natur-nähe und Seltenheit verwendet (Bosch1994, Boess et al. 2002, Schatz & Schmidt2003, Hochfeld 2004). Naturnähe wirdmeist nach der natürlichen Abfolge undAusprägung von Bodenhorizonten be-wertet. Da sich Böden, wenn auch inlangen Zeiträumen, regenerieren kön-nen, ist zu fragen, wann Böden, die ausder menschlichen Nutzung herausge-nommen wurden, wieder als naturnahgelten können. Im Hamburger Bewer-tungsverfahren (Freie und HansestadtHamburg 2003) gilt ein Boden u.a. alsuneingeschränkt naturnah, wenn dieAbfolge seiner Horizonte länger als 150Jahre ungestört blieb. Das Kriterium derSeltenheit wird meist nach Expertenwis-sen beurteilt. Es gibt aber auch Ver-suche, sie nach Flächenanteilen zu er-mitteln. Zu klären ist die Fläche (Be-wertungsgebiet, Region, Bundesland,Deutschland, Europa), auf die sich dieSeltenheit bezieht. So können Boden-formen innerhalb eines Bewertungsge-biets häufig, in Deutschland jedoch sehrselten sein. Umgekehrt können inDeutschland verbreitete Böden im Be-wertungsgebiet Raritäten sein. Es gibtVorschläge, Seltenheit dann auszuwei-sen, wenn die Böden z.B. <1% einesBundeslandes betragen (Gunreben &Boess 2008).

Als Beispiele für Bewertungssystemeder Archive der Natur- und Kulturge-schichte seien hier genannt: � Niedersachsen (Gunreben & Boess2008): Archive der Naturgeschichte:landschaftstypische Böden, Paläobö-den, seltene Böden. Archive der Kultur-geschichte: Vorkommen ausgewählteranthropogener Böden und Überfor-mungen.� Hamburg (Freie und HansestadtHamburg 2003): Archive der Naturge-schichte: Kriterien: Naturnähe, Selten-heit. Parameter: Grad der Veränderun-gen in Horizont- und Substratabfolge;Seltenheit wird durch Zuschläge in derBewertung berücksichtigt. Archive derKulturgeschichte: Erhaltungsgrad undArt von vorindustriellen, über den nor-malen Ackerbau hinausgehenden Ein-wirkungen: Form der Kultosole, Grad

der Erhaltung oder archäologische Re-levanz. � Brandenburg (LandesumweltamtBrandenburg 2005): SchutzwürdigeArchivböden in Brandenburg werdenexpertengestützt ausgewiesen und inForm eines Steckbriefes beschreibenddargestellt und bewertet. Kriterien/Pa-rameter: Naturnähe, Seltenheit, Reprä-sentanz, Flächengröße, Alter.� Baden-Württemberg (LUBW 2008)Archive der Naturgeschichte: Bedeu-tung für Bodengenese, Erd- oder Land-schaftsgeschichte. Archive der Kultur-geschichte: Besonderheiten der Sied-lungs- oder Landnutzungsgeschichte.

Möglichkeiten des Schutzes von Archiv-böden. Wie bei allen Bodenfunktionenist im Bundes-Bodenschutzgesetz derSchutz der Archivfunktion im Bereichder Vorsorge angesiedelt. Nach § 12 (8)sollen darüber hinaus Böden, welchedie Archivfunktion „im besonderenMaße“ erfüllen, von Auffüllung ver-schont bleiben. Ein wichtiges Instru-ment ist die Raumplanung. Bei der Auf-stellung oder der Änderung von Plänensind im Rahmen einer Umweltprüfungauch Auswirkungen auf Böden zu erfas-sen und in der Abwägung zu berück-sichtigen. Ob im konkreten Fall eineFläche mit Archivfunktion eine Planän-derung bewirkt hat, ist mir nicht be-kannt. Zur Anpassung an das EU-Rechtund um Bodenarchive wirksam schüt-zen zu können, sieht Hönes 2007 einenerheblichen Änderungsbedarf für dasBundes-Bodenschutz- und das Raum-ordnungsgesetz.

Wertvolle Archive der Naturge-schichte sollten in die Liste der Geotopeaufgenommen und nach Bundesnatur-schutzgesetz in Naturschutzgebieten,als Naturdenkmale oder als „geschützteLandschaftsbestandteile“ vor nachteili-gen Veränderungen bewahrt werden(vgl. in diesem Band G. Miehlich: „Bo-denschutz im Naturschutz“). Archiveder Kulturgeschichte sollten in die Listeder Kulturdenkmale aufgenommenund nach Denkmalschutzrecht ge-schützt werden. In einigen Bundeslän-dern können großflächig verbreiteteArchivböden die Ausweisung eines Bo-denschutzgebietes begründen (Feld-wisch 2004). Bislang gibt es nur wenigeBeispiele, in denen Archivböden denSchutzzweck von Naturdenkmalen be-gründen. Mir sind lediglich die Fläche

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„Hildesheimer Schwarzerde“ in Nieder-sachsen (BGR 2009c) und mehrere Geo-tope in Bayern (Bayerisches Landesamtfür Umwelt 2009b) bekannt, die diesenSchutzstatus erreicht haben. In Ham-burg sollen Flächen sowohl nach Natur-schutz- als auch nach Denkmalschutz-recht unter Schutz gestellt werden(Oechtering 2009).

3 Formen der Archivböden undihr Schutz

Böden können sehr unterschiedlicheFormen von Informationen enthalten.Obwohl eine eindeutige Trennung nichtmöglich ist, soll hier versucht werden,die Archivböden nach ihrem Informa-tionstyp zu gruppieren.

Aufbau eines Archivs charakteristischerBöden einer Region (Archiv des „Nor-malen“, Referenzböden). Unter charak-teristischen Böden sind hier die typi-schen Böden der Bodengesellschafteneiner größeren Landschaftseinheit, ein-schließlich ihrer anthropogenen Verän-derung durch die regional typische Nut-zung (z.B. Landwirtschaft und Forst-wirtschaft), gemeint. Sie repräsentierenden aktuellen Zustand der Böden einerRegion. Der regionale Bezug ist erfor-derlich, weil dieselbe bodensystemati-sche Einheit (z.B. Parabraunerde) jenach Ausgangsgestein (z.B. Parabraun-erden aus Löss, Geschiebemergel oderkalkhaltiger Schotter), Relief, Wasser-haushalt und Nutzung einer Regionstark variierende Eigenschaften hat. Diegeeignete Erfassungsebene ist die Bo-denform (eine Kombination aus boden-und substratsystematischer Einheit, Ad-hoc-Arbeitsgruppe Boden 2005). Regio-nal werden Gebiete betrachtet, in de-nen Gemeinsamkeiten von Ausgangs-gestein, Relief, Klima und Nutzung eintypisches Muster der Bodenformen er-geben (Abb. 1). Ausgangspunkt für die Abgrenzung der Bodenregionenkönnte die Karte der Bodengroßland-schaften (BGR 2009b) sein. Innerhalbder Bodengroßlandschaften könnenüber die Bodenübersichtskarte der Bun-desrepublik Deutschland im Maßstab1:1.000000 (in der nutzungsdifferen-zierten Form, BGR 2007) Untereinheitengebildet werden, für die ein oder meh-rere, die räumlichen Zusammenhängeund Nutzungsunterschiede widerspie-gelnde Ensembles von Bodenflächen

ausgewählt werden. Um die Beziehun-gen von Böden zu Relief und Gestein zuverdeutlichen, empfiehlt sich häufig dieAnordnung dieser Referenzstandorteentlang von Catenen (Lorz & Opp 2000).Die Eigenschaften der charakteristi-schen Böden sollen einschließlich derAusprägung ihrer bodenbildenden Fak-toren (Gestein, Relief, Klima, Hydrolo-gie, Vegetation, Bodenorganismen,Nutzung) erfasst und überregional zu-gänglich dokumentiert werden. Dieswäre eine geeignete Grundlage für dasdringend benötigte Buch „Die Bödender Bundesrepublik Deutschland“. So-wohl für die Fachausbildung als auch alsAnschauungsobjekte für die Allgemein-heit sollen Profilgruben der charakteris-tischen Böden einer Region offen ge-halten, gepflegt und zugänglich ge-macht werden. Dadurch kann auch dasNetz der Bodenlehrpfade (UBA 2001)erheblich erweitert werden.

Datengrundlage für die Auswahlcharakteristischer Böden einer Regionsind die Boden-Datenbanken der Län-der, die Boden-Dauerbeobachtungsflä-

chen (SAG 1993) und die gut untersuch-ten Profile der bodenkundlichen Lehr-stühle. In einigen Bundesländern gibt es Leitprofile (z.B. Gunreben & Boess2008). Soweit möglich, sollten die Flä-chen des Archivs charakteristischer Bö-den nach Bundesnaturschutzgesetzoder als Boden-Dauerbeobachtungsflä-che dauerhaft geschützt sein. Zumin-dest sollten sie vor gravierenden Ein-griffen (z.B. Überbauung, Neuanlagevon Drainagen, Tiefpflügen, Eintragvon Fremdstoffen, Zerschneidung durchLeitungsanlagen) bewahrt werden.

Naturnahe Böden (Abb. 2). Unter natur-nahen Böden werden hier Böden ver-standen, die durch Nutzung wenig odernicht verändert sind. Unter dem Aspektder Archivfunktion repräsentieren sieden Verlauf der Bodenentwicklung, wieer weitgehend ohne Einfluss des Men-schen verläuft. Sie stellen einerseits einebesonders reine Form des „Archivs derNaturgeschichte“ dar und bilden ande-rerseits, im Vergleich zu den oben an-geführten „charakteristischen Böden“,

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Abb. 1: Beispiel für charakteristische Böden einer Region: Böden einer Missenlandschaft imNordschwarzwald. SB3: podsolige Braunerde, SB4: Moor-Stagnogley, SB5: eisenreiche pseu-dovergleyte Braunerde, lokal Ockererde genannt. Substrat: Hauptlage aus lössvermischtemBuntsandsteinzersatz über Basislage aus Buntsandstein, Nutzung Wald. (Scheffer/Schacht-schabel 2002, Bilder G. Miehlich).

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eine Referenz für die Erfassung von Ein-wirkungen des Menschen auf Böden.Naturnahe Böden sind in Deutschlandnur in alten Wäldern, naturnahen Moo-ren, naturnah erhaltenen Auen undKüsten, Ödländern oder den Gipfella-gen von Gebirgen zu erwarten. Die Auf-zählung zeigt, dass es sich dabei häufigum Standorte mit besonderen Eigen-schaften handelt. Aber auch Böden ausseltenen Ausgangsgesteinen (z.B. Bö-den aus vulkanischen Lockergesteinen,Mudden) gehören in diese Kategorie.Bei Standorten unter Wald muss be-rücksichtigt werden, dass die heutigenWälder (im Sinne der Bodenbildung)häufig jung sind und während des 17.und 18 Jh. meist nur noch die „Königs-wälder“ und Klosterwälder eine natur-nahe Waldvegetation hatten (Hornstein1951, Küster 2008). Besonders wertvollsind naturnahe Böden auf Standortenintensiver Ackernutzung. Gelegentlichfinden sich in alten Waldresten geeig-nete Beispiele (Abb. 2, rechts)

Bislang fehlt eine übergreifende Do-kumentation natürlicher Böden. In eini-gen Bundesländern gibt es Zusammen-stellungen und Karten (z.B. Gunreben &Boess 2008). Naturnahe Böden sind soselten, dass sie in ausreichender Flä-chengröße nach Naturschutzrecht ge-schützt werden müssen. Bei verbreiteterauftretenden Formen sollten regional-atypische Referenzflächen vollständigund die übrigen vor Veränderungen ge-schützt werden, die über die üblicheNutzung hinausgehen. Es ist anzuneh-men, dass in Naturschutzgebieten na-turnahe Böden auftreten, in denen sieeinen hohen Schutzstatus haben. Leiderist die Erfassung von Böden in Natur-schutzgebieten nicht sehr verbreitet, sodass die Archive der Naturgeschichtenur unzureichend bekannt sind. Bei be-vorzugt landwirtschaftlich genutztenBodenformen (z.B. Schwarzerden oderParabraunerden aus Löss) sollten diewenigen verbliebenen Flächen natur-nah erhaltener Böden ganzflächig alsNaturdenkmale geschützt werden.

Böden mit Zeugnissen der Natur- undLandschaftsgeschichte (Abb. 2–5). Bö-den können wichtige Informationen zur Geologie, Landschaftsentwicklung,Klima- und Vegetationsgeschichte ent-halten. Fossile Böden, also Böden, dieunter einer früheren Faktorenkonstella-tion der Bodenbildung entstanden und

durch Überlagerung erhalten blieben,gehören ebenso dazu wie Reliktböden,deren wesentliche Prägung aus frühe-ren Bedingungen stammt, deren Eigen-schaften sich aber unter den heutigenBedingungen weiterentwickeln. Böden,die vor dem Ende der letzten Vereisungentstanden sind, werden als Paläo-

böden bezeichnet. Sie geben Hinweiseauf die Umweltbedingungen früherergeologischer Perioden. Beispiele fürfossile Böden sind Reste von Böden ausdem Tertiär, Bodenhorizonte in pleisto-zänen Lösslagen, Böden mit Solifluk-tionsmerkmalen unter Permafrost(Tropfenböden), Bodenhorizonte in

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Abb. 2: Beispiele naturnaher Böden: links Pseudogley aus umgelagertem Lößlehm über alt-pleistozänem Deckenschotter, Schotterriedellandschaft westlich Schwabmünchen, Bayern;Mitte: Hochmoor aus Hochmoortorf, Pietzmoor, Naturschutzpark Lüneburger Heide, Nieder-sachsen; rechts: Pseudogley-Fahlerde aus Löss, Ohlendorf, Niedersachsen (Bilder G. Miehlich).

Abb. 3: Beispiele fossiler Böden oder Bodenreste: links: tertiärer Basaltzersatz (Saprolith) imUnterboden eines Ferrallits, Vorderer Vogelsberg bei Lich, Hessen, Altemöller & Poetsch 1993;rechts: mehrere fossile Bodenhorizonte in einer Lösswand, Besigheim, Baden-Württemberg(Bild links G. Miehlich, Bild rechts T. Poetsch).

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Sanden (z.B. Kaiser et al., im Druck). Re-liktisch sind u.a. Schwarzerden, die imBoreal gebildet wurden, oder Ferralliteaus Basaltverwitterungsmaterial. In Bö-den können auch Informationen zur Re-liefentwicklung und damit zur Land-

schaftsgeschichte dokumentiert sein(Bork 1998). Insbesondere Erosion undAkkumulation von Bodenmaterial ent-lang von Hangsequenzen dokumentie-ren die jüngere Reliefgeschichte einerLandschaft. Pollenspektren in Mooren

geben Auskunft über die Klima- undVegetationsgeschichte eines Raums(z.B. Pollenspektren zum Hochmoor-profil in Abb. 2: Pott 1999). Kriterien fürdie Bedeutung der Archivfunktion indieser Kategorie sind der Erhaltungszu-stand und der Informationswert derZeugnisse sowie deren Seltenheit.

Eine Übersicht gut untersuchter Pa-läoböden ist in Band 2 des Nationalatlasder Bundesrepublik Deutschland ent-halten (Leibniz-Institut Länderkunde2003). Mit Paläoböden beschäftigensich Arbeitsgruppen der Deutschen Bo-denkundlichen Gesellschaft (DBG 2009)und der International Union of SoilSciences (IUSS 2009). Kleinere Flächenkönnen in die Liste der Geotope aufge-nommen und nach Naturschutzrechtgeschützt werden. Die hervorragenddokumentierten Geotope Bayerns (Bay-erisches Landesamt für Umwelt 2009b)führen mehr als 10 Objekte auf, in de-nen Paläoböden Schutzziel sind. Es wärewünschenswert, auch andere Archivbö-den zu schützen.

Böden mit Informationen zur Vor- undFrühgeschichte (Abb. 6). Die Böden imUmfeld archäologischer Fundstättenstellen in mehrfacher Hinsicht Archiveder Kulturgeschichte dar. Im unmittel-baren Bereich der Fundstellen gebendie Eingriffe in den natürlichen Boden-aufbau und Verfärbungen im BodenInformationen über die Bauweise derGebäude. Brandstellen werden durchÄnderung der Eisenoxidform nachge-wiesen. Detaillierte Informationen zudiesem Thema gibt der Beitrag von H.Nelson in diesem Band. Erhöhte Gehaltean löslichem Phosphat (Zölitz 1980, Zim-mermann 2008) oder Schwermetallen(Gerlach 2006) dienen dazu, Felder vor-geschichtlicher Bodenbewirtschaftungbzw. Bergbauflächen abzugrenzen.Chronostratigraphische Untersuchun-gen in Böden geben Hinweise auf dasAlter früher Besiedlung (Tolksdorf et al.2009). Aus dem Aufbau der Böden imUmfeld der Fundstätten können wich-tige Erkenntnisse über die bevorzugteLage von Siedlungen und die Lebens-umstände zur Zeit der historischen oderprähistorischen Eingriffe gewonnenwerden (Brandt 2007). Weitere Bei-spiele zur Bedeutung von Böden für dieArchäologie finden sich in einem The-menheft der „local land and soil news“(ELSA 2007).

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Abb. 4: Beispiele für Reliktböden: links: Pseudogley-Tschernosem mit Eiskeil, der in den krei-dezeitlichen Ton reicht, Asel bei Hildesheim, Niedersachsen, BGR 2009c; rechts: Ferrallit ausverlagertem und mit Löss gemischtem Basaltverwitterungsmaterial, Vorderer Vogelsberg beiLich, Hessen (Bilder G. Miehlich).

Abb. 5: Beispiele für Böden mit Informationen zur Landschaftsgeschichte: links: fossile Ah-Horizonte in einer Pseudogley-Vega am Niederrhein, die jeweils eine Phase stagnierenderWasserstände markieren; rechts: im Subatlantikum gebildetes, ombrogenes Hochmoor überPodsol (Wiechmann 2006, Bilder H. Wiechmann).

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Umgekehrt kann die Archäologiewertvolle Hinweise für die Bodenge-nese geben. Spek 2004 konnte den gra-vierenden Einfluss des Menschen vomNeolithikum bis zum Mittelalter auf dieBöden der Provinz Drenthe, Nieder-lande, aufzeigen. Auch die Diskussio-nen zur Genese der TschernosemeDeutschlands (Gerlach et al. 2006) ge-hört dazu.

Meines Erachtens werden derzeitdie wechselseitigen Potenziale der Zu-sammenarbeit zwischen Bodenwissen-schaften und Archäologie noch nichtausgeschöpft. Ansätze zur Verbesse-rung bieten gemeinsame Veranstaltun-gen (z.B. LVR/BVB 2006) und ein inter-disziplinärer Arbeitskreis (ArbeitskreisGeoarchäologie 2009). Wichtig sindauch angepasste bodenkundliche Lehr-angebote im Studiengang Archäologie.

Die Aufstellung eines Inventars undder Umgang mit archäologischen Fund-stellen werden von den Ämtern derBodendenkmalpflege geregelt. Nachdem Europäischen Übereinkommenzum Schutz des archäologischen Erbes(Hönes 2006) hat die Umgebung vonarchäologischen Fundstätten die glei-che Bedeutung wie die Funde selbst. Siekönnen in Grabungsschutzgebiete ein-bezogen werden.

Böden mit Zeugnissen vorindustriellerLand- und Gartenbautechniken (Abb. 7und 8). Die Techniken der Bodenbewirt-schaftung in Landwirtschaft und Gar-tenbau unterlagen einem großen Wan-del. Beispiele für historische Formensind die Heidebauernwirtschaft in densandigen Böden Nordwestdeutsch-lands, durch die, zulasten großer abge-plaggter Flächen, ertragreiche Eschbö-den geschaffen wurden, Wölbäcker ingrund- oder staunassen Böden, die einebessere Entwässerung und frühere Er-wärmung gewährleisteten, unter-schiedliche Techniken der Moorkultivie-rung, Graben und Beete der Marschen-kultivierung, Böden in Wurten, Tief-umbruch bei Neuanpflanzung von Weinoder zur Rekultivierung von Böden, tief-gründig humose Gartenböden. Bei tief-gründiger Umgestaltung werden dieBöden bodensystematisch in der KlasseTerrestrische Anthropogene Böden ge-führt: Plaggenesche, Rigosole, Horti-sole, Treposole (Ad-hoc-ArbeitsgruppeBoden 2005). Sie stellen heute wichtigeArchive der Landeskultur dar.

Als Kriterien zur Bewertung solcherBöden werden z.B. Art und Erhaltungs-grad von vorindustriellen, über den nor-malen Ackerbau hinausgehenden Ein-wirkungen genannt, die über die Para-meter Kultosol-Typ, Seltenheit, Alter,Substratabfolge, Intensität und Ausprä-

gung der Eingriffe und historischer Be-zug beschrieben werden (Freie undHansestadt Hamburg 2003). In vielenanderen Fällen werden, expertenge-stützt, Bodentypen und Arten der Über-formung ausgewählt, z.B. in Nieder-sachsen Plaggenesche, Wölbäcker, Wur-

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Abb. 6: Beispiele für Bodeninformationen zur Vor- und Frühgeschichte in Böden: links: Kol-luvisol über fossilem Podsol. Neolithische Werkzeuge an der Oberfläche des fossilen Podsolszeigen die ursprüngliche Bodenentwicklung einer Binnendüne, das im unteren Teil vermut-lich eisenzeitliche Kolluvium eine frühe Entwaldung, NSG Boberger Niederung, Hamburg,Miehlich et al. 2007 (Bild: G. Miehlich); rechts: Lage der Flächen, aus denen Böden zum Baueines slawischen Burgwalls (B) entnommen wurden (No. 1 und 2) (Parchim, Mecklenburg-Vor-pommern, Brandt 2008).

Abb. 7: Die Auswirkung der Heidebauernwirtschaft auf Böden: ein Ensemble von Archivender Kulturgeschichte (Bild G. Miehlich).

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ten, Heidepodsole, kultivierte Moore(Gunreben & Boess 2008).

Weit verbreitete Böden dieser Kate-gorie (z.B. Plaggenesche, Karte in Gun-

reben & Boess 2008) sollten an gutuntersuchten Referenzstandorten, sel-tene aber flächendeckend vor Eingriffengeschützt werden, die über eine nor-

male Land- oder Forstwirtschaft hinaus-gehen. Zu wünschen wäre die Einbezie-hung dieser Archivböden in die Arbeitvon Museen, in denen die bäuerlicheKultur einer Region Schwerpunkt ist.

Böden mit Zeugnissen der Siedlungsge-schichte, des Bergbaus und der Indus-triegeschichte (Abb. 9). Bislang wenigbeachtet werden Böden, die Informa-tionen zur jüngeren Geschichte enthal-ten. Dies scheint mir in Analogie zu denBemühungen zur Industriearchäologieund zum Denkmalschutz der jüngerenSiedlungs- und Industriegeschichte un-gerechtfertigt. Böden in Siedlungen,Altlasten oder Industrieanlagen enthal-ten eine Fülle von Informationen, die anausgewählten Beispielen schutzbedürf-tig sind. Sie zeigen Phasen der Sied-lungsentwicklung an, geben Auskunftüber den Umgang des Menschen mitAbfällen, zeigen Auswirkungen derBautätigkeit auf Böden, aber auch dieBemühungen um Rekultivierung zumBeispiel von ehemaligen Tagebauflä-chen oder von Altlasten.

Eine systematische Erfassung diesesArchivs der Kulturgeschichte bestehtnicht. Mit der Charakterisierung undKartierung urbaner Böden hat sich einArbeitskreis der Deutschen Bodenkund-lichen Gesellschaft befasst, der 1997 ei-nen Feldführer zur Kartierung heraus-gegeben hat (Büro für Bodenbewer-tung Kiel 1997). Derzeit befasst sich eineArbeitsgruppe der Deutschen Boden-kundlichen Gesellschaft (DBG 2009) mitdiesem Thema.

4 Ausblick

Es bleibt noch viel zu tun, um den Ar-chivböden die gebührende Beachtungund einen wirksamen Schutz zu sichern:� Erfassung der Archivböden und Dar-stellung in planungsrelevanten Karten.� Entwicklung von Handreichungen,die Planern den Umgang mit Archivbö-den erleichtern und deren Bedeutungdarlegen.� Erstellung von Datenbanken von Ar-chiven (auch der jüngeren) Kulturge-schichte, soweit sinnvoll, gemeinsammit der Bodendenkmalpflege undSchutz bedeutsamer Archive nachDenkmalschutzrecht. � Eintragung von regionalen Referenz-böden und Archiven der Naturge-schichte in die Liste der Geotope und

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Abb. 8: Beispiele für Böden mit Informationen zu vorindustriellen Land- und Gartenbautech-niken: links: Plaggenesch; Mitte: Pflugspuren eines Tiefpflugs; rechts: Rigosol unter Garten-bau, Vier- und Marschlande, Hamburg. Um aus einer tonreichen Kleimarsch einen für Garten-kultur geeigneten Boden zu schaffen, wurden im Verlauf von ca. 450 Jahren ca. 165.000Schubkarren Sand / ha aufgetragen und eingemischt, Miehlich 1999 (Bilder: links H. Wiech-mann, Mitte und rechts: G. Miehlich).

Abb. 9: Beispiele für Böden mit Informationen zur jüngeren Geschichte: links: Stadtboden,Hamburg; Mitte: Teeröl in einem ehemaligen Kokereigelände, Essen, Nordrhein-Westfalen;rechts: Oberflächenabdichtungssystem der Altdeponie Georgswerder, Hamburg (Bilder G.Miehlich).

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Schutz wichtiger, kleinflächiger Archiveals Naturdenkmale. � Erfassung von Archivböden in Natur-schutzgebieten.� Einrichtung und Pflege von offenenProfilgruben der Archivböden für dieAusbildung und die Öffentlichkeitsar-beit.� Aufbereitung der „Geschichten“, dieArchivböden erzählen, für die Öffent-lichkeit.

Hilfreich wäre eine Plattform, aufder die Informationen zentral gesam-melt und im Internet veröffentlichtwerden.

5 Zusammenfassung

Das Bundes-Bodenschutzgesetz schütztBöden, die wichtige Informationen zurNatur- und Kulturgeschichte enthalten.Ein Hindernis für den wirksamen Schutzist die unzureichende Erfassung von Bo-dendaten in planungsrelevanten Maß-stäben. Die Bewertung der Archivfunk-tion von Böden erfolgt in den Bundes-ländern nach unterschiedlichen Krite-rien und Parametern. Wirksam ge-schützt werden können Archive der Na-tur- und Kulturgeschichte nach Natur-schutz- und Denkmalschutzrecht. Leiderwurde bislang nur wenig Gebrauch da-von gemacht.

Es gibt unterschiedliche Formen derArchivböden: charakteristische Bödeneiner Region, naturnahe Böden, Bödenmit speziellen Informationen zur Na-tur- und Kulturgeschichte (einschließ-lich der jüngsten Geschichte). Sie erfor-dern angepasste Erfassungstechnikenund Maßnahmen für ihren wirksamenSchutz. Fortschritte zum Schutz der Ar-chivfunktion von Böden können durchdie Verbesserung der Datenlage, eineländerübergreifende Erfassung in Da-tenbanken und eine vermehrte Unter-schutzstellung als Natur- bzw. Boden-denkmal erzielt werden.

Summary

The Federal Soil Protection Law concernssoils containing important informationof nature and cultural heritage. How-ever, insufficient inventory of soils datain scales adequate for planning purposesconstitutes a significant impediment toefficient soil protection. The Federal Sta-tes in Germany use varying criteria andparameters for the assessment of archive

functions. Archives of natural and cultu-ral heritage could be effectively protect-ed under the existing nature protectionand historical monuments laws. Unfor-tunately until now these laws have onlyrarely been enforced.

There are different forms of archivesoils: soils of regional characteristics;near-natural soils; soils containing parti-cular information concerning naturaland cultural heritage (including recenthistory). They require suitable assess-ment techniques and measures directedat effective soil protection. Progressconcerning the protection of archivefunctions of soils could be achievedfrom improvement of the data base,trans-regional institution of data banksand increased protection by declarationas nature or buried cultural monu-ments.

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Miehlich – Böden als Archive der Natur- und Kulturgeschichte

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NNA-Berichte 1/2009

1 Einleitung

Laut FAO (Food and Agriculture Organi-zation of the United Nations) muss dieNahrungsproduktion bis 2030 verdop-pelt werden, um die Weltbevölkerungernähren zu können. Derzeit ist dieProduktionssteigerung in der Landwirt-schaft geringer als das Bevölkerungs-wachstum. Die Landreserven sind be-grenzt und werden zusätzlich durch denKlimawandel eingeschränkt. Es gibteine zunehmende Nachfrage nach Bio-energie und nachwachsenden Rohstof-fen. Über 50% verfügbaren Wasserswird für Bewässerung genutzt. Bei ei-nem solchen Szenario stellt sich dieFrage, wie die Landwirtschaft genugund nachhaltig qualitativ hochwertigeNahrungs- und Futtermittel produzie-ren kann.

2 GesetzlicheRahmenbedingungen

Der Boden ist Grundlage für die land-wirtschaftliche Erzeugung (Abb. 1). Ba-sis für die Nachhaltigkeit ist die Boden-fruchtbarkeit. Aspekte der Nachhaltig-keit, wenn auch nicht ausdrücklich sobenannt, sind im Bodenschutzgesetzenthalten. Hierzu zählen der Schutz dernatürlichen Bodenfunktionen und diein § 17 BBodSchG genannte gute fach-liche Praxis der landwirtschaftlichen Bo-dennutzung: Die Bodenbearbeitungsoll, in Abhängigkeit von der Witte-rung, dem Standort angepasst sein. Die Bodenstruktur ist zu erhalten oderzu verbessern. Bodenverdichtungenund Bodenabträge sind zu vermeiden.Strukturelemente der Landschaft wieHecken und Feldgehölze sind zu erhal-ten. Die biologische Aktivität des Bo-dens ist zu erhalten und zu fördern. Derstandorttypische Humusgehalt des Bo-dens ist, insbesondere durch eine aus-reichende Zufuhr an organischer Sub-stanz oder durch reduzierte Bearbei-

tungsintensität, zu erhalten (Bundes-ministerium für Ernährung, Landwirt-schaft und Forsten 1999). In den Leit-linien der ordnungsgemäßen Land-wirtschaft der LandwirtschaftskammerNiedersachsen (LandwirtschaftskammerNiedersachsen 2009) werden Empfeh-lungen zum Erhalt und zur Verbesse-rung der Bodenfruchtbarkeit und zumBodenschutz auf Grundlage der ge-nannten rechtlichen Regelungen gege-ben. Landwirte erhalten Prämien vonder Europäischen Union, wenn sie be-stimmte Umweltleistungen erfüllen.Grundlage hierfür ist die Verordnungüber die Grundsätze der Erhaltunglandwirtschaftlicher Flächen in einemguten landwirtschaftlichen und ökolo-gischen Zustand (Direktzahlungen-Ver-pflichtungenverordnung) (Bundesminis-terium für Ernährung, Landwirtschaftund Verbraucherschutz 2004). Die Bau-ern haben neben den gesetzlichen Vor-gaben ein Eigeninteresse, im Sinne desBodenschutzes zu handeln: Aus kurz-fristigem Interesse, z.B. um Kosten fürDüngung und Diesel zu sparen. Mittel-und langfristig liegt ihnen die Boden-fruchtbarkeit am Herzen. Wenn die Bo-denfruchtbarkeit abnimmt, steigt dasRisiko für Missernten und abnehmendeErträge.

3 LandwirtschaftlicheNutzungsgeschichte

Im Mittelalter gab es die Dreifelder-wirtschaft. Sie bestand aus einer Winte-rung, einer Sommerung, und dannfolgte als Bodenruhe die Brache. DieFläche wurde durch den Viehtrieb undPlaggenwirtschaft gedüngt. Auf denarmen Sanden Nordwesttdeutschlandswurde die Bodenfruchtbarkeit dermeist ortsnahen Flächen durch Plaggen-wirtschaft verbessert. Plaggenwirt-schaft heißt, dass das Heidekraut samtder obersten Humusschicht und derOberboden von Wiesen abgeschält, als

Einstreu genutzt und auf die Ackerflä-chen als Dünger aufgebracht wurde. Esentstanden heute noch in Siedlungs-nähe erhaltene, bis einen Meter mäch-tige, humose und nährstoffreiche Esch-böden. Abgeplaggte Standorte dage-gen verarmten. Mit der Brache wurdeversucht, die Bodenfruchtbarkeit wie-der aufzubauen. In Osteuropa werdenheute noch Flächen brach liegen gelas-sen. In Niedersachsen waren in der jün-geren Vergangenheit Brachflächen vorallem Stilllegungsflächen im Rahmender Förderung durch die EuropäischeUnion. Nach Abschaffung der Förde-rung für Stilllegungsflächen werdenwieder vermehrt Flächen für den Acker-bau nutzbar gemacht. Landwirtschaft-liche Fläche in Deutschland ist zwischen-zeitlich knapp geworden. Flächen wer-den für andere Nutzungen, wie Woh-nungsbau, Gewerbe, Rohstoffgewin-nung, Wasser- und Naturschutz, in An-spruch genommen. Auch die Nutzungs-ansprüche in der Landwirtschaft verän-dern sich. Wo die Anzahl der Biogas-anlagen zunimmt, steigen meist auchdie Pachtpreise, da die Nachfrage nachFläche groß ist.

Böden nachhaltig nutzen –Landwirtschaft und Bodenschutzvon Marion Senger

Schlüsselwörter: Landwirtschaft, Bodenschutz, Nachhaltigkeit, KonservierendeLandwirtschaft, Zwischenfrüchte, Bodenstruktur Keywords: agriculture, soil protection, sustainability, conservation agriculture,cover crops, soil structure

Abb.1: Bodenseminar mit Landwirten (Bild: M. Senger / LWK, Hannover).

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4 FAO-Konzept zur Nachhaltig-keit – Conservation Agriculture

Die FAO (Friedrich 2009) hat ein Kon-zept entwickelt, den Boden nachhaltigzu nutzen. Es trägt den Namen Conser-vation Agriculture (CA) und wird über-setzt mit Konservierende Landwirt-schaft. Ziel ist die nachhaltige Ernäh-rung der Weltbevölkerung und dieSchonung von Ressourcen. Diese Art derLandwirtschaft beruht auf drei Grund-prinzipien: � Ständige Bodenbedeckung,� wenig Bodenstörung (dauerhafteNullbodenbearbeitung) und � vielseitige Fruchtfolge und Anbauvon Leguminosen.

Ziel ist es, organische Masse aufzu-bauen und organische Substanz im Bo-den zu speichern. Das Bodenleben wirdgefördert, die Bodenstruktur kann sichverbessern, der Boden ist weniger ero-sions- und verdichtungsanfällig. Er kannmehr Wasser aufnehmen und einengrößeren Teil pflanzenverfügbar spei-chern. Das Grundwasser und damit dasWasser in den Flüssen wird sauberer.Der Boden braucht Zeit, etwa 5 Jahre,um sich von intensiver Bearbeitung zuBearbeitung mit wenig Störung umzu-stellen. Gründünger oder Ernterück-stände werden nicht, wie in konventio-neller Landwirtschaft, eingearbeitet,sondern verbleiben an der Bodenober-fläche. Neben dem Schutz vor Boden-erosion und Wasserverlust durch Ober-flächenabfluss und Verdunstung verhin-dert eine Bodenbedeckung auch dieKeimung von Unkrautsamen und för-dert das Bodenleben. Durch die Förde-rung der Bodenfruchtbarkeit können,neben der Verminderung der Auswa-schung und Abschwemmung, Dünger

und Pflanzenschutzmittel eingespartwerden.

Die Schlüsseltechnologie bei derKonservierenden Landwirtschaft ist dieDirektsaat (Abb. 2) mit minimaler Bo-denbewegung (unsichtbare Saat); dasbedeutet, dass weniger Unkraut auftrittund mehr Feuchtigkeit im Boden gehal-ten werden kann. Selbst bei trockenenVerhältnissen ist eine Keimung des Saat-guts möglich.

Eine weitere Schlüsseltechnologieist die Messerwalze (Abb. 3) zum Ma-nagement von Gründüngung und Un-kraut. Durch den Einsatz der Messer-walze ist eine Reduzierung von Pflan-zenschutzmittel möglich.

Die Anlage von dauerhaften Fahr-gassen zählt ebenfalls zu den Schlüssel-

technologien nachhaltiger Bodenbe-wirtschaftung. Viele Bauern nutzenheute schon ein GPS-gesteuertes Paral-lelfahrsystem zum Wiederfinden ihrerFahrgassen.

Die Vorteile der Direktsaat für denBoden sind:� Der Aufbau von ca. 1 mm Boden proJahr, � ein Anstieg organischer Substanz umca. 0.1–0.2% pro Jahr bis zum Erreicheneines Gleichgewichtes, � Aufbau verschiedener Wurzelsys-teme für bessere Nährstoffeffizienz, � eine stabilere Bodenstruktur, � Erosion und Degradation wird ge-stoppt

Die Konservierende Landwirtschaftbewirkt eine Erhöhung der Grund-wasserspende durch permanente Ma-kroporenstruktur, bessere Wasserqua-lität durch weniger Nährstoffaus-waschung, mehr pflanzenverfügbaresWasser, weniger Verluste durch vermin-derte Evaporation sowie bessere Was-sereffizienz durch einen verringertenBedarf von bis zu 30%. Die Konservie-rende Landwirtschaft leistet einenBeitrag zum Schutz des Klimas durchEmissionsreduzierung (Treibstoff, N2O,CH4), durch Kohlenstoffbindung von biszu 0,2 t pro Hektar und Jahr, bewirkteine erhöhte Trockentoleranz und hoheInfiltration der Niederschläge (wenigerÜberflutung durch verbesserte Wasser-

Senger – Böden nachhaltig nutzen – Landwirtschaft und Bodenschutz

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Abb. 2: Direktsämaschine im Einsatz (Bild: Friedrich / FAO).

Abb. 3: Messerwalze zum Management derGründüngung (Bild: Friedrich / FAO).

Abb. 4: Verbreitung der Conservation Agriculture (Derpsch & Friedrich 2009).

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aufnahme). Die genannten Werte sindAngaben der FAO (Friedrich 2009) undkönnen je nach Standort und Bewirt-schaftung schwanken.

Weltweit (vgl. Abb. 4) wird dieKonservierende Landwirtschaft auf106 Millionen Hektar durchgeführt(Derpsch & Friedrich 2009).

Für die Bauern, so die FAO, hat dieConservation Agriculture eine Reihevon Vorteilen:� Ca. 50% weniger Maschinenkapital(Traktoren) sind notwendig.� Die Traktoren können die 3-facheLebensdauer erreichen.� 40% kleinere Traktoren könnten ein-gesetzt werden.� 50% Arbeitseinsparung und 70%Kraftstoffersparnis sowie 20% wenigerPflanzenschutz und je nach Kulturart biszu 50% weniger Dünger sind möglich,wie z.B. in Brasilien Ende der 90er Jahredes letzten Jahrhunderts festgestelltworden ist (Friedrich 2009).

Weitere Vorteile sind mehr Zeit fürandere Tätigkeiten und Erholung(Abb. 5), höheres Einkommen und we-niger Stress. Vorteile für Gemeindensind weniger Umweltverschmutzung,geringere Wasseraufbereitungskosten,gleichmäßigere Wasserstände (Flüsse),geringere Reparaturkosten für Ver-kehrswege (Wasser/Land). Globale Vor-teile sind Erhaltung der Wasserressour-cen, der Bodenressourcen, vermehrteBiodiversität und Klimaschutz.

Der Anteil an Konservierender Land-wirtschaft ist in Deutschland gering.Genaue Zahlen liegen derzeit nicht vor. Vorreiter in Europa sind neben ost-europäischen Ländern Spanien mit650.000 ha unter Acker, Frankreich mit200.000 ha und Finnland mit 200.000 ha(Derpsch & Friedrich 2009). In derSchweiz gibt es, im Vergleich zur Euro-

päischen Union, hohe Umweltauflagenfür Bauern. Dort wird die Direktsaatsehr stark gefördert. Die Betriebe inDeutschland, die Mulch- und/oder Di-rektsaat durchführen, nehmen nachOsten hin zu. Auch im Rest von Deutsch-land wird mittelfristig die Mulchsaataufgrund der immer größer werdendenBetriebe zunehmen. Am weitesten ver-breitet ist derzeit ein Wechsel von Pflugund Mulchsaat in der Fruchtfolge. NachRaps oder Zuckerrüben und Kartoffelnwird meist nicht mehr gepflügt. Verein-zelt wird Wintergetreide nach Rapsauch direkt ohne jegliche Bodenbear-beitung ausgesät. Zu Stoppelweizen(Winterweizen nach Winterweizen)oder zu Wintergerste, zu Zuckerrübenund zu Kartoffeln wird meist gepflügt.

5 Weitere Möglichkeiten zurBodenverbesserung

Neben der Veränderung der Nutzungs-intensität gibt es noch weitere Möglich-keiten, die Bodenfruchtbarkeit zu ver-bessern, ähnlich den Bestrebungen un-serer Vorfahren im Mittelalter, durchPlaggenwirtschaft die Fruchtbarkeit derBöden zu erhöhen. Im Amazonasgebietentdeckte man Böden, die der Bayreu-ther Bodenkundler PD Dr. Bruno Glasernäher untersuchte (Marché 2008). DieseBöden, Terra Preta (schwarze Erde) ge-nannt, wiesen einen 2,5-fach höherenKohlenstoffgehalt als andere Bödenauf. Hierdurch ist der Boden in der Lage,mehr Wasser und mehr Nährstoffe zu

speichern. Die Idee in heutiger Zeit ist,mit verschiedenen technischen Verfah-ren aus Reststoffen Kohlenstoff zu er-zeugen und in den Boden einzubringen.Hierdurch wird Kohlenstoff im Bodenangereichert und der Boden wird zurKohlenstoffsenke im Sinne des Klima-schutzes. International ist dieser Koh-lenstoff unter „Biochar“ ein Begriff. DieAnwendung von Biochar in der Land-wirtschaft wird derzeit in Deutschlandgeprüft.

Der im Boden gespeicherte Kohlen-stoff und damit der Humus sowie dasBodenleben haben für die Bodenfrucht-barkeit eine große Bedeutung. FürManoel Henrique Pereira, der seit 1976kontinuierliche Direktsaat in Paraná(Brasilien) anwendet, ist „die organi-sche Substanz … die Göttin unserer Bö-den“ (Derpsch 2007). Aus Bodenkunde-büchern ist vielleicht noch die Darstel-lung über die Zusammensetzung desBodens (Schroeder 1992) bekannt. Nachdieser Darstellung enthält der Boden45% mineralische Substanz, 25% Luft,23% Wasser und 7% organische Sub-stanz im Oberboden von Grünland. Dieorganische Substanz enthält 85% Hu-mus, 10% Wurzeln und 5% Bodenfloraund Bodenfauna (Edaphon). Das Eda-phon besteht aus 40% Bakterien undActinomyceten, 40% Pilzen und Algen,12% Regenwürmern, 5% übriger Ma-krofauna sowie 3% übriger Mikro- undMesofauna. Oberirdisch leben vom Graseines Hektars Dauerweide zwei Kühemit einem Lebendgewicht von 1000 kg.

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Abb. 6: Aussaat von Winterweizen in die Zwischenfrucht (Bild: B. Fromme, Scheppau).

Abb. 5: Mehr Zeit für die Familie (Bild: Friedrich / FAO).

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Unterirdisch ernährt dieses Stück Landdie doppelte Biomasse an Regenwür-mern (Vetter 2003). Insgesamt bestehtder Boden aus 60.000 kg Kohlenstoffpro Hektar aus Humus. Durch Boden-leben und Wurzeln entsteht bei Ver-zicht auf wendende Bodenbearbeitung(Pflug) ein ausgeprägtes Röhrensystem(Schmidt 2007). Durch dieses gut ausge-bildete Röhrensystem ist der Boden inder Lage, mehr Wasser aufzunehmen.Folgende Werte wurden bei Messungenim sächsischen Lösshügelland ermittelt:Die Infiltrationsrate nach 38 mm Nieder-schlag in 20 Minuten beträgt bei der ge-pflügten Fläche 55% des Niederschla-ges und bei der langjährig konservie-rend bearbeiteten Fläche 93%. Fastdoppelt so viel Wasser kann ein Bodenmit dauerhafter konservierender Bo-dennutzung aufnehmen. Dementspre-chend niedrig ist der Bodenabtrag mit36g/m2 und die Verminderung des P-Austrages mit 90% sehr hoch. Dagegenbeträgt der Bodenabtrag beim Pflug246g/m2 (Schmidt 2007).

Durch Ernterückstände, d.h. denVerbleib von Stroh auf dem Feld, undAufbringen von organischem Düngerkann Humus im Boden aufgebautwerden. Die Humusreproduktionsleis-tung dieser Stoffe ist unterschiedlichund wurde in Dauerfeldversuchen (Kör-schens et al. 2004) ermittelt. Die höchsteHumusreproduktionsleistung erbringtStroh, dann folgt Fertigkompost. Gär-rückstände aus Biogasanlagen habeneine sehr geringe Humusreproduktions-leistung.

Der Anbau von Zwischenfrüchten istvorteilhaft für die Verminderung derNährstoffauswaschung, als Nahrungs-quelle für das Bodenleben und als Bo-denbedeckung zum Schutz des Bodenszur Verbesserung der Bodenstruktur.Zwischenfrüchte erweitern die Frucht-folge im Ackerbau und können so dieAnfälligkeit der Hauptfrüchte gegenKrankheiten vermindern. Sie liefernNährstoffe für die nachfolgende Frucht,wodurch Dünger eingespart werdenkann. Zwischenfrüchte können als Win-terzwischenfrüchte angebaut werden.Aber auch der Anbau nach und vor demnächsten Wintergetreide ist möglich.Die Aussaat erfolgt gleich nach derErnte eines Wintergetreides im Juli oderAugust. Die Aussaat des folgenden Win-terweizens kann dann ab Ende Septem-ber erfolgen (Abb. 6). Vorteilhaft sind

acht Wochen Wachstumszeit zur Ent-wicklung der Zwischenfrucht. In diesemZeitraum beginnt z. B. die Ackerbohnezu blühen und hinterlässt für die nach-folgende Frucht eine gut ausgebildeteBodenstruktur und mindestens 50 kgStickstoff/ha sowie Nahrung für dasBodenleben.

Die Wasserbeständigkeit des Boden-gefüges wird durch den Anbau be-stimmter Feldfrüchte beeinflusst. BeimAnbau von Klee-Gras erreicht man 70%Wasserbeständigkeit, bei Raps 40%, beiGetreide 17,5% und bei Hackfrüchten12,5% (Sekera & Magereth 1984). DieWasserbeständigkeit, auch Aggregat-stabilität genannt, wird auch durch dieIntensität der Bodenbearbeitung beein-flusst. Nach vier Jahren unterschied-licher Bearbeitung sind in einer Tiefevon 0 bis 10 cm die Unterschiede zwi-schen Pflug, Grubber und Direktsaatsehr deutlich. Die Direktsaat weist diehöchste Stabilität auf, gefolgt vonGrubber, beim Pflugeinsatz ist die Stabi-lität am geringsten. In 20 bis 30 cm Tiefesind die Unterschiede nicht so deutlich,aber vorhanden (Derpsch 2007).

Die Bodenstruktur ist ein wichtigesKriterium, um festzustellen, ob sich derBoden in einem guten Zustand be-findet. Die Untersuchung der Boden-struktur ist ein wichtiges Instrument der Beratung (vgl. Abb. 7). Verschie-dene Bodenkennwerte werden nachder Ansprache der Gefügestruktur (Bay-rische Landesanstalt für Landwirtschaft,Sächsische Landesanstalt für Landwirt-schaft 2007) zugrunde gelegt: Beschaf-fenheit der Bodenoberfläche, Gefüge-

form von Krume und Unterboden,Durchwurzelung, Farbe und Geruch(Durchlüftung), Ernterückstände, dienach dem Pflügen nicht verrottet sind,Röhren und Klüfte durch Wurzeln,Regenwürmer und andere Bodentieresowie Übergänge z.B. von Oberbodenzu Unterkrume, um Verdichtungen zuerkennen.

Die Bewertung der Bodenstrukturdient der Beurteilung der Qualität derBodenbearbeitung und von Verrot-tungsprozessen. Es können Maßnah-men wie Kalkung, Gründüngung, opti-male Bearbeitungstiefe sowie Locke-rung bei Verdichtung daraus abgeleitetwerden. Die Bodenbedeckung und dieQualität der Bodenbearbeitung kannzusätzlich mit dem Bodenbedeckungs-fächer abgeschätzt werden (Brunotte2007).

6 Zusammenfassung

Unabhängig von der Intensität der Bo-dennutzung kann die Bodenfruchtbar-keit erhalten und gefördert werden.Voraussetzung hierfür ist eine ausrei-chende Kalkung. Dem Boden sollteorganische Masse durch Erntereste,Gründüngung oder organische Dün-gung zugeführt werden. Der Bodensollte möglichst lange bedeckt sein undwenig durch Bodenbearbeitung gestörtwerden bzw. nach der Bearbeitungmöglichst lange ruhen. Empfehlenswertist der Wechsel der Fruchtarten. Durchsorgsamen Umgang mit dem Boden isteine nachhaltige Nutzung in der Land-wirtschaft im Sinne des Bodenschutzes

Senger – Böden nachhaltig nutzen – Landwirtschaft und Bodenschutz

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Abb. 7: Spatendiagnose zur Bewertung der Bodenstruktur (Bild: M. Senger, LKW Hannover).

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möglich und liegt im Eigeninteresse derLandwirtschaft, da der Boden das wich-tigste Kapital darstellt.

Summary

Despite the kind of using the soil, tillageor no tillage, there are many options toachieve and to enhance the soil fertility.Essential for sustainable soil fertility isliming, supply of organic matter e.g.straw, green manures, manures, soil co-ver, minimum soil disturbance or soilrest and crop rotation. With carefulhandling of the soil the use by agricul-ture can be sustainable in terms of soilprotection. This is in the own interest ofagriculture because soil is the most im-portant capital.

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Anschrift der Verfasserin:

Marion SengerLandwirtschaftskammer NiedersachsenFachbereich PflanzenbauSachbereichsleiterin BodenJohannssenstr. 1030159 [email protected]

Senger – Böden nachhaltig nutzen – Landwirtschaft und Bodenschutz

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NNA-Berichte 1/2009

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1 Einleitung

Organische Böden, d.h. Böden mit ei-nem hohen Anteil an organischer Sub-stanz, entstehen, wenn aufgrund vonWasserüberschuss die auf ihnen wach-senden Pflanzen nach dem Absterbennur unvollständig abgebaut werden.Der Wasserüberschuss ist entwedertopographisch, durch Zufluss aus grö-ßeren Einzugsgebieten wie bei denNiedermooren, oder klimatisch, durcherhöhte Niederschläge wie in Hoch-mooren, bedingt. Im Laufe der Jahr-hunderte und Jahrtausende haben sichbis zu mehrere Meter mächtige Schich-ten organischer Substanz aufgebaut.Der in den organischen Böden gespei-cherte Kohlenstoff ist der Atmosphäreals Kohlendioxid (CO2) entzogen wor-den. Die Nutzung der organischen Bö-den beginnt in der Regel mit einer Ent-wässerung. Hierdurch werden die Be-dingungen aufgehoben, die zur Konser-vierung der organischen Substanz bei-getragen haben. Der Kohlenstoff wirdwieder als CO2 an die Atmosphäre ab-gegeben. Dieser Prozess ist der anthro-pogenen Beeinflussung des Treibhaus-potenzials der Erde zuzuordnen.

Wenngleich bezüglich der Beeinflus-sung des Weltklimas durch die Mensch-heit noch viele Fragen offen sind, istdoch unstrittig, dass die mittlere CO2-Konzentration der Erdatmosphäre seitBeginn der Industrialisierung um über30% angestiegen ist (von ca. 280 auf379 ppm) und dass die Erde aktuell diehöchste globale Lufttemperatur an derErdoberfläche seit Beginn der Tempera-turaufzeichnung (1850) aufweist (Fors-ter et al. 2007, Trenberth et al. 2007).Aufgrund seiner Konzentration ist CO2

mit Abstand das wichtigste Treibhausgasund Veränderungen beeinflussen starkdas Klima der Erde (Forster et al. 2007).

In Deutschland werden jährlich1,05 Mrd. t CO2 freigesetzt (Abb. 1).

Hauptquelle ist die Energiegewinnungaus fossilen Energieträgern (81,5%), ge-folgt von Industrieprozessen (10,8%).Der Sektor Landwirtschaft, v.a. die Me-thanfreisetzung durch Wiederkäuer so-wie die N2O-Freisetzung aufgrund derStickstoffdüngung der Böden, nehmeneinen Anteil von ca. 6,3% ein. Der Sek-tor Landnutzung, Landnutzungsände-rung und Forstwirtschaft verhält sichinsgesamt klimaneutral. Nimmt manallerdings die Forstwirtschaft, die ak-tuell aufgrund von Netto-Biomassezu-wächsen in den deutschen Wäldern eineNettosenke für Kohlendioxid darstellt,aus diesem Sektor heraus, machen dieübrigen CO2-Quellen aus diesem Be-reich einen Anteil von 3,9% an den Ge-samtemissionen Deutschlands aus (Um-weltbundesamt 2006). Diese Emissionensind vor allem auf die landwirtschaft-liche Nutzung der organischen Bödenund zu einem kleineren Anteil auf den Grünlandumbruch auf Mineralbö-

den zurückzuführen. Beide Prozesseführen zu erheblichen Kohlendioxid-freisetzungen.

Außerhalb des Sektors „Energie“gehört die landwirtschaftliche Nutzungorganischer Böden zu den wichtigstenQuellen von Treibhausgasen. Den in denorganischen Böden gespeicherten C-Vorräten und den Treibhausgasflüssenauf diesen Standorten sollte daher be-sondere Aufmerksamkeit gewidmetwerden.

2 Regelungen zum Schutz derorganischen Substanz

In verschiedenen gesetzlichen Regelun-gen werden die organische Substanz imBoden, aber auch Standorte mit erhöh-ten Gehalten an organischer Substanzunter Schutz gestellt.

Im Bundesbodenschutzgesetz (BBod-SchG 1998) § 17 sind Anforderungen andie gute fachliche Praxis der landwirt-schaftlichen Bodennutzung definiert.Danach ist die Bodennutzung so zu ge-stalten, dass der „standorttypische“ Hu-musgehalt erhalten bleibt. Als Maßnah-men werden eine ausreichende Zufuhran organischer Substanz (eine Maß-nahme, die für organische Böden nichtrelevant ist) sowie eine Reduzierung der Bearbeitungsintensität explizit be-nannt.

Auch im Bundesnaturschutzgesetz(BNatSchG 2002) § 5 werden Grundsätze

Die Rolle von organischen Böden als Kohlenstoffspeichervon Heinrich Höper

Schlüsselwörter: Kohlendioxid, Moore, Klimaveränderungen, Landnutzung,Landnutzungsänderung, Landwirtschaft, KohlenstoffsenkeKeywords: carbon dioxide, peatlands, climate change, land use, land use change,agriculture, carbon sink

Abb.1: Treibhausgasemissionen in Deutschland nach Sektoren (links) und Treibhausgasemis-sionen für die Sektoren 4 (Landwirtschaft) und 5 (LULUCF) nach Gruppen von Emissions-quellen (rechts) aus dem Nationalen Treibhausinventarbericht 2008 (Umweltbundesamt 2008,modifiziert).(Die Ziffern beziehen sich auf die Sektoren im Inventarbericht, LULUCF = land use, land usechange, forestry; Landnutzung, Landnutzungsänderung, Forstwirtschaft; Forstwirtschaft, im Bericht 2008 als Senke für Treibhausgase von –79 Mt ausgewiesen, wurdehier nicht berücksichtigt.)

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der guten fachlichen Praxis in der Land-wirtschaft aufgeführt, die die Nutzungder organischen Böden betreffen. Hier-nach hat die Bewirtschaftung standort-angepasst zu erfolgen, um eine lang-fristige Nutzbarkeit zu gewährleisten.Auf Standorten mit hohem Grundwas-serstand sowie auf Moorstandorten istder Grünlandumbruch zu unterlassen.

Internationale Abkommen zum Kli-maschutz sind zwar nicht für den ein-zelnen Bürger verpflichtend, sind abervon der Bundesrepublik Deutschlandeinzuhalten und umzusetzen. Nachdem Kyotoprotokoll und einem deut-schen Gesetz zu seiner Umsetzung (Ky-otoprotokoll 2002) sowie nach einerEntscheidung des Europäischen Parla-ments und des Europarats (EG 2004)muss die Bundesrepublik Deutschlandjährlich einen Bericht zu Quellen undSenken von Treibhausgasen, u.a. für die Sektoren „Landwirtschaft“ sowie„Landnutzung, Landnutzungsänderungund Forstwirtschaft“ erstellen. Generellist Deutschland verpflichtet, alle Treib-hausgasemissionen zu vermindern.

3 C-Vorräte in organischen Böden

Die C-Vorräte in organischen Böden sinddeutlich höher als in Mineralböden. Be-zogen auf eine Tiefe von 0,5 m, weisenHoch- und Niedermoore im Mittel C-Vorräte zwischen 400 und 600 t/ha auf(Abb. 2). Bei Gesamtmächtigkeiten vonmehreren Metern können Moore Ge-samtvorräte von über 1.500 t/ha errei-

chen. Auch Moormarschen, Moorgleyeund Gley-Podsole unter Grünlandnut-zung können C-Vorräte über 300 t C/haenthalten. Dagegen weisen Mineralbö-den unter Ackernutzung C-Vorräte von60 bis 120 t/ha und unter Grünlandnut-zung von ca. 80 bis 150 t/ha bis in 0,5 mTiefe auf. Diese Funktion der organi-schen Böden als Kohlenstoffspeicher istin der deutschen Gesetzgebung zwarnicht expressis verbis unter Schutz ge-stellt, lässt sich aber dem Schutz dernatürlichen Bodenfunktionen, v.a. derdes Bodens als „Bestandteil des Natur-haushalts, insbesondere mit seinen […] Nährstoffkreisläufen“, zuordnen(BBodSchG 1998).

4 C-Flüsse in organischen Böden

4.1 C-Akkumulation in natürlichenMooren

Die Kohlenstoffakkumulation in natür-lichen Mooren ist eine Größe, die sichaus der Differenz von Kohlenstoffein-trägen in das System Boden-Pflanze undKohlenstoffausträgen aus dem Systemheraus ergibt. Kohlenstoffeinträge er-folgen in Form von Kohlendioxid überdie Photosynthese, es bildet sich ober-und unterirdische Pflanzenmasse, dieBruttoprimärproduktion. Über die Öko-systemrespiration, die sich aus der Wur-zelatmung (autotrophe Respiration)und der Torfmineralisation (heterotro-phe Respiration) zusammensetzt, wirdwieder Kohlendioxid an die Atmo-sphäre abgegeben. Aus der Differenzvon Bruttoprimärproduktion und Öko-systemrespiration ergibt sich der Netto-ökosystemaustausch für Kohlendioxid.In Form von gelöstem organischen Koh-lenstoff (DOC) und von Methan wirdweiterer Kohlenstoff aus dem Systemausgetragen. Erst der verbleibende Restergibt die Netto-Kohlenstoffakkumula-tion im Torf.

Roulet et al. (2007) haben eine Koh-lenstoff-Bilanz für ein natürliches kana-disches Hochmoor als Mittelwert über 6Jahre aufgestellt. Dabei betrug der Net-toökosystemaustausch für CO2 40,2gC/m2/a, ein Wert, der einen Anteil vonetwa 10% an der Bruttoprimärpro-duktion ausmacht (Francez & Vasander1995). Hierauf sind C-Verluste von 14,9g

Höper – Die Rolle von organischen Böden als Kohlenstoffspeicher

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Abb. 2: C-Vorräte in niedersächsischen Böden nach Hauptbodentyp. Auswertung aus derNIBIS-Datenbank. Mittelwerte und Standardabweichung der log-transformierten Werte.

Abb. 3: Kohlenstoffflüsse in natürlichen Mooren.

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C/m2/a als ausgetragener gelöster Koh-lenstoff (DOC) und von 3,7g C/m2/a alsMethan anzurechnen, so dass netto21,5g C/m2/a im Torf akkumuliert wird.Bei einer angenommenen Trocken-dichte von 80 g/l entspricht dieses einemTorfwachstum von 0,5 mm/a.

Aus dem Profilaufbau von Moorenund Altersdatierung in definiertenSchichttiefen haben verschiedene Au-toren die mittleren Langzeitraten der Kohlenstoffakkumulation über die8.000 bis 11.000 Jahre seit der letztenEiszeit rekonstruieren können. So er-mittelten Borren et al. (2004) für einwestsibirisches Hoch- und Flusstalnie-dermoor mittlere C-Akkumulationsra-ten von 40 g/m2/a über die letzten 6.000Jahre. Mäkilä (1997) hat für ein finni-sches Hochmoor eine mittlere C-Akku-mulationsrate von 23 g/m2/a gefunden.In den letzten 1.500 Jahren beobachteteer mit ca. 27g C/m2/a etwas höhereWerte als im Mittel des gesamten Zeit-raums.

Höper (2007) kommt in einer Litera-turauswertung von Publikationen ausdem mitteleuropäischen Raum zu lang-fristigen mittleren C-Akkumulationsra-ten auf Hochmooren von 28g C/m2/aund auf Niedermooren von 22g C/m2/a,basierend auf Altersdatierungen. Beiaktuellen Direktmessungen des Netto-ökosystemaustauschs für Kohlendioxidwerden z.T. deutlich höhere Werte,

über 200g C/m2/a, beobachtet (z.B.Drösler 2005). In besonderen Situatio-nen, z.B. bei Wiedervernässung nachAbtorfung oder in Kesselmooren, kön-nen höhere Akkumulationsraten mög-lich sein, jedoch ist anzunehmen, dasssolche Raten nicht langfristig, d.h. überJahrhunderte, aufrechterhalten wer-den können.

Es ist auf jeden Fall zu berücksichti-gen, dass die Bruttoprimärproduktioneine absolute Grenze für die C-Akku-mulation darstellt und dass nur ein Teildieses über die Pflanze aufgenomme-nen Kohlendioxids auch tatsächlich imTorf gespeichert werden kann. Zu-sammenfassend zeigt sich, dass wach-sende Moore zwar in geringen Raten,aber über lange Zeiträume Kohlendio-xid aus der Atmosphäre binden unddauerhaft festlegen können.

4.2 C-Freisetzung aus land- und forst-wirtschaftlich genutzten Mooren

Durch die Entwässerung der Moorekommt es zu Torfmineralisation und zurFreisetzung von Kohlendioxid. Dabeiverhalten sich Niedermoor- und Hoch-moorstandorte etwa gleich. Schon bei geringfügigen Absenkungen desGrundwasserspiegels um wenige Dezi-meter wandeln sich die Standorte von C-Senken zu C-Quellen um, d.h. es wirdnetto Kohlendioxid freigesetzt (Abb. 5).Etwa bei einem mittleren Grundwasser-stand im Sommerhalbjahr von 60–80 cmunter Flur werden auf Moorgrünlandannähernd maximale Freisetzungsratenvon 400–600g C/m2/a erreicht. Infolgezunehmender Trockenheit in den obe-ren Bodenschichten, die sich ebenfallshemmend auf den mikrobiellen Torfab-

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Abb. 4: C-Flüsse (g C/m2/Jahr) und C-Vorratsänderung in einem kanadischen Hochmoor (nachRoulet et al. 2007). Vorzeichenkonvention: negative Vorzeichen bedeuten Reduktion des Gas-gehaltes der Atmosphäre (Senkenfunktion für atmosphärisches Treibhausgas).

Abb. 5: Kohlendioxidfestlegung bzw. -freisetzung (Netto-Ökosystemaustausch) von Moor-grünland oder ungenutzten Mooren in Abhängigkeit des mittleren Grundwasserstandes imSommerhalbjahr bzw. ganzjährig (Mundel 1976). Hochmoore (Drösler 2005: braun, eigeneUntersuchungen: beige), Niedermoore (Mundel 1976: dunkelgrün, eigene Untersuchungen:hellgrün).

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bau auswirkt, nimmt die CO2-Freiset-zung bei weiterer Grundwasserabsen-kung nicht weiter zu.

In einer Literaturauswertung hatHöper (2007) die CO2-Emissionen fürmitteleuropäische Hoch- und Nieder-moore bei unterschiedlicher Moornut-zung zusammengetragen. In Abb. 6werden diese Ergebnisse einer europa-weiten Studie von Byrne et al. (2004)gegenübergestellt.

Für landwirtschaftlich genutzteHochmoore ergeben sich C-Emissionsra-ten zwischen 240 und 440g C/m2/a, wo-bei ackerbaulich genutzte Moore nurunwesentlich mehr CO2 freisetzen alsHochmoorgrünland. Allerdings ist hierzu berücksichtigen, dass es erst in letz-ter Zeit zunehmend mehr ackerbaulichgenutzte Hochmoorstandorte gibt unddass nur wenige Daten hierzu vorliegen.Die Beobachtung, dass auch unge-nutzte, aber entwässerte Hochmoorerelativ viel CO2 freisetzen, ist auf die Tat-sache zurückzuführen, dass auf denrelativ nassen Standorten bereits ge-ringere Grundwasserabsenkungen zudeutlich steigenden CO2-Emissionenführen (vgl. Abb. 5).

In einem forstwirtschaftlich genutz-ten Hochmoor unter Nadelwald wurdensehr geringe C-Verluste von 130gC/m2/a ermittelt (Höper 2007). Die hoheEvapotranspiration und Interzeptiondes Nadelwaldes hat hier offensichtlich

zu einer starken Austrocknung undSchrumpfung der Torfe geführt, wo-durch die Torfmineralisation gehemmtwurde. Der Standort weist sehr geringeAschegehalte auf, auch dies ist ein Hin-weis auf die geringe Torfmineralisation.Außerdem bildet sich unter Nadelwaldeine Schicht von Auflagehumus aus, diefür ca. 30 bis 50 Jahre Kohlenstoff auf-nehmen kann. Aus ökologischer Sicht istdie forstwirtschaftliche Nutzung derHochmoore aber nicht zu empfehlen,da die Schrumpfung der Torfe weitge-hend irreversibel ist und eine spätereRegeneration des Standortes zu einemwachsenden Hochmoor erschwert wird.

In den entwässerten Niedermoorenwerden ebenfalls C-Verluste von gut400g C/m2/a bei extensiv oder intensivgenutzten Grünland-Standorten beob-achtet. Für ackerbaulich und forstwirt-schaftlich genutzte Niedermoore unter-schieden sich die Ergebnisse der beidenStudien von Höper (2007) und Byrne etal. (2004). Für Niedermooracker ermit-telt Höper (2007) C-Emissionsraten vonüber 1.100 g C/m2/a, während Byrne et al. (2004) auf 409 g C/m2/a kommen.In die Studie von Byrne et al. (2004)gehen allerdings auch Ergebnisse bore-aler Moore, vorwiegend aus Finnland,stark ein, die aufgrund kürzerer Vege-tationsperioden und längerer, kältererWinter geringere C-Freisetzungsratenaufweisen dürften als mitteleuropäi-

sche Moore. Bei den Forststandorten,bei denen es sich um aufgeforstete, d.h.nicht natürlicherweise mit Erlen oderWeiden bestockte Standorte handelt, istes ähnlich. Byrne et al. (2004) verwendenüberwiegend die Ergebnisse von Stu-dien aus dem borealen Klimaraum(Finnland). Höper (2007) hat zu forstlichgenutzten Niedermooren keine Studienaus dem gemäßigten Klimaraum vor-liegen, sondern überträgt die Ergeb-nisse von Grünlandstandorten auf dieForsten.

Saisonal sind die höchsten Kohlen-dioxidfreisetzungen in den Sommermo-naten zu verzeichnen, wenn die Was-serstände niedrig sind und die hoheTemperatur die mikrobielle Aktivität inden gut durchlüfteten Torfen fördert.Vernässungsmaßnahmen mit hohenWasserständen in den Wintermonatenund Absenkung der Wasserstände inden Sommermonaten, um eine Schnitt-oder Weidenutzung zu ermöglichen,können daher nur begrenzt zu einer Re-duzierung der Kohlendioxidemissionenbeitragen.

5 Ausblick

Die vorliegenden Daten zu den CO2-Emissionen genutzter Hoch- und Nie-dermoore weisen erhebliche Streuun-gen und Unsicherheiten auf. Die Ablei-tung der Emissionen aus indirektenMessungen (Höhenverluste) ist relativungenau, liefert aber eine Größenord-nung der Verluste. Direkte Messungendes Nettoökosystemaustausches fürKohlendioxid sind sehr aufwändig, sodass bisher nur relativ wenige Standorteuntersucht werden konnten. Außerdemsind die Messungen fehlersensitiv, daletztendlich eine Nettogröße (Diffe-renz) aus 2 Prozessen, der Bruttopri-märproduktion und der Ökosystemres-piration (CO2-Freisetzung aus Wurzel-atmung und Torfmineralisation), ge-messen wird. Aktuell widmen sich zweiVerbundprojekte der Verbesserung derDatenlage. In dem vom Bundesministe-rium für Bildung und Forschung (BMBF)mit dem Schwerpunkt „Klimazwei“ ge-förderten Verbundvorhaben „Klima-schutz-Moornutzungsstrategien“ wer-den zwischen 2007 und 2009 in 6 Test-gebieten in Bayern, Brandenburg,Mecklenburg-Vorpommern und Nieder-sachsen auf mehr als 30 Standorten Di-rektmessungen des Austausches der kli-

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Abb. 6: Kohlendioxidfreisetzung aus Hoch- und Niedermooren in Abhängigkeit der Land-nutzung für mitteleuropäische Moore (Höper 2007) sowie für europäische Moore (Byrne et al. 2004).

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marelevanten Gase CO2, CH4 und N2Ozwischen Moorboden und Atmosphärevorgenommen (www.klimazwei.de).Darüber hinaus startet in 2009 ein Pro-jekt des Johann-Heinrich-von-Thünen-Instituts für Agrarrelevante Klimafor-schung (vTI-AK), Braunschweig, in demin 11 Testgebieten und knapp 60 Stand-orten Emissionsfaktoren für die o.a. kli-marelevanten Gase ermittelt werdensollen. Damit sollte sich in einigen Jah-ren eine deutliche Verbesserung der Da-tenlage erzielen lassen.

Angesichts der Bedeutung der Treib-hausgasemissionen aus Mooren, doku-mentiert im Nationalen Treibhausinven-tarbericht (Umweltbundesamt 2008),erscheint es wichtig, Maßnahmen zuihrer Reduzierung zu ergreifen. Ausdem oben diskutierten Sachverhalt, wo-nach C-Akkumulationsraten ungenutz-ter Moore von 20 bis 30g C/m2/a C-Frei-setzungsraten genutzter Moore von400 bis 1100g C/m2/a gegenüberstehen,wird deutlich, dass die Torfmineralisa-tion um den Faktor 20–50 gegenüberder Torfakkumulation beschleunigt ist.D.h., dass Torfschichten, die sich in 20 bis 50 Jahren aufgebaut haben, nachEntwässerung in einem Jahr zersetztwerden.

Maßnahmen sollten daher bei derKonservierung der noch auf den Moor-standorten vorhandenen Kohlenstoff-vorräte ansetzen. Grünlandumbruchund die ackerbauliche Nutzung vonMooren, die auch nach den Anforde-rungen des BNatSchG unterlassen wer-den sollten, sind auch aus Gründen desKlimaschutzes zu vermeiden. Darüberhinaus sollte die Wasserregulierung vonMoorgrünland im Hinblick auf höhereGrundwasserstände optimiert werden.Eine Befahrung kann in gewissen Gren-zen mit Niederdruckreifen sicherge-stellt werden.

Schließlich gilt es marktfähige, alter-native Nutzungen für Moorstandortezu entwickeln. Diese Verfahren solltenfolgenden Anforderungen genügen:� Nutzung von moortypischen Pflan-zen, d.h. von Pflanzen, die auch aufwassergesättigten Standorten quanti-tativ und/oder qualitativ günstige Auf-wuchseigenschaften aufweisen,� Verfügbarkeit von Wasser und Ein-staumöglichkeit, um vor allem in denSommermonaten hohe Wasserständehalten zu können und die sommerlicheTorfmineralisation zu minimieren,

� Verlegung der Erntetermine in diekalten Wintermonate, dann könnenZeiten mit Bodenfrost genutzt werden,um die Standorte zu befahren, oder derWasserstand kann für die Befahrung ab-gesenkt werden, ohne eine hohe Torf-mineralisation zu stimulieren.� Wirtschaftlichkeit derVerfahren, d.h.es sollte ein Markt für die Produkte be-stehen oder entwickelt werden.

Ansätze gibt es beim Anbau nach-wachsender Rohstoffe auf nassenStandorten mit standortangepassterVegetation, z.B. dem Anbau von Torf-moosen und ihrer Nutzung als Kul-tursubstrat, dem Anbau von Schilf,Rohrkolben und Seggen als Roh-stoffe für Hausbau, Industrie oderEnergiegewinnung sowie dem Anbauvon Erlen und Weiden als Nutzholz bzw. ebenfalls zur Energiegewinnung(Schäfer & Joosten 2005, Kamermann & Blankenburg 2008, Plieninger et al.2009).

Wo möglich sollte versucht werden,Torfwachstum zu initiieren. Dies gilt vorallem für abgetorfte Flächen, die der-zeit wiedervernässt werden und in dieFolgenutzung „Naturschutz“ überge-hen. Auch könnten hier die Instrumentedes Naturschutzes zur ökologischenAufwertung von Moorflächen im Rah-men von Ausgleichs- und Ersatzmaß-nahmen genutzt werden.

6 Zusammenfassung

In mitteleuropäischen Mooren habensich seit der letzten Eiszeit vor ca. 11.500Jahren enorme Mengen an organi-schem Kohlenstoff abgelagert. DieserKohlenstoff wurde der Atmosphäreentzogen und hat sich aufgrund derWassersättigung als Torf konserviert.Die Nutzung der Moore hatte in der Re-gel eine Entwässerung der Standortezur Folge. Damit werden die Torfe derOxidation durch den Luftsauerstoff aus-gesetzt. Der Kohlenstoff wird als Koh-lendioxid an die Atmosphäre abgege-ben und trägt somit zum anthropoge-nen Treibhauseffekt bei. Im nationalenTreibhausinventarbericht der Bundesre-gierung (Umweltbundesamt 2008) stelltdie landwirtschaftliche Nutzung derMoore als Acker oder Grünland dieHauptquelle der Treibhausgas-Emissio-nen auf dem Sektor „Landnutzung,Landnutzungsänderung und Forstwirt-schaft“ dar.

Das Bundesbodenschutzgesetz, dasBundesnaturschutzgesetz und das Kyo-toprotokoll enthalten Regelungen, dieden Schutz der organischen Böden unddes im Boden gespeicherten Kohlen-stoffs betreffen.

In organischen Böden sind Kohlen-stoffvorräte von bis zu 1.500 t C/ha, unddamit eine 10-fache Menge im Ver-gleich zu den meisten Mineralböden,gespeichert.

Natürliche Moore legen jährlichzwischen 20 und 30g C/m2/a fest, wasetwa 10% der Bruttoprimärproduktiondurch die pflanzliche Photosyntheseausmacht. Die jährlichen Raten der C-Akkumulation in den Mooren sind da-mit nicht besonders hoch, aber die C-Speicherung kann über Jahrhunderteund Jahrtausende erfolgen.

Landwirtschaftlich genutzte, in derRegel entwässerte Moore setzen dage-gen in Abhängigkeit des Moortyps undder Nutzungsintensität zwischen 400und 1.100g C/m2/a frei, was einem 20- bis50-fachen der Akkumulationsraten ent-spricht.

Maßnahmen zur Reduzierung der C-Emissionen von organischen Böden soll-ten bei der Stabilisierung des noch imProfil vorhandenen Kohlenstoffs anset-zen. Dies ist nicht ohne Vernässung zuerreichen. Hier gilt es, Moor schonendeNutzungen zu entwickeln, die es erlau-ben, bei weitgehender Wassersättigungder Torfe einen wirtschaftlichen Nutzenvon wassertoleranten Kulturen zu er-zielen (z.B. Sphagnum farming, Nutzenvon Weiden, Schilf, Erlen als nachwach-sende Rohstoffe zur stofflichen oderenergetischen Nutzung). Darüber hin-aus können mit den Instrumenten desNaturschutzes, u.a. auch auf ehemalsabgetorften Flächen, die Standortbe-dingungen auf Moorflächen im Hinblickauf die Initiierung von Torfwachstumoptimiert werden.

Summary

In Central European peatlands largestocks of organic carbon have accumu-lated since the last glacial period, 11.500years before present. This carbon waswithdrawn from the atmosphere andhas been conserved under water satura-tion as peat. For land use the sites werein general drained in the last centuries.Peat was exposed to oxygen and a con-tinuous oxidation process has taken

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place since beginning of drainage. Car-bon has been emitted as carbon dioxideto the atmosphere, which contributes tothe anthropogenic greenhouse effect.Agricultural land on peatlands is themain source of greenhouse gases withinthe sector „land use, land use changeand forestry” in the national green-house inventory report 2008.

The Federal Soil Protection Act, theFederal Nature Conservation Act andnational implementation of the KyotoProtocol include rules for the protectionof organic soils and of the soil carbonstock.

Organic soils store up to 1.500 t C/haand, thus, ten times more carbon thanmost mineral soils. Natural peatlands,also called mires, accumulate in themean between 20 and 30g C/m2/year,which corresponds to about 10% of thegross primary production by photosyn-thesis. Thus, the carbon accumulationrates in mires are generally low, butcarbon sequestration may last centuriesand even millennia leading to the highcarbon stocks observed in these eco-systems.

Peatlands used by agriculture, whichare generally drained, emit between400 and 1.100g C/m2/year, dependingon peatland type and land use intensity.Thus, the annual emission rates exceedthe annual accumulation rates by a fac-tor between 20 and 50.

From the latter statement it is con-cluded that measures to reduce carbondioxide emissions from peatlandsshould primarily aim at the conservationof the carbon stock in the soils. This canonly be achieved by rewetting the sites.There is an urgent need for developingpeat conserving land use techniques,i.e. techniques allowing the economicuse of water tolerant peatland plantspecies (e.g. Sphagnum farming, culti-vation of reed, willows and alder for useas raw material or for the production ofenergy). Furthermore, the instrumentsof nature conservation could be used tooptimize the site conditions on peat-lands and mires for peat or carbon ac-cumulation. This could be the designa-tion of nature protection areas on peat-lands and/or the use of funds fromcompensating measures for the inter-vention into the natural environment(settlement, road construction etc.) forpeatland rewetting and restorationmeasures.

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Anschrift des Verfassers

Dr. Heinrich HöperLandesamt für Bergbau, Energie und GeologieStilleweg 230655 HannoverE-Mail: [email protected]

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