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Juristische Reihe TENEA/ Bd. 123 ADRIAN HANS Verfassungsrechtliche und gemeinschaftsrechtliche Reformperspektiven der Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz 123 Adrian Hans Reformperspektiven der Hinzurechnungsbesteuerung Juristische Reihe TENEA/

nach dem Außensteuergesetz - Jurawelt · 2008. 6. 14. · Juristische Reihe TENEA / Bd. 123 A DRIAN H ANS Verfassungsrechtliche und gemeinschaftsrechtliche Reformperspektiven der

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Juristische Reihe TENEA/ Bd. 123

ADRIAN HANS

Verfassungsrechtliche und gemeinschaftsrechtlicheReformperspektiven der Hinzurechnungsbesteuerungnach dem Außensteuergesetz

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In der Dissertationsschrift wird die so genannte Hinzurechnungs-besteuerung nach dem Außensteuergesetz (§§ 7 ff. AStG) aus derPerspektive des Verfassungsrechts und des EG-Rechts untersucht.Dieser Bereich des Außensteuerrechts ist Gegenstand einer kon-troversen Diskussion in der wissenschaftlichen Literatur. In derArbeit werden Bedenken im Hinblick auf die Umstellung desKörperschaftsteuersystems ausgelotet und anhand verfassungs-rechtlicher Grundsätze sowie anhand der Rechtsprechung desEuropäischen Gerichtshofs verifiziert. Auf der Grundlage dergewonnenen Erkenntnisse werden Leitlinien zu einer Neukon-zeption entwickelt und ein neues Fundament für diesen Komplexdes Außensteuerrechts vorgeschlagen.

Adrian Hans, Jahrgang 1973, stammt aus Neustadt an der Wein-straße. Nach einer Ausbildung für den gehobenen Dienst bei derFinanzverwaltung des Landes Rheinland-Pfalz studierte er an derUniversität des Saarlandes Rechtswissenschaften (1996–2000) undabsolvierte das Referendariat beim OLG Saarbrücken (2000–2002).Das Promotionsvorhaben wurde im Rahmen eines Forschungs-aufenthalts an der Wirtschaftsuniversität Wien (2002–2003)begonnen. Die Promotion wurde bei Prof. Dr. Rudolf Wendt(Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Wirtschafts-, Finanz-und Steuerrecht, Universität des Saarlandes) im Jahr 2006 abge-schlossen. Der Autor war am Lehrstuhl für Staats- und Verwal-tungsrecht von Professor Dr. Christoph Gröpl tätig (2004–2005)und arbeitet seit dem Jahre 2005 für eine Wirtschaftsprüfungsge-sellschaft in Düsseldorf.

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A/

978-3-86504-186-9 32 EUR

UmschlagJuraweltHans 18.03.2007 18:53 Uhr Seite 1

Juristische Reihe TENEA/ Bd. 123

ADRIAN HANS

Verfassungsrechtliche und gemeinschaftsrechtlicheReformperspektiven der Hinzurechnungsbesteuerungnach dem Außensteuergesetz

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In der Dissertationsschrift wird die so genannte Hinzurechnungs-besteuerung nach dem Außensteuergesetz (§§ 7 ff. AStG) aus derPerspektive des Verfassungsrechts und des EG-Rechts untersucht.Dieser Bereich des Außensteuerrechts ist Gegenstand einer kon-troversen Diskussion in der wissenschaftlichen Literatur. In derArbeit werden Bedenken im Hinblick auf die Umstellung desKörperschaftsteuersystems ausgelotet und anhand verfassungs-rechtlicher Grundsätze sowie anhand der Rechtsprechung desEuropäischen Gerichtshofs verifiziert. Auf der Grundlage dergewonnenen Erkenntnisse werden Leitlinien zu einer Neukon-zeption entwickelt und ein neues Fundament für diesen Komplexdes Außensteuerrechts vorgeschlagen.

Adrian Hans, Jahrgang 1973, stammt aus Neustadt an der Wein-straße. Nach einer Ausbildung für den gehobenen Dienst bei derFinanzverwaltung des Landes Rheinland-Pfalz studierte er an derUniversität des Saarlandes Rechtswissenschaften (1996–2000) undabsolvierte das Referendariat beim OLG Saarbrücken (2000–2002).Das Promotionsvorhaben wurde im Rahmen eines Forschungs-aufenthalts an der Wirtschaftsuniversität Wien (2002–2003)begonnen. Die Promotion wurde bei Prof. Dr. Rudolf Wendt(Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Wirtschafts-, Finanz-und Steuerrecht, Universität des Saarlandes) im Jahr 2006 abge-schlossen. Der Autor war am Lehrstuhl für Staats- und Verwal-tungsrecht von Professor Dr. Christoph Gröpl tätig (2004–2005)und arbeitet seit dem Jahre 2005 für eine Wirtschaftsprüfungsge-sellschaft in Düsseldorf.

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978-3-86504-186-9 32 EUR

UmschlagJuraweltHans 18.03.2007 18:53 Uhr Seite 1

Juristische Reihe TENEA/ Bd. 123

TENEA

Tenea (‘η Τενεα), Dorf im Gebiet von Korinthan einem der Wege in die → Argolis, etwas s. desh. Chiliomodi. Sehr geringe Reste. Kult des Apol-lon Teneates. T. galt im Alt. sprichwörtl. als glück-lich, wohl wegen der Kleinheit […]Aus: K. Ziegler, W. Sontheimer u. H. Gärtner(eds.): Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike.Bd. 5, Sp. 585. München (Deutscher Taschen-buch Verlag), 1979.

ADRIAN HANS

Verfassungsrechtliche und Gemeinschaftsrechtliche Reformperspektiven der Hinzurechnungsbesteuerung

nach dem Außensteuergesetz

BRISTOL BERLIN

Adrian Hans

Verfassungsrechtliche und GemeinschaftsrechtlicheReformperspektiven der Hinzurechnungsbesteuerungnach dem Außensteuergesetz

(Juristische Reihe TENEA/www.jurawelt.com; Bd. 123)

Zugleich Universität des SaarlandesDissertation 2006

© TENEA Verlag Ltd., Bristol, Niederlassung DeutschlandBerlin 2007

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved.Digitaldruck und Bindung:

docupoint GmbH · 39108 MagdeburgTENEA-Graphik: Walter Raabe, Berlin

Printed in Germany 2007

ISBN 978-3-86504-186-9

Gedruckt auf holzfreiem, säurefreiem,alterungsbeständigem Papier

Vorwort

Die vorliegende Untersuchung wurde von der Rechts- und

Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität des

Saarlandes im Wintersemester 2006/2007 als

rechtswissenschaftliche Dissertation angenommen.

Die Dissertation wurde von Herrn Prof. Dr. Rudolf Wendt

betreut. Ihm gebührt mein herzlicher und aufrichtiger Dank.

Ganz herzlich danken möchte ich auch

Herrn Priv.-Doz. Dr. Michael Elicker für die kritischen

Anregungen und die wissenschaftliche Begleitung der Arbeit.

Herrn Dr. Wolfgang Lingemann danke ich für die großartige

Unterstützung bei der Erstellung des Manuskripts.

Meinen Eltern verdanke ich mein Studium und Vieles mehr.

Ihnen widme ich diese Arbeit.

Düsseldorf im Januar 2007

1. Teil. 1

A. Einführung 1

B. Problemstellung und Gang der Untersuchung 11

2. Teil. Verfassungsrechtliche Bedenken 12

A. Vereinbarkeit der §§ 7–14 AStG mit Art. 3 GG 12

I. Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 GG 13

II. Ungleichbehandlung 13

1. Vergleichbarkeit der Sachverhalte 13

2. 19

III. Rechtfertigung 28

1. Mögliche Rechtfertigungsgründe 29

2. Erfordernis einer ausreichenden Vorbelastung 32

3. Vermeidung von steuerlichen Fehlentwicklungen 41

IV. Zusammenfassung der gleichheitsrechtlichen Bedenken 66

B. 66

I. Problemstellung 68

II. 70

III. Ergebnis 77

Vereinbarkeit der §§ 7–14 AStG mit dem

Rechtsstaatsprinzip

I n h a l t s v e r z e i c h n i s

Entwicklung und Reformbedarf der

Hinzurechnungsbesteuerung

Vereinbarkeit der §§ 7–14 AStG mit dem

Leistungsfähigkeitsprinzip

Schaffung einer unsicheren Rechtslage als

Gestaltungskorrektiv

3. Teil. Gemeinschaftsrechtsrechtliche Bedenken 78

A. Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV) 78

I. Anwendungsbereich 78

II. Beschränkung der Niederlassungsfreiheit 85

1. Beschränkungsverbot 86

2. Diskriminierung 92

B. Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG-Vertrag) 96

I. Anwendungsbereich 96

II. Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit 98

C. Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG-Vertrag) 100

D. 101

I. Kohärenz und Welteinkommensprinzip 102

II. Vermeidung von steuerlichen Fehlentwicklungen 112

E. Zusammenfassung 122

4. Teil. Vorschlag einer Neukonzeption 124

A. Allgemeine Anforderungen 124

I. Bestandsaufnahme fiskalpolitischer Rahmenbedingungen 124

II. 136

III. Reformkonzepte 146

B. Konzeption einer speziellen Missbrauchsvorschrift 148

Literaturverzeichnis I–XXVII

Abkürzungsverzeichnis A–N

Aktuelle Entwicklungen vor dem EuGH: Die

Rechtssache Cadbury

Rechtfertigung der Beschränkung der

Grundfreiheiten

Einführung und Begriffsbestimmung

1

1. Teil. Entwicklung und Reformbedarf der Hinzurechnungsbesteuerung

A. Einführung

Begriffsbestimmung. Der Begriff der „Hinzurechnungsbesteuerung“ wird in Zu-

sammenhang mit dem Regelungskomplex im IV. Teil des Außensteuergesetzes

(AStG)1 verwendet,2 nach diesen Vorschriften werden Einkünfte ausländischer Kapi-

talgesellschaften auf der Ebene des inländischen Anteilseigners besteuert. Das derzeit

geltende Konzept der Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz

basiert auf dem Grundsatz, dass das „[…] in ausländischen Basisgesellschaften angefallene

Einkommen, das nicht aus aktiver Wirtschaftlichkeit der Gesellschaft stammt, […] dem die

Basisgesellschaft beherrschenden Inländer zur Besteuerung zugerechnet […]“ wird.3 Der be-

reits in den Leitsätzen der Bundesregierung vom 17. 12. 1970 verwendete Begriff der

„Basisgesellschaft“4 meint ausländische Körperschaften, die keiner „werbenden Tätig-

keit“ nachgehen und das von ihnen erzielte Einkommen im Staat ihres Sitzes oder

1 Gesetz über die Besteuerung von Auslandsbeziehungen – in Kraft getreten als Art. 1 des Ge-

setzes zur Wahrung der steuerlichen Gleichmäßigkeit bei Auslandsbeziehungen und zur Verbesse-rung der steuerlichen Wettbewerbslage bei Auslandsinvestitionen (Außensteuerreformgesetz) vom 8. 9. 1972, BStBl. I 1972, 450, in der derzeit gültigen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Investmentwesens und zur Besteuerung von Investmentvermögen (Investmentmodernisierungsge-setz) vom 15. 12. 2003 (BGBl. I 2003, 2676), und Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. 12. 2003 (BGBl. I 2003, 2840). Ergänzt wird das Außensteuergesetz durch die Grundsätze zur Anwendung des AStG (AStG-Grundsätze) vom 2. 12. 1994, BStBl. I Sondernummer 1/1995. 2 Von einer „Hinzurechnungsbesteuerung“ ist darüber hinaus etwa in Zusammenhang mit den

Vorschriften des § 9 Nr. 2 Gewerbesteuergesetz die Rede: Vgl. dazu Gewerbesteuergesetz (GewStG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. 10. 2002, zuletzt geändert durch Art. 4 Gesetz zum Dritten Zusatzprotokoll zum deutsch-niederländischen DBA vom 15. 12. 2004, BGBl. II 2004, 1653, BGBl. I 2004, 4167. Diese Untersuchung behandelt jedoch nur außensteuerliche Fragestellun-gen. 3 Regierungsbegründung zum Außensteuergesetz, Bundestagsdrucksache VI/2883, abgedruckt in

Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 7, Gesetzesmaterialien, dort unter Nummer 30. 4 Leitsätze der Bundesregierung vom 17. 12. 1970 zum AStG vom 8. 9. 1972, BGBl. I 1972,

1713, BStBl. I 1972, 450, abgedruckt in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 7 AStG, Gesetzesmaterialien, dort unter 1. Gesetzesleitsatz.

Ein-füh-rung und Beg-riffs-be-stim-mung

1

Grundproblematik der Basisgesellschaft

Grundproblematik der Basisgesellschaft

2

ihrer Geschäftsleitung gering oder niedrig versteuern.5 Die Einkünfte von Basisgesell-

schaften konnten vor der Einführung des Außensteuergesetzes unter den Vorausset-

zungen von § 6 des Steueranpassungsgesetzes6 im Inland besteuert werden, sofern ein

Fall steuerlichen Missbrauchs vorlag.7 Das Kernproblem von solchen ausländischen

Kapitalgesellschaften wurde vom Gesetzgeber darin erkannt, dass sie als selbstständige

Rechtsträger das im Ausland niedrig besteuerte Einkommen „abschirmen“8 und der

Steuerzugriff deshalb eingeschränkt war.9 Im Außensteuergesetz wurde die Problema-

tik der „Basisgesellschaften“ geregelt, und in den Vorschriften der §§ 7–14 AStG im

IV. Teil des Außensteuergesetzes Normen über die „Beteiligung an ausländischen

Zwischengesellschaften“ eingeführt. Diese Vorschriften des Außensteuergesetzes

verwenden die Begrifflichkeit „Hinzurechnungsbesteuerung“ nicht;10 § 10 Abs. 1

Satz 1 AStG enthält in einem Klammerzusatz den Begriff Hinzurechnungsbetrag, für

welchen unter den in § 7 Abs. 1 AStG genannten Voraussetzungen die Steuerpflicht

für Einkünfte einer ausländischen Kapitalgesellschaft im Inland entsteht.11 Im Schrift-

tum finden sich differenzierende Ansätze, um die §§ 7–14 AStG dogmatisch und

begrifflich zu fassen und zu fixieren. Die Rede ist von „Zurechnungsbesteuerung“,

5 Vgl. dazu Franz Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, vor §§ 7–14

AStG, Rdnr. 1; zur historischen Entwicklung der §§ 7–14 AStG: Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, vor §§ 7–14 AStG, Rdnr. 31; vgl. auch Materia-lien zu § 7 AStG in Fußnoten 3 f. 6 Steueranpassungsgesetz vom 16. 10. 1934, Reichsgesetzblatt I 1934, 925 zuletzt geändert durch

das Einführungsgesetz zum Einkommensteuerreformgesetz vom 21. 12. 1974, BGBl. I 1974, 3656. Gemäß Art. 96 Nr. 5 des Abgabenordnung-Einführungsgesetz außer Kraft getreten mit Inkrafttreten der Abgabenordnung 1977 (siehe dazu Nachweis unter Fußn. 78). 7 Eine Übersicht zur Rechtsprechung des BFH in Zusammenhang mit § 6 StAnpG findet sich

bei Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, vor §§ 7–14 AStG Rdnr. 31 (dort: Fußn. 5). 8 Menck, Die Ermittlung des anzusetzenden Hinzurechnungsbetrages bei reinen Zwischengesell-

schaften, DStZ 1975, 43 (44); Wolfgang Schön, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Ge-meinschaftsrecht, DB 2001, 940 (943). 9 So schon die Begründung zum AStG der Bundesregierung, vgl. Bundestags-Drucksache

VI/2883, Rdnrn. 27 ff. Vgl. auch Heinz Jürgen Telkamp, Der Außensteuergesetz-Entwurf, StuW 1972, 97. 10 Die von der deutschen Bundesregierung gegebene Begründung zur Einführung des Außen-

steuergesetzes im Jahre 1972 verwendete die Begrifflichkeit „Zurechnungsbesteuerung“; Regie-rungsbegründung zum Außensteuergesetz, Bundestagsdrucksache VI/2883, abgedruckt in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 7 AStG, Gesetzesmaterialien, dort unter Num-mern 33 und 34. 11 Dieser wird definiert als Betrag der nach § 7 Abs. 1 AStG steuerpflichtigen Einkünfte, der sich

nach Abzug der Steuern ergibt, die zu Lasten der ausländischen Gesellschaft von diesen Einkünften sowie von dem diesen Einkünften zugrunde liegenden Vermögen erhoben worden sind.

Einführung und Begriffsbestimmung

3

„steuerlichem Durchgriff“ oder „Durchgriffsbesteuerung“ und „Zugriffs-

besteuerung“.12 Der Bundesfinanzhof äußerte sich hinsichtlich dieser im Schrifttum

aufgetretenen Begriffsvielfalt explizit kritisch und betonte, dass diese Formulierungen

keine wesentlichen Lösungshilfen für Zweifelsfragen bieten könnten.13 Wegen der im

Außensteuergesetz verwendeten Formulierung „Hinzurechnungsbetrag“ in § 10

Abs. 1 Satz 1 AStG erscheint der Ausdruck „Hinzurechnungsbesteuerung“ aber zu-

mindest aus sprachlicher Sicht nahe liegend. In Laufe der vorliegenden Untersuchung

soll deshalb einheitlich das in den §§ 7–14 AStG enthaltene Regelungskonzept mit

dem Ausdruck „Hinzurechnungsbesteuerung“ bezeichnet werden.

Verfassungsrechtliche Zweifelsfragen. Das Konzept der Hinzurechnungsbe-

steuerung war von Anbeginn der Einführung der §§ 7–14 AStG im Jahre 1972 kriti-

siert worden. Einerseits wurde die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Regelun-

gen aufgeworfen und behandelt.14 Andererseits wurde mit durchaus plausiblen Grün-

den in Zweifel gezogen, ob überhaupt ein tatsächliches Bedürfnis für diese außen-

steuerlichen Regelungen gegeben sei.15 In der steuerlichen Fachliteratur wurde die

Kritik in jüngerer Vergangenheit verschärft, denn die Hinzurechnungsbesteuerung

steht seit der Unternehmenssteuerreform16 unter dem Verdacht, in hohem Maße

systemwidrig zu sein.17 Dies geht zurück auf die mit dem Steuersenkungsgesetz18

einhergehende Entwicklung der Unternehmensbesteuerung.

Das neue Körperschaftsteuersystem sieht die vollständige Steuerfreiheit von Divi-

denden vor, sofern diese von einer Kapitalgesellschaft bezogen werden. Wassermeyer

12 Vgl. zur Entwicklung der Begrifflichkeit Wassermeyer, Die Vereinbarkeit der Hinzurechnungs-

besteuerung nach dem Außensteuergesetz mit dem Grundgesetz und den Vorschriften der Doppel-besteuerungsabkommen, in: Festschrift Flume, 323 ff.; das BVerfG verwendete vor Einführung des Außensteuergesetzes den Begriff „Durchgriff“ für die Besteuerung von Einkünften einer Kapitalge-sellschaft auf der Ebene des Anteilseigners, vgl. BVerfG vom 24. 1. 1962 – 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331. 13 BFH vom 28. 9. 1988 – I R 91/87, BFHE 154, 370, BStBl. II 1989, 13. 14 Vgl. dazu Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, vor §§ 7–14 AStG

Rdnr. 31 m. w. N.; Joachim von Beckerath, Durchgriff im Steuerrecht, 284. 15 Vgl. Wolfgang Ritter, Brauchen wir ein neues Steuerfluchtgesetz? BB 1992, 361. 16 Gesetz zur Entlastung der Unternehmen und zur Senkung der Steuersätze – Steuer-

senkungsgesetz (StSenkG) vom 23. 10. 2000, BGBl. I 2000, S. 1433, BStBl. I 2000, 1428. 17 Wassermeyer, Die Fortentwicklung der Besteuerung von Auslandsbeziehungen – Anmerkungen

zu den derzeitigen Überlegungen zur Reform des Außensteuerrechts –, IStR 2001, 113 (115 ff.); ders., Die im Entwurf eines Steuersenkungsgesetzes vorgesehenen Änderungen der Hinzurechnungs-besteuerung, IStR 2000, 193; Rättig/Protzen, Unbeabsichtigter Systemwechsel bei der Hinzurech-nungsbesteuerung von Kapitalgesellschaften als Folge des Steuersenkungsgesetzes, IStR 2000, 394. 18 Gesetz vom 23. 10. 2000 zur Entlastung der Unternehmen und zur Senkung der Steuersätze –

Steuersenkungsgesetz (StSenkG), BGBl. I 2000, 1433; BStBl. I 2000, 1428.

2

3

Gemeinschaftsrechtliche Zweifelsfragen

4

stellte fest, dass die Regelungen in §§ 7–14 AStG mit dieser Konsequenz der Unter-

nehmenssteuerreform zu einem – wie er es ausdrückte – „Scherbenhaufen“ geworden

waren.19 Dividendenbezug und Hinzurechnungsbetrag hätten – so Wassermeyer –

gleichermaßen steuerfrei gestellt werden müssen, dies hätte jedoch „[…] die Hinzu-

rechnungsbesteuerung obsolet gemacht, da jeder Steuerpflichtige seine Beteiligung an einer auslän-

dischen Basisgesellschaft in eine inländische Holding eingebracht hätte.“20 Die Kritik an der

Hinzurechnungsbesteuerung thematisiert neben den systematischen Zweifelsfragen die

Vereinbarkeit der §§ 7–14 AStG mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht.

Gemeinschaftsrechtliche Zweifelsfragen. Es scheint für eine Reihe von Auto-

ren nahe zu liegen, dass die Hinzurechnungsbesteuerung nicht mit geltendem Ge-

meinschaftsrecht vereinbar ist.21 Für die Fälle, die der Gesetzgeber in den §§ 7–14

AStG geregelt hat, stellt sich im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht insbesondere die

Frage, ob diese Vorschriften in Einklang mit den so genannten Europäischen Grundfrei-

heiten stehen.22 Die Rechtsgrundlage dieser Grundfreiheiten findet sich im Vertrag

über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag)23. Aus dem genann-

ten Vertragswerk wurden unter anderem in Zusammenhang mit der Hinzurechnungs-

besteuerung thematisiert die Niederlassungsfreiheit (Art. 45 EG-Vertrag), die

19 Wassermeyer, Der Scherbenhaufen Hinzurechnungsbesteuerung, EuZW 2000, 513. 20 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, vor §§ 7–14 AStG,

Rdnr. 7. 21 Siehe dazu etwa Hartmut Hahn, Das AMID-Urteil, IStR 2001, 465; ders., Das ICI-Urteil des

EuGH und die Hinzurechnungsbesteuerung gemäß § 7 ff. AStG, IStR 1999, 609; Andrea Kämper, „Eurowings“: EU-Rechtsverstöße bei der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsbesteuerung, dem AStG und der Gesellschafterfremdfinanzierung!, FR 2001, 665; Gerhard Laule, Grenzen internationa-ler Steuergestaltung im Lichte der Rechtsprechung des EuGH, IStR 2003, 217. 22 Vgl. dazu Horst Rättig und Peer Protzen, Zur Europarechtswidrigkeit der §§ 7–14 AStG und zu

den Folgen für die internationale Steuerplanung, IStR 2003, 195; dies., Praktische Folgen der Un-vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung mit der EU-Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfrei-heit, GmbHR 2003, 503; Gert Saß, Zur Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung nach dem AStG mit den EU-Grundfreiheiten, DB 2002, 2342; Thomas Rödder, Deutsche Unternehmensbe-steuerung im Visier des EuGH, DStR 2004, 1629. Ferner die Dissertationen von Stefanie Bille, Hinzurechnungsbesteuerung in Europa, Aachen, 2004 und Jens Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuer-ung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, Köln, 2004. 23 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. 3. 1957, BGBl. II 1957, 766, in

der Fassung des Vertrages über die Europäische Union vom 7. 2. 1992, BGBl. II 1992, 1253, geän-dert durch Beitrittsvertrag vom 24. 6. 1994, BGBl. II 1994, 2022, i. d. F. des Beschlusses vom 1. 1. 1995, Amtsblatt der EG Nr. L 1/1, ber. Amtsblatt 1997 Nr. L 179/12, geändert durch den Amsterdamer Vertrag vom 2. 10. 1997, BGBl. II 1998, 387, BGBl. II 1999, 416; vorliegend in der Fassung des Vertrages von Nizza vom 16. 2. 2001, BGBl. II 2001, 1667, in Kraft seit 1. 2. 2003 (BGBl. II 2003, 1503); Beitrittsvertrag vom 16. 4. 2003 (BGBl. II 2003, 1408) in Kraft getreten am 1. 5. 2004.

4

Gemein-schafts-rechtliche Zweifels-fragen

Einführung und Begriffsbestimmung

5

Dienstleistungs- (Art. 49 ff. EG-Vertrag) und die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 ff.

EG-Vertrag).

Die Europäischen Grundfreiheiten – und damit auch die in der vorstehenden Auf-

zählung benannten Grundfreiheiten – basieren auf der in Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und

Art. 14 Abs. 2 EG-Vertrag normativ verankerten prinzipiellen Überlegung, dass der

Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen umfasst, in dem der freie Verkehr von

Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist.24 Die gemeinschafts-

rechtliche Dimension der Hinzurechnungsbesteuerung liegt im Spannungsfeld zwi-

schen nationalem Interesse an der Durchsetzung des Steueranspruchs und den – im

Rahmen der Grundfreiheiten erlaubten – Möglichkeiten, von den Vorteilen zu profi-

tieren, die sich aus dem Steuergefälle innerhalb der Europäischen Gemeinschaft erge-

ben.25 Die praktische Problematik einer potentiellen Gemeinschaftswidrigkeit lässt sich

bei einer Analyse der Steuersätze für die Einkünfte von Kapitalgesellschaften in den

Ländern der Europäischen Union veranschaulichen. Die Anwendung der Hinzurech-

nungsbesteuerung kommt neben anderen in § 7 Abs. 1 AStG enthaltenen Vor-

aussetzungen in Betracht, wenn eine „niedrige Besteuerung“ im Sinne der Legaldefi-

nition des § 8 Abs. 3 AStG vorliegt. Um die gemeinschaftsrechtliche Problematik

aufzeigen zu können, soll dieser Vorschrift hier vereinfachend der Vergleichsmaßstab

entnommen werden, dass eine Steuerbelastung von unter 25 % als „niedrig“ anzuse-

hen ist. Eine niedrige Besteuerung liegt gemäß § 8 Abs. 3 AStG vor, wenn die Ein-

künfte der ausländischen Kapitalgesellschaft einer Belastung durch Ertragsteuern von

weniger als 25 % unterliegen, ohne dass dies auf einem Ausgleich mit Einkünften aus

anderen Quellen beruht, oder wenn die danach in Betracht zu ziehende Steuer nach

dem Recht des betreffenden Staates um Steuern gemindert wird, die die Kapitalgesell-

schaft zu tragen hat, von der die Einkünfte (im Sinne des § 8 Abs. 1 AStG) stammen.26

24 Die genannten Grundfreiheiten können vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden

und sind in ihrem Anwendungsbereich weit zu fassen. Vgl. Axel Cordewener, Deutsche Unterneh-mensbesteuerung und europäische Grundfreiheiten – Grundzüge des materiellen und formellen Rechtsschutzsystems der EG, DStR 2004, 6 (7). 25 Die Finanzminister der Europäischen Gemeinschaft (ECOFIN) gehen von einem „schädlichen“

Wettbewerb in der Europäischen Union aus und haben einen Verhaltenskodex für die Unterneh-mensbesteuerung beschlossen. Verhaltenskodex zur „Bekämpfung des schädlichen Steuer-wettbewerbs in der Europäischen Union“ (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Nr. C 2 vom 6. 1. 1998). Vorbereitend die Mitteilung der Kommission an den Rat: Koordinierung der Steuer-politik in der Europäischen Union – Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des schädlichen Steuer-wettbewerbs vom 1. 10. 1997 KOM (97) 495. 26 Vgl. dazu Ralf Jahn, Der Begriff der „Niedrigen Besteuerung“ im Sinne des § 8 Abs. 3 AStG,

PIStB 2004, 3.

5

Entwicklung und Stand der Rechtsprechung

6

Entwicklungen in der Rechtsprechung. Der Gerichtshof der Europäischen

Gemeinschaften (Europäischer Gerichtshof) wird nach einer Vorlage vom 6. 6. 2004

in der Rechtssache Cadbury/Schweppes über die Vereinbarkeit der britischen Vor-

schriften über beherrschte Auslandsgesellschaften mit Europäischem Gemeinschafts-

rechts entscheiden.27 Sollte der Europäische Gerichtshof die angefochtenen Regelun-

gen als gemeinschaftswidrig verwerfen, könnte dies auch das Ende der deutschen

Hinzurechnungsbesteuerung einläuten.28 In einer Entscheidung des schwedischen

Skatterättsnämnden vom 4. 4. 2005 wurde die Gemeinschaftsrechtskonformität der

schwedischen Form der Hinzurechnungsbesteuerung angezweifelt.29 Im Hinblick auf

gemeinschaftsrechtliche Aspekte in diesem Bereich des Außensteuerrechts hat zwi-

schenzeitlich auch die deutsche Finanzrechtsprechung reagiert. Das Finanzgericht

Münster hat dem Europäischen Gerichtshof die Rechtsfrage zur Vorabentscheidung

vorgelegt, ob § 20 Abs. 2 und Abs. 3 des Außensteuergesetzes30 gegen Bestimmungen

des EG-Vertrages verstoßen.31 Beim Finanzgericht Niedersachsen ist ein Verfahren an-

hängig, in dem es um die Vereinbarkeit der §§ 7–14 AStG mit Gemeinschaftsrecht

geht.32

Die Rechtssache Cadbury. Die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof vom

6. 6. 2004 über die englische Hinzurechnungsbesteuerung behandelt die Vereinbarkeit

der englischen Hinzurechnungsbesteuerung (Controlled Foreign Companies Legislation)

27 Ersuchen um Vorabentscheidung, vorgelegt durch Beschluss der Special Commissioners vom

29. April 2004 in dem Rechtsstreit Cadbury Schweppes plc und Cadbury Schweppes Overseas Ltd gegen die Commissioners of Inland Revenue, Rechtssache C-196/04, Amtsblatt C 168 vom 26. 6. 2004, 3. 28 Der Europäische Gerichtshof hatte noch nicht darüber zu entscheiden, welche gemeinschafts-

rechtlichen Schranken bei der Einführung oder Ausgestaltung von Vorschriften über „beherrschte Auslandsgesellschaften“ bestehen. Zur Übersicht über die in Europa eingeführten Regelungen vgl. Robert Kaufmann, Controlled Foreign Companies (CFC) – Gesetzgebung – Übersicht über die Rechtslage in den EU-Mitgliedsstaaten, SWI 2001, 16; Bille, Hinzurechnungsbesteuerung in Europa, Aachen, 2004, 179 ff.; Instruktiv zur Rechtsprechung des EuGH: Schön, Besteuerung im Binnen-markt – die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, IStR 2004, 289; Rödder, Deutsche Unternehmensbesteuerung im Visier des EuGH, DStR 2004, 207; Laule, Auswirkungen der EuGH-Rechtsprechung auf deutsche Steuervorschriften, IFSt-Schrift Nr. 407. 29 Es handelt sich um ein schwedisches Gericht, das nicht zur Vorlage an den Europäischen Ge-

richtshof berechtigt ist, vgl. dazu: Jens Schönfeld und Bettina Lieber, Schwedische Hinzurechnungsbe-steuerung und EG-Recht, FR 2005, 927. 30 In der Fassung des Missbrauchs- und Steuerbereinigungsgesetzes vom 21. 12. 1993, Miss-

brauchs- und Bekämpfungsgesetz vom 21. 12. 1993, BGBl. I 1993, 2310. 31 FG Münster vom 5. 7. 2005 – 15 K 1114/99 F, EW, IStR 2005, 631. 32 Vgl. dazu Otmar Thömmes und Katja Nakhai, EC-Tax Scene, Intertax 2005, 74 (77).

Entwicklung und Stand der echung

6

7

Einführung und Begriffsbestimmung

7

mit den Vorschriften des Gemeinschaftsrechts.33 Der Fall behandelt zwei irische

„IFSC-Gesellschaften“, die innerhalb der Cadbury Unternehmensgruppe Finanzie-

rungsaufgaben erfüllten. Bei Anwendung der englischen Hinzurechnungsbesteuerung

wären die Gewinne der Gesellschaften wie Einkommen der in England ansässigen

Muttergesellschaft behandelt worden.34

In diesem Verfahren wurde dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Ent-

scheidung vorgelegt, ob die Errichtung einer Tochtergesellschaft in einem niedrig be-

steuernden Staat der Europäischen Gemeinschaft die Ausübung einer der Grundfrei-

heiten des EG-Vertrages oder einen Missbrauch einer solchen Freiheit darstellt, wenn

die Gesellschaft nur aus steuerlichen Motiven gegründet wird. Wenn es sich um die

Ausübung einer Grundfreiheit handelt, stellt die englische CFC-Gesetzgebung dann

eine Beschränkung oder eine Diskriminierung dar. Weiter ist fraglich, ob eine Be-

schränkung auch vorliegt, wenn das Ziel der Regelung darin besteht, die ausländische

Gesellschaft so zu besteuern, als wäre sie im Inland ansässig und – wenn dies eine Be-

schränkung darstellt – ob diese dann auch gerechtfertigt ist als angemessene Ge-

genmaßnahme zur Steuervermeidung.

Diese Fragen kennzeichnen die neuralgischen Punkte der Hinzurechnungsbe-

steuerung im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht. Deshalb

werden die im Verfahren Cadbury aufgeworfenen Fragen auch als für die deutsche

Hinzurechnungsbesteuerung bedeutsam erachtet.35 Vom Ausgang des Verfahrens in

der Rechtssache Cadbury wird auch maßgeblich die Zukunft der deutschen Hinzu-

rechnungsbesteuerung abhängen.36

Am 2. 5. 2006 hat Generalanwalt Philippe Léger die Schlussanträge in der Rechtssa-

che Cadbury/Schweppes veröffentlicht.37 Nach seiner Ansicht bestehen erhebliche

33 The Special Commissioners (Avery, Jones, Gammie) vom 6. 6. 2004, SPC/00415, Cadbury

Schweppes; vgl. dazu Markus Stefaner, EuGH-Verfahren zur Vereinbarkeit von CFC-Gesetzgebung mit Gemeinschaftsrecht, SWI 2004, 339; Andreas Körner, Europarecht und CFC-Regelungen – Anrufung des EuGH im Verfahren Cadbury Schweppes, IStR 2004, 697; Bettina Lieber und Stephan Rasch, Mögliche Konsequenzen der Rechtssache Cadbury Schweppes für die deutsche Hinzurech-nungsbesteuerung, GmbHR 2004, 1572. 34 Siehe dazu die Informationen auf den Internetseiten des irischen Finanzministeriums:

www.revenue.ie – zuletzt eingesehen am 17. 10. 2005. 35 Dazu insbesondere Lieber/Rasch, Mögliche Konsequenzen der Rechtssache Cadbury Schweppes

für die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, GmbHR 2004, 1572. 36 Vgl. insbesondere Heide Schaumburg und Harald Schaumburg, Steuerliche Leistungsfähigkeit und

europäische Grundfreiheiten im internationalen Steuerrecht, StuW 2005, 306 (312). 37 Die Anträge können abgerufen werden über die Internetseiten der Europäischen Union:

[http://curia.eu.int], vgl. auch IWB Fach 11A, 1019 mit Anmerkungen von Otmar Thömmes (ab Seite 1033).

a-

8

9

10

Die Rechtssache Cadbury

8

Zweifel an der Gemeinschaftskonformität der britischen Regelungen. Am 12. 9. 2006

erging das Urteil des EuGH.38

Streitgegenstand. Den Streitgegenstand der Rechtssache Cadbury bilden die bri-

tischen CFC-Regelungen. Danach können Gewinne von Kapitalgesellschaften, die

nicht in Großbritannien ihren Sitz haben, in die Bemessungsgrundlage ihrer Mutter-

gesellschaft einbezogen werden und unterliegen der Besteuerung in Großbritannien.39

Dies setzt voraus, dass die Gesellschaft von einer in Großbritannien ansässigen Person

„kontrolliert“ wird, die Gesellschaft einem „niedrigen Besteuerungsniveau“40 unter-

liegt und keine Ausnahmeregelung eingreift.41 Die von einer ausländischen Tochter-

gesellschaft erzielten Gewinne werden nach Maßgabe der CFC-Regelungen der

Muttergesellschaft zugerechnet und in deren Besteuerungsgrundlage einbezogen.42

Der Zweck der Regelung besteht darin, Gewinnumleitungen zu bekämpfen.43

Voraussetzungen der britischen CFC-Regelungen. Verfügen in Großbritan-

nien ansässige Gesellschafter über eine Beteiligung oder Stimmrechte in einem Maße,

dass sie gegenüber der Gesellschaft ihren Willen durchzusetzen können oder sind sie

hierzu aufgrund anderer vertraglicher Regelungen in der Lage, gilt die Gesellschaft als

„kontrollierte Gesellschaft“.44 Der in Großbritannien ansässige Anteilseigner einer

solchen Gesellschaft kann der Besteuerung nach Maßgabe der CFC-Regelungen

unterliegen, wenn seine Beteiligung an der niedrig besteuerten Gesellschaft mehr als

25 % beträgt.45 Ob eine niedrige Besteuerung vorliegt, wird durch den Vergleich mit

der Steuerlast bestimmt, die sich bei Ansässigkeit der beherrschten Gesellschaft in

Großbritannien ergeben hätte. Beträgt die Steuerlast der ausländischen Gesellschaft

38 EuGH vom 12. 9. 2006 – Rs. C-196/04 (Cadbury), DStR 2006, 1686. 39 Dabei handelt es sich um folgende Vorschriften: Sections 747 bis 756 und Schedules 24 bis 26 des

Income and Corporation Taxes Act 1988 (Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz 1988); vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Philippe Léger vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes plc, Cadbury Schweppes Overseas Ltd gegen Commissioners of Inland Revenue [im Folgenden: Cadbury]), Rdnr. 14. 40 Schlussanträge des Generalanwalts Philippe Léger vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury),

Rdnr. 15. 41 Es werden fünf Ausnahmeregelungen beschrieben, vgl. Schlussanträge des GA Léger vom

2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 16. 42 Schlussanträge des Generalanwalts Philippe Léger vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury),

Rdnr. 14. 43 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 123. 44 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 14. 45 Vgl. Lieber/Rasch, Mögliche Konsequenzen der Rechssache „Cadbury Schweppes“ für die

deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, GmbHR 2004, 1572 (1574); Körner, Europarecht und CFC-Regelungen, IStR 2004, 697 (698).

11

12

Einführung und Begriffsbestimmung

9

weniger als 75 % der Steuerlast, die sich bei einer Ansässigkeit in Großbritannien

ergeben hätte, liegt eine niedrige Besteuerung vor.46

Ausnahmetatbestände. Als Ausnahmetatbestand kommt zunächst in Betracht,

dass die Tochtergesellschaft innerhalb von 18 Monaten nach Ablauf ihres Wirtschafts-

jahres mindestens 90 % ihrer Gewinne ausschüttet, die Gesellschaft weist dann eine

„akzeptable Ausschüttungspolitik“ auf.47 Außerdem ergibt sich eine Ausnahmerege-

lung, wenn die Gesellschaft einen dauerhaft eingerichteten Geschäftsbetrieb aufweist

und nicht hauptsächlich so genannte „steuerbefreite“ Tätigkeiten entfaltet.48 Außer-

dem finden die CFC-Regelungen keine Anwendung, wenn die Tochtergesellschaft an

der Börse notiert ist, hierfür ist Voraussetzung, dass sich 35 % der Stimmrechte im

freien Verkehr befinden und dass die Anteile an der Tochter an einer anerkannten

Börse notiert sind und gehandelt werden.49 Schließlich kann eine Ausnahmeregelung

eingreifen, wenn die zu versteuernden Gewinne der ausländischen Tochtergesellschaft

nicht 50.000 GBP übersteigen.50 Die britischen Steuerbehörden haben zudem eine

Liste von Ländern veröffentlicht, in denen Tochtergesellschaften gegründet werden

dürfen, ohne dass die CFC-Regelungen anzuwenden sind.51

Motivtest. Ergibt sich bei einem „Motivtest“, dass das geringe Steuerniveau nicht

das Hauptmotiv für die Einschaltung der Tochtergesellschaft darstellt, finden die CFC-

Regelungen ebenfalls keine Anwendung. Der Steuerpflichtige muss dazu nachweisen,

dass die Minderung der Steuer in Großbritannien nicht der Hauptzweck oder einer

der Hauptzwecke dieser Umsätze war und dass der Hauptgrund oder einer der Haupt-

gründe für das Bestehen der Tochtergesellschaft nicht darin lag, die Steuerbelastung

durch Abzug von Gewinnen zu vermindern.52

Rechtsfolgen. Als Rechtsfolge sehen die britischen Regelungen vor, dass der

Gewinn der Gesellschaft auf der Ebene des inländischen Steuerpflichtigen entspre-

chend der Beteiligung des Gesellschafters besteuert wird.53 Der Gewinn ist nach den

46 Vgl. zu den Voraussetzungen: Lieber/Rasch, Mögliche Konsequenzen der Rechtssache „Cadbu-

ry/Schweppes“ für die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, GmbHR 2004, 1572 (1573 f.). Eine niedrige Besteuerung kann auch in Fällen von „designer tax rates“ angenommen werden. Eine Ausnahme greift ein, wenn die Tochtergesellschaft in einem Staat ansässig ist, der in einer „weißen Liste“ geführt wird, sofern 90 % der Einkünfte aus diesem Staat stammen. 47 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 16. 48 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 16. 49 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 16. 50 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 16. 51 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 18. 52 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 16. 53 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 14.

13

14

15

Die Rechtssache Cadbury

10

Regeln des britischen Steuerrechts zu ermitteln, die von der ausländischen Gesellschaft

gezahlten Steuern sind auf die in Großbritannien zu zahlenden Steuern anzurechnen.54

Vergleich zu §§ 7–14 AStG. Die britischen CFC-Regelungen setzen ebenso

wie die Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung voraus, dass inländische

Anteilseigner zu mehr als 50 % an der ausländischen Gesellschaft beteiligt sind. Die

Beteiligung muss nach den deutschen Regelungen am Ende eines Wirtschaftsjahres

bestehen, in Großbritannien kann diese Voraussetzung zu irgendeinem Zeitpunkt des

Wirtschaftsjahres erfüllt sein.55 Unterschiede bestehen hinsichtlich des persönlichen

Geltungsbereichs. In Deutschland können sowohl natürliche Personen, als auch juristi-

sche Personen von der Hinzurechnungsbesteuerung betroffen sein.56 In Großbritan-

nien erfassen die CFC-Regelungen allein dort ansässige Kapitalgesellschaften.57 Die

Niedrigbesteuerung liegt nach § 8 Abs. 3 AStG vor, wenn eine Steuerbelastung von

weniger als 25 % gegeben ist. In Großbritannien wird die Steuerlast die sich in Inland

ergeben würde, mit der ausländischen Steuerlast verglichen und gilt als niedrig, wenn

sie weniger als 25 % der angenommenen Steuerbelastung in Großbritannien beträgt.

Der Gewinn der ausländischen Gesellschaft ist in beiden Staaten nach inländischen

Rechtsvorschriften zu ermitteln.58 Dabei unterscheidet sich der Umfang der Zurech-

nung. In Deutschland werden jedem inländischen Gesellschafter anteilig „Zwischen-

einkünfte“ (das sind passive, niedrig besteuerte Einkünfte) zugerechnet. Nach den

CFC-Regelungen Großbritanniens werden sämtliche Einkünfte der beherrschten

Gesellschaft zugerechnet, wenn passive Einkünfte überwiegen.59 Ein im Hinblick auf

die Rechtssache Cadbury bedeutender Unterschied besteht darin, dass nach den briti-

schen Bestimmungen ein Entlastungsbeweis (Motivtest) geführt werden kann.

54 Vgl. Lieber/Rasch, Mögliche Konsequenzen der Rechssache „Cadbury Schweppes“ für die

deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, GmbHR 2004, 1572 (1574). 55 Vgl. Lieber/Rasch, Mögliche Konsequenzen der Rechssache „Cadbury Schweppes“ für die

deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, GmbHR 2004, 1572 (1576). 56 Dieses Erfordernis ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem AStG, jedoch lässt sich aus § 7

Abs. 1 AStG, § 10 Abs. 1 und § 10 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 und § 10 Abs. 3 AStG schließen, dass sowohl natürliche als auch juristische Personen vom Anwendungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung erfasst sind. 57 Das sind Gesellschaften britischen Rechts oder Gesellschaften, deren zentrale Verwaltungs- oder

Kontrollorgane sich im Vereinigten Königreich befinden. 58 Für das deutsche Steuerrecht gilt dies nach § 10 Abs. 3 AStG. 59 Vgl. Lieber/Rasch, Mögliche Konsequenzen der Rechssache „Cadbury Schweppes“ für die

deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, GmbHR 2004, 1572 (1576).

16

Einführung und Begriffsbestimmung

11

B. Problemstellung und Gang der Untersuchung

Angesichts dieser Entwicklungen und des erkannten Reformbedarfs60 fragt sich, ob die

Hinzurechnungsbesteuerung modifiziert werden kann. Das derzeit geltende Rege-

lungsmodells soll zunächst verfassungsrechtlich und gemeinschaftsrechtlich untersucht

werden. Mit den daraus gewonnnen Erkenntnissen kann ein Beitrag zur Neukonzep-

tion Hinzurechnungsbesteuerung entwickelt werden. Der Gang der Untersuchung

lässt sich daher wie folgt skizzieren:

In einem ersten Schritt soll die Grundkonzeption der Hinzurechnungsbesteuerung

auf ihre verfassungsrechtliche Tragfähigkeit überprüft werden. Verfassungsrechtliche

Zweifel an der Hinzurechnungsbesteuerung wurden vereinzelt geäußert und standen

vorwiegend in Zusammenhang mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1

GG). Sollte sich herausstellen, dass die §§ 7–14 AStG nicht mit Verfassungsrecht

vereinbar sind, folgt daraus nicht automatisch die Unzulässigkeit einer Hinzurech-

nungsbesteuerung an sich. Vielmehr können die dort aufgespürten Bedenken helfen,

eine systemgerechte Regelung zu bilden und insofern einen Beitrag zur Strukturie-

rung des Steuerrechts leisten.

In einem zweiten Schritt wird die Frage nach der Übereinstimmung mit Gemein-

schaftsrecht beantwortet. Es werden auf der Grundlage der Rechtsprechung des Euro-

päischen Gerichtshofs Problemstellungen der Hinzurechnungsbesteuerung eingeordnet

und die sich daraus ergebenden Kernelemente für eine Neugestaltung der Hinzurech-

nungsbesteuerung aufgenommen. Mit dieser Aufgabe befasst sich der dritte Teil der

Arbeit. Auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse soll überlegt werden, wel-

che Konzepte verfassungsrechtlich und gemeinschaftsrechtlich von Bestand sein kön-

nen.

60 Tatsächlich scheint in der deutschen Politik ein Handlungsbedarf erkannt zu sein, vgl. dazu

auch Gerhard Kraft und Jan Bron, Deutsche Hinzurechnungsbesteuerung und Europarecht, RIW 2006, 209 mit Hinweis auf den Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD. Dort findet sich unter Punkt II. (Staatsfinanzen und Steuersystem), Unterpunkt 2.8. (Steuerpolitik in Europa) die Aussage: „Wir werden kurzfristig die unter europarechtlichen Aspekten zweifelhaften Normen überprüfen und anpassen [...]. [...] Wegen der zunehmenden Bedeutung des Europäischen Gerichtshofs in Steuersachen werden wir, soweit erforderlich, Normen des deutschen Steuerrechts verteidigen, um die bislang erreichten Grundsätze des internationalen Steuerrechts zu wahren und damit schwerwiegende finanzielle Auswirkungen auf unsere nationa-len Haushalte zu vermeiden.“ Vgl. dazu den Koalitionsvertrag „Gemeinsam für Deutschland. Mit Mut und Menschlichkeit.“ vom 11. November 2005.

stellung und Gang der chung 17

18

19

Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab

12

2. Teil. Verfassungsrechtliche Bedenken

A. Vereinbarkeit der §§ 7–14 AStG mit Art. 3 GG

I. Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 GG

Für die verfassungsrechtliche Untersuchung bietet der allgemeine Gleichheitssatz

(Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz [GG]61) den vorrangigen Prüfungsmaßstab. Gemäß Art. 3

Abs. 1 GG sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Aus dem allgemeinen Gleich-

heitssatz ergeben sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts je nach

Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für

den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an

Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.62 Der Gleichheitssatz ist umso strikter, je

mehr er den Einzelnen als Person betrifft und umso mehr für gesetzgeberische Gestal-

tungen offen, als allgemeine, für rechtliche Gestaltungen zugängliche Lebensverhält-

nisse geregelt werden.63 Das Gleichheitsgebot ist verletzt, wenn der Gesetzgeber eine

Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten ohne hin-

reichend gewichtigen Grund anders behandelt.64

Der in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Gleichheitssatz findet im Steuer-

recht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als Grundsatz der Las-

tengleichheit eine besondere Ausprägung.65 Art. 3 Abs. 1 GG gewährleistet im Bereich

des Einkommen- bzw. des Körperschaftsteuerrechts die Gleichmäßigkeit der Lasten-

61 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. 5. 1949, BGBl. I 1949, 1, zuletzt

geändert durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 26. 7. 2002, BGBl. I 2002, 2863. 62 Vgl. BVerfG vom 2. 3. 1999 – 1 BvL 2/91, BVerfGE 99, 367. 63 BVerfG vom 10. 4. 1997 – 2 BvL 1997, 96, 1 (5 f.); BVerfG vom 30. 9. 1998 – 2 BvR

1275/96, BVerfGE 99, 88 (94). 64 BVerfG vom 14. 10. 1997 – 1 BvL 5/89, BVerfGE 96, 315 (325); 100, 138, 174. 65 Vgl. etwa BVerfG vom 6. 12. 1983 – 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325 (354 f.); BVerfG vom

22. 2. 1984 – 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214 (223), BStBl. II 1984, 357; BVerfG vom 27. 6. 1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (268 ff.), BStBl. II 1991, 654.

Gleichheits-rechtliche Bedenken

20

Art. 3 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab

21

Gleichheitsrechtliche Bedenken

13

verteilung und die Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit.66 Im Be-

reich des Steuerrechts stellt deshalb der Grundsatz der Besteuerung nach der wirt-

schaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit67 den vorrangigen Vergleichsmaßstab

dar.68

Der Gesetzgeber hat, so das Bundesverfassungsgericht, bei der Auswahl des Steuer-

gegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weit reichenden Gestal-

tungsspielraum. Nach Regelung dieses Ausgangstatbestandes aber hat er die einmal

getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit

umzusetzen.69 Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines

besonderen sachlichen Grundes.70 Auch bei steuerlichen Regelungen, die das Leis-

tungsfähigkeitsprinzip verletzen, prüft das Bundesverfassungsgericht, ob für die vorge-

sehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass

sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können.71

II. Ungleichbehandlung

1. Vergleichbarkeit der Sachverhalte

Die für Art. 3 Abs. 1 GG erforderliche Vergleichbarkeit ist gegeben, wenn die den

eintretenden rechtlichen Wertungen zugrunde liegenden Lebensverhältnisse in we-

sentlichen Elementen miteinander vergleichbar sind.72 Die Lebensverhältnisse, die als

vergleichbare Sachverhalte bzw. Regelungskomplexe in Betracht kommen, sind auf die

für die rechtliche Wertung wesentlichen Elemente zu untersuchen. Eine Ungleichbe-

handlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG könnte gegeben sein, da sich für niedrig

besteuerte Einkünfte ausländischer Kapitalgesellschaften nach Maßgabe der §§ 7–14

66 Vgl. BVerfG vom 10. 5. 1960 – 1 BvR 190/58 u. a. BVerfGE 11, 105 (119); BVerfG vom 19.

12. 1967 – 2 BvL 4/65, BVerfGE 23, 12 (23); BVerfG vom 10. 2. 1987 – 1 BvL 18/81 u. a., BVerfGE 74, 182, BStBl. II 1987, 240 (245). 67 BVerfG vom 29. 3. 1990 – 1 BvL 20/86, BVerfGE 82, 60; BVerfG vom 10. 11. 1998 – 2 BvL

42/93, BVerfGE 99, 246. 68 Vgl. etwa Paul Kirchhof, Steuerrechtsordnung als Wertordnung, StuW 1996, 3 (6). 69 BVerfG vom 22. 6. 1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (136); BVerfG vom 30. 9. 1998 – 2

BvR 1275/96, BVerfGE 99, 88 (95). 70 Vgl. zuletzt BVerfG vom 6. 3. 2002 – 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (126). 71 BVerfG vom 26. 1. 1993 – 1 BvL 38/92, BVerfGE 88, 87 (97); 99, 367 (389). 72 Vgl. dazu Dieter Birk, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO 1977, Rdnr. 434, Rudolf Wendt,

in: Festschrift Friauf, 865.

22

Vergleichbarkeit der Sachverhalte

23

Vergleichbarkeit der Sachverhalte

14

AStG andere Rechtsfolgen ergeben, als wenn diese Einkünfte als Dividende besteuert

werden.

Das Außensteuergesetz regelt die Zurechnung von „Zwischeneinkünften“, daher

liegen dem Hinzurechnungsbetrag „Einkünfte“ der ausländischen Gesellschaft zu

Grunde (§ 10 Abs. 4 AStG). Der Hinzurechnungsbetrag stellt demnach keine „Ein-

nahme“ (etwa im Sinne des § 3c des Einkommensteuergesetzes73 [EStG]) dar.74 Die

Einkünfte einer Zwischengesellschaft sind „steuerpflichtig“ (§ 7 Abs. 1 AStG), aller-

dings kennen weder das Einkommensteuergesetz noch das Körperschaftsteuergesetz

(KStG)75 eine „Steuerpflicht“ von Einkünften.76

Der Geltungsbereich des § 7 AStG. Gemäß § 7 Abs. 1 AStG sind die Ein-

künfte, für die eine ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft ist (§ 8 Abs. 1

AStG), bei jeder an der Gesellschaft beteiligten unbeschränkt steuerpflichtigen Person

zu dem Teil steuerpflichtig, der auf die ihr zuzurechnende Beteiligung am Nennkapi-

tal der Gesellschaft entfällt, wenn unbeschränkt steuerpflichtige Personen zu mehr als der

Hälfte an der ausländischen Gesellschaft beteiligt sind.77 Die Steuerpflicht für die

Einkünfte einer solchen Gesellschaft entsteht, wenn eine Beteiligung an einer ausländi-

schen Gesellschaft vorliegt. Näher bestimmt wird das Merkmal der ausländischen Gesell-

schaft durch eine in § 7 Abs. 1 AStG enthaltene Legaldefinition. Der sachliche An-

wendungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung betrifft danach Körperschaften,

Personenvereinigungen oder Vermögensmassen im Sinne des Körperschaftsteuer-

73 Einkommensteuergesetz (EStG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. 10. 2002 –

BGBl. I 2002, 4210, bereinigte Fassung BGBl. I 2003, 179 – zuletzt geändert durch Gesetz zur Neuorganisation der Bundesfinanzverwaltung und zur Schaffung eines Refinanzierungsgesetzes vom 22. 9. 2005, BGBl. I 2005, 2809. 74 Vgl. dazu BFH vom 7. 9. 2005 – I R 118/04, BB 2005, 2668 75 Körperschaftsteuergesetz (KStG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. 10. 2002

(BGBl. I 2002, 4144), zuletzt geändert durch Gesetz zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgeset-zes und anderer Gesetze vom 15. 12. 2004 BGBl. I 3416. 76 Beide Gesetze enthalten etwa in § 1 EStG oder § 1 KStG Bestimmungen zur Steuerpflicht des

Besteuerungssubjekts. Vgl. auch § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG: danach gelten Einkünfte der ausländischen Gesellschaft als zugeflossen. Einkünfte sind – abhängig von der Einkunftsart – der Gewinn oder der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 2 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 EStG). Das Er-tragsteuerrecht spricht ansonsten vom Zufluss von „Einnahmen“, nicht von Einkünften (vgl. § 11 Abs. 1 EStG). 77 Die weiteren Tatbestände und Voraussetzungen für die Beteiligung enthält § 7 Abs. 2 AStG, Heinrich Watermeyer/Sven Meyer, Änderungen in der Hinzurechnungsbesteuerung, GmbHStB 2004, 202; Watermeyer, Auswirkungen des AStG auf die GmbH-Holding, GmbHStB 2002, 317; Hannes Scheibnitz, Außensteuerliche Abschirmwirkung von Genussrechten, RIW 2003, 196; Horst Rät-tig/Peer Protzen, Die neue Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7–14 AStG in der Fassung des UntStFG, IStR 2002, 123.

24

25 Geltungsbe-reich der Hinzurech-nungsbesteurung

Geltungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung

15

gesetzes, die weder Geschäftsleitung noch Sitz (§§ 9–11 Abgabenordnung

[AO 1977]78) im Geltungsbereich des Außensteuergesetzes haben und die nicht gemäß

§ 3 Abs. 1 KStG von der Körperschaftsteuerpflicht ausgenommen sind. Eine ausländi-

sche Gesellschaft unterliegt nach Maßgabe des Außensteuergesetzes nicht mit ihren

gesamten Einkünften der Hinzurechnungsbesteuerung, sondern nur mit den Einkünf-

ten, „für die diese Gesellschaft Zwischengesellschaft ist“ (§ 7 Abs. 1 AStG).

Das Außensteuergesetz benutzt den Begriff der Zwischengesellschaft, beschreibt

damit jedoch kein gesellschaftsrechtliches Gebilde, da es eine Zwischengesellschaft „per

se“ nicht gibt“.79 Die Bestimmung dieser Tatbestandsvoraussetzung ergibt, dass eine

ausländische Gesellschaft die Merkmale einer Zwischengesellschaft erfüllt, wenn sie

Einkünfte erzielt, die einer niedrigen Besteuerung (§ 8 Abs. 3 AStG) unterliegen und

die nicht aus einer der in § 8 Abs. 1 Nrn. 1–9 AStG genannten Tätigkeiten stammen.

Eine niedrige Besteuerung liegt nach der Legaldefinition in § 8 Abs. 3 AStG vor,

wenn Einkünfte in dem ausländischen Staat mit weniger als 25 % steuerlich belastet

sind. Bei Beurteilung der Frage, ob diese Grenze erreicht wird, ist auf sämtliche im

Sitz- oder Geschäftsleitungsstaat erhobene Ertragsteuern abzustellen. Dieser Steuersatz

ist nach den Einkünften im Sinne von § 8 Abs. 1 AStG und den darauf entfallenden

Ertragsteuern zu ermitteln. Treffen diese Kriterien zu, werden die Einkünfte der aus-

ländischen Kapitalgesellschaft auf der Ebene des inländischen Anteilseigners gemäß

§§ 7–14 AStG der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer unterworfen.80 Dabei wer-

den in den persönlichen Anwendungsbereich unbeschränkt einkommensteuer-

78 Abgabenordnung (AO 1977) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. 10. 2002,

BGBl. I 2002, 3866, bereinigte Fassung BGBl. I 2003, 61, zuletzt geändert durch Gesetz zur Neuor-ganisation der Bundesfinanzverwaltung und zur Schaffung eines Refinanzierungsregisters vom 22. 9. 2005, BGBl. I 2809. 79 Vgl. Volker Kluge, Internationales Steuerrecht, Rdnr. N 380. Der Begriff Zwischengesellschaft

bezeichnet keine eigenständige Rechtsform oder Erscheinungsform einer Kapitalgesellschaft, sondern ist nur Ausdruck der Zurechnung bestimmter Einkünfte auf der Ebene des Gesellschafters. Kritisch dazu Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, vor §§ 7–14 AStG Rdnr. 6. 80 Harald Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 10. 3.; Thomas Menck, in: Blümich, EStG, KStG,

UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz, Vorbemerkungen zu den §§ 7–14 AStG, Rdnrn. 13a f.; Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 7 AStG, Rdnrn. 7 f.; Jörg-Manfred Mössner, Selbständigkeit juristischer Personen und der Kapitalgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, RIW 1986, 209 (211); BFH vom 12. 7. 1989 – I R 46/85, BStBl. II 1990, 113.

26

Hinzurechnungsbetrag als „Quasi-Dividende“

16

pflichtige Personen und körperschaftsteuerpflichtige Personen einbezogen81, die jeder

für sich allein oder mit anderen unbeschränkt steuerpflichtigen Personen gemeinsam

die in § 7 Absätze 1 und 2 AStG bestimmte Beteiligungshöhe erreichen. Dies setzt

voraus, dass unbeschränkt Steuerpflichtige unmittelbar oder mittelbar mehr als 50 %

des Nennkapitals oder der Stimmrechte halten (das sind diejenigen Rechte an Vermö-

gen, Ertrag und Entscheidungsbildung der ausländischen Gesellschaft, die Ausfluss

ihrer Beteiligung im Sinne des § 7 Abs. 1 AStG sind82), oder wenn Weisungs-

gebundenheit für die Ausübung der Stimmrechte besteht (§ 7 Absätze 2– 4 AStG).

Nach § 7 Abs. 4 AStG werden auch Anteile oder Stimmrechte erfasst, die eine natür-

liche oder juristische ausländische Person hält, die den Weisungen des inländischen

Beteiligten zu folgen hat oder so folgt, dass ihr kein eigener wesentlicher Entschei-

dungsspielraum verbleibt. Die Hinzurechnungsbesteuerung greift danach nur für den

Fall ein, dass die ausländische Gesellschaft von im Inland unbeschränkt steuer-

pflichtigen Personen beherrscht wird,83 diese Personen versteuern die gemäß den

Vorschriften in § 10 Absätze 1– 4 AStG zu ermittelnden Einkünfte der ausländischen

Gesellschaft, das Außensteuergesetz bezeichnet diese als „Hinzurechnungsbetrag“.

Der Bundesfinanzhof äußerte sich in einer Entscheidung aus dem Jahre 2005 in

Bezug auf den Hinzurechnungsbetrag:

„Der Hinzurechnungsbetrag wird nach der Regelungskonzeption des Außensteuergesetzes

insoweit als Quasi-Ausschüttung angesehen und fiktiv entsprechenden Rechtsfolgen unterworfen.

Das ändert jedoch nichts daran, dass es sich bei ihm nicht um eine (fiktive) Einnahme i. S. von

§ 8 Abs. 1 EStG 1990 handelt. Dem Betrag werden dementsprechend auch nicht Werbungs-

kosten oder Betriebsausgaben im Rahmen einer Überschussrechnung oder Gewinnermittlung zur

Ermittlung von Einkünften gegenübergestellt […]. Vielmehr handelt es sich bei ihm um einen

Einkünfteerhöhungsbetrag, der […] die Einkünfte aus Kapitalvermögen oder den Gewinn

außerhalb der Überschussrechnung […] oder der Gewinnermittlung […] erhöht. Hinzugerechnet

81 Das Gesetz (§ 7 Abs. 1 AStG) spricht von „unbeschhränkter Steuerpflicht“ und meint sowohl

die Körperschaftsteuerpflicht als auch die Einkommensteuerpflicht. Dies folgt aus § 10 Abs. 2 Satz 3 AStG, da die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes genannt werden. Eines solchen Verweises hätte es nicht bedurft, wenn die jeweilige Vorschrift schon nicht anwendbar wäre. 82 Vgl. Gabriele Vogt, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außen-

steuergesetz, § 7 AStG, Rdnr. 21. 83 Vgl. Vogt, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuer-

gesetz, § 7 AStG, Rdnr. 22 ff.

27

Hinzurechnungsbetrag als Dividende“

Geltungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung

17

werden nicht Einnahmen, sondern Einkünfte und damit das Ergebnis der Einkünfteerzielung

nach Maßgabe des § 10 Abs. 3 und 4 AStG.“84

Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG gehört der Hinzurechnungsbetrag zu den Ein-

künften im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG und gilt unmittelbar nach Ablauf des

maßgebenden Wirtschaftsjahrs der ausländischen Gesellschaft als zugeflossen. Gewinne

von Kapitalgesellschaften und die hieraus resultierenden Kapitalteile unterliegen

grundsätzlich nach den Regelungen des Einkommensteuergesetzes (die gemäß § 8

Abs. 1 KStG auch für die Besteuerung von Körperschaften Anwendung finden) auf

der Ebene des Anteilseigners der Besteuerung,85 sofern es sich um Gewinnanteile im

Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG handelt.86 Ein solcher Gewinnanteil (Dividende) im

Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG oder ein Bezug im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 2, 9

und 10 Buchst. a EStG liegt vor87 bei Zuwendungen, die aus dem Reinvermögen der

in der Vorschrift genannten Gesellschaften an ihre Gesellschafter gemacht werden,

soweit nicht dadurch auch das Grund- oder Stammkapital vermindert wird.88 Der

Hinzurechnungsbetrag wird mithin nach § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG den Einkünften aus

Kapitalvermögen zugeordnet, die sich bei Bezug einer Dividende ergeben. Das Au-

ßensteuergesetz stellt damit eine grundsätzliche Beziehung von Hinzurechnungs-

betrag – das ist der Betrag, der das Ergebnis der Ermittlung der für die Hinzurech-

nungsbesteuerung maßgebenden Einkünfte der ausländischen Gesellschaft (§ 10 Abs. 3

AStG) darstellt – und dem Dividendenbezug im Sinne des im Sinne des § 20 Abs. 1

Nr. 1 EStG her.

Die Hinzurechnungsbesteuerung bestimmt also die Steuerpflicht für Einkünfte ei-

ner ausländischen Gesellschaft, ohne dass es, wie etwa durch den Tatbestand der Ein-

kunftserzielung bei „Dividendenbezug“ im Sinne der § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 8

Abs. 1 KStG vorausgesetzt, darauf ankommt, ob ein solcher Bezug überhaupt gegeben

ist. Aus den Vorschriften in §§ 7–14 AStG ergeben sich also Besteuerungsfolgen für 84 BFH vom 7.9.2005 – I R 118/04, DStR 2004, 2120. 85 Vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 2 und 3, § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG. Vgl. zur Definition der Aus-

schüttung als Bezug aus einer Beteiligung Hans Joachim von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, § 3 Rdnr. 127. 86 Da § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG die Regelung beinhaltet, dass Einkommen im Sinne des Körper-

schaftsteuergesetzes nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaft-steuergesetzes zu bestimmen ist, gelten die Vorschriften über den Dividendenbezug auch für die Ermittlung des körperschaftsteuerpflichtigen Einkommens (§ 7 Abs. 1 Satz 1 KStG). 87 Vgl. dazu auch den Wortlaut in § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG, der an die Vorschrift des § 20 Abs. 1

Nr. 1 EStG textlich übereinstimmend anknüpft. 88 Gerd Stuhrmann, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außen-

steuergesetz, § 20 EStG Rdnr. 57.

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Hinzurechnungsbetrag als „Quasi-Dividende“

18

den Gesellschafter, ohne dass eine Ausschüttung stattgefunden hat.89 Stattdessen gilt der

Hinzurechnungsbetrag unmittelbar nach Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahres

der ausländischen Gesellschaft als zugeflossen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 AStG).

Anders ausgedrückt knüpft der Tatbestand der Hinzurechnungsbesteuerung nicht

daran an, dass Einkünfte der ausländischen Gesellschaft an den Gesellschafter „ausge-

schüttet“ (so terminologisch im Hinblick auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) oder „gezahlt“

(diesen Begriff verwendet etwa § 10 Abs. 1 OECD-MA) werden. Für die Hinzu-

rechnungsbesteuerung spielt die Ausschüttung nur insoweit eine Rolle, als nach § 3

Nr. 41 Buchstaben a und b EStG eine Steuerbefreiung für Gewinnausschüttungen und

für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften

besteht, die der Hinzurechnungsbesteuerung unterlagen. Durch diese Vorschrift soll

eine Doppelbelastung verhindert werden, die aus der Hinzurechnungsbesteuerung und

einer anschließenden Besteuerung des Dividendenbezugs herrührt.90 Ansonsten sind

die Vorschriften in § 8b Abs. 1 AStG und § 3 Nr. 40 EStG nicht auf den Hin-

zurechnungsbetrag anzuwenden (§ 10 Abs. 2 Satz 3 AStG).

Obwohl der Dividendenbezug der sachlichen Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 5

EStG, § 8 KStG, § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) unterliegt, werden Erträge von Kapital-

gesellschaften, die Gegenstand einer Ausschüttung an den Anteilseigner sein könnten,

unter den von der Hinzurechnungsbesteuerung bestimmten Voraussetzungen als

„Quasi-Dividende“ dem Steuerzugriff im Inland unterworfen. Einkünfte der ausländi-

schen Gesellschaft werden auf der Ebene des inländischen Anteilseigner ermittelt und

besteuert (§ 10 Absätze 1– 4 AStG). Die Regelungskomplexe der Hinzurechnungsbe-

steuerung für „Quasi-Dividenden“ und die Bestimmungen über die Besteuerung von

Dividenden sind daher in wesentlichen Elementen miteinander vergleichbar. Da der

Grundsatz der Lastengleichheit den vorrangigen Vergleichsmaßstab im Bereich des Er-

tragsteuerrechts darstellt, liegt eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG

89 Hier könnte auch in Anlehnung an die Formulierung des Art. 10 Abs. 1 des OECD-

Musterabkommens (OECD-MA) – OECD-Musterabkommen 2003 zur Vermeidung der Doppelbe-steuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen – davon gesprochen werden, dass die Gesellschaft eine Dividende „zahlt“. Danach würde entsprechend dem Wortlaut des § 10 Abs. 2 OECD-MA ein Besteuerungsrecht in Deutschland bestehen. Vgl. zu den Rechtsfragen hinsichtlich der Vereinbarkeit von DBA-Recht und Hinzurechnungsbesteuerung eingehend Hans-Jörgen Aigner, Hinzurechnungsbesteuerung und DBA-Recht, Wien 2004; ders., CFC-Gesetzgebung und Gemeinschaftsrecht, SWI 2002, 407. Vgl. zu den Bestimmungen des OECD-MA: Klaus Vogel, in: Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen, Kommentar auf Grundlage der Musterabkommen, 4. Auflage, 2003, Einleitung. 90 Siehe von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, § 3 Rdnr. 143.

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Durchgriff und Leistungsfähigkeit

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demgemäß vor, wenn sich die durch die Hinzurechnungsbesteuerung angeordnete unter-

schiedliche Besteuerung vergleichbarer Sachverhalte nicht nach dem Prinzip der Be-

steuerung nach der Leistungsfähigkeit erklären lässt.91

2. Vereinbarkeit der §§ 7–14 AStG mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip

Der Gesetzgeber verband mit den Vorschriften in §§ 7–14 AStG die Wertung, dass

bereits zu dem Zeitpunkt, in dem Einkünfte auf der Ebene der ausländischen Kapital-

gesellschaft anfallen, eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit des inländischen Anteilseig-

ners gegeben sei.92 Der inländische Anteilseigner wird demgemäß besteuert, als wären

die von der ausländischen Gesellschaft erzielten Zwischeneinkünfte unmittelbar nach

Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft vollständig

ausgeschüttet worden (§ 10 Abs. 2 Satz 1 AStG).93

Dem Leistungsfähigkeitsprinzip kommt grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf

die durch Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG gewährleistete Steuergerechtigkeit

zu. Ein Steuersystem, welches auf einem nicht verstehbaren Grundprinzip beruhte,

setzt sich dem Verdacht der Unzulänglichkeit und Kompliziertheit aus. Ein aus sich

heraus verständliches Steuersystem ist daher ohne ein begreifbares Fundamentalprinzip

nicht vorstellbar; das Leistungsfähigkeitsprinzip wäre sonst „[…] verfehlter Legitimations-

begriff und nicht Verfassungsrechtssatz, wenn es – auf eingängige Unbestimmtheit angelegt –

lediglich den Realvorgang faktischer Zugriffsmöglichkeiten glorifizieren und eine als Anomalie

verstandene Ungleichheit einebnen wollte.“94 Das Leistungsfähigkeitsprinzip würde sich

dann als „vage Ausformung eines allgemeinen Gerechtigkeitsgrundsatzes“ angreifen

und grundsätzlich anzweifeln lassen.95

Die stringente und konsequente Beanspruchung des Leistungsfähigkeitsprinzips

gewährleistet die Systemkonformität von Steuervorschriften und wäre damit auch

geeignet, die Aufsplitterung von Normen des Ertragsteuerrechts in Ausnahmetatbe-

stände und Ausnahmeverhinderungstatbestände, die Zufälligkeit gesetzgeberischer Be-

91 Vgl. dazu auch Heide Schaumburg und Harald Schaumburg, Steuerliche Leistungsfähigkeit und

europäische Grundfreiheiten im internationalen Steuerrecht, StuW 2005, 306. 92 Vogt, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz, § 7

AStG Rdnr. 3 93 Vgl. etwa BFH vom 5. 6. 2002 – I R 115/00, DStRE 2002, 1392. 94 Vgl. dazu P. Kirchhof, Die Widerspruchsfreiheit im Steuerrecht als Verfassungspflicht, StuW

2000, 316 (326). 95 Vgl. dazu Wolfgang Gassner/Michael Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und

Körperschaftsteuerrecht, 2000, 121; dort wird pauschal die Geltung des Leistungsfähigkeitsprinzips im Steuerrecht bestritten.

Möglicher Verstoß gegen dasLeistungsfähigkeitsprin

Durch-griff und

s-tungs-

g-

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34

Möglicher Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip

20

lastungs- und Entlastungsentscheidungen, von Sonderregelungen, Ausnahme-

regelungen und Zusatzregelungen zu verhindern. Diesem grundlegenden Geltungs-

anspruch wird das Leistungsfähigkeitsprinzip insbesondere dann gerecht, wenn es auch

als Auslegungsprinzip klare und bestimmte Vorgaben für den Gesetzgeber erzeugt. Es

ließe sich sonst nur schwer vermitteln, dass die Vorhersehbarkeit des Steuerzugriffs

sich in komplizierten, formelhaften Rechtssätzen verlieren kann, die nur für Fachleute

nachvollziehbar und durchschaubar sind. Der Gleichheitssatz wäre somit nur Anre-

gung juristischer und fiskalpolitischer Begründungsphantasie.

Tatsächlich scheint anerkannt, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip als „Klugheits-

regel“ die Gewähr seiner praktischen Realisierbarkeit bereits in sich trägt und für die

Klarheit und Durchschaubarkeit des Steuerrechts streitet.96 Es liegt nach alledem die

Überlegung nahe, dass nur ein verstehbares Grundprinzip den Anforderungen des

Grundgesetzes an einen verlässlichen, vorhersehbaren und lastengleichen Steuerzugriff

Rechnung trägt. Das Leistungsfähigkeitsprinzip wäre sonst kontur- und in letzter

Konsequenz nutzlos. Die grundlegende Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips

erfordert mithin, den Aussagegehalt dieses Prinzips auf eine präzise Kernaussage zu-

rückzuführen und im Hinblick auf die von §§ 7–14 AStG angeordnete Besteuer-

ungssituation begreifbar zu machen.

Das Bundesverfassungsgericht erkennt an, dass die Besteuerung auf die individuelle

Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen angelegt ist97 und fordert die Zutei-

lung steuerlicher Lasten nach der individuellen Zahlungsfähigkeit.98 Die steuerliche

Belastung muss sich an der Fähigkeit orientieren, Steuerleistungen zu erbringen.99 Da

Steuerleistungen „Geldleistungen“ sind (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AO 1977), müssen dem

Steuerpflichtigen die Mittel zur Verfügung stehen, die zum Ausgleich einer Steuer-

schuld anschließend verwendbar sind. Das Leistungsfähigkeitsprinzip will die wirt-

schaftliche Kraft erfassen, die ein am Markt tätiges Wirtschaftssubjekt erzielt100 und

sieht die Besteuerung von Einnahmen vor, die durch Leistungsaustausch am Markt er-

wirtschaftet worden sind (Markteinkommenstheorie).101 Nicht der Staat, sondern der

Markt, Marktverhalten und Markterfordernisse, welche die wirtschaftliche Erwerbs-

96 Vgl. insbesondere Klaus Tipke, Die Steuerrechtsordnung, 2. Auflage, 2000, Band I, 485. 97 Vgl. nur BVerfG vom 29. 5. 1990 – 1 BvL 20/84 u. a., BVerfGE 82, 60 (86 f.). 98 Birk, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 4 AO

Rdnr. 457. 99 Vgl. BVerfG vom 29. 5. 1990 – 1 BvL 20/84 u. a., BVerfGE 82, 60 (86). 100 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip in der Unternehmenssteuerreform, StuW 2000, 328 (330). 101 Vgl. dazu R. Wendt, Empfiehlt es sich, das Einkommensteuerrecht zur Beseitigung von Un-

gleichbehandlungen und zur Vereinfachung neu zu ordnen? DöV 1988, 710 (714).

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Durchgriff und Leistungsfähigkeit

21

tätigkeit prägen, entscheiden darüber, ob Leistungsfähigkeit entsteht. Die Leistungsfä-

higkeit wird nicht durch rechtliche Wertungen, Fiktionen oder ähnliche Vorgänge

bestimmt. Leistungsfähigkeit muss dort besteuert werden, wo sie entsteht und nicht

dort, wo der Gesetzgeber präferentiell eine Besteuerungsmöglichkeit generieren wür-

de.

Das Leistungsfähigkeitsprinzip steht dem Gesetzgeber nicht zur Seite, um jedwe-

den Steuerzugriff zu rechtfertigen. Könnte der Gesetzgeber durch Gesetz den Um-

stand bestimmen, durch den die Leistungsfähigkeit entsteht, ließen sich durchweg

beliebige Besteuerungsrechte erzeugen. Der Steuerzugriff würde dann die Leistungsfä-

higkeit vorbestimmen. Richtigerweise determiniert das Verfassungsrecht die Vor-

aussetzungen, nach denen der Gesetzgeber den Steuerzugriff ausformen muss.

Im Bereich des Einkommensteuerrechts bildet das Leistungsfähigkeitsprinzip einen

Belastungsgrund, da der Steuerzugriff auf die aus dem Einkommen entstandenen

Wertgegenstände (Vermögensteile) gerichtet wird, die sich der Steuerpflichtige durch

seine Erwerbstätigkeit aneignen konnte. Diese Vermögensteile stellen das Ergebnis der

wirtschaftlichen Betätigung dar und sind Grundlage für die Bestimmung der Leis-

tungsfähigkeit. Das Leistungsfähigkeitsprinzip verlangt mithin, dass die wirtschaftliche

Wertigkeit des Erwerbsvorgangs aufgenommen und danach ein Teil von ihr ab-

geschöpft wird.

Was die Besteuerung des Gewinns von Kapitalgesellschaften anbetrifft, ist die Leis-

tungsfähigkeit einer Kapitalgesellschaft von der Leistungsfähigkeit eines Gesellschafters

zu unterscheiden: Die Körperschaftsteuer bemisst sich nach der Leistungsfähigkeit der

Kapitalgesellschaft,102 es findet somit grundsätzlich eine Betrachtung von Gesellschaft

und Gesellschafter statt, die beide Erwerbssubjekte hinsichtlich ihrer steuerlichen

Leistungsfähigkeit streng voneinander trennt.103 Diese konzeptionelle Unterscheidung

des Leistungsfähigkeitsprinzips steht in Einklang mit der zivilrechtlich akzeptierten

Selbständigkeit juristischer Personen.104 Unterschiedliche Belastungen des Ertrags, sei

es aus besonderen wirtschaftspolitisch oder fiskalpolitisch begründeten Erwägungen

heraus, sind nicht im Leistungsfähigkeitsprinzip angelegt. Da die Hinzurechnungsbe-

steuerung die Besteuerung auf der Ebene des Kapitalgesellschafters vornimmt und

diesem die Leistungsfähigkeit einer Kapitalgesellschaft zuerkennt, folgt daraus eine

102 Vgl. BFH vom 9. 2. 1982 – VIII B 132/81, BStBl. II 1982, 401, BFHE 135, 303. 103 Vgl. R. Wendt, in: Festschrift Friauf, 865 (870). Diese Beziehung wird nach Abkehr vom Anre-

chungsverfahren zum System der Definitivbesteuerung bestätigt. Körperschaft und Anteilseigner sind zwei verschiedene Rechtssubjekte, deren Besteuerung unterschiedlichen Kriterien folgt. 104 Vgl. Jürgen Pelka, Rechtsformneutralität im Steuerrecht, StuW 2000, 389 (394).

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Möglicher Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip

22

Kollision mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Da eine Besteuerung des Gesellschafters

aber die Erhöhung seiner tatsächlichen Leistungsfähigkeit erfordert, darf nicht im

Wege einer Wertung diese Leistungsfähigkeit fingiert werden.

Was die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der zivilrechtli-

chen Selbständigkeit von Kapitalgesellschaften und deren Bedeutung für das Steuer-

recht anbetrifft, hat dieses bereits in einer Entscheidung vom 24. 1. 1962 erkannt, dass

eine tief greifende Verbindung von Privat- und Steuerrecht bestehe, das Steuerrecht

knüpfe nicht nur an die gegebenen Lebensverhältnisse und damit auch an ihre zivil-

rechtliche Ordnung an, sondern bestimme den Steuergegenstand prinzipiell nach

Rechtsformen des bürgerlichen Rechts.105 Wörtlich führte das Bundesverfassungsge-

richt hierzu aus:

„Wenn es schon bei jeder derartigen Anknüpfung nicht nur im Interesse der Klarheit und

Einheit, sondern vor allem der inneren Autorität der Rechtsordnung liegt, die Entsprechung von

Privat- und Steuerrecht durchgehend zu wahren, also die Ordnungsstruktur des Zivilrechts zu

achten, so ist es besonders bedenklich, wenn die benützte zivilrechtliche Ordnung vom Steuer-

recht gerade an der Stelle durchbrochen wird, die ihre eigentliche rechtliche Bedeutung ausmacht.“

In dieser Erwägung klingt die prinzipielle Undurchlässigkeit der Kapitalgesellschaft

an, zu deren Wesen es gerade gehöre, dass mit ihrer rechtlichen Verselbständigung die

Gesellschafter grundsätzlich abgeschirmt seien.106 In dieser Entscheidung wird zudem

herausgestellt, dass es sich bei einem so genannten Durchgriff – gemeint ist die Durch-

brechung der rechtlich abschirmenden Wirkungen einer Kapitalgesellschaft – „in jedem

Fall um einen schweren Eingriff in eine Grundform unserer Rechtsordnung handelt, durch den

die Bedeutung der Rechtsfigur der juristischen Person beeinträchtigt werde und der deshalb nur im

engsten Rahmen und aus dringlichsten Gründen zulässig erscheine.“ 107 Diese deutliche

Aussage über das Verhältnis von Kapitalgesellschaft und der dahinter stehenden Person

streitet in unmissverständlicher Weise für die hier interessierende Frage, ob mit der

Hinzurechnungsbesteuerung eine Durchbrechung des Prinzips der Besteuerung nach

der Leistungsfähigkeit gegeben ist. Diese Entscheidungserwägung lässt sich wider-

spruchsfrei den Grundaussagen des Leistungsfähigkeitsprinzips zuordnen, da gleicher-

105 BVerfG vom 24. 1. 1962 – 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331; NJW 1962, 435. 106 Vgl. Wassermeyer, in: Festschrift für Werner Flume zum 70. Geburtstag, Köln 1978, Die Ver-

einbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz mit dem Grundgesetz und den Vorschriften der Doppelbesteuerungsabkommen, Horst-Heinrich Jakobs (Hrsg.), 323 (328) m.w.N. 107 Vgl. dazu Wassermeyer, in: Festschrift für Werner Flume zum 70. Geburtstag, Köln 1978, Die

Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz mit dem Grundgesetz und den Vorschriften der Doppelbesteuerungsabkommen, Horst-Heinrich Jakobs (Hrsg.), 323 (324).

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Durchgriff und Leistungsfähigkeit

23

maßen zum Ausdruck kommt, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip eine Durchdrin-

gung, Durchbrechung oder einen Durchgriff zwischen den Ebenen von Gesellschaft

und Gesellschafter nicht trägt. Dass sich unter Hinweis auf das Leistungs-

fähigkeitsprinzip die Hinzurechnungsbesteuerung nicht rechtfertigen lässt, bedeutet

indes nicht, dass die Hinzurechnungsbesteuerung schlechthin unzulässig wäre; viel-

mehr gilt ein strenger Maßstab, wenn die Überwindung der Abschirmwirkung nor-

mativ angeordnet wird.108

Die Entstehung und die erwerbswirtschaftliche Betätigung eines von der Rechts-

ordnung anerkannten Rechtssubjekts, auf welches die verfassungsrechtliche Wirkung

der Grundrechte (Art. 19 Abs. 3 GG) erstreckt wird, unterliegt auch aus der Sicht des

Leistungsfähigkeitsprinzips identischen Wertungen, wie dies auf jeden anderen

Rechtsträger – sei es eine natürliche oder juristische Person – zu übertragen ist. Das

Leistungsfähigkeitsprinzip erlaubt weder die Besteuerung von Einkünften einer aus-

ländischen Kapitalgesellschaft,109 noch lässt sich aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip eine

grundsätzliche Aussage entnehmen, dass Gewinne einer Kapitalgesellschaft auf der

Ebene des Anteilseigners der Besteuerung unterliegen. Eine konsequente Beanspru-

chung des Leistungsfähigkeitsprinzips bedeutet indes, dass mit der Entstehung eines

Rechtsträgers, etwa mit Gründung einer Kapitalgesellschaft, ein gegenüber anderen

Rechtssubjekten gleichwertiges rechtliches Gebilde besteht. Die Leistungsfähigkeit

einer Kapitalgesellschaft stellt eine eigenständige Bewertungsgröße für die Besteuerung

dar. Demgegenüber hat der Anteilseigner die Besteuerung erst hinzunehmen, wenn

ein Anlass gegeben ist, der als eine Steigerung seiner tatsächlichen Leistungsfähigkeit

aufzufassen ist. Unerheblich ist dabei, ob es sich um einen inländischen oder um einen

ausländischen Vorgang handelt, da beide Vorgänge wirtschaftlich gleich zu bewerten

sind.110 Wegen der zivilrechtlichen – vom Steuerrecht aufgenommenen – Trennung

zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter bedarf es aus Sicht des Leistungs-

fähigkeitsprinzips eines verlässlichen Instruments, durch welches zielgenau die Grund-

lagen für die Besteuerung des Gesellschafters bestimmt werden können. Die wider-

108 Vgl. dazu: R. Wendt, DÖV 1988, 710 (714); ders. NVwZ 1988, 778 (783); sowie BVerfGE 34,

103 (115). 109 Dazu: K. Vogel, Über „Besteuerungsrechte“ und über das Leistungsfähigkeitsprinzip im interna-

tionalen Steuerrecht, in: Festschrift für Franz Klein, Köln 1994, 361 (364 ff.); Harald Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im internationalen Steuerrecht, in: Festschrift für Klaus Tipke, Köln 1995, 125 (131). 110 So zutreffend Jörg Manfred Mössner, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz,

Kommentar, 96. Ergänzungslieferung, März 2000, § 2a Rdnr. A 13.

43

Möglicher Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip

24

spruchsfreie Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips111 verlangt mithin die

Ermittlung tauglicher Indikatoren, an welche die Besteuerung anzuknüpfen ist. Ge-

eigneter Indikator ist nur das objektiv vom Steuerpflichtigen erworbene Einkommen,

dem die Rechtsordnung einen objektiven Wert zuerkennt. Der verfassungsrechtlich

gebotene Steuerzugriff erstreckt sich auf das „Erworbene“ nicht auf die Erwerbs-

fähigkeit.112

Da steuerliche Leistungsfähigkeit des Gesellschafters dessen Zahlungsfähigkeit vor-

aussetzt,113 kommt allein der faktischen Steigerung des steuerlichen Leistungsvermö-

gens Bedeutung zu, die gesetzliche Fiktion der Leistungsfähigkeitszunahme genügt

nicht als Indikator.114 Damit lässt sich die Aussage des Leistungsfähigkeitsprinzips für

das Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter präzisieren: Soll jeder

Steuerpflichtige nach seiner finanziellen Leistungsfähigkeit gleichmäßig zur Finanzie-

rung der allgemeinen Staatsaufgaben herangezogen werden, muss die Leistungskraft

konsequent nach objektiv messbaren Kriterien ermittelt werden.115 Steuerliche Leis-

tungsfähigkeit entsteht objektiv erst dann, wenn der Steuerpflichtige tatsächlich in der

Lage ist, die ihn treffenden Steuerforderungen aus dem ihm zugegangenen objektiven

Wert seiner Erwerbstätigkeit zu erfüllen. Hierfür reicht die Gewinnerzielung auf der

Ebene der Kapitalgesellschaft nicht aus, es bedarf vielmehr eines wertbildenden Vor-

gangs auf der Ebene des Gesellschafters, dem die Rechtsordnung eine bereichernde

Wirkung zuerkennt.

Leistungsfähigkeit entsteht im Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Gesell-

schafter allein durch Wertrealisation, und damit aufgrund des tatsächlichen Vorgangs,

der zu einer objektiv messbaren Bereicherung des Steuerpflichtigen führt.116 Ein sol-

ches Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips wird auch in der Rechtsprechung des

Bundesfinanzhofs prinzipiell erkennbar. Im konkreten Bezug zur Besteuerung von

Gewinnen juristischer Personen auf der Ebene des Anteilseigners finden sich hierfür

aussagekräftige Nachweise. So ist anerkannt, dass mit dem Beschluss über die Verwen-

111 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip in der Unternehmensteuerreform, StuW 2000, 328. 112 Paul Kirchhof, Steuergleichheit, StuW 1984, 297 (305). 113 Vgl. Michael Elicker, Darf der Steuerzugriff ein Unternehmen zahlungsunfähig machen? StuW

2002, 217 (219). 114 Jörg Manfred Mössner, Selbständigkeit juristischer Personen und Kapitalgesellschaften im Interna-

tionalen Steuerrecht, RIW 1986, 209 (211); Elicker, Darf der Steuerzugriff ein Unternehmen zah-lungsunfähig machen? StuW 2002, 217 (219). 115 BVerfG vom 17. 11. 1998 – 1 BvL 10/98, BStBl. II 1999, 509 (511), BVerfG vom 22. 6. 1995

– 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (136). 116 Siehe dazu P. Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, § 8 Rdnr. 5.

44

45

Durchgriff und Leistungsfähigkeit

25

dung oder Verteilung des Gewinns einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich der Wertzu-

fluss auf der Ebene des Anteilseigners stattfindet.117 Der beherrschende Gesellschafter

einer Kapitalgesellschaft – das ist ein Gesellschafter, der aufgrund der gesellschafts-

rechtlichen Mehrheitsverhältnisse auch gegen die übrigen Gesellschafter seinen Willen

durchsetzen kann – erzielt auch ohne tatsächliche Dividendenzahlung Einkünfte, die

der Besteuerung unterliegen (§ 20 Abs. 1 EStG, § 8b Abs. 1 KStG).118 Hierfür ist

jedoch Voraussetzung, dass die Forderung auf den aus der Beteiligung resultierenden

Gewinnanteil fällig ist und einen wirtschaftlichen Wert aufweist.119 Nach Auffassung des

Großen Senats des Bundesfinanzhofs richtet sich die Wertrealisation bei Dividendenbe-

zug danach, ob ein Dritter bereit wäre, für den Anspruch auf Zahlung der Dividende

eine Gegenleistung zu zahlen.120 Ein Zuwachs an Leistungsfähigkeit liegt danach erst

mit Eintritt des Ereignisses vor, durch welches dem Dividendenanspruch ein wirt-

schaftlicher und merkantiler Wert zugewiesen wird. Eine solche Wertung lässt sich

auch handelsrechtlichen Bestimmungen entnehmen: Gemäß § 243 Abs. 1, § 246

Abs. 1 Satz 1 und § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 Handelsgesetzbuch (HGB)121 ist nach

den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung unter Beachtung des Vollständig-

keitsgebotes und des Realisationsprinzips in der Handelsbilanz darüber zu befinden, ob

eine hinreichende Konkretisierung des Dividendenanspruchs stattgefunden hat, wobei

sich der Zuflusszeitpunkt aus § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB ergibt. Diese Vor-

schrift beinhaltet das „Realisationsprinzip“, mit dem der Ausweis von Aufwendungen

117 BFH vom 21. 10. 1981 – I R 230/78, BStBl. II 1982, 139. Der Gesellschafter hat zwar nach

den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften Anspruch auf das im Jahresabschluss der Körperschaft ausgewiesene Jahresergebnis. Aus diesem Bezugsrecht folgt aber erst ein beschränktes selbständiges Gläubigerrecht, wenn der Jahresabschluss aufgestellt (§ 264 HGB) und testiert wurde (§§ 316, 322 HGB), eine Genehmigung des Jahresabschlusses nach gesellschaftsrechtlichen Vorschriften vorge-nommen und eine Gewinnverteilung beschlossen wurde; vgl. etwa Curt Seemann, in: Frotscher, EStG, § 20 Rdnr. 25. 118 Vgl. auch Wolfgang Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 11 Rdnr. 10. 119 Kommt einem Gesellschafter eine beherrschende Stellung zu, hat dieser es in der Hand, die

Fälligkeit des Auszahlungsanspruchs hinauszuschieben. Um eine Auswirkung auf den Zuflusszeit-punkt auszuschließen, wird angenommen, dass es sich bei dem Hinausschieben der Fälligkeit bereits um eine Verfügung über die Gewinnanteile handelt; vgl. BFH vom 17. 11. 1998 – VIII R 24/98, BStBl. II 1999, 223. 120 BFH vom 7. 8. 2000 – GrS 2/99, BFHE 192, 339, BStBl. II 2000, 632. Der Große Senat geht

in dieser Entscheidung davon aus, dass eine Aktivierung – und damit die Besteuerung – von Divi-dendenansprüchen nur in Frage komme, wenn diese einen Wert aufweisen, wenn also ein Dritter, etwa ein Kaufmann, bereit wäre, für den Anspruch einen Kaufpreis zu zahlen. 121 Handelsgesetzbuch (HGB) vom 10. 5. 1897, RGBl. 1897, 219, Bundesgesetzblatt Teil III, zu-

letzt geändert durch Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen (Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz – VorstOG) vom 3. 8. 2005 BGBl. I 2267.

Keine Wertrealisation in Durchgriffsfällen

26

und Erträgen gemäß dem Zeitpunkt ihrer wirtschaftlichen Verursachung geregelt

wird. Dieses Prinzip folgt dem handelsrechtlichen Grundsatz der vorsichtigen Bewer-

tung im Interesse des Gläubigerschutzes. Ein Gewinn oder Ertrag darf erst ausgewiesen

werden, wenn er durch Umsatz realisiert worden ist.122 Dividendenansprüche sind zu

aktivieren, wenn sie für den Kaufmann hinreichend sicher und konkretisiert sind; das

ist mit dem Beschluss über die Gewinnverwendung der Fall.123 Handelt es sich bei

dem Anteilseigner um eine natürliche Person und gehört die Beteiligung zu dessen

Privatvermögen, gilt im Einkommensteuerrecht das Zuflussprinzip (§ 11 Abs. 1 Satz 1

EStG). Danach sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie

dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Der Begriff des Zuflusses ist wirtschaftlich

auszulegen und wird definiert als „Erlangung wirtschaftlicher Verfügungsmacht“.124

Damit ist auch dieser Begriff in Zusammenhang mit dem Prinzip der Besteuerung

nach der Leistungsfähigkeit zu verstehen. Nicht Fälligkeit oder Zuwendung führen

zur Annahme des Zuflusses, sondern das Ereignis, das sich dem Grunde nach auf die

Leistungsfähigkeit des Empfängers auswirkt.125

Demgegenüber werden die Einkünfte einer ausländischen Kapitalgesellschaft nach

Maßgabe der §§ 7–14 AStG im Inland besteuert, als hätte die ausländische Kapitalge-

sellschaft die erzielten Einkünfte unmittelbar nach Ablauf des für die ausländische

Gesellschaft maßgebenden Wirtschaftsjahres ausgeschüttet (§ 10 Abs. 2 Satz 1 KStG),

der inländische Gesellschafter versteuert „Zwischeneinkünfte“ im Sinne des § 8 Abs. 1

AStG. Mithin werden Gewinne einer ausländischen Zwischengesellschaft nach den

Vorschriften des deutschen Steuerrechts belastet.126 Der Zufluss des Hinzurechnungs-

betrages wird dabei nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG („gilt […] als

zugeflossen“) fingiert. An dem in § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG enthaltenen normativen

Merkmal, nach dem der „Zufluss“127 des Hinzurechnungsbetrages beim inländischen

Anteilseigner unterstellt wird und damit ein Vorgriff auf den tatsächlichen Ausschüt-

tungsvorgang stattfindet, erlangt der Gesellschafter objektiv also keinen Zuwachs

seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit. Der Hinzurechnungsbetrag bewirkt keine

tatsächliche oder objektive Bereichung und vermittelt daher keine Werthaltigkeit des

122 Vgl. Hanno Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 252 Rdnr. 13. 123 Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 252 Rdnr. 15. 124 Vgl. nur Ulrich Dürr, in: Frotscher, EStG, § 11 Rdnr. 15. 125 Dürr, in: Frotscher, EStG, § 11 Rdnr. 15. 126 Vgl. zu den Fragen der Abschirmwirkung umfassend BFH vom 20. 3. 2002 – I R 63/99, DStR

2002, 1634. 127 Vgl. § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG.

46

Keine Wertrealisation in griffsfällen

Durchgriff und Leistungsfähigkeit

27

(Dividenden-) Anspruchs des Gesellschafters. Vielmehr erzeugt die Hinzurechnungs-

besteuerung eine Steuerbelastung, die eine Ausschüttung der ausländischen Einkünfte

jedenfalls dann veranlassen wird, wenn der Gesellschafter nicht anderweitig über

entsprechende finanzielle Mittel zum Ausgleich der entstehenden Steuerlast verfügen

kann.128 Mit der Ausschüttung kann sich der Steuerpflichtige erst die Mittel verschaf-

fen, mit denen er den Steueranspruch befriedigen kann. Mithin wird es in den von

§§ 7–14 AStG geregelten Fällen der Steuerzugriff nicht die Wertübertragung zwischen

Gesellschaft und Gesellschafter erfasst, daher ergibt sich vorliegend eine Durch-

brechung des Leistungsfähigkeitsprinzips. Dieses Ergebnis lässt sich im Hinblick auf die

tatbestandsmäßige Ausgestaltung der Hinzurechnungsbesteuerung bestätigen. Die

verwendeten Tatbestandsmerkmale der „qualifizierten Beteiligung“, der „niedrigen

Besteuerung“ (§ 8 Abs. 3 AStG) oder der nach § 8 Abs. 1 AStG bestimmten und so

genannten „passiven Einkünfte“ geben keinen Aufschluss darüber, dass eine tat-

sächliche Bereicherung des Gesellschafters der ausländischen Gesellschaft in den erfass-

ten Fällen gegeben ist. Man könnte einwenden, dass der beherrschende Gesellschaf-

ter – soweit man einen Fall unterstellt, in dem ein inländischer Gesellschafter mit

mehr als 50% an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt ist – es in der Hand hat, eine

Ausschüttung vorzunehmen. Die rechtliche Möglichkeit, eine Ausschüttung herbeizu-

führen, ist jedoch nicht gleichzusetzen mit dem tatsächlichen Wertzufluss, der den

Anforderungen eines objektiven Vermögenszugangs gleichsteht. Geht man von einem

Fall aus, in dem mehrere im Inland steuerpflichtige Personen gemeinsam die Voraus-

setzungen einer Beteiligung im Sinne des § 7 Abs. 1 AStG erfüllen, zeigen sich die

Widersprüche, die sich aus der vorgenannten Argumentation ergeben. Von mehreren

Steuerpflichtigen ist der Einzelne nicht in der Lage, eine Ausschüttung zu erreichen.

Es fehlt in diesem Fall an einer rechtlichen Handhabe, um einen Gewinn-

verteilungsbeschluss herbeizuführen. Es lassen sich am Merkmal der Beteiligung im

Sinne von § 7 Abs. 1 AStG zahllose Fallvarianten beispielhaft beschreiben, in denen

die Hinzurechnungsbesteuerung zu zufälligen Ergebnissen führt, weil inländische

Anteilseigner in unterschiedlichen Konstellationen beteiligt sind. So könnte man nicht

erklären, weshalb denjenigen, der mit 2% an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt

ist, die Hinzurechnungsbesteuerung trifft, weil eine weitere unbeschränkt steuer-

pflichtige Person 48,1% der Anteile hält. In einem solchen Fall wäre grundsätzlich

keiner der beiden inländischen Steuerpflichtigen rechtlich in der Lage, einen Gewinn- 128 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 7 Rdnr. 1; vgl. auch August Jagdfeld,

Steuerflucht und Steuerbekämpfung von Brüning bis Brandt, StuW 1972, 258; vgl. auch Gesetzes-begründung zum AStG: Bundestags-Drucksache VI/2883 vom 2. 12. 1971, 14.

Keine Wertrealisation in Durchgriffsfällen

28

verteilungsbeschluss zu erreichen. Die Hinzurechnungsbesteuerung ist daher nicht mit

dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar. Es ist deshalb zu prüfen, ob diese Durch-

brechung des Leistungsfähigkeitsprinzips nach den vom Bundesverfassungsgericht

gegebenen Anforderungen verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.

III. Rechtfertigung

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht für ausnahmsweise

zulässige Durchbrechungen des Leistungsfähigkeitsprinzips ein intensiver Rechtferti-

gungszwang. Die Anforderungen an den rechtfertigenden Grund hat das Gericht mit

der zunehmenden Verfestigung seiner Rechtsprechung zum Prinzip der Besteuerung

nach der Leistungsfähigkeit heraufgesetzt. Reichte es früher aus, dass der recht-

fertigende Grund „sachlich einleuchtete“, muss er heute „gewichtig“ sein. Es genügt

nach heutiger Rechtsprechung also nicht mehr jeder sachliche Grund. Ein sachlicher

Grund für die Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips kann daher weder in

haushaltsmäßigen Überlegungen,129 noch in steuertechnischen Erwägungen130 über die

Wirkungsweise von Besteuerungsregeln und Besteuerungsverfahren gefunden wer-

den.131

Die vorgefundene Ungleichbehandlung ist deshalb daraufhin zu prüfen, ob „eine

Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behan-

delt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und

solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen kön-

nen.“132 Hierfür müssen die angeordneten unterschiedlichen Rechtsfolgen die Un-

gleichbehandlung nach Art und Ausmaß und ihrem Gewicht nach legitimieren; es

129 Vgl. dazu: R. Wendt, DÖV 1988, 710 (714); ders. NVwZ 1988, 778 (783); sowie BVerfGE 34,

103 (115). 130 Vgl. zu steuertechnischen Erwägungen BVerfG vom 2. 10. 1969 - 1 BvL 12/68, BVerfGE 27,

66; NJW 1969, 2133. Der Begriff steuertechnisch wird in der Rechtsprechung des BVerfG nicht definiert. In Anlehnung an das allgemeine Verständnis des Wortes „Technik“ kann hierunter die Gesamtheit aller Mittel der Besteuerung verstanden werden, mithin wird die Gesamtheit der Regeln und Verfahren auf denen der Steuerzugriff basiert. Vgl. zur allgemeinen Wortbedeutung etwa Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Stichwort „Technik“. 131 Vgl. J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 185. 132 BVerfG vom 17. 11. 1992 – 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234 (255); BVerfG vom 10. 1. 1995 – 1

BvF 1/90 u. a., BVerfGE 92, 26 (52); vgl. Hans D. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 3 GG, Rdnrn. 4 f.

47 Verfassungrechtliche Rechtfertigung

48

Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

29

bedarf des Nachweises eines inneren Zusammenhangs zwischen den vorgefundenen

Verschiedenheiten.133

Verstößt eine Regelung gegen das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfä-

higkeit, prüft das Bundesverfassungsgericht die sachliche Legitimation anhand des

Maßstabs der Verhältnismäßigkeit. Die Gründe für eine Gleich- oder Ungleichbe-

handlung müssen umso schwerwiegender sein, je gravierender der Grad der Gleich-

bzw. Ungleichbehandlung ist. Da das Leistungsfähigkeitsprinzip das Grundprinzip des

deutschen Ertragsteuerrechts bildet, bedarf seine Durchbrechung eines besonderen

sachlichen Grundes und nicht bloß des Nachweises fehlender Willkür. Die von den

§§ 7–14 AStG ausgehende Differenzierung ist verfassungsrechtlich zulässig, wenn sie

„hinsichtlich eines solchen Gesichtspunktes ungleich ist, der innere Bezüge zu der

Eigenart der normierten Materie aufweist, wenn die unterschiedliche Behandlung also

nach ihrem Grund und ihrer Auswirkung in der Sache selbst begründet ist.“134

1. Mögliche Rechtfertigungsgründe

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt es für die ver-

fassungsrechtliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung nicht darauf an, ob der

Gesetzgeber ein hinreichend rechtfertigendes Gemeinwohlziel formuliert hat. Notwen-

dig und ausreichend ist es nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, wenn sich

die Verschiedenbehandlung aus dem objektiv erkennbaren Sinn und Zweck der

Norm rechtfertigen lässt.135 Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der durch die

Hinzurechnungsbesteuerung hervorgerufenen Ungleichbehandlung können entspre-

chend der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts also alle Gründe in Betracht

gezogen werden, die in Rechtsprechung und Literatur zu ihrer Rechtfertigung gel-

tend gemacht werden.

Ursprüngliche Zielsetzung der §§ 7–14 AStG. Die Vorschriften über die „Be-

teiligung an ausländischen Zwischengesellschaften“136 stellen eine Maßnahme gegen Steuer-

133 Siehe dazu R. Wendt, Der Gleichheitssatz, NVwZ 1988, 778 (781); ders., Spreizung von Kör-

perschaftsteuersatz und Einkommensteuersatz als Verfassungsproblem, in: Festschrift Friauf, 865. 134 Vgl. hierzu R. Wendt, Der Gleichheitssatz, NVwZ 1988, 778 (782). 135 Vgl. dazu BVerfG vom 2. 11. 1992 – 1 BvL 29/87, BVerfGE 85, 238 (245); dagegen mit guten

Gründen Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, 2. Aufl. 2000, S. 325 ff. 136 Vgl. die Überschrift des IV. Teils des AStG.

49

50

Mögliche Rechtfertigungsgründe

51

Mögliche Rechtfertigungsgründe

30

verlagerung durch den Einsatz ausländischer Kapitalgesellschaften dar.137 Die Hinzu-

rechnungsbesteuerung sollte Wettbewerbsverzerrungen zwischen (im Vergleich zur

deutschen Körperschaftsteuerbelastung) niedrig besteuerten ausländischen Kapitalgesell-

schaften auf der einen und inländischen Gesellschaften auf der anderen Seite zurück-

drängen und somit den Einfluss des von manchen ausländischen Steuerrechtsordnungen

ausgehenden geringen Körperschaftsteuerniveaus auf die Standortwahl von Investitionen

neutralisieren.138 Die §§ 7–14 AStG bezweckten mithin, für bestimmte, niedrig be-

steuerte Einkünfte die Abschirmwirkung der ausländischen Gesellschaft zu durchbre-

chen.139 Die Grundproblematik der den §§ 7–14 AStG zugrunde liegenden Sachverhalte

wurde deshalb in der von der ausländischen Gesellschaft ausgehenden Abschirmwirkung

erkannt, mit der eine Besteuerung der im Ausland erzielten Einkünfte gezielt vermieden

werden konnte.140

Systemwechsel im Körperschaftsteuerrecht. Die Novellierung des deutschen

Körperschaftsteuersystems im Zuge der so genannten „Unternehmensteuerreform“ im

Jahre 2001 veränderte die Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung.141 Dies war

insbesondere bedingt durch die Abschaffung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsver-

137 Vgl. dazu Helmut Debatin, Die Basisgesellschaft in der Wertung, StuW 1967, 312 (314); Erlass

des Finanzministers von Niedersachsen vom 14. 6. 1965 – S 1301–99– 31 1, BStBl. II 1965, 74 f.; August Jagdfeld, Steuerflucht und Steuerbekämpfung von Brüning bis Brandt, StuW 1972, 258; Zur Entstehungsgeschichte der §§ 7–14 AStG vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 7 AStG, Rdnr. 1. 138 Zu den gesetzgeberischen Motiven vgl. die Regierungsbegründung zum AStG: Bundestags-

Drucksache IV/2412 sowie Bundestags-Drucksache VI/2883 vom 2. 12. 1971, 14. Kritisch: Heinz-Jürgen Telkamp, Der Außensteuergesetzentwurf, Kritische Stellungnahme zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen, StuW 1972, 97; grundlegende Kritik auch bei Horst Vogel, Aktuelle Fragen des Außensteuerrechts, BB 1971, 1185. 139 Vgl. dazu Harald Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Außensteuerrecht/Doppelbesteuer-

ungsrecht, 2. Auflage, Köln 1998, 10. 2.; Heinz Jürgen Selling, Die Abschirmwirkung ausländischer Basisgesellschaften gegenüber dem deutschen Fiskus, DB 1988, 930 ff.; Gabriele Vogt, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz, Vor §§ 7–14, Rdnr. 2; vgl. auch Hannes Scheibnitz, Außensteuerliche Abschirmwirkung von Genussrechten, RIW 2003, 196; Heribert Zitzelsberger, Die deutsche Steuerreform im internationalen Kontext, IStR 2001, 527. 140 Siehe dazu die Gesetzesbegründung bei Einführung des AStG: Bundestags-Drucksache VI/2883

vom 2. 12. 1971, 26 f. 141 Zu den systematischen Bedenken Menck, Die unverborgene Krise des Außensteuerrechts, IStR

2001, 279; Rättig/Protzen, Die neue Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7–14 AStG in der Fassung des UntStFG, IStR 2002, 123; dies., Unbeabsichtigter Systemwechsel bei der Hinzurechnungsbe-steuerung von Kapitalgesellschaften als Folge des Steuersenkungsgesetzes? IStR 2000, 394; siehe auch Harald Schaumburg, Systemdefizite im internationalen Steuerrecht, StuW 2000, 369; Wassermeyer, Der Scherbenhaufen Hinzurechnungsbesteuerung, EuZW 2000, 513.

52

Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

31

fahrens142. Die mit dem Steuersenkungsgesetz143 vom 23. 10. 2000 begonnene Unter-

nehmenssteuerreform vollzog einen körperschaftsteuerlichen Systemwechsel, mit dem

das durch das Körperschaftsteuergesetz 1977 vom 31. 8. 1976144 eingeführte Anrech-

nungsverfahren durch ein neues Körperschaftsteuersystem abgelöst wurde.145 Die

durch das Steuersenkungsgesetz eingeführten steuerlichen Regeln belasten das zu

versteuernde Einkommen (§ 7 Abs. 1 KStG) unbeschränkt körperschaftsteuerpflichti-

ger Kapitalgesellschaften mit tariflicher Körperschaftsteuer in Höhe von 25 % (§ 23

Abs. 1 KStG). Der Anteilseigner wird, vorausgesetzt es handelt sich um eine natürli-

che Person, in Höhe der Hälfte mit dem aus der Gewinnausschüttung entstehenden

Kapitalertrag nach § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG der Einkommensbesteuerung unterwor-

fen. Erhält eine Kapitalgesellschaft die Dividende, erfolgt kann der Dividendenbezug

dies in vollem Umfang steuerfrei erfolgen, denn nach § 8b Abs. 1 KStG bleibt der

Bezug im Sinne des § 20 Abs. 1 Nrn. 1, 9, 10 EStG bei der Ermittlung des Einkom-

mens außer Ansatz. Die Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung wird inzwischen

darin erkannt, die Vorbelastung für Unternehmensgewinne ausländischer Kapitalge-

sellschaften herzustellen, um die gegenüber der deutschen Körperschaftsteuerbelastung

vergleichsweise geringere Belastung auszugleichen. Im Schrifttum wurde daher argu-

mentiert, dass die Hinzurechnungsbesteuerung ersatzweise an Stelle des Anrechnungs-

142 Gesetz vom 23. 10. 2000 zur Entlastung der Unternehmen und zur Senkung der Steuersätze –

Steuersenkungsgesetz (StSenkG), BGBl. I 2000, 1433; BStBl. I 2000, 1428. Siehe zu den Änderun-gen in der Folge: Dieter Grützner, Änderung des AStG im Zusammenhang mit dem Übergang auf das Halbeinkünfteverfahren, NWB Fach 2, 7831; Gerd Stuhrmann, Die Anpassungen des Außensteuer-gesetzes im Rahmen des UntStFG, PIStB 2002, 30; Siegfried Grotherr, Erneute Reform der Hinzu-rechnungsbesteuerung durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz, IWB 2002/8 Fach 3, Gruppe 1, 1883-1902 IWB 2002/9 Fach 3, Gruppe 1, 1903-1916; Thomas Menck, Die Fort-entwicklung der internationalen Unternehmensbesteuerung auf der 18. Hamburger Tagung zur internationalen Besteuerung am 7.12.2001, FR 2002, 241. 143 Gesetz vom 23. 10. 2000 zur Entlastung der Unternehmen und zur Senkung der Steuersätze –

Steuersenkungsgesetz (StSenkG), BGBl. I 2000 1433; BStBl. I 2000, 1428. Vgl. dazu Christoph Spengel/Claudia Jaeger/Katja Müller, Europarechtliche Beurteilung des Gesetzesentwurfs zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung, IStR 2000, 257. 144 BGBl. I 1976, 2597, BStBl. I 1976, 445. 145 Vgl. zur verfassungsrechtlichen Problematik des Anrechnungsverfahrens: Wilhelm Grasnick,

Verfassungsrechtliche Untersuchung der außensteuerlichen Wirkungen eines Anrechnungsverfahrens bei der Körperschaftsteuer, StuW 1973, 131. Zur europarechtlichen Dimension: Jörg Manfred Möss-ner/Dietrich Kellersmann, Freiheit des Kapitalverkehrs in der EU und das deutsche Körperschaftsteuer-anrechnungsverfahren, DStZ 1999, 505; Daniel Müller, Gedanken zur „Europatauglichkeit“ der neuen Dividendenbesteuerung, IStR 2002, 109; zusammenfassend: Hans-Georg Raber, Zur Umset-zung der Körperschaftsteuerreform – Europarechtliche und verfassungsrechtliche Aspekte, DB 1999, 2592.

Das Argument der „fehlenden Vorbelastung“

32

verfahrens in den von ihr erfassten Fällen die „Ausschüttungsbelastung“ für niedrig be-

steuerte Einkünfte sicherstelle (so bezeichnete „Duplizität“)146.

2. Erfordernis einer ausreichenden Vorbelastung

Es ist zu prüfen, ob die Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips legitimiert ist,

weil eine „ausreichende“ Vorbelastung“ für niedrig besteuerter Unternehmensein-

künfte ausländischer Kapitalgesellschaften hergestellt werden soll.147 Das vom Steuer-

senkungsgesetz148 eingeführte neue Körperschaftsteuersystem berücksichtigt typisiert

die Vorbelastung mit Körperschaftsteuer, indem nach § 8b Abs. 1 KStG und § 3

Nr. 40 EStG die Dividende bei der Besteuerung des Anteilseigners ganz bzw. zum

Teil unberücksichtigt bleibt.149 Weder im Körperschaftsteuergesetz noch im Einkom-

mensteuergesetz ist eine Rechtsgrundlage vorhanden, die auf das Erfordernis einer

Vorbelastung bei der Besteuerung von Körperschaften hinweist, bei der Besteuerung

des Anteilseigners kommt es daher auf die tatsächliche Vorbelastung einer Divi-

dende nicht an.150

Insbesondere die steuerliche Entlastung einer Dividende nach § 8b Abs. 1 KStG

setzt keinen selbstständigen Vorbelastungstatbestand, keine Aktivitätsklausel oder einen

konkreten Nachweis der Vorbelastung voraus. Die Kommission zur Reform der

Unternehmensbesteuerung, von der das neue Körperschafsteuerrecht maßgebend

beeinflusst war, hatte dazu folgende Überlegungen angestellt:

„[…] 3. Gewinnausschüttungen ausländischer Kapitalgesellschaften werden bei ausreichen-

der steuerlicher Vorbelastung wie inländische Dividenden behandelt. Sie sind von den inländi-

schen Gesellschaftern nur zur Hälfte der deutschen Einkommensteuer zu unterwerfen. Damit ist

das System europatauglich.

4. Zur Vermeidung von Mehrfachbelastungen sind Ausschüttungen an inländische Kapital-

gesellschaften ohne Rücksicht auf eine bestimmte Beteiligungshöhe und Mindestbesitzzeit von der

146 Vgl. zu diesem Begriff Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Gemeinschaftsrecht, 119. 147 Vgl. dazu Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Brühler Empfehlungen), BB 1999,

1188, dort Abschnitt II. 3.; Thomas Menck, Halbeinkünfteverfahren, Schachtelprivileg über die Grenze und Außensteuergesetz, IWB 2000, Gruppe 1, 1639; Lieber, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Vor § 7 AStG, Rdnrn. 3 f. 148 Gesetz vom 23. 10. 2000 zur Entlastung der Unternehmen und zur Senkung der Steuersätze –

Steuersenkungsgesetz (StSenkG), BGBl. I 1433; BStBl. I 2000, 1428. 149 So auch J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rdnr. 50. 150 Vgl. Lieber, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Vor § 7 AStG Rdnrn. 3 und 5; Wassermeyer,

Schriftenreihe Beratungsakzente, 83.

Das Argument der „fehlenden tung“

53

54

Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

33

Körperschaftsteuer befreit. Bei Dividenden aus dem Ausland setzt dies eine ausreichende steuerli-

che Vorbelastung im Ausland voraus. […]“151

Die unter Punkt 4. (dort im zweiten Satz) gegebene Überlegung, nach der eine aus-

reichende steuerliche Vorbelastung im Ausland vorausgesetzt wird, steht erkennbar in Zu-

sammenhang mit der unter Punkt 4. (dort im ersten Satz) beschriebenen Vermeidung ei-

ner Mehrfachbelastung. Dies folgt aus dem Sinnzusammenhang der beiden zitierten Sätze

und der Verwendung der Worte „setzt dies“, die sich erkennbar da sich dieser Satzteil

grammatikalisch auf den Begriff „Vermeidung einer Mehrfachbelastung“ im ersten

Satz beziehen. Danach müsste der Satz wie folgt verstanden werden: „Bei ausländischen Di-

videnden setzt die Vermeidung einer Mehrfachbelastung eine ausreichende Vorbelastung voraus“. Ei-

ne Mehrfachbelastung kann sich jedoch nicht ergeben, wenn die ausreichende Vorbelas-

tung fehlt und muss daher auch nicht vermieden werden.

Da das ausländische Steuerniveau in Folge der typisierenden Vorschriften in § 8b

Abs. 1 KStG und § 3 Nr. 40 EStG unmittelbar auf der Ebene des inländischen An-

teilseigners wirksam wird,152 wurde der Hinzurechnungsbesteuerung eine Ausgleichs-

und Sicherungsfunktion für das „internationale offene System“ des Ausgleichs von

Körperschaftsteuer und Ausschüttungsbesteuerung zuerkannt, welche die fehlende

Vorbelastungsklausel des Anrechnungsverfahrens ersetze.153 Der Gesetzgeber geht

davon aus, dass die Unternehmensgewinne regelmäßig einer Belastung mit Körper-

schaftsteuer unterliegen.154 Tatsächlich treten Verwerfungen in der steuerlichen Belas-

tungswirkung auf, sofern die tatsächliche Vorbelastung mit Körperschafsteuer fehlt

oder vergleichsweise gering ist. Der Gesetzgeber hält in diesen Fällen die Wirkung der

Typisierung für unzureichend und nivelliert Belastungsunterschiede, indem er auslän-

dische Unternehmenseinkünfte, deren Vorbelastung weniger als 25 % beträgt (§ 8

151 Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Brühler Empfehlungen), BB 1999,

1188 (1189). 152 Vgl. auch Birgit Hadenfeldt, Die Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz von

Einkünften aus deutschen Quellen, 274 f. 153 Vgl. Vogt, in: Blümich, EStG/KStG/AStG, Vorbemerkungen zu §§ 7–14 AStG, Rdnr. 2b. 154 Vgl. schon Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Brühler Empfehlungen), BB

1999, 1188, IV. A 2 d sowie die Begründung zum Regierungsentwurf des Steuersenkungsgesetzes, Bundestags-Drucksache 14/3074.

55

56

Das Argument der „fehlenden Vorbelastung“

34

Abs. 3 AStG) der inländischen Besteuerung nach §§ 7–14 AStG aussetzt.155 Die §§ 7–

14 AStG sollen daher steuertechnisch eine ausreichende Vorbelastung im neuen

Körperschaftsteuersystem gewährleisten.156 Dies wird gesetzestechnisch erreicht, indem

§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchstabe d EStG (die Vorschrift stellt Dividendenbezüge zur Hälfte

steuerfrei) und § 8b Abs. 1 des KStG (die Vorschrift stellt Dividendenbezüge in vol-

lem Umfang steuerfrei) nicht auf den Hinzurechnungsbetrag anzuwenden sind (§ 10

Abs. 2 Satz 3 AStG), so dass die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft auf der

Ebene des Anteilseigners besteuert werden.157 Der Hinzurechnungsbetrag wird somit

als „Quasi-Dividende“ unabhängig von einer Ausschüttung in vollem Umfang der

Besteuerung auf der Ebene des Anteileseigners unterworfen.158

Eine typisierende Betrachtungsweise wie sie das neue Körperschaft-

steuersystem für die Vorbelastung einer Dividende vorsieht, ist grundsätzlich verfas-

sungsrechtlich gestattet, um die Verwaltung und Ordnung von „Massenerscheinun-

gen“, wie sie insbesondere im Steuerrecht und in der Steuerverwaltung auftreten, zu

vereinfachen.159 Eine gesetzliche Typisierung kann nach der Rechtsprechung des

Bundesverfassungsgericht eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG

rechtfertigen, sofern die von der Typisierung ausgehenden Ungerechtigkeiten „ledig-

155 Dieser Umstand wurde im Bericht des Bundesministeriums für Finanzen über die Fortentwick-

lung des Unternehmenssteuerrechts behandelt. Danach solle eine Vorbelastung von 25 vH als ausreichend anzusehen sein. BMF (Hrsg.), Bericht zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuer-rechts vom 19. 4. 2001, Berlin 2001, 83; vgl. auch den Nachweis bei Wolff, Überlegungen des Bundesfinanzministeriums zur mittelfristigen Weiterentwicklung des Außensteuergesetzes, IStR 2001, 440; zum Erfordernis einer Vorbelastung aus europäischer Sicht: OECD, Harmful Tax Com-petition, An Emerging Global Issue, 1998 (1998 Report) sowie Harmful Towards Global Tax Co-operation, Report to the 2000 Ministerial Council Meeting and Recommendations by the Commit-tee on Fiscal Affairs, Progress in Identifying and Eliminating Harmful Tax Practices, 2000 (2000 Report). 156 Vgl. Regierungsbegründung, Bundestags-Drucksache 14/3074, 4; Bundestags-Drucksache

14/2683,120. 157 Problematisch ist indes schon der Zeitpunkt für die Anwendung der Regelung in § 10 Abs. 2

Satz 3 AStG. Der Hinzurechnungsbetrag für das Wirtschaftsjahr 2000 (Hinzurechnung am 1. 1. 2001), unterliegt nicht der Anwendung des § 10 Abs. 2 Satz 3 AStG; § 8b Abs. 1 KStG i. d. F. des Steuersenkungsgesetzes sowie § 3 Nr. 40 EStG sind aber schon anzuwenden. Vgl. hierzu Hans-Martin Eckstein/Caroline Naumburg, Sind die Hinzurechnungsbeträge des Jahres 2001 steuerfrei bzw. dem Halbeinkünfteverfahren unterworfen? IStR 2004, 490. 158 Vgl. zu den Belastungswirkungen und dem Richtungswechsel in der Zielsetzung der Hinzu-

rechnungsbesteuerung nach dem Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz Markus Maier-Frischmuth, Systemkonforme Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Entwurf des UntStFG? IStR 2001, 610. 159 Vgl. dazu etwa BVerfG vom 6. 3. 2002 – 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73, BGBl. I 2002, 1305;

BStBl. II 2002, 618, NJW 2002, 1103.

57

Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

35

lich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und dass der Verstoß

gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv“160 ist. Die Typisierung soll dazu dienen,

komplizierte Lebenssachverhalte übersichtlich zu regeln, so dass die Verwirklichung

des Steueranspruchs verfahrensrechtlich erleichtert wird.161 Der Gesetzgeber darf

deshalb innerhalb eines weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums typisierende

und pauschalierende Regelungen schaffen.162 Nach der Rechtsprechung des Bundes-

verfassungsgerichts darf ein steuererheblicher Vorgang typisiert in einer steuerlichen

Vorschrift geregelt werden. Der Gesetzgeber kann sich in diesem Regelungsbereich

von den tatsächlichen Erscheinungen ein „Gesamtbild“ machen und eine Regelung

an diesem „Gesamtbild“ orientieren indem er den „typischen Lebensvorgang“

erfasst und die Steuernorm daran ausrichtet.163 Eine typisierende Regelung ist dann

unter weiteren, vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Voraussetzungen zulässig:

Es muss zunächst ein erkennbares Bedürfnis für eine typisierende Regelung bestehen

und die Typisierung muss sich dazu eignen, einen Vereinfachungszweck zu erreichen.

Die Typisierung muss sachgerecht und realitätsgerecht sein164 und der Gesetzgeber

muss laufend sicherstellen, ob die für eine von ihm geschaffene typisierende Regelung

ursprünglich maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse noch vorliegen,

oder ob eine Anpassung oder Aufhebung der typisierenden Regelung wegen der

Veränderung oder des Wegfalls des Typisierungsgrundes notwendig ist.165 Schließlich

ist eine typisierende Regelung auch nur zulässig, wenn die durch sie hervorgerufenen

Härten und Ungerechtigkeiten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, des

Weiteren muss die Typisierung verhältnismäßig sein.166

Das Finanzgericht München hat sich in einer Entscheidung aus dem Jahre 2004

mit den Besteuerungsfolgen des neuen Körperschafsteuersystems auseinandergesetzt

und geprüft, von welchem „Gesamtbild“ der Gesetzgeber ausgegangen ist.167 Das

Gericht hat bestätigt, dass der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich zutreffender Weise

160 Vgl. etwa BVerfG vom 28. 4.1999 – 1 BvL 22/95, 34/95, BVerfGE 100, 59 (90). 161 Vgl. BVerfG vom 24. 1. 1962, 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331, 341; vom 20. 12. 1966, 1

BvR 320/57, 1 BvR 70/63, BVerfGE 21, 12 (27); BVerfG vom 10. 4. 1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (6). 162 Vgl. BVerfG vom 29. 11. 1989, 1 BvR 1402, 1528/87, BVerfGE 81, 108, unter B II. 1 der

Entscheidungsgründe. 163 BVerfG vom 10. 4. 1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (6 f.), DStR 1997, 954 164 Vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 22. 6. 1995 2 BvL 37/91, BVerfGE 93,

121, 136, BStBl. II 1995, 655 (661) und vom 11. 11. 1998 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 (290). 165 BVerfG vom 11. 11. 1998 - 2 BvL 10/95, DStRE 1999, 202. 166 BVerfG vom 10. 4. 1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (7). 167 FG München vom 9. 9. 2004 – 7 K 2991/03, DStRE 2005, 583.

58

Das Argument der „fehlenden Vorbelastung“

36

die Anrechnung tatsächlich gezahlter Körperschaftsteuer zu Gunsten einer Typisierung

der Vorbelastung aufgegeben hat und stellte in der Entscheidung fest, dass die Über-

gangsregelungen über die Besteuerung von Gewinnen durch das Halbeinkünfteverfah-

ren eine zulässige Typisierung darstelle. Der Gesetzgeber habe den ihm zur Verfügung

stehenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Das neue Körperschaftsteuersys-

tem sollte im Regelfall vergleichbare Folgen wie zuvor das Anrechnungsver-

fahren hervorrufen. Das Gericht argumentierte, dass unter Geltung des Halbeinkünf-

teverfahrens nicht die Vorbelastung des ausgeschütteten Betrags im Zeitpunkt der

Gewinnausschüttung rückwirkend beseitigt werde, die vom Steuersenkungsgesetz

vorgesehene Besteuerung aber zu einer „gleichen Gesamtsteuerlast wie beim Anrechnungs-

verfahren“ führe.168

Das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren belastete den von einer Kör-

perschaft erwirtschafteten Gewinn mit dem persönlichen Steuersatz des Anteilseigners.

Es beseitigte daher die wirtschaftliche Doppelbelastung auf der Ebene der Gesellschaft

und des Anteilseigners. Das Anrechnungsverfahren belastete das Einkommen körper-

schaftsteuerpflichtiger juristischer Personen (§ 1 KStG) im Falle der Ausschüttung mit

30 % Körperschaftsteuer auf Ebene der die Dividende beziehenden Kapitalgesellschaft

(§ 27 Abs. 1 KStG 1999169). Für Gewinnausschüttungen, die einer steuerlichen Vorbe-

lastung des Gewinns durch Körperschaftsteuerbelastung von zuletzt 30 % unterlagen,

wurde die endgültige Belastung mit dem persönlichen Steuersatz des Anteilseigners

hergestellt, indem die Körperschaftsteuer auf die Steuerschuld des Anteilseigners ange-

rechnet wurde.170 Gelangten die aus diesem Einkommen resultierenden Kapitalteile als

Dividende171 an einen Gesellschafter, konnte die Körperschaftsteuerbelastung (die auf

Ebene der Gesellschaft entstanden war) auf die individuelle Steuerschuld des Gesell-

168 FG München vom 9. 9. 2004 – 7 K 2991/03, DStRE 2005, 583. 169 Körperschaftsteuergesetz 1999 (KStG 1999) in der Fassung der Bekanntmachung vom

22. 4. 1999, BGBl. I 1999, 817; Neubekanntmachung des KStG in der Fassung der Bekanntma-chung vom 22. 2. 1996 (BGBl. I 1999, 340). 170 Technisch wurde dies dadurch erreicht, dass einerseits die konkrete Vorbelastung des ausge-

schütteten Betrags im verwendbaren Eigenkapital „vermerkt“ wurde und bei Ausschüttung der Unterschied zur vorgegebenen Ausschüttungsbelastung durch eine Minderung oder Erhöhung der Körperschaftsteuerschuld ausgeglichen wurde. Andererseits wurde dem Anteilseigner zum Ausschüt-tungsbetrag nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG die verbliebene Ausschüttungsbelastung als steuerbare Einnahme zugerechnet und auf die dadurch entstandene Einkommensteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG angerechnet. 171 Siehe dazu § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG als Rechtsgrundlage für die Besteuerung auf Ebene eines

einkommensteuerpflichtigen Gesellschafters.

59

Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

37

schafters angerechnet werden.172 Im Ergebnis wurde die auf der Ebene der Körper-

schaft bestehende steuerliche Vorbelastung auf die zu entrichtende Einkommensteuer

des Anteilseigners angerechnet (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 36 Abs. 2 Nr. 3

EStG). Kapitalteile, die von einer Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter im Wege der

Ausschüttung zugewendet wurden, unterlagen durchgehend einer Ausschüttungsbe-

lastung.

Das neue Körperschafsteuersystem sieht statt einer Anrechnung von Körperschaft-

steuer eine typisierende steuerliche Entlastung des Anteilseigners vor. Dass die Belas-

tungsfolgen des neuen Körperschaftsteuersystems mit den Belastungswirkungen des

Anrechnungsverfahrens vergleichbar sein sollten, wurde auch anhand von Vergleichs-

rechnungen im Schrifttum veranschaulicht.173 Die Vergleichsrechnungen basierten auf

der Annahme, dass eine Vorbelastung des Unternehmensgewinns von 25 % Körper-

schaftsteuer gegeben ist. Die typisierende Betrachtungsweise, wie sie im neuen Kör-

perschafsteuersystem eingeführt wurde, erzeugt also eine Gesamtsteuerlast, wie sie sich

unter der Geltung des Anrechnungsverfahrens ergeben hätte, sofern der Grenzsteuer-

satz des Anteilseigners etwa 40 % beträgt und der ausgeschüttete Betrag mit 25 % der

Körperschaftsteuer unterliegt und bildet als Typisierung verfassungskonform diesen

Regelfall ab. So formulierte das Finanzgericht München in der Entscheidung vom 9.

9. 2004:

„Nach Auffassung des Senats bestehen keine Zweifel, dass die Überlegung des Gesetzge-

bers, typisierend von einer gleichen Gesamtsteuerlast auszugehen, wenn der Grenzsteuer-

satz des Anteilseigners rund 40 % beträgt und der ausgeschüttete Betrag tatsächlich einer

Körperschaftsteuer von 25 % unterliegt, im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung

notwendig verbundenen ungleichen Belastung verschiedener Sachverhaltsgestaltungen

steht.“ 174

Ergeben sich bei Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens für den Anteilseigner

günstigere Belastungsfolgen, etwa im Fall der Ausschüttung unversteuerter oder nied-

rig versteuerte Vermögenszuwächse der Körperschaft, entspricht die Belastungswir-

kung des neuen Körperschafsteuersystems nicht dem „Gesamtbild“, also dem „typi-

schen“ Fall, an dem der Gesetzgeber die Typisierung der Vorbelastung orientiert

172 Vgl. dazu § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 KStG 1999. 173 Siehe dazu Ernst&Young/BdI (Hrsg.), Die Unternehmenssteuerreform, 2. Auflage, 2000, 119. 174 Vgl. dazu FG München vom 9. 9. 2004 – 7 K 2991/03, DStRE 2005, 583 (588), die Revision

(Aktenzeichen des BFH – I R 107/04) blieb ohne Erfolg.

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61

Das Argument der „fehlenden Vorbelastung“

38

hat.175 Im Anwendungsbereich einer Typisierung sind jedoch etwaige Härten und

Ungerechtigkeiten hinzunehmen. Der Gesetzgeber darf einen steuerliche erheblichen

Vorgang „im typischen Lebensvorgang erfassen und individuell gestaltbare Besonder-

heiten unberücksichtigt lassen“.176 Damit sind im Bereich einer typisierenden Vor-

schrift die vom Bundesverfassungsgericht festgelegten Grenzen zu beachten:

„Nur geringfügige oder nur in besonderen Fällen auftretende Ungleichheiten sind freilich

unbeachtlich […]. Wirkt sich jedoch ein Steuergesetz, das durch eine besonders weite Fas-

sung des typisierten Sachverhalts äußerlich eine ungleiche Behandlung vermeidet, prak-

tisch dahin aus, dass ganze Gruppen von Steuerpflichtigen wesentlich stärker belastet sind

als andere und dadurch in eine empfindlich ungünstigere Wettbewerbslage geraten, so

können diese ungleichen Folgen in einem Missverhältnis zu den mit der Typisierung ver-

bundenen Vorteilen stehen. Ein solches Steuergesetz kann dem Art. 3 Abs. 1 GG wider-

sprechen.“177

Eine Typisierung darf also grundsätzlich in Einzelfällen realitätsferne Ergebnisse

hervorrufen, ohne gegen den Gleichheitssatz zu verstoßen.178 Der einzelne Steuer-

pflichtige kann durch die Regelung begünstigt sein, andere Steuerpflichtige werden

im Einzelfall benachteiligt. Solche Folgen sind einer Typisierung immanent, da nicht

auf die Besonderheiten des jeweils verwirklichten individuellen Sachverhalts abzustel-

len ist, sondern ein typischer Sachverhalt der Besteuerung zu Grunde gelegt wird.179

Da es auf eine im Einzelfall bestehende niedrige Vorbelastung nach dem objektiven

Regelungsgehalt der ansonsten verfassungsgemäßen Typisierung180 nicht ankommt,

entstehen die Besteuerungsfolgen bei typisierter Vorbelastung daher auch in atypi-

schen Fallgestaltungen. Die Hinzurechnungsbesteuerung kann daher nicht schon

dadurch legitimiert sein, dass das neue Körperschafsteuersystem im Einzelfall bei nied-

riger Vorbelastung realitätsferne Belastungsfolgen erzeugt.

Es liegt demnach in der Natur jeder typisierenden Regelung, dass sie die wirkli-

chen Verhältnisse des konkreten Falles nur unzureichend erfasst. Eine Abweichung

kommt allenfalls in Betracht, wenn die Typisierung zu offensichtlich völlig unzutref-

175 Siehe dazu Hey, in: Herrmann/Heuer/Raupach, KStG, vor § 36 Rdnr. R 44; Maier-Frischmuth,

Bestandsaufnahme und Zukunft der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 bis 14 AStG), IStR 2005, 361. 176 BVerfG vom 4. 4. 2001 – 2 BvL 7/98, BVerfGE 103, 310. 177 BVerfG vom 20. 12. 1966 - 1 BvR 320/57, 70/63, NJW 1967, 147 (148). 178 BVerfG vom 11. 11. 1998 - 2 BvL 10/95, DStRE 1999, 202. 179 Vgl. etwa BFH vom 18.12. 2003 – III R 31/03, DStRE 2004, 509. 180 Siehe hierzu etwa J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rdnr. 143.

62

63

Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

39

fenden steuerlichen Ergebnissen führen würde.181 So ist etwa ein Pauschsatz für Fahrt-

kosten, der auf einer hohen Fahrleistung beruht, grundsätzlich auch dann anzusetzen,

wenn eine außergewöhnlich geringe jährliche Fahrleistung feststellbar ist; der Bundes-

finanzhof hält Ausnahmen von einer Typisierung, bei der die tatsächlichen Verhältnis-

se der Besteuerung zu Grunde gelegt werden nur in „ganz extremen“, „wirklich krassen“

Fällen für möglich.182 Wäre grundsätzlich die Abweichung von einer typisierenden

Regelung in atypischen Fällen möglich, wird eine – von der Typisierung an sich

angestrebte – Verwaltungsvereinfachung nicht erreicht werden können, da erneut

Schwierigkeiten bei Ermittlung der konkreten tatsächlichen Verhältnisse in jedem

Einzelfall auftreten.

Legt ein Gesetz ohne Rücksicht auf die individuellen Verhältnisse des Einzelfalls

eine Typisierung fest, muss wegen der sehr weitgehenden Typisierung in Kauf ge-

nommen werden, dass die Verhältnisse des Einzelfalls und daraus folgend auch unter-

schiedliche, realitätsferne Belastungsfolgen nicht berücksichtigt werden können, so

etwa wenn realitätsferne Belastungsfolgen entstehen, weil die tatsächliche Vor-

belastung hinter der als „angemessen“ und im Regelfall erwünschten Vorbelastung

von 25 % zurückbleibt. Solche realitätsfernen Belastungswirkungen entstehen in den

Fällen der Hinzurechnungsbesteuerung, sie treten aber gleichermaßen auch bei Bezug

aktiver Einkünfte auf, denn aktive, niedrig besteuerte Einkünfte erzeugen ebenfalls

nicht die Belastungsfolgen des vom neuen Körperschafsteuersystem typisierten Regel-

fall. Gleiches gilt, wenn passive, niedrig besteuerte Einkünfte erzielt werden und die

Beteiligungsvoraussetzungen (inländische Anteilseigner halten mehr als 50 % der

Anteile an der Zwischengesellschaft) des § 7 Absätze 2– 4 AStG nicht erreicht werden.

Im Schrifttum werden weitere Fälle genannt, in denen die Gewinne ausländischer

Kapitalgesellschaften, die auf die Ebene des einkommensteuerpflichtigen Anteilseigners

gelangen, nicht mit Körperschaftsteuer oder nur mit einer geringfügigen ausländischen

Ertragsteuer vorbelastet sind. So liegt es etwa in Fällen der Ausschüttung steuerfreier

181 BFH vom 13. 12. 2001 – III R 40/99, DStRE 2002, 432 (433). 182 Nach der Entscheidung BFH vom 13. 12. 2001 – III R 40/99, DStRE 2002, 432 (433) können

die tatsächlichen Aufwendungen für die Benutzung eines Pkw durch einen außergewöhnlich gehbe-hinderten Steuerpflichtigen abweichend von den im Regelfall anzuwendenden Pauschsätzen nur in krassen Ausnahmefällen als außergewöhnliche Belastung steuermindernd berücksichtigt werden. Ein solcher Fall sei nicht gegeben, weil die jährliche Fahrleistung weniger als die Hälfte der den Pausch-sätzen zu Grunde liegenden Jahresfahrleistung (zu Grunde gelegt waren: 15 000 km jährlich) beträgt.

64

Das Argument der „fehlenden Vorbelastung“

40

Veräußerungsgewinne (§ 8b Abs. 2 KStG), für die ebenfalls kein Ausgleich der Vorbe-

lastung vorgesehen ist.183

Die von der Hinzurechnungsbesteuerung erzeugte „Vorbelastung“ reagiert nur in

manchen Fällen auf die durch das System der Dividendenfreistellung angeordnete

Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 1 KStG.184 Das Erfordernis einer „ausreichenden

Vorbelastung“ betrifft mithin nur eine Fallgruppe, in der eine atypische Belastungs-

wirkung entstehen kann. Stellt man nur auf die Belastungswirkung ab, ist nicht erklär-

bar, weshalb diese Belastungswirkung in anderen Fällen niedriger Vorbelastung nicht

ausgeglichen wird. Die Hinzurechnungsbesteuerung ist somit ihrer Bedeutung als

Spezialvorschriften für Sonderfälle enthoben worden, ohne dass sich mit diesen Vor-

schriften durchgehend eine ausreichende Vorbelastung erreichen ließe. Dabei ersetzt

die Hinzurechnungsbesteuerung nicht die fehlende ausländische Steuerbelastung,

vielmehr verschärft sie ohne Ausschüttungsvorgang die den Anteilseigner treffenden

Besteuerungsfolgen und orientiert diese an der individuellen Tarifbelastung des An-

teilseigners. Die sich hieraus ergebende rechtsformabhängige Besteuerungsfolge185 ist

mit dem Gedanken einer „ausreichenden Vorbelastung“ nicht vereinbar.

Es zeigt sich, dass die Hinzurechnungsbesteuerung der Aufgabe gerecht werden

soll, im neuen Körperschaftsteuersystem eine steuertechnische „Sicherungs- und

Ausgleichsfunktion“ einzunehmen. Mit dieser Zielsetzung soll das Besteuerungsver-

fahren abgestimmt werden, damit für Auslandsdividenden wegen der umfassenden und

vorbehaltlosen Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG die Besteuerungsfolgen eintre-

ten, die der Gesetzgeber für den Regelfall einer Inlandsdividende vorsieht. Im An-

wendungs- und Wirkungsbereich der Typisierung körperschaftsteuerlicher Vorbelas-

tung besteht mit der Hinzurechnungsbesteuerung eine Ausnahme, um das Raster der

183 Vgl. zu den Beispielen Lieber, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Vor § 7 AStG Rdnr. 5: Allein

die (körperschaftsteuerliche) Befreiung von Veräußerungsgewinnen gemäß § 8b Abs. 2 KStG eröffne die Möglichkeit, dass unrealisierte Wertsteigerungen der Tochtergesellschaft – insbesondere stille Reserven im Anlagevermögen und ein selbst geschaffener Geschäftswert – steuerfrei auf die Ebene der Muttergesellschaft gelangen könnten und diese als nicht vorbelastete Gewinne ausgeschüttet werden könnten. 184 Wassermeyer, Schriftenreihe Beratungsakzente, 2002, 71. 185 Zutreffend: Frischmuth, Bestandsaufnahme und Zukunft der deutschen Hinzurechnungsbe-

steuerung, IStR 2005, 361. Die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft werden nach den Vor-schriften des deutschen Steuerrechts ermittelt (§ 10 Abs. 4 AStG), der Hinzurechnungsbetrag unter-liegt der tariflichen Belastung des Anteilseigners. Je nach Rechtsform unterliegt der Hinzurech-nungsbetrag der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer bzw. – wenn eine natürliche Person Anteilseigner ist – der Einkommensteuer. Die dadurch sich ergebende Steuerbelastung ist insbeson-dere auf die beabsichtigte Herstellung einer körperschaftsteuerlichen Vorbelastung ausländischer Unternehmensgewinne nicht erklärbar.

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66

Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

41

Typisierung wie geplant auszurichten und um systembedingte, realitätsferne Besteue-

rungsfolgen zu vermeiden. Soweit die Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung

nunmehr darin besteht, eine ausreichende Vorbelastung sicherzustellen, beruht dies auf

steuertechnischen Überlegungen, die für sich genommen eine Durchbrechung des

Leistungsfähigkeitsprinzips nicht rechtfertigen.186

Mithin kommt eine Rechtfertigung der von der Hinzurechnungsbesteuerung aus-

gehenden Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips nur in Betracht, wenn

weitere sachliche Gründe gegeben sind. Die sachliche Legitimation187 kann sich vor-

liegend aus der Bekämpfung von Steuerverlagerungen ergeben, wenn diese aufgrund

nicht wünschenswerter Steuervorteile in Form nomineller Steuerersparnis motiviert

sind. Dies ist in einem nächsten Schritt zu prüfen.

3. Vermeidung von steuerlichen Fehlentwicklungen

Die Befürworter der Hinzurechnungsbesteuerung berufen sich darauf, dass die Hinzu-

rechnungsbesteuerung geboten sei, da strikte einseitige Abwehrmaßnahmen gegen

Einkunftsverlagerungen zu einer Benachteiligung international tätiger deutschen

Unternehmen führen, die im Wettbewerb mit den Unternehmen anderer Länder

stehen.188 Ein Bedürfnis für die Hinzurechnungsbesteuerung bestehe insbesondere,

weil in anderen Staaten eine Tendenz zu beobachten sei, durch gezielte Steuer-

vergünstigungen Investitionen anzulocken.189 Der dadurch entstehende „Zwang, das

Steuersystem am internationalen Steuerwettbewerb auszurichten“ wird daher als

Argument für die Hinzurechnungsbesteuerung vorgebracht.190

Die vorgefundene Ungleichbehandlung von Unternehmenseinkünften, welche

unter den Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung der Steuerpflicht auf der

Ebene des Gesellschafters unterliegen, könnte verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein,

wenn die Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung gegen die Verhinderung

von Steuerumgehungen eingesetzt werden. Der Gesetzgeber kann steuerlichen Fehl- 186 Vgl. J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 185. 187 Vgl. dazu auch J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rdnr. 143. 188 Vgl. den Nachweis bei Wolff, Überlegungen des Bundesfinanzministeriums zur mittelfristigen

Weiterentwicklung des Außensteuergesetzes, IStR 2001, 440. 189 Vgl. dazu Bericht des BMF, Bericht zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vom

19. 4. 2001; dazu Ulrich Wolff, Überlegungen des Bundesfinanzministeriums zur mittelfristigen Weiterentwicklung des Außensteuergesetzes, IStR 2001, 440; Ritter, Perspektiven für die Fortent-wicklung des deutschen internationalen Steuerrechts, IStR 2001, 430. Vgl. die Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Brühler Empfehlungen), BB 1999, 1188, Teil IV A II 2 d aa). 190 Siehe zur Grundlage für dieses Argument Wolff, Überlegungen des Bundesfinanzministeriums

zur mittelfristigen Weiterentwicklung des Außensteuergesetzes, IStR 2001, 440.

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Verhinderung steuerlicher wicklungen

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Verhinderung steuerlicher Fehlentwicklungen

42

entwicklungen entgegenwirken, wenn er ein missbilligtes Ausweichverhalten erkennt,

etwa in den Fällen der Erzielung von Verlusten zur Generierung einer Steuer-

ersparnis191, oder des Wegzugs, um sich der Steuerpflicht für bestimmte Vermögens-

werte im Inland zu entziehen.192 Es könnte der von der Rechtsprechung anerkannte

Gemeinwohlbelang der Vermeidung steuerlicher Fehlentwicklungen gegeben sein.193

Hierfür ist zu prüfen, ob die von der Hinzurechnungsbesteuerung angeordneten

unterschiedlichen Rechtsfolgen die Ungleichbehandlung nach Art und Ausmaß sowie

ihrem Gewicht nach legitimieren; es bedarf des Nachweises eines inneren Zusammen-

hangs zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten.194 Die angeordneten Rechts-

folgen müssen in einem spezifischen Zusammenhang zu den vorgefundenen Verschie-

denheiten stehen.195

Weitgehende Einigkeit besteht im wissenschaftlichen Schrifttum hinsichtlich der

Aufgabe der Hinzurechnungsbesteuerung. Diese sei gegen die Verlagerung von Ein-

kunftsquellen durch Einsatz von Kapitalgesellschaften gerichtet, indem im Ausland

gewährte Steuerprivilegien beseitigt werden sollten.196 Gewinne ausländischer Kapital-

gesellschaften seien wegen der von der Kapitalgesellschaft als selbständigem Rechtsträ-

ger entfalteten Abschirmwirkung197 der inländischen Besteuerung entzogen.198 Deshalb 191 So etwa BFH vom 17. 10. 1990 – I R 182/87, BFHE 162, 307, BStBl. II 1991, 136 unter

B. III. 1.b) der Entscheidungsgründe. 192 BVerfG vom 14. 5. 1986 – 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200 (245). 193 BVerfG vom 24. 1. 1960 – 1 BvL 32/57, BVerfGE 13, 290 (316) und BVerfG vom 11. 7. 1967

– 1 BvR 495/63, BVerfGE 22, 156 (161). So auch der Bundesfinanzhof, vgl. BFH vom 17. 10. 1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136, BFHE 162, 307 (310 ff.). Vgl. hierzu auch Nieder-sächsisches FG vom 13. 6. 2003 – 13 V 131/03, EFG 2003, 1316 unter II. 1. c. der Entscheidungs-gründe; Niedersächsisches FG, Urteil vom 23. 10. 2001 – 15 K 744/98, DStRE 2002, 490 (492); FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. 12. 1998 – 2 K 2596/97, DStRE 1999, 706 (708); siehe auch R. Wendt, Der Gleichheitssatz, NVwZ 1988, 778 (785). 194 Siehe dazu R. Wendt, Der Gleichheitssatz, NVwZ 1988, 778 (781); ders., Spreizung von Kör-

perschaftsteuersatz und Einkommensteuersatz als Verfassungsproblem, in: Festschrift Friauf, 865. 195 R. Wendt, Der Gleichheitssatz, NVwZ 1988, 778 (784). 196 Vgl. dazu Debatin, Die Basisgesellschaft in der Wertung, StuW 1967, 312 (314); Bericht der

Bundesregierung „über die Wettbewerbsverfälschungen, die sich aus der Sitzverlagerung und aus dem zwischenstaatlichen Steuergefälle ergeben können“ (Oasenbericht), Bundestags-Drucksache IV/2412; in der Folge dazu Erlass des Finanzministers von Niedersachsen vom 14. 6. 1965 – S 1301 – 99 – 31 1, BStBl. 1965 II, 74 f. (Oasenerlass); zur Entstehungsgeschichte der §§ 7–14 AStG; Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 7, Rdnr. 1. AStG; Gesetzesbegründung: Bundes-tags-Drucksache VI/2883 vom 2. 12. 1971, 14. 197 Vgl. dazu die Regierungsbegründung zur Einführung des AStG, Bundestags-Drucksache

VI/2883 vom 2. 12. 1971, 26 f.; Selling, Die Abschirmwirkung ausländischer Basisgesellschaften gegenüber dem deutschen Fiskus, DB 1988, 930 ff.; Harald Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 10. 2; Norbert Herzig/Norbert Dautzenberg, Die deutsche Steuerreform ab 1999 und ihre Aspekte für das deutsche Außensteuerrecht und das internationale Steuerecht, DB 2000, 12 (18).

70

71

Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

43

könne die Dividendenbesteuerung im Inland vom Steuerpflichtigen hinausgezögert

werden. Zudem entstünde bei Thesaurierung der Gewinne ein Zinsvorteil auf den

eingesparten inländischen Steuerbetrag.199 Diesen Effekt bezeichnet man als „tax

deferral“ (Steueraufschub).200 Es werden darüber hinaus noch weitere Möglichkeiten

beschrieben, in denen die Einschaltung einer ausländischen Kapitalgesellschaft gegen-

über einer Gestaltung mit inländischen Kapitalgesellschaften von Vorteil sein kann.

Hierzu gehört der als Abzugswirkung bezeichnete Effekt, Zinszahlungen an eine darle-

hensgebende ausländische Kapitalgesellschaft als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG)

des Anteilseigners darzustellen und dadurch eine Verringerung der inländischen Be-

messungsgrundlage zu erreichen. Des Weiteren könne die ausländische Kapitalgesell-

schaft ihre Erträge dadurch verschleiern, d. h. die Aufklärung des Besteuer-

ungstatbestands durch die Finanzverwaltung erschweren, indem Kapital in „Steueroa-

sen“201 übertragen und der für die Besteuerung erforderliche Nachweis erschwert wird

(tax evasion). Deshalb geht auch der Bundesfinanzhof davon aus, dass die Vorschriften

über die Hinzurechnungsbesteuerung als konzeptionelle Maßnahme gegen „Steu-

erflucht“ durch Einschaltung ausländischer Gesellschaften anzusehen sind.202 Die Hin-

zurechnungsbesteuerung trägt diesem Umstand Rechnung, indem die Abschirm-

wirkung einer ausländischen Kapitalgesellschaft durchbrochen wird. Der Gesetzgeber

macht schon bei der Einführung der §§ 7–14 AStG geltend, dass ein steuerlicher

198 Dazu Harald Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 10. 2.; Selling, Die Abschirmwirkung

ausländischer Basisgesellschaften gegenüber dem deutschen Fiskus, DB 1988, 930 ff.; vgl. auch Gesetzesbegründung: Bundestags-Drucksache VI/2883 vom 2. 12. 1971, 26 f. 199 So schon bei Einführung der Hinzurechnungsbesteuerung die Regierungsbegründung, Bundes-

tags-Drucksache VI/2883, Rdnr. 27. 200 Vgl. Matthew Sullivan/Robert Wallner/Stephan Wübbelsmann, Die deutsche Hinzurechnungsbe-

steuerung auf dem europäischen Prüfstand, IStR 2003, 6 (7). Dazu schon „Oasenberichte“: Bundes-tags-Drucksache VI/2883, Rdnrn. 27 und 32, wonach Steuervorteile daraus resultieren, dass die Abschirmwirkung besteht. 201 Siehe etwa Gerd Morgenthaler, Steueroasen und Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2000, 289. 202 BFH 19. 1. 2000 – I R 117/97 und I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; BFH/NV 2000, 824.

Verhinderung steuerlicher Fehlentwicklungen

44

Vorteil im Ausland aufgrund des dortigen niedrigen Steuerniveaus bestehe.203 Steuer-

vorteile für bestimmte ausländische Kapitalgesellschaften werden egalisiert, soweit

diese sich aus der Ausnutzung der Abschirmwirkung ergeben.204

Konzeptionell erreicht der Gesetzgeber die Durchbrechung der Abschirmwirkung,

indem „Zwischeneinkünfte“ einer ausländischen Gesellschaft bei jeder der an dieser

Gesellschaft beteiligten unbeschränkt steuerpflichtigen Personen mit dem Teil steuer-

pflichtig205 sind, der auf die ihm zuzurechnende Beteiligung am Nennkapital der Ge-

sellschaft entfällt (§ 7 Abs. 1 AStG, § 10 Absätze 1– 4 AStG). Der sich daraus gemäß

§ 10 Abs. 2 AStG ergebende Hinzurechnungsbetrag erhöht die einkommensteuer-

lichen oder körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage des Gesellschafters.206 Der

Hinzurechnungsbetrag gehört – sofern die Anteile an der ausländischen Gesellschaft

nicht zu einem Betriebsvermögen gehören207 – zu den Einkünften aus Kapitalvermö-

gen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG und gilt unmittelbar nach Ablauf des maß-

gebenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft als zugeflossen (§ 10 Abs. 2

Satz 1 AStG). Bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags finden die Vorschriften

des deutschen Steuerrechts Anwendung (§ 10 Abs. 3 Satz 1 AStG). Dies gilt jedoch

nicht für die Vorschriften über die Steuerfreistellung bei einem Dividendenbezug nach

§ 8b Abs. 1 KStG und § 3 Nr. 40 EStG, denn deren Anwendung ist gemäß § 10

203 Die Problematik hinsichtlich der Abschirmwirkung von ausländischen Gesellschaften wurde

bereits im Rahmen des „Oasenerlasses“ erörtert. Vgl. „Bericht der Bundesregierung an den Deut-schen Bundestag über die Wettbewerbsverfälschungen, die sich aus Sitzverlagerungen und aus dem zwischenstaatlichen Steuergefälle ergeben können“ (Oasenbericht) vom 23. 6. 1964, Bundestags-Drucksache IV/2412, Abschnitt II, Bundestags-Drucksache 12/1506, 350. Die „Oasenproblematik“ ergebe sich daraus, dass im Inland der Steueranspruch verloren ging. Hierzu Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 7 AStG Rdnr. 5, sowie die Regierungsbegründung zum AStG, Bundestagsdrucksache VI/2883 dort Rdnr. 27; dort wird deutlich, dass mit §§ 7–14 AStG ein Steueranspruch geschaffen werden soll, welcher der Bundesrepublik Deutschland nicht zugestanden hätte. 204 Vgl. Regierungsbegründung zum AStG, Bundestags-Drucksache VI/2883, Rdnr. 27 ff.; vgl.

etwa auch Lieber, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Vor § 7 AStG Rdnr. 5; siehe auch Selling, Die Abschirmwirkung ausländischer Basisgesellschaften gegenüber dem deutschen Fiskus, DB 1988, 930 ff.; Harald Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 10. 2. 205 Vgl. den Wortlaut des § 7 Abs. 1 AStG. 206 Vgl. dazu Menck, Die Ermittlung des anzusetzenden Hinzurechnungsbetrags bei reinen Zwi-

schengesellschaften, DStZ 1975, 43; ders., Rechtsmechanismus und Rechtscharakter der Zugriffsbe-steuerung, DStZ 1978, 106. 207 In diesem Fall gilt nach § 10 Abs. 2 Satz 2 AStG die Ausnahme zu § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG: der

Hinzurechnungsbetrag gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG), aus Land und Forstwirtschaft (§ 13 EStG) oder aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG).

72

Die Besonderheit von passiven Einkünften

45

Abs. 2 Satz 3 AStG ausgeschlossen.208 Dividendenbezug und Hinzurechnungsbetrag

sind als Einkünfte aus Kapitalvermögen normativ gleichgesetzt, wodurch auch die

grundsätzliche Beziehung zwischen Hinzurechnungsbetrag und Dividendenbezug zum

Ausdruck kommt. Der Hinzurechnungsbetrag wird stets in vollem Umfang in die

Bemessungsgrundlage der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer des Gesellschafters

einbezogen. Die durch den Hinzurechnungsbetrag erfassten Einkünfte der ausländi-

schen Gesellschaft unterliegen in jedem Fall der Besteuerung auf Ebene des Gesell-

schafters, obwohl die Ausschüttung dieser Einkünfte an den Gesellschafter an sich

steuerfrei, bzw. zur Hälfte steuerfrei erfolgen könnte (§ 8b Abs. 1 KStG, § 3 Nr. 40

EStG).

Die von der Hinzurechnungsbesteuerung betroffenen Lebenssachverhalte müssen

einen inneren, spezifischen Zusammenhang zu den von der Hinzurechnungsbesteuer-

ung angeordneten Rechtsfolgen aufweisen.

Der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen ihrer Art nach bestimmte, niedrig

besteuerte Einkünfte – so genannte passive Einkünfte –, die von der ausländischen

Gesellschaft bezogen werden. Die entsprechende gesetzliche Grundlage findet sich in

§ 8 Abs. 1 AStG. Danach ist eine ausländische Gesellschaft (vgl. die Legaldefinition in

§ 7 Abs. 1 AStG) Zwischengesellschaft für Einkünfte, die einer niedrigen Besteuerung

unterliegen und die nicht aus einer von den in § 8 Abs. 1 Nrn. 1–9 AStG aufgezählten

Einkünftegruppen209 stammen. Ob passive Einkünfte vorliegen, richtet sich nach § 8

Absätze 1 und 2 AStG. Dabei sind die einzelnen Tätigkeiten der ausländischen Gesell-

schaft nicht jeweils isoliert für sich zu betrachten; Folge- und Nebeneinkünfte teilen

das Schicksal der (aktiven oder passiven) Haupttätigkeit („funktionale Betrachtungs-

weise“). Passive Einkünfte lassen sich in folgende Fallgruppen unterscheiden:

Erstens Einkünfte, die unter Einbeziehung von Personen im Sinne von § 7 Abs. 1

AStG oder nahe stehenden Personen erzielt werden (§ 8 Abs. 1 Nrn. 3, 4 Buchsta-

208 Das bedeutet, dass der Hinzurechnungsbetrag nicht zur Hälfte (§ 3 Nr. 40 EStG) bzw. vollum-

fänglich (§ 8b Abs. 1 EStG) steuerfrei sein kann. Siehe dazu Wassermeyer, Die im Entwurf des Steuer-senkungsgesetzes vorgesehen Änderungen der Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2000, 193 (195); vgl. auch Rättig/Protzen, Holdingbesteuerung nach derzeit geltendem und kommendem Außen-steuergesetz, IStR 2000, 548; dies., Unbeabsichtigter Systemwechsel bei der Hinzurechnungsbe-steuerung von Kapitalgesellschaften als Folge des Steuersenkungsgesetzes? IStR 2000, 394; siehe auch Christoph Spengel/Claudia Jaeger/Katja Müller, Europarechtliche Beurteilung des Gesetzesentwurfs zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung, IStR 2000, 257; Alexander Vögele/Georg Edelmann, Internationale Steuerplanung nach der Unternehmenssteuerreform 2001, IStR 2000, 463. 209 Im Einzelnen vergleiche hierzu Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuer-

recht, § 8 AStG, Rdnrn. 11 ff.

73

74 Die eson-

heit von passi-ven Einkünf-

75

Verhinderung steuerlicher Fehlentwicklungen

46

ben a und b; § 8 Abs. 1 Nr. 5; § 8 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b; § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG).

Zweitens Einkünfte, für deren Erzielung nicht ausreichende Substanz im ausländi-

schen Staat vorhanden ist (kein „eingerichteter Geschäftsbetrieb“, § 8 Abs. 1 Nr. 4;

§ 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b AStG). Drittens Bestimmte Einkünfte aus Vermietung

und Verpachtung (§ 8 Abs. 6 AStG). Viertens Aufnahme und darlehensweise Verga-

be von Kapital, das nicht ausschließlich auf ausländischen Kapitalmärkten aufgenom-

men wurde (§ 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG). Fünftens Einkünfte aus Dividendenbezügen

und Veräußerungen von Anteilen an Kapitalgesellschaften.

Der Gesetzgeber bedient sich zur Bestimmung von passiven Einkünften der Rege-

lungstechnik, aktive Einkünfte zu definieren. Als passive Einkünfte qualifizieren Ein-

künfte, die nicht einer der in § 8 Abs. 1 Nrn. 1–9 AStG genannten Tätigkeiten zuzu-

ordnen sind. Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 AStG sind Einkünfte aus Land- und Forst-

wirtschaft aktive Einkünfte.210 Als aktive Einkünfte anzusehen sind gemäß § 8 Abs. 1

Nr. 2 AStG Einkünfte aus der Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung211 oder Monta-

ge212 von Sachen, der Erzeugung von Energie213 sowie dem Aufsuchen und der Ge-

winnung von Bodenschätzen214. Die erworbenen Waren – so ist es im Hinblick auf

die „Aktivität“ voraus zu setzen – dürfen vor ihrer Weiterveräußerung „nicht nur

geringfügig behandelt“ werden, die ausländische Gesellschaft muss zudem über eine

210 Die Definition für den Begriff der Land- und Forstwirtschaft ist entsprechend § 13 Abs. 1 EStG

die planmäßige Nutzung von Naturkräften und die Verwertung der dadurch gewonnenen Erzeug-nisse und erfasst die gesamte Bodenbewirtschaftung nichtgewerblicher Art, dazu Siegbert Seeger, in: Schmidt, EStG, § 13 Rdnr. 1. 211 Die Vorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AStG nennt das Herstellen, Bearbeiten, Verarbeiten und die

Montage als Bereiche eines Unternehmensbetriebs, wovon Forschung und Entwicklung, konzernlei-tende Produktionsplanung oder Produktkoordination zu trennen sind. Herstellung bedeutet die stoffliche Neuschöpfung, Be- und Verarbeitung meint die Änderung oder Verbesserung von beweg-lichen oder unbeweglichen Sachen, vgl. Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kom-mentierung zum Außensteuergesetz, AStG, § 8 Rdnr. 21. 212 Unter Montage versteht das Gesetz das Zusammensetzen vorgefertigter Teile oder Baugruppen

zu einem Enderzeugnis am Ort der Aufstellung oder des Einsatzes, dazu Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 67; Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz, § 8 Rdnr. 23. Jürgen Haun, in: Wöhrle/Schelle/Gross, § 8 Rdnrn. 61 ff.; Henkel, in: Mössner, Besteuerung international tätiger Unternehmen, Rdnr. E 416. 213 Mit dem Begriff Erzeugung von Energie ist jegliche Gewinnung von Energie dem aktiven Tätig-

keitsbereich zugeordnet, einschließlich der Umwandlung von Energie und deren Transport, vgl. Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz, § 8 Rdnr. 24; Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 75 f. 214 Zu aktiven Einkünften führen nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 AStG das Aufsuchen und Ausbeuten von

Bodenschätzen jeder Art; einbezogen sind damit die Exploration, der Aufschluss von Feldern, die Förderung auf eigene Rechnung oder für Dritte; vgl. Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz, § 8 Rdnr. 20.

76

Die Besonderheit von passiven Einkünften

47

eigene Produktionsstätte verfügen.215 In der Vorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG wird

bestimmt, dass Einkünfte von Banken- und Versicherungen als aktive Einkünfte

anzusehen sind.216 Hierfür ist erforderlich, dass die Kreditinstitute217 oder Versiche-

rungsunternehmen einen für ihre Geschäfte in kaufmännischer Weise eingerichteten

Betrieb unterhalten (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Halbsatz 1 AStG). Der Gesetzeswortlaut

stellt nicht auf eine bestimmte Tätigkeit, sondern auf den Betrieb eines Kreditinstituts

oder Versicherungsunternehmens ab.218 Die ausländische Gesellschaft muss zudem

einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Betrieb unterhalten. Betriebliche

Dienstleistungen dieser Unternehmen dürfen nicht von anderen Personen erbracht

oder die notwendigen Kontrollfunktionen an anderer Stelle geleistet werden.219 Es

muss eine nach der Verkehrsauffassung notwendige personelle und sachliche Ausstat-

tung vorliegen.220 Für die Einstufung dieser Tätigkeit als „aktiv“ ist weiter Vorausset-

zung, dass die Bank- oder Versicherungsgeschäfte nicht zu mehr als der Hälfte von

Beteiligten (das sind unbeschränkt steuerpflichtige Personen, die an der Gesellschaft

beteiligt sind) oder diesen Beteiligten nahe stehenden Personen im Sinne von § 1

Abs. 2 AStG betrieben werden.221

Die in § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG genannten Gesellschaften können im Konzern Fi-

nanzierungstätigkeiten ausüben, die sich bei einer Einzelbetrachtung – etwa bei Kre-

215 Vgl. Grundsätze zur Anwendung des AStG (AStG-Grundsätze) vom 2. 12. 1994, BStBl. I 1994,

Sondernummer 1/1995, Tz. 8. 1. 2. 2. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 52; K. Vogel, in: Vogel/Lehner, Art. 23 Rdnr. 76; Udo Henkel, in: Mössner, Besteuerung international tätiger Unternehmen, Rdnr. E 416; Haun, in: Wöhrle/Schelle/Gross, § 8 Rdnr. 55. 216 Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 97; Haun, in: Wöhrle/Schelle/Gross,

§ 8 Rdnr. 72. 217 Vgl. zum Begriff Gerhard Kraft/Dirk Nitzschke, Der Kreditinstituts-Begriff des Außensteuer-

gesetzes unter besonderer Berücksichtigung der aufsichtsrechtlichen Einflüsse der 6. KWG-Novelle, IStR 2003, 427. 218 Dies setzt bei Banken nach § 1 KWG (Gesetz über das Kreditwesen vom 10. 7. 1961, BGBl. I

1961, 881, neu gefasst durch Gesetz vom 9. 9.1998 BGBl. I 1998, 2776; zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 15. 12. 2004, BGBl. I 2004, 3416 und durch Gesetz vom 21. 12. 2004, BGBl. I 2004, 3610) den Betrieb von Bankgeschäften in einem Umfang voraus, der einen in kauf-männischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Siehe auch K. Vogel, in: Vogel/Lehner, Art. 23 Rdnr. 75; Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 86; Haun, in: Wöhr-le/Schelle/Gross, § 8 Rdnr. 75. 219 Haun, in: Wöhrle/Schelle/Gross, § 8 Rdnr. 75; Henkel, in: Mössner, Besteuerung international

tätiger Unternehmen, Rdnr. E 417. 220 Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz,

§ 8 AStG, Rdnr. 30. 221 Problematisch ist, wie schädliche Geschäfte abzugrenzen, anzusetzen und zu gewichten sind.

Zum Streitstand vgl. Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz, § 8 Rdnr. 30.

77

Verhinderung steuerlicher Fehlentwicklungen

48

ditvergabe222 – als Bankgeschäfte darstellen.223 Nach der Verwaltungsauffassung handelt

es sich um passive Einkünfte, wenn das Unternehmen nicht dem Gesamtbild einer

Bank entspricht und die Geschäfte nicht in „kredit- oder versicherungswirtschaftlicher

Weise“ durchgeführt werden.224 Neben Geschäften für den Konzern in bank- bzw.

versicherungstypischer Weise müssen auch Geschäfte für einen Kundenkreis am freien

Markt, außerhalb des Konzerns, erbracht werden.225 Einkünfte von Finanzierungsge-

sellschaften für die Kapitalbeschaffung zur Weiterleitung aufgenommener Mittel an

andere Teileinheiten des Konzerns sind danach passive Einkünfte, wenn es an dem für

Bankgeschäfte üblichen Einlagengeschäft und der es kennzeichnenden Geschäftsvielfalt

fehlt.226 Passive Einkünfte liegen auch vor, wenn Einkünfte von Gesellschaften entste-

hen, die innerhalb des Konzerns die Verteilung der liquiden Finanzmittel übernehmen

oder das Währungsmanagement begleiten. Hier fehlt es an einem nach außen gerich-

teten Bankgeschäft.227 Der Risikoausgleich durch Versicherungsgesellschaften zur

Absicherung von Risiken unter Rückversicherung bei Dritten kann ebenfalls zu

passiven Einkünften führen.228 Als „passiv“ werden konzerninterne Finanzierungsvor-

gänge angesehen, auch wenn diese von einer Bank oder einer Versicherungsge-

sellschaft durchgeführt werden. Das Verdikt der Passivität der Einkünfte ergibt sich im

Hinblick auf § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG daraus, dass „die Geschäfte überwiegend mit

unbeschränkt Steuerpflichtigen, die nach § 7 AStG an der ausländischen Gesellschaft

beteiligt sind, oder solchen Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG nahe ste-

henden Personen betrieben“ werden. Passive Einkünfte können resultieren aus der

Kreditvergabe (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG)229 oder der Einschaltung von Kapitalgesell-

222 Zur Banktätigkeit gehören das Einlagen-, Kredit-, Diskont-, Effekten- und Depotgeschäft (§ 1

KWG). 223 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 92. 224 Vgl. Grundsätze zur Anwendung des AStG (AStG-Grundsätze) vom 2. 12. 1994, BStBl. I Son-

dernummer 1/1995, Tz. 8. 1. 3. 1. und 2.; vgl. auch Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 90. 225 Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 90. 226 Zur Auffassung der Finanzverwaltung Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8

Rdnr. 96; Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuer-gesetz, § 8 Rdnr. 32. 227 Siehe nur Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außen-

steuergesetz, § 8 Rdnr. 32. 228 Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz,

§ 8 Rdnr. 32. 229 Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz,

§ 8 Rdnr. 32.

Die Besonderheit von passiven Einkünften

49

schaften, welche Liquidität im Konzern steuern.230 Auch die Einschaltung von kon-

zerninternen Versicherungsgesellschaften kann zu passiven Einkünften führen.231 Der

Gesetzgeber unterstellt nicht die Tätigkeit an sich dem Malus der Passivität, vielmehr

soll die Verlagerung der Tätigkeit in einen ausländischen Staat erfasst werden.232

Einkünfte aus dem Handel sind gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG aktive Einkünfte.

Handel ist die gewerbsmäßige Anschaffung und Weiterveräußerung von Sachen oder

Wertpapieren ohne wesentliche Ver- oder Bearbeitung (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 HGB). § 8

Abs. 1 Nr. 3 AStG erfasst die von Eigenhändlern oder Kommissionären getätigten

Anschaffungen und Weiterveräußerungen von Gütern und Waren.233 Dies gilt jedoch

nur unter den Einschränkungen des § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a AStG.234 Bei Lieferun-

gen aus dem Inland eines an der ausländischen Gesellschaft beteiligten Gesellschafters

gemäß § 7 AStG oder einer ihm nahe stehenden Person (§ 1 Abs. 2 AStG) liegen pas-

sive Einkünfte vor, wenn nicht nachgewiesen werden kann, dass die ausländische

Gesellschaft einen in „kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb“ auf-

weist und am „allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr“ teilnimmt (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 4

[am Ende] AStG).235 Nach der Alternative des § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AStG liegen, 230 Dazu Brigitte Hintzen, Die Zwischenholding als Strukturelement internationaler Konzerne,

DStR 1998, 1319 (1321); siehe auch Francois Malherbe, Die Belgischen Koordinierungsstellen, IStR 1997, 74. 231 Vgl. etwa Kurt Kiethe/Doris Hektor, Grundlagen und Techniken der Projektfinanzierung, DStR

1996, 977 (979); siehe auch Achim-Rüdiger Börner, Captives als Instrument der Bewältigung des Risikos deutscher Unternehmen aus Produkthaftpflicht, PHI 1995, 2; Karl Heinz Bialek/Luc Grillet, Captive-Versicherung im deutschen und US-amerikanischen Körperschaftsteuerrecht, RIW 1992, 301; Peter Würfele, Steuerliche Aspekte einer Captive Insurance Company, IWB 1989/12 Fach 3, Gruppe 1, 1241. 232 Vgl. die Gesetzesbegründung zum AStG: Bundestags-Drucksache VI/2883 vom 2. 12. 1971,

14; Bundestags-Drucksache IV/2412; Helmut Debatin, Die Basisgesellschaft in der Wertung, StuW 1967, 312 (314). 233 Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz,

§ 8 Rdnr. 41; Haun, in: Wöhrle/Schelle/Gross, § 8 Rdnr. 81; Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 116. 234 Die Tatbestandsalternativen des § 8 Abs. 1 Nr. 4 a.E. (kein Geschäftsbetrieb für Handel), § 8

Abs. 5 Buchst. b a.E. (kein Geschäftsbetrieb für Dienstleistungen) und § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c (kein Geschäftsbetrieb für Vermietung und Verpachtung) AStG setzen einen für die spezifische Einkunftserzielung eingerichteten Geschäftsbetrieb voraus, mit dem eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfolgt. Die Rechtsfolge einer Zurechnung solcher Einkünfte ließe sich schon aus § 42 Abs. 1 AO 1977 herleiten. 235 Dass ein inländischer Gesellschafter nicht an der Funktionserfüllung der Handelsgesellschaft

mitwirken darf, ist eine weitere Voraussetzung, die im Rahmen des § 8 Abs. 1 Nr. 4 a. E. AStG nachgewiesen werden muss. Denn die zur Vorbereitung, zum Abschluss und zur Ausführung der Geschäfte gehörenden Tätigkeiten sind ohne Mitwirkung eines Steuerpflichtigen i. S. vom § 7 AStG oder einer ihm nahe stehenden Person auszuüben.

78

Verhinderung steuerlicher Fehlentwicklungen

50

falls der Nachweis gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4 [am Ende] AStG nicht geführt werden

kann, passive Einkünfte vor, wenn Güter oder Waren von der ausländischen Gesell-

schaft ins Inland an einen Gesellschafter der ausländischen Gesellschaft oder eine ihm

nahe stehende Person geliefert werden. Der Funktionsnachweis236 ist nach § 8 Abs. 1

Nr. 4 Buchst. a und Buchst. b AStG erforderlich, wenn Waren aus dem Inland oder

in das Inland geliefert werden und an dem Vorgang neben der ausländischen Gesell-

schaft auch nahe stehende Personen beteiligt sind. Das Gesetz erkennt also Einkünfte

aus Handel grundsätzlich als aktiv an und determiniert ausnahmsweise die Einkünfte als

passive, wenn die ausländische Gesellschaft durch nahe stehende Personen ihre Ge-

schäfte abgewickelt hat, aber tatsächlich keine „volle Verteiler- und Leistungs-

funktion“ erfüllt237 und ein Funktionsnachweis nicht erbracht wird.238 Bei Einbindung

einer ausländischen Gesellschaft in die Geschäftsabläufe eines Konzerns liegen passive

Einkünfte vor, wenn die ausländische Gesellschaft allein mit Konzernunternehmen

verkehrt.239 Nach der Konzeption des § 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG begründet nicht der

eigentliche Inhalt der Tätigkeit den Vorwurf der Passivität, sondern die Beteiligung

bestimmter Personen. Mithin werden Tätigkeiten, die inhaltlich als aktive Einkünfte

zu qualifizieren sind, die aber durch „nahe stehende“ Personen erbracht oder die von

einem Unternehmen ausgeübt werden, welches nicht über bestimmte Einrichtungen

verfügt, als passive Einkünfte erfasst.

Dienstleistungen führen gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a AStG zu passiven

Einkünften, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft sich zu ihrer Ausführung einer

Person bedient, die an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist, oder die Dienstleistung von

einer diesem Steuerpflichtigen nahe stehenden Person erbracht wird, die mit den von

ihr beigetragenen Leistungen im Inland steuerpflichtig ist.240 Nach der Alternative des

§ 8 Abs. 2 Nr. 5 Buchst. b AStG sind aus Dienstleistungen stammende Einkünfte

passive Einkünfte, wenn sie an den Gesellschafter im Sinne des § 7 AStG (oder eine

236 Vgl. Henkel, in: Mössner, Besteuerung international tätiger Unternehmen Rdnr. E 419. 237 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 124; Menck, in: Blümich, EStG,

KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz, § 8 Rdnr. 35. Erforderlich für den Funktionsnachweis sind ein qualifizierter Geschäftsbetrieb sowie die betriebliche Eigenständig-keit der ausländischen Gesellschaft. Nachzuweisen ist, dass die ausländische Gesellschaft „unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr“ tätig wird. Dies erfordert, dass die Tätigkeit gegen Entgelt für den Markt erbracht und für Dritte äußerlich sichtbar angeboten wird. 238 Vgl. BFH vom 9. 7. 1986 – I R 85/83, BStBl. II 1986, 851, BFHE 147, 245. 239 BFH vom 29. 8. 1984 – I R 68/81, BStBl. II 1985, 120, BFHE 142, 234. 240 Zum Begriff vgl. Henkel, in: Mössner, Besteuerung international tätiger Unternehmen,

Rdnr. E 420; Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 172; Haun, in: Wöhr-le/Schelle/Gross, § 8 Rdnr. 91.

79

Die Besonderheit von passiven Einkünften

51

nahe stehende Person) erbracht werden und nicht nachgewiesen ist, dass die ausländi-

sche Kapitalgesellschaft einen für das Bewirken derartiger Dienstleistungen eingerich-

teten Geschäftsbetrieb unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr

unterhält. Wenn § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG die Hinzurechnung von Einkünften aus

Dienstleistungen vorsieht, kann die ausländische Tochtergesellschaft nicht auf freie

personale Kapazitäten einer inländischen Muttergesellschaft zurückgreifen. Erbringt

die inländische Kapitalgesellschaft für die Tochtergesellschaft eine Dienstleistung, führt

dies unter den genannten Voraussetzungen zu passiven Einkünften. Aus § 8 Abs. 1

Nr. 5 AStG kann sich die Passivität ergeben für Einkünfte von Factoring-Gesell-

schaften,241 Managementgesellschaften, ausländischen Finanzierungsgesellschaften oder

Patententwicklungsgesellschaften.242

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind aktive Einkünfte (§ 8 Abs. 1

Nr. 6 AStG). Dies gilt jedoch nicht für die Überlassung der Nutzung von Rechten,

Plänen, Mustern, Verfahren, Erfahrungen und Kenntnissen, wenn nicht der Nachweis

geführt wird, dass die ausländische Kapitalgesellschaft die Ergebnisse eigener For-

schungs- oder Entwicklungstätigkeit auswertet (§ 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG). Die

Übertragung von Patenten auf eine ausländische Tochtergesellschaft führt mithin zu

passiven Einkünften (Patentverwertungsgesellschaften243). Dies gilt nur dann nicht,

wenn die Patente von der ausländischen Kapitalgesellschaft entwickelt worden sind

und der inländische Anteilseigner bei dieser Tätigkeit nicht mitgewirkt hat.

Die Vermietung und Verpachtung von beweglichen Sachen ist nach § 8

Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c AStG als passive Tätigkeit anzusehen, es sei denn, der Steuer-

pflichtige weist nach, dass die ausländische Kapitalgesellschaft einen Geschäftsbetrieb

gewerbsmäßiger Vermietung oder Verpachtung unter Teilnahme am allgemeinen

wirtschaftlichen Verkehr unterhält und alle zu einer solchen gewerbsmäßigen Vermie-

tung oder Verpachtung gehörenden Tätigkeiten ohne Mitwirkung eines unbeschränkt

Steuerpflichtigen, der gemäß § 7 AStG an ihr beteiligt ist, oder einer einem solchen

Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG nahe stehenden Person ausübt.

241 Siehe etwa Harald Kuckhoff/Rolf Schreiber, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung aus Sicht

der Betriebsprüfung, IStR 1999, 321; Götz Tobias Wiese, Steuerliche Behandlung von Securitisations, BB 1998, 1713; Stefan Rode, Die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung und die niederländische Risikoreserve, IStR 1997, 582. 242 Wassermeyer, Schriftenreihe Beratungsakzente, Internationales Steuerrecht, Fortentwicklung des

Unternehmenssteuerrechts Außensteuergesetz Beschränkte Steuerpflicht, 67. 243 Dazu Haun, in: Wöhrle/Schelle/Gross, § 8 Rdnr. 101; Wassermeyer, in:

Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 220.

80

81

Verhinderung steuerlicher Fehlentwicklungen

52

Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b AStG sind Vermietungs- und Ver-

pachtungseinkünfte von Grundstücken passive Einkünfte. Dies gilt nicht, wenn

die Einkünfte nicht nach einem Doppelbesteuerungsabkommen von der Besteuerung

ausgenommen wären. Es muss demnach ein Doppelbesteuerungsabkommen mit dem

Belegenheitsstaat des Grundstücks bestehen, durch das bei unmittelbarem Bezug durch

den inländischen Anteilseigner die Freistellungsmethode (Art. 23 A OECD-MA)

Anwendung findet. Kommt die Anrechnungsmethode (Art. 23 B OECD-MA) zur

Anwendung oder besteht kein Doppelbesteuerungsabkommen, sind die Einkünfte als

passiv anzusehen.244 Unter diese Tatbestände können Immobiliengesellschaften und

Vertriebsgesellschaften eingeordnet werden. Immobiliengesellschaften bezwecken die

optimale Liegenschaftsverwaltung durch spezialisiertes Management.245 Vertriebs-

gesellschaften bieten sich an, um Kundenwünschen besser entsprechen zu können und

Kundenbeziehungen zu verbessern.246 Daher kann es sich um wirtschaftlich zweckmä-

ßige Gesellschaften handeln – darüber hinaus lassen sich keine Anhaltspunkte dafür

finden, dass sich auch in Fällen der Vermietung, die von einer selbständigen Kapitalge-

sellschaft erbracht werden, die Leistungsfähigkeit des Anteilseigners erhöht. Eine

weitere Tatbestandsalternative findet sich für die Aufnahme und Vergabe von Kapital.

Auch hier ist zu fragen, ob sich solche Einkünfte durch eine ausländische Kapitalge-

sellschaft auf die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters auswirken.

Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG ist die Aufnahme und darlehensweise Vergabe

von Kapital als aktive Tätigkeit einzuordnen. Der Steuerpflichtige muss jedoch

nachweisen, dass es ausschließlich auf ausländischen Kapitalmärkten aufgenommen

und einer ausländischen Betriebsstätte oder einem ausländischen Betrieb zugeführt

wird, die selbst aktive Tätigkeiten i. S. vom § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG ausüben. § 8

Abs. 1 Nr. 7 behandelt damit Einkünfte aus der Aufnahme und Vergabe von Darlehen

als aktive Einkünfte. Hierunter fallen Gesellschaften, die in Konzernstrukturen in ihre

externe Finanzierung auf ausländischen Kapitalmärkten eingeschaltet werden. Die

Voraussetzung, dass die ausländische Kapitalgesellschaft Kapital auf dem Kapitalmarkt

aufnimmt, ist zu bejahen, wenn die Mittel unter eigener Rückgewähr- und Entgelt-

244 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnrn. 227 ff. 245 Siehe Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 226; Haun, in: Wöhr-

le/Schelle/Gross, § 8 Rdnr. 106; Otto Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Auflage, München 2002, 1058. 246 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Auflage, München 2002, 1059.

82

83

Die Besonderheit von passiven Einkünften

53

pflicht in einer für Kapital- und Geldmärkte typischen Weise beschafft werden.247 Pas-

sive Einkünfte liegen hingegen vor, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft Ei-

genkapital aufbringt oder eigene Gewinne verwendet oder eigene überschüssige Li-

quidität ausnutzt.248 Die Identität von aufgenommenen und vergebenen Mitteln be-

steht, auch in Fällen, in denen die ausländische Kapitalgesellschaft nebeneinander

Fremd- und Eigenmittel aufgenommen bzw. zugeführt hat.249 Von § 8 Abs. 7 AStG

werden insbesondere konzerninterne Finanzierungsstrukturen erfasst, mit denen

Tochtergesellschaften mit Kapital ausgestattet werden. Hier soll mit der Hinzurech-

nungsbesteuerung unterbunden werden, dass Kapital in das niedrig besteuerte Ausland

gelangt, wenn die inländische Kapitalgesellschaft selbst die Darlehnssumme leisten

könnte. Die Vergabe von Kapital wird vom Gesetzgeber nicht beanstandet, wenn eine

inländische Finanzierungsgesellschaft diese Aufgabe übernimmt.250

Nach § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG sind Gewinnausschüttungen von Kapi-

talgesellschaften als aktive Einkünfte anzusehen. Das sind Zuwendungen einer

Kapitalgesellschaft als Ertrag einer an ihnen bestehenden Beteiligung, insbesondere die

unter § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG fallenden Gewinnanteile der Kapitalgesellschaften und

auch verdeckte Gewinnausschüttungen.251 Als passive Einkünfte qualifizieren dagegen

besondere Vorteile und Entgelte im Sinne des § 20 Abs. 2 Nr. 2 EStG sowie Erträge

von Personengesellschaften und typischen bzw. atypischen stillen Beteiligungen.

Gewinne aus der Anteilsveräußerung sind gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG als aktive

Einkünfte anzusehen; diese Vorschrift bezweckt, dass sich aus dem Außensteuergesetz

ein Gleichklang zu § 8b Abs. 2 KStG ergibt; § 8b Abs. 2 KStG ist die Vorschrift,

welche die Anteilsveräußerung von Kapitalgesellschaften steuerfrei gewährleistet.

Begünstigt sind Veräußerungsgewinne (vgl. § 16 EStG und § 8b Abs. 2 KStG). Die

Steuerfreistellung für Bezüge von Dividenden nach § 8b Abs. 1 KStG gilt nach dem

Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz252 auch für die Hinzurechnungsbesteuer- 247 Vgl. Haun, in Wöhrle/Schelle/Gross, § 8 Rdnr. 122; Wassermeyer, in:

Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 243. 248 Vgl. Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuer-

gesetz, § 8 Rdnr. 74. 249 Vgl. dazu Haun, in: Wöhrle/Schelle/Gross, § 8 Rdnr. 127; Wassermeyer, in:

Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnr. 256; Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz, § 8 Rdnr. 78. 250 Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 8 Rdnrn. 242 und 246. 251 Vgl. dazu die Gesetzesbegründung zu § 8 AStG: Bundestags-Drucksache 14/6882, 67. 252 Die Regelung wurde durch das Steuersenkungsgesetz vom 23. 10. 2000 (BGBl. I 2000, 1433,

BStBl. I 2000, 1428) und das Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetz vom 20. 12. 2001 (BGBl. I 2001, 3858, BStBl. I 2002, 35) geändert.

84

Verhinderung steuerlicher Fehlentwicklungen

54

ung. Damit entfällt für Dividenden schon die sachliche Voraussetzung für eine Hinzu-

rechnung. Der Hinzurechnungsbetrag selbst ist nicht entsprechend § 3 Nr. 40 Satz 1

Buchst. d EStG und § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei (§ 10 Abs. 2 Nr. 3 AStG). Diese im

Zuge der Unternehmenssteuerreform 2001 eingeführte Regelung253 wurde damit

begründet, dass tief gegliederte Beteiligungsketten und Beteiligungsnetze zum Nor-

malbild internationaler Wirtschaftstätigkeit geworden seien, und es der Bedeutung der

Holdinggesellschaften entspreche, solche Strukturen zu erfassen.254 Lediglich § 14

AStG ziele auf die dort anfallenden Zwischeneinkünfte, nicht aber auf aktive Erträ-

ge.255 Voraussetzung für die Anwendung des § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG ist, dass die Ge-

winnausschüttungen von einer Kapitalgesellschaft getätigt werden. Dies sind die unter

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG genannten deutschen Gesellschaften und diesen entsprechende

ausländische Rechtsgebilde.

Fragt man nun nach der Besonderheit der dargestellten Fälle „passiver Einkünfte“

ist zunächst der Umstand zu würdigen, dass der Gesetzgeber durch die Definition

„aktiver Einkünfte“ ein Regel- / Ausnahmeverhältnis geschaffen hat. Einkünfte, die

einer der in § 8 Abs. 1 Nrn. 1–9 AStG aufgezählten Tätigkeiten entstammen, zu deren

Erzielung bestimmte Personen beigetragen haben oder deren Verlagerung auf auslän-

dische Rechtsträger formell durch die Übertragung von Rechtspositionen (Lizenzen,

Patente) erfolgen kann, gelten grundsätzlich als problematisch. Der Gesetzgeber knüpft

an diese Gestaltungsoptionen die Vermutung, dass steuerliches Ausweichverhalten

gegeben sei.256 Besieht man in diesem Zusammenhang die Motive zum Außensteuer-

gesetz – insbesondere bei dessen Einführung im Jahre 1972 – geht es dem Gesetzgeber

253 Nach § 8 Abs. 2 Buchst. a AStG der Fassung vor dem Unternehmensteuer-

fortentwicklungsgesetz waren die Einkünfte einer Landesholding als aktiv zu qualifizieren, wenn die gehaltene Gesellschaft aktiven Gesamtcharakter hat und im Land der haltenden Gesellschaft (Oberge-sellschaft) ansässig ist. Eine Funktionsholding (§ 8 Abs. 2 Buchst. b AStG) war aktiv, wenn die ausländische Gesellschaft die Beteiligung im Zusammenhang mit eigenen aktiven Tätigkeiten i.S.d. § 8 Absätze 1 bis 6 AStG hielt. 254 Bericht der Bundesregierung Bundestags-Drucksache 14/3366, FR 2001, Beilage zu Heft 11,

29. 255 § 14 AStG soll verhindern werden, dass eine Zwischengesellschaft nicht selbst passive Einkünfte

erzielt, sondern dass erst auf einer nächsten – „nachgeschalteten“ – Ebene eine Gesellschaft passive Einkünfte erzielt. Wenn somit Zwischeneinkünfte auf jeweils nachgelagerte Stufen verlagert werden könnten, würde dies die Effizienz der Hinzurechnungsbesteuerung schmälern. Die auf unterer Stufe des Netzes anfallenden Zwischeneinkünfte werden gemäß § 14 AStG in die Hinzurechnungsbe-steuerung einbezogen, falls Mehrheitsbeteiligungen (§ 7 AStG) bestehen. 256 Vgl. zur Zielsetzung des Außensteuerrechts als Lenkungsnorm BVerfG vom 14. 5. 1986 – 2

BvL 2/83, BVerfGE 72, 200 (245); grundlegende Kritik an steuerlichen Lenkungsnormen etwa Elicker, Entwurf einer proportionalen Einkommensteuer, Habilitationsschrift, Köln 2004, 198.

85

Die Besonderheit von passiven Einkünften

55

darum, steuerliches Ausweichverhalten zu unterbinden, ohne „gleichzeitig den Wett-

bewerb bei echter Geschäftstätigkeit zu beeinträchtigen“.257 Die Unterscheidung, ob

den Einkünften eine „echte Wettbewerbssituation“ zu Grunde liegt, deutet darauf

hin, dass die Besonderheit der passiven Einkünfte möglicherweise darin besteht, dass in

diesen Fällen Einkunftsquellen in ausländische Staaten verlagert werden können und

dabei Anforderungen materieller Art (wie etwa die Errichtung von Fabrikgebäuden

oder die Einrichtung von Warenlagern, die Suche nach Personal etc.) gegenüber

formalen Anforderungen (Übertragung eines Rechts – etwa für eine Lizenz oder ein

Patent) keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen. In Fällen, in denen die

Verlagerung des Steueranspruchs in einen anderen Staat allein dadurch vollzogen

werden kann, dass eine Gestaltungsmöglichkeit genutzt wird, ohne dass dies weitere

Substanzverlagerungen erfordert, steht dem Steuerpflichtigen ein „Mehr“ an Verlage-

rungsmöglichkeit zu. So reicht zur Übertragung von Zinsforderungen, Kapital an eine

ausländische Bank zu transferieren und danach eine vertragliche Vereinbarung zu

treffen. Patente und Lizenzen lassen sich durch Rechtsakt übertragen. Hingegen

können vermietete Immobilien nicht an einen Standort verbracht werden. Die Verla-

gerung von Produktionsstätten bedarf umfangreicher logistischer und organisatorischer

Maßnahmen. Die Bedeutung des durch die formale Verlagerungsmöglichkeit ausnutz-

baren internationalen Steuergefälles könnte für die Investitionsentscheidung in Fällen

neutralisiert werden, in denen vereinfachte Verlagerungsmöglichkeiten bestehen.

Damit lässt sich auf das den §§ 7–14 AStG zu Grunde liegende Prinzip schließen, nach

dem formale Verlagerungsmöglichkeiten aus der Einschaltung niedrig besteuerter aus-

ländischer Kapitalgesellschaft begrenzt werden sollen, indem fehlende materielle Er-

fordernisse für eine ausländische Investition kompensiert werden. Diese Erkenntnis

ließe sich auch mit der vom Bundesfinanzhof verwendeten Kategorisierung der in § 8

Abs. 1 AStG definierten Einkünfte abstimmen, nach der die Besonderheit passiver

Einkünfte darin besteht, dass die beteiligten Steuerinländer diese originär in eigener

Person hätten erzielen können.258

Die prinzipielle Besonderheit passiver Einkünfte besteht mithin darin, dass in den

erfassten Fällen materielle Verlagerungserfordernisse gegenüber formellen Verlage-

257 Vgl. Gesetzesbegründung zum AStG, Bundestags-Drucksache VI/2883, 19. 258 Vgl. BFH vom 5. 4. 199 – I R 81/94, BFHE 177, 437, BStBl. II 1995, 629 (unter II. 3.b. der

Entscheidungsgründe). Vgl. auch Volker Kluge, Das Internationale Steuerrecht, 77; OECD, Harmful Tax Competition, An Emerging Global Issue, 1998 (1998 Report) sowie Harmful Towards Global Tax Co-operation, Report to the 2000 Ministerial Council Meeting and Recommendations by the Committee on Fiscal Affairs, Progress in Identifying and Eliminating Harmful Tax Practices, 2000 (2000 Report).

86

Verhinderung steuerlicher Fehlentwicklungen

56

rungsmöglichkeiten zurücktreten. Der Steuerpflichtige kann also die Verlagerung von

Einkunftsquellen durch formale Übertragungsakte erreichen, mit denen die Einkunfts-

quelle in den Geltungsbereich einer anderen Jurisdiktion und Steuerrechtsordnung

überführt wird. Dagegen erfordert etwa die Verlagerung eines Industriebetriebs um-

fangreichen organisatorischen, finanziellen und strukturellen Aufwand. Der Steuer-

pflichtige hat es – vereinfacht gesagt – in Fällen passiver Einkünfte leichter, allein

durch die rechtliche Ausgestaltung der steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten Ein-

künfte in einen anderen Staat zu verlagern. In der vorliegenden Untersuchung ist

deshalb weiter zu prüfen, ob dieses Prinzip durchgehend in den Tatbeständen des § 8

Abs. 1 Nrn. 1–9 AStG umgesetzt ist und ob sich ein spezifischer Zusammenhang

zwischen den von der Hinzurechnungsbesteuerung angeordneten Rechtsfolgen –

diese bestehen in der Durchbrechung der Abschirmwirkung der ausländischen Gesell-

schaft – und diesen prinzipiellen Besonderheiten nachweisen lässt.

Dass von der Hinzurechnungsbesteuerung auch Vorgänge erfasst werden, die ge-

messen am Interventionszweck der Hinzurechnungsbesteuerung nicht der Steuer-

verlagerung oder anderen Steuerfluchtmaßnahmen dienen, könnte grundsätzlich

zulässig sein.259 Denn der Gesetzgeber ist bei der Ordnung von Massenerscheinungen

berechtigt, typisierende und pauschalierende Regelungen zu erlassen, so dass die

Besonderheiten des einzelnen Anwendungsfalls vernachlässigt und geringfügige Un-

gleichheiten in Kauf genommen werden können.260 So ließe sich auch für die Hinzu-

rechnungsbesteuerung als Verteidigungsargument anführen, dass eine gewisse Un-

schärfe des Steuerzugriffs angesichts der Vielschichtigkeit denkbarer Fallgestaltungen

notwendigerweise entstehen müsse. Das Gebot der realitätsgerechten Tatbestands-

gestaltung begrenzt jedoch die Reichweite dieses Arguments. Danach ist erforderlich,

dass die von der Hinzurechnungsbesteuerung erfassten Vorgänge sachgerecht aufge-

nommen und realitätsgerecht abgebildet werden.261 Es lassen sich hierfür im Rege-

lungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung Fallgestaltungen aufzeigen, in denen

formale Verlagerungsmöglichkeiten nicht vorrangig wahrnehmbar sind:

259 R. Wendt, Der Gleichheitssatz, NVwZ 1988, 778 (784). 260 Zu Einzelheiten vgl. J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 132. Das BVerfG (etwa BVerfG vom 25. 9. 1992 – 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 [172]) lässt die „vergröbernde, die Abwicklung von Massenverfahren erleichternde Typisierung“ grundsätzlich zu. BVerfG vom 24. Juli 1963 – 1 BvL 11/61 und 1 BvL 30/57, BVerfGE 17, 1 (23), NJW 1963, 1723; BVerfG vom 13. 1. 1976, 1 BvR 631/69 und 1 BvR 24/70, BVerfGE 41, 126 (180), NJW 1976, 1491. 261 BVerfG vom 6. 3. 2002 – 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73, BGBl. I 2002, 1305; BStBl. II 2002,

618, NJW 2002, 1103.

87

Die Besonderheit von passiven Einkünften

57

Dient die Kreditvergabe von Finanzierungsgesellschaften innerhalb eines Kon-

zerns, nach Maßgabe von § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG eine passive Tätigkeit, dem Zweck,

die Kapitalbeschaffung und Weiterleitung aufgenommener Mittel an andere Teilein-

heiten des Konzerns zu steuern, liegen beachtliche Gründe vor, die dagegen sprechen,

dass formale Verlagerungsmöglichkeiten ausgenutzt werden.262 Um die Kapital-

beschaffung zu erleichtern, kann es sich anbieten, Finanzierungsgesellschaften in Staa-

ten zu gründen, deren Kapitalmärkte günstigen Bedingungen unterliegen, um die

Weiterleitung an Teileinheiten des Gesamtkonzerns zu koordinieren. Konzerninterne

Verteilungs- und Finanzierungsgesellschaften können zur bestmöglichen Allokation

von Kapital errichtet und eingesetzt werden. Der Einsatz solcher Gesellschaften kann

Vorteile nichtsteuerlicher Art für die Konzernfinanzierung bieten. Diese bestehen u.a.

in der Senkung von Emissionskosten gegenüber einer Anleiheausgabe im Inland, der

Vermeidung staatlicher Reglementierung oder in der Reduktion der Besicherungs-

anforderungen.263 Die Einschaltung von Kapitalgesellschaften kann auch als passiv

qualifiziert werden, wenn es eine Tochtergesellschaft übernimmt, Liquidität im Kon-

zern zu steuern – für solche Kapitalgesellschaften wird die Bezeichnung treasury centre

verwendet – in solchen Fällen kann dieser Kapitalgesellschaft etwa das Währungs-

management innerhalb des Konzerns zugewiesen werden, um Zins- und Wechsel-

kursrisiken zu minimieren.264 Der Einsatz einer solchen Kapitalgesellschaft dient kon-

zernintern dem Finanzausgleich sowie dem Vermögens- und Kreditmanagement.265

Das Verdikt der Passivität kann sich gemäß § 8 Abs. 1 Nrn. 3 und 5 AStG ergeben bei

Einschaltung von konzerninternen Versicherungsgesellschaften, so genannten capti-

ves.266 Diese Gesellschaften weisen beim Einsatz in einem Konzern vorrangig außer-

steuerliche Vorteile auf,267 die in der Optimierung der konzernweiten Risikopolitik,

262 Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außensteuergesetz,

§ 8 Rdnr. 32. 263 Siehe Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 1040. 264 Dazu Brigitte Hintzen, Die Zwischenholding als Strukturelement internationaler Konzerne,

DStR 1998, 1319 (1321); siehe auch Francois Malherbe, Die Belgischen Koordinierungsstellen, IStR 1997, 74. 265 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 1048. 266 Vgl. dazu Reinhard Frank, Captive Rückversicherung – Risiken und Sicherungsmöglichkeiten

bei der Vertragsgestaltung aus der Perspektive des Erstversicherers, VersR 1997, 1311. 267 Vgl. dazu Kurt Kiethe/Doris Hektor, Grundlagen und Techniken der Projektfinanzierung, DStR

1996, 977 (979); siehe auch Achim-Rüdiger Börner, Captives als Instrument der Bewältigung des Risikos deutscher Unternehmen aus Produkthaftpflicht, PHI 1995, 2; Karl Heinz Bialek/Luc Grillet, Captive-Versicherung im deutschen und US-amerikanischen Körperschaftsteuerrecht, RIW 1992, 301; Peter Würfele, Steuerliche Aspekte einer Captive Insurance Company, IWB 1989/12 Fach 3, Gruppe 1, 1241.

88

Verhinderung steuerlicher Fehlentwicklungen

58

der Fokussierung auf bekannte Unternehmensrisiken bei der Prämienberechnung und

der Begrenzung der Schwankungsrisiken bei der Prämiengestaltung erkannt werden.268

Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG können Einkünfte von Factoring-Gesellschaften als

passive Einkünfte angesehen werden. Solche Gesellschaften kaufen Forderungen aus

Lieferungen und Leistungen einer Konzerngesellschaft an und bevorschussen diese bis

zur Fälligkeit, so dass Finanzierungsfunktion und Dienstleistungscharakter hier ge-

meinsam wahrnehmbar werden.269 Daher kann die Übernahme des Wechselkursrisikos

als außersteuerlicher Vorteil für die Einschaltung der Kapitalgesellschaft angeführt

werden.270 Auch bei Managementgesellschaften, mit denen Kontroll- und Koordinie-

rungseffekte in der Konzernsteuerung erzielt werden, können außersteuerliche Aspek-

te im Vordergrund stehen. Dennoch greift das Verdikt der Passivität für die von dieser

Kapitalgesellschaft erzielten Einkünfte. Bei Einschaltung einer solchen Kapitalgesell-

schaft kann jedoch als nicht steuerlicher Vorteil ein kostenreduzierender Synergieef-

fekt geschaffen werden.271 Nun kann nach alledem keine Rede davon sein, dass die

§§ 7–14 AStG nur Fälle erfassen, die ausschließlich darauf gerichtet sind, das inter-

nationale Steuergefälle auszunutzen. Vielmehr geraten auch betriebswirtschaftlich

sinnvolle Erscheinungsformen innerhalb von Unternehmensstrukturen in den Fokus

des Steuerzugriffs, mit denen, wie es etwa bei ausländischen Finanzierungsgesell-

schaften oder Patententwicklungsgesellschaften der Fall ist,272 wichtige wirtschaftliche

Aufgaben erfüllt werden und deren Verlegung in einen ausländischen Staat bereits aus

Motiven nichtsteuerlicher Art betriebswirtschaftlich begründbar ist. Im Falle der

Hinzurechnungsbesteuerung wird die in Rede stehende Pauschalierungsmöglichkeit

für den Regelungsbereich der ausländischen Kapitalgesellschaften deshalb in unzulässi-

gem Maße beansprucht. Die Regelungen in §§ 7–14 AStG wären noch als sachge-

rechtes Abbild anzusehen, wenn dadurch „Randfälle“ geregelt würden, in denen die 268 Dazu zusammenfassend Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 1052. 269 Siehe etwa Harald Kuckhoff/Rolf Schreiber, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung aus Sicht

der Betriebsprüfung, IStR 1999, 321; Götz Tobias Wiese, Steuerliche Behandlung von Securitisations, BB 1998, 1713; Stefan Rode, Die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung und die niederländische Risikoreserve, IStR 1997, 582. 270 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 1054. 271 Vgl. etwa Gerhard Kraft, Finanzierungsstrukturen im internationalen Konzern auf dem Prüfstand

der höchstrichterlichen Rechtsprechung, IStR 2000, 11; Norbert Herzig/Sebastian Gocksch, Die -steuerliche Behandlung von Übergewinnanteilen für Sponsoren inländischer Private Equity-Fonds, DB 2002, 600; Arndt Raupach/Gero Burwitz, Managementverträge als missbräuchliche Gestaltung bei Finanzierungsgesellschaften – dargestellt am Beispiel irischer IFSC-Gesellschaften in den Dublin Docks, in: Festschrift Rädler, 539 272 Wassermeyer, Schriftenreihe Beratungsakzente, Internationales Steuerrecht, Fortentwicklung des

Unternehmenssteuerrechts Außensteuergesetz Beschränkte Steuerpflicht, 67.

Bedeutung der „Abschirmwirkung“

59

Steuerflucht- oder Verlagerungstendenzen deutlich und hinreichend bestimmbar zu

Tage treten. Angesichts des Umstandes, dass durch die Anknüpfung an bestimmte

Investitionen ganze Gruppen von Steuerpflichtigen erfasst werden, verfehlt die Typi-

sierung wegen ihrer zu groben Differenzierung die Eigenart des zu ordnenden Gegens-

tandes. Die Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung erfassen daher in grob typi-

sierender Weise auch wirtschaftlich vernünftige Gestaltungen und mit Ihrer Anwen-

dung werden auch diejenigen Fälle erfasst, in denen Steuerpflichtige in redlicher

Weise und ohne jegliche Steuerumgehungsabsichten am wirtschaftlichen Verkehr in

anderen Staaten teilnehmen.

Der Regierungsbegründung zur Einführung des Außensteuergesetzes lässt sich

entnehmen, dass in den der Hinzurechnungsbesteuerung unterworfenen Lebenssach-

verhalte die Abschirmwirkung ausländischer Gesellschaft durchbrochen werden müsse,

da ein dauerhafter steuerlicher Vorteil aufgrund des ausländischen Steuerniveaus beste-

hen könne.273 Die Hinzurechnungsbesteuerung könnte also auf den Leitgedanken

gestützt werden, dass die dauerhafte Ausnutzung der Abschirmwirkung ausländischer

Gesellschaften, aus der sich „ungerechtfertigte“ d.h. lediglich durch steuerliche Ge-

sichtspunkte motivierte, Steuervorteile ergeben, zurückgedrängt werden soll.274 Der

sich aus der Einschaltung einer ausländischen Gesellschaft ergebende Steuervorteil

kann also – aus steuerplanerischer Sicht – maximiert werden, je länger eine Ausschüt-

tung verzögert wird. Hiernach könnte die Vermutungsregel formuliert werden, dass

die Ausnutzung der Abschirmwirkung als regelmäßige Folge in Fällen aufzeigbarer

formaler Verlagerungsmöglichkeiten zu erwarten ist. Damit erreicht man den zentra-

len Aspekt, auf den die Rechtfertigung der Hinzurechnungsbesteuerung aufbauen

kann. Es geht mithin um den Zusammenhang zwischen formaler Verlagerungsmög-

lichkeit und dauerhafter Thesaurierung der Erträge einer ausländischen Kapitalgesell-

schaft. Dieser Zusammenhang könnte die Hinzurechnungsbesteuerung verfassungs-

rechtlich legitimieren.

Die grundsätzliche Beziehung zwischen einer dauerhaften Thesaurierung von

niedrig besteuerten passiven Einkünften der Abschirmwirkung war Gegenstand von

zwei – zwischenzeitlich außer Kraft getretenen – Vorschriften. Aus der Regelung des

§ 10 Abs. 5 AStG ergab sich eine Ausnahme von der Hinzurechnungsbesteuerung,

273 Siehe die Begründung zum AStG: Bundestags-Drucksache VI/2883 vom 2. 12. 1971, 26 f. 274 Vgl. Regierungsbegründung zum AStG, Bundestags-Drucksache VI/2883, Rdnr. 27 ff.; vgl.

etwa auch Lieber, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Vor § 7 AStG Rdnr. 5; siehe auch Selling, Die Abschirmwirkung ausländischer Basisgesellschaften gegenüber dem deutschen Fiskus, DB 1988, 930 ff.; Harald Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 10. 2.

89

90 Bedeutung der „Abschirmwir-kung“

Verhinderung steuerlicher Fehlentwicklungen

60

wenn der Bezug von Einkünften – welche an sich als „Einkünfte einer Zwischen-

gesellschaft“ im Sinne der §§ 7 f. AStG zu qualifizieren waren – bei einer Ausschüt-

tung nach den Regeln eines Doppelbesteuerungsabkommens steuerfrei hätte erfolgen

können (§ 10 Abs. 5 AStG). Als weitere Ausnahme zur Anwendung der Hinzurech-

nungsbesteuerung bestimmte § 11 Abs. 1 AStG die Kürzung des Hinzurechnungsbe-

trags um Gewinnanteile, die von der ausländischen Kapitalgesellschaft bezogen wur-

den.275 Die Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung unterblieb in diesen Fällen,

da die ausgeschütteten ausländischen (Zwischen-) Einkünfte auf diese Weise ins Inland

gelangten und der inländischen Besteuerung unterlagen.276 Da die Hinzurechnungsbe-

steuerung die Verzögerung der Ausschüttung von im Ausland erzielten Einkünften

verhindern sollte, verknüpfte die in § 11 AStG enthaltene Vorschrift in das Norm-

gefüge der §§ 7–14 AStG den Gedanken, dass es der Anwendung der Hinzurech-

nungsbesteuerung nicht mehr bedurfte, wenn die Ausschüttung der niedrig besteuer-

ten Auslandseinkünfte an den inländischen Gesellschafter erfolgte. Ebenso kam eine

Durchbrechung der von der ausländischen Kapitalgesellschaft ausgehenden Abschirm-

wirkung in den von § 10 Abs. 5 AStG geregelten Fällen nicht in Betracht. Der Zweck

des § 10 Abs. 5 AStG bestand darin, die in den Doppelbesteuerungsabkommen enthal-

tenen Schachtelprivilegien – das sind Regelungen, die den Bezug von Dividenden ab

einer bestimmten Beteiligung vorsehen277 – auch zur Geltung zu bringen, wenn ein

Zugriff auf die Einkünfte der ausländischen Kapitalgesellschaft nach den Vorschriften

über die Hinzurechnungsbesteuerung in Betracht kam. Schachtelprivilegien finden

sich sowohl im nationalen278 als auch im internationalen Steuerrecht.279 Diese bewir-

275 Nach der nach dem Steuersenkungsgesetz geltenden Rechtslage ordnet § 3 Nr. 41 EStG statt-

dessen die Steuerfreiheit für Ausschüttungen an, die als Hinzurechnungsbeträge der Hinzurech-nungsbesteuerung unterlegen haben. Durch diese Vorschrift wird die doppelte Belastung vermieden, die sich aus Hinzurechnungsbesteuerung und der Versagung der Steuerbefreiung nach § 10 Abs. 2 Satz 3 AStG ergibt. Eine Doppelbelastung aus Körperschaftsteuer bzw. Einkommensteuer und der aus der Hinzurechnungsbesteuerung resultierenden Steuerbelastung entsteht, wenn eine Ausschüt-tung der betroffenen Einkünfte nicht innerhalb des in der Vorschrift bestimmten 7-Jahres-Zeitraums stattfindet. 276 Vgl. § 11 Abs. 1 AStG in der Fassung bis zur Änderung der Vorschrift durch Gesetz vom

20. 12. 2001 zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts – Unternehmenssteuer-fortentwicklungsgesetz [UntStFG] BGBl. I 2001, 3858; Wassermeyer, Schriftenreihe Beratungsakzen-te, 2002, 71 f. 277 Vgl. Friedhelm Jacob, DBA Schachtelbefreiung für Dividenden: Welche Beteiligungsschwelle

gilt? FR 2002, 1355. 278 Vgl. insbesondere die umfassende Freistellung in § 8b Abs. 1 KStG.

Bedeutung der „Abschirmwirkung“

61

ken, dass die Gewinnausschüttung, die eine Kapitalgesellschaft aus einer Beteiligung an

einer Kapitalgesellschaft bezieht, auf der Ebene der beziehenden Gesellschaft freige-

stellt werden, wenn bestimmte Beteiligungsgrenzen erreicht sind. Da passive Einkünf-

te – so formulierte es der Bundesfinanzhof – „regelmäßig zu Ausschüttungszwecken

zur Verfügung stehen“280 und ein Doppelbesteuerungsabkommen die steuerneutrale

Ausschüttung sowie die wirtschaftliche Nutzung der Erträge der ausländischen Kapi-

talgesellschaft ermöglichte, wurde der Abschirmwirkung als Faktor für die Verzöge-

rung der Ausschüttung keine Bedeutung zuerkannt.281 Durch das Steuerver-

günstigungsabbaugesetz wurde die Vorschrift in § 10 Abs. 5 AStG ersatzlos ge-

strichen,282 § 11 Abs. 1 AStG wurde durch das Unternehmensteuerfort-

entwicklungsgesetz neu gefasst und enthält danach eine Regelung für Gewinne, die

die ausländische Gesellschaft aus der Veräußerung der Anteile an einer anderen aus-

ländischen Gesellschaft sowie aus deren Auflösung oder der Herabsetzung ihres Kapi-

tals erzielt.283

279 Im Hinblick auf die Hinzurechungsbesteuerung von Bedeutung ist das Schachtelprivileg aus

dem DBA Deutschland/Irland, vgl. dazu insbesondere Jürgen Lüdicke, Beteiligungen an IFSC-Gesellschaften – Gemeinschaftsrechtskonforme Anwendung der Schachtelprivilegien im DBA Deutschland/Irland, IStR 2003, 188. 280 Vgl. BFH vom 5. 4. 1995 – I R 81/94 BFHE 177, 437, BStBl. II 1995, 629 (unter II. 3.b. der

Entscheidungsgründe). 281 Vgl. zu den Motiven des prognostizierten Ausschüttungsverhaltens nach dem Steuer-

senkungsgesetz: Schön, Zum Entwurf eines Steuersenkungsgesetzes, StuW 2000, 151. 282 Vgl. Gesetz vom 16. 5. 2003, BGBl. I, 660; mit der Aufhebung von § 10 Abs. 5 AStG im Zuge

des Steuervergünstigungsabbaugesetzes kann die Hinzurechnungsbesteuerung für diejenigen Fälle Anwendung finden, in denen ein Doppelbesteuerungsabkommen die Freistellung von ausländischen Dividendenerträgen auf der Ebene des Anteilseigners vorsieht. Das Besteuerungsrecht für Dividen-den ist gemäß den Vorschriften in Art. 10 OECD-Musterabkommen 2003 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen – OECD-MA – auf Quellenstaat und Ansässigkeitsstaat aufgeteilt. Der Quellenstaat darf eine Quellensteuer einbehalten, der Ansässigkeitsstaat hat das endgültige Besteuerungsrecht, die Quellensteuer wird grundsätzlich auf die Steuerschuld im Ansässigkeitsstaat angerechnet. 283 § 11 Abs. 1 AStG wurde neu gefasst durch das Gesetz vom 20. 12. 2001, BGBl. I 2001, 3858

mit Wirkung für nach dem 31. 12. 2000 beginnende Wirtschaftsjahre (§ 21 Abs. 7 Satz 4 AStG).

Verhinderung steuerlicher Fehlentwicklungen

62

Ausweislich der Regierungsbegründung284 zum so genannten „Steuervergünsti-

gungsabbaugesetz“285 war die Aufhebung von § 10 Abs. 5 AStG erforderlich, weil

diese Regelung „heute die konsequente Durchsetzung der Ziele der Hinzurechnungsbesteuer-

ung im Verhältnis zu den wenigen Ländern, die sich in bestimmten Bereichen für Ausländer als

Gebiete mit Vorzugssteuersätzen anbieten und damit potentiell unfairen Steuerwettbewerb

betreiben“ behindere.286 Zur Begründung der Aufhebung des § 10 Abs. 5 AStG wurde

weiter geltend gemacht, dass die Nichtgewährung von Privilegien in Doppelbesteuer-

ungsabkommen zur Vermeidung schädlicher Steuerpraktiken erforderlich sei, damit in

Deutschland kein steuerschädlicher Wettbewerbsvorteil entstehe: Der inländische

Anteilseigner könne Gewinne sonst steuerfrei nach Deutschland durchschleusen und würde

von der vorteilhaften Besteuerung profitieren.287

Mit der Verwendung des Wortes „durchschleusen“ bringt der Gesetzgeber zum

Ausdruck, dass das ausländische Steuerniveau wegen der vorgesehenen umfassenden

und vorbehaltlosen Freistellung von Dividendenbezügen durch eine Kapitalgesellschaft

(§ 8b Abs. 1 KStG) im Inland wirksam wird288 und dadurch ein systematisches Defizit

entsteht, da die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG auch für Dividenden bean-

sprucht werden kann, die einer gegenüber der deutschen Körperschaftsteuer geringe-

ren Belastung unterliegen.289 Für den Anteilseigner bedeutet das System der Besteuer-

284 Vgl. Regierungsbegründung zum StVergAbG, Bundestags-Drucksache 15/119, 54; Bundesrats-

Drucksache 866/02, 87. 285 Gesetz vom 16. 5. 2003 zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen –

Steuervergünstigungsabbaugesetz (StVergAbG), BGBl. I 2003, 660. Die Verschärfungen werden unpräzise und unvollständig in der Regierungserörterung erörtert, so dass kritisiert wurde, dass der Gesetzgeber sich über die Tragweite der vorgeschlagenen Regelung nicht bewusst war. Vgl. hierzu Lüdicke, Internationale Aspekte des Steuervergünstigungsabbaugesetzes, IStR 2003, 433 (438); siehe auch Arne Schnitger, Internationale Aspekte des Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau von Steuer-vergünstigungen und Ausnahmeregelungen, IStR 2003, 73. 286 Vgl. Regierungsbegründung: Bundestags-Drucksache 15/119, 54; Bundesrats-Drucksache

866/02, 87, sowie zu den Motiven für die Abschaffung des § 10 Abs. 5 AStG auch Klaus Sieker, Steuervergünstigungsabbaugesetz: Vorgesehene Verschärfung der Rechtsfolgen der Hinzurechnungs-besteuerung, IStR 2003, 78 (80). 287 Vgl. Regierungsbegründung, Bundestags-Drucksache 15/119, 54; Bundesrats-Drucksache

866/02, 87. 288 Vgl. hierzu Ulrich Prinz, Strategien gestalteter Ausschüttungsmaßnahmen bei Kapitalgesellschaf-

ten, FR 2004, 19; Siegfried Grotherr, International relevante Änderungen durch das Gesetz zur Um-setzung der Protokollerklärung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz (Korb II-Gesetz), IWB 2004/2, Fach 3, Gruppe 1, 2017 und IWB 2004/3, Fach 3, Gruppe 1, 2035; Bernd Kaminski/Günther Strunk, Die steuerliche Behandlung von Aufwand im Zusammenhang mit Kapitalgesellschaftsbeteili-gungen nach Änderung des § 8b KStG zum 1. 1. 2004, BB 2004, 689. 289 Siehe dazu Volker Streu, Der Einsatz einer inländischen Zwischenholding in der internationalen

Konzernsteuerplanung, in: Handbuch der internationalen Steuerplanung 2003, 139.

91

Ände-rung der Ziele des Außen-steuer-rechts

92

Änderung der Ziele des Außensteuerrechts

63

ung nach dem Steuersenkungsgesetz die wirtschaftliche Neutralität hinsichtlich der

Entscheidung, ob der im Ausland erzielte Gewinn an die inländische Kapitalgesell-

schaft ausgeschüttet werden soll. Nach einer Ausschüttung entsteht wegen § 8b Abs. 1

KStG grundsätzlich – mit Ausnahme von § 8b Abs. 5 KStG290 – keine steuerliche

Belastung der Dividende.291 Da § 8b Abs. 5 KStG (die Vorschrift fingiert nichtabzieh-

bare Betriebsausgaben in Höhe von 5 % der Dividende) gleichermaßen auf Inlandsdi-

videnden und auf Auslandsdividenden anzuwenden ist, kann die Ausschüttung sogar

gegenüber dem Thesaurierungsfall günstiger sein, da in beiden Fällen Betriebsausga-

ben, sofern diese 5 % der Dividende übersteigen, vollständig steuermindernd zu be-

rücksichtigen sind.292 Die Ausschüttung von Dividenden kann mithin steueroptimiert

erfolgen, wenn der Gesellschaftsanteil in hohem Maße fremd finanziert ist. Letztlich

wird § 8b Abs. 5 KStG dazu anregen, Auslandsbeteiligungen mit Fremdmitteln zu

finanzieren und damit einen vollen Abzug der Betriebsausgaben zu erreichen, die über

den Betrag von 5 % der Dividende hinausgehen. Für die Gestaltungsberatung wird

dann auch eine möglichst umfangreiche Fremdfinanzierung der Beteiligungen an

Kapitalgesellschaften vorgeschlagen.293

Nach § 8b Abs. 1 KStG bleiben § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG Bezüge im Sinne des

§ 20 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG bei der Ermittlung des Einkommens

außer Ansatz. Das Ziel der Vorschrift in § 8b Abs. 1 KStG besteht darin, die Investiti-

on von Unternehmen zu begünstigen, da der Gesetzgeber unterstellt, dass die Aus-

schüttung an einen privaten Anleger nicht für produktive Investitionen zur Verfügung

290 Zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift vgl. Harald Schaumburg, in: JbFSt 1999/2000, 131 ff.;

siehe auch Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 3c Rdnr. 16. 291 Nach Abschaffung des Anrechnungsverfahrens durch das Steuersenkungsgesetz schafft § 8b

Absätze 1 und 5 KStG einen Anreiz, Beteiligungen fremd zu finanzieren und Erträge der Tochterge-sellschaften an die inländische Muttergesellschaft auszuschütten. 292 Vgl. Haep, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 8b KStG, Rdnrn. 13 und 90, Band Steuerreform

II; Hans Joachim Herrmann, in: Frotscher, EStG, § 3 c Rdnr. 20; Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 3 c Rdnr. 16; BMF-Schreiben vom 10. 1. 2000, BStBl. I 2000, 71 (Tz. 2 und 3 Beispiele 1 und 2) zu § 8b Abs. 7 a. F – heute § 8bAbs. 5 KStG – nach dem BMF-Schreiben sollen auch verdeckte Ge-winnausschüttungen von der Vorschrift des § 8b Abs. 5 KStG erfasst werden. 293 Siehe dazu insbesondere Haep, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 3c EStG, Rdnr. 13 dort

Schlagwort Zuordnung des Fremdkapitals zu Auslandsbeteiligungen; Bert Kaminski/Günther Strunk, Die -steuerliche Behandlung von Aufwand im Zusammenhang mit Kapitalgesellschaftsbeteiligung nach Änderung des § 8b KStG zum 1. 1. 2004, BB 2004, 689 (690).

93

Verhinderung steuerlicher Fehlentwicklungen

64

steht.294 Ohne diese Steuerbefreiung würden Gewinne bei der Ausschüttung von

Tochtergesellschaften an eine Muttergesellschaft mehrfach mit Körperschaftsteuer

belastet. Thesaurierte Gewinne führen – so sah es der Gesetzgeber – zu realen Investi-

tionen, während ausgeschüttete Gewinne tendenziell in den unproduktiven Konsum

überführt würden.295 Mit der Begünstigung thesaurierter Gewinne förderte der Ge-

setzgeber insbesondere die Ausschüttung an die Konzern-Muttergesellschaften.296

Allerdings entstand dadurch auch der Anreiz, verstärkt Investitionen in Niedrigsteuer-

länder vorzunehmen und die erzielten Gewinne anschließend auszuschütten.297

Betrachtet man demgegenüber die steuerlichen Belastungswirkungen unter Gel-

tung des körperschaftlichen Anrechnungsverfahrens, lassen sich folgende Unterschiede

aufzeigen: Unter Geltung des Anrechnungsverfahrens wurde die Betriebsvermögens-

mehrung (im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG) besteuert, denn es wurde eine Aus-

schüttungsbelastung (§ 27 Abs. 1 KStG 1999) hergestellt. Die §§ 7–14 AStG sollten

vor diesem Hintergrund einen Steueranspruch begründen, der wegen der Abschirm-

wirkung der ausländischen Gesellschaft im Inland (noch) nicht entstanden war. Unter

Geltung des Halbeinkünfteverfahrens und der in § 8b Abs. 1 KStG geregelten Steuer-

freistellung wird unter den dort genannten Voraussetzungen eine realisierte Betriebs-

vermögensmehrung nicht besteuert. Bestimmte Betriebsvermögensmehrungen werden

nach § 8b Abs. 1 KStG grundsätzlich von der Besteuerung ausgenommen, selbst wenn

diese realisiert wurden.

294 Vgl. Regierungsbegründung zum StSenkG, Bundestags-Drucksache 14/2683 vom 15. 2. 2000,

93; Nachweis auch bei Ekkehard Wenger, Die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen: Systemwid-rigkeiten und systematische Notwendigkeiten, StuW 2000, 177 (178); so auch die Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Brühler Empfehlungen), BB 1999, 1188, Bundestags-Drucksache 14/2683 vom 15. 2. 2000, 93; vgl. auch Wolfram Reiß, Kritische Anmerkungen zu den Brühler Empfehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung, DStR 1999, 2011 (2016); siehe auch Dieter Schulze zur Wiesche, Kritische Anmerkungen zu den Brühler Empfehlungen der Unterneh-mensbesteuerung, FR 1999, 698 (699); Schön, Zum Entwurf eines Steuersenkungsgesetzes, StuW 2000, 151; Ralf Maithert/Birk, Kritische Anmerkungen zur geplanten Substitution des körperschaft-steuerlichen Anrechnungsverfahrens durch das Halbeinkünfteverfahren im Zuge des StSenkG, BB 2000, 610. 295 Vgl. Schulze zur Wiesche, Kritische Anmerkungen zu den Brühler Empfehlungen zur Reform

der Unternehmensbesteuerung, FR 1999, 698; Reiß, Kritische Anmerkungen zu den Brühler Emp-fehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung, DStR 1999, 2011 (2015). 296 Vgl. hierzu etwa Reiß, Kritische Anmerkungen zu den Brühler Empfehlungen zur Reform der

Unternehmensbesteuerung, DStR 1999, 2011 (2016). 297 Vgl. auch Hadenfeldt, Die Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz von Ein-

künften aus deutschen Quellen, Schriften des Instituts für Ausländisches und Internationales Finanz- und Steuerwesen der Universität Hamburg, Band 35, Dissertation, Hamburg 1998, 274 f.

94

Ergebnis und Zusammenfassung

65

In der Begründung zur Aufhebung des § 10 Abs. 5 AStG brachte der Gesetzgeber

erkennbar zum Ausdruck, dass wegen der umfassenden Steuerbefreiung von Dividen-

denbezügen auch die Ausschüttung – und nicht durch die Thesaurierung – von aus-

ländischen Einkünfte einen Wettbewerbsvorteil entstehen könne. Aus den steuer-

lichen Wirkungen des Befreiungstatbestandes des § 8b Abs. 1 KStG folgt daher schon

nach den vom Gesetzgeber dargestellten Motiven, dass die dauerhafte Ausnutzung der

Abschirmwirkung im außensteuerlichen Kontext zu vernachlässigen ist.298 Die Konse-

quenz dieser Erwägungen ist indes deutlich herauszustellen: Erkennt der Gesetzgeber

in der Ausschüttung die steuerliche Belastungsfolge, die es mit der Hinzurechnungsbe-

steuerung zu verhindern gelte, versagt die Vermutungsregel, dass in den Fällen der

Hinzurechnungsbesteuerung die Abschirmwirkung unberechtigt ausgenutzt wird. Es

kommt zu einer Durchbrechung der Abschirmwirkung der ausländischen Gesellschaft,

um eine „ausreichende“ Vorbelastung niedrig besteuerter Unternehmensgewinne zu

erzeugen und nicht, um deren dauerhafte Thesaurierung zu verhindern. Ein spezifi-

scher, innerer Zusammenhang zwischen der als Rechtsfolge der Hinzurechnungsbe-

steuerung angeordneten Durchbrechung der Abschirmwirkung ausländischer Gesell-

schaften in den betroffenen Lebensverhältnissen ist damit nicht gegeben.

Der Bundesfinanzhof formulierte in einer Entscheidung, dass passive Einkünfte re-

gelmäßig zu Ausschüttungszwecken zur Verfügung stünden.299 Inzwischen hat der

Gesetzgeber selbst deutlich gemacht – und in der Gesetzesbegründung zur Aufhebung

des § 10 Abs. 5 AStG offenkundig zum Ausdruck gebracht –, dass er der Abschirm-

wirkung einer ausländischen Kapitalgesellschaft keine Bedeutung für die Hinzurech-

nungsbesteuerung mehr zuerkennt. Die Ausschüttung der Einkünfte einer „Zwi-

schengesellschaft“ an den inländischen Anteilseigner wird als Gestaltungsoption aufge-

fasst, welcher es mit der Hinzurechnungsbesteuerung zu sanktionieren gilt. Die ent-

standene Divergenz zwischen der ursprünglichen Zielsetzung der §§ 7–14 AStG und

der offensichtlichen Bedeutungslosigkeit der Abschirmwirkung im außensteuerlichen

Kontext rührt daher, dass eine Ausschüttung niedrig besteuerter Einkünfte ins Inland

unter Geltung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens nicht gegenüber

298 Vgl. dazu auch Jens Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschafts-

recht, 113. 299 Vgl. BFH vom 5. 4. 199 – I R 81/94, BFHE 177, 437, BStBl. II 1995, 629 (unter II. 3.b. der

Entscheidungsgründe). Vgl. auch Volker Kluge, Das Internationale Steuerrecht, 77; OECD, Harmful Tax Competition, An Emerging Global Issue, 1998 (1998 Report) sowie Harmful Towards Global Tax Co-operation, Report to the 2000 Ministerial Council Meeting and Recommendations by the Committee on Fiscal Affairs, Progress in Identifying and Eliminating Harmful Tax Practices, 2000 (2000 Report).

95

96 Ergeb-nis und Zusam-men-fassung Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG

Zusammenfassung

66

einer Thesaurierung von Vorteil war, da die Ausschüttungsbelastung bei Ausschüttung

ins Inland für niedrig besteuerte – allerdings: für sämtliche niedrig besteuerten –

Einkünfte erzeugt wurde. Die Ausschüttungsbelastung musste somit als Faktor, der

gegen die Ausschüttung sprach, von der Hinzurechnungsbesteuerung eliminiert wer-

den, man könnte formulieren, dass die Belastungsfolge aus der Ausschüttungsbelastung

das Hindernis war, welches die Hinzurechnungsbesteuerung überwinden sollte. Mit

dem Wegfall des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens hat der Gesetzgeber

bei umfassender Privilegierung von Ausschüttungen dieses Hindernis beseitigt, und es

gehört nicht allzu viel Vorstellungskraft dazu, die dadurch motivierten Ausschüttungs-

folgen vorherzusehen. Gerade bei international operierenden Konzernen setzt neuer-

dings eine Entwicklung zu „internationalen“ Organschaftstrukturen ein, in denen der

Fluss von Erträgen hin zur Konzernspitze erreicht wird. Es kann daher mit dem Weg-

fall des Anrechnungsverfahrens die Frage gestellt werden, ob die Abschirmwirkung

von ausländischen Gesellschaften als Gestaltungsmittel überhaupt noch ernsthaft eine

Bedeutung genießt. Die Hinzurechnungsbesteuerung, so lassen sich die gefundenen

Systemmängel zusammenfassen, soll an die Stelle des körperschaftsteuerlichen Anrech-

nungsverfahrens die Gewinne ausländischer Gesellschaften auf das inländische Niveau

„hochschleusen“, doch erzeugt sie damit eben – wie früher die Ausschüttungsbelas-

tung – selbst das Hindernis, welches die Hinzurechnungsbesteuerung vormals über-

winden sollte. Vermochte die Hinzurechnungsbesteuerung vormals die Funktionsfä-

higkeit des Anrechnungsverfahrens zu flankieren, spiegelt und perpetuiert sie inzwi-

schen die Mängel in einem aus verfassungsrechtlicher Sicht zweifelhaften Körper-

schaftsteuersystem.

IV. Zusammenfassung der gleichheitsrechtlichen Bedenken

Der Gesetzgeber hat ein Körperschaftsteuersystem institutionalisiert, welches von

Anbeginn seiner Einführung verfassungsrechtlich zweifelhaft erschien. Dabei ist es

nicht gelungen, ein widerspruchsfreies Besteuerungssystem zu schaffen, die verfas-

sungsrechtlichen Zweifel gegen die Hinzurechnungsbesteuerung sind Ausfluss dieser

Widersprüche. Der Gesetzgeber hat es nicht verstanden, die Regelungen der Hinzu-

rechnungsbesteuerung widerspruchsfrei in das System der Unternehmensbesteuerung

zu implementieren. Die Konsequenz der somit verursachten Widersprüche besteht vor

allem darin, dass die Ausnutzung der Abschirmwirkung in Zusammenhang mit der

Hinzurechnungsbesteuerung bedeutungslos geworden ist. Die §§ 7–14 AStG durch-

brechen die Abschirmwirkung der ausländischen Gesellschaft, um eine „ausreichende“

97

Zusammenfassung

Ergebnis und Zusammenfassung

67

Vorbelastung niedrig besteuerter Unternehmensgewinne zu erzeugen und nicht um

deren dauerhafte Thesaurierung zu verhindern. Es fehlt mithin an dem spezifischen

Zusammenhang zwischen den von §§ 7–14 AStG erfassten Lebensverhältnissen und

den von den Vorschriften angeordneten Rechtsfolgen. Als Ergebnis steht nach einer

Untersuchung der §§ 7–14 AStG am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes fest,

dass die Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz eine ungerechtfer-

tigte Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG darstellt und daher verfas-

sungswidrig ist.

Problemlage im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3, Art. 1 Abs. 3 GG

68

B. Vereinbarkeit der §§ 7–14 AStG mit dem Rechtsstaatsprinzip

I. Problemstellung

Der gesetzlichen Konzeption der Hinzurechnungsbesteuerung könnten auch Beden-

ken im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 1 Abs. 3 GG)

entgegenstehen. Es ist zu prüfen, ob die Vorschriften in den §§ 7–14 AStG dem Gebot

der Bestimmtheit der Besteuerung entsprechen. Diese Problematik ergibt sich aus der in

§ 7 Abs. 1 AStG geregelten Voraussetzung der Hinzurechnungsbesteuerung, nach

welcher unbeschränkt steuerpflichtige Personen zu mehr als der Hälfte an einer aus-

ländischen Kapitalgesellschaft beteiligt sein müssen. Wenn der Gesetzgeber die Zielset-

zung verfolgt, steuerliches Ausweichverhalten zu unterbinden,300 erscheint diese Re-

gelung zunächst sachgerecht, da sie gesellschaftsrechtliche Beteiligungsverhältnisse in

das Blickfeld des Steuerzugriffs rückt. Die gesetzliche Konzeption der Hinzurech-

nungsbesteuerung sieht steuerliche Fehlentwicklungen und steuerliches Ausweich-

verhalten dort als verwirklicht, wo ausländische Gesellschaften von inländischen Steu-

erpflichtigen beherrscht werden; in diesen Fällen könne kraft des Beteiligungsverhält-

nisses der Wille zur steuerlichen Manipulation durchgesetzt werden.301 An diesem

Konzept wurde jedoch zu Recht kritisiert, dass inländische Steuerpflichtige durch die

Hinzurechnungsbesteuerung in eine zufällig entstehende Zwangsgemeinschaft geraten

könnten, so wenn etwa ein Gesellschafter kraft seiner Beteiligung nicht über den

gesellschaftsrechtlichen Einfluss verfügen kann, um eine Beteiligungsquote von unbe-

schränkt steuerpflichtigen Personen im Sinne von § 7 Abs. 1 AStG zu verhindern.302

Die Besteuerung von „Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter“ gehorcht

eigenen Voraussetzungen hinsichtlich der Beteiligungsquote inländischer Steuer-

pflichtiger. Unbeschränkt Steuerpflichtige, die gemeinsam mehr als 50 % der Anteile

an einer ausländischen Kapitalgesellschaft halten, unterliegen der Hinzurechnungsbe-

steuerung (§ 7 Abs. 2 AStG). Wird diese Quote nur zu 49,9% erfüllt und befinden

sich die restlichen Anteile im Portfolio ausländischer Investoren, wird die Hinzurech-

nungsbesteuerung nicht angewendet. Die Beschränkung auf inländische Steuer-

300 Vgl. Regierungsbegründung Bundestags-Drucksache VI/2883, Rdnrn. 27 ff. 301 Vgl. hierzu von Beckerath, Durchgriff im Steuerrecht, 284. 302 Vgl. von Beckerath, Durchgriff im Steuerrecht, 286.

98 Vereinbar-keit mit dem Rechts-staatsprin-zip

Problemlage im Hinblick auf Abs. 3, Art. 1 Abs. 3 GG

Vereinbarkeit mit dem Rechtsstaatsprinzip

69

pflichtige kann zu unscharfen und im Einzelfall unbillig erscheinenden Ergebnissen

führen. Eine besondere Regelung des Außensteuergesetzes bestimmt die Herab-

senkung der Beteiligungsquote. Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter sind

bei einem Steuerpflichtigen mit dem im § 7 Abs. 1 AStG bestimmten Umfang steuer-

pflichtig (d. h. entsprechend seiner Beteiligungsquote), wenn diese unbeschränkt

steuerpflichtige Person an der Kapitalgesellschaft mit mindestens 1 % beteiligt ist.303

Erzielt die ausländische Kapitalgesellschaft ausschließlich oder fast ausschließlich Ein-

künfte mit Kapitalanlagecharakter (§ 7 Abs. 6 Satz 3 AStG), genügt sogar eine Beteili-

gung von weniger als 1 %, um die Hinzurechnungsbesteuerung auszulösen. Im Ergeb-

nis reicht irgendeine Beteiligung für die Anwendbarkeit der Vorschrift aus, es genügt

damit das Vorliegen einer nominell minimalen Beteiligung.

Es liegt auf der Hand, dass diese geringe Beteiligungsgrenze, deren Überschreiten

schon zur Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung führt, die Situation für den

Steuerpflichtigen mit Risiken belegt, die auch dann schwer einschätzbar sind, wenn

der Steuerpflichtige die notwendige Erklärungsbereitschaft besitzt. Denn die Beteili-

gungsverhältnisse und deren Veränderungen liegen nicht innerhalb der individuellen

Einflussmöglichkeit des Anteilseigners, wenn wegen einer geringfügigen Beteiligung

keine gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeit gegeben ist. So kann der Anteilseig-

ner die Veräußerung und den Erwerb von Anteilen an Kapitalanlagegesellschaften

nicht nachvollziehen. Der Steuerzugriff könnte dann mehr oder weniger beliebigen,

nicht jedoch klaren und nachvollziehbaren Mechanismen und Gestaltungsoptionen

unterliegen.

Es treten in Zusammenhang mit den Vorschriften über die Hinzurechnungsbe-

steuerung verschiedene Zweifelsfragen auf. So sind Fälle denkbar, in denen ein inlän-

discher Anteilseigner gemeinsam mit anderen inländischen Anteilseignern die Beteili-

gungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 AStG erfüllt und er dieses Erfordernis tatsächlich

nicht erkennen kann. Deutlicher wird die Problematik in Zusammenhang mit der

Regelung über die Besteuerung von „Einkünften mit Kapitalanlagecharakter“, da der

Anteilseigner erkennen muss, ob er die Beteiligungsschwelle von 1 % überschreitet

oder ob die ausländische Gesellschaf „fast ausschließlich“ Einkünfte mit Kapitalanlage-

charakter erzielt. Die insoweit auftretenden Zweifelsfragen sind anhand der Regelung

über Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter nachzuprüfen. Gerade an § 7 Abs. 6 AStG

303 Die Vorschrift steht unter dem Vorbehalt, dass die Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter eine

absolute Grenze (€ 62.000,–) oder eine relative Grenze (Bruttoerträge aus den Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter dürfen nicht mehr als 10 % der Bruttoerträge der gesamten Zwischenein-künfte betragen) nicht überschreiten.

99

100

Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit

70

wird die Regelungstechnik deutlich, nach der eine unsichere und aus sich heraus nicht

erkennbare Sach- und Rechtslage entstehen soll, damit die Vornahme bestimmter

Gestaltungen vermeidbar wird. Diese gesetzliche Konzeption muss sich im Hinblick

auf das Rechtsstaatsprinzip als tragfähig erweisen.

II. Schaffung einer unsicheren Rechtslage als Gestaltungskorrektiv

Auf der Grundlage des Rechtsstaatsprinzips304 wird der Grundsatz der Gesetzesbe-

stimmtheit entfaltet,305 an dem diese aufgeworfene Fragestellung zu überprüfen ist. Die

Hinzurechnungsbesteuerung muss sich an den rechtsstaatlichen Erfordernissen messen

lassen, dass eine Gesetzesvorschrift klar gefasst sein muss und dem Bürger ermöglichen

soll, sich ein eigenes Bild von der Rechtslage zu machen.306 Der Grundsatz der Geset-

zesbestimmtheit in der Besteuerung folgt aus der verfassungsrechtlichen Forderung

nach Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und ist zugleich Ausdruck des rechtsstaatlichen

Grundsatzes der Rechtssicherheit.307 Dieser Grundsatz verlangt im Bereich des Steuer-

rechts und damit auch für die zu überprüfende Gesetzesvorschrift, dass der Steuer-

pflichtige in der Lage sein muss, die ihn treffende steuerliche Belastung vorauszube-

rechnen.308 Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Jahre 1964 zum Ausdruck

gebracht, dass der Staatsbürger dem ordnungsgemäß gesetzten Recht Vertrauen entge-

genbringen darf, und es ihm möglich sein muss, auch auf längere Zeit seine Lebens-

verhältnisse planerisch zu gestalten und Dispositionen zu treffen, kurz: der Steuer-

pflichtige muss auf die Beständigkeit und Berechenbarkeit des Rechts vertrauen dür-

fen.309 Der Steuerpflichtige muss damit nicht nur eine Vorstellung davon haben kön-

nen, dass er dem Steuerzugriff unterliegt, es muss darüber hinaus auch quantitativ die

Steuerlast aus der Hinzurechnungsbesteuerung voraussehbar und berechenbar sein.310

Ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip wegen fehlender Bestimmtheit der Norm

304 Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 GG, Rdnr. 29. 305 Vgl. BVerfG vom 26. 9. 1978 – 1 BvR 525/77, BVerfGE 49, 168 (181); BVerfG vom

24. 11. 1981 – 2 BvL 4/80, BVerfGE 59, 104 (114); BVerfG vom 3. 11. 1982 – 1 BvR 210/79, BVerfGE 62, 169 (183); BVerfG vom 9. 5. 1989 – 1 BvL 35/86, BVerfGE 80, 103 (107). 306 BVerfG vom 14. 12. 1965 – 1 BvR 571/60, BVerfGE 19, 253 (267). 307 J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 167. 308 BVerfG vom 10. 11. 1998 – 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99,

216 (243). 309 BVerfG vom 7. 7. 1964 –2 BvL 22/63, 2 BvL 23/63, BVerfGE 18, 135; MDR 1965, 110, dort

erster Leitsatz. 310 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 GG Rdnr. 61; BVerfG vom 10. 1. 1995 – 1 BvR 718/89,

BVerfGE 92, 1 (12).

7–14 AStG als Gestal-tungskor-rektiv

101

Grundsatz der estimmtheit

§§ 7–14 AStG als Gestaltungskorrektiv

71

liegt danach vor, wenn die Hinzurechnungsbesteuerung sich als nicht anwendbar,

nicht befolgbar und nicht justiziabel erweist.311 Dies kann zum einen deswegen der

Fall sein, weil eine Norm einen rechtlich zweifelhaften Anwendungsbereich eröffnet.

Die Konkretisierung dieser Überlegungen übernimmt das Bundesverfassungsgericht in

der Prämisse, dass sich mit Hilfe juristischer Auslegungsmethoden oder aufgrund der

gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Basis für die Auslegung und Anwendung

einer Norm gewinnen lassen muss.312 Der Gesetzgeber muss die wesentlichen Be-

stimmungen über die Steuer oder Abgabe mit hinreichender Genauigkeit treffen,

braucht dabei jedoch nicht jede einzelne Frage zu entscheiden, so dass Zweifelsfragen

mit Hilfe anerkannter Auslegungsmethoden zu beantworten sind.313 Ein Verstoß

gegen rechtsstaatliche Grundsätze kann sich zum zweiten auch daraus ergeben, dass

der Anwendungsbereich einer Norm aus praktischen und tatsächlichen Gründen

überhaupt nicht befolgt werden kann. Der Gesetzgeber ist zwar berechtigt, steuerliche

Normen zu erlassen, deren Zweck sich darauf richtet, den Steuerpflichtigen zu veran-

lassen, bestimmte Gestaltungen vorzunehmen oder zu unterlassen. Der Steuer-

pflichtige, so folgt aus dem Gebot der Vorhersehbarkeit des Steuerzugriffs, muss je-

doch den steuerlichen Lenkungsanreiz erkennen und die aufgrund der Norm entste-

hende steuerliche Belastung vermeiden können. Lenkungswirkung und Belastung

müssen unmittelbar aufeinander bezogen sein. Mit dem Rechtsstaatsprinzip ist es

deshalb vereinbar, dass der Steuerpflichtige der Lenkungswirkung deshalb entspricht,

weil er sich einer vorausberechenbaren Belastungswirkung entziehen will. Dagegen

steht das Rechtsstaatsprinzip solchen Normen entgegen, die das Entstehen einer steu-

erlichen Belastung an Lebenssachverhalte anknüpfen, die selbst ein „idealer“ und

„erklärungsehrlicher“ Steuerpflichtiger nicht in Erfahrung bringen kann. In diesen

Fällen entsteht eine unsichere und schwer einschätzbare Besteuerungssituation, welche

die individuelle Dispositionsmöglichkeit reduziert: der Steuerpflichtige unterlässt die

entsprechenden Gestaltungen nicht in Ansehung einer bestimmbaren Steuerlast, son-

dern weil er die Folgen der entstehenden Situation nicht absehen kann. Die erstrebte

Wirkungsweise einer Steuernorm beruht dann gerade auf dem Faktor der Verunsiche-

rung des Steuerpflichtigen. Ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip kommt mithin

in Betracht, wenn ein Steuergesetz so ausgestaltet ist, dass die Vorhersehbarkeit der

entstehenden Steuerbelastung so weit minimiert ist, dass der Besteuerungstatbestand

311 Siehe Tipke, Die Steuerrechtsordnung, I, 2. Auflage 2000, 144; vgl. J. Lang, in: Tipke/Lang, § 4

Rdnr. 169; BVerfG vom 16. 6. 1981 – 1 BvL 87/78, BVerfGE 57, 295 (320). 312 Vgl. BVerfG vom 3. 6. 1992 – 3 BvR 1041/88, BVerfGE 86, 288 (311). 313 Vgl. BVerfG vom 9. 11. 1988 – 1 BvR 243/86, BVerfGE 79, 106, BStBl. II 1989, 938.

Mitwirkungspflichten bei Auslandsbezug

72

seine Konturen und seine Trennschärfe verliert. Es wird dann nicht die Belastungs-

wirkung einer Norm als verhaltensbestimmendes Moment anzunehmen sein, vielmehr

beeinflusst die Verunsicherung des Steuerbürgers dessen wirtschaftliches Verhalten. Ob

der Gesetzgeber mit Hinzurechnungsbesteuerung und dort insbesondere im Hinblick

auf die Regelung des § 7 Abs. 6 AStG sich dieser beschriebenen Vorgehensweise

bedient, könnte unter dem Gesichtspunkt bejaht werden, dass im Rahmen der Hinzu-

rechnungsbesteuerung der Steuerpflichtige schon nicht über die Auskunfts- und Kon-

trollmöglichkeiten verfügen kann, mit deren Hilfe er selbst eine steuerliche Belastung

vorausberechnen könnte. Ein erkennbarer Mangel an tatsächlichen Aufklärungsmög-

lichkeiten darf nicht der Grund dafür sein, dass Gestaltungsmöglichkeiten nicht ausge-

schöpft werden.

Besieht man zunächst die Regelung des Grundtatbestandes der Hinzurechnungs-

besteuerung, ist ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot zumindest nicht offen-

kundig. Den Nachweis darüber, dass im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Perso-

nen zu mehr als 50 % an einer ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligt sind, wird

man regelmäßig schon im Rahmen der steuerlichen Mitwirkungspflichten aus § 88

AO 1977 sowie § 90 Absätze 1 und 2 AO 1977 erbringen können. Dazu eignet sich

etwa die Vorlage des Gesellschaftsvertrages, aus dem sich Beteiligungsverhältnisse an

der ausländischen Kapitalgesellschaft ergeben. In § 7 Abs. 6 AStG findet sich eine

Sonderregelung, mit der die Beteiligungsgrenze des § 7 Abs. 1 AStG herabgesetzt

wird. Im Falle der Erzielung von Kapitalanlageeinkünften wird die Beteiligung von

1 % einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person vorausgesetzt, um die Hinzurech-

nungsbesteuerung auszulösen. Die Hinzurechnungsbesteuerung setzt damit nicht mehr

nur in den Fällen an, in denen eine ausländische Gesellschaft durch inländische Betei-

ligte kontrolliert und beeinflusst wird. Dies gilt jedoch nur für Einkünfte mit Kapital-

anlagecharakter (§ 7 Abs. 6 AStG), also bei Einkünften, die aus dem Halten, der Ver-

waltung, der Werterhaltung oder Werterhöhung von Zahlungsmitteln, Forderungen,

Wertpapieren, Beteiligungen oder ähnlichen Vermögenswerten stammen (§ 7 Abs. 6a

AStG314).315 Nimmt man an, dass eine unbeschränkt steuerpflichtige Person die Vor-

314 § 7 Abs. 6 wurde als Sonderregelung für die Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter 1992 einge-

führt. Das StSenkG vom 23. 10. 2000 (BGBl. I 2000, 1433, BStBl. I 2000, 1428 und das UntStFG vom 20. 12. 2001 (BGBl. I 2001, 3858, BStBl. I 2001, 35) haben den § 7 Abs. 6 (Zwischeneinkünf-te mit Kapitalanlagecharakter) verschärft und § 7 Abs. 7 (Verhältnis zum Auslands-InvestmentG) angefügt. Vgl. auch Maier-Frischmuth Systemkonforme Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Entwurf des UntStFG? IStR 2001, 610.

102

kungspflichten bei sbezug

§§ 7–14 AStG als Gestaltungskorrektiv

73

aussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung nach § 7 Abs. 6 AStG erfüllt, wird der

Betroffene die Steuerbegründenden Tatsachen schwer nachweisen können.316 Denn

der Steuerpflichtige ist verpflichtet zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Offenle-

gung der für die Besteuerung erheblichen Tatsachen (§ 90 Abs. 1 Satz 2 AO 1977), er

hat die Umstände in seine Steuererklärung (§§ 149 ff. AO 1977) aufzunehmen, die

den Tatbestand der Hinzurechnungsbesteuerung erfüllen. Demgegenüber ist die

Ermittlungstätigkeit der Finanzverwaltung auf das deutsche Hoheitsgebiet beschränkt.

Dies hat bei Sachverhalten mit Auslandsbezug – wie es etwa hinsichtlich des nach § 10

Absätze 1–3 AStG zu ermittelnden Hinzurechnungsbetrages der Fall ist – zur Folge,

dass den Steuerpflichtigen eine gegenüber § 90 Abs. 1 AO 1977 weiterreichende

Mitwirkungspflicht trifft (siehe § 17 AStG, § 90 Abs. 2 AO 1977). Erkennbarer

Zweck dieser erweiterten Mitwirkungspflicht ist die Sicherstellung der Aufklärbarkeit

von Auslandssachverhalten, da die Finanzverwaltung bei ihrer Ermittlungstätigkeit auf

das deutsche Hoheitsgebiet beschränkt ist und dieser Umstand nicht über die Durch-

setzbarkeit des Steueranspruchs entscheiden soll.317 Es obliegt danach dem Steuer-

pflichtigen, notwendige Beweismittel über Art und Umfang der Einkünfte der auslän-

dischen Gesellschaft zu beschaffen. Kommt der Steuerpflichtige dieser Verpflichtung

nicht nach, wird schon bei einem Beweisgrad der geringen Wahrscheinlichkeit davon

auszugehen sein, dass ein Sachverhalt zum Nachteil des Steuerpflichtigen verwirklicht

wurde.318 Bezieht man diese Erkenntnisse auf die zu untersuchenden Normen, gilt

mithin, dass der Steuerpflichtige Beweismittel beschaffen müsste, aus denen sich auf

die Verwirklichung der Voraussetzungen des § 7 Abs. 6 AStG schließen lässt (vgl. § 17

AStG). Der betroffene Steuerpflichtige muss seine Rechtsstellung als Anleger einer

ausländischen Kapitalgesellschaft nutzen, um Daten über die ihn betreffenden steuer-

relevanten Ergebnisse und seine Ertragsteuerbelastung zu erhalten. Die relevanten

Informationen müssen so dargestellt und vorbereitet sein, dass sich ein mit dem deut-

schen Steuerrecht vergleichbares Ergebnis berechnen lässt.319 Dass hierdurch erheb-

licher Aufwand entsteht und die Finanzverwaltung nur selten den Nachweis erbringen

315 Dies gilt nicht bei Einkünften börsennotierter ausländischer Gesellschaften (§ 7 Abs. 6 Satz 3

Halbsatz 2 AStG), da es sich bei diesen Gesellschaften regelmäßig nicht um Kapitalanlagemodelle handle; vgl. Gesetzesbegründung zu § 7 Abs. 6 AStG, Bundestags-Drucksache 14/7344. 316 Vgl. dazu Vogt, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außen-

steuergesetz, § 7 Rdnr. 54. 317 Vgl. Hans Bernhard Brockmeyer, in Klein, AO, § 90 Rdnr. 7. 318 Dazu im Einzelnen Brockmeyer, in Klein, AO, § 90 Rdnr. 10. 319 Dautzenberg/Herzig, Die deutsche Steuerreform ab 1999 und ihre Aspekte für das deutsche

Außensteuerrecht und das internationale Steuerrecht, DB 2000, 12 (18).

Mitwirkungspflichten bei Auslandsbezug

74

wird, dass die Beteiligungsgrenze in § 7 Abs. 6 AStG erreicht worden ist, legt nahe,

dass die Vorschrift in § 7 Abs. 6 AStG nur in wenigen Ausnahmefällen befolgt werden

kann.320 Berücksichtigt man zudem, dass von § 7 Abs. 6 AStG vorwiegend Minder-

heitsgesellschafter betroffen sein können, ist auch in Rechnung zu stellen, dass diese

nicht über rechtliche Möglichkeiten verfügen, um Auskunftsansprüche über die steu-

erlich relevanten Sachverhalte einer Gesellschaft durchzusetzen. Es bestehen damit

bereits durchgreifende und schwerwiegende tatsächliche Schwierigkeiten, unter denen

ein erklärungsehrlicher Steuerpflichtiger einen für § 7 Abs. 6 AStG relevanten Sach-

verhalt aufzuklären hätte. Diese tatsächlichen Schwierigkeiten vertiefen sich, wenn

Anteile an ausländischen Gesellschaften in engem zeitlichem Abstand erworben oder

veräußert werden. Ein solcher Fall kann anzunehmen sein, wenn ein inländischer

Kapitalanleger seine Beteiligungen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft über die

Börse begründet. Verfolgt man diese Überlegungen weiter, entsprechen die bislang

gefundenen Erkenntnisse dem Befund, dass in den meisten der auftretenden Fällen die

für die Hinzurechnungsbesteuerung relevanten Sachverhalte erst im Rahmen einer

Betriebsprüfung erkannt und dann der Besteuerung unterworfen werden können.321

§ 7 Abs. 6 AStG stellt mithin eine Vorschrift dar, deren Befolgung den Steuer-

pflichtigen vor ernsthafte und regelmäßig auftretende Schwierigkeiten stellt. Als aussa-

gekräftiges Beispiel für diese These lässt sich der Unternehmenszusammenschluss von

Vodafone bzw. Aventis anführen. Zwar erzielten Vodafone bzw. Aventis aktive Einkünf-

te, jedoch konnten sich auf der Ebene ausländischer Tochtergesellschaften passive

Einkünfte im Sinne des § 8 Abs. 1 AStG ansammeln.322 Dass diese Konstellation zur

Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung führt, ist Folge einer grenz-

überschreitenden Fusion, mit der ein inländisches Unternehmen ausländische Ein-

320 Siehe dazu Wassermeyer, Schriftenreihe Beratungsakzente, 69; ders., Die Hinzurechnungsbe-

steuerung aus der Sicht des Unternehmensteuerreform- und Steuersenkungsgesetzes, IStR 2000, 114 (115); Thomas Rödder, in: JbFSt 2001/2002, 134. 321 Auf ein Beispiel verweist Wassermeyer, in: Festschrift Flick/, 1057 (1070). Dem Urteil des FG Nürnberg vom 16. 12. 1994 VII 19/89, Juris Dokument 127354 liegt ein Sachverhalt zugrunde, bei dem sich die Komplexität der Hinzurechnungsbesteuerung auch in ihrer tatsächlichen Umsetzbarkeit erweist. Selbst bei einer Nachfrage beim zuständigen Finanzamt erkannte dieses nicht, dass ein Fall der Hinzurechnungsbesteuerung gegeben war. Erst die anschließende Betriebsprüfung unter Einbe-ziehung eines Betriebsprüfers des Bundesamtes für Finanzen, der auf die Prüfung von solchen Fragen konzentriert war, deckte die erheblichen steuerlichen Auswirkungen einer Umstrukturierung einer ausländischen Holding auf. 322 Wassermeyer, Die im Entwurf eines Steuersenkungsgesetzes vorgesehenen Änderungen der

Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2000, 193 (194).

§§ 7–14 AStG als Gestaltungskorrektiv

75

kunftsquellen erworben hat.323 Dass auch deutsche Kleinaktionäre potenziell von der

Hinzurechnungsbesteuerung betroffen sein können, ohne dass sie in der Lage wären,

den notwendigen Erklärungspflichten nachzukommen,324 bestätigt mithin, dass im

Rahmen des § 7 Abs. 6 AStG Defizite bestehen. Es lässt sich damit feststellen, dass

eine unsichere Rechtslage erzeugt wird, wenn der Steuerpflichtige selbst nicht über

ausreichende Aufklärungsmöglichkeiten verfügen kann und dies im Einzelfall weder

von Seiten der Finanzverwaltung noch vom Steuerpflichtigen selbst treffend zu erfas-

sen ist.

Nun lässt sich eine solche Schwäche schon als Verstoß gegen das Gebot der Be-

stimmtheit des Steuerzugriffs werten, darüber hinaus könnten auch die gesetzgeberi-

schen Motive Zweifel daran begründen, dass die Vorschrift des § 7 Abs. 6 AStG den

Steuerpflichtigen so weit einer unsicheren Rechtslage aussetzen soll, dass er schon

deswegen bestimmte Gestaltungen meidet. Die Einführung des § 7 Abs. 6 AStG im

Jahre 1992325 wurde damit begründet, dass inländische Anteilseigner davon abgehalten

werden sollten, Beteiligungen an ausländischen Zwischengesellschaften auf Gesell-

schafter „aufzusplitten“, wenn auf diese Weise eine Besteuerung in Deutschland ver-

mieden werden konnte.326 Dass schon ab einer Beteiligungsquote von 1 % die Hinzu-

rechnungsbesteuerung bei Einkünften mit Kapitalanlagecharakter eingreifen sollte,

erkannte der Gesetzgeber als notwendig, weil somit 100 Personen erforderlich sein

würden, um der Hinzurechnungsbesteuerung zu entgehen.327 Deshalb erfasst die

Vorschrift Gestaltungen auch für einen Grenzbereich, in dem es nicht nachvollziehbar

sein wird, ob die 1 % Grenze überschritten ist. Noch deutlicher wird das Gesetz in § 7 323 Wassermeyer, Die im Entwurf eines Steuersenkungsgesetzes vorgesehenen Änderungen der

Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2000, 193 (194). 324 Wassermeyer, Die im Entwurf eines Steuersenkungsgesetzes vorgesehenen Änderungen der

Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2000, 193 (194). Entscheidend ist danach, ob die Gesellschafter, von denen jeder für sich gesehen weniger als 50 % der Anteile hält, die aber zusammen 50 % der Anteile halten, untereinander nahe stehen. Dabei könne das Nahestehen auch durch einen gemein-samen Treuhänder begründet werden. Dann muss auch der Steuerinländer der Hinzurechnungsbe-steuerung unterworfen werden, der selbst weniger als 50 % an einer Zwischengesellschaft hält, diese jedoch mit ihm nahe stehenden ausländischen Personen beherrscht. Wer mit 1 % an einer ausländi-schen Kapitalgesellschaft beteiligt ist, hält die Beteiligung regelmäßig als Kapitalanlage und nicht als Instrument der Einkünfteverlagerung. Die Beteiligung muss dann auch wie eine Kapitalanlage behandelt werden. 325 Gesetz zur Entlastung der Familien und zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Inves-

titionen und Arbeitsplätze – Steueränderungsgesetz 1992 – vom 25. 2. 1992, BGBl. I 1992, 297. 326 Vgl. dazu Gesetzesbegründung, Bundestags-Drucksache 14/7344; Bundesrats-Drucksache

638/01. 327 Vgl. Gerd Stuhrmann, in: JbFSt 2001/2002, 134; vgl. auch Rättig/Protzen, Die „neue Hinzu-

rechnungsbesteuerung“ der §§ 7–14 AStG in der Fassung des UntStFG, IStR 2002, 123 (124).

103

Folgen der unsicheren Besteuerungssituation

Folgen der unsicheren Besteuerungssituation

76

Abs. 6 Satz 3 AStG, da danach bei einer Beteiligung von weniger als 1 % die Hinzu-

rechnungsbesteuerung eingreift und es insoweit vom Zufall abhängig wird, ob die

ausländische Gesellschaft ausschließlich oder fast ausschließlich Bruttoerträge erzielt,

denen Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter zugrunde liegen. Die Auswei-

tung der Hinzurechnungsbesteuerung soll damit gerade jede Konstellation erfassen, in

der eine Aufteilung von Beteiligungen auf mehrere Personen in Betracht kommt und

diese mit einer aus sich selbst heraus nicht einschätzbaren Besteuerungssituation kon-

frontieren. Das bedeutet für einen Minderheitsgesellschafter, dass er der steuerlichen

Sanktionswirkung des § 7 Abs. 6 AStG ausgesetzt wird, obwohl er tatsächlich nicht in

der Lage sein wird, diese steuerlichen Wirkungen vorauszuberechnen. Es liegt schon

außerhalb des Einflussbereichs eines minimal beteiligten Steuerpflichtigen, welche

Einkünfte eine ausländische Gesellschaft erzielt, so dass er schon aus diesem Grund

nicht wissen kann, ob er der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegt. Der Steuer-

pflichtige genießt dabei wegen § 7 Abs. 6 AStG keinerlei Planungssicherheit. Selbst

wenn er die Rahmenbedingungen so ausgestaltet, dass die Hinzurechnungsbesteuer-

ung nicht zur Anwendung gelangt, kann sie ihn letztlich wegen einer Änderung der

Beteiligungsverhältnisse an der Gesellschaft – etwa aufgrund einer Kapitalerhöhung

nach einer Verschmelzung – treffen, ohne dass dies auf seinen Einfluss zurückgeführt

werden kann. Die Belastungswirkung des § 7 Abs. 6 AStG trifft danach auch Fälle, in

denen ein erklärungsehrlicher Steuerpflichtiger nicht wissen kann, ob er dem Steuer-

zugriff unterliegt. In einer solchen Situation wird nicht die eigentliche steuerliche

Belastung zum Entscheidungsfaktor für die Begründung einer Minderheitsbeteiligung.

Der betroffene Steuerpflichtige soll schon durch die konturlose Ausweitung des Steu-

erzugriffs, die ihn mit steuerehrlichen und missbräuchlich agierenden Steuerpflichtigen

gleichsetzt, davon abgehalten werden, sich an Kapitalanlagegesellschaften zu beteili-

gen.

Mit der untersuchten Regelung der Hinzurechnungsbesteuerung entsteht dem-

nach eine tatsächlich und rechtlich unsichere Besteuerungssituation. Durch diese

unsichere Besteuerungssituation wird der Lenkungszweck durchgesetzt, Investitionen

in ausländische Kapitalanlagegesellschaften zu verhindern. Nicht die steuerliche Belas-

tung entscheidet danach darüber, ob der Steuerpflichtige bestimmte Gestaltungen ver-

meidet. Wenn aber die steuerlichen Wirkungen nicht mehr nachvollziehbar oder

bestimmbar sind, werden die Steuerpflichtigen die entsprechenden Gestaltungen nicht

mehr vornehmen. Dass eine gesetzliche Konzeption die wirtschaftliche Betätigung des

Steuerbürgers vorherbestimmen will und hierfür eine aus sich selbst heraus nicht

104

Verstoß gen

das Rechts-staats-

nzip

Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip

77

einschätzbare Besteuerungssituation schafft, begründet vorliegend einen Verstoß gegen

das Rechtsstaatsprinzip.

III. Ergebnis

Die derzeit geltende Hinzurechnungsbesteuerung verstößt gegen das Rechtsstaatsprin-

zip, da sie mit der tatbestandlichen Anknüpfung an eine Beteiligungsquote von 1 % in

§ 7 Abs. 6 AStG eine unsichere Rechtslage schafft, mit der Steuerpflichtige von der

Ausübung bestimmter Gestaltungsmöglichkeiten abgehalten werden.

105

Niederlassungsfreiheit als Prüfungsmaßstab

78

3. Teil. Gemeinschaftsrechtsrechtliche Bedenken

A. Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV)

Gegenstand der gemeinschaftsrechtlichen Untersuchung sind die Normen der §§ 7–14

AStG, aus denen sich in ihrer Gesamtheit und systematischen Wirkungsweise eine

Beeinträchtigung der zu prüfenden Europäischen Grundfreiheiten ergeben muss.328 In

Betracht kommt ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit aus Art. 43 EG-Vertrag.

I. Anwendungsbereich

Nach Art. 43 Abs. 1 Satz 1 EG-Vertrag sind die Beschränkungen der freien Niederlas-

sung von Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaates im Hoheitsgebiet eines anderen

Mitgliedsstaates verboten. Die Niederlassungsfreiheit befasst sich mit der Freizügigkeit

und dem Recht der Standortwahl selbständiger Erwerbstätiger329 und schützt insbe-

sondere vor Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen

oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines anderen Mitgliedsstaates, die im

Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats ansässig sind (Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG-Vertrag).

Die Niederlassungsfreiheit schafft die Voraussetzungen für eine freie Standortwahl von

Gesellschaften.330

In den Fällen der Hinzurechnungsbesteuerung müsste zunächst der persönliche An-

wendungsbereich der Niederlassungsfreiheit eröffnet sein. In persönlicher Hinsicht ist die

Niederlassungsfreiheit anzuwenden auf Staatsangehörige der EG-Mitgliedsstaaten.

Natürliche Personen können danach als Unionsbürger i. S. von Art. 17 Abs. 1 EG-

Vertrag die Grundfreiheiten geltend machen.331 Juristische Personen stehen den Uni-

onsbürgern gemäß Art. 48 EG-Vertrag i. V. m. Art. 55 EG-Vertrag gleich. Träger des

Rechtes auf Niederlassungsfreiheit sind deshalb neben natürlichen Personen, die

Angehörige eines europäischen Mitgliedsstaates, auch die nach den Rechtsvorschriften

328 Vgl. dazu Kluge, Internationales Steuerrecht, Rdnr. K 62. 329 Rudolf Geiger, EUV/EGV, Art. 43 Rdnr. 1. 330 Zur Zweckbestimmung der Vorschrift eingehend Alexander Scheuer, in: Lenz/Borchardt, Kom-

mentar zu dem Vertrag über die Europäische Union und zu dem Vertrag zur Gründung der Europä-ischen Gemeinschaft, Art. 48 EG-Vertrag, Rdnr. 1. 331 Vgl. Art. 17 Abs. 2 EG-Vertrag.

Niederlassungsfreiheit als smaßstab 106 Gemein-

schafts-recht

107

Persönlicher Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit

108

Gemeinschaftsrecht

79

eines Mitgliedsstaates gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre

Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der europäischen Gemein-

schaft haben (Art. 48 Abs. 1 EG-Vertrag). Danach sind Gesellschaften nach § 7 Abs. 1

AStG i. V. m. § 1 KStG dem persönlichen Anwendungsbereich zuzuordnen, wenn

die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 EG-Vertrag gegeben sind. Zunächst muss es

sich dann um eine juristische Person des privaten Rechts handeln, die keinen Er-

werbszweck verfolgt. Auf Kapitalgesellschaften im Sinne von § 7 Abs. 1 AStG

(i. V. m. § 1 KStG) trifft dies zunächst zu, da es sich hierbei um juristische Personen

des privaten Rechts handelt. Fraglich ist allerdings, ob das Merkmal Erwerbszweck

gegeben ist. Es ließe sich argumentieren, dass etwa im Falle der Verwaltung von

Immobilien oder Kapitalvermögen eine ausreichende Integration in die Wirtschaft

eines anderen Mitgliedsstaates fehlt, wenn diese Tätigkeit ohne feste Einrichtung

erfolgt. So wäre insbesondere im Hinblick auf die von den Vorschriften in § 8 Abs. 1

Nr. 4 a. E.332, § 8 Abs. 5 Buchst. b (a. E.)333 und § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c334 AStG

erfassten Fallgruppen – diese Vorschriften stellen auf das Vorhandensein eines Ge-

schäftsbetriebs für Handel, Dienstleistungen ab – der persönliche Anwendungsbereich

nicht eröffnet, da diese Vorschriften das Verdikt der Passivität daran anknüpfen, dass in

diesen Fällen kein „eingerichteter Geschäftsbetrieb unter Teilnahme am allgemeinen

wirtschaftlichen Verkehr“ unterhalten wird (vgl. § 8 Abs. 1 Nrn. 4 –6 AStG). Ein

Erwerbszweck wird – allgemein formuliert – jedenfalls vorliegen, wenn das von der

Kapitalgesellschaft hergestellte Produkt oder die erbrachte Dienstleistung grundsätzlich

gegen Entgelt angeboten wird.335 Darüber hinaus entscheidet eine Teilnahme am Wirt-

schaftsleben über das Vorliegen des Erwerbszwecks, selbst wenn die Gewinnerzielung

nicht zu den eigentlichen Gesellschaftszwecken gehört.336 Der Begriff „Teilnahme am

Wirtschaftsleben“ muss entsprechend dem Zweck des Art. 43 EG-Vertrag weit ausge-

legt werden. Dieser Zweck besteht darin, den Zugang zu den Märkten anderer Mit-

gliedsstaaten und somit die Teilnahme am Wettbewerb innerhalb der Europäischen

Gemeinschaft sicherzustellen. Das Merkmal „Teilnahme am Wirtschaftsleben“ erfor-

dert im Hinblick auf diese Zielsetzung keine graduell bestimmbare Tätigkeit. Hierun-

ter wird vielmehr jede Tätigkeit zu fassen sein, die auf den Kern wirtschaftlichen 332 Kein Geschäftsbetrieb für Handel. 333 Kein Geschäftsbetrieb für Dienstleistungen. 334 Kein Geschäftsbetrieb für Vermietung und Verpachtung. 335 Vgl. Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Art. 48 Rdnr. 2.

Persönlicher Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit

80

Handelns zurückgeführt werden kann, es reicht mithin eine Tätigkeit aus, die auf eine

Maximierung von Gewinn angelegt ist. Richtigerweise wird der Erwerbszweck deshalb

nur bei karitativen oder kulturellen Organisationen, wie etwa. den „Idealvereinen“337

nicht gegeben sein. In den von der Hinzurechnungsbesteuerung erfassten Fällen han-

delt es sich hingegen um reale, international ausgerichtete Unternehmensteile, welche

etwa in der Form von regionalen Holdinggesellschaften oder Finanzierungszentren

auftreten.338 In diesen Fällen liegt regelmäßig eine erwerbswirtschaftliche und auf

Gewinnmaximierung angelegte Tätigkeit vor. Der Auslegung des Begriffs Erwerbs-

zweck339 entspricht es deshalb, auch bei einer ausländischen Gesellschaft, welche die

Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung erfüllt, grundsätzlich vom Vorhan-

densein eines Erwerbszwecks auszugehen. Deshalb liegt eine Teilnahme am Wirt-

schaftsleben vor, wenn die Tätigkeit nicht auf einen unmittelbaren Güteraustausch mit

anderen Wirtschaftsteilnehmern gerichtet ist. Dies bedeutet, dass auch „Vermögens-

verwaltung“, verstanden als ausschließliche Ertragsbildung aus dem Einsatz von Ver-

mögensgegenständen, als Erwerbszweck anzusehen ist, und zwar selbst dann, wenn

diese Tätigkeit ohne feste Geschäftseinrichtung erfolgt.340 In den persönlichen An-

wendungsbereich der Niederlassungsfreiheit sind Gesellschaften einzuordnen, die nach

Maßgabe des Außensteuergesetzes passive Einkünfte erwirtschaften. Mithin ist der

persönliche Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit eröffnet.

336 Peter Toberg/Jürgen Tiedje, in: von der Groeben/Schwarz, Kommentar zum Vertrag über die Eu-

ropäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Auflage, 2003, Art. 48 EG-Vertrag Rdnr. 5. 337 Zur Begriffsbestimmung kann auf Scheuer, in: Lenz/Borchardt, Kommentar zu dem Vertrag

über die Europäische Union und zu dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Art. 48 EG-Vertrag, Rdnr. 1 verwiesen werden. Danach ist die Gründung einer Vereinigung, die philanthropische, religiöse, wissenschaftliche, künstlerische oder pädagogische Zwecke verfolgt, keine Erwerbstätigkeit. Als Idealverein sind mithin alle Vereine anzusehen, welche nicht wenigstens auch entgeltlich Leistungen erbringen. 338 Vgl. Schön, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, DB 2001, 940

(942). 339 Vgl. nur Jürgen Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Art. 48 Rdnr. 2. 340 Eine rein vermögensverwaltende Gesellschaft weist parallele Merkmale zu Gesellschaften auf,

die nur Beteiligungen an anderen Unternehmen halten (Holdinggesellschaften). Nach Auffassung des EuGH ist die Gründung einer Holdinggesellschaft vom Schutzbereich des Art. 43 EG-Vertrag erfasst. Vgl. EuGH vom 16. 7. 1998 Rs. C-264/96 (ICI) – Slg. 1998, I-4695; IStR 1998, 467, Rdnrn. 22 f. Der EuGH geht wie selbstverständlich davon aus, dass auch eine Holdinggesellschaft eine „Gesellschaft mit Erwerbszweck“ ist.

Gemeinschaftsrecht

81

Der sachliche Anwendungsbereich des Art. 43 EG-Vertrag erfasst die Aufnahme und

Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von

Unternehmen (Art. 43 Satz 2 EG-Vertrag). Das Merkmal der „Selbständigkeit“ be-

zieht sich auf die Rechtstellung des nicht in abhängiger Stellung beschäftigten Er-

werbstätigen.341 Selbständige Erwerbstätigkeit ist jede Art wirtschaftlicher Betätigung,

die entgeltlich und weisungsfrei erfolgt.342 Gemäß Art. 43 Abs. 2 EG-Vertrag steht die

Gründung und Leitung von Unternehmen der selbständigen Erwerbstätigkeit gleich.

Unter Gründung ist jeder Vorgang zu verstehen, durch den die rechtliche Existenz

eines Unternehmens begründet wird.343 Die Leitung eines Unternehmens bezeichnet

den Erwerb einer Beteiligung an einer bestehenden Kapitalgesellschaft durch den in

einem anderen Mitgliedsstaat ein wesentlicher Einfluss auf deren Geschäftstätigkeit

möglich wird.344 Der Anwendungsbereich des Art. 43 EG-Vertrag ist folglich eröffnet,

wenn ein Angehöriger der europäischen Union eine Beteiligung an einer Gesellschaft

mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat hält oder erwirbt, die ihm eine beherrschende

Gesellschafterstellung auszuüben ermöglicht.345 Die Beteiligung erfüllt diese Anforde-

rung, wenn sie einen solchen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft verleiht,

dass deren Tätigkeiten bestimmt werden können.346 Dieses Kriterium ist – so verlangt

es der Europäische Gerichtshof – anhand des Gesellschaftsrechts des anderen Mit-

gliedsstaates zu beurteilen.347 Die Niederlassungsfreiheit schützt die Aufnahme und

Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten nach den Bestimmungen des Niederlas-

sungsstaats für dessen eigene Angehörige.348 Gewendet auf die Hinzurechnungsbe-

steuerung muss geprüft werden, ob die Beteiligung an einer Gesellschaft, deren Sitz

oder Geschäftsleitung sich in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft

befindet, eine beherrschende Gesellschafterstellung vermittelt. Unbeschränkt steuer-

pflichtige Personen, die nur eine Minderheitsbeteiligung an der Gesellschaft halten

und die nur deshalb der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen, weil sie zusammen

341 Vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 43 EGV, Rdnr. 5. 342 Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Rdnr. 10. 343 Vgl. hinsichtlich des Erwerbs von Unternehmensbeteiligungen auch Art. 294 EG-Vertrag; siehe

auch Geiger, EUV/EGV, Art. 43 EGV, Rdnr. 6. 344 Die beherrschende Stellung vermittelt den Schutz nach Art. 43 EG-Vetrag. Fehlt es dagegen an

der beherrschenden Stellung, kommt ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 EG-Vertrag in Betracht, vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 43 EGV, Rdnr. 6. 345 Vgl. auch EuGH vom 13. 4. 2000 – Rs. C-251/98 (Baars), Slg 2000, I-2787, Rdnrn. 22 ff. 346 EuGH vom 13. 4. 2000 – Rs. C-251/98 (Baars), Slg 2000, I-2787, Rdnr. 22. 347 EuGH vom 5. 11. 2002 – Rs. C-208/00 (Überseering), Slg. 2002, I-9919, Rdnr. 56. 348 EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236,

Rdnr. 40.

109 ungsbereich

Niederlassungsfreiheit

Sachlicher Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit

82

mit anderen unbeschränkt steuerpflichtigen Personen die Beteiligungsgrenze von 50 %

erreichen (§ 7 Abs. 1 AStG), sind nicht vom sachlichen Anwendungsbereich der

Niederlassungsfreiheit erfasst. Vorstellbar sind auch Fälle, in denen eine unbeschränkt

steuerpflichtige Person bereits mehr als 50 % der Anteile an einer ausländischen Ge-

sellschaft innehat, etwa innerhalb eines Konzerns im Verhältnis der Muttergesellschaft

zu einer Tochtergesellschaft. Der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit kann

gleichwohl in beiden Fällen eröffnet sein. Es kommt dabei darauf an, dass nach Maß-

gabe des Gesellschaftsrechts des anderen Mitgliedsstaates eine beherrschende Gesell-

schafterstellung gegeben ist. Deshalb lässt sich vorliegend nicht abschließend bestim-

men, in welchen Einzelfällen der Anwendungsbereich von Art. 43 EG-Vertrag eröff-

net ist. Im Fall einer Beteiligung von mehr als 50 % oder bei ausschließlicher Beteili-

gung an einer ausländischen Gesellschaft ist der sachliche Anwendungsbereich der

Niederlassungsfreiheit jedenfalls eröffnet. Verfügt ein Gesellschafter dagegen nicht

über eine gesellschaftsrechtlich vermittelte, beherrschende Rechtstellung, erfasst der

Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 EG-Vertrag diese

Konstellation nicht. Für diese Fälle kann sich der Betroffene jedoch auf die Kapital-

verkehrsfreiheit berufen,349 so dass auch dieser Aspekt der Betätigung einer ausländi-

schen Gesellschaft gemeinschaftsrechtlich geschützt ist.350 Ein unmittelbarer Eingriff in

die Niederlassungsfreiheit oder die Kapitalverkehrsfreiheit eröffnet nur den jeweiligen

Schutzbereich, es sei denn, dass ein Sachverhalt vorliegt, auf den die beiden Grund-

freiheiten nicht getrennt angewendet werden können, und dass beide Grundfreiheiten

unmittelbar einschlägig sind. In einem solchen Fall bieten die Kapitalverkehrsfreiheit

und die Niederlassungsfreiheit gleichermaßen Schutz vor Beeinträchtigungen.351

Der Schutz der Niederlassungsfreiheit soll nach einer in der Literatur vertretenen

Auffassung nur unter der Voraussetzung gegeben sein, dass eine Gesellschaft aus Sicht

des internationalen Privatrechts als rechtsfähig anerkannt ist.352 Problematisch könnte

daher sein, ob in den Fällen der Hinzurechnungsbesteuerung die Rechtsfähigkeit und

damit auch die steuerliche Subjektsfähigkeit der ausländischen Gesellschaft erforderlich

ist. Werden grundlegende unternehmerische Entscheidungen einer ausländischen

Gesellschaft von deren inländischer Muttergesellschaft getroffen, könnte zweifelhaft

349 EuGH vom 13. 4. 2000 – Rs. C-251/98 (Baars) – Slg 2000, I-2787; EuGH vom 5. 11. 2002 –

Rs. C-203/00 (Überseering), Slg. 2002, I-9919, Rdnr. 77. 350 Vgl. dazu Cordewener, Deutsche Unternehmensbesteuerung und europäische Grundfreiheiten –

Grundzüge des materiellen und formellen Rechtsschutzsystems der EG, DStR 2004, 6. 351 Vgl. EuGH vom 13. 4. 2000 – Rs. C-251/98 (Baars), Slg 2000, I-2787, Rdnrn. 22 f. 352 Vgl. dazu Hans-Wolfgang Arndt, Europarecht, 174.

110

Gemeinschaftsrecht

83

sein, ob der sachliche Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit überhaupt eröff-

net ist. Denn dann könnte argumentiert werden, dass der Sitz der Gesellschaft sich

schon nicht in dem anderen Mitgliedsstaat befinde. Dabei stehen sich zunächst folgen-

de Argumentationsansätze gegenüber: Die Gründungstheorie353 macht das gewählte

Gründungsrecht zur Grundlage der Anerkennung des Gesellschaftsstatuts. Der Verwal-

tungssitz ist nicht entscheidend. Aus dieser Blickrichtung müsste man den Sitz der

Gesellschaft in dem anderen Mitgliedsstaat anerkennen. Demgegenüber ließe sich nach

der Sitztheorie argumentieren, dass der tatsächliche Verwaltungssitz der ausländischen

Gesellschaft – gemeint ist der Ort, an dem die grundlegenden Entscheidungen der

Unternehmensleitung getroffen und umgesetzt werden – in Fällen der Beherrschung

durch eine inländische Konzerngesellschaft nach diesen Wertungskriterien sich im

Inland befindet.354 Diese in Deutschland vorherrschende355 Sitztheorie ist vor dem

Hintergrund der Europäischen Grundfreiheiten einzuschränken. Der Europäische

Gerichtshof ermittelt den Sitz einer Gesellschaft nach folgendem Kriterium: Wird eine

Gesellschaft wirksam in einem Mitgliedsstaat gegründet, befindet sich dort deren

satzungsmäßiger Sitz.356 Der satzungsmäßige Sitz entscheidet über die Zugehörigkeit

einer Gesellschaft zu der Rechtsordnung eines Mitgliedsstaates.357 Der Sitz einer Ge-

sellschaft ist folglich nach dem formalen wirksamen Gründungsvorgang zu bestimmen.

Hat ein solcher Gründungsvorgang stattgefunden, dürfen Gesellschaft und Gesell-

schafter in ihrem Geltungsanspruch nicht einheitlich betrachtet werden.358 Es wäre

somit EG-rechtlich unzulässig, einer nach dem Recht eines niedrig besteuernden

Mitgliedsstaates wirksam errichteten Gesellschaft mit Hinweis auf die (steuerliche)

Rechts- oder Subjektsfähigkeit die Berufung auf die Niederlassungsfreiheit zu versa-

gen, weil tragende unternehmerische Entscheidungen in Deutschland – etwa von

einer Konzern-Muttergesellschaft – getroffen werden. Danach sind formal wirksam

353 Anschaulich: Max Göttsche, Das Centros-Urteil des EuGH und seine Auswirkungen, DStR

1999, 1403. 354 Vgl. nur: Göttsche, Das Centros-Urteil des EuGH und seine Auswirkungen, DStR 1999, 1403. 355 Eine gesetzliche Regelung fehlt, die Rechtsprechung erkennt diese Theorie gewohnheitsrecht-

lich an. 356 EuGH vom 5. 11. 2002 – Rs. C-208/00 (Überseering), Slg. I 2002, 9919, Rdnr. 52. 357 EuGH vom 5. 11. 2002 – Rs. C-208/00 (Überseering), Slg. I 2002, 9919, Rdnr. 57; EuGH vom

9. 12. 1999 – Rs. C-212/97 (Centros), Slg. I 1999, 1459, Rdnr. 19 f. 358 Die Argumentation müsste auch wegen § 7 Abs. 1 AStG i.V.m. §§ 9–11 AO 1977 scheitern. Es

ist danach eine Voraussetzung der Hinzurechnungsbesteuerung, dass die Gesellschaft in einem ausländischen Staat ihren Sitz hat. Es wäre widersprüchlich, Gesellschaft und Gesellschafter zusam-mengefasst zu betrachten, um geltend zu machen, der „Sitz“ befinde sich gerade nicht in dem Mit-gliedsstaat.

Rein steuerliche motivierte Gewinnverlagerung

84

errichtete Gesellschaften als „Steuerpflichtige“ des Mitgliedsstaates anzusehen, in dem

die ausländische Gesellschaft wirksam gegründet wurde. Der sachliche Anwendungsbe-

reich der Niederlassungsfreiheit ist daher auch einschlägig, wenn eine Gesellschaft den

Tatbestand der Hinzurechnungsbesteuerung erfüllt.

Es ist jedoch zu überlegen, ob der Schutz der Niederlassungsfreiheit etwa deswe-

gen nicht beansprucht werden kann, weil eine Gesellschaft, die der Hinzurechnungs-

besteuerung unterliegt, ausschließlich aus steuerlichen Gründen in einem anderen

Staat der Europäischen Gemeinschaft errichtet wird. Hier könnte eine missbräuchliche

Inanspruchnahme der Grundfreiheit gegeben sein. Davon ist auszugehen, wenn es

sachlich an einem echten grenzüberschreitenden Bezug fehlt, d.h., wenn bei wertender

Betrachtung ein reiner Inlandssachverhalt gegeben ist, der ausschließlich formal einen

Bezug zu einem anderen Mitgliedsstaat fingiert.359 In den von den §§ 7–14 AStG er-

fassten Fällen müsste es sich um Gestaltungen handeln, welche wirtschaftliche Substanz

aufweisen, wobei diese Substanz qualitativ über eine rein formale Fiktion des Aus-

landsbezugs hinausreicht. Entscheidend ist, dass die Voraussetzungen einer missbräuch-

lichen Inanspruchnahme der Grundfreiheiten vom Europäischen Gerichtshof sehr eng

gefasst werden. Missbrauchsfälle müssen sich geradezu aufdrängen, d.h., in diesen

Fällen dürfen keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte für einen Auslandsbezug nachweis-

bar sein.360 Bestehen schon geringe Anzeichen, die auf die Entfaltung einer ge-

schäftlichen Tätigkeit zu einem anderen Mitgliedsstaat hinweisen, ist ein Missbrauch

auszuschließen. Somit wird nur in Ausnahmefällen eine missbräuchliche Inanspruch-

nahme der Grundfreiheit in Betracht kommen. Inzwischen hat der Europäische Ge-

richtshof anerkannt, dass selbst „Briefkastengesellschaften“ – die aus Sicht des deut-

schen Steuerrechts als missbräuchlich (§ 42 Abs. 1 AO 1977) qualifiziert werden

können361 – grundsätzlich den Schutz der Europäischen Grundfreiheiten beanspruch

können.362 Wenn schon bei Briefkastengesellschaften die Niederlassungsfreiheit An-

wendung findet, obwohl die Einschaltung einer Briefkastengesellschaft aus Sicht des

deutschen Steuerrechts missbräuchlich sein kann, muss die Niederlassungsfreiheit erst

Recht die Tätigkeit von Gesellschaften im Sinne des § 7 Abs. 1 AStG schützen, da

diese durchaus wirtschaftliche Substanz aufweisen können und die Erzielung passiver,

359 Vgl. Schön, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, DB 2001, 940

(943 f.). 360 Vgl. dazu EuGH vom 30. 9. 2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), Slg. 2003, I-10155. 361 Vgl. BFH vom 19. 1. 2000 – I R 117/97, BFH/NV 2000, 824 und I R 94/97, BStBl. II

2001, 222 (Dublin Docks). 362 Vgl. dazu EuGH vom 30. 9. 2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), Slg. 2003, I-10155.

111

Rein steuerliche motivierte Gewinnverlagerung

Gemeinschaftsrecht

85

niedrig besteuerter Einkünfte grundsätzlich nicht als missbräuchlich anzusehen ist.363

Nach diesen Grundsätzen kann als Ergebnis gelten, dass in Fällen der Hinzurech-

nungsbesteuerung sich der Betroffene nicht missbräuchlich auf die Grundfreiheiten

beruft. Der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit ist demgemäß eröffnet,

wenn die Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung gegeben sind und nach

dem Recht des Sitzstaates der ausländischen Gesellschaft eine beherrschende Gesell-

schafterstellung gegeben ist.

II. Beschränkung der Niederlassungsfreiheit

Die Niederlassungsfreiheit bietet nach dem Wortlaut des Art. 43 Abs. 1 EG-Vertrag

Schutz vor „Beschränkungen“. Damit geht es in erster Linie um den Schutz des EU-

Bürgers im Aufnahmestaat, jedoch ergibt sich aus der Vorschrift des Art. 12 Abs. 1

EG-Vertrag „unbeschadet besonderer Bestimmungen“ ein Diskriminierungsverbot aus

Gründen der Staatsangehörigkeit (so genanntes allgemeines Diskriminierungsverbot).

Deswegen ist anerkannt, dass die Niederlassung eines Staatsangehörigen in einem an-

deren Mitgliedsstaat nicht diskriminiert werden darf.364 Es ist zu prüfen, ob in den von

§§ 7–14 AStG geregelten Fällen eine Beschränkung im Sinne des Art. 43 EG-Vertrag

gegeben ist.365 In Anknüpfung an die neuere Rechtsprechung des Europäischen Ge-

richtshofs zu den Grundfreiheiten des EG-Vertrags366 lässt sich das Programm der Prü-

fung folgendermaßen umreißen: Zunächst ist zu fragen, ob die überprüfte Regelung die

Ausübung der Grundfreiheit beeinträchtigt. Danach kann geprüft werden, ob die Rege-

lung Inländer und Unionsbürger unterschiedslos trifft (dann ist die Grundfreiheit in

ihrer Ausprägung als allgemeines Beschränkungsverbot betroffen), oder ob die Hinzu-

rechnungsbesteuerung eine Diskriminierung darstellt. Liegt danach eine Beein-

trächtigung vor, muss diese durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerecht-

fertigt sein. Hierfür ist Voraussetzung, dass die Regelung geeignet ist, die Verwirkli-

chung des mit dem Eingriff verfolgten Ziels zu gewährleisten, und dass die Regelung

nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.367

363 Vgl. BFH vom 19. 1. 2000 – I R 117/97, BFH/NV 2000, 824 und I R 94/97, BStBl. II

2001, 222 (Dublin Docks). 364 EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236,

Rdnr. 42; siehe auch Geiger, Rdnrn. 8–15; Vgl. dazu Bröhmer, in: Caliess/Ruffert, Rdnrn. 29 ff. 365 Vgl. etwa Rödder, Deutsche Unternehmensbesteuerung im Visier des EuGH, DStR 2004, 1629

(1632). 366 Vgl. etwa EuGH vom 28. 1. 1986 – Rs. C-270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, I-273, Rdnr. 25. 367 Vgl. EuGH vom 30. 11. 1995 – Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg 1995, I-4165, Rdnr. 37.

112

Beschränkung der erlassungsfreiheit

Beschränkung der Niederlassungsfreiheit

86

1. Beschränkungsverbot

Die Niederlassungsfreiheit könnte wegen ihrer Ausprägung als allgemeines Beschrän-

kungsverbot betroffen sein.368 Eine Beschränkung liegt vor, wenn eine nationale gesetz-

geberische Maßnahme die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegen-

den Freiheiten behindert oder deren Gebrauch weniger attraktiv machen könnte.369

Das Beschränkungsverbot richtet sich gegen Hindernisse, die nicht auf einer Un-

gleichbehandlung, sondern unterschiedslos wirken.370

Dabei ist zunächst zu problematisieren: Liegt schon keine Beschränkung vor,

wenn der Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung darin besteht, die ausländische

Gesellschaft so zu besteuern, als wäre sie im Inland ansässig? So könnte man überlegen,

dass die Hinzurechnungsbesteuerung eine „ausreichende Vorbelastung“ niedrig be-

steuerter Unternehmensgewinne sicherstellen soll und deshalb letztlich das inländische

Steuerniveau wirksam wird.

Betrachtet man zunächst die Definition des Begriffs Beschränkung, ergibt sich der

Ansatz für eine Lösung dieser Problemstellung. Eine Beschränkung liegt vor, wenn

„die nationale Maßnahme die Grundfreiheit behindert oder weniger attraktiv

macht“.371 Damit ist die konkrete Wirkung der Hinzurechnungsbesteuerung, nicht

jedoch die Zwecksetzung zu untersuchen. Es muss also gefragt werden, ob die Hinzu-

rechnungsbesteuerung eine identische Belastung erzeugt, wie dies bei Ansässigkeit der

Gesellschaft im Inland der Fall wäre. Es fragt sich aber, welche Belastungssituation

hierfür zu betrachten ist. Zunächst könnte ein Vergleich mit der Situation in Betracht

kommen, in der eine Ausschüttung durch die Gesellschaft bereits stattgefunden hat.

Dann müsste weiter unterschieden werden, ob es sich bei dem betroffenen Gesell-

schafter um eine Kapitalgesellschaft handelt, oder ob eine natürliche Person mit dem

Dividendenbezug der Einkommensteuer unterliegt. Eine Einordnung der Hinzurech-

nungsbesteuerung bereitet Schwierigkeiten. Denn die Einkünfte der ausländischen

Gesellschaft gelten dem Gesellschafter als zugeflossen. Der Wortlaut des § 10 Abs. 2

Satz 1 AStG weist darauf hin, dass eine Ausschüttung der Einkünfte der ausländischen

Gesellschaft nicht stattgefunden hat, der Gesellschafter aber so behandelt wird, als habe

368 Vgl. zur Frage des Verhältnisses Diskriminierungsverbot/Beschränkungsverbot: Geiger,

EUV/EG-Vertrag, Art. 43 EGV, Rdnrn. 8–15; Arndt, Europarecht, 139; EuGH vom 15. 5. 1997 – Rs. C-250/95 (Futura Participations SA), Slg. 1997, 2471 Rdnrn. 23 ff. 369 EuGH vom 30. 11. 1995 – Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Rdnr. 37. 370 So zutreffend Bauschatz, Steuerlicher Gestaltungsmissbrauch und Europarecht, IStR 2002, 291

(294). 371 EuGH vom 30. 11. 1995 – Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Rdnr. 37.

113

114

115

Gemeinschaftsrecht

87

eine Ausschüttung stattgefunden. Besteht mithin ein Gleichklang zwischen Hinzu-

rechnungsbesteuerung und einer Ausschüttungssituation, müsste freilich auch aner-

kannt werden, dass die Ausschüttung nach den Vorschriften des deutschen Steuer-

rechts zur Hälfte bzw. in vollem Umfang steuerfrei vom Gesellschafter bezogen wer-

den könnte, um der deutschen Besteuerungssituation gerecht zu werden. Der steuer-

freie Bezug ist jedoch – wie § 10 Abs. 3 Satz 2 AStG dies ausdrücklich bestimmt – im

Falle der Hinzurechnungsbesteuerung nicht möglich. Da die ausländische Gesellschaft

damit bei Vergleich der Ausschüttungssituation anderen Belastungswirkungen unter-

liegt als eine im Inland ansässige Gesellschaft, lassen sich von vorne herein diese Situa-

tionen nicht vergleichen. Ein Vergleich ist nur insoweit möglich, als auf die Belas-

tungswirkung abgestellt wird, die in der Situation entsteht, in der eine Ausschüttung

noch nicht stattgefunden hat.

Konzeptionell orientierte sich die Hinzurechnungsbesteuerung an der „Sub-

part F Gesetzgebung“372 des US-amerikanischen Income Taxation Act (Einkommen-

steuergesetz) und sollte in bestimmten Fällen die Kapitalexportneutralität bei Einschal-

tung ausländischer Gesellschaften sicherstellen.373 Kapitalexportneutralität bedeutet,

dass für Investitionen im Inland die identischen Belastungen erreicht werden, die für

Investitionen im Ausland gelten.374 Der aufgeworfenen Fragestellung kommt im Hin-

blick auf diese Konzeption eine weitergehende Dimension zu. Man kann erwägen, ob

die Hinzurechnungsbesteuerung sich in das System des Europäischen Binnenmarktes

einfügt. Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst eine Begriffsbestimmung vorzu-

nehmen: Stellt sich ein Bürger der Europäischen Gemeinschaft dem Wettbewerb in

einem anderen Mitgliedsstaat und unterliegt die Investition nur den steuerlichen

Bedingungen am Investitionsstandort, bezeichnet man dieses Konzept als Kapitalim-

portneutralität.375 Diesem Konzept entspricht die Freistellung von Dividendenbezügen

nach § 8b Abs. 1 KStG. Die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft werden nach

den Bedingungen des Investitionsstandortes belastet und die Ausschüttung an einen

inländischen Gesellschafter führt zu keiner weiteren Belastung, da das deutsche Steuer- 372 So genanntes Subpart F-Income des US-amerikanischen Einkommensteuerrechts nach der von

Präsident John F. Kennedy im Jahre 1962 durchgeführten Steuerreform. Die im internationalen Sprachgebrauch gängige Bezeichnung für Fälle der Hinzurechnungsbesteuerung ist „Controlled Foreign Company“ (– CFC –). 373 Vgl. dazu eingehend: Hadenfeldt, Die Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz

von Einkünften aus deutschen Quellen, 57 ff. 374 Vgl. dazu Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, Die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung auf dem

europäischen Prüfstand, IStR 2003, 6 ff.

116

Beschränkung der Niederlassungsfreiheit

88

recht mit § 8b Abs. 1 KStG eine umfassende Steuerfreistellung unabhängig von Be-

teiligungshöhe oder Mindestbehaltensdauer der Anteile gewährt. Die Investitions-

tätigkeit braucht deshalb grundsätzlich nicht die steuerlichen Rahmenbedingungen des

deutschen Steuerrechts zu berücksichtigen. Die Hinzurechnungsbesteuerung soll

demgegenüber Kapitalexportneutralität herstellen.376 Für die Investition in einem

ausländischen Staat gilt das dort herrschende Steuerniveau. Die Vorschrift in § 10

Abs. 2 Satz 3 AStG bestimmt dagegen, dass die zentrale Regelung für die Frage der

Herstellung der Kapitalimportneutralität (§ 8b Abs. 1 KStG) nicht auf den Hinzurech-

nungsbetrag anzuwenden ist. Der Gesetzgeber gewährleistet einerseits die Kapitalim-

portneutralität, andererseits soll Kapitalexportneutralität in den Fällen der Hinzurech-

nungsbesteuerung entstehen. Es fragt sich, ob dieses der Hinzurechnungsbesteuerung

zugrunde liegende Prinzip als solches in Einklang mit dem Binnenmarktprinzip steht.

Einige Autoren bejahen dies mit Hinweis auf die Entscheidung des Europäischen

Gerichtshofs in der Rechtssache Schumacker377. In dieser Entscheidung werde die

Anrechnungsmethode als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung akzep-

tiert.378 Die Anrechnungsmethode entspreche dem Gedanken der Kapitalexport-

neutralität, da für ausländische Einkünfte das inländische Steuerniveau dadurch sicher-

gestellt werde, dass auf die im Inland entstehende Steuerlast die im Ausland gezahlte

Steuer angerechnet wird (vgl. dazu die Vorschrift in Art. 23 B OECD-MA379). Es

könne somit darauf geschlossen werden, dass auch der Gedanke der Kapitalexport-

neutralität gemeinschaftsrechtlich zu akzeptieren ist.380

Diese These ist anhand der Vorschriften des EG-Vertrages zu überprüfen. Ent-

scheidendes Kriterium ist dabei das Binnenmarktkonzept. Das Binnenmarktkonzept ist

normativ in Art. 14 EG-Vertrag verankert. Nach dieser Vorschrift wird der gemein-

same Markt (vgl. Art. 2 EG-Vertrag) schrittweise verwirklicht. Hierzu sollen die

375 Dazu Schön, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, DB 2001, 940

(945 f.). 376 Vgl. dazu ausführlich Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschafts-

recht, 89 ff. 377 EuGH vom 14. 2. 1995 – Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg. 1095, I-225. 378 Vgl. hierzu Schön, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, DB

2001, 940 (946); Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, Die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung auf dem europäischen Prüfstand, IStR 2003, 6 (10). 379 OECD-Musterabkommen 2003 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der

Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, vgl. dazu K. Vogel, in: Vogel/Lehner, Doppelbe-steuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland, Einleitung. 380 Siehe hierzu Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht,

175 ff.

117

Gemeinschaftsrecht

89

nationalen Märkte zu einem Markt zusammenwachsen, der „einem wirklichen Bin-

nenmarkt möglichst nahe“ kommt.381 Dies erfordert, dass die wesentlichen Hindernis-

se abgebaut werden, jedoch ergibt sich aus der Vorschrift in Art. 14 ff. EG-Vertrag

nicht, dass die Durchsetzung des Binnenmarktprinzips „um jeden Preis“ zu erfolgen

hat. Deshalb lässt sich aus den Vorschriften über den Binnenmarkt auch folgern, dass

die Unionsbürger auch Verantwortung für das Binnenmarktkonzept tragen. Dieses

Verantwortungsprinzip lässt sich daran nachweisen, dass die Unionsbürger durch den

EG-Vertrag berechtigt und verpflichtet werden (Art. 17 Abs. 2 EG-Vertrag). Wenn

Art. 14 Abs. 3 EG-Vertrag bestimmt, dass der Binnenmarkt durch einen ausgewoge-

nen Forschritt gewährleistet wird, entspricht es der Konzeption des Binnenmarktes,

dass größtmögliche Freiheit effektiven und zielgenauen Schutz beanspruchen darf. Es

erscheint im Sinne der Zielsetzung des Binnenmarktkonzeptes geboten, einerseits die

Grundfreiheiten bestmöglich zur Geltung zu bringen. Diese Überlegung lässt sich un-

mittelbar auf die Zielsetzung des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemein-

schaft beziehen, der die Harmonisierung der Wirtschaft zu einem vordringlichen Ziel

erklärt.382 Andererseits – so lässt sich gemäß der Präambel des EG-Vertrages formulie-

ren – ist der redliche Wettbewerb in der Gemeinschaft zu schützen. Dies lässt sich

auch dadurch gewährleisten, dass ein Steuerpflichtiger nicht uneingeschränkt von den

Vorteilen des Binnenmarktes profitieren darf, wenn es ihm allein um eine Inanspruch-

nahme günstiger steuerlicher Rahmenbedingung geht. Gewendet auf die hier interes-

sierende Frage ist der nationale Gesetzgeber berechtigt, die Anrechnungsmethode

vorzusehen. Die Kapitalexportneutralität setzt das inländische Steuerniveau durch und

kann damit ein Korrektiv für diejenigen Steuerpflichtigen darstellen, die dem Verant-

wortungsprinzip nicht entsprechen. Beachtet man die Prämisse des Europäischen Ge-

richtshofs, wonach ein Mitgliedsstaat im Bereich des Steuerrechts seine „Befugnisse

unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben“ kann, darf dies jedoch nicht dazu

dienen, eine Beschränkung der Grundfreiheiten zu schaffen.383 Es zeigt sich, dass der

Gedanke der Kapitalexportneutralität durchaus mit dem Konzept des Binnenmarktes

vereinbar ist; allerdings muss die Frage, ob Kapitalimportneutralität oder Kapitalex-

portneutralität vorzugswürdig herzustellen ist, berücksichtigen, ob es zu einer Beein-

trächtigung der Grundfreiheiten kommt.

381 Vgl. dazu nur Geiger, EUV/EGV, Art. 14 Rdnr. 1. 382 Vgl. dazu die Präambel des EG-Vertrags; vgl. zu den Zielen auch Geiger, EUV/EGV, Vor

Art. 1 EGV, Rdnr. 2. 383 Ständige Rechtsprechung, vgl. EuGH vom 12. 12. 2002 – Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst),

Slg 2002, I-1177, DStR 2003, 25, IStR 2003, 55, Rdnr. 26 m. w. N.

Beschränkung der Niederlassungsfreiheit

90

Es ist deshalb weiter zu prüfen, ob die durch die Normen in §§ 7–14 AStG er-

zeugte Besteuerungssituation eine solche Beeinträchtigung darstellt. Das ist der Fall,

wenn die Ausübung der Niederlassungsfreiheit „weniger attraktiv“ sein kann.384 Die

Prüfung kann sich an den vom Europäischen Gerichtshof gegebenen Begründungser-

wägungen in der Rechtssache Metallgesellschaft u.a./Hoechst orientieren.385 In diesem

Verfahren ging es um die steuerliche Behandlung von zwei Konzern-Tochterge-

sellschaften. Diese Tochtergesellschaften hatten ihren Sitz – anders als die Konzern-

Muttergesellschaft – in Großbritannien. Nach dem Körperschaftsteuerrecht Großbri-

tanniens wurden Gewinne dieser Tochtergesellschaften mit Körperschaftsteuer386

belastet. Die Körperschaftsteuerschuld war neun Monate nach dem Abschlussstichtag

der jeweiligen Tochtergesellschaft fällig. Erfolgte eine Ausschüttung vor diesem Zeit-

punkt, wurde bei der jeweiligen Tochtergesellschaft eine Körperschaftsteuer-

vorauszahlung auf diese Ausschüttung erhoben (ACT – advanced corporation tax), die

auf die (später entstehende) Körperschaftsteuerschuld der Tochtergesellschaften ange-

rechnet werden konnte. Für die in Großbritannien ansässigen Tochtergesellschaften

bestand die Möglichkeit, für eine Besteuerungsregelung zu optieren (group income

election), kraft derer sie auf Dividenden, die sie ihrer Muttergesellschaft zahlten, keine

Körperschaftsteuer-Vorauszahlung (ACT) zu entrichten hatten. Diese Optionsmög-

lichkeit war an die Voraussetzung geknüpft, dass die Muttergesellschaft ebenfalls in

Großbritannien ihren Sitz hatte, und wurde den britischen Tochtergesellschaften

verwehrt, da die Muttergesellschaft in einem europäischen Mitgliedsstaat ansässig war.

Aus den Regelungen ergab sich ein Zinsvorteil innerhalb des gesellschaftsrechtlichen

Verbundes, wenn die Muttergesellschaft ebenfalls im Vereinigten Königreich ansässig

war.387 Konkret mussten die Tochtergesellschaften Kapital aufwenden, um die Körper-

schaftsteuervorauszahlung zu einem vergleichsweise früheren Zeitpunkt leisten zu

können, und mussten für die Finanzierung dieses Kapitalteils eine entsprechend höhe-

re Zinsbelastung kalkulieren. Hierin erkannte der Europäische Gerichtshof einen

Liquiditätsvorteil, der Gesellschaften mit einer im Inland ansässigen Muttergesellschaft

zu gute komme. Daraus folge eine indirekte Schlechterstellung des Sachverhaltes mit

384 EuGH vom 30. 11. 1995 – Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, NJW 1996, 579; vgl.

auch Hahn, Die Vereinbarkeit von Normen des deutschen internationalen Steuerrechts mit EG-Recht, IFSt-Schrift Nr. 378, 152. 385 EuGH vom 8. 3. 2001 – Rs. C-397/98 und C-410/98 (Metallgesellschaft ua und Höchst),

Slg. 2001, I-1727; RIW 2001, 467. 386 So genannte mainstream corporation tax, abgekürzt: MCT. 387 Vgl. auch Laule, Grenzen internationaler Steuergestaltung im Lichte der Rechtsprechung des

EuGH, IStR 2003, 217 (219 f.).

118

Gemeinschaftsrecht

91

Auslandsbezug.388 Die Ausübung von Grundfreiheiten ist danach „weniger attraktiv“,

wenn unternehmerische Entscheidungen einen Faktor berücksichtigen müssen, der

sich auf die Liquiditätssituation vergleichsweise nachteilig auswirkt, oder – allgemein

formuliert –, wenn aus Sicht desjenigen, der eine erwerbswirtschaftliche Betätigung in

einem anderen Mitgliedsstaat aufnehmen will, die zu erwartenden wirtschaftlichen Er-

tragsaussichten herabgesetzt werden. Gewendet auf die Hinzurechnungsbesteuerung

ergibt sich aus § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG, dass der Hinzurechnungsbetrag unmittelbar

nach Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft als

zugeflossen gilt. Die Hinzurechnungsbesteuerung führt damit zu einer Einkommen-

steuer- bzw. Körperschaftsteuerbelastung, wenn bei vergleichbaren Sachverhalten, die

nicht der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen, eine Besteuerung nicht in Betracht

kommt. So wird man vor dem Hintergrund der Regelung über die steuerliche Frei-

stellung von Dividendenbezügen in § 8b Abs. 1 KStG und § 3 Nr. 40 EStG im Hin-

blick auf die unterschiedliche Liquiditätssituation der Gesellschaften zu einem eindeu-

tigen Ergebnis kommen: Wegen der Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuer-

ung kommt es zu einer Besteuerung der passiven Einkünfte zu einem frühest mögli-

chen Zeitpunkt. Im vergleichbaren Inlandsfall erfolgt der Bezug von Dividenden nach

Maßgabe der § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei bzw. die hälftige Besteuerung nach § 3

Nr. 40 EStG greift erst ab der Ausschüttung der Dividende ein. Greift die Hinzurech-

nungsbesteuerung nicht ein, müssen daher bis zur Ausschüttung vom Steuerpflichtigen

keine Geldmittel aufgewendet werden, um die entstehende Steuerbelastung auf der

Ebene des Gesellschafters auszugleichen. Da die Anwendung der Steuerbefreiungs-

vorschriften gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 AStG ausgeschlossen ist, ergibt dies im Falle der

Hinzurechnungsbesteuerung einen Liquiditätsnachteil. Andernfalls könnte der inländi-

sche Gesellschafter die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft steuerfrei vereinnah-

men. Damit kommt es im Fall der Hinzurechnungsbesteuerung zu einer Schlechter-

stellung des Sachverhaltes, in dem eine Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft

gegeben ist. Geht es um die Aufnahme einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung in

einem anderen Mitgliedsstaat, sind die zu erwartenden wirtschaftlichen Ertragsaus-

sichten herabgesetzt. Die Hinzurechnungsbesteuerung führt damit dazu, dass die

Ausübung der Niederlassungsfreiheit „weniger attraktiv“ ist, so dass eine Beschrän-

kung gegeben ist. Die Hinzurechnungsbesteuerung – so lässt sich hier schon feststel-

len – kann eine Beschränkung darstellen, da sie nicht bezweckt, eine ausländische

388 EuGH vom 8. 3. 2001 – Rs. C-397/98 und C-410/98 (Metallgesellschaft ua und Höchst) –

Slg. 2001, I-1727; RIW 2001, 467.

Beschränkung der Niederlassungsfreiheit

92

Gesellschaft so zu besteuern, als wäre sie im Inland ansässig. Es kann damit geprüft

werden, ob die Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung „unterschiedslos

wirken“, oder ob eine Diskriminierung gegeben ist.

2. Diskriminierung

Eine Diskriminierung liegt vor, wenn „vergleichbare Sachverhalte rechtlich unter-

schiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte rechtlich gleich behandelt werden“,389

mithin bedeutet es die rechtliche Schlechterbehandlung eines zu beurteilenden Sach-

verhalts mit Gemeinschaftsbezug gegenüber einem reinen Inlandssachverhalt.390 Diese

Voraussetzungen sind erfüllt, wenn ein gesetzlicher Tatbestand an die Staatsangehörig-

keit anknüpft. Da die Hinzurechnungsbesteuerung nicht an die Staatsangehörigkeit,

sondern an den Sitz oder den Ort der Geschäftsleitung einer ausländischen Gesellschaft

(§ 7 Abs. 1 AStG) anknüpft, könnte eine Diskriminierung verneint werden. Nun wäre

es falsch, an dieser Stelle die Prüfung zu beenden. Das deutsche Steuerrecht verwendet

das Kriterium der Staatsbürgerschaft nicht als Voraussetzung steuerlicher Tatbestände,

sondern stellt etwa zur Begründung der Steuerpflicht nach § 1 EStG, § 1 KStG auf

den Wohnsitz und den gewöhnlichen Aufenthalt von natürlichen Personen (§§ 10, 11

AO) bzw. auf den Sitz oder an den Ort der Geschäftsleitung von Kapitalgesellschaften

ab (§§ 10, 11 AO). Eine Überprüfung des deutschen Steuerrechts am Maßstab der

Europäischen Grundfreiheiten wäre deshalb nicht möglich.391 Die Anknüpfung an den

Sitz oder den Ort der Geschäftsleitung der Gesellschaft bedeutet jedoch, dass durch die

§§ 7–14 AStG ausländische Gesellschaften überwiegend oder besonders häufig be-

nachteiligt sein können, weshalb eine – ebenfalls tatbestandsmäßige – versteckte Dis-

kriminierung gegeben sein kann.392 Entscheidend ist, ob ein steuerliches Tatbestands-

merkmal an einen bestimmten Sachverhalt anknüpft oder die Anknüpfung an ein

beliebiges Tatbestandsmerkmal Fälle mit Gemeinschaftsbezug de facto anders behan-

delt als Inländer.393 So ist vorliegend eine versteckte Diskriminierung anzunehmen, da

die Regelungen in §§ 7–14 AStG an das Tatbestandsmerkmal „ausländische Gesell-

schaft“ anknüpfen und damit eine andere Rechtslage schaffen, als dies bei einem rei-

nen Inlandssachverhalt der Fall wäre. Es ist deshalb zu prüfen, ob dieses von § 7 Abs. 1 389 EuGH vom 13. 11. 1984 – Rs. 283/93 (Racke), Slg. 1984, I-3791, Rdnr. 1. 390 Vgl. Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Rdnr. 19. 391 Kluge, Internationales Steuerrecht, Rdnr. K 19. 392 Vgl. zu den Besonderheiten bei Steuernormen EuGH vom 28. 1. 1986 – Rs. C-270/86 (avoir-fiscal) – Slg. 1986, I-273, NJW 1991, 1406.

119

Gemeinschaftsrecht

93

AStG verwendete Tatbestandsmerkmal eine unterschiedliche Rechtslage für Gesell-

schaften schafft, die in anderen Mitgliedsstaaten ansässig sind.394 Hierzu ist zu überle-

gen, dass die Niederlassungsfreiheit grundsätzlich die Aufnahme der Tätigkeit in dem

Aufnahmestaat schützt, so dass dieser Staat identische Voraussetzungen für die Auf-

nahme einer Tätigkeit bieten muss. Wenn jedoch – wie im Falle der Hinzurechnungs-

besteuerung – die Steuerpflicht faktisch nur Steuerpflichtige des Herkunftsstaates trifft,

könnte dies gegen eine Diskriminierung sprechen. Es fragt sich somit, ob eine Diskri-

minierung nicht gegeben ist, weil Inländer, die einen grenzüberschreitenden Sach-

verhalt verwirklichen, anders behandelt werden als Inländer, die denselben Sachverhalt

im Inland verwirklichen. Der Europäische Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtspre-

chung die Ansicht, dass es auch dem Herkunftsstaat verboten ist, die Niederlassung der

eigenen Staatsangehörigen oder einer nach dem eigenen Recht des Mitgliedsstaates

gegründeten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedsstaat zu behindern.395 Wendet

man diese Prämisse auf die Hinzurechnungsbesteuerung an, ergibt sich, dass auch die

Hinzurechnungsbesteuerung als Maßnahme des deutschen Steuerrechts eine Wirkung

auf Vorgänge aufweist, in denen die rechtliche Existenz eines Unternehmens begrün-

det wird oder die auf den Erwerb einer Beteiligung an einer bestehenden Gesellschaft

gerichtet sind. Es könnte somit auch im Fall der Hinzurechnungsbesteuerung eine

Diskriminierung gegeben sein, wenn auch das Merkmal der Schlechterstellung des

Sachverhaltes mit Auslandsbezug erfüllt ist.

Es muss deshalb weiter geprüft werden, ob vorliegend der Sachverhalt mit Aus-

landsbezug gegenüber dem Inlandssachverhalt schlechter gestellt wird. Das ist der Fall,

wenn rechtliche oder tatsächliche Erschwernisse, Nachteile oder sonstige ungünstige

Folgen erzeugt werden. Quantitativ reicht schon eine geringfügige Verschlechterung

aus.396 Der Begriff geringfügig darf nicht mit jeder Verschlechterung gleichgesetzt wer-

den. Zwar dürfte der Begriffsinhalt auch im Hinblick auf die Ziele des EG-Vertrages

weit zu fassen sein, dennoch darf deswegen darunter nicht beliebig jede Regelung

subsumiert werden, die eine gegenüber dem vergleichbaren Inlandssachverhalt abwei-

chende Rechtslage schafft. Beginnt man die Auslegung am Wortlaut, so bedeutet

393 Vgl. EuGH vom 28. 1. 1986 – Rs. C-270/86 (avoir-fiscal) – Slg. 1986, I-273, NJW 1991, 1406;

siehe auch Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Rdnr. 20. 394 Vgl. EuGH vom 28. 1. 1986 – Rs. C-270/86 (avoir-fiscal), Slg. 1986, I-273, NJW 1991, 1406. 395 EuGH vom 18. 11. 1999 – Rs. C-200/98 (X AB und Y AB), Slg. 1999, I-8261, IStR 2000, 18,

Rdnr. 26; EuGH vom 16. 7. 1998 – Rs. C-264/96 (ICI), Slg. 1998, 4695; IStR 1998, 467, Rdnr. 21. 396 EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236,

Rdnr. 43.

120

Beschränkung der Niederlassungsfreiheit

94

„geringfügig“ von geringem Ausmaß oder von untergeordneter Bedeutung.397 Entfaltet man

den Begriff im Hinblick auf die Zielsetzung des Art. 43 EG-Vertrag, muss die Ausle-

gung berücksichtigen, dass mit den im EG-Vertrag geregelten Grundfreiheiten die

Errichtung des Binnenmarktes (Art. 3 Abs. 1 Buchst. c i. V. m. Art. 14 Abs. 2 EG-

Vertrag), insbesondere die Freiheit des Marktzugangs sowie die Wettbewerbs-

gleichheit bezweckt werden.398 Ob gleiche Wettbewerbschancen bestehen, muss

neben einer gebotenen objektiven Betrachtung aus der Perspektive desjenigen beur-

teilt werden, der sich in der Wettbewerbssituation befindet. Eine geringfügige

Schlechterstellung ist danach gegeben, wenn der Betroffene einen Nachteil wahr-

nimmt und objektiv zu erwarten ist, dass dieser Nachteil als Faktor für die Entschei-

dung, ob die Wettbewerbssituation wirtschaftlich ausgewogen ist, eine Rolle spielt.

Das ist der Fall, wenn ernsthaft das Für und Wider hinsichtlich dieses Nachteils abge-

wogen werden muss und sich die zu treffende Entscheidung deswegen nicht von selbst

ergibt. Graduell gehen steuerliche Regelungen über den Maßstab des geringfügigen

Nachteils hinaus, die wahrnehmbar Nachteile anordnen, um Steuerpflichtige davon

abzuhalten, bestimmte Betätigungsformen außerhalb Deutschlands wahrzunehmen.

Nun hat die Untersuchung bereits gezeigt, dass von den §§ 7–14 AStG ein Liquidi-

tätsnachteil ausgehen kann. Dies kann sich auf das Für oder Wider bei der Entschei-

dung für eine Investition auswirken. Die Hinzurechnungsbesteuerung kann eine

zweckmäßige Investition wirtschaftlich unattraktiv machen. Darüber hinaus könnte

auch aus weiteren Regelungen in §§ 7–14 AStG eine solche nachteilige Wirkungs-

weise ausgehen. Es ist insbesondere daran zu denken, dass den Steuerpflichtigen ein

Aufwand trifft, der bei einer vergleichbaren Beteiligung an einer inländischen Gesell-

schaft nicht bewältigt oder getragen werden müsste. Ein solcher Aufwand könnte

gegeben sein, da ein Steuerpflichtiger, der von der Hinzurechnungsbesteuerung be-

troffen ist, den Hinzurechnungsbetrag (§ 10 Abs. 1 AStG) in einer Hinzurechnungs-

bilanz ermitteln muss.399 Für eine Gesellschaft im Sinne des § 7 Abs. 1 AStG müssen

deshalb zwei Gewinnermittlungen vorgenommen werden: eine Gewinnermittlung

richtet sich nach ausländischem Recht, eine weitere ist unter Beachtung der deutschen

Steuervorschriften zu erstellen (§ 10 Abs. 3 AStG). Der Zweck dieser Regelung ist

darin zu sehen, dass die Einkünfte der Gesellschaft entsprechend den Vorschriften des

deutschen Steuerrechts erfasst werden. Bei der Gewinnermittlung nach deutschen

397 Vgl. etwa Deutsches Wörterbuch, Honos Verlag Bergisch Gladbach 1996. 398 Vgl. Arndt, Europarecht, 134. 399 Vgl. hierzu Menck, in: Blümich, EStG, KStG, UmwStG/AStG, Kommentierung zum Außen-

steuergesetz, § 10 Rdnrn. 29 ff.

Gemeinschaftsrecht

95

Vorschriften entsteht somit ein zusätzlicher Kosten- und Leistungsaufwand etwa in

Form von Steuerberatungskosten, der ansonsten nicht gegeben ist. Die Hinzurech-

nungsbesteuerung kennt weiter keine Verlustverrechnungsmöglichkeit, wie dies etwa

§ 10 d EStG für einen vergleichbaren Inlandssachverhalt vorsieht: Erträge der aus-

ländischen Gesellschaft aus Gewinnjahren werden der Hinzurechnungsbesteuerung

unterworfen, in Verlustjahren entfällt dafür die Hinzurechnung (§ 10 Abs. 1 Satz 3

AStG). Eine Kompensation von Verlusten ist somit nicht möglich, was im Vergleich

zu einem reinen Inlandssachverhalt eine Verschlechterung der Abzugsmöglichkeiten

für diese Verluste bedeutet. Sodann ergibt sich auch aus der Nichtberücksichtigung

von Regelungen mit positiver steuerlicher Auswirkung ein Nachteil. Steuerliche

Vergünstigungen, die an die unbeschränkte Steuerpflicht oder an das Bestehen eines

inländischen Betriebes oder einer inländischen Betriebsstätte anknüpfen, bleiben,

ebenso wie die Vorschriften des § 8b Absätze 1 und 2 KStG, unberücksichtigt bei der

Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages (§ 10 Abs. 3 Satz 4 AStG). Ein Steuer-

pflichtiger kann deshalb nicht in den Genuss von Vergünstigungen kommen, die er

bei einem reinen Inlandssachverhalt beanspruchen könnte. Auch hieraus kann ein

steuerlicher Nachteil gegenüber einem Inlandsfall resultieren. Die Hinzurechnungsbe-

steuerung verschärft des Weiteren die Abzugsmöglichkeit für Betriebsausgaben gegen-

über § 4 Abs. 4 EStG: Bei Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages dürfen nur solche

Betriebsausgaben abgezogen werden, die mit diesen Einkünften in wirtschaftlichem

Zusammenhang stehen (§ 10 Abs. 4 AStG). Damit wird das im Einkommensteuer-

recht anerkannte und weitergehende Veranlassungsprinzip außer Kraft gesetzt, nach

dem nur solche Aufwendungen als Betriebsausgaben abziehbar sind, die betrieblich

veranlasst waren.400 Demnach ist festzustellen, dass durch die Vorschriften über die

Hinzurechnungsbesteuerung in §§ 7–14 AStG eine Schlechterstellung des Sachverhal-

tes mit Auslandsbezug gegenüber dem Inlandssachverhalt besteht. In den Fällen der

Hinzurechnungsbesteuerung lässt sich eine Benachteiligung von Sachverhalten mit

Gemeinschaftsbezug nachweisen. So resultiert aus den Vorschriften in §§ 7–14 AStG

eine Diskriminierung.

400 Vgl. Georg Crezelius, in: Kirchhof, EStG, § 4 Rdnr. 144.

Kapitalverkehrsfreiheit

96

B. Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG-Vertrag)

I. Anwendungsbereich

Es ist nun zu prüfen, ob die Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung gegen die

Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen. Da sich hier eine Überschneidung mit dem An-

wendungsbereich der Niederlassungsfreiheit ergeben könnte, bietet es sich an, zu-

nächst der Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit zu prüfen und anschlie-

ßend die in Betracht kommenden Rechtfertigungsansätze zu beurteilen. In den von

den §§ 7–14 AStG geregelten Fällen müsste der Anwendungsbereich des Art. 58

Abs. 1 EG-Vertrag eröffnet sein. Dabei geht es um diejenigen Konstellationen, in

denen die Gesellschafterstellung keinen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft

vermittelt.401 Art. 56 Abs. 1 EG-Vertrag bestimmt, dass alle Beschränkungen des

Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedsstaaten sowie zwischen den Mitgliedsstaaten

und dritten Ländern im Rahmen der Bestimmungen der §§ 56 ff. EG-Vertrag verbo-

ten sind.402 Der Begriff „Kapitalverkehr“ umfasst alle auf Geld- oder Sachkapital bezo-

genen Transaktionen, die nicht direkt durch den Waren- und Dienstleistungsverkehr

bedingt sind, mithin Transaktionen, die zu Forderungen oder Verpflichtungen füh-

ren.403 Erfasst sind mithin alle Vorgänge, die neben die übrigen wirtschaftlichen

Grundfreiheiten treten müssen, um deren wirtschaftlichen Gehalt auszudrücken.404

Unter Zahlungsverkehr (Art. 56 Abs. 2 EG-Vertrag) versteht man den tatsächlichen

oder rechtlichen Zu- oder Abfluss von Zahlungsmitteln über mitgliedsstaatliche Gren-

zen in Form einer Gegenleistung.405 Geschützt sind somit die Freiheit des grenzüber-

schreitenden Transfers von Geldkapital in Form von Krediten oder Wertpapier-

übertragungen wie auch von Sachkapital in Form von Unternehmensanteilen und 401 Unter welchen Voraussetzungen die Schwelle einer passiven, vornehmlich der Kapitalverkehrs-

freiheit unterliegenden Unternehmensbeteiligung auch durch die Niederlassungsfreiheit geschützt wird, kann nach dem allgemeinen internationalen Schachtelprivileg bei einer Beteiligung von 25 % am Kapital einer Gesellschaft beurteilt werden. Vgl. hierzu Matthias Geurts, Das Konkurrenzverhält-nis der EU, IStR 2000, 572 (574). 402 Der Schutzbereich wird beschränkt durch Art. 57 und 58 EG-Vertrag. Beschränkungen die im

Verhältnis zu Drittstaaten schon vor dem 31. 12. 1993 bereits bestanden, werden nicht verhindert (Art. 57 EG-Vertrag). So genannte „Stand-Still-Klausel“, vgl. Laule, Auswirkungen der EuGH-Rechtsprechung auf deutsche Steuervorschriften, IFSt-Schrift Nr. 407, 14. 403 Geiger, EUV/EGV, Art. 56 EGV Rdnr. 3. 404 Geiger, EUV/EGV, Art. 56 EGV Rdnr. 3. 405 Geiger, EUV/EGV, Art. 56 EGV Rdnr. 5.

121

rkehrsfreiheit

Gemeinschaftsrecht

97

Immobilien.406 Daher können alle Arten von Geldmitteln dem Begriff des Zahlungs-

verkehrs untergeordnet werden. Dies gilt auch für alle Zahlungsweisen, so dass die

Zahlung von Dividenden von dem Begriff des Zahlungsverkehrs erfasst wird.407 Die

Kapitalverkehrsfreiheit schützt die Transaktion von Kapital, wenn Zuflüsse in Form

einer Dividende erfolgen.408 Damit ist der Anwendungsbereich der Kapitalverkehrs-

freiheit gegeben, wenn eine unbeschränkt steuerpflichtige Person sich an einer Ge-

sellschaft beteiligt, ohne Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft nehmen zu

können.409 Mithin kommt in Fällen, in denen eine Beteiligung an einer Zwi-

schengesellschaft besteht, die keinen beherrschenden Einfluss auf eine ausländische

Zwischengesellschaft vermittelt, die Anwendung des Art. 56 EG-Vertrag in Betracht.

Entscheidendes Merkmal, welches den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit

eröffnet, ist das Erlangen einer solchen Beteiligung, aus der sich durch die Hinzurech-

nungsbesteuerung eine Einwirkung auf die wirtschaftliche Betätigung über einer

Auslandsgesellschaft ergibt. Die Hinzurechnungsbesteuerung greift auf den nicht

vorhandenen Dividendenbezug aus der Auslandsbeteiligung zu und erfasst diesen –

grundsätzlich410 – als „Quasi-Dividende“ bei den Einkünften aus Kapitalvermögen

(§ 10 Abs. 2 Satz 1 AStG). Im Hinblick auf die untersuchten Fälle ist der Schutzbe-

reich des Art. 56 EG-Vertrag deshalb eröffnet. Es findet ein Kapitalfluss zwischen

Gesellschaft und Gesellschafter im Moment der Begründung der Beteiligung statt.

Dieser Kapitalfluss wird jedenfalls dann unter den Anwendungsbereich Kapital-

verkehrsfreiheit zu subsumieren sein, wenn sich der Vorgang in erster Linie nicht als

Ausübung der Dienstleistungs- oder Warenverkehrsfreiheit darstellt. Davon ist auszu-

gehen, wenn der Kapitalfluss der Entfaltung der Geschäftstätigkeit einer Gesellschaft

dient. Der Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit ist mithin in den Fällen der

Hinzurechnungsbesteuerung eröffnet, wobei einschränkend gilt, dass der Vorgang

nicht als Gründung oder Leitung von Unternehmen gem. Art. 43 Abs. 2 EG-Vertrag

qualifiziert sein darf.

406 Thomas Oppermann, Europarecht, 3. Auflage, München 2005, Rdnr. 1371. 407 Mössner/Kellersmann, Freiheit des Kapitalverkehrs in der EU und das deutsche Körperschaft-

steueranrechnungsverfahren, DStZ 1999, 505 (506). 408 EuGH vom 6. 6. 2000 – Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071; IStR 2000, 432; FR

2000, 720, Rdnr. 35. 409 EuGH vom 13. 4. 2000 – Rs. C-251/98 (Baars), Slg. 2000, I-2787, Rdnr. 23. 410 Die Einordnung als Einkünfte aus Kapitalvermögen ist nur relevant, wenn die Anteile nicht zu

einem Betriebsvermögen gehören; vgl. § 10 Abs. 2 Satz 2 AStG.

Kapitalverkehrsfreiheit

98

II. Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit

Eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit liegt in jeder unmittelbaren oder mit-

telbaren, aktuellen oder potenziellen Behinderung, Begrenzung oder Untersagung des

Zuflusses, Abflusses oder Durchflusses von Kapital, denen grenzüberschreitende Kapi-

talbewegungen unterliegen können.411 Von Bedeutung ist dabei, dass die Maßnahmen

dann zu einer Beschränkung führen, wenn formell oder materiell eine abweichende

Regelung Anwendung findet, falls der Kapital- oder Zahlungsverkehr grenzüber-

schreitende Komponenten aufweist.412 Dabei könnte in den Fällen der Hinzurech-

nungsbesteuerung eine Diskriminierung gegeben sein. Denn bestimmte Einkünfte von

Kapitalgesellschaften, die als Dividende von dem Gesellschafter bezogen werden

könnten, werden nach ihrer Herkunft unterschiedlich behandelt.413 Die Hinzurech-

nungsbesteuerung weist gemeinsame Merkmale mit der Besteuerung einer Dividen-

denausschüttung auf414 und benachteiligt Einkünfte, weil diese aus einem aus-

ländischen Staat stammen. Da die Besteuerung vom Kriterium des Herkunftsstaates

abhängt, liegt eine Diskriminierung vor.

Gemäß Art. 58 Abs. 1 Buchst. a EG-Vertrag berührt die Kapitalverkehrsfreiheit

nicht das Recht der Mitgliedsstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts

anzuwenden, auf Grund derer Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder

Kapitalanlageort unterschiedlich behandelt werden. Art. 58 Abs. 1 Buchst. a EGV

erlaubt den Mitgliedsstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzu-

wenden. Es fragt sich, ob diese Vorschrift die Hinzurechnungsbesteuerung zulässt.

Diese Ausnahmeregelung zu Art. 56 EG-Vertrag ist im Lichte der Grundfreiheit

auszulegen.415 Dabei gilt, dass die Ausnahmeregelung eng auszulegen ist und den

411 So in Anlehnung an die „Dassonville Formel“ Geiger, EUV/EGV, Art. 56 EGV, Rdnr. 8; Mössner/Kellersmann, Freiheit des Kapitalverkehrs in der EU und das deutsche Körperschaftsteuer-anrechnungsverfahren, DStZ 1999, 505 (506) m. w. N; Wolfgang Kiemel, in: von der Gro-eben/Schwarze, Art. 56, Rdnr. 7. Die Verpflichtung der EU-Mitgliedsstaaten zur Beseitigung von Beschränkungen des Kapitalverkehrs ist in einem weitest denkbaren Sinn zu verstehen. 412 So zutreffend Kiemel, in: von der Groeben/Schwarze, Art. 56, Rdnr. 7. 413 Der Bezug zu Drittländern, der den Schutzbereich des Art. 56 EG-Vertrag auf den Kapitalver-

kehr zwischen EG-Mitgliedsstaaten und nicht EG-Mitgliedsstaaten ausdehnt, verdeutlicht, dass es sich bei Art. 56 EG-Vertrag nicht um ein bloßes Diskriminierungsverbot handelt. Vgl. auch Geiger, EUV/EGV, Art. 56 EGV, Rdnr. 6. 414 Vgl. hierzu § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG, dazu auch Mössner, Selbständigkeit juristischer Personen

und Kapitalgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, RIW 1986, 209 (211). 415 Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott vom 18. 3. 2004 in der Rechtssache C-

319/02 (Petri Mikael Manninen), IStR 2004, 313, Rdnr. 37.

122

123

Gemeinschaftsrecht

99

Zusammenhang zu Art. 58 Abs. 3 EGV berücksichtigen muss.416 Art. 58 Abs. 3 EG-

Vertrag schreibt vor, dass die Maßnahmen nach Art. 58 Abs. 1 EG-Vertrag keine will-

kürliche Diskriminierung oder verschleierte Beschränkung der Freiheit des Kapitalver-

kehrs bewirken dürfen. Art. 58 Abs. 1 EG-Vertrag ist nicht nur anzuwenden, wenn

eine nationale Besteuerungsregelung an objektiv unterschiedliche Besteuer-

ungsmerkmale oder an sachliche Unterschiede anknüpft, sondern auch, wenn ein für

diese Regelung rechtfertigender Grund gegeben ist.417 Die Vorschrift des Art. 58

Abs. 1 EG-Vertrag fungiert deswegen hinsichtlich des Besteuerungsvorbehaltes als

Klarstellung.418 Der Steuergesetzgeber kann insbesondere nur dann Diskriminierungen

oder Beschränkungen im Bereich des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs vorse-

hen, wenn er sich auf einen legitimen Grund des Allgemeininteresses berufen kann

und die Regelung in geeigneter und erforderlicher Weise auf dieses Allgemeininteres-

se reagiert. Damit ergibt sich aus Art. 58 Abs. 1 Buchst. a EG-Vertrag selbst keine

Legitimation der Hinzurechnungsbesteuerung.419

416 Vgl. EuGH vom 6. 6. 2000 – Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071; IStR 2000, 432; FR

2000, 720, Rdnrn. 43 ff. Der Europäische Gerichtshof geht davon aus, dass Art. 58 Abs. 1 Buchst. a und b EG-Vertrag die Rechtsprechung des Gerichts zu den ungeschriebenen Allgemeininteressen beinhalte. 417 EuGH vom 6. 6. 2000 – Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071; IStR 2000, 432; FR

2000, 720. Dazu die Anmerkungen Hahn, IStR, a.a.O., der sich in Rdnrn. 43–45 mit der sog. Steuerklausel in Art. 73d [jetzt Art. 58] EG-Vertrag auseinandersetzt, obwohl dieses Verfahren noch unter die sog. Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG fiel und deshalb die Steuerklausel noch nicht anwendbar war. Der EuGH hat dort zu Art. 73d EG-Vertrag festgestellt, dass die den Mitgliedsstaa-ten durch diese Vorschrift eingeräumte Möglichkeit der steuerlichen Unterscheidung nach dem Wohnort der Steuerpflichtigen oder dem Kapitalanlageort von ihm bereits zuvor zugelassen worden war. Bereits vor Inkrafttreten der Vorschrift ließ es der EuGH zu, dass nationale Vorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind, sofern sie auf Situationen angewendet wurden, die nicht objektiv vergleichbar oder durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt waren. Der EuGH selbst bezeichnete das Verbot willkürlicher Diskriminierung und verschleierter Beschrän-kung in Art. 73d Abs. 3 (jetzt Art. 58 Abs. 3) EG-Vertrag als Klarstellung. 418 Damit eröffnet die Vorschrift des Art. 58 EG-Vertrag keine zusätzlichen Möglichkeiten der

Rechtfertigung gegenüber der alten Rechtslage, sondern ist ebenfalls als Klarstellung oder als Kodifi-zierung der EuGH-Rechtsprechung zu interpretieren. Die Ausführungen in Rdnr. 72 des Urteils in der Rechtssache X und Y, die auf das Urteil EuGH vom 6. 6. 2000 – Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071; IStR 2000, 432, FR 2000, 720 Bezug nehmen und die vorgebrachten Rechtferti-gungsargumente auch bei der Kapitalverkehrsfreiheit zurückweisen, belegen zudem, dass die sog. Steuerklausel in Art. 58 EG-Vertrag gegenüber den Rechtfertigungsmöglichkeiten bei der Niederlas-sungsfreiheit keine weitergehenden Rechtfertigungsmöglichkeiten bei der Kapitalverkehrsfreiheit gibt. 419 Vgl. dazu Schön, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht,

DB 2001, 940 (942 f.)

Dienstleistungsfreiheit

100

C. Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG-Vertrag)

Schließlich könnte auch eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit vorliegen.

Gemäß Art. 49 Abs. 1 EG-Vertrag sind Beschränkungen des freien Dienstleistungs-

verkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die einem

anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind,

grundsätzlich verboten. Die Dienstleistungsfreiheit ergänzt die Freiheit wirtschaftlicher

Betätigung in Bezug auf die Tätigkeiten, die ohne Niederlassung in einem anderen

Mitgliedsstaat erbracht werden. In persönlicher Hinsicht gilt der Anwendungsbereich

der Dienstleistungsfreiheit für Angehörige, die in einem Mitgliedsstaat ansässig sind.

Eine ausländische Kapitalgesellschaft im Sinne von § 7 Abs. 1 AStG ist als juristische

Personen gemäß Art. 49 i. V. m. Art. 48 EG-Vertrag den natürlichen Personen

gleichgestellt. Damit ist auch für Gesellschaften, die den Tatbestand der Hinzurech-

nungsbesteuerung erfüllen, der persönliche Anwendungsbereich der Dienstleistungs-

freiheit eröffnet. Die Prüfung des sachlichen Anwendungsbereichs muss für Dienstleis-

tungen im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchstaben a und b AStG gegeben sein. Dienst-

leistungen im Sinne des EG-Vertrages sind Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt

erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapi-

talverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen (Art. 50 Abs. 1 EG-

Vertrag), mithin handelt es sich dabei um selbständige Erwerbstätigkeiten mit grenz-

überschreitendem Charakter.420 Dazu zählen gemäß Art. 50 Abs. 2 EG-Vertrag ge-

werbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten. Nun ergibt

sich aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG keine Einschränkung auf bestimmte

Dienstleistungen, so dass grundsätzlich der sachliche Anwendungsbereich der Dienst-

leistungsfreiheit gegeben ist, wenn das Außensteuergesetz für Dienstleistungen die

Hinzurechnungsbesteuerung vorsieht, weil „kein eingerichteter Gewerbebetrieb

vorhanden“ bzw. eine „Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr“ nicht

gegeben ist (§ 8 Abs. 1 Nrn. 4 –6 AStG). Der Anwendungsbereich der Dienstleis-

tungsfreiheit ist damit sowohl in persönlicher als auch in sachlicher Hinsicht eröffnet.

Eine Beeinträchtigung des Art. 49 Abs. 1 EG-Vertrag kann in einer Dis-

kriminierung oder in einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit bestehen. Die

Hinzurechnungsbesteuerung ist geeignet, die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit

weniger attraktiv zu machen und knüpft an das Merkmal der ausländischen Gesell-

schaft an. Somit ist auch hier eine Diskriminierung gegeben. Allerdings könnte die

Anwendbarkeit der Dienstleistungsfreiheit daran scheitern, dass sie hinter die Nieder- 420 Vgl. auch Geiger, EUV/EGV, Art. 50 EGV, Rdnr. 1.

124

Dienstleistungsfreiheit

125

Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung

101

lassungsfreiheit bzw. die Kapitalverkehrsfreiheit zurücktreten muss. Das Konkurrenz-

verhältnis ergibt sich aus Art. 50 EG-Vertrag. Danach gilt bei Vorrang einer anderen

Grundfreiheit, dass die Anwendung der Dienstleistungsfreiheit ausgeschlossen ist. Es

handelt sich also bei Art. 50 EG-Vertrag um einen „Auffangtatbestand“421. Die

Dienstleistungsfreiheit schützt jedoch Tätigkeiten, die von dem Leistenden vorüberge-

hend in dem Staat ausgeübt werden (Art. 50 Satz 3 EG-Vertrag).422 Fragt man nun, in

welchen Fällen der vorübergehend ausgeübten Tätigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1

Nr. 5 AStG der Schutz der Dienstleistungsfreiheit eingreift, kann eine Abgrenzung

nach Natur, Zweck und Umfang der Dienstleistung und dem Tätigkeitsschwerpunkt

vorgenommen werden.423 Im Hinblick auf den Wortlaut des Art. 50 Satz 3 EG-

Vertrag wird jedoch der Zeitfaktor das bestimmende Kriterium für die Abgrenzung

zwischen den beiden Grundfreiheiten sein.424 Damit wird es auf die Dauer, Häufigkeit

und Kontinuität der von der ausländischen Gesellschaft erbrachten Leistungen an-

kommen. Somit lässt sich feststellen, dass in Fällen, in denen keine dauerhafte Erbrin-

gung von Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedsstaat der europäischen Gemein-

schaft gegeben ist, sich sowohl der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit als auch

der Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit eröffnet. Ist hingegen der Anwendungs-

bereich der Kapitalverkehrsfreiheit betroffen, kommt eine Anwendung der Dienst-

leistungsfreiheit nicht in Betracht (Art. 50 Satz 1 EG-Vertrag).

D. Rechtfertigung der Beschränkung der Grundfreiheiten

Anschließend ist zu prüfen, ob die festgestellten Beschränkungen der Niederlassungs-

freiheit, der Kapitalverkehrsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit gerechtfertigt sind.

Die Hinzurechnungsbesteuerung muss als beschränkende Regelung zwingenden

Gründen des Allgemeininteresses dienen und weiterhin geeignet sein, die Verwirkli-

chung des mit dem Eingriff verfolgten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das

hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.425

421 Vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 50 EGV, Rdnr. 1 422 Vgl. zur Abgrenzung Oppermann, Europarecht, 3. Auflage, München 2005, § 24, Rdnr. 1580. 423 Vgl. Oppermann, Europarecht, § 24, Rdnr. 1592. 424 Vgl. Winfried Kluth, in: Calliess/Ruffert, Art. 50, Rdnr. 13. 425 Vgl. EuGH vom 30. 11. 1995 – Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Rdnr. 37.

Kohärenz und Welteinkommensprinzip

Ge-meischaftsrechliche Recherti-gung

126

Kohärenz und Welteinkommensprinzip

102

I. Kohärenz und Welteinkommensprinzip

Seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Bachmann426 ist die

„Notwendigkeit, die Kohärenz eines Steuersystems zu wahren“ als Rechtfertigungs-

grund anerkannt. Die festgestellten Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten des EG-

Vertrages durch die Hinzurechnungsbesteuerung könnten nach den Grundsätzen der

Kohärenz gerechtfertigt sein.

Ursprüngliche Auffassung des EuGH. Gemessen an den vom Europäischen

Gerichtshof entwickelten Grundsätzen verstößt eine Regelung nicht gegen Gemein-

schaftsrecht, die darauf abzielt, eine „kohärente“ Besteuerung sicherzustellen.427 Der

Rechtfertigungsgrund der Kohärenz wurde dementsprechend in seinen Voraussetzun-

gen dadurch bestimmt, dass sich eine belastende Regelung und steuerliche Vergünsti-

gung428 unmittelbar429 im Sinne einer „strengen Wechselbeziehung“ gegenüber-

stehen.430 Die tragenden Konzeptionsmechanismen des Rechtssystems müssen eine

Egalisierung einzelner nachteiliger und vorteilhafter Wirkungen vorzeichnen, um

letztlich eine neutrale Rechtsposition des betroffenen Steuerbürgers zu erzeugen.431

Eine Voraussetzung für die Kohärenz einer Regelung besteht mithin darin, dass ein

(zwingender) unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Steuervorteil einerseits

und der Besteuerung andererseits besteht. In den Entscheidungen in den Rechtssachen

Verkooijen432 und Bosal433 hat der Europäische Gerichtshof weiter verlangt, dass ein

426 EuGH vom 28. 1. 1992 – Rs. C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249. In der Rechtssache Bachmann sah der Europäische Gerichtshof zwischen der Abzugsfähigkeit von Versicherungsbeiträgen und der Besteuerung der Beträge, die von den Versicherern nach den Alters- und Todesfallversiche-rungsverträgen geschuldet wurden, einen unmittelbaren Zusammenhang, der notwendig war, um die Kohärenz der fraglichen Steuerregelung zu wahren. 427 EuGH vom 28. Januar 1992 – Rs.C-204/90 (Bachmann), Slg 1992, I-249; EuGH vom

28. 1. 1992 – Rs.C-300/90 (Kommission/Belgien), Slg. 1992, I-305; EuGH vom 14. 11. 1995 – Rs.C-484/93 (Svensson und Gustavsson), IStR 1996, 46. 428 Vgl. EuGH vom 19. 8. 2004 – Rs. C-168/01 (Manninen), Slg.I-2004, 5039, Rdnr. 42. 429 Vgl. EuGH vom 28. 1. 1992 – Rs. C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249. 430 EuGH vom 11. 8. 1995 – Rs. C-80/93 (Wielcockx), Slg. 1995, I-2493, Rdnr. 24 f.; EuGH vom

26. 10. 1999 – Rs. C-294/97 (Eurowings), Slg. 1999, I-7447, Rdnr. 41 f., EuGH vom 6. 6. 2000 – Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071; IStR 2000, 432; FR 2000, 720, Rdnr. 56; EuGH 13. 4. 2000 – Rs. C-251/98 (Baars), Slg. 2000, I-2787, Rdnr. 40; EuGH vom 12. 12. 2002 – Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-1177, DStR 2003, 25, IStR 2003, 55, Rdnr. 42. 431 Vgl. ausführlich zu den Voraussetzungen Elicker, Die „steuerrechtliche Kohärenz“ in der

Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, IStR 2005, 89. 432 EuGH vom 6. 6. 2000, Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071, Rdnr. 57 f., DStRE 2000,

742 433 EuGH vom 18. 9. 2003, Rs. C-251/98 (Bosal) Slg. 2003, I-9430, Rdnr. 29.

127

128

Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung

103

Ausgleich zwischen Vor- und Nachteil nicht nur bei demselben Steuerpflichtigen,

sondern auch im Rahmen derselben Steuerart erfolgen müsse.

Voraussetzungen der Kohärenzbeziehung. Die Rechtfertigung unter dem

Gesichtspunkt der Kohärenz des Steuersystems verlangt also einen unmittelbaren

Zusammenhang zwischen der Gewährung eines Steuervorteils und dem Ausgleich

dieses Vorteils durch eine steuerliche Belastung.434 Der Europäische Gerichtshof war

insofern davon ausgegangen, dass Vor- und Nachteil bei ein und demselben Steuer-

pflichtigen vorliegen. Bei einer Kapitalgesellschaft und deren Gesellschafter handelt es

sich aber sowohl aus Sicht der deutschen Rechtsordnung435 als auch nach Ansicht des

Europäischen Gerichtshofs436 um verschiedene Steuerpflichtige. Für das Verhältnis zwi-

schen zwei unterschiedlichen Rechtssubjekten – wie Anteilseigner und Kapital-

gesellschaft – war der Kohärenzgedanke daher bedeutungslos.437 Eine Rechtfertigung

der Hinzurechnungsbesteuerung unter dem Gesichtspunkt der Kohärenz wäre daher

nicht in Betracht gekommen.

Die Rechtssache Manninen. Die Generalanwältin am Europäischen Gerichts-

hof Kokott vertrat in den Schlussanträgen in der Rechtssache Manninen die Auffassung,

dass das Verständnis des Anwendungsbereichs der Kohärenz zu erweitern sei, soweit

die Betroffenheit desselben Steuersubjekts vorausgesetzt werde.438 Der Kohärenzge-

danke sei dahin zu deuten, dass ein Vorteilsausgleich bei verschiedenen Steuer-

subjekten und innerhalb unterschiedlicher Steuerarten erfolgen könne, wenn Vor-

und Nachteil über den wirtschaftlich selben Vorgang zusammenhängen und wenn

durch die rechtliche Ausgestaltung des Systems gewährleistet sei, dass der Vorteil dem

434 Mit dem Argument Kohärenz gelang eine Verteidigung steuerlicher Belastungen in EuGH vom

28. 1. 1992, Rs. C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249, Rdnr. 21 ff. und EuGH vom 28. 1. 1992, Rs. C-300/90 (Kommission/Belgien), Slg. 1992, I-305, Rdnr. 14 ff. 435 Vgl. dazu insbesondere BFH vom 9. 2. 1982 – VIII B 132/81, BStBl. II 1982, 401, BFHE 135,

303; dazu auch R. Wendt, in: Festschrift Friauf, 865 (870). 436 EuGH vom 6. 6. 2000 – Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071; IStR 2000, 432; FR

2000, 720, Rdnr. 58; Dautzenberg, Anmerkung zu EuGH vom 6. 6. 2000 – Rs. C-35/98 (Verkooi-jen), Slg. 2000, I-4071, FR 2000, 728. 437 Vgl. dazu für den Fall von Mutter- und Tochtergesellschaft EuGH vom 18. 9. 2003, Rs. C-

168/01 (Bosal), Rdnr. 32. 438 Vgl. die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 18. 3. 2004, Rs. C-319/02 (Manninen),

IStR 2004, 313, Rdnr. 61.

129

130

Kohärenz und Welteinkommensprinzip

104

Steuerpflichtigen nur dann zugute komme, wenn der Nachteil bei dem anderen Steu-

erpflichtigen auch tatsächlich und in demselben Umfang eintritt.439

Der Europäische Gerichtshof ist in der Entscheidung zur Rechtssache Manninen440

der Auffassung der Generalanwältin Kokott im Grundsatz gefolgt. Der Europäische

Gerichtshof prüfte die Regelung des finnischen Steuerrechts auf ihre Vereinbarkeit

mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrages. Diese Regelungen sahen die Anrechnung

von Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuerschuld einer natürlichen Person vor,

um die Doppelbesteuerung der an die Aktionäre ausgeschütteten Gewinne der Gesell-

schaften zu verhindern. So wurden den in Finnland ansässigen Anteilseignern von

ebenfalls in Finnland ansässigen Kapitalgesellschaften Steuergutschriften für die geflos-

senen Ausschüttungen gewährt, die nach dem (für finnische Kapitalgesellschaften

geltenden) Körperschaftsteuersatz berechnet wurden. Lag die tatsächlich in Finnland

entrichtete Körperschaftsteuer unter dem Betrag der Steuergutschrift, wurde eine

Ergänzungssteuer in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen tatsächlicher und gemäß

dem Körperschaftsteuersatz vorgesehener Steuerbelastung auf Ebene der Kapitalgesell-

schaft erhoben. Das finnische Steuerrecht verweigerte dem Anteilseigner die Steuer-

gutschrift, wenn die ausschüttende Kapitalgesellschaft nicht in Finnland ansässig war.

Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs bestehe zwischen der Steuer-

gutschrift auf der Ebene des Anteilseigners und der „Ergänzungssteuer“ auf der Ebene

der Kapitalgesellschaft ein Zusammenhang im Sinne einer Kohärenzbeziehung, da die

Steuergutschrift nach Maßgabe der Körperschaftsteuer berechnet werde.441

Das Argument der Kohärenz rechtfertigte in der Rechtssache Manninen dennoch

nicht die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, da nach Auffassung des Europäi-

schen Gerichtshofs die tatsächlich in Schweden entrichteten Körperschaftsteuer auf die

Steuerschuld des finnischen Anteilseigners hätte angerechnet werden können, ohne

dass dadurch die Kohärenz des finnischen Steuersystems gefährdet sei. Das Ziel der

Vermeidung einer Doppelbelastung könne auch mit einer Maßnahme erreicht wer-

den, die weniger beschränkend wirke. So könne die Steuergutschrift auf Ebene des 439 Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 18. 3. 2004 in der Rs. C-319/02 (Manninen),

IStR 2004, 313, Rdnr. 61; diese Sichtweise bestätigt auch Generalanwalt Léger in seinen Schlussan-trägen vom 14. 4. 2005, Rs. C-253/03 (CLT-UFA), IStR 2005, 379, Rdnr. 93, allerdings im Urteil nicht ausdrücklich bestätigt. Dort führt der EuGH aus, dass zwischen einer Betriebsstätte und einer Tochtergesellschaft einer ausländischen Gesellschaft kein Unterschied bestehe durch den eine höhere Besteuerung der Gewinne der Betriebsstätte gerechtfertigt sei, vgl. EuGH vom 23. 2. 2006, Rs. C-253/03 (CLT-UFA), BeckRS 2006 Nr. 70158., Rdnrn. 23 ff. und geht auf den Rechtfertigungs-grund der Kohärenz nicht ausdrücklich ein. 440 EuGH vom 19. 8. 2004 – Rs. C-168/01 (Manninen), Slg.I-2004, 5039.

131

132

133

Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung

105

finnischen Anteilseigners nach der im ausländischen Staat geschuldeten Körperschaft-

steuer bestimmt werden:442

„Denn im Hinblick auf das mit der finnischen Steuerregelung verfolgte Ziel bleibt die

Kohärenz des Steuersystems gewährleistet, soweit der Zusammenhang zwischen der dem

Aktionär gewährten Steuervergünstigung und der geschuldeten Körperschaftsteuer auf-

rechterhalten wird. Daher würde […] die Gewährung einer Steuergutschrift an einen in

Finnland unbeschränkt steuerpflichtigen Aktionär, der Aktien einer Gesellschaft mit Sitz in

Schweden hält, wobei diese Steuergutschrift nach Maßgabe der von dieser Gesellschaft im

letztgenannten Mitgliedstaat geschuldeten Körperschaftsteuer berechnet wird, die Kohä-

renz des finnischen Steuersystems nicht in Frage stellen und würde den freien Kapitalver-

kehr weniger beschränken als die in der finnischen Steuerregelung vorgesehene Maßnah-

me.“443

Nach diesen Begründungserwägungen ist eine Kohärenzbeziehung nicht gegeben,

wenn das Ziel, welches mit der nachteiligen Regelung verfolgt wird, sich auch durch

eine Regelung erreichen lässt, die eine vergleichsweise weniger beschränkende Wir-

kung aufweist.444 Deshalb kann die Berücksichtigung der tatsächlichen Vorbelastung bei

der Besteuerung des inländischen Anteilseigners eine weniger belastende Regelung

darstellen; dies würde auch in dem Fall gelten, dass die tatsächliche Vorbelastung

vergleichsweise gering ist.445

Erweiterung der Kohärenzkriterien. Im Schrifttum wurde im Anschluss an die

Entscheidung Manninen die Auffassung vertreten, dass der Europäische Gerichtshof

eine staatenübergreifende Saldierung von Belastungswirkungen anerkenne und die

wirtschaftliche Gesamtbelastung unter Berücksichtigung der Belastung im Ausland zu

bestimmen sei.446 Wirtschaftlich betrachtet sei die Körperschaftsteuer wie eine Voraus-

zahlung auf die Einkommensteuer anzusehen.447 Aus Kohärenzgesichtspunkten sei

eine staatenübergreifende Gesamtbelastung geboten, die sich am Steuerniveau des

Ansässigkeitsstaates des Dividendenbeziehers auszurichten habe.448 Danach könnte

441 EuGH vom 19. 8. 2004 – Rs. C-168/01 (Manninen), Slg.I-2004, 5039, Rdnr. 45. 442 EuGH vom 19. 8. 2004 – Rs. C-168/01 (Manninen), Slg.I-2004, 5039, Rdnr. 46. 443 EuGH vom 19. 8. 2004 – Rs. C-168/01 (Manninen), Slg.I-2004, 5039, Rdnr. 46. 444 EuGH vom 19. 8. 2004 – Rs. C-168/01 (Manninen), Slg.I-2004, 5039, Rdnr. 48. 445 EuGH vom 19. 8. 2004 – Rs. C-168/01 (Manninen), Slg.I-2004, 5039, Rdnr. 46. 446 Siehe dazu den Nachweis bei Lieber/Rasch, Mögliche Konsequenzen der Rechtssache „Cadbury

Schweppes“ für die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, GmbHR 2004, 1572 (1575) m. w. N. 447 Vgl. dazu Lieber/Rasch, Mögliche Konsequenzen der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ für die

deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, GmbHR 2004, 1572 (1575). 448 Vgl. die Urteilsanmerkungen zur Rechtssache Maninnen von Joachim Englisch, IStR 2004, 684

(685).

134

135

Kohärenz und Welteinkommensprinzip

106

auch die Hinzurechnungsbesteuerung unter Kohärenzgesichtspunkten gerechtfertigt

werden, da sie eine staatenübergreifende Gesamtbelastung von Unternehmensgewin-

nen bewirken soll.

Stellungnahme. Der Kohärenzgedanke lässt sich darauf zurückführen, dass eine

Doppelbesteuerung vermieden werden soll bzw. dass sichergestellt wird, dass ein

Sachverhalt überhaupt (einmal) besteuert wird.449 Dies folgt zum einen auch aus dem

Grundsatz, dass die Mitgliedsstaaten ihre Rechtssätze als gleichwertig anzuerkennen

haben, zum anderen erkannte der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung in

der Rechtssache Manninen in der Belastung einer ausländischen Gesellschaft mit Kör-

perschaftsteuer gerade den Nachteil, dem eine Steuergutschrift auf Seiten des Anteils-

eigners als steuerliche Vergünstigung gesetzt werden sollte.450 Aus den Grundfreiheiten

des EG-Vertrages folgert der Europäische Gerichtshof das Recht, günstige rechtliche

Bedingungen in den Mitgliedsstaaten in Anspruch zu nehmen.451 Steuerminde-

reinnahmen, die einem Staat wegen der Ausnutzung des Steuergefälles entstehen,

werden deshalb von vorneherein kein zwingender Grund des Allgemeininteresses sein,

sondern stellen nur eine Verschiebung des Steuerzugriffs und einen „unvermeidbaren

Reflex“ auf die Ausübung erlaubter wirtschaftlicher Betätigung dar.452 Dies folgt aus

den Urteilen in der Rechtssache ICI und Saint Gobain:453 „Die Vermeidung von Minder-

einnahmen […] findet sich nicht unter den in Art. 56 EG-Vertrag [nach Änderung jetzt

Art. 46 EG] aufgeführten Gründen und kann nicht als zwingender Grund des Allge-

meininteresses angesehen werden, der eine mit Art. 52 EG-Vertrag [jetzt Art. 43 EG] grund-

sätzlich unvereinbare Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte.“ Der Europäische Gerichts-

hof verlangt daher, dass alle Mitgliedsstaaten ihre Rechtssätze als gleichwertig anzuer-

kennen haben, so dass die Beeinträchtigung einer Grundfreiheit nicht mit der Be-

steuerung eines Sachverhaltes durch einen Mitgliedsstaat gerechtfertigt werden

449 Generalanwältin Kokott zum finnischen Körperschaftsteueranrechnungssystem, EuGH, Schluss-

anträge vom 18. 3. 2004 - C-319/02 (Manninen), IStR 2004, 313, Rdnr. 51. 450 EuGH vom 19. 8. 2004 – Rs. C-168/01 (Manninen), Slg.I-2004, 5039, Rdnr. 46. 451 EuGH vom 9. 12. 1999 – Rs. C-212/97 (Centros) – Slg. 1999, I-1459. 452 EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236,

Rdnr. 60. 453 EuGH vom 16. 7. 1998 – Rs. C-264/96 (ICI), Slg. 1998, 4695, Rdnr. 28; EuGH vom

21. 9. 1999 – Rs. C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I-6161, Rdnr. 51.

136

Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung

107

kann.454 Ausländische Minderbelastungen dürfen im Inland unter Kohärenz-

gesichtspunkten daher keine Berücksichtigung finden.455

Eine steuerliche Vergünstigung kann deshalb als steuermindernde Vorschrift ver-

standen werden456, z. B. indem Aufwendungen steuermindernd von der steuerlichen

Bemessungsgrundlage abgesetzt werden oder sonstige, die Steuerbelastung verringern-

de Vorschriften vorgesehen werden. Folglich ist auch die niedrige Vorbelastung (etwa

im Sinne einer „niedrigen Besteuerung“ des § 8 Abs. 3 AStG) der Gewinne aus-

ländischer Kapitalgesellschaften nicht als Vorteil in eine Kohärenzbetrachtung einzu-

beziehen.

Als Vorteil im Sinne eines Kohärenzverhältnisses kommen also nur steuerliche

Vergünstigungen in Betracht, für welche ihrerseits eine Beziehung zu einer belasten-

den Besteuerungsregelungen gegeben ist.457 Die Besteuerung eines Sachverhaltes in

einem Mitgliedsstaat stellt danach keinen Vorteil im Sinne einer Kohärenzbetrachtung

dar, selbst wenn diese gegenüber der Besteuerung im Inland vergleichsweise gering ist.

Liegen die Voraussetzungen der „niedrigen Besteuerung“ im Sinne von § 8 Abs. 3

AStG vor, stellt dies einen Nachteil im Sinne einer möglichen Kohärenzbeziehung

dar.458 Für den Fall der Hinzurechnungsbesteuerung lässt sich daher der (niedrigen)

Besteuerung eines Mitgliedsstaates, nicht die weitere, von §§ 7–14 AStG ausgehende

Belastung gegenüberstellen.

Nach den Vorschriften des deutschen Körperschaftsteuerrechts setzt die Besteuer-

ung des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft nach § 8b Abs. 1 KStG nicht voraus,

dass die ausgeschütteten Einkünfte tatsächlich und in „ausreichendem Maße“ der

Körperschaftsteuer unterliegen. Die rechtliche Ausgestaltung des deutschen Besteuer-

ungssystems gewährleisten insbesondere nicht, dass der nach § 8b Abs. 1 KStG ent-

stehende Vorteil der Steuerfreiheit dem Anteilseigner nur dann zugute kommt, wenn

454 EuGH vom 16. 7. 1998 – Rs. C-264/96 (ICI), Slg. 1998, 4695; IStR 1998, 467, Rdnr. 26;

EuGH vom 8. 3. 2001 – Rs. C-397/98 und C-410/98 (Metallgesellschaft ua und Höchst) – Slg. 2001, I-1727; RIW 2001, 467, Rdnr. 57. 455 Hierauf verweist Joachim Englisch in den Urteilsanmerkungen zur Entscheidung in der Rechtssa-

che „Maninnen“, IStR 2004, 684 (685). 456 Vgl. etwa § 175 Abs. 2 AO 1977. In dieser Vorschrift wird der Begriff der steuerlichen Ver-

günstigung verwendet. Dazu Koenig, in: Pahlke/Koenig, Kommentar zur Abgabenordnung, § 175 Rdnr. 67. 457 Vgl. Elicker, Die „steuerrechtliche Kohärenz“ in der Rechtsprechung des Europäischen Ge-

richtshofs, IStR 2005, 89; EuGH vom 19. 8. 2004 – Rs. C-168/01 (Manninen), Slg. I-2004, 5039, Rdnr. 41. 458 EuGH vom 19. 8. 2004 – Rs. C-168/01 (Manninen), Slg.I-2004, 5039, Rdnr. 48.

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138

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Kohärenz und Welteinkommensprinzip

108

der Nachteil bei der Körperschaft auch tatsächlich und in demselben Umfang ein-

tritt.459

Das neue Körperschaftsteuersystem kennt keinen Zusammenhang zwischen der

Steuerfreistellung und der tatsächlichen Vorbelastung mit Körperschaftsteuer.

Vielmehr wirkt in jedem Fall, in dem niedrig belastete (aktive) Einkünfte an einen

dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden Anteilseigner ausgeschüttet werden, die

tatsächliche Vorbelastung im Inland. Daneben lassen sich auch Fallgestaltungen nach-

weisen, in denen eine tatsächliche Vorbelastung auch bei Inlandssachverhalten nicht

vorhanden ist, etwa wenn Kapitalgesellschaften nach § 8b Abs. 2 KStG Beteiligungen

steuerfrei veräußern und diese Erträge ausschütten. Die Kohärenz des nationalen

Steuersystems könnte mit den Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung nur

gewährleistet sein, wenn niedrig besteuerte Einkünfte einer „ausreichenden Vor-

belastung“ unterliegen müssten. Unter Kohärenzgesichtspunkten wäre deshalb zu

fordern, dass der Steuerzugriff im Wege der §§ 7–14 AStG auch auf Inlandsbeteiligun-

gen erstreckt wird.460 Da dies nach derzeit geltendem Recht nicht der Fall ist, wird

eine Rechtfertigung unter Kohärenzgesichtspunkten nicht in Betracht kommen.

Fazit. In der Entscheidung Manninen hat der Europäische Gerichtshof zwar die

Perspektive für die Kohärenzbetrachtung erweitert, daraus folgt jedoch keine Recht-

fertigung der Hinzurechnungsbesteuerung. Es besteht keine strenge Wechselwirkung

zwischen den Vorschriften über die Steuerbefreiung von Dividendenbezügen und der

Besteuerung auf der Ebene der Kapitalgesellschaft. Sofern insoweit ein Zusammen-

hang bestehen könnte, beruht dieser auf einer regelmäßig erwarteten Belastungs-

wirkung. Die Belastung mit Körperschaftsteuer und die Belastungsfolge bei Anwen-

dung des Halbeinkünfteverfahrens lassen sich im Regelfall rechnerisch aufeinander

abstimmen, es besteht jedoch kein systematisch zwingender Zusammenhang zwischen

der Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG und der Besteuerung der Kapitalgesell-

schaft. Daher darf – jedenfalls unter Kohärenzgesichtspunkten – mit der Hinzurech-

nungsbesteuerung kein weiterer Nachteil zu der ausländischen Besteuerung hinzuge-

setzt werden, wenn das nationale Körperschaftsteuersystem das Besteuerungsniveau

anderer als „passiver“ Einkünfte nicht dem inländischen Steuerniveau angleicht. Die

festgestellte Beeinträchtigung der genannten Grundfreiheiten ist danach unter Kohä-

renzgesichtspunkten nicht gerechtfertigt. Dies würde selbst gelten, wenn durch die

Hinzurechnungsbesteuerung eine rechnerisch exakte Belastung aus der Gegen- 459 Generalanwältin Kokott zum finnischen Körperschaftsteueranrechnungssystem, EuGH, Schluss-

anträge vom 18. 3. 2004 – Rs. C-319/02 (Manninen), IStR 2004, 313, Rdnr. 61.

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Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung

109

überstellung von niedriger Vorbelastung und Ausgleich dieser Vorbelastung entstehen

würde, da schon die zeitlich vorgezogene Besteuerung des Anteilseigners nach Ablauf

des für die Körperschaft maßgeblichen Wirtschaftsjahres eine beschränkende Wirkung

aufweist, ist demgegenüber kein kompensierender Vorteil vorhanden.461

Bedeutung des Welteinkommensprinzips. Allerdings ist noch zu prüfen, ob

die Sicherung des Welteinkommensprinzips vorliegend eine Rechtfertigung ermöglicht.462

In § 2 Abs. 1 EStG ist das Welteinkommensprinzip einfachgesetzlich geregelt. Es

besagt, dass jede unbeschränkt steuerpflichtige Person mit allen von ihr erzielten Ein-

künften der inländischen Einkommensteuer oder gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG der

Körperschaftsteuer unterliegt.463 Der Europäische Gerichtshof erkennt das Weltein-

kommensprinzip an.464 Es ist deshalb zu überlegen, ob das Prinzip der Besteuerung des

Welteinkommens (d.h. der inländische Steuerzugriff auf im Ausland erwirtschaftete

Einkommensteile) auch eine steuerliche Gleichbehandlung von Auslands- und In-

landsinvestition für die Fälle der Hinzurechnungsbesteuerung bewirken könnte.465

Der Europäische Gerichtshof betont in ständiger Rechtsprechung, dass die direk-

ten „Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, dass diese ihre

Befugnisse jedoch unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben müssen“.466 Es

stellt sich also nicht die Frage, ob etwa an Stelle eines Anrechnungsverfahrens ein

Halbeinkünfteverfahren treten kann, oder ob bestimmte Besteuerungsprinzipien wie

das Welteinkommensprinzip etabliert werden. Vielmehr darf der inländische Gesetz-

geber innerhalb der gewählten Systematik Sachverhalte mit Bezug zu anderen Mit-

gliedsstaaten nicht schlechter behandeln als er dies für Inlandssachverhalte vorsieht.

Diese Zweifel ergeben sich zum einen daraus, dass ein von einem einzelnen Mitglieds-

staat beanspruchtes Rechtsprinzip grundsätzlich nur bedingt geltend gemacht werden

kann, um Beeinträchtigungen der Europäischen Grundfreiheiten zu rechtfertigen. Im

Fall des in § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG normativ verankerten Welteinkommensprinzips

folgt aus dem Wortlaut der Norm, dass der Einkommensteuer alle – in § 2 Abs. 1

Satz 1 Nrn. 1–7 EStG enumerativ aufgezählten – Einkünfte unterliegen, die ein unbe-

schränkt (Einkommen-) Steuerpflichtiger erzielt. Als nationales Besteuerungsprinzip

460 So zutreffend: M. Lang, Wohin geht das Internationale Steuerrecht? IStR 2005, 289 (291). 461 Vgl. die Urteilsanmerkungen zur Rechtssache Maninnen von J. Englisch, IStR 2004, 684 (685). 462 Schön, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, DB 2001, 940 ff. 463 Vgl. dazu J. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rdnr. 32. 464 EuGH vom 16. 5. 2000 – Rs. C-87/99 (Zurstrassen), Slg. 2000, 3337, Rdnr. 21. 465 Schön, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, DB 2001, 940 (946). 466 Vgl etwa EuGH vom 11. 8. 1995, Rs. C-80/94 (Wielockx), Slg. 1995, I-2493, Rz. 16.

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143

Kohärenz und Welteinkommensprinzip

110

erfüllt das Welteinkommensprinzip auch in Fällen der Hinzurechnungsbesteuerung

seinen Sinn, wenn die ausländische Gesellschaft ihre passiven Einkünfte ausschüttet

und der Steuerpflichtige entsprechende Einkünfte erzielt. Die Konsequenz, nach der

das Welteinkommensprinzip auch solche Einkünfte der inländischen Besteuerung

zuzuführen vermag, die vom Steuerpflichtigen – wie im Fall der Hinzurechnungsbe-

steuerung – schon nicht erzielt wurden, erscheint deshalb zweifelhaft.467

Zum anderen wurde gegen diesen Rechtfertigungsansatz geltend gemacht, dass ei-

ne Rechtfertigung nur in Betracht komme, wenn der Gesetzgeber auf Gewinne

ausländischer Gesellschaften zugreife und dies in jedem Fall vorgesehen sei, da sonst

etwa auch eine Thesaurierung von aktiven, niedrig besteuerten Einkünften das Welt-

einkommensprinzip gefährde.468 Da dies für die Hinzurechnungsbesteuerung nicht

zutrifft, wird sich insofern keine Rechtfertigung ergeben.

Das deutsche Körperschaftsteuerrecht folgt den zivilrechtlichen Gestaltungen und

besteuere die Dividenden erst bei Ausschüttung.469 Hieraus könnten sich Zugriffshin-

dernisse ergeben, wenn ein Steuerpflichtiger nicht ohne weiteres auf das Einkommen

der ausländischen Gesellschaft zugreifen könne. Ein Zugriff sei nur möglich, wenn der

inländische Anteilseigner über die Stimmenmehrheit an der Gesellschaft verfüge.

Danach sei insbesondere das Kriterium der „deutsch-Beherrschung“, das heißt eine

zufällige Mehrheit unverbundener inländischer Anteilseigner, wie sie in § 7 Abs. 1

AStG vorausgesetzt werde, gemeinschaftsrechtlich nicht haltbar. Denn dann werden

Einkommensteile bei Minderheitsgesellschaftern erfasst, denen es rechtlich unmöglich

ist, die im Wege der Hinzurechnungsbesteuerung erfassten Einkommensteile an sich

ausschütten zu lassen.

Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – insbesondere in den

Entscheidungen in den Rechtssachen Verkooijen, Überseering, Centros und Inspire Art –

wird deutlich, dass die in einem Mitgliedsstaat errichteten Gesellschaften umfassend

durch die Grundfreiheiten des EG-Vertrages geschützt sind. Der Unionsbürger kann

darauf vertrauen, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen des Mitgliedsstaates gelten,

in dem die Gesellschaft wirksam errichtet wurde. Denn sonst würde das Bin-

nenmarktkonzept geradezu konterkariert: Es kann kein Wettbewerb stattfinden, wenn

ein Mitgliedsstaat seine steuerlichen Rahmenbedingungen mittelbar zur Geltung

bringen darf, nur weil er ein nationales Besteuerungsprinzip verletzt sieht. Sonst wäre

467 Vgl. dazu Morgenthaler, Steueroasen und Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2000, 289 ff. 468 Vgl. M. Lang, CFC-Regelungen und Gemeinschaftsrecht, IStR 2002, 217 (221) 469 Vgl. Schön, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, DB 2001, 940

(946).

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Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung

111

es auch möglich, dass andere Mitgliedsstaaten das Konzept der deutschen Unterneh-

mensbesteuerung – mit dem der Gesetzgeber sich eine Verbesserung der Investitions-

tätigkeit verspricht – nicht anerkennen und dessen Wirkungen mit steuerlichen Vor-

schriften neutralisieren. Richtigerweise wird man das Welteinkommensprinzip als

Mittel ansehen müssen, welches auf eine effektive Besteuerung ausgerichtet ist. Wenn

aber dieses Prinzip an seine Grenze stößt – wie etwa im Falle der Investitionstätigkeit

von ausländischen Kapitalgesellschaften – muss bezweifelt werden, dass sich auf

Grundlage des Welteinkommensprinzips der Schutzbereich des EG-Vertrages vorsätz-

lich einengen lässt. Deshalb kommt eine Rechtfertigung unter diesem Gesichtspunkt

nicht in Frage.

Es ist zudem fraglich, ob die „kapitalexportneutrale Besteuerung“ – wie sie in der

Hinzurechnungsbesteuerung intendiert sein soll – sich durch die Erkenntnis rechtferti-

gen lässt, dass aus dem Gemeinschaftsrecht einerseits ein bedingtes Gebot für einen

Wettbewerb der Steuersysteme folge, andererseits das Gemeinschaftsrecht aber nur

unzureichende Instrumentarien bereithalte, um schädliche Wettbewerbshandlungen

auszuschalten.470 Der EG-Vertrag ermöglicht die Ausnutzung der größtmöglichen

Freiheit bei wirtschaftlicher Betätigung.471 Eine Beschränkung der gemeinschaftsrecht-

lich verbürgten Grundfreiheiten kann indes dogmatisch nicht auf die Überlegung

gestützt werden, dass der Wirkungsbereich einer Grundfreiheit – ohne die Beschrän-

kung – ineffektiv begrenzt wäre. Die Idee einer „sich aus sich heraus beschränkten

Grundfreiheit“ ist dem Gemeinschaftsrecht fremd. Dem Argument, dass Instrumenta-

rien zur Vereitelung steuerlicher Fehlentwicklungen nicht vorhanden seien, lässt sich

des Weiteren entgegenhalten, dass der Europäische Gerichtshof in seiner Rechtspre-

chung zu den direkten Steuern den Rechtfertigungsgrund der speziellen Missbrauchs-

abwehr betont.472 Genau dieser Rechtfertigungsgrund könnte den Ausgleich zwischen

größtmöglicher Wettbewerbsfreiheit in der Europäischen Gemeinschaft und Sanktion

rein missbräuchlichen Verhaltens ermöglichen.

470 Diesen Ansatz vertritt Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung zwischen Steuerwettbewerb und

europäischen Grundfreiheiten, StuW 2005, 158. 471 Vgl. EuGH vom 9. 12. 1999 – Rs. C-212/97 (Centros), Slg. 1999, I-1459, Rdnr. 24: „Damit

kann es für sich allein keine missbräuchliche Ausnutzung des Niederlassungsrechts darstellen, wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedsstaats, der eine Gesellschaft gründen möchte, diese in dem Mitgliedsstaat errichtet, dessen gesellschaftsrechtliche Vorschriften ihm die größte Freiheit lassen und in anderen Mitgliedsstaaten Zweigniederlassungen gründet. Das Recht, eine Gesellschaft nach dem Recht eines Mitgliedsstaats zu errichten und in anderen Mitgliedsstaaten Zweigniederlassungen zu gründen, folgt nämlich im Binnenmarkt unmittelbar aus der vom EG-Vertrag gewährleisteten Niederlassungsfreiheit.“ 472 EuGH vom 16. 7. 1998 – Rs. C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rdnr. 26.

147

Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten

112

II. Vermeidung von steuerlichen Fehlentwicklungen

Der deutsche Gesetzgeber stufte seine Maßnahmen gegen die „deutsch beherrschten“

Kapitalgesellschaften als Instrument zur Bekämpfung von Missbräuchen ein.473 Die

Missbrauchsbekämpfung – konkret: die Bekämpfung der Steuerflucht sowie der Steu-

erhinterziehung – kann einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen,

der vom Europäischen Gerichtshof als mögliche Rechtfertigung anerkannt wird. Eine

solche Wirkung kommt einer Vorschrift zu, wenn der Gesetzgeber den Zweck ver-

folgt, Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschrif-

ten, insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts, zu verhindern.474 Hier könnte man

erwägen, dass mit den §§ 7–14 AStG eine Maßnahme gegen rein formale Verlagerun-

gen steuerlich-relevanter Sachverhalte getroffen wurde und somit der Schutz vor

Steuerumgehungen bezweckt wird. Erkennt man einen grundsätzlich tragfähigen

Rechtfertigungsansatz, muss es sich bei der Hinzurechnungsbesteuerung auch um eine

geeignete Maßnahme handeln.475

Änderung des Missbrauchsbegriffs. In dem Verfahren in der Rechtssache

Cadbury/Schweppes wurde argumentiert, dass ein Missbrauch in Fällen der Verlagerung

von passiven Einkunftsquellen vorliegen könne. Wenn Einkunftsquellen in niedrig be-

steuernde Mitgliedsstaaten verlagert werden, während Produktionsbetriebe die Vortei-

le des Standorts hoch besteuernder Mitgliedsstaaten ausnutzen, könne sich die Verla-

gerung von Einkunftsquellen danach als missbräuchlich darstellen, falls die Gesellschaft

nicht über eine „gewisse wirtschaftliche Substanz“ verfüge.476 Aufgrund der

Unterschiede zwischen den in den in den Mitgliedsstaaten geltenden Steuersätzen sei

für bestimmte Erwerbstätigkeiten eine Steuerumgehung zu vermuten.

473 Vgl. bereits den „Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über die Wettbe-

werbsverfälschungen, die sich aus Sitzverlagerungen und aus dem zwischenstaatlichen Steuergefälle ergeben können“ (Oasenbericht) vom 23. 6. 1964, Bundestags-Drucksache IV/2412, Abschnitt II, Bundestags-Drucksache 12/1506, 350. 474 Vgl. Hahn, Die Vereinbarkeit von Normen des deutschen internationalen Steuerrechts mit EG-

Recht, IFSt-Schrift Nr. 378. 475 Die nationale gesetzliche Regelung muss zur Erreichung des intendierten Ziels auch geeignet

sein. Dies ist eine selbstverständliche Bedingung, als ansonsten für jede Regelung ein legitimes gesetzgeberisches Ziel als Rechtfertigungsgrund vorgeschoben werden könnte, auch wenn diese Regelung gar nichts mit dieser legitimen Zielsetzung zu tun hat, sondern hauptsächlich einem anderen Ziel dient; vgl. auch EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236, Rdnr. 51. 476 So wohl die von den meisten Mitgliedsstaaten im Verfahren Cadbury/Schwepps verfolgte

Argumentationslinie, siehe dazu: Rödder/Schönfeld, Mündliche Verhandlung vor dem EuGH in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“: Wird sich der Missbrauchsbegriff des EuGH verändern? IStR 2006, 49 (50).

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Missbrauch von Gestaltungsmöglich-

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Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung

113

Stellungnahme. Der Europäische Gerichtshof geht in seiner Rechtsprechung

bisher davon aus, dass an die zielgenaue Anwendung von Missbrauchsvorschriften

strenge Voraussetzungen zu knüpfen sind. Eine Rechtsnorm ist danach nur zur

Rechtfertigung einer Beschränkung im Bereich der Grundfreiheiten des EG-Vertrages

geeignet, wenn sie speziell bezweckt, rein künstliche Konstruktionen, die auf eine

Umgehung des Steuerrechts gerichtet sind, von einem Steuervorteil auszuschließen.477

Eine Rechtfertigung kann nach diesen Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs nur

dann in Betracht kommen, wenn rein künstliche Konstruktionen unterbunden wer-

den sollen.478 Typisierende Missbrauchsbekämpfungsvorschriften, die generell jede als

missbräuchlich eingestufte Situation erfassen, sind danach unzulässig.479 Darüber hinaus

vertritt der Europäische Gerichtshof die Auffassung, dass eine Steuerumgehung nicht

gegeben sei, wenn eine Gesellschaft dem Steuerrecht des Niederlassungsstaats unterlie-

ge.480 Nach diesen Grundsätzen ist zu prüfen, ob die Hinzurechnungsbesteuerung

speziell nur „rein künstliche Konstruktionen“ erfasst, oder ob allgemein ausländische

Gesellschaften mit Nachteilen belegt werden.481 Diese Grundsätze wurden vom Gene-

ralanwalt Léger in den Schlussanträgen in der Rechtssache Cadbury präzisiert, danach

ist die Frage eines Missbrauchs in einer Einzelfallprüfung zu beurteilen, die auf be-

stimmte Fälle beschränkt werden kann.482

Würde man annehmen, dass die allgemeine Vermutung eines Missbrauchs in Fäl-

len zulässig wäre, in denen die Kapitalgesellschaft nicht über eine „gewisse wirtschaft-

liche Substanz“ verfüge, könnte die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung dennoch

nicht mit dem Missbrauchsargument gerechtfertigt werden. Die Hinzurechnungsbe-

steuerung unterwirft „Einkünfte“ der Zwischengesellschaft der Besteuerung auf der

Ebene des Anteilseigners (§ 7 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG). Es kommt im Gel-

tungsbereich der §§ 7–14 AStG dabei nicht darauf an, ob eine Zwischengesellschaft 477 EuGH vom 16. 7. 1998 – Rs. C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rdnr. 26. Das Gericht führte

hierzu aus:„Zu der auf die Gefahr einer Steuerumgehung gestützten Rechtfertigung genügt die Feststellung, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rechtsvorschriften nicht speziell bezwecken, rein künstliche Konstruktionen, die auf eine Umgehung des Steuerrechts des Vereinig-ten Königreichs gerichtet sind, von einem Steuervorteil auszuschließen, sondern generell jede Situation erfassen, in der die Mehrzahl der Tochtergesellschaften eines Konzerns ihren Sitz, aus welchen Gründen auch immer, außerhalb des Vereinigten Königreichs hat.“ 478 Vgl. auch EuGH vom 16. 7. 1998 – Rs. C-264/96 (ICI) – Slg. 1998, I-4695; EuGH vom

12. 12. 2002 – Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-1177, Rdnr. 37. 479 Hahn, Das ICI-Urteil des EuGH und die Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 ff. AStG,

IStR 1999, 612 ff.; M. Lang, CFC-Gesetzgebung und Gemeinschaftsrecht, IStR 2002, 217 (220). 480 Vgl. EuGH vom 21. 11. 2002, Rs. C-436/00 (X und Y), IStR 2003, 23. 481 Vgl. EuGH vom 16.7. 1998 – Rs. C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rdnr. 26.

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151

Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten

114

ausschließlich passive Einkünfte erzielt. Die Hinzurechnungsbesteuerung erfasst passive

Einkünfte auch in Fällen, in denen eine ansonsten aktiv tätige, mit wirtschaftlicher

Substanz ausgestattete Gesellschaft auch passive, niedrig besteuerte Einkünfte erzielt.

Schon danach lässt sich feststellen, dass die §§ 7–14 AStG nicht nur „rein künstliche

Konstruktionen“ sanktionieren sondern allein an das Vorliegen passiver Einkünfte

anknüpfen. Selbst wenn man den Missbrauchsbegriff in dem Sinne auffassen würde,

dass die Vermutung eines Missbrauchs in bestimmten Fällen anzuerkennen ist, wäre

die von der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung ausgelöste Beschränkung nicht zu

rechtfertigen, da von diesen Vorschriften auch Fälle erfasst werden, in denen eine

(überwiegend aktive Einkünfte erzielende) Kapitalgesellschaft wirtschaftliche Substanz

aufweist. Dies gilt umso mehr, als dem Betroffenen nach der Konzeption der Hinzu-

rechnungsbesteuerung keinerlei rechtliche Möglichkeiten zuerkannt werden, um

einen Entlastungsbeweis zu führen.

Die im Hinblick auf das Verfahren Cadbury/Schweppes erörterte Erweiterung des

Missbrauchsbegriff ist indes kritisch zu würdigen: Dem Entwicklungsgebot für den

Binnenmarkt aus Art. 14 EG-Vertrag lässt sich entnehmen, dass dessen Entwicklung

nicht „um jeden Preis“, sondern insbesondere (im Interesse aller Unionsbürger)

„schrittweise“483 erfolgen soll. Um eine umfassende, aber auch vernünftige und ge-

meinwohlverträgliche Umsetzung der Ziele des EG-Vertrages zu erreichen, werden

die Unionsbürger – so Art. 17 EG-Vertrag – im Geltungsbereich des EG-Vertrages

nicht nur „berechtigt“, sondern auch „verpflichtet“. Den Mitgliedsstaaten kann es

deshalb nicht verwehrt sein, Korrektive der Grundfreiheiten auszubilden, so dass der

nationale Gesetzgeber auch grundsätzlich auf Missbrauch im Bereich des Steuerrechts

reagieren kann. Für den hier interessierenden Zusammenhang gilt daher: Die Prüfung,

ob ein spezieller Missbrauchstatbestand gegeben ist, muss die individuellen Interessen

der Unionsbürger im Lichte der Ziele des EG-Vertrages gegenüber dem Interesse an

einer vernünftigen Entwicklung abwägen. Dem entspricht es, den Missbrauchsbegriff

so auszulegen, dass die größtmögliche Freiheit für den Marktzugang entsteht, gleich-

zeitig aber der Unionsbürger auf einen fairen Wettbewerb vertrauen kann. Insbe-

sondere muss das Vertrauen geschützt sein, dass in Fällen echten Missbrauchs ein

Vorteil anderer Marktteilnehmer unterbunden ist. Ob ein Missbauch vorliegt, ist

482 Schlussanträge des Generalanwalts Philippe Léger vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury). 483 Vgl. dazu den Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 EG-Vertrag, dort am Ende der Vorschrift.

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Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung

115

daher aufgrund objektiver Kriterien nachzuweisen, wobei die Ziele des EG-Vertrages

beachtet werden müssen.484

Der Europäische Gerichtshof hat strenge Maßstäbe bei der Prüfung des Miss-

brauchstatbestands angelegt. In der Entscheidung in der Rechtssache Hughes de Lastey-

rie.485 wurde der Missbrauchsbegriff konkretisiert. In dem zugrunde liegenden Sach-

verhalt hatte ein französischer Steuerpflichtiger seinen Wohnsitz aus Frankreich weg-

verlagert, in Folge des Wegzugs konnten stille Reserven etwa aus Aktienbesitz nicht

in Frankreich besteuert werden.486 Der Gerichtshof stellte fest, dass eine Missbrauchs-

verhinderungsvorschrift speziell darauf abzielen muss, die zur Umgehung geschaffenen

Sachverhalte von einer Steuervergünstigung auszunehmen.487 Erfasst eine Vorschrift

aber allgemein nur Fälle, die auf einer allgemeinen Vermutung von Steuerflucht oder

Steuerhinterziehung beruhen, kommt eine Rechtfertigung nicht in Betracht. Die

Finanzbehörden des betroffenen Mitgliedstaats müssen deshalb im Einzelfall den

Nachweis führen, dass die Gefahr der Steuerumgehung besteht. Eine Missbrauchsbe-

stimmung ist mithin zulässig, wenn das tatsächliche Vorliegen einer Hinterziehung

oder einer Steuerumgehung im Einzelfall von der Finanzbehörde nachzuweisen ist.488

Die Identifizierung eines echten Missbrauchs ist danach nicht pauschal, sondern

nur anhand individueller Gegebenheiten vorzunehmen. Dann ist auch mit Sicherheit

gewährleistet, dass ein den Wettbewerb verzerrender Vorteil nicht entsteht. Es ent-

spricht daher der Zielsetzung des EG-Vertrages, die Unterscheidung zwischen allge-

meinen und speziellen Missbrauchslagen einer im Einzelfall gegebenen Missbrauchs-

lage vorzunehmen. Ein Missbrauch ist mithin gegeben, wenn eine Vorschrift eine

Einzelfallprüfung in den missbrauchsverdächtigen Fällen vorsieht.489 Nun kann vorlie-

gend keine Rede davon sein, dass sich die Hinzurechnungsbesteuerung gegen spezielle

484 EuGH vom 9. 12. 1999 – Rs. C-212/97 (Centros), Slg. 1999, 1459, Rdnr. 25: „Zwar können

die nationalen Gerichte unter solchen Umständen im Einzelfall das missbräuchliche oder betrügeri-sche Verhalten der Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien in Rechnung stellen, um ihnen ggf. die Berufung auf das einschlägige Gemeinschaftsrecht zu verwehren; sie haben jedoch bei der Würdigung eines solchen Verhaltens die Ziele der fraglichen Bestimmungen zu beachten.“ 485 EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236. 486 Vgl. EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236,

Rdnr. 54. 487 Vgl. EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236,

Rdnr. 50. 488 So zutreffend Clemens Schindler, Hughes de Lasteyrie du Saillant als Ende der (deutschen) Weg-

zugsbesteuerung? IStR 2004, 300 (303). 489 EuGH vom 17. 7. 1997 – Rs. C-28/95 (Leur-Bloem), Slg. 1997, I-4161, Rdnrn. 35 ff.; EuGH

vom 12. 12. 2002 – Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg 2002, I-1177, DStR 2003, 25, IStR 2003, 55, Rdnr. 62.

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Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten

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Missbrauchsfälle wendet, da sich eine Regelung über eine Einzelfallprüfung in keiner

der Vorschriften der §§ 7–14 AStG nachweisen lässt. Die Finanzbehörde hat nicht zu

prüfen, ob tatsächlich ein Missbrauch stattfindet. Es wird vielmehr generell jede Situa-

tion erfasst, unabhängig davon, ob tatsächlich ein Missbrauch vorliegt. Dem betroffe-

nen Steuerpflichtigen ist es darüber hinaus nicht erlaubt, mit einem „Entlastungs-

beweis“ (escape clause) darzulegen, dass ein Fall des Missbrauchs nicht gegeben ist. Die

Hinzurechnungsbesteuerung erfüllt indes die Voraussetzungen nicht, die eine Recht-

fertigung unter dem Aspekt des steuerlichen Missbrauchs voraussetzt. Die Hinzurech-

nungsbesteuerung stellt weder eine spezielle Missbrauchsvorschrift dar, noch erfasst sie

allein künstliche Konstruktionen, in denen eine „gewisse wirtschaftliche Substanz“

nicht nachweisbar ist. Eine Rechtfertigung für die Beeinträchtigung der Grundfreihei-

ten scheidet mithin schon aus diesem Grunde aus.

Ob die Hinzurechnungsbesteuerung als Missbrauchsvorschrift gerechtfertigt wer-

den kann, darf folglich nicht nach subjektiven Vorstellungen des nationalen Gesetzge-

bers geprüft werden. Die Zielsetzung des EG-Vertrages gebietet vielmehr, die Wir-

kungsweise von Regelungen objektiv zu erklären und nachvollziehbar zu machen. Es

muss folglich anhand objektiver und tatsächlicher Umstände erklärbar sein, warum in

vergleichbaren Fallgruppen – das hieße konkret in Fallgruppen, in denen die Voraus-

setzungen der Hinzurechnungsbesteuerung nicht vorliegen – eine Steuerumgehung

ausgeschlossen werden kann.490

Einen Prüfungsmaßstab lässt sich den Begründungserwägungen entnehmen, die

der Europäische Gerichtshof bei der Entscheidung in der Rechtssache X und Y gege-

ben hat. In diesem Verfahren waren zwei (anonymisierte491) in Schweden ansässige

natürliche Personen an einer schwedischen Kapitalgesellschaft beteiligt. Diese Be-

490 EuGH vom 21. 11. 2002 – Rs. C-436/00 (X und Y), Slg. 2002, I-10829, Rdnr. 63: „Die Maß-

nahme des Königreichs Schweden ist jedenfalls nicht geeignet, ihren angegebenen Zweck zu errei-chen, nämlich Gewinne aus übertragenen Aktien beim Übertragenden, besonders im Fall einer Übertragung vor dessen endgültigem Umzug in das Ausland, in Schweden tatsächlich zu besteuern. Bei der Übertragung von Aktien des Typs C kommt dem Übertragenden auf jeden Fall für die aus den übertragenen Aktien erzielten Gewinne der Steueraufschub zugute. Auf eine Frage des Ge-richtshofes konnte die schwedische Regierung jedoch nicht darlegen, dass dieser Übertragungstyp durch objektive tatsächliche Unterschiede gekennzeichnet wäre, aus denen sich ergeben würde, dass der endgültige Umzug des Übertragenden in das Ausland für dessen Besteuerung in Schweden ein grundsätzlich anderes potenzielles Risiko bedeutet als Übertragungen von Aktien der Typen A und B.“ 491 Das schwedische Steuerrecht eröffnet die Möglichkeit, Rechtsfragen vorab durch einen Vorbe-

scheid verbindlich klären zu lassen. Um das Steuergeheimnis zu wahren, werden die Personen, die eine Rechtsfrage vorlegen, anonym behandelt. So erklärt sich, dass die Verfahrensbeteiligten mit „X“ und „Y“ bezeichnet wurden.

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Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung

117

teiligungen sollten auf eine andere schwedische Kapitalgesellschaft übertragen werden,

an welcher die übertragenden Personen mittelbar über eine belgische Gesellschaft

beteiligt waren. Der Übertragungsvorgang führte nach schwedischem Recht zur Be-

steuerung der nicht realisierten stillen Reserven, die für die Beteiligung entstanden

waren. In dem Verfahren in der Rechtssache X und Y wurde zur Rechtfertigung der

schwedischen Vorschrift geltend gemacht, dass die stillen Reserven steuerlich zu

erfassen seien, da nach einem Wegzug des Steuerpflichtigen insoweit die Besteuerung

gefährdet sei.492 Der Europäische Gerichtshof sah diese Regelung als gemeinschafts-

rechtswidrig an und versagte insbesondere die Rechtfertigung aus Gründen der „wirk-

samen steuerlichen Kontrolle“. Das Gericht ging dabei so vor, dass zunächst drei

Übertragungsvorgänge analysiert wurden: Als Typ A wurden Übertragungen von

Gesellschaftsanteilen bezeichnet, bei welchen die Anteile aus Schweden auf eine

Gesellschaft übertragen wurden, deren Sitz sich in einem anderen Mitgliedsstaat befin-

det. Typ B war der für die Entscheidung in der Rechtssache „X und Y“ relevante Fall,

also die Übertragung der Beteiligung auf eine inländische Gesellschaft, die von einer

ausländischen Gesellschaft beherrscht wird. Schließlich war die Übertragung nach Typ

C ein Sachverhalt ohne jeglichen Auslandsbezug. Der Gerichtshof führte aus, dass die

„Geeignetheit“ einer Regelung nicht allein danach bestimmt werde, ob mit dieser

Regelung selbst das Ziel der Vermeidung von Steuerumgehungen erreicht werde.493

Es müsse anhand objektiver und tatsächlicher Umstände erklärbar sein, warum in einer

vergleichbaren Fallgruppe – die nicht der gesetzlichen Regelung unterliege – die

Zielsetzung der fraglichen Regelung nicht verwirklicht sei. Wörtlich führte der Ge-

richtshof aus:

„Die Maßnahme des Königreichs Schweden ist jedenfalls nicht geeignet, ihren angegebe-

nen Zweck zu erreichen, nämlich Gewinne aus übertragenen Aktien beim Übertra-

genden, besonders im Fall einer Übertragung vor dessen endgültigem Umzug in das Aus-

land, in Schweden tatsächlich zu besteuern. Bei der Übertragung von Aktien des Typs C

kommt dem Übertragenden auf jeden Fall für die aus den übertragenen Aktien erzielten

Gewinne der Steueraufschub zugute. Auf eine Frage des Gerichtshofes konnte die schwe-

dische Regierung jedoch nicht darlegen, dass dieser Übertragungstyp durch objektive tat-

sächliche Unterschiede gekennzeichnet wäre, aus denen sich ergeben würde, dass der end-

gültige Umzug des Übertragenden in das Ausland für dessen Besteuerung in Schweden ein

grundsätzlich anderes potenzielles Risiko bedeutet als Übertragungen von Aktien der Ty-

492 EuGH vom 21. 11. 2002 – Rs. C-436/00 (X und Y), EuGHE I 2002, 10829–10874, IStR

2003, 23, FR 2003, 84, Rdnrn. 17 und 47. 493 EuGH vom 21. 11. 2002 – Rs. C-436/00 (X und Y) EuGHE I 2002, 10829, IStR 2003, 23,

FR 2003, 84, Rdnr. 63.

157

Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten

118

pen A und B.“494 Der Europäische Gerichtshof löst den in der Rechtssache X und Y ge-

gebenen Fall, indem er darauf hinweist, dass die Besteuerung der stillen Reserven auch ge-

fährdet sei bzw. gefährdet sein könne, wenn der Steuerpflichtige nach einer reinen In-

landsübertragung (in der Entscheidung bezeichnet als: Typ C) seinen Wohnsitz ins Aus-

land verlege. Die Geeignetheit der angefochtenen schwedischen Regelung wurde deshalb

nicht anerkannt.

Danach muss sich anhand von tatsächlichen und objektiven Unterschieden er-

geben, dass in den von der Regelung erfassten Lebenssachverhalten ein grundsätzlich

anderes potenzielles Risiko besteht, als dies in vergleichbaren Situationen, die von der

fraglichen Regelung nicht erfasst werden, der Fall ist. In dem entschiedenen Fall der

Rechtsache X und Y war die Frage nach tatsächlichen und objektiven Umständen

entscheidend, aus der sich ergab, dass nach der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen

an eine im Ausland ansässige Kapitalgesellschaft ein Wegzug des Steuerpflichtigen

erfolgen würde und damit die endgültige Besteuerung von stillen Reserven aus diesen

Anteilen verhindert werden könnte. Diese Fallkonstellation weist Bezüge zu Fällen

auf, die von der Hinzurechnungsbesteuerung betroffen sein können.

Während in der Rechtssache X und Y der Wegzug des Steuerpflichtigen nach Ver-

äußerung von Anteilen zur Gefährdung von stillen Reserven geführt hätte, wird im

Fall der Hinzurechnungsbesteuerung eine Gefährdung des Besteuerungsrechts hin-

sichtlich der Dividendenbezüge aus den Gewinnen einer ausländischen Gesellschaft in

den durch die §§ 7–14 AStG erfassten Fällen erkannt. Diese Gefährdung des Steuer-

anspruchs besteht – zumindest nach den ursprünglichen Gesetzesmotiven – darin, dass

die Abschirmwirkung der ausländischen Gesellschaft dauerhaft ausgenutzt werde. Die

Frage nach der fehlenden „Vorbelastung“ ist dagegen auszublenden, weil dies aus

Sicht des Europäischen Gerichtshofs für eine Rechtfertigung nicht von Belang sein

würde. An dieser Stelle lässt sich die Parallele zwischen beiden Konstellationen darstel-

len, denn in beiden Fällen erkennt der Gesetzeber eine Ausweichmöglichkeit, die im

einen Fall (X und Y) durch einen Wohnsitzwechsel in das Ausland, in einem anderen

Fall durch die dauerhafte Thesaurierung nutzbar werden könnte. Die Rechtferti-

gungsanforderung des Europäischen Gerichtshofs wird an dieser Stelle deutlich ver-

schärft, indem einer solchen Motivation das Erfordernis entgegengestellt wird, dass in

diesen Fällen objektive und tatsächliche Unterschiede gegeben sein müssen, aus denen

ein potentiell steuergefährdendes Risiko erklärbar wird.

494 EuGH vom 21. 11. 2002 – Rs. C-436/00 (X und Y), EuGHE I 2002, 10829, IStR 2003, 23,

FR 2003, 84, Rdnr. 63.

158

159

Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung

119

Dem Europäischen Gerichtshof ist hinsichtlich des dogmatischen Ansatzes für die

Frage nach der Geeignetheit beizupflichten, dass die Verlegung des Wohnsitzes nur

theoretisch dadurch motiviert sein wird, dass im Rahmen eines „Gesamtplans“ die

steuerliche Entstrickung von Wirtschaftsgütern verfolgt wird. Es wird danach künftig

zur Rechtfertigung von steuerlichen Normen nicht mehr ausreichen, dass die Ausnut-

zung von steuerlichen Vorteilen überhaupt vorstellbar ist oder aus Perspektive des

Gesetzgebers zu befürchten ist. Vielmehr muss durch tatsächliche Umstände für die

geregelte Fallgruppe feststehen, dass die steuerliche Fehlentwicklung einen objektiven

Zusammenhang zu dem unterscheidenden Gesetzesmerkmal aufweist. Die Begrün-

dungserwägungen lassen sich nahtlos an die Überlegungen anknüpfen, die der Ge-

richtshof zur Frage des Missbrauchs anstellt. Danach reicht allein die Vermutung von

Missbrauch zur Rechtfertigung einer beeinträchtigten Grundfreiheit des EG-Vertrags

nicht aus.495 Die Begründungserwägungen in der Rechtssache X und Y deuten darauf

hin, dass der Europäische Gerichtshof den Missbrauchsbegriff allein mit tatsächlichen

und objektiven Wertungsmaßstäben ausfüllen wird. Der maßgebende Unterschied, auf

die es danach ankommt, darf deshalb nicht durch eine Vermutung begründet sein, die

bereits dann greift, wenn ein Wirtschaftsteilnehmer von den Grundfreiheiten des EG-

Vertrages Gebrauch macht.496

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf die Hinzurechnungsbesteuerung ist deshalb

nach tatsächlichen und objektiven Unterschieden zu fragen, aus denen sich ein grund-

sätzlich anderes potenzielles Risiko ergibt, dass in den von §§ 7–14 AStG erfassten Fällen

der inländische Steuerzugriff auf Dauer vereitelt wird.497

Erzielt eine ausländische Gesellschaft niedrig besteuerte, passive Einkünfte im Sin-

ne von § 8 Absätze 1 und 3 AStG und sind an dieser Gesellschaft inländische Anteils-

eigner nicht oder mit weniger als 50 % beteiligt, kommt die Anwendung der §§ 7–14

AStG nicht in Betracht. Erzielt die ausländische Gesellschaft, an der jedoch inländische

Steuerpflichtige zu mehr als 50 % beteiligt sind, passive, niedrig besteuerte Einkünfte

im Sinne von § 8 Absätze 1 und 3 AStG, liegt ein Anwendungsfall der Hinzurech-

495 EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236,

Rdnr. 54. 496 Schlussanträge Rs. C-/02, Rdnr. 58. Außerdem enthielten französische Doppelbesteuerungs-

abkommen regelmäßig Klauseln über die Vollstreckungshilfe, und die Amtshilferichtlinie erleichtere die Beschaffung der notwendigen Informationen (Rdnr. 68). Eine Rechtfertigung aus der Kohärenz des Steuersystems scheide aus, weil es sich nicht bloß um eine zeitliche Vorverlegung der Besteuer-ung handle (Rdnr. 82). 497 Vgl. EuGH vom 21. 11. 2002 – Rs. C-436/00 (X und Y), Slg. 2002, I-10829; mit Anmerkun-

gen Hans Klaus Kroppen, IWB 2002/23 Fach 11a 617 ff., Schnitger, FR 2003, 90 ff.

160

161

162

Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten

120

nungsbesteuerung vor. Die Hinzurechnungsbesteuerung kommt dagegen nicht zur

Anwendung, wenn eine ausländische – in einem Mitgliedsstaat der Europäischen

Gemeinschaft ansässige – Gesellschaft aktive, aber dennoch niedrig besteuerte Ein-

künfte erzielt. Ein Blick auf die hier erkennbaren Unterschiede erweist für sich ge-

nommen nicht, weshalb in den Fällen, in denen ausländische Steuerpflichtige neben

inländischen Steuerpflichtigen an der Gesellschaft mehrheitlich beteiligt sind, das

Ausschüttungsverhalten ein anderes sein sollte. Erzielt eine ausländische Gesellschaft

aktive Einkünfte, entsteht ein Vorteil aus dem internationalen Steuergefälle, wie dies

bei passiven Einkünften der Fall ist. Es lässt sich dann nur vermuten, dass sich bei

Einschaltung von „aktiv tätigen“ Gesellschaften eine dauerhafte Thesaurierung erge-

ben wird. Bei Vergleich dieser Fallgruppen zeigt sich zudem, dass ein inländischer

Steuerpflichtiger die Möglichkeit hat, passive Einkünfte dauerhaft dem inländischen

Steuerzugriff zu entziehen, wenn er bereit ist, einen Steuersatz von mindestens 25 %

auf diese Einkünfte zu entrichten. Die Hinzurechnungsbesteuerung findet dann keine

Anwendung (§ 8 Abs. 3 AStG), es ergeben sich damit Gestaltungsmöglichkeiten

hinsichtlich der im Ausland generierbaren Steuerbelastung, die Steuerumgehung lässt

sich „erkaufen“ oder durch Inanspruchnahme bestimmter steuerlicher Privilegien

anpassen, so dass die Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung vermeidbar wird.498

In solchen Fällen ist das Steuergefälle zwischen der Ertragsteuerbelastung in Deutsch-

land und der Ertragsteuerbelastung in dem ausländischen Staat zwar reduziert, aller-

dings kann auch in solchen Fällen eine Ausnutzung der Abschirmwirkung in Betracht

kommen.

Die verfassungsrechtliche Untersuchung hat bereits ergeben, dass im Fall der Hin-

zurechnungsbesteuerung erleichterte, da nur aus formalen Kriterien folgende Verla-

gerungsmöglichkeiten steuerlicher Einkunftsquellen erfasst sein sollen.499 Zwar ließe

sich aus dem insoweit nachweisbaren tatsächlichen Unterscheidungskriterium darauf

schließen, dass steuerliche Gründe in diesen Fällen eine nicht nur untergeordnete

Rolle für die Investitionsentscheidung spielen, jedoch finden sich für einen Rück-

schluss auf das Ausschüttungsverhalten keine Anhaltspunkte. Tatsächliche Umstände,

die dafür sprechen, dass die Abschirmwirkung der ausländischen Gesellschaft ausge-

nutzt wird und eine Ausschüttung nicht erfolgt, sind schon deshalb auszuschließen,

498 Zur Rechtsfrage, welche Rechtswirkungen Steuerbescheide eines anderen Mitgliedstaates der

Europäischen Gemeinschaft entfalten und Auswirkung auf den Tatbestand der „niedrigen Besteuer-ung“ nach § 8 Abs. 3 AStG: FG Baden-Württemberg vom 28. 10. 2004 – 6 K 170/02 (Revision eingelegt beim BFH unter dem Aktenzeichen: I R 124/04), DStR 2005, 336. 499 Vgl. dazu sub Rdnrn. 75 ff.

163

Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung

121

weil der Gesetzgeber selbst von einer „Durchschleusung“ der Gewinne ins Inland

ausgeht. Eine (End-) Besteuerung der Dividende im Inland kann dann im Halbein-

künfteverfahren erfolgen. Wird die Dividende von einer inländischen Kapital-

gesellschaft thesauriert, entspricht dies der vom Gesetzgeber geäußerten Einschätzung,

nach der die von Kapitalgesellschaften thesaurierten Kapitalteile die Investitionstätig-

keit der Wirtschaft begünstigen.

Damit lässt sich festhalten, dass eine Rechtfertigung unter dem Aspekt des steuerli-

chen Missbrauchs ausscheidet. Auf Grundlage der vom Europäischen Gerichtshof

verwendeten Argumentationsmuster kann die Einschätzung vorgenommen werden,

dass die Hinzurechnungsbesteuerung Rechtfertigungsprüfung nicht standhalten würde.

Bei Anwendung der Begründungserwägungen des Europäischen Gerichtshofs aus der

Rechtssache X und Y erweist sich insbesondere als vorteilhaft, dass mit ihrer Hilfe die

sachlichen Unterschiede der Regelung extrahiert werden müssen und in Zusammen-

hang mit dem Gesetzeszweck abzustimmen sind. Auf diese Weise lassen sich pauschale

Argumentationsmuster ausscheiden und zielgenaue Überlegungen dazu anstellen, wie

eine gemeinschaftsrechtskonforme Regelung der Hinzurechnungsbesteuerung ausse-

hen könnte. Deshalb wird man überlegen müssen, worin genau das Verhalten oder

der tatsächliche Umstand erkannt werden muss, um einen steuerlichen Missbrauch zu

begründen. Anschaulich wird dies im Hinblick auf die Entscheidung des Europäischen

Gerichtshofs in der Rechtssache Hughes de Lasteyrie.500 Dort hatte das Gericht erkannt,

dass für Fälle, in denen der Gesetzgeber der Gestaltungsmöglichkeit begegnen wollte,

dass ein Steuerpflichtiger seinen Wohnsitz aus Frankreich wegverlagert, um danach

stille Reserven etwa aus Aktienbesitz zu realisieren und innerhalb eines kurzen Zeit-

raums wieder nach Frankreich zu ziehen, eine Regelung diese spezifische Fallgestal-

tung durchaus unterbinden könne.501 Will der Gesetzgeber also unterbinden, dass ein

Steuerpflichtiger Einkünfte der inländischen Besteuerung dadurch entzieht, dass er sie

dauerhaft thesauriert, bietet sich eine Regelung an, die genau diesen Zusammenhang

aufnimmt. Die Entscheidung in der Rechtssache Hughes de Lasteyrie gibt damit einen

Ansatz zur Neukonzeption der Hinzurechnungsbesteuerung. Dieser besteht darin, die

steuerlichen Fehlentwicklungen aufzugreifen, wenn diese nachweislich eingetreten

sind. Diese Überlegung könnte als gemeinschaftsrechtliche Vorgabe dienen: die Hin-

zurechnungsbesteuerung ließe sich gegen die Fälle richten, in denen die befürchteten

Wirkungen – namentlich: Steueraufschub und Steuerflucht – einer ausländischen 500 EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236. 501 Vgl. EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236,

Rdnr. 54.

164

Ergebnis und Zusammenfassung

122

Gesellschaft tatsächlich eintreten. Die bislang verfolgte Vermeidungsstrategie müsste

zugunsten einer Sanktionsstrategie aufgegeben werden.

Die vorliegende Untersuchung ergibt somit, dass die Regelungen in §§ 7–14

AStG über die Hinzurechnungsbesteuerung von passiven Einkünften ausländischer

Kapitalgesellschaften nicht mit der Niederlassungsfreiheit, der Kapitelverkehrsfreiheit

und der Dienstleistungsfreiheit konform sind.

E. Zusammenfassung

Die Hinzurechnungsbesteuerung ist nach alledem mit Europäischem Gemeinschafts-

rechts nicht vereinbar. Sie beschränkt die Niederlassungsfreiheit, die Kapitalverkehrs-

freiheit und die Dienstleistungsfreiheit, ohne dass dies nach den vom Europäischen

Gerichtshof in seiner Rechtsprechung gegebenen Rechtfertigungsgründen legitimiert

ist. Der Rechtfertigungsgrund der Kohärenz greift nicht ein. Die Besteuerung einer

ausländischen Gesellschaft stellt, auch wenn sie niedrig ist, einen Nachteil im Sinne

einer Kohärenzbeziehung dar, so dass eine weitere nachteilige Besteuerungsfolge wie

die Hinzurechnungsbesteuerung nicht gerechtfertigt sein wird. Auch der Rechtferti-

gungsgrund der „Missbrauchsvermeidung“ greift nicht ein, da die Hinzurechnungs-

besteuerung nicht speziell Missbräuchen begegnet, sondern pauschal steuerlich sankti-

oniert. Es handelt sich bei der Hinzurechnungsbesteuerung um eine Maßnahme, die

im Rahmen des vom Europäischen Gerichtshof anerkannten Rechtfertigungsgrundes

der „wirksamen Steuerkontrolle“ gemeinschaftsrechtlich legitimiert sein könnte. Wenn

der Gesetzgeber jedoch die Absicht hat, Verzögerungen bei der Ausschüttung von

niedrig besteuerten Unternehmensgewinnen zu unterbinden, fragt sich, warum nicht

genau der Fall der Verzögerung erfasst wird und stattdessen jedwede Art einer solchen

Investition im Bereich der Europäischen Gemeinschaft unterbunden werden soll.502

Danach ist gemeinschaftsrechtlich ausgeschlossen, dass nur in den von §§ 7–14 AStG

erfassten Fällen, eine „Vorbelastung“ entstehen muss. Es ist nicht erklärbar, warum die

Zielsetzung nur in den von der Hinzurechnungsbesteuerung bestimmten Fällen ein-

greift, in Fällen aktiver, niedrig besteuerter Einkünfte die Vorbelastung jedoch nicht

von Bedeutung ist. Im Hinblick auf die vom Europäischen Gerichtshof entwickelte

und seiner Rechtsprechung zu Grunde liegende Dogmatik wird erkennbar, dass nicht

einzelne Besteuerungsprinzipien eine Rolle spielen dürfen um die Rechtfertigung im

Bereich der Grundfreiheiten zu erreichen. Gerade anhand der in der Rechtssache X

502 Vgl. auch die Begründungserwägungen des EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236, Rdnr. 54.

165

Ergebnis und Zusammenfassung

166

Gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung

123

und Y ergangenen Entscheidung lässt sich die streng am Einzelfall orientierte Prü-

fungspraxis nachweisen. Das Gemeinschaftsrecht, so lässt sich danach formulieren,

dient nur in begrenztem Maße zur Verteidigung einzelstaatlicher Rechtsprinzipien.

Vorschlag einer Neukonzeption der §§ 7–14 AStG

124

4. Teil. Vorschlag einer Neukonzeption

A. Allgemeine Anforderungen

Die gewonnenen Erkenntnisse werden vor dem Hintergrund der historischen Grund-

lagen und der neueren Entwicklung der Hinzurechungsbesteuerung gewürdigt. Nach-

dem in den vorangehenden Teilen deutlich wurde, dass die Hinzurechungsbesteuer-

ung in ihrer derzeitigen Form gegen höherrangige Rechtsvorschriften des Verfas-

sungs- und Gemeinschaftsrecht verstößt, sollen nun Perspektiven für die Hinzure-

chungsbesteuerung aufgezeigt werden. Aus verfassungsrechtlichen und gemeinschafts-

rechtlichen Gewährleistungen sollen Ansätze für eine tragfähige Grundlage der Hin-

zurechungsbesteuerung gewonnen werden.

I. Bestandsaufnahme fiskalpolitischer Rahmenbedingungen

Steueraufkommen. Bevor eine Neukonzeption der Hinzurechnungsbesteuerung

bewältigt werden kann, sind die fiskalpolitischen und rechtspolitischen Rahmenbedin-

gungen in diesem außensteuerlichen Regelungsbereich aufzunehmen. Ausgangspunkt

dieser Überlegungen ist dabei zunächst das mit der Hinzurechnungsbesteuerung er-

zielte Steueraufkommen. Seit Einführung des Außensteuergesetzes hatten sich in den

ersten 15 Jahren bis 1987 jährlich etwa 5,5 Millionen Euro Einnahmen nachweisen

lassen.503 Die Anzahl der Unternehmen, denen Einkünfte aus „Zwischengesell-

schaften“ zugerechnet wurden, lag in diesem Zeitraum zwischen circa 350 und 550,

die Zahl der betroffenen unbeschränkt Steuerpflichtigen lag bei etwa 1275 pro Jahr.504

Es ließ sich nur eine geringe Anzahl von Fällen nachweisen, in denen die Hinzurech-

nungsbesteuerung Bedeutung erlangte.505 Die Hinzurechnungsbesteuerung weist

deshalb in erster Linie eine prophylaktische Wirkung auf.506 Diese besteht darin, dass

503 Nachweis bei Wassermeyer, 15 Jahre Außensteuergesetz, DStR 1987, 635 (639). 504 Im Durchschnitt wurde also pro Unternehmen ein steuerlicher Mehrertrag zwischen ca. 9.000

Euro und 14.500 Euro erzielt. 505 Vgl. Wassermeyer, 15 Jahre Außensteuergesetz, DStR 1987, 635 (638 f.). 506 Vgl. Wassermeyer, 15 Jahre Außensteuergesetz, DStR 1987, 635 (638 f.).

167

e-standsaufnah-me

Vorschlag einer konzeption der

14 AStG

168

Von den Dublin-Docks Urteilen zur Aufhebung des § 10 Abs. 5 AStG

125

Gestaltungsmodelle gemieden werden, für welche die Hinzurechnungsbesteuerung

Anwendung finden könnte.

Bei der Einführung des Steuervergünstigungsabbaugesetzes vom 20. 11. 2002

wurden die Voraussetzungen für die Hinzurechnungsbesteuerung verschärft, insbe-

sondere unterliegen nach der Aufhebung des § 10 Abs. 5 AStG auch Einkünfte der

Hinzurechnungsbesteuerung, die bei Ausschüttung nach den Vorschriften der Dop-

pelbesteuerungsabkommen steuerfrei gestellt waren. Das Bundesfinanzministerium

prognostizierte in Folge der Verschärfung steuerliche Mehreinnahmen in Höhe von

100 Millionen Euro, verteilt auf fünf Veranlagungszeiträume.507 Die erwarteten Mehr-

einnahmen von 100 Millionen Euro entsprechen in etwa dem zwanzigfachen Betrag,

der seit der Einführung der Hinzurechnungsbesteuerung im Jahre 1972 bis zum Jahr

1987 als Steueraufkommen erzielt wurde.

Maßnahmen gegen „Dublin Docks“-Gesellschaften. Die Aufhebung des

§ 10 Abs. 5 AStG durch das Steuersenkungsgesetz stellte mithin eine Maßnahme

gegen so genannte „Dublin Docks“-Gesellschaften dar.508 Als Synonym für steuerliche

Gestaltungen unter Einschaltung einer irischen Kapitalgesellschaft verdanken „Dublin

Docks“-Gestaltungen ihren Namen einem ehemaligen Hafengebiet von Dublin

(Custom House Docks Area). Dort wurde ein Finanzdienstleistungszentrum errichtet,

um einen von Verfall und Arbeitslosigkeit betroffenen Stadtteil strukturell aufzurich-

ten.509 Bei einem Körperschaftsteuersatz von 11,5 % konnten die dort operierenden

Tochtergesellschaften die in Irland erwirtschafteten Erträge an ihre deutschen Mutter-

gesellschaften steuerfrei ausschütten. Im Doppelbesteuerungsabkommen der Bundes-

republik Deutschland mit der Republik Irland fehlt ein so genannter Aktivitätsvorbe-

halt:510 die Anwendung der Freistellungs- bzw. der Anrechnungsmethode511 zur Besei-

tigung der Doppelbesteuerung ist mithin nicht davon abhängig, ob die irische Toch-

507 Vgl. die Darstellung auf den Internetseiten des Bundesfinanzministeriums:

www.bundesfinanzministerium.de. 508 Vgl. hierzu Stephan Köhler, Aktuelles Beratungs-Know-How Internationales Steuerrecht, DStR

2003, 1156 (1158). 509 Vgl. zu Einzelheiten über die Entwicklung der Errichtung und den wirtschaftspolitischen Hin-

tergrund, Anthony Tulloch, StÄndG 1992: Die neue Hinzurechnungsbesteuerung im AStG als In-strument der Missbrauchsbekämpfung, DB 1992, 1444 (1446). 510 Vgl. Doppelbesteuerungsabkommen mit Irland: Abkommen zwischen der Bundesrepublik

Deutschland und Irland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuer-verkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuer vom 17. 10. 1962, BStBl. I 1964, 320, BGBl. II 1964, 266. 511 Dazu im Einzelnen K. Vogel, in: Vogel/Lehner, Einleitung, Rdnr. 86.

169

„Dublin Docks“ – Problematik

170

Von den Dublin-Docks Urteilen zur Aufhe-bung des

10

„Dublin Docks“ – Problematik

126

tergesellschaft bestimmte (aktive) Einkünfte erzielt.512 Nach dem Doppelbesteuer-

ungsabkommen Deutschland-Irland waren deshalb Dividenden nach Art. XXII Abs. 2

Satz 1 Buchst. a durch ein Schachtelprivileg begünstigt und konnten von den deut-

schen Muttergesellschaften steuerfrei bezogen werden. Auch das deutsche Außen-

steuerrecht beeinträchtigte diese Rechtslage nicht. Für den Fall, dass die irische Toch-

tergesellschaft passive Einkünfte im Sinne des § 8 Abs. 1 AStG erzielte, war nach § 10

Abs. 5 AStG von der Hinzurechnungsbesteuerung abzusehen, da die nach dem Dop-

pelbesteuerungsabkommen geltende Steuerbefreiung auch auf den Hinzurechnungs-

betrag anzuwenden war.

Vor der Aufhebung der Vorschrift in § 10 Abs. 5 AStG hatten Finanzverwaltung

und Gesetzgeber mehrfach versucht,513 Gewinne der „Dublin Docks“-Gesellschaften

der deutschen Besteuerung zu unterwerfen. Für bestimmte Kapitalanlagegesellschaf-

ten514 sollte die Anwendung von DBA-Schachtelprivilegien unterbunden werden.515

Als weitere Maßnahme war vorgesehen worden, das mit Irland bestehende Doppelbe-

steuerungsabkommen zu kündigen; eine solche Überlegung scheiterte jedoch am

Widerstand des auswärtigen Amtes.516 Danach richtete die Finanzverwaltung das

Augenmerk darauf, die in Irland erzielten Gewinne gestützt auf die Vorschrift des § 42

AO 1977 der deutschen Besteuerung zuzuführen. Dazu wurde argumentiert, es liege

in diesen Fällen ein Missbrauch vor, folglich sei durch die Gesellschaft „durchzugrei-

fen“ und wären die Einkünfte in Deutschland zu besteuern. Der Vorstellung, dass der 512 Vgl. dazu K. Vogel, in: Vogel/Lehner, Art. 23 Rdnrn. 74 ff. Siehe die tabellarische Aufstellung

bei Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 1034. 513 Vgl. dazu kritisch Ritter, Brauchen wir ein neues Steuerfluchtgesetz? BB 1992, 361 (364). 514 Gesetz vom 25. 2. 1992 zur Entlastung der Familien und zur Verbesserung der Rahmenbedin-

gungen für Investitionen und Arbeitsplätze – Steueränderungsgesetz 1992 – BGBl. I 297. 515 Es ging dabei um Fälle, in denen überschüssige Liquidität in eigens dafür eingesetzten Beteili-

gungsgesellschaften gesammelt wurde, wobei deren Zinserträge dort niedrig oder gar nicht besteuert wurden und bei Ausschüttung in Deutschland kraft Doppelbesteuerungsabkommen unbesteuert blie-ben. Vgl. Ritter, Brauchen wir ein neues Steuerfluchtgesetz? BB 1992, 361 (364); Gestaltungen, die zu einer doppelten Steuerfreiheit führten, wurden durch das revidierte Abkommen mit den USA die Grundlage entzogen. 516 Vgl. den Nachweis bei Wassermeyer, Schriftenreihe Beratungsakzente, 2002, 60; sowie Ritter,

Brauchen wir ein neues Steuerfluchtgesetz? BB 1992, 361 (364): Eine Abkommensrevision des Doppelbesteuerungsabkommens mit Irland war gescheitert. Die Kündigung eines Doppelbesteuer-ungsabkommens hätte als „unfriendly act“ zu Verstimmungen auf diplomatischer Ebene führen können. Zudem ist zu bedenken, dass die Fördermöglichkeiten in der Dublin Docks Area von der Europäischen Union ausgingen und hier die Bundesrepublik Deutschland bereits eine Mitwirkungs-pflicht hatte. Damit wäre eine Kündigung des Doppelbesteuerungsabkommens widersprüchlich gewesen, da einerseits die Fördermaßnahme mitgetragen wird, andererseits die Abschaffung des Doppelbesteuerungsabkommens zu Nachteilen für die Wirtschaftsbeziehungen mit der Republik Irland geführt hätte.

171

Von den Dublin-Docks Urteilen zur Aufhebung des § 10 Abs. 5 AStG

127

Einsatz ausländischer Kapitalgesellschaften in diesen Fällen missbräuchlich sein könnte,

ist der Bundesfinanzhof in seinen als „Dublin Docks“-Rechtsprechung bezeichneten

Urteilen entgegengetreten.517 Die Finanzverwaltung reagierte mit einem Nichtanwen-

dungserlass auf diese Rechtsprechung und verfügte, dass die Vorschrift des § 42

AO 1977 entgegen der Rechtsansicht des Bundesfinanzhofs angewendet werden

sollte.518 Auch die Einführung des § 42 Abs. 2 AO stellt eine Reaktion des Gesetzge-

bers auf die „Dublin Docks”-Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dar.519 Es sollte

eine Rechtsgrundlage geschaffen werden, um auf die Gewinne der irischen Gesell-

schaften zuzugreifen.520 Dem Gesetzgeber ging es dabei darum, die Anwendbarkeit der

allgemeinen Missbrauchsvorschrift (§ 42 AO 1977) neben §§ 7–14 AStG zu gewähr-

leisten.521 In der Gesetzesbegründung zu § 42 Abs. 2 AO 1977 wurde die „Dublin

Docks“-Rechtsprechung als Motiv für die Änderung des § 42 AO 1977 ausdrücklich

genannt, stand diese Rechtsprechung doch der gleichzeitigen Anwendung von allge-

meinen und speziellen Missbrauchsvorschriften aus Sicht von Verwaltung und Gesetz-

geber entgegen.522

An dem vom Bundesfinanzhof eingeschlagenen Kurs vermochte die Änderung des

§ 42 AO 1977 jedoch nichts zu ändern. Der Bundesfinanzhof geht davon aus, dass es

sich bei § 42 Abs. 2 AO 1977 um eine „Klarstellung“ handle,523 welche auf die

Rechtsprechung zum Verhältnis spezialgesetzlicher Missbrauchsverhinderungsnormen

einerseits und allgemeiner Missbrauchsbestimmungen andererseits keine Auswirkung

habe.524

517 BFH vom 19. 1. 2000 – I R 117/97, BFH/NV 2000, 824 und I R 94/97, BStBl. II 2001, 222

(Dublin Docks). 518 BMF vom 19. 3. 2001 – IV B 4 - S 1300 - 65/01, BStBl. I 2001, 243 = GmbHR 2001, 451. 519 Vgl. dazu Rättig/Protzen, Keine Behinderung der internationalen Steuerplanung durch § 42

Abs. 2 AO 1977 n. F., IStR 2002, 828. 520 BFH vom 20. 3. 2002 – I R 63/99, IStR 2002, 568; dazu Rättig/Protzen, IStR 2002, 828. 521 Genau dieser Zusammenhang wurde vom BFH in seinen Urteilen (BFH vom 19. 1. 2000 –

I R 117/97, BFH/NV 2000, 824 und I R 94/97, BStBl. II 2001, 222 Dublin Docks) verneint. Mit der Einführung des § 42 Abs. 2 AO 1977 sollte dessen Anwendung auch dann gewährleistet sein, wenn im Wege einer Wertung die Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung anwendbar waren, jedoch nicht die Hinzurechnungsbesteuerung steuerlich wirksam auslösten. 522 Vgl. die Begründung zur Neufassung des § 42 AO 1977, Bundestags-Drucksache 14/6877, 52. 523 BFH vom 20. 3. 2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819 unter B II 2 b cc. der Entscheidungs-

gründe. 524 Siehe dazu auch Bundestags-Drucksache 14/7341, 39 f. und Bundestags-Drucksache 14/6877,

52; zur Problematik Rättig/Protzen, Keine Behinderung der internationalen Steuerplanung durch § 42 Abs. 2 AO 1977 n. F., IStR 2002, 828; Gerd Rose/Cornelia Glorius-Rose, Bemerkungen zur aktuellen Missbrauchsrechtsprechung des BFH, DB 2003, 409.

172

Rechtssicherheit und Gestaltungsprophylaxe

128

Mit der Aufhebung des § 10 Abs. 5 AStG soll die Hinzurechnungsbesteuerung

auch Fälle erfassen, die nach den Doppelbesteuerungsabkommen steuerfrei gestellt

wären, wäre der ihnen zugrunde liegende Betrag ausgeschüttet worden.525 Dies trifft

die IFSC-Gesellschaften deswegen, weil Dividenden der dort ansässigen Gesellschaften

nach dem Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Irland bei Vorliegen der

Voraussetzungen einer Schachtelbeteiligung in der Bundesrepublik steuerfrei gestellt

waren und das Doppelbesteuerungsabkommen keinen Aktivitätsvorbehalt vorsieht.

Indes lässt sich auch nach Aufhebung des § 10 Abs. 5 AStG die Anwendung der §§ 7–

14 AStG vermeiden, so dass auch „Dublin-Docks“-Fälle weiterhin von der deutschen

Hinzurechnungsbesteuerung unbehelligt bleiben.

Die Rechtsentwicklung der jüngeren Vergangenheit hat gezeigt, welche Schwie-

rigkeiten im Regelungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung für Gesetzgeber und

Steuerpflichtigen bestehen. Einerseits können nach der Aufhebung des § 10 Abs. 5

AStG Einkünfte irischer Zwischengesellschaften im Inland der Besteuerung unterlie-

gen. Andererseits stellt sich im Hinblick auf die erwarteten Steuermehreinnahmen

nach der Abschaffung des § 10 Abs. 5 AStG die Frage, ob die gesetzgeberische Maß-

nahme lediglich dazu dient, Mehreinnahmen im Haushalt auszuweisen. Die Steuer-

pflichtigen werden der Anwendung der „prophylaktischen Wirkung“ der Hinzurech-

nungsbesteuerung entgehen, es erscheint durchaus fraglich, ob sich steuerliche Mehr-

einnahmen verwirklichen lassen. Für den Steuerpflichtigen bedeuten Gestaltungsopti-

onen im Bereich der Hinzurechnungsbesteuerung letztlich Unsicherheit und fehlende

Planbarkeit des Steuerzugriffs. Im Folgenden soll dies beispielhaft mit einer Gestal-

tungsüberlegung verdeutlicht werden, an der sich die widersprüchlichen Konsequen-

zen der derzeit geltenden Hinzurechnungsbesteuerung aufzeigen lassen.

Diese Gestaltungsidee basiert auf einer Entscheidung des Großen Senats des Bun-

desfinanzhofs und behandelt einen Sonderfall der Bilanzierung von Dividendenan-

sprüchen, die „phasengleiche Aktivierung”. Die Frage, ob ein mehrheitlich beteiligter

Anteilseigner Dividendenansprüche gegen eine Tochtergesellschaft schon in dem

Wirtschaftsjahr bilanzieren kann, in dem die der Gewinnausschüttung zugrunde lie-

genden Gewinne bei der Tochtergesellschaft erzielt werden, war Gegenstand dieses

Beschlusses des Großen Senats des Bundesfinanzhofs im Jahre 2000.526 In dem dieser

525 Änderungen durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz (StVergAbG) vom 20. 11. 2002; vgl.

hierzu Sieker, Steuervergünstigungsabbaugesetz: Vorgesehene Verschärfungen der Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2003, 78 f. 526 BFH vom 7. 8. 2000 – GrS 2/99, BStBl. II 2000, 632, BFHE 192, 339.

173

174

Gestal-tungsü-berlegung

175

Rechtssicherheit und tungsprophylaxe

Gestaltungsüberlegung

129

Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte die Muttergesellschaft ein Interes-

se an der (um ein Wirtschaftsjahr vorgezogenen) Bilanzierung der Dividenden-

ansprüche gegen die von ihr beherrschte Tochtergesellschaft, da in diesem Wirt-

schaftsjahr der Muttergesellschaft letztmals ein Verlustrücktrag nach § 10d EStG zur

Verrechnung mit den Gewinnen in Anspruch genommen werden konnte. Der Große

Senat des Bundesfinanzhofs ging in seinem Beschluss davon aus, dass der Dividenden-

anspruch grundsätzlich kein „Wirtschaftsgut” darstelle und damit nicht aktivierungsfä-

hig sei. Bei einer zum Betriebsvermögen eines Unternehmens gehörenden Mehrheits-

beteiligung könne sowohl handels- als auch steuerrechtlich die Verpflichtung beste-

hen, einen rechtlich noch nicht, aber wirtschaftlich bereits entstandenen Dividenden-

anspruch in dem Jahr zu aktivieren, in dem er (zeitgleich) bei der Beteiligungsgesell-

schaft entstanden ist. Maßgebend sei, ob sich die Forderung schon so weit konkreti-

siert habe, dass sie wirtschaftlich als Vermögensgegenstand qualifiziert werden könne.

Um einen Dividendenanspruch, der zivilrechtlich nach einem Bilanzstichtag durch

Gewinnverwendungsbeschluss entstehe, bilanzieren zu können, komme es darauf an,

ob es sich bei der künftigen Dividendenforderung um ein „Wirtschaftsgut” handle.

Der Begriff „Wirtschaftsgut” sei gleichbedeutend mit dem Begriff „Vermögensgegens-

tand” und setze voraus, dass ein Ausweis nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer

Buchführung erfolge. Das Vorsichtsprinzip und das Prinzip der selbständigen Bewert-

barkeit erforderten, dass eine phasengleiche Aktivierung grundsätzlich nicht in Be-

tracht komme. Ein Kaufmann würde sich eine noch nicht entstandene Forderung

kaum etwas kosten lassen, selbst bei einer 100 %-Beteiligung.

Zur Entwicklung der Gestaltungsidee in Bezug zur Hinzurechnungsbesteuerung

sind die vom Großen Senat aufgezeigten Ausnahmemöglichkeiten interessant. Eine

wirtschaftliche Abspaltung einer Dividendenforderung könne zeitlich früher nur

ausnahmsweise dann und insoweit angenommen werden, wenn zum Bilanzstichtag

ein Bilanzgewinn der Gesellschaft auszuweisen ist, der mindestens ausschüttungsfähige

Bilanzgewinn den Gesellschaftern bekannt ist und für diesen Zeitpunkt anhand objek-

tiver Anhaltspunkte nachgewiesen ist, dass die Gesellschafter endgültig entschlossen

sind, eine bestimmte Gewinnverwendung künftig zu beschließen.527 Nur unter diesen

Voraussetzungen sei es steuerbilanziell denkbar, dass eine Dividendenforderung als

Wirtschaftsgut nicht erst mit der Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses, sondern

bereits am Bilanzstichtag entstehe. Die Anwendung dieser Ausnahmemöglichkeit

würde sich auch bei gleichzeitiger Hinzurechnungsbesteuerung auswirken. Die vom

176

Rechtssicherheit und Gestaltungsprophylaxe

130

Großen Senat ausgewiesenen Ausnahmevoraussetzungen für die Bilanzierung nach

den Grundsätzen der phasengleichen Dividendenbesteuerung können gerade von

mehrheitlich beteiligten Steuerpflichtigen erfüllt werden, die auch die persönlichen

und sachlichen Tatbestandsmerkmale der Hinzurechnungsbesteuerung erfüllen.

Nach der Fiktion des § 10 Abs. 2 Satz 2 AStG erhöht der Hinzurechnungsbetrag

den Gewinn der inländischen Gesellschaft für das Wirtschaftsjahr, das nach dem Ablauf

des maßgebenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft endet. Geht man

der Einfachheit halber davon aus, dass Mutter- und Tochtergesellschaft ihren Gewinn

in übereinstimmenden Wirtschaftsjahren ermitteln, bedeutet die phasengleiche Akti-

vierung der Gewinnansprüche in der Bilanz der Muttergesellschaft, dass diese die

Dividende schon zeitlich vor dem Veranlagungszeitraum vereinnahmen kann, in dem

der Zufluss des Hinzurechnungsbetrags fingiert würde. Es entsteht damit eine Kollisi-

on zwischen tatsächlichem Zufluss und der Fiktion des Zuflusses des Hinzurechnungs-

betrags. Überlegt man nun weiter, ob die Hinzurechnungsbesteuerung anzuwenden

ist, obwohl die Dividende schon steuerbilanziell erfasst wurde, treten die systemati-

schen Schwächen zutage, die das derzeit geltende Hinzurechnungsbesteuer-

ungskonzept aufweist. In ertragsteuerlicher Hinsicht gilt, dass mit Einführung des § 8b

Abs. 1 KStG die Muttergesellschaft die Dividenden steuerfrei vereinnahmen kann.

Dies gilt in diesem Zusammenhang jedoch nur eingeschränkt. Beim Bezug von Divi-

denden ausländischer Gesellschaften gelten 5 % dieser Bezüge als Betriebsausgaben, die

nicht abgezogen werden dürfen (§ 8b Abs. 5 KStG). Damit sind im Ergebnis 95 % der

ausländischen Dividende steuerfrei, in Höhe von 5 % besteht eine faktische Steuer-

pflicht.

Bei einer am Wortlaut des § 7 Abs. 1 AStG orientierten Auslegung käme die An-

wendung der Hinzurechnungsbesteuerung in Betracht. Das Konzept der §§ 7–14

AStG geht jedoch davon aus, dass eine Ausschüttung der Dividende erst nach Ablauf

des Wirtschaftsjahres der Zwischengesellschaft vorgenommen wird. Die Besteuerung

der Anteilseigner wird bis zur Ausschüttung seitens der Gesellschaft hinausgeschoben,

die Kapitalgesellschaft entfaltet in steuerlicher Hinsicht eine Abschirmwirkung. Im

außensteuerlichen Kontext bedeutet diese Abschirmwirkung, dass Gewinne ausländi-

scher Kapitalgesellschaften, an denen inländische Anteilseigner beteiligt sind, so lange

der inländischen Besteuerung entzogen sind, als Ausschüttungen unterbleiben. Die

Hinzurechnungsbesteuerung kann ihr Ziel, die Beseitigung der Aufschub- und Ab-

527 BFH vom 7. 8. 2000 – GrS 2/99 – BStBl. II 2000, 632, BFHE 192, 339; unter C. II. 3. der

Entscheidungsgründe.

177

178

Gestaltungsüberlegung

131

schirmwirkung der ausländischen Kapitalgesellschaft, nicht erreichen. Ein steuerlicher

Missbrauch kommt bei solchen Gestaltungen nicht in Frage, da das Besteuer-

ungssubstrat mit der Bilanzierung bei der Muttergesellschaft schon ins Inland gelangt.

Bei der vom Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung geleiteten Auslegung verbietet

sich die Anwendung der §§ 7–14 AStG. Es käme dann zu einer teilweisen doppelten

Besteuerung, da faktisch bereits 5 % der Dividende wegen § 8b Abs. 5 KStG im In-

land steuerpflichtig sind. Die doppelte Erfassung der Dividende ist unter verfassungs-

rechtlichen Aspekten zweifelhaft. Nach der ursprünglichen Konzeption sollten die

§§ 7–14 AStG der Verlagerung von Einkunftsquellen in niedrig besteuernde Staaten

durch Einschaltung von Basisgesellschaften entgegenwirken. Daraus entstehende

„ungerechtfertigte Steuervorteile” sollten eliminiert werden. Die Eindämmung der

„Steuerflucht” ins Ausland stelle einen „typischen Fall einer verhaltenslenkenden Be-

steuerung” dar.528 Soweit die Hinzurechnungsbesteuerung einen Verstoß gegen den

Grundsatz der Lastengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) begründete, fand diese eine prinzi-

pielle Rechtfertigung in Erwägungen des Gemeinwohls, namentlich in dem Schutz

vor steuerlichen Fehlentwicklungen, die sich aus der Missbrauchneigung bei Einschal-

tung von Basisgesellschaften ergeben kann. Die Einschaltung einer Basisgesellschaft

stellt für sich gesehen keinen Missbrauch i. S. von § 42 AO 1977 dar, solange wirt-

schaftliche oder sonst beachtliche Gründe für die Einschaltung der Gesellschaft vor-

handen sind.529 Die Zielrichtung der Hinzurechnungsbesteuerung veränderte sich nach

der durch das Steuersenkungsgesetz geschaffenen Rechtslage. Sie soll nun dazu dienen,

für bestimmte passive Einkünfte eine „ausreichende Vorbelastung” zu erzeugen. Die

als nicht ausreichend angesehene steuerliche Vorbelastung wird danach ersatzweise

beim inländischen Anteilseigner nach erhoben, um die gleiche steuerliche Vorbelas-

tung in- und ausländischer Beteiligungserträge zu erreichen. Mit den Änderungen

durch das Steuersenkungsgesetz wird die Hinzurechnungsbesteuerung inhaltlich auf

eine neue dogmatische Grundlage gestellt, ohne dass dies ausdrücklich im Gesetz

angesprochen wird.530 In Fällen der phasengleichen Aktivierung von Dividenden, die

in dem der Aktivierung folgenden Wirtschaftsjahr der Hinzurechnungsbesteuerung

unterliegen würden, sind Missbrauchs- oder Steuerfluchtmotive von vornherein

ausgeschlossen, da die Abschirmwirkung der ausländischen Gesellschaft keine Bedeu-

tung hat. Für eine Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung fehlt nach der ur-

528 BVerfG vom 14. 5. 1986 – 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 245. 529 BFH in ständiger Rechtsprechung, vgl. BFH vom 19. 1. 2000 – I R 94/97, BStBl. II 2000, 222

unter 1a) der Entscheidungsgründe. 530 Vgl. hierzu Lieber, in: Hermann/Heuer/Raupach, a.a.O., Vor § 7 AStG, Rdnr. 5.

Rechtssicherheit und Gestaltungsprophylaxe

132

sprünglichen Konzeption die Rechtfertigung. Fraglich ist deshalb, ob das Argument

der „Vorbelastung” eine doppelte steuerliche Erfassung aus verfassungsrechtlicher

Sicht rechtfertigen kann.

Wenn damit der Verdacht eines Missbrauchs oder ein Hinweis auf Steuerflucht e-

vident ausgeschlossen werden müssen, weil die Abschirmwirkung der ausländischen

Gesellschaft nicht zum Tragen kommt und die Ausschüttung auch tatsächlich erfolgt,

ist der Sinn und Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung schon vom Steuerpflichtigen

selbst erfüllt worden. Eine Anwendung der §§ 7–14 AStG kommt aus teleologischen

Gründen nicht in Frage. Bei verfassungskonformer Auslegung der §§ 7–14 AStG

verbietet sich deshalb deren zusätzliche Anwendung. Konsequent weiter gedacht

bedeutet dies, dass insbesondere diejenigen Steuerpflichtigen, die typischerweise der

Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen würden, mit Hilfe des Instruments der pha-

sengleichen Aktivierung von Dividendenansprüchen die Hinzurechnungsbesteuerung

unter Missbrauchsaspekten vermeiden könnten. Damit wäre es möglich, durch die

Einschaltung einer inländischen Kapitalgesellschaft, die an der ausländischen Zwi-

schengesellschaft wesentlich beteiligt ist, die Hinzurechnungsbesteuerung faktisch leer

laufen zu lassen.

Ob mit der phasengleichen Aktivierung die Hinzurechnungsbesteuerung vermie-

den werden kann, hängt zunächst davon ab, ob die strengen Voraussetzungen für die

Ausnahmen erfüllt werden, die nach Ansicht des Großen Senats erforderlich sind, um

eine phasengleiche Aktivierung zu rechtfertigen. Insoweit bedarf es im Interesse der

Rechtssicherheit eines objektiven Nachweises, der sich auf den ausschüttungsfähigen

Bilanzgewinn und auf die feste Ausschüttungsabsicht der Gesellschafter beziehen muss.

Für den Nachweis reicht es nicht aus, dass die Ausschüttungsabsicht vermutet oder

unterstellt werden kann, die Beweislast hierfür trägt derjenige, der sich zu seinen

Gunsten auf eine phasengleiche Aktivierung beruft.531 Das heißt für den Steuer-

pflichtigen, dass er dafür Sorge tragen sollte, dass schon vor Ablauf des Wirtschaftsjah-

res der Gewinn der ausländischen Tochter feststeht und dass dies sicher dokumentiert

ist. Zur Absicherung des Nachweises der Ausschüttungsbereitschaft könnten schriftli-

che oder notariell beglaubigte Absichtserklärungen dienen. Die Ausnahmevorausset-

zungen für die phasengleiche Aktivierung werden regelmäßig von Steuerpflichtigen

erfüllt werden können, die potentiell der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen

können, da sie mehrheitlich an einer Gesellschaft beteiligt sind und damit über ihren

Einfluss auf die Tochtergesellschaft veranlassen können, dass die erforderlichen Be-

531 BFH vom 7. 8. 2000 – GrS 2/99, BStBl. II 2000, 632, BFHE 192, 339 unter C. II. 3.

179

180

Gestaltungsüberlegung

133

schlüsse gefasst und die Nachweise diesbezüglich geführt werden. Es bietet sich inso-

weit an, den Einsatz der phasengleichen Aktivierung in Erwägung zu ziehen. Die

Antwort auf die Frage, ob diese Vorgehensweise angeraten werden kann, um mit

Hilfe der phasengleichen Aktivierung die Folgen der Hinzurechnungsbesteuerung zu

vermeiden, ist mehrdimensional zu beantworten. Zunächst ist zu klären, ob die aus-

ländische Gesellschaft den Tatbestand des § 42 AO 1977 erfüllt, was regelmäßig nur

bei sog. „Briefkastengesellschaften” anzunehmen sein wird. Ist das nicht der Fall, so ist

die phasengleiche Aktivierung selbst nicht rechtsmissbräuchlich unter dem Gesichts-

punkt der Umgehung der §§ 7–14 ff. AStG, da die Abschirmwirkung der ausländi-

schen Gesellschaft nicht genutzt wird. Mit der Aktivierung der Dividendenansprüche

gelangt das Besteuerungssubstrat ins Inland und löst die steuerliche Folge des § 8b

Abs. 5 KStG aus. Die Vermeidung der Hinzurechnungsbesteuerung ist insoweit nicht

als „unangemessen” im Sinne des § 42 AO 1977 anzusehen. Dass der ausgeschüttete

Betrag im Inland nicht (voll) besteuert wird, ergibt sich aus der Systemkonsequenz des

vom Gesetzgeber selbst geschaffenen Ordnungsrahmens. Die Voraussetzungen der

§§ 7–14 ff. AStG sind im Wortlaut zwar grundsätzlich anwendbar, allerdings stellen

sowohl Zweckmäßigkeitsüberlegungen als auch verfassungsrechtliche Aspekte gewich-

tige Gründe dafür dar, dass die Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung ausge-

schlossen ist. Dies würde gegen den Grundsatz der Lastengleichheit aus Art. 3 Abs. 1

GG verstoßen, eine Rechtfertigung mit dem Argument der „ausreichenden Vorbelas-

tung” kann mit guten Gründen widerlegt werden. Nachdem die Aufhebung des § 10

Abs. 5 AStG die Möglichkeit eröffnet, Gewinne ausländischer Gesellschaften der

Hinzurechnungsbesteuerung zu unterwerfen, für die das DBA-Schachtelprivileg

entsprechend anwendbar war, müssen insbesondere Beteiligungen an IFSC-

Gesellschaften in Irland daraufhin überprüft werden, ob sich die Investition überhaupt

wirtschaftlich lohnt. Mit der „phasengleichen Aktivierung” der Gewinne könnten

diese steuergünstig ins Inland ausgeschüttet werden.

Fazit. Anhand eines Sonderfalls lässt sich aufzeigen, dass die steuersystematischen

Defizite, die sich daraus ergeben, dass der Gesetzgeber die Vorschriften der Hinzu-

rechnungsbesteuerung nicht an die nach dem Steuersenkungsgesetz veränderten Rah-

menbedingungen angepasst hat, immer wieder durchschlagen und letztlich aus verfas-

sungsrechtlichen Gründen die Hinzurechnungsbesteuerung durchweg zu beanstanden

ist. Theoretisch würde die konsequente „phasengleiche Dividendenaktivierung” die

Hinzurechnungsbesteuerung bedeutungslos machen. Eine Rechtfertigung mit dem

Argument, die Dividendenbesteuerung erfordere eine „Vorbelastung”, greift nicht

durch: Nicht die Dividendenbesteuerung erfordert eine „Vorbelastung”, sondern die

181

Grundlagen für eine Neuausrichtung der §§ 7–14

Grundlagen für eine Neuausrichtung der §§ 7–14 AStG

134

Hinzurechnungsbesteuerung muss diese für sich selbst unterstellen, da sie sonst selbst

versagt. Das System der Hinzurechnungsbesteuerung knüpfte ursprünglich daran an,

dass der Steuerpflichtige Vorteile erzielen konnte, die im Steuersystem des ausländi-

schen Staates begründet waren. Nach der durch das Steuersenkungsgesetz geschaffenen

Rechtslage muss sich die Hinzurechnungsbesteuerung dafür rechtfertigen, dass die

Vorteile, die der Steuerpflichtige ziehen kann, wegen des Systems der inländischen

Besteuerung im Inland wirksam werden. Die Hinzurechnungsbesteuerung wurde

vormals benötigt, um Abschirmmöglichkeiten zu minimieren. Inzwischen entstehen

wegen § 8b Abs. 1 KStG keine negativen steuerlichen Folgen bei Ausschüttung aus-

ländischer Einkünfte, die Hinzurechnungsbesteuerung kann jedoch nicht an die Stelle

des Anrechnungsverfahrens treten, weil sie sonst das Hindernis (die Heraufschleusung

der „Ausschüttungsbelastung“) selbst erzeugen würde, zu dessen Überwindung sie

entwickelt worden war. Die insofern bestehenden Unstimmigkeiten werden sich

weiter perpetuieren, bis das Außensteuergesetz umfassend an die veränderten Gege-

benheiten angepasst wird.

Anhand der vorgegangenen Untersuchung konnte nachgewiesen werden, dass der

Systemwechsel vom körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren hin zu einer

typisierten Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung ein verfas-

sungsrechtliches Dilemma erzeugte. Die Ursache hierfür liegt insbesondere darin, dass

die durch das Steuersenkungsgesetz begonnene Reform der Unternehmensbesteuer-

ung der Hinzurechnungsbesteuerung – insbesondere durch die Abschaffung des kör-

perschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens – die Grundlage entzogen hat. Da Ge-

winnausschüttungen steuerfrei gemäß § 8b Abs. 1 KStG von einer Kapitalgesellschaft

bezogen werden können, kommt es auf die Ausnutzung der Abschirmwirkung auslän-

discher Gesellschaften nicht mehr an.

Die verfassungsrechtlichen Vorgaben sind – was die Frage der Typisierung anbe-

trifft – streng und geben in Bezug auf die Hinzurechnungsbesteuerung einen eindeuti-

gen Befund: Stellt sich heraus, dass die Typisierung nicht den in der Realität wahr-

nehmbaren Verhältnissen entspricht, widerspricht dies den Anforderungen des Grund-

gesetzes. Nach den vorgehend angestellten verfassungsrechtlichen Überlegungen ver-

bietet sich deshalb, eine Hinzurechnungsbesteuerung aufrechtzuerhalten, mit der die

Vorbelastung niedrig besteuerter ausländischer Gewinne erzeugt wird. Dies ist allein

eine Aufgabe, die vom Körperschaftsteuersystem bewerkstelligt werden muss.

Eine Neukonzeption der Hinzurechnungsbesteuerung wird daher auch von den

Systemvoraussetzungen bestimmt, in die sich eine solche Regelung einfügen muss. Zu

hoffen bleibt, dass ein sinnvolles und durchdachtes Konzept die derzeit geltende Er-

182 Die Schluss-anträge in der Rs. Cadbury

183

184

Die Schlussanträge in der Rs. Cadbury

135

tragsteuersystematik ablöst.532 Die Bedenken gegen die Hinzurechnungsbesteuerung,

die sich aus der Untersuchung am Maßstab des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 3

GG ergeben haben, zeigen, dass der Gesetzgeber nur begrenzt das wirtschaftliche

Verhalten des Steuerpflichtigen vorbestimmen kann. Hierin kann man ein Kernprob-

lem der Hinzurechnungsbesteuerung erkennen, mit der sich der Gesetzgeber in wirt-

schaftlich sinnvolle Gestaltungen und Investitionsmöglichkeiten einschalten will,

anstatt am wirtschaftlichen Erfolg des Steuerpflichtigen teilzuhaben.

Für die Abschaffung der Hinzurechnungsbesteuerung in ihrer derzeit gültigen Fas-

sung sprechen gewichtige Gründe. Man kann diese Gründe auf den Nenner bringen,

dass die Hinzurechnungsbesteuerung zu einem Besteuerungsinstrument geworden ist,

in dem sich die Komplexität und Widersprüchlichkeit des geltenden Ertragsteuerrechts

widerspiegelt. Insofern ist die Hinzurechnungsbesteuerung ein Symptom unzulängli-

cher Gesetzgebungspraktiken. Zugleich versucht der Gesetzgeber, unerwünschte

Sachverhalte zu sanktionieren, mithin liegt darin ein Versuch, das wirtschaftliche

Verhalten der Steuerpflichtigen zu bestimmen und beeinflusst somit die Erwerbsmög-

lichkeit, den der Steuerzugriff an sich bloß aufnehmen und abschöpfen sollte.

Stellt man sich der Aufgabe, eine Konzeption einer Hinzurechnungsbesteuerung

zu entwerfen, muss zunächst überlegt werden, die Hinzurechnungsbesteuerung in

ihrer Zielsetzung danach auszurichten, weitgehende wirtschaftliche Erwerbsmöglich-

keiten des Steuerpflichtigen zu erhalten und zugleich die Teilhabe des Staates am

wirtschaftlichen Erfolg des Steuerpflichtigen zu sichern. Der Steuerpflichtige soll bei

größtmöglicher Betätigungsfreiheit von Vorteilen des gemeinsamen europäischen

Marktes profitieren können. Im Kern darf es bei einer Neukonzeption der Hinzu-

rechnungsbesteuerung nicht mehr darum gehen, wirtschaftliches Verhalten des Steuer-

pflichtigen vorherzubestimmen, sondern ein Mittel zur Durchsetzung des Steuer-

anspruchs zu schaffen, welches die staatliche Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg

sicherstellt. Die Schwelle für das Eingreifen einer Hinzurechnungsbesteuerung muss so

weit zurück genommen werden, dass der Steuerpflichtige nur dann in Anspruch

genommen wird, wenn die Teilhabe des Fiskus an seinem Ertrag gefährdet ist. Mit der

derzeitigen Konzeption der Hinzurechnungsbesteuerung sind erhebliche und durch-

greifende Zweifel im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht

verbunden. Der Europäische Gerichtshof könnte allerdings eine Regelung akzeptie-

ren, welche die Ausnutzung der Abschirmwirkung als spezielle Form des Missbrauchs

von der Hinzurechnungsbesteuerung erfassen würde.

532 Vgl. hierzu etwa Elicker, Entwurf einer proportionalen Netto-Einkommensteuer, Köln, 2004.

185

186

Der Entscheidungsvorschlag des GA Léger

136

II. Aktuelle Entwicklungen vor dem EuGH: Die Rechtssache Cadbury

Der Entscheidungsvorschlag in der Rechtssache Cadbury. Nach Auffassung

des Generalanwaltes Léger stehen die Art. 43 und 48 EG-Vertrag der angefochtenen

britischen Regelung allerdings nicht entgegen, sofern diese Regelung nur für rein

künstliche Konstruktionen gelte, die auf die Umgehung des nationalen Steuerrechts

ausgerichtet sind. Dem Steuerpflichtigen muss es möglich sein, sich durch den Nach-

weis zu entlasten, dass „die von ihm kontrollierte Tochtergesellschaft tatsächlich im Niederlas-

sungsstaat ansässig ist und dass es sich bei den Umsätzen, die zu einer Minderung der Steuer-

belastung der Muttergesellschaft geführt haben, um in diesem Staat tatsächlich erbrachte Leistun-

gen handelt und dass sie nicht ohne wirtschaftliches Interesse für die Tätigkeit der Muttergesell-

schaft waren.“533

Prüfungsmaßstab in dem Streitfall ist nach Auffassung des Generalanwaltes Léger

die Niederlassungsfreiheit, da eine Beteiligung in Frage stehe, aufgrund derer Einfluss

auf die Entscheidungen dieser Gesellschaft ausgeübt und deren Tätigkeiten bestimmt

werden könne.534 Die Kapitalverkehrsfreiheit findet demgegenüber Anwendung,

wenn keine Einflussmöglichkeit bestehe.535 Dass die ausländischen Gesellschaft Dienst-

leistungen erbringe, stelle nach Ansicht des Generalanwaltes Léger im Streitfall eine

Folge der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar.536

Nach Ansicht des Generalanwalts wird die Niederlassungsfreiheit nicht miss-

bräuchlich ausgenutzt, wenn eine Muttergesellschaft in einem anderen Mitglied-

staat eine Tochtergesellschaft gründet, um in den Genuss der in diesem Staat gelten-

den günstigeren Steuerregelung zu kommen.537 Es werde sonst dieser Gesellschaft die

Möglichkeit genommen, sich auf die Rechte aus den Artikeln 43 EG-Vertrag und 48

EG-Vertrag zu berufen.538 Aus diesen Artikeln des EG-Vertrages ergebe sich aus-

drücklich das Recht, in einem anderen Mitgliedstaat nach dessen für seine eigenen

Angehörigen geltenden Bestimmungen Agenturen, Zweigniederlassungen oder Toch-

tergesellschaften zu gründen.539 Der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit sei eröff-

net, wenn eine „tatsächliche und echte“ Tätigkeit in dem anderen Mitgliedsstaat

533 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 151. 534 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnrn. 31 und 38. 535 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 32. 536 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 36. 537 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 40. 538 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 40. 539 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 41.

Der Entscheidungsvorschlag des GA Léger

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Die Schlussanträge in der Rs. Cadbury

137

ausgeübt werde.540 Dabei handelt es sich um eine Tatfrage, die von den nationalen

Gerichten geklärt werden müsse.541 Es ist grundsätzlich legitim, wenn der Steuer-

pflichtige bei seiner Investitionsentscheidung das niedrige Besteuerungsniveau berück-

sichtige.542 Es stehe dem Sinn und Zweck von Art. 43 EG-Vertrag nicht entgegen,

wenn eine Geschäftstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt werde, um bei

der Besteuerung der dort steuerbaren Tätigkeiten in den Genuss der günstigeren

Steuerregelung dieses anderen Mitgliedstaats zu kommen.543 Dass ein Steuerwettbe-

werb in der Europäischen Union entstanden sei, könne sich auf die Schutzwirkung

der Niederlassungsfreiheit nicht auswirken; der Steuerwettbewerb stellt nach Auffas-

sung des Generalanwaltes ein politisches Problem dar, welches auch politisch gelöst

werden müsse.544

Eine Diskriminierung sei gegeben, da die CFC-Regelung sich nach dem im

Mitgliedstaat der Niederlassung geltenden Steuersatz richte, es sei deshalb davon aus-

zugehen, dass diese Regelung die Niederlassungsfreiheit beschränke.545 Eine Diskrimi-

nierung liegt nach der Darstellung des Generalanwaltes vor, wenn unterschiedliche

Vorschriften auf gleiche Situationen angewendet werden oder wenn dieselbe Vor-

schrift auf unterschiedliche Situationen angewendet werde.546 Im Streitfall sei von

einer Diskriminierung auszugehen, da diejenigen Gesellschaften benachteiligt werden,

die eine Tochtergesellschaft in Irland gegründet haben.547 Diese steuerliche Behand-

lung sei geeignet, eine gebietsansässige Gesellschaft von der Inanspruchnahme ihres

Rechts auf Niederlassung abzuhalten.

Nach Auffassung des Generalanwaltes kommen zwei vergleichbare Situationen in

Betracht, die als Diskriminierung beurteilt werden könnten: Erstens, sei die Situation

einer in Großbritannien ansässigen Muttergesellschaft mit einer anderen ebenfalls in

Großbritannien ansässigen Gesellschaft vergleichbar, die ihre Tochtergesellschaft im

Vereinigten Königreich gegründet hat.548 Zweitens bestehe eine Vergleichbarkeit zu

einer in Großbritannien ansässigen Gesellschaft, die eine Tochtergesellschaft in einem

Mitgliedstaat gegründet habe, dessen Steuerrecht nicht so günstig sei, dass der Anwen-

540 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 50. 541 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 50. 542 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 51. 543 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 51. 544 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnrn. 55–60. 545 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 83. 546 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 78. 547 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 74. 548 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 74.

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191

Der Entscheidungsvorschlag des GA Léger

138

dungsbereich der CFC-Regelungen eröffnet wäre.549 Eine unterschiedliche Behand-

lung ergebe sich im Streitfall daraus, dass je nach dem für die Tochtergesellschaft

geltenden Steuersatz eine unterschiedliche Behandlung angeordnet werde.550 Die

Mitgliedstaaten seien jedoch nicht befugt, Gesellschaften, die in anderen Mitgliedstaa-

ten Tochtergesellschaften errichten, nach Maßgabe des im Aufnahmemitgliedstaat

anwendbaren Steuersatzes unterschiedlich zu behandeln.551 Ein Mitgliedstaat sei insbe-

sondere nicht berechtigt, die Mitgliedstaaten auszuwählen, in denen Tochtergesell-

schaften die steuerlichen Rahmenbedingungen in Anspruch nehmen dürfen.552

Es könne dahin stehen, ob eine Diskriminierung auch vorliege, wenn die Mutter-

gesellschaft der gleichen Steuerbelastung unterliegt, die bei Ansässigkeit der Tochter-

gesellschaft in Großbritannien entstanden wäre.553 Dieser Umstand ändere nichts

daran, dass eine in Großbritannien ansässige Gesellschaft, die eine nicht niedrig besteu-

erte Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat gegründet habe, im Vergleich

zu einer Muttergesellschaft mit einer niedrig besteuerten Tochtergesellschaft unter-

schiedlich behandelt werde.554

Die sich aus dieser Diskriminierung ergebende Beschränkung der Niederlassungs-

freiheit könne gerechtfertigt sein. Der allein in Betracht gezogene Rechtfertigungs-

grund der Bekämpfung von Steuerflucht greife ein, wenn die beschränkend

wirkende Steuernorm nicht nur eine allgemein definierte Situation erfasse, sondern es

dem nationalen Gericht ermögliche, bestimmten Steuerpflichtigen oder Gesellschaften

im Einzelfall die Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu versagen, wenn sie eine

künstliche Konstruktion geschaffen haben, um der Steuer zu entgehen.555 Die Frage,

ob und gegebenenfalls inwieweit Umsätze zwischen einer beherrschten ausländischen

Gesellschaft und ihrer Muttergesellschaft, die zu einem Rückgang des steuerpflichtigen

Gewinns der Muttergesellschaft führen, den Tatbestand einer Steuerflucht verwirkli-

che, sei im Wege einer Abwägung zu beurteilen.556 Bei dieser Abwägung sei zu be-

rücksichtigen, dass die Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse der Mitgliedstaaten

549 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 74. 550 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 78. 551 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 81. 552 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 80. 553 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 76 f. 554 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 76. 555 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnrn. 85 ff. 556 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 104.

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Die Schlussanträge in der Rs. Cadbury

139

nicht in Frage gestellt werden dürfe und andererseits der Wirkungsbereich der Nieder-

lassungsfreiheit aufrechterhalten bleibe.557

Es sei deshalb zu prüfen, ob die Gründung der beherrschten ausländischen Gesell-

schaft in einem Staat mit niedrigem Besteuerungsniveau und die von dieser gegenüber

der Muttergesellschaft getätigten Umsätze, die eine Herabsetzung der Steuerbelastung

der Muttergesellschaft im Herkunftsstaat zur Folge haben, wirklich Geschäfte darstel-

len, die dem Zweck der Niederlassungsfreiheit entsprechen.558 Die danach entschei-

dende Frage, ob eine rein künstlichen Konstruktion vorliege, die darauf ausgerichtet

sei, dem nationalen Steuerrecht zu entgehen, sei nur auf der Grundlage objektiver

Kriterien und nicht nach subjektiven Kriterien zu beantworten.559 Als Kriterien könn-

ten die „Realität des Standorts der Tochtergesellschaft“560, die „Echtheit der erbrach-

ten Leistungen“561 und die „Wertschöpfung“ durch die Tätigkeit der Tochtergesell-

schaft in Betracht gezogen werden.562

Zwar sei die britische CFC-Regelung geeignet, um Steuerumgehungen zu ver-

meiden. Die Vorschrift hebe die Wirkungen von steuerschädlichen Praktiken auf,

indem sie die von der beherrschten ausländischen Gesellschaft erzielten Gewinne in

die Besteuerungsgrundlage der Muttergesellschaft einbeziehe.563 Die Regelung sei

jedoch nicht erforderlich, da nach dem „Motivtest“ nicht in jedem Fall sicher der

557 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnrn. 102 f. 558 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 105. 559 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 110; der Generalanwalt nimmt

etwa in Rdnr. 121 bezug auf die subjektiven Absichten, auf die für die Prüfung der „Echtheit“ der Umsätze nicht ankommen solle. 560 Daher sei zu prüfen, ob die Tochter über Räumlichkeiten, Personal und Ausrüstung verfügt,

die zur Erbringung der Leistungen erforderlich sind, vgl. Schlussanträge, a.a.O., Rdnr. 112. 561 Gemeint ist mit diesem Kriterium ausweislich der Schlussanträge (dort Rdnr. 113): verfügt das

Personal der ausländischen Tochtergesellschaft über die Kompetenz für die Erbringung; es müsse nämlich geprüft werden, auf welcher Ebene die Entscheidung bei der Erbringung der Leistungen getroffen werden. Erweise sich die Tochtergesellschaft als „bloßes Vollzugsorgan“ könne mit gutem Grund davon ausgegangen werden, dass eine rein künstliche Kontruktion gegeben sei. Hierzu ist anzumerken, dass dieses Kriterium zweifelhaft ist, denn in solchen Fällen kommt ohnehin in Frage, dass sich der Ort der Geschäftsleitung nicht im Staat der Tochtergesellschaft befindet und daher die Steuerhoheit eines anderen Staates gegeben sein könnte, vgl. zu diesem Problemkreis Konstantin von Busekist, Ort der Geschäftsleitung und missbräuchlicher Einsatz von Auslandsgesellschaften, GmbHR 2006, 126. 562 Nach Ansicht des GA Léger solle die Prüfung ermöglicht werden, ob die Leistungen der Toch-

tergesellschaften für die Tätigkeit der Muttergesellschaft „ganz ohne wirtschaftliches Interesse“ sind. Dabei gibt der GA Léger selbst zu bedenken, dass dieses Kriterium vergleichsweise schwierig anzu-wenden sei, vgl. die Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 114. 563 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnrn. 122–125.

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Der Entscheidungsvorschlag des GA Léger

140

Beweis erbracht werden könne, dass die von der ausländischen Gesellschaft erbrachten

Leistungen „echt“ seien.564

Die Möglichkeit eines Informationsaustausches stelle indes kein milderes Mittel

dar. „Angesichts der Leichtigkeit, mit der solche Dienstleistungen verlagert werden

können“565 bestehe – insbesondere auch wegen einer geringen Steuerbelastung 566 –

könne eine Regelung über beherrschte ausländische Gesellschaften auf Fälle zuge-

schnitten werden, in denen eine Steuerverlagerung „am wahrscheinlichsten“ in Be-

tracht komme; ein Mitgliedstaat brauche sich nicht darauf verweisen zu lassen, dass

eine nachträgliche Erteilung von Auskünften zur Vermeidung steuerschädlicher Prak-

tiken möglich sei.567

Als milderes Mittel komme jedoch in Betracht, dass für den Steuerpflichtigen die

sichere Möglichkeit bestehe, die Echtheit der von der ausländischen Gesellschaft

erbrachten Leistungen zu beweisen: die gesetzlich eingeführte Vermutung der Steuer-

flucht müsse „wirklich widerleglich sein“.568 Der nach britischem Recht vorgesehene

Motivtest, der den Steuerbehörden ermöglichen soll, die besondere Situation jedes

Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, werde dieser Aufgabe nicht gerecht, wenn sich

folgende Annahmen als zutreffend erweisen sollten (was nach den beschriebenen

rechtlichen Rahmenbedingungen nicht feststehe und von einem nationalen Gericht

geprüft werden müsse)569:

Erstens, deute nichts darauf hin, dass die britische Steuerverwaltung eine „irgend-

wie geartete Prüfung der tatsächlichen Tätigkeiten der Tochtergesellschaft vorneh-

me“.570 Zweitens, werde durch den Motivtest die CFC-Regelung anwendbar, wenn

eine Kapitalgesellschaft im Aufnahmestaat in den Genuss eines niedrigeren Steuersatzes

kommen will.571 In einem solchen Fall einer erlaubten Ausnutzung der Niederlas-

sungsfreiheit weise dieses Motiv nicht darauf hin, dass eine rein künstliche Konstrukti-

on vorliege, der Umstand, dass sich eine Gesellschaft dafür entschieden habe, die

Erbringung von Dienstleistungen in einem Mitgliedstaat mit sehr günstigem Steuer-

564 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnrn. 148 f. 565 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 140. 566 Vgl. Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 139, darin vertritt GA Léger die Auffassung, dass Steuerflucht wahrscheinlich noch mehr zu befürchten sei, wenn ein niedriges Besteuerungsniveau bestehe. 567 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnrn. 137 ff. 568 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 143. 569 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 149. 570 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 147. 571 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 147.

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Die Schlussanträge in der Rs. Cadbury

141

recht zu bündeln, um ihre Steuerbelastung zu verringern, beweise nicht, dass eine rein

künstliche Konstruktion gegeben ist.572

Das Urteil in der Rs. Cadbury. Am 12. 9. 2006 erging das Urteil des EuGH in

der Rechtssache Cadbury Schweppes.573 Der Europäische Gerichtshof folgte weitgehend

der Argumentation des Generalanwalts Léger. Die britischen CFC-Regelungen dürfen

danach nur rein künstliche Gestaltungen erfassen. Ein Verstoß gegen die Niederlas-

sungsfreiheit komme in Betracht, wenn sich auf der Grundlage objektiver und von

dritter Seite nachprüfbarer Anhaltspunkte erweise, dass die ausländische Tochtergesell-

schaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art tatsächlich im

Aufnahmemitgliedstaat ansässig sei und dort einer wirklichen wirtschaftlichen Tätig-

keiten nachgehe. Die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit lasse sich nur mit den

Gründen der Bekämpfung missbräuchlicher Praktiken rechtfertigen, deren Ziel darin

liege, gegen Steuerumgehungsstrukturen in Form von rein künstlichen, jeder „wirt-

schaftlichen Realität baren Gestaltungen“ vorzugehen, die darauf abzielen, sich der im

Inland anfallenden Steuer zu entziehen; dies könne etwa im Fall einer Briefkastenfirma

oder einer Strohfirma der Fall sein.574 Dieses Verdikt der Gemeinschaftswidrigkeit der

britischen Vorschriften hat auch weitreichende Konsequenzen für die Hinzurech-

nungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz (§§ 7–14 AStG).575 Denn die deutsche

Hinzurechnungsbesteuerung kennt keinen Motivtest, kein Entlastungsbeweis kann

gegebenenfalls den Steuerpflichtigen in die Lage versetzten, eine „echte“ und „tat-

sächliche“ Investitionsentscheidung darzulegen um die Hinzurechnungsbesteuerung

abzuwenden. In den vom Generalanwalt Léger angestellten Überlegungen ist bemer-

kenswert, dass das nachteilige Folgen eines Steuergefälles in Europa („race to the

bottom“576) vorrangig ein politisches Problem darstellt und die Rechte des EU-

Bürgers nicht verkürzt werden. So soll gerade das Motiv, dass ein Steuerpflichtiger ein

572 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 148. 573 EuGH vom 12. 9. 2006 – Rs. C-196/04 (Cadbury), DStR 2006, 1686. 574 EuGH vom 12. 9. 2006 – Rs. C-196/04 (Cadbury), DStR 2006, 1686, Rdnrn. 55 und 68. 575 Vgl. die Anmerkungen von Wassermeyer/Schönfeld, Die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache

„Cadbury Schweppes“ und deren Auswirkungen auf die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, GmbHR, 1065 und von Köhler/Eicker, Wichtige EuGH-Entscheidungen zur Hinzurechnungs- und Wegzugsbesteuerung – Anmerkungen zu den EuGH-Urteilen vom 7. 9. 2006, „N“ und vom 12. 9. 2006, Cadbury Schweppes, DStR 2006, 1871; siehe auch Sedemund, BB 2006, 2119: „Das Urteil bedeutet zweifelsohne das „Aus“ auch für die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7 ff. AStG“ sowie Lieber, FR 2006, 993: „Eindeutig dürfte nach der Entscheidung sein, dass die Hinzure-chungsbesteuerung gem. § 7 ff. AStG in ihrer derzeitigen Form nicht haltbar ist“. 576 Vgl. Rödder/Schönfeld, Mündliche Verhandlung vor dem EuGH in der Rechtssache „Cadbury

Schweppes“: Wird sich der Missbrauchsbegriff des EuGH verändern? IStR 2006, 49.

edeutung für die Hinzurechnungsbesteuerung

199

Bedeutung für die Hinzurechnungsbesteuerung

142

solches Steuergefälle ausnutzt, nach Auffassung des Generalanwaltes „legitim“ sein.

Der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit dürfe jedoch nicht verkürzt werden.

Eine steuerliche Sanktion könne nur nach einer Einzelfallprüfung zulässig sein.

Abwägende Missbrauchsbetrachtung. Die im Verfahren in der Rechtssache

Marks & Spencer577 behandelte Fragestellung, ob ein steuerlicher Missbrauch gegeben

sei, wenn eine Konzerngesellschaft die von ihr erlittenen Verluste auf eine andere

Konzerngesellschaft übertragen dürfe um in Folge des Steuergefälles einen Steuervor-

teil zu erzielen, wurde in den Schlussanträgen des Generalanwaltes Léger zu einem

„Rechtsgrundsatz“ zusammengefasst, die im Verfahren Marks & Spencer gegeben

Prüfungskriterien für einen Missbrauch wurden zu einem Abwägungsprozess verdich-

tet. Diese Argumentation überzeugt, da sie sich auf die Erkenntnis zurückführen lässt,

dass der EU-Bürger eine nach dem EG-Vertrag sehr weitgehend geschützte wirt-

schaftliche Betätigung entfalten darf.

In der Entscheidung Marks & Spencer wurde ein Sachverhalt beurteilt, der sich mit

der Konstellation einer beherrschten Auslandsgesellschaft nicht in allen Punkten ver-

gleichen lässt. Es ging im Verfahren Marks & Spencer um die Frage, ob sich Verluste

einer Tochtergesellschaft uneingeschränkt auf andere Konzerngesellschaften übertra-

gen lassen. Wäre eine solche Möglichkeit uneingeschränkt bejaht worden, hätte dies

bedeutet, dass Verluste nach ihrer steuerlichen Wertigkeit beliebig einsetzbar gewesen

wären. Der Verlusttransfer hätte somit ermöglicht, die Steuerbelastung im „Aufnah-

mestaat“ mit Verlusten aus einem anderen Staat zu verrechnen, ohne dass es einer

wirtschaftlichen Betätigung der verlusttragenden Gesellschaft in dem „Aufnahmestaat“

bedurft hätte. Allein die Verschiebung der Verlustposition hätte folglich ausgereicht

um einen Steuervorteil zu erzielen. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Vorge-

hensweise – im Urteil in der Rechtssache Marks & Spencer zu Recht als „Praktik“

bezeichnet578 – nichts mit der Zielsetzung des EG-Vertrages gemein hat. Anders liegt

es hingegen in Fällen, die von einer Regelung wie den britischen CFC-Regelungen

oder der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung betroffen sind. Wird in diesen Fällen

eine „echte und tatsächliche“ wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet, kann sich der EU-

Bürger Steuervorteile zu nutze machen.

Besonderheit passiver Tätigkeit. Die Entscheidung in der Rechtssache Cadbu-

ry berührt auch die Fragestellung, ob bestimmte (passive) Tätigkeiten einen Anknüp-

577 EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer/David Halsey – Her Majesty’s In-

spector of Taxes –), DStR 2005, 1268. 578 EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer/David Halsey), DStR 2005, 1268,

Rdnr. 50; EuGH vom 12. 9. 2006 – Rs. C-196/04 (Cadbury), DStR 2006, 1686, Rdnr. 64.

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202

Die Schlussanträge in der Rs. Cadbury

143

fungspunkt für eine Missbrauchsvorschrift geben. Fast beiläufig wird das Argument

akzeptiert, dass es in Fällen bestimmter Dienstleistungen im Vergleich zur Verlegung

von Produktionsstätten einfach sei, eine Gewinnverlagerung zu erreichen. Der Ge-

setzgeber könne in solchen Fällen, eine Vermutungsregel aufstellen und muss sich

nicht darauf verweisen lassen, dass ein Informationsaustausch ein milderes Mittel

darstellen könnte. Der Generalanwalt führt außerdem aus, dass in Fällen, in denen

vergleichsweise einfache Verlagerungsmöglichkeiten bestehen, eine niedrige Steuerbe-

lastung einen zusätzlichen Anreiz für steuerschädliches Verhalten schaffen könnte.

„So ist es […] viel leichter, eine künstliche beherrschte ausländische Gesellschaft zu grün-

den, der die Erbringung von Dienstleistungen zugeschrieben wird, als wenn sie eine Pro-

duktionstätigkeit zur Herstellung eines Verbrauchsguts ausüben soll. […]

Überdies sind solche Konstruktionen wahrscheinlich noch mehr zu befürchten, wenn die

beherrschte ausländische Gesellschaft in einem Staat mit sehr niedrigem Besteuerungsni-

veau gegründet wird. […]

In einem solchen Fall halte ich es angesichts der Leichtigkeit, mit der solche Dienstleistun-

gen verlagert werden können, nicht für überzogen, dass ein Mitgliedstaat die Vermutung

einer Steuerflucht einführt, anstatt sich auf eine nachträgliche Erteilung von Auskünften zu

verlassen.“ 579

Der Umstand, dass etwa in Fällen, in denen die Auslandsgesellschaft passive Einkünfte

erzielt, bedeutet also vergleichsweise einfache Verlagerungsmöglichkeit für Einkunfts-

quellen. Diese Erkenntnis stimmt mit dem gefundenen Ergebnis überein, dass in den

Fällen passiver Einkünfte die Verlagerung des Steueranspruchs in einen anderen Staat

allein dadurch vollzogen werden kann, dass hierfür „Substanz“ verschoben werden

muss. Die prinzipielle Besonderheit passiver Einkünfte könnte mithin darin erkannt

werden, dass in diesen Fällen materielle Verlagerungserfordernisse gegenüber formel-

len Verlagerungsmöglichkeiten zurücktreten. Der Steuerpflichtige kann in solchen

Fällen die Verlagerung von Einkunftsquellen dadurch erreichen, dass er im wesentli-

chen formale Übertragungsakte ausführt, durch die eine Einkunftsquelle in den Gel-

tungsbereich einer anderen Jurisdiktion und Steuerrechtsordnung übergehen, während

etwa die Verlagerung eines Industriebetriebs umfangreichen organisatorischen und

finanziellen Aufwand bedeuten würde.

Diesen Umstand würdigt Generalanwalt Léger im Prüfungspunkt „Erforderlich-

keit“. Auf die Bedeutung als sachliches Unterscheidungskriterium geht der General-

anwalt indes nicht ein. So bleiben Zweifel, ob die Tatbestandsmerkmale „passive 579 Vgl. die Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 140 ff.

203

204

Bedeutung für die Hinzurechnungsbesteuerung

144

Tätigkeit“, „niedrige Besteuerung“ und „Beherrschung“, wie sie auch von den §§ 7–

14 AStG verwendet werden, eine Vermutungsregel für einen steuerlichen Missbrauch

begründen können. Erkennt man dies an, könnten solche Merkmale als indizielles

Kriterium auch nach einer Reform der Hinzurechnungsbesteuerung aufrechterhalten

werden. Eine solche Vermutungsregel, die auf solchen indiziellen Merkmalen aufbaut,

könnte – so formuliert es der Generalanwalt – zur „Rechtssicherheit der Wirt-

schaftsteilnehmer“ beitragen, denn der betroffene Steuerpflichtige könne Kenntnis des

Umstands erlangen, dass in der von ihm gewählten Fallgestaltung eine Steuerflucht

vermutet wird.580 Allerdings müsse diese Vermutungsregel „wirklich widerleglich“

sein.581 Der Generalanwalt Léger hat damit im Ansatz die „Vermutung“ von steuer-

schädlichen Praktiken zugelassen, die jedoch nur in Fällen „echten“ und nachgewiese-

nen Missbrauchs die Niederlassungsfreiheit beschränken könne. Die Vermutungsregel

darf also nicht generell jeden missbrauchsgeneigten Fall erfassen, sondern darf nur

unter sehr strengen Voraussetzungen angewendet werden. Es muss eine Einzelfallprü-

fung geben und dem Steuerpflichtigen muss jederzeit die Möglichkeit eröffnet sein,

die Missbrauchsvermutung zu widerlegen. Im Ergebnis ist dem wohl zuzustimmen, da

der Steuerpflichtige von den Vorteilen der Grundfreiheiten des EG-Vertrages profitie-

ren kann und sich nicht infolge einer „prophylaktischen Wirkung“ beschränkender

Steuerregelungen – wie der Hinzurechnungsbesteuerung – überlegen muss, ob er von

der Niederlassungsfreiheit Gebrauch macht. Eine spezielle Missbrauchsregelung kann

folglich sicherstellen, dass die Freiheiten des EG-Vertrages nicht ausgenutzt werden.

Dies entspricht der vorgefundenen Erkenntnis, dass sich aus dem EG-Vertrag ein

Verantwortungsprinzip ergibt, welches eine stete Abwägung zwischen Pflichten und

Rechten des EU-Bürgers verlangt. Der Steuerpflichtige kann sich also sicher sein, dass

ihn eine Besteuerungsfolge treffen wird, wenn er in missbräuchlicher Weise von den

Vorteilen des EG-Vertrages profitieren will. Er kann sich aber genau so sicher sein,

dass „echte“ Tätigkeiten ausgeübt werden dürfen, ohne dass er danach steuerlichen

Sanktionen unterliegt. Der EuGH betont in der Entscheidung zur Rechtssache Cad-

bury, dass es für die Feststellung eines Missbrauchs entscheidend darauf ankommen

muss, ob dieser tatsächlich nachweisbar ist:

„Dementsprechend sind die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaf-

ten nur dann gemeinschaftsrechtskonform, falls die von ihnen vorgesehene Besteuerung

ausgeschlossen ist, wenn die Gründung einer beherrschten ausländischen Gesellschaft un-

580 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 141. 581 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 143.

Die Schlussanträge in der Rs. Cadbury

145

geachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art mit einer wirtschaftlichen Rea-

lität zusammenhängt.“582

Kohärenz. Schließlich ist noch anzumerken, dass sich der Rechtfertigungsgrund

der „Kohärenz des Steuersystems“ und das zur Rechtfertigung der Hinzurechnungs-

besteuerung ins Treffen geführte Welteinkommensprinzip583 nicht in den Überlegun-

gen des Generalanwaltes niedergeschlagen haben. Der Rechtfertigungsgrund der

Kohärenz war im Anschluss an die „Manninen-Entscheidung“ im Schrifttum erörtert

worden auch im Hinblick auf die Hinzurechnungsbesteuerung diskutiert worden.

Allerdings wird die Hinzurechnungsbesteuerung einer Kohärenzbetrachtung nicht

gerecht.584 Die Schlussanträge des Generalanwaltes Léger bestätigen, dass eine Kohä-

renzanalyse keine Rechtfertigungsmöglichkeit für das Verdikt der Gemeinschafts-

rechtswidrigkeit schafft.

Bedeutung für eine Neukonzeption. Aus der Entscheidung in der Rechtssa-

che Cadbury ergeben sich keine durchgreifenden Bedenken, wenn eine Missbrauchs-

regelung auf Sachverhaltsgestaltungen gerichtet wird, in denen die Steuerflucht „am

Wahrscheinlichsten“ ist.585 Die geregelten Sachverhalte werden als „gefahrgeneigt“

angesehen, so dass aus den Merkmalen der derzeit geltenden Hinzurechnungsbesteue-

rung eine indizielle Wirkung auf eine Steuerflucht entnommen werden könnte. Her-

vorzuheben ist jedoch, dass erst nachdem mit Sicherheit – etwa aufgrund eines „Mo-

tivtests“ oder einer entsprechenden Entlastungsregel – festgestellt wird, dass der Miss-

brauch verwirklicht ist, eine Sanktion eingreifen kann. Eine niedrige Steuerbelastung

darf indes für sich genommen nicht die Grundfreiheiten beschränken, sie kann nur als

Indikator für eine Missbrauchsvermutung herangezogen werden. Weiter ist hervorzu-

heben, dass der Generalanwalt auch bestätigt, dass ein Missbrauchskriterium darin

erblickt werden kann, dass eine Auslandsgesellschaft keine Ausschüttung vornimmt

und die Gewinne ansammelt.586 Dies spricht dafür, den Umstand zu einer Vorausset-

582 EuGH vom 12. 9. 2006 – Rs. C-196/04 (Cadbury), DStR 2006, 1686, Rdnr. 65. 583 Vgl. dazu zuletzt Kraft/Bron, Deutsche Hinzurechnungsbesteuerung und Europarecht, RIW

2006, 209 (213). 584 Vgl. dazu sub Rdnr. 131. In der Rechtssache Manninen war die Belastung mit Körperschafts-

teuer als Nachteil angesehen worden, der mit der Anrechnung als kohärenten Vorteil dem Europäi-schen Gerichtshof akzeptabel erschien (der allerdings auch forderte, dass die Anrechnungsmöglichkeit nicht vom Sitz der Gesellschaft abhängen dürfte). Man wird deshalb die Besteuerung einer Körper-schaft – selbst wenn diese wie im Streitfall Cadbury niedrig ist – als Nachteil im Sinne einer Kohä-renzbeziehung werten müssen, die Hinzurechnungsbesteuerung setzt dann noch einen weiteren Nachteil hinzu. 585 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 137. 586 Schlussanträge vom 2. 5. 2006, Rs. C-196/04 (Cadbury), Rdnr. 139.

205

206

Bedeutung der Schlussanträge für eine Neukonzeption

Verschiedene Ansätze einer Neukonzeption

146

zung einer Neukonzeption zu erheben, dass eine Ausschüttung über einen längeren

Zeitraum hin unterbleibt.

III. Reformkonzepte

Dass für den Regelungskomplex der Hinzurechnungsbesteuerung ein Reformbedarf

besteht, wird von einer Reihe von Autoren angenommen.587 Dabei wurden inzwi-

schen auch Ansätze vorgestellt, mit denen der Hinzurechnungsbesteuerung eine ver-

fassungskonforme und gemeinschaftsrechtskonforme Ausrichtung gegeben werden

könnte. Vorgeschlagen wurde unter anderem, Staaten zu identifizieren, die schädli-

chen Steuerwettbewerb betreiben und diese in eine „schwarze Liste“ aufzunehmen,

mit der Konsequenz, dass die Hinzurechnungsbesteuerung nur für diese Staaten rele-

vant werden würde. Weiter ließe sich überlegen, die Hinzurechnungsbesteuerung auf

die Fälle reiner Vermögensverwaltung zu beschränken588 und eine gemeinschafts-

rechtsverträgliche Konzeption dadurch zu gewährleisten, dass Holdingtätigkeiten ohne

Einschränkung von der Hinzurechnungsbesteuerung ausgenommen werden müssten

und nur bei tatsächlicher Einflussnahme des Anteilseigners überhaupt eine Anwen-

dung in Betracht zu ziehen sei.589

Eine gemeinschaftsrechtliche Untersuchung der Hinzurechnungsbesteuerung be-

fasste sich mit der Frage, ob das wirtschaftliche Konzept der Kapitalexportneutralität

ein zulässiges Leitbild für die Hinzurechnungsbesteuerung darstellen könne. Hierzu

wurde ein normatives Konzept entwickelt, welches das Kriterium der schädlichen Be-

steuerung in den Mittelpunkt stellt. Schädliche Besteuerungspraktiken liegen danach

vor, wenn steuerliche Maßnahmen eines Staates um mehr als 5 % hinter dem übli-

cherweise in dem betreffenden Staat geltenden Belastungsniveau zurückbleiben.590 Ob

dies der Fall ist, wird für bestimmte Fälle vermutet591, etwa wenn steuerliche Vorteile

587 Vgl. etwa Lieber/Rasch, Mögliche Konsequenzen der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ für

die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, GmbHR 2004, 1572 (1577 f.); Martina Baumgärtel, in: Lüdicke (Hrsg.), Fortentwicklung der internationalen Unternehmensbesteuerung (Forum der interna-tionalen Besteuerung, Band 23), 2002, 77. 588 Vgl. Baumgärtel, in: Lüdicke (Hrsg.), Fortentwicklung der internationalen Unternehmensbe-

steuerung (Forum der internationalen Besteuerung, Band 23), 2002, 77 (99). 589 Baumgärtel, in: Lüdicke (Hrsg.), Fortentwicklung der internationalen Unternehmensbesteuerung

(Forum der internationalen Besteuerung, Band 23), 2002, 77 (101 f.). 590 Vgl. Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 640, dort § 8

Abs. 3 Nrn. 1–4 AStG-E. 591 Vgl. dazu Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 640,

dort § 8 Abs. 3 AStG-E.

207 Darstel-lung diskutier-ter Reform-konzepte

Verschiedene Ansätze einer Neukonzeption

208

Darstellung diskutierter Reformkonzepte

147

nur Gebietsfremden gewährt werden oder Vorteile gewährt werden für Sachverhalte,

die „völlig von der inländischen Wirtschaft isoliert sind“.592 Dieser Vorschlag löst sich

zutreffend von der Vorstellung, dass die Ausnutzung der Abschirmwirkung einer

ausländischen Gesellschaft wegen der formalen Verlagerungsmöglichkeit die Grundla-

ge für die Hinzurechnungsbesteuerung bildete und sieht eine Regelung vor, mit der

eine Vorbelastung erzeugt wird. Da sich das Konzept insbesondere wegen der Versa-

gung der Anwendung der Freistellung nach § 8b Abs. 1 KStG und § 3 Nr. 40 EStG

an der derzeit bestehenden Konzeption orientiert, begegnet es – in gleicher Weise wie

dies bei der derzeit geltenden Hinzurechnungsbesteuerung der Fall ist –

verfassungsrechtliche Bedenken: Der Gesetzgeber hat sich mit der Typisierung der

Vorbelastung durch das Körperschaftsteuersystem eben die Möglichkeiten beschränkt,

mit denen er auf eine fehlende Vorbelastung reagieren kann. Das Gebot realitätsge-

rechter Besteuerung gibt danach den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum vor. In

Fällen der fehlenden Vorbelastung kann von der geregelten Typisierung nur unter der

Voraussetzung abgewichen werden, dass hierfür ein sachlicher Grund gegeben ist,

nicht aber deswegen, weil die Typisierung selbst als nicht zutreffend erkannt wird.

Wer für die Notwendigkeit der Herstellung einer Vorbelastung eintritt, muss zugeben

oder behaupten, dass das neue Körperschaftsteuersystem verfassungswidrig ist. Daher

sind gesetzliche Konzeptionen abzulehnen, bei denen die Hinzurechnungsbesteuerung

auf den Gedanken zurückgeführt wird, das deutsche Körperschaftsteuersystem erforde-

re eine bestimmte Vorbelastung. Problematisch könnte bei der vorgeschlagenen Ge-

setzeskonzeption des weiteren sein, ob es sich bei den Tatbestandsmerkmalen „multi-

nationale Unternehmensgruppe“, „substantielle Präsenz“, „laxere und undurchsichtige

Handhabung der Rechtsvorschriften“ um hinreichend bestimmbare Rechtsbegriffe

handelt und ob diese im Einzelfall praktikabel angewendet werden könnten.

Bedenkenswert erscheint an diesem Konzept weiter, ob die in diesem Konzept

vorgeschlagene Vermutung schädlicher Besteuerungspraktiken im Hinblick auf die

Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Hughes de Lasteyrie

einen tragfähigen Anknüpfungspunkt darstellen kann. Nach dem Urteil des Europäi-

schen Gerichtshofs in dieser Rechtssache kann eine „allgemeine Vermutung von Steuer-

flucht oder Steuerhinterziehung […] nicht auf den Umstand gestützt werden, dass eine natürli-

592 Hierzu muss aber gefragt werden, ob überhaupt eine Hinzurechnungsbesteuerung notwendig

ist, wenn „Gebietsfremde“ steuerliche Vorteile erlangen können. Dann würde sich schon aus der Ansässigkeit ein Besteuerungsrecht ergeben. Siehe Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 640, dort § 8 Abs. 3 Nr. 1 AStG-E.

209

Die Entwicklung einer speziellen Missbrauchsregelung

148

che Person ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt hat […].“593 Die tatbestand-

liche Anknüpfung einer Hinzurechnungsbesteuerung an eine Vermutung sagt indes

nichts darüber aus, ob ein Missbrauch vorliegt oder ob eine steuerliche Fehlentwick-

lung gegeben ist. Gerade im gemeinschaftsrechtlichen Kontext ist es den Mitglieds-

staaten grundsätzlich untersagt, wirtschaftspolitische Vorstellungen anderen Mitglieds-

staaten aufzuzwingen oder durch einseitig belastende Maßnahmen zur Geltung zu

bringen. Außerdem wird die Frage, ob eine schädliche Besteuerung vorliegt, nicht

zwingend dafür von Bedeutung sein, ob die missbräuchlichen Folgen aus der Einschal-

tung einer ausländischen Gesellschaft eintreten. Im Hinblick auf die Schlussanträge des

Generalanwaltes Léger in der Rechtssache Cadbury/Schweppes wird ein Missbrauchs-

konzept danach nicht mehr aufrecht erhalten werden können, das an eine vorteilhafte

steuerliche Situation anknüpft.

B. Konzeption einer speziellen Missbrauchsvorschrift

Das Außensteuergesetz ist, was den Regelungsbereich der Hinzurechnungsbesteuer-

ung anbetrifft, ein Musterbeispiel für ein unübersichtliches, widersprüchliches und

ständigen Änderungen unterliegendes Gesetzeswerk. Unter diesem Befund lassen sich

Mängel im System der logischen Folgerichtigkeit nachweisen, insbesondere haben

auch die etwa in § 7 Abs. 6 AStG enthaltenen Ausnahmetatbestände die Kernregeln

der Hinzurechnungsbesteuerung überwuchert. Die dort enthaltenen Detailbestim-

mungen laden den gestaltungsbereiten Steuerpflichtigen geradezu ein, anhand gesetzli-

cher Begrifflichkeiten Ausweichgestaltungen zu schaffen. Die Entwicklungen in Zu-

sammenhang mit den „Dublin Docks“-Fällen zeigen anschaulich, dass die Ausweich-

bewegungen den Steuerzugriff erschweren und ineffektiv werden ließen. Steuer-

vermeidungsstrategien müssen bei der Ausgestaltung einer Hinzurechnungsbesteuer-

ung berücksichtigt werden, da sonst Korrekturtatbestände vorhersagbar sind, die eine

weitere Aufsplitterung des Steuerrechts begünstigen. Der international investierende

Steuerpflichtige muss die in der Hinzurechnungsbesteuerung zum Ausdruck kom-

mende Interventionsentscheidung verstehen können, da nur danach der Steuereingriff

vorhersehbar und berechenbar sein wird. Das Ziel einer effektiven Hinzurechnungs-

besteuerung muss deshalb zunächst sein, dass der betroffene Steuerpflichtige der Belas-

tung durch die Hinzurechnungsbesteuerung nicht ausweichen kann. Eine enge und

593 Vgl. EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236, Rdnr. 51.

Die Entwicklung einer speziellen Missbrauchsregelung

Neu-konzep-tion eines außen-steuerli-chen Rege-

210

Neukonzeption eines außensteuerlichen Regelungskonzepts

149

detaillierte Tatbestandsbildung, als sie in Zusammenhang mit der derzeit geltenden

Hinzurechnungsbesteuerung nachgewiesen werden kann, wird die Steuervermeidung

nicht verhindern, sondern den betroffenen Steuerpflichtigen ermutigen, seine Gestal-

tungen am Tatbestand der Ausnahmeregelung zu orientieren. Der Belastungsgrund für

eine Hinzurechnungsbesteuerung muss deshalb eine Ausrichtung erfahren, mit der

einerseits eine größtmögliche Breitenwirkung erzielt wird und gleichzeitig genau

diejenigen Fälle vorgezeichnet sind, die einer sanktionierenden Rechtsfolge unterlie-

gen, ohne gleichzeitig den Steuerpflichtigen zur Vornahme von Vermeidungsstrate-

gien zu ermuntern. Diese Anforderungen an eine Hinzurechnungsbesteuerung werden

weiter durch den Bestimmtheitsgrundsatz und die Effektivität des Steuergesetzes im

Massenverfahren begrenzt. Der Tatbestand der Hinzurechnungsbesteuerung muss den

wirtschaftlichen Vorgang oder die wirtschaftliche Lage erfassen, die als Interventions-

grund aufgezeigt werden, und die Gestaltungsfreiheit sachgerecht gegen Steuer-

vermeidungsstrategien begrenzen. Eine wichtige Überlegung geht daher auch dahin,

dass dem Steuerniveau für den Tatbestand untergeordnete Bedeutung zuerkannt

werden muss. Ein Steuerpflichtiger, der eine Gestaltung wählt, die zur Steuerflucht

dient, wird sich von Steuersätzen nicht abschließend in seiner Entscheidung zur Steu-

erflucht oder Steuervermeidung leiten lassen. Da es in vielen Ländern ohnehin mög-

lich ist, individuell Steuersätze mit den Finanzbehörden auszuhandeln, kann der Steu-

erpflichtige sich von der Hinzurechnungsbesteuerung „freikaufen“, wenn er nur bereit

ist, den inländischen Körperschaftsteuersatz von 25 % (§ 23 Abs. 1 KStG, § 8 Abs. 3

AStG) zu entrichten. Hierdurch wird weder eine gleichmäßige Besteuerung gewähr-

leistet, noch entsteht dadurch eine sachgerechten Rechtsfolge, die Steuerpflichtigen

werden vielmehr auch hier zu Ausweichverhalten ermutigt.

Die bislang gewonnenen Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Hinzurechnungs-

besteuerung als Missbrauchstatbestand konzipiert werden könnte. Dieser Gedanke

erscheint schon deshalb vorzugswürdig, weil sich aus der Rechtsprechung des Europä-

ischen Gerichtshofs eine Legitimation grundsätzlich ergeben würde. Die Hinzurech-

nungsbesteuerung müsste speziell bezwecken, rein künstliche Konstruktionen, die auf

eine Umgehung des Steuerrechts gerichtet sind, von einem Steuervorteil auszuschlie-

211

Die Entwicklung einer speziellen Missbrauchsregelung

150

ßen.594 Es müssen also rein künstliche Konstruktionen unterbunden werden,595 hinge-

gen sind typisierende Missbrauchsbekämpfungsvorschriften, die generell jede Situation

erfassen, die als missbräuchlich eingestuft wird, unzulässig.596

Eine spezielle Missbrauchsvorschrift könnte folglich den gemeinschaftsrechtli-

chen Anforderungen für eine Hinzurechnungsbesteuerung genügen. Aus dem Argu-

ment einer „Missbrauchsbekämpfung“ im Hinblick auf die Vermeidung steuerlicher

Fehlentwicklungen könnte sich eine flexible Regelung entwickeln lassen, die dem

Steuerpflichtigen größtmögliche Freiheiten bei der erwerbswirtschaftlichen Betätigung

belässt. Allerdings muss dafür zunächst überlegt werden, ob und unter welchen Vor-

aussetzungen die Einschaltung einer ausländischen Gesellschaft als Missbrauch einzu-

ordnen ist. Es müssen deshalb zunächst die Anhaltspunkte aufgezeigt werden, die für

die Identifikation eines Missbrauchs bedeutsam sind. Dazu ergeben sich aus der

Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Ansatzpunkte.

Der Bundesfinanzhof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass § 42

AO 1977 auch die Fälle erfasst, für die der Tatbestand der Hinzurechnungsbesteuer-

ung eingreift. Begründet wird dies damit, dass die allgemeine Missbrauchsvorschrift in

ihrer Wirkung auf der Ebene der Einkünfteerzielung ansetze und aufgrund der unter-

schiedlichen Rechtsfolgen der Vorschriften § 42 AO 1977 gegenüber den §§ 7–14

AStG „logisch vorrangig“ sein müsse.597 Diesen „logischen Vorrang“ schränkt der

Bundesfinanzhof jedoch ein, da er die Frage des Missbrauchs am Gesetzeszweck der

Hinzurechnungsbesteuerung misst.598 Die Erzielung von passiven, niedrig besteuerten

594 EuGH vom 16. 7. 1998 – Rs. C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rdnr. 26. Das Gericht führte

hierzu aus: „Zu der auf die Gefahr einer Steuerumgehung gestützten Rechtfertigung genügt die Feststellung, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rechtsvorschriften nicht speziell bezwecken, rein künstliche Konstruktionen, die auf eine Umgehung des Steuerrechts des Vereinig-ten Königreichs gerichtet sind, von einem Steuervorteil auszuschließen, sondern generell jede Situation erfassen, in der die Mehrzahl der Tochtergesellschaften eines Konzerns ihren Sitz, aus welchen Gründen auch immer, außerhalb des Vereinigten Königreichs hat.“ 595 Vgl. auch EuGH vom 16. 7. 1998 – Rs. C-264/96 (ICI) – Slg. 1998, I-4695; EuGH vom

12. 12. 2002 – Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-1177, Rdnr. 37. 596 Hahn, Das ICI-Urteil des EuGH und die Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 ff. AStG,

IStR 1999, 612 ff.; M. Lang, CFC-Gesetzgebung und Gemeinschaftsrecht, IStR 2002, 217 (220). 597 BFH vom 23. 10. 1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026 (II. 2.b. aa–cc der Entscheidungs-

gründe) und BFH vom 10. 6. 1992 – I R 105/89, BFHE 168, 279, BStBl. II 1992, 1029 (II. 2. b. aa–cc der Entscheidungsgründe). 598 BFH vom 23. 10. 1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026 (II. 2. b. dd. der Entscheidungs-

gründe) und BFH vom 10. 6. 1992 – I R 105/89, BFHE 168, 279, BStBl. II 1992, 1029 (II. 2. b. aa–cc der Entscheidungsgründe).

212

213

Neukonzeption eines außensteuerlichen Regelungskonzepts

151

Einkünften sei für sich genommen nicht missbräuchlich.599 Danach kann auch in

Fällen der Hinzurechnungsbesteuerung ein Missbrauch gegeben sein kann, allerdings

kommt ein Missbrauch für den eigentlichen Anwendungsbereich der Regelungen

nicht in Betracht. Die Frage, worin in einem Fall der Hinzurechnungsbesteuerung ein

Missbrauch erkannt werden kann, muss zunächst unbeantwortet bleiben. Aufschluss-

reich könnte jedoch eine Auseinandersetzung mit den Argumenten des Bundesfinanz-

hofs sein.

Betrachtet man die Argumentation, welcher sich der Bundesfinanzhof bedient, um

ein Konkurrenzverhältnis zu begründen, muss das gefundene Ergebnis eines Vorrangs

von § 42 AO 1977 gegenüber §§ 7–14 AStG in Zweifel gezogen werden. Dieser

Vorrang müsste sich aus dem jeweiligen Tatbestand der Regelung und nicht – wie

vom Bundesfinanzhof angenommen – aus den „Rechtsfolgen“ der konkurrierenden

Vorschriften herleiten lassen.600 Das Problem eines Konkurrenzverhältnisses wird

überhaupt erst dann erheblich, wenn zwei Vorschriften unterschiedliche Rechtsfolgen

aufweisen.601 Die Anwendung des § 42 AO 1977 kommt in Betracht, wenn die un-

mittelbare Subsumtion eines Sachverhaltes unter einen Steuertatbestand nicht die

steuerliche Leistungspflicht begründet und die jeweilige Gestaltung „unangemessen“ ist.

Als Rechtsfolge sieht § 42 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 vor, dass der Steueranspruch so

entsteht, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen

Gestaltung entstanden wäre. Es wird somit ein Sachverhalt der Besteuerung unterwor-

fen, der tatsächlich (in der Realität ist nur ein „unangemessener“ Sachverhalt gegeben)

nicht verwirklicht worden ist.

Der tatsächlich verwirklichte – unangemessene – Sachverhalt, wird dann durch

den „angemessenen“ Sachverhalt im Wege einer Sachverhaltsanalogie ersetzt.602 Die

Hinzurechnungsbesteuerung erfasst hingegen den tatsächlich verwirklichten Sachver-

halt. Deshalb kann eine gesetzliche Konkurrenzregelung – etwa im Sinne der Speziali-

tät – zwischen § 42 AO 1977 und §§ 7–14 AStG schon dem Grunde nach nicht

problematisch sein. Richtigerweise wird man davon auszugehen haben, dass unter-

schiedliche Subsumtionsgrundlagen Gegenstand der beiden Besteuerungsregeln sind.

599 Vgl. auch BFH vom 19. 1. 2000 – I R 117/97, BFH/NV 2000, 824 (II 1 b) und I R 94/97,

BStBl. II 2001, 222 (II. 1. b. der Entscheidungsgründe). So auch Hahn, Die Vereinbarkeit von Normen des deutschen internationalen Steuerrechts mit EG-Recht, IFSt-Schrift Nr. 378, 163. 600 Siehe dazu Karl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage, Berlin 1991, 266. 601 Dazu mit Beispielen Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage, Berlin 1991,

266 f. 602 Vgl. auch Kluge, Die Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7–14 AStG und die Normen des

allgemeinen Steuerrechts, StuW 1976, 101 (105); Wassermeyer, in: Festschrift Flume, 323 (325).

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215

Die Entwicklung einer speziellen Missbrauchsregelung

152

Die Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7–14 AStG) registrieren,

ob ein Sachverhalt missbrauchsgeneigt ist, das heißt ob missbräuchliche Folgen aus diesen

Fallgestaltungen tendenziell häufiger beobachtet werden können.603 Die Hinzurech-

nungsbesteuerung dient mithin dazu, Missbrauch zu vermeiden und greift (auch) in den

Fällen ein, in denen ein Missbrauch an sich nicht gegeben ist. Damit schließt die

Anwendbarkeit von §§ 7–14 AStG die Anwendung von § 42 AO 1977 nicht grund-

sätzlich aus, da die letztgenannte Vorschrift nur echte Missbrauchsfälle erfasst. Eine Be-

steuerung des tatsächlich verwirklichten Sachverhaltes, wie die §§ 7–14 AStG dies

anordnen, ist gegenüber der Besteuerung eines unterstellten Sachverhalts vorrangig,

sonst werden zwei unterschiedliche Sachverhalte – der tatsächlich verwirklichte und

der anhand steuerlicher Wertungen unterstellte Sachverhalt – zur Grundlage des

Steuerzugriffs. Anders ausgedrückt muss der in der Realität wahrgenommene Sach-

verhalt gegenüber einer fiktiven Besteuerungsgrundlage nicht zurücktreten. Aus die-

sem Verhältnis der beiden Vorschriften folgt, dass bei der Hinzurechungsbesteuerung

nicht der Gedanke einer Missbrauchsbekämpfung im Vordergrund steht.604 Um den

Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs zu entsprechen, ließe sich deshalb daran

denken, die Hinzurechungsbesteuerung aus dieser funktionalen Beziehung als „ab-

strakte Missbrauchsvermeidungsnorm“ zu lösen und sie als Instrument gegen echten

Missbrauch zu konzipieren. Man könnte die Regelung damit gegen diejenigen Fälle

richten, die sich bei Einschaltung einer ausländischen Gesellschaft zum Zwecke der

Einkunftsverlagerung tatsächlich als missbräuchlich erweisen.

Somit stellt sich die Frage, welcher Aspekt sich als missbräuchlich im möglichen

Regelungsbereich einer Hinzurechungsbesteuerung erweist. Die Erzielung passiver

Einkünfte, seien diese auch nicht ausreichend besteuert, so lässt sich vorab unter Hin-

weis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs formulieren, ist für sich genom-

men nicht missbräuchlich.605 Es kommt jedoch in Betracht, dass sich die Folgen aus der

Einschaltung eines selbständigen ausländischen Rechtsträgers als missbräuchlich her-

603 Hahn, Die Vereinbarkeit von Normen des deutschen internationalen Steuerrechts mit EG-

Recht, IFSt-Schrift Nr. 378, 159. 604 Vgl. dazu Hahn, Die Vereinbarkeit von Normen des deutschen internationalen Steuerrechts mit

EG-Recht, IFSt-Schrift Nr. 378, 159, der Gesetzgeber wollte im Interesse der deutschen Aus-landswirtschaft die steuerlichen Vorteile wirksam werden lassen, da deren Konkurrenzfähigkeit im niedriger besteuernden Ausland nicht beeinträchtigt werden sollte. In den Gesetzesmaterialien zum Außensteuergesetz finden sich keine Hinweise, dass der Gesetzgeber in dem Zusammentreffen einer niedrigen Besteuerung mit dem Fehlen aktiver wirtschaftlicher Tätigkeiten einen Missbrauch sah. 605 Vgl. auch BFH vom 19. 1. 2000 – I R 117/97, BFH/NV 2000, 824 (II 1 b) und I R 94/97,

BStBl. II 2001, 222 (II. 1. b. der Entscheidungsgründe). So auch Hahn, Die Vereinbarkeit von Normen des deutschen internationalen Steuerrechts mit EG-Recht, IFSt-Schrift Nr. 378, 163.

216

Neukonzeption eines außensteuerlichen Regelungskonzepts

153

ausstellen. Es liegt nahe, die im Laufe der Untersuchung dargestellten Fälle des Steuer-

abzugs, der Steuerflucht oder Verzögerung als missbräuchlich zu kennzeichnen. Aus

den gewonnenen verfassungsrechtlichen und gemeinschaftsrechtlichen Erkenntnissen

lässt sich eine Hinzurechnungsbesteuerung genau für diese Fälle entwickeln. Greift

man danach die Vorstellungen des Europäischen Gerichtshofs zu Missbrauchs-

bestimmungen auf, kann die Hinzurechnungsbesteuerung nur als eine spezielle Miss-

brauchsregelung ausgestaltet werden. Es müssen hierfür genau diejenigen Umstände

berücksichtigt werden, die als missbräuchlich erkannt sind. Als Missbrauch kann in

diesem Zusammenhang die dauerhafte Thesaurierung auf Ebene eines ausländischen

Rechtsträgers anzusehen sein. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, muss sich – so

die Vorgabe des Europäischen Gerichtshofs – aus einer Einzelfallprüfung ergeben.

Die gesetzgeberische Absicht der Vermeidung bestimmter Folgen bei Einschaltung

ausländischer Kapitalgesellschaften kann grundsätzlich eine verfassungsrechtlich tragfä-

hige Grundlage für die Hinzurechnungsbesteuerung darstellen, es stellt sich aber die

Frage, ob die oben beschriebenen Fallkonstellationen anhand eines normativen Maß-

stabs dieser Grundlage zugeordnet werden können. Es ist also zu prüfen, ob sich in

den Fällen der Steuerflucht, des Steueraufschubs und der Abzugswirkung aus der

Vorschrift des allgemeinen Missbrauchstatbestands in § 42 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ein

Missbrauch ergibt. Wenn danach zwar nicht abschließend bejaht werden könnte, dass

hiermit alle denkbaren Fehlentwicklungen erfasst wären, würde jedoch ein positiver

Befund aufschlussreich sein. Denn bei Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne dieser

Vorschrift ließe sich schwerlich daran zweifeln, dass es dem Gesetzgeber verwehrt sein

könnte, auf die dargestellten Verlagerungstendenzen bei Einschaltung einer ausländi-

schen Kapitalgesellschaft lenkend einzuwirken.

Bei der Frage, ob in den Fällen des Steueraufschubs, der Steuerflucht oder der

Ausnutzung der Abzugswirkung ein Missbrauch gegeben ist, können die Vorausset-

zungen des § 42 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 geprüft werden. Diese Vorschrift bestimmt,

dass durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz

nicht umgangen werden kann. Ein Missbrauch liegt vor, wenn der Steueranspruch auf-

grund eines unangemessenen wirtschaftlichen Vorgangs nicht entsteht (§ 42 Abs. 1 Satz 2

AO 1977). Die Rechtsprechung verwendet die Prämisse, dass ein Missbrauch in

Betracht kommt, wenn „eine Gestaltung gewählt worden ist, die gemessen an dem erstrebten

Ziel unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst

beachtliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist.“606

606 BFH vom 19. 8. 1999 – I R 77/96, BFHE 189, 342, BStBl. II 2001, 43.

217

218

Die Entwicklung einer speziellen Missbrauchsregelung

154

§ 42 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 setzt zunächst voraus, dass ein Steuergesetz an zivil-

rechtliche Begriffsbestimmungen anknüpft und die Gestaltungen so gewählt werden,

dass aus Sicht des Zivilrechts der Steuertatbestand nicht einschlägig ist. Ausgangspunkt

ist für die vorliegende Frage, dass sowohl das Einkommensteuergesetz als auch das

Körperschaftsteuergesetz bei der Besteuerung von Dividenden an die zivilrechtlichen

Grundlagen anknüpfen und hierfür etwa die Bestimmungen des Gesetzes über die

Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder des Aktiengesetzes ausschlaggebend

sind. Im Rahmen dieser Vorschriften haben Steuerpflichtige die Möglichkeit, auf die

Gewinnverwendung kraft ihrer gesellschaftlichen Rechte einzuwirken, so dass auch

Gestaltungen gewählt werden können, in denen Gewinnausschüttungen nicht vorge-

nommen werden. Es liegt auf der Hand, dass daher auch bei Einschaltung ausländi-

scher Gesellschaften die Ausschüttung an die Anteilseigner kraft der gesellschaftsrecht-

lichen Gestaltungsmöglichkeiten verzögert oder vermieden werden kann und damit

die Voraussetzungen für die Besteuerung als Dividende im Sinne von § 20 Abs. 1

Nr. 1 EStG nicht zutreffen. Die Vorschriften des Einkommensteuer- bzw. Körper-

schaftsteuerrechts (§ 2 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1, 4, 5, § 11 Abs. 1 EStG sowie §§ 7 ff.

KStG) kommen als umgangene steuergesetzliche Bestimmungen in Betracht.

Das Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des § 42 Abs. 1 AO 1977 ist danach zu

bestimmen, ob eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des er-

strebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und

durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht gerechtfer-

tigt werden kann. Dabei ist unter Steuerminderung nicht allein die Reduzierung der

Steuerlast an sich zu verstehen, sondern darüber hinaus auch die Entstehung eines

steuergesetzlichen Vorteils.607 Es reicht demnach aus, dass der Steuerzugriff erst zeitlich

verzögert erfolgt. Das Merkmal der „unangemessenen“ Gestaltung ist vorliegend

gegeben, wenn verständige Parteien den eingeschlagenen Weg zur Erreichung des

erstrebten Ziels nicht gewählt hätten, weil die Vorgehensweise ungewöhnlich ist.

Unangemessene Gestaltungen sind „umständlich, kompliziert, schwerfällig, geküns-

telt“.608

Es fragt sich somit, ob überhaupt die Verzögerung einer Dividendenzahlung im Falle

des Steueraufschubs als missbräuchlich einzustufen ist. Die Schwierigkeit dieser Frage

ergibt sich daraus, dass es von der jeweiligen wirtschaftlichen Situation der Kapitalge-

sellschaft und des Dividendenzahlers abhängig sein wird, ob und wann eine Dividende

607 Vgl. J. Lang, in: Tipke/Lang, § 5 Rdnr. 108. 608 BFH vom 19. 8. 1999 – I R 77/96, BFHE 189, 342, BStBl. II 2001, 43.

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221

Neukonzeption eines außensteuerlichen Regelungskonzepts

155

gezahlt wird. Je nach Liquiditätssituation oder Investitionsbedürfnis sind individuelle

Schwankungen zu erwarten. Im Übrigen hat der Gesetzgeber mit der Einführung des

neuen Körperschaftsteuersystems die Thesaurierung von Gewinnen auf der Ebene von

Kapitalgesellschaften begünstigt. Nach § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG bleiben Bezüge im

Sinne des § 20 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG bei der Ermittlung des Ein-

kommens (§ 8 Abs. 1 KStG) außer Ansatz. Der Steuerbefreiungstatbestand in § 8b

Abs. 1 KStG stellt auch keine Steuervergünstigung dar. Es kommt in dieser Vorschrift

eine Systemnotwendigkeit zum Ausdruck. Die Steuerfreistellung ist eine notwendige

Bedingung für die Belastungswirkung des Halbeinkünfteverfahrens. Ohne diese Steu-

erbefreiung würden Gewinne bei der Durchschüttung von Tochtergesellschaften an

eine Muttergesellschaft mehrfach mit Körperschaftsteuer belastet werden. Dieser

„Kaskadeneffekt“ darf im System der Unternehmensbesteuerung nicht entstehen.609

Ziel dieser Vorschrift ist es, die Investitionstätigkeit von Unternehmen anzuregen. Der

Gesetzgeber unterstellt, dass die Ausschüttung an den privaten Anleger nicht für pro-

duktive Investitionen zur Verfügung stehe.610 Die Begünstigung der Kapitalgesellschaft

als Wirtschaftssubjekt – etwa gegenüber einem Einzelunternehmen – bedeutet, dass

allgemeingültige Maßstäbe und formelhafte zeitliche Grenzen, innerhalb derer eine

Dividendenzahlung üblicherweise erfolgen oder als angemessen anzusehen sein wäre,

aus Sicht des Gesetzgebers nicht vorgegeben sind. Dennoch erscheint es überlegens-

wert, etwa orientiert an der Vorschrift in § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG, Maßstäbe für

eine Verzögerung herauszubilden. Die genannte Vorschrift ordnet die Steuerfreiheit

von Gewinnausschüttungen an, soweit für das Kalenderjahr oder Wirtschaftsjahr, in

dem sie bezogen werden, oder für die vorangegangenen sieben Kalenderjahre oder

Wirtschaftsjahre aus einer Beteiligung an derselben ausländischen Kapitalgesellschaft

Hinzurechnungsbeträge (§ 10 Abs. 2 AStG) der Einkommensteuer unterlegen haben.

Damit trifft diese Vorschrift eine Regelung für den Zeitraum, innerhalb dessen die

tatsächliche Ausschüttung wegen der erfolgten Hinzurechnungsbesteuerung steuerfrei

erfolgen kann und damit eine doppelte Besteuerung vermieden wird. Aus dieser

Norm ergibt sich aber kein verbindlicher Hinweis darauf, von welchen zeitlichen

Maßstäben der Gesetzgeber bei der Ausschüttung von Gewinnen ausgeht. Aus dieser

Vorschrift folgt lediglich, dass eine Ausschüttung innerhalb eines 7-Jahres-Zeitraumes

regelmäßig anzunehmen sein wird. So hat der Bundesfinanzhof zu erkennen gegeben,

609 Vgl. Haep, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 3 c EStG, Band Unternehmenssteuerreform I. 610 Vgl. Gesetzesbegründung, Bundestags-Drucksache 14/2683 vom 15. 2. 2000, 93, Nachweis

auch bei Ekkehard Wenger, Die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen: Systemwidrigkeiten und systematische Notwendigkeiten, StuW 2000, 177 (178).

Die Entwicklung einer speziellen Missbrauchsregelung

156

dass zeitliche Verzögerungen nicht zwingend negative steuerliche Konsequenzen nach

sich ziehen, so etwa im Falle ungewöhnlicher Verzögerungen, die bei der Auszahlung

fälliger Tantiemenansprüche eines Gesellschafters nicht ohne weiteres eine verdeckte

Gewinnausschüttung begründen.611 Die Rechtsprechung akzeptiert auch das „Schütt-

aus-Hol-zurück-Verfahren“, bei welchem – unter Geltung des körperschaftsteuerlichen

Anrechnungsverfahrens612 – ausgeschüttete Beträge zuzüglich der dem Anteilseigner

angerechneten Körperschaftsteuer der (ausschüttenden) Kapitalgesellschaft wieder zur

Verfügung gestellt wurden.613 Es wird daher kein Missbrauch erkannt werden können,

wenn die Kapitalgesellschaft erzielte Gewinne nicht ausschüttet und diese als Kapital-

rücklage ihrem Vermögen zuführt. Etwas anderes könnte freilich gelten, wenn bei der

Errichtung der ausländischen Kapitalgesellschaft allein die dauerhafte Thesaurierung

von Unternehmenseinkünften Ziel der Gestaltung wäre. Dann müsste man jedoch

fragen, ob die Ausschüttung ungewöhnlich lange verzögert wird. Ein Hinweis auf

eine solche Verzögerung kann jedoch erst nach Ablauf einiger Veranlagungszeiträume

nachgewiesen werden. Geht man aber davon aus, dass eine ausländische Kapitalgesell-

schaft ihr Ausschüttungsverhalten an den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Anteilseig-

ner und der finanziellen Situation der Kapitalgesellschaft ausrichtet, kann ein Miss-

brauch ausgeschlossen werden. Ansätze zur Begründung einer zeitlichen Bestimmung

für verzögerte Dividendenzahlung sind nicht allgemeingültig bestimmbar und legen

deshalb auch keine missbräuchliche Folge nahe, wenn nicht weitere Umstände hinzu-

treten, die eine Gestaltung als missbräuchlich kennzeichnen. Die Frage der „unange-

messenen Gestaltung“ wird sich damit am Maßstab des § 42 AO 1977 nicht ohne

weiteres bejahen lassen. Dies zeigt auch die neuere Rechtsprechung des Bundesfi-

nanzhofs. In einer Entscheidung vom 7. 9. 2005 wurde ausgeführt: Konzerngesell-

611 BFH vom 28. 7. 1993 – I B 54/93, BFH/NV 1994, 345. 612 Das Anrechnungsverfahren (§ 27 Abs. 1 KStG 1999) stellte die „Ausschüttungsbelastung“ her,

indem alle Einkunftsteile einheitlich auf eine Belastung von zuletzt 30 % hoch- oder herabgeschleust wurden (§ 27 Abs. 1 KStG 1999). Das körperschaftsteuerliche Eigenkapital wurde nach der Steuer-belastung der zufließenden Einkunftsteile gegliedert. Im so genannten „EK 0“ wurden Eigenkapital-anteile erfasst, die keiner Steuerbelastung unterlegen hatten, wie etwa steuerfreie Investitionszulagen oder steuerfreie ausländische Einkünfte (vgl. § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 KStG 1999). Für diese Ein-kunftsteile, die keiner Vorbelastung unterlegen hatten, wurde die Ausschüttungsbelastung von 30 % hergestellt (§ 27 Abs. 1 KStG 1999). Unter der Geltung des Anrechnungsverfahrens ergab sich ein -steuerlicher Vorteil, wenn keine Ausschüttung an die inländische Muttergesellschaft vorgenommen wurde. Vgl. dazu die Vorschriften in: Körperschaftsteuergesetz 1999 (KStG 1999) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. 4. 1999, BGBl. I 1999, 817, Neubekanntmachung des KStG in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. 2. 1996 (BGBl. I 1999, 340). 613 BFH 19. 8. 1999 – I R 77/96, BFHE 189, 342, BStBl. II 2001, 43 unter II. b. der Entschei-

dungsgründe.

Neukonzeption eines außensteuerlichen Regelungskonzepts

157

schaften können ihr Ausschüttungsverhalten aufeinander abstimmen, um das steuer-

liche Ergebnis durch die Abzugsfähigkeit des Finanzierungsaufwands zu optimieren, es

erweist sich „nicht als missbräuchlich, wenn eine Tochtergesellschaft ihr Ausschüttungsverhalten

gegenüber der Muttergesellschaft danach ausrichtet, dass die Muttergesellschaft einerseits für die

Ausschüttungen in den Genuss des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs kommt und ihr

andererseits die Möglichkeit erhalten bleibt, die mit der Beteiligung in unmittelbarem wirtschaftli-

chem Zusammenhang stehenden Kosten als Betriebsausgaben abzuziehen.“614 Es könnte aus

dieser Begründungserwägung auf die Tendenz in der Rechtsprechung des Bundes-

finanzhofs geschlossen werden, bei Gestaltung von Auslandssachverhalten eine umfas-

sende Freiheit zu gewährleisten; schon die Vermeidung einer ausländischer Steuer-

belastung könnte dann einen beachtlichen wirtschaftlichen Grund im Sinne des § 42

AO 1977 darstellen.615

Gewährt eine ausländische Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter im Inland ein

Darlehen, kann dieses Vorgehen unangemessen sein, da das wirtschaftliche Interesse

eines Gesellschafters regelmäßig darin besteht, dauerhaft Liquidität durch eine Aus-

schüttung der erzielten Unternehmenseinkünfte zu erlangen. Wenn die Gewährung

eines Darlehens durch den Gesellschafter auch ausschließlich der Steuerverminderung

dient, weil die Zahlung von Darlehenszinsen als Betriebsausgabe vom Einkommen

(§ 4 Abs. 4, § 2 Abs. 3 EStG, § 7 Abs. 1 KStG) steuermindernd abgesetzt wird, drängt

sich die Unangemessenheit – und damit die Missbräuchlichkeit –der Gestaltung auf.

Ebenso können sich Fälle als missbräuchlich erweisen, in denen die Gewinne der

ausländischen Kapitalgesellschaft dadurch endgültig der inländischen Besteuerung

entzogen werden, dass sie in Drittstaaten weitergeleitet werden und in diesen Staaten

etwa aufgrund eines umfassenden Bankgeheimnisses die Aufklärung der Besteuerungs-

grundlagen für die Finanzverwaltung nicht möglich oder erschwert ist.

Nimmt man nun an, dass sich in den beschriebenen Konstellationen der Steuer-

flucht oder der Ausnutzung der Abzugswirkung ein Missbrauch ergibt, erweist sich als

problematisch, ob sich mit einer Steuernorm daran anknüpfen lässt, dass die Abschirm-

wirkung über einen längeren Zeitraum ausgenutzt wird, bzw. dass sich daraus auf

einen Missbrauch schließen lässt. Eine zeitliche Verzögerung, bis es zu einer Ausschüt-

tung kommt, wird sich nicht als missbräuchlich herausstellen, da es dem Steuer-

pflichtigen freisteht, über Ausschüttungen zu disponieren. Dieses Ergebnis ist aber

nicht mehr eindeutig, wenn weitere Umstände hinzutreten, aus denen sich ein Rück- 614 Vgl. dazu BFH vom 7. 9. 2005 – I R 118/04, BB 2005, 2668.

222

223

224

Die Entwicklung einer speziellen Missbrauchsregelung

158

schluss auf einen Missbrauch ergibt. Da der Gesetzgeber gerade in der Ausnutzung der

Abschirmwirkung ein tragendes Element für die Einführung der Hinzurechungsbe-

steuerung sah,616 könnte die dauerhafte Thesaurierung als indizielles Merkmal aufgenom-

men werden, um einen Missbrauch zu begründen. Die Finanzbehörde könnte an

dieses Merkmal anknüpfen, das sich aus den jeweiligen Veranlagungen ergibt, und

wäre damit in die Lage versetzt, weitere Umstände zu ermitteln, aus denen sich ein

Missbrauch ergeben könnte. Dem Steuerpflichtigen wäre dann Gelegenheit gegeben,

der Finanzbehörde seine Gründe darzulegen, welche die Thesaurierungsentscheidung

tragen. Eine solche Regelung würde den Charakter einer „Einzelfallprüfung“ heraus-

stellen und könnte damit vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen

Gerichtshofs bestand haben.

Ein Missbrauch könnte also in Frage kommen, wenn „wirtschaftliche oder sonst

beachtliche Gründe“617 für die Thesaurierung nicht vorhanden sind. Es ließe sich

zielgenau in jedem Einzelfall überprüfen, ob ein Missbrauch gegeben ist, gleichzeitig

könnte der Steuerpflichtige den Nachweis führen, dass ein solcher Missbrauch nicht

vorliegt. Mit einer solchen Regelung könnte man eine so genannte escape clause618 – im

Verfahren Cadbury/Schweppes entsprach dem der „Motivtest“ – in das System der

Hinzurechnungsbesteuerung implementieren. Dem Steuerpflichtigen stünde dann

grundsätzlich immer die Möglichkeit offen, mit wirtschaftlichen oder sonst einleuch-

tenden Gründen seine Thesaurierungsentscheidung zu rechtfertigen. Die Hinzure-

chungsbesteuerung ließe sich dann auf die Fälle beschränken, in denen ausländische

Kapitalgesellschaft nicht in Wettbewerb mit anderen Unternehmen stehen. Ein solches

normatives Modell hätte damit den Vorteil, dass der Steuerpflichtige aufzeigen könnte,

dass eine Thesaurierung erforderlich war, weil die Kosten-Nutzen-Relation große

Investitionsrisiken und hohe Anlaufkosten erforderte. Dagegen könnte ein Missbrauch

angenommen werden, wenn für die Erzielung der Einkünfte einer ausländischen

Gesellschaft nur ein geringer Kostenaufwand entsteht.619 Der Vorteil einer speziellen

Regelung besteht mithin darin, dass echte wirtschaftliche Motive nicht steuerlich

615 Siehe dazu Asmus Mihm, Anmerkungen zu BFH vom 7. 9. 2005 – I R 118/04, BB 2005, 2668

(2670). 616 Vgl. dazu sub Rdnr. 52. 617 Vgl. die Rechtsprechung des BFH zu § 42 AO 1977, etwa BFH vom 19. 8. 1999 – I R 77/96,

BFHE 189, 342; BStBl. II 2001, 43. 618 Vgl. Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, Die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung auf dem europä-

ischen Prüfstand, IStR 2003, 6 (13). 619 Vgl. hierzu Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, Die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung auf dem

europäischen Prüfstand, IStR 2003, 6 f.

225

Neukonzeption eines außensteuerlichen Regelungskonzepts

159

sanktioniert werden. Es ließe sich hier eine wesentlich schärfere Trennung zwischen

wirtschaftlich sinnvollen Sachverhalten und denjenigen herbeiführen, die allein der

steuerlichen Manipulation dienen. Eine spezielle Missbrauchsvorschrift wird deshalb

die verfassungsrechtlich gebotene materielle Belastungsgleichheit einerseits und die

Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen andererseits gewährleisten.

Fügt man die aus der Analyse der geltenden Hinzurechnungsbesteuerung gewon-

nen Erkenntnisse zusammen, wird allein eine spezielle Missbrauchsregelung verfassungs-

rechtlich und gemeinschaftsrechtlich im Bereich der Hinzurechnungsbesteuerung

tragfähig sein. Dize vorangegangene Untersuchung hat insbesondere ergeben, dass die

Vorbelastung der Gewinne einer ausländischen Kapitalgesellschaft die derzeit geltende

Konzeption der Hinzurechnungsbesteuerung nicht legitimiert. Aus verfassungsrechtli-

cher Sicht muss dabei beachtet werden, dass beim jetzigen System der Dividendenbe-

steuerung die Ausschüttung als Regelfall erwartet wird. Berücksichtigt man die ge-

meinschaftsrechtsrechtlichen Aspekte, bleibt zur Rechtfertigung einer Hinzurech-

nungsbesteuerung nur, diese auf Erwägungen des „speziellen Missbrauchs“ zu stützen.

Aus der Rechtsprechung der nationalen Fachgerichte und des Europäischen Gerichts-

hofs ergibt sich, dass die Einschaltung einer Gesellschaft in einem ausländischen Staat

für sich genommen nicht als missbräuchlich zu werten ist. Die Hinzurechnungsbe-

steuerung könnte deswegen gegen die Ausnutzung der Abschirmwirkung gerichtet

werden und damit Steuervorteile aus dieser Gestaltungsmöglichkeit verhindern. Wenn

aber genau dieser Missbrauch ausgeschlossen werden soll, bietet sich eine Regelung

an, die zweckrational auf genau diesen Sachverhalt reagiert. Vereinfacht ausgedrückt

muss die dauerhafte Thesaurierung, die entsprechend der Missbrauchsterminologie nur

aus Gründen der Steuerersparnis und ohne wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen

Grund erfolgt, die Begründung sein, weshalb eine vorweggenommene Dividendenbe-

steuerung angeordnet wird. Der Gedanke, dass ein solcher Vorgang notwendigerweise

erst nach Ablauf einiger Zeit wahrnehmbar wird, kann sich nach den Erwägungen des

Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Hughes de Lasteyrie durchaus in einem

normativen Gefüge niederschlagen.

Anhand der Entscheidung in der Rechtssache Hughes de Lasteyrie hat der Europäi-

sche Gerichtshof einen für die Neukonzeption der Hinzurechnungsbesteuerung be-

deutsamen Gedanken erkennen lassen. Es ging dabei um eine Fallkonstellation, in

welcher ein in Frankreich ansässiger Steuerpflichtiger seinen Wohnsitz nach Belgien

verlegt und nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums wieder nach Frankreich zurück-

zieht. Bei Wegzug sollten die stillen Reserven in Frankreich besteuert werden, da

vermieden werden sollte, dass der Steuerpflichtige wegzieht, die steuerverstrickten

226

227

Die Entwicklung einer speziellen Missbrauchsregelung

160

Wertgegenstände veräußert und danach erneut in Frankreich seinen Wohnsitz nimmt.

Der Gerichtshof führte in dieser Entscheidung aus, dass eine Regelung vorstellbar

wäre, die genau den Sachverhalt erfasst, in welchem ein Steuerpflichtiger nach ver-

hältnismäßig kurzem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat und nach Realisie-

rung der Wertsteigerungen ins Inland zurückkehrt. Das Gericht führte wörtlich aus:620

„Zudem lässt sich das verfolgte Ziel, nämlich zu verhindern, dass ein Steuerpflichtiger vor

der Veräußerung der Wertpapiere seinen steuerlichen Wohnsitz allein deshalb vorüberge-

hend verlegt, um die Zahlung der in Frankreich auf die Wertsteigerungen zu entrichten-

den Steuer zu umgehen, durch Maßnahmen erreichen, die weniger einschneidend sind

oder die Niederlassungsfreiheit weniger beschränken und sich spezifisch auf die Gefahr ei-

ner solchen vorübergehenden Wohnsitzverlegung beziehen. Wie der Generalanwalt […]

ausgeführt hat, könnten die französischen Behörden u. a. die Besteuerung eines Steuer-

pflichtigen vorsehen, der nach verhältnismäßig kurzem Aufenthalt in einem anderen Mit-

gliedstaat und nach Realisierung der Wertsteigerungen nach Frankreich zurückkehrt; so

würden Auswirkungen auf die Situation von Steuerpflichtigen, die in gutem Glauben von

ihrer Freiheit der Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat Gebrauch machen wollen,

vermieden.“

Der Gerichtshof hat damit zum Ausdruck gebracht, dass als erforderliches Mittel

eine Regelung in Betracht kommen kann, in der ein missbilligter Vorgang – hier der

Rückzug in den ehemaligen Wohnsitzstaat – abgewartet wird. Eine ähnliche Konstel-

lation tritt auch in Fällen der Hinzurechnungsbesteuerung auf; dort geht es darum,

dass die dauerhafte Ausnutzung der Abschirmwirkung einer ausländischen Gesellschaft

beseitigt werden soll. Dies legt es nahe, dass die tatsächliche Ausnutzung der Ab-

schirmwirkung das Anknüpfungskriterium für eine Neukonzeption darstellen kann.

Unterbleibt die Ausschüttung von Einkünften einer ausländischen Gesellschaft, kann

mit dieser Regelungstechnik der Vorgang erfasst werden, in dem der Kapitalrückfluss

von der Gesellschaft an den Gesellschafter unterbleibt. Das setzt voraus, dass diese

Vorgänge zeitlich „überwacht“ werden und erst nach Ablauf einer gewissen Zeit

Rechtsfolgen vorgesehen werden. Eine solche Regelungstechnik ist dem deutschen

Steuerrecht nicht unbekannt. In § 8 Abs. 4 KStG findet sich etwa eine Rechtsgrund-

lage, nach der Verlustvorträge steuerlich neutralisiert werden, wenn innerhalb eines

gewissen Zeitraums in ein zuvor veräußertes Unternehmen Betriebsvermögen zuge-

führt wird.621 Die Vorschrift enthält einen „Überwachungszeitraum“ innerhalb dessen

620 Vgl. EuGH vom 11. 3. 2004 – Rs. C-9/02 (Hughes de Lasteyrie du Saillant), IStR 2004, 236

Rdnr. 54. 621 Kritisch im Hinblick auf die Regelung des § 3 Nr. 41 AStG etwa Schönfeld, Hinzurechnungsbe-

steuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 503.

228

229

Neukonzeption eines außensteuerlichen Regelungskonzepts

161

sich ergeben kann, ob der Verlustabzug gemäß § 10d EStG anzuerkennen ist.622 Damit

wäre zu überlegen, ob das Ausschüttungsverhalten einer ausländischen Gesellschaft

überwacht werden könnte, um damit zielgenau diejenigen Steuerpflichtigen zu erfas-

sen, die ohne wirtschaftliche Notwendigkeit im Ausland aufgelaufene Gewinne zu

günstigen Steuertarifen „speichern“, deren Herkunft verschleiern oder sonst dem

deutschen Steuerzugriff entziehen. Eine gegen diese Fälle gerichtete Regelung würde

den Vorteil aufweisen, dass der Steuerpflichtige jederzeit darlegen könnte, dass es für

die Thesaurierung wirtschaftliche Gründe gibt.

Aus den Vorschriften über die Festsetzungsverjährung in §§ 169 ff. AO 1977

könnte einen Orientierungsmaßstab abgeleitet werden, nach dem ein „Überwa-

chungszeitraum“ bemessen werden kann.623 Danach wäre ein Zeitrahmen von vier

Jahren als Untergrenze für den Zeitraum angemessen. Findet eine Ausschüttung in-

nerhalb dieses Zeitraums statt, könnte ein Missbrauch ausgeschlossen werden. Zudem

wird man argumentieren können, dass ein Zeitraum von 4 –6 Jahren noch als über-

schaubar gelten dürfte, da insbesondere Prüfungsfeststellungen nach einer steuerlichen

Außenprüfung gemäß §§ 293 ff. AO 1977 regelmäßig in einem solchen Zeitraum

stattfinden. Letztlich wird hier wohl nach dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit

zu beurteilen sein, ob eine solche Bestimmung den Steuerpflichtigen in seiner wirt-

schaftlichen Betätigungs- und Dispositionsfreiheit unzumutbar einschränkt.

Dabei müssen die bisherigen Regelungsvoraussetzungen der Hinzurechnungsbe-

steuerung nicht völlig ihre Bedeutung verlieren. Die Kriterien der niedrigen Besteuer-

ung und der Beteiligungsquote inländischer Gesellschafter lassen sich heranziehen, um

Indizien für einen Missbrauch zu erhalten. Allein über die Frage des Missbrauchs

dürfen diese Kriterien aber nicht entscheiden, da sonst wieder eine (gemeinschafts-

rechtswidrige) Vermutung anstelle einer zweckrational wirkenden Missbrauchsbe-

stimmung entstehen würde. Allerdings können diese Merkmale Hinweise darauf

geben, dass die Abschirmwirkung einer Gesellschaft ohne Grund und nur zum Zweck

der Steuerersparnis ausgenutzt wird. Darüber hinaus können nach der hier gegebenen

Lösung auch Konstellationen erfasst werden, in denen die Steuerbelastung im Ausland

der deutschen Belastung entspricht, die Investition aber dazu diente, durch Verlage-

rung des thesaurierten Kapitals in eine Steueroase dem inländischen Fiskus das Steuer-

substrat endgültig zu entziehen. Eine solche Investition kann sich nicht mehr dadurch

der Hinzurechnungsbesteuerung entziehen, indem eine Steuerbelastung akzeptiert 622 Vgl. dazu insbesondere BFH vom 15. 12. 2004 – I B 115/04, DStR 2005, 517.

230

231

Die Entwicklung einer speziellen Missbrauchsregelung

162

wird, die nur gering von der sich nach § 8 Abs. 3 AStG ergebenden Steuerbelastung

abweicht: Die Möglichkeit zur „Steuerflucht“ ließe sich dann nicht mehr „erkaufen“.

Nach dem hier vorgestellten Konzept würde die Hinzurechnungsbesteuerung in

Beziehung zu ihrer eigentlichen Aufgabe gesetzt und könnte der missbräuchlichen

Ausnutzung der Abschirmwirkung ausländischer Gesellschaften entgegengesetzt wer-

den. Als Fazit lässt sich damit festhalten, dass die Hinzurechnungsbesteuerung gemein-

schaftsrechtskonform ausgestaltet werden kann, wenn sie als spezielle Missbrauchs-

regelung konzipiert wird.

Demnach basiert das vorgestellte Konzept auf der Überlegung, dass der Gesetz-

geber verfassungsrechtlich und gemeinschaftsrechtlich einwandfrei unter bestimmten

Voraussetzungen eine dauerhafte Thesaurierung von Einkünften ausländischer Kapi-

talgesellschaften unterbinden will. Nicht die Erzielung von niedrig besteuerten Ein-

künften wird als Missbrauch aufgefasst, sondern allein der Umstand wird missbilligt,

dass „dauerhaft“ der Zufluss an den inländischen Gesellschafter unterbleibt. Dieses

Konzept könnte angemessene Maßnahme darstellen, um als Maßnahme zur Ver-

meidung steuerlicher Fehlentwicklung trennscharf einen Zugriff auf die Einkünfte

einer ausländischen Gesellschaft zu ermöglichen. Das Ergebnis dieser Untersuchung

lässt sich deshalb auf folgende Formel bringen: Anstelle einer Hinzurechnungsbe-

steuerung kann eine spezielle Missbrauchsvorschrift steuerlichen Fehlentwicklungen

entgegengesetzt werden. Die Verzögerung einer Ausschüttung wird zum Anlass einer

Besteuerung. Dadurch wird zum einen eine weit reichende Freiheit der Gestaltung

von Auslandssachverhalten gewährleistet, zum anderen kann der Steuerzugriff auf

diejenigen Sachverhalte gelenkt werden, in denen der Steuerpflichtige die Abschirm-

wirkung einer ausländischen Gesellschaft ausnutzt und die an sich wirtschaftlich ver-

nünftige Rückführung des investierten Kapitals unterlässt. Damit wird der Grundge-

danke der Hinzurechnungsbesteuerung wieder belebt, die nach ursprünglicher Vor-

stellung des Gesetzgebers die unberechtigte Ausnutzung der Abschirmwirkung auslän-

discher Kapitalgesellschaften durchbrechen sollte.

Die Auswahl und Bestimmung einer Rechtsfolge dieses speziellen Missbrauchs-

tatbestandes wird eingeschränkt durch die Systematik des neuen Körperschaftsteuersys-

tems. Werden Dividendenbezüge generell steuerfrei gestellt, begegnet die ausnahms-

weise Besteuerung von Dividenden – sei es bei Bezug oder in Form oder einer vor-

weggenommenen (Quasi-) Dividende –, dem Einwand, dass die Besteuerungs-

623 Weitere normative Ansatzpunkte könnten sich aus folgenden Regelungen ergeben: § 8 Abs. 4

KStG; § 17 Abs. 1 EStG; § 12 Abs. 2 UmwStG.

232

233

234

Neukonzeption eines außensteuerlichen Regelungskonzepts

163

systematik einen solchen Zugriff grundsätzlich nicht vorsieht. Die verfassungsrechtli-

chen und gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben lassen einen „Durchgriff“ nur unter sehr

strengen Voraussetzungen zu, insbesondere muss ein Fall einer wirtschaftlich funkti-

onslosen „Briefkastengesellschaft“ gegeben sein.624

Nacherhebung der fehlenden Vorbelastung. Was das Gemeinschaftsrecht an-

betrifft, wäre die Nacherhebung der „fehlenden Vorbelastung“ einer Dividende be-

denklich, da die Rechtssätze der Mitgliedsstaaten gleichwertig sind. Es ist daher nicht

erklärbar, weshalb das deutsche Steuerrecht den Steuerzugriff „ergänzen“ sollte. Im

Hinblick auf das Verfassungsrecht ergeben sich aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip

Bedenken. Die Leistungsfähigkeit von Gesellschafter und Gesellschaft sind getrennt

von einander zu betrachten, wird der Gesellschafter nach den Verhältnissen der Kapi-

talgesellschaft „nach besteuert“, steht die grundsätzliche Beziehung zwischen Gesell-

schafter und Gesellschaft in Frage. Die Problematik ist unter den geltenden Bestim-

mungen der Hinzurechnungsbesteuerung zusätzlich brisant. Eine „Vorbelastung“ wird

erzeugt, indem eine Besteuerung nach den individuellen Verhältnissen des Gesell-

schafters angeordnet wird, somit verwischt der Unterschied zwischen vorweggenom-

mener Dividendenbelastung und Körperschaftsteuerbelastung. Selbst wenn man der

Vorbelastung eine überragende Bedeutung für die Hinzurechnungsbesteuerung zuer-

kennen wollte, besteht die Gefahr einer Steuerverlagerung auch in Fällen, in denen

die Vorteile aus einer niedrigen Besteuerung nicht überwiegen.

Durchgriffskonzept. Der steuerliche Durchgriff, verstanden als Negierung der

Rechtspersönlichkeit der ausländischen Gesellschaft, wurde schon nach den ursprüng-

lichen Überlegungen zur Hinzurechnungsbesteuerung nicht als eine taugliche Grund-

lage angesehen, um die Einkünfte der Gesellschaft auf der Ebene des inländischen Ge-

sellschafters zu besteuern. Das Konzept eines speziellen Missbrauchs wirft eine Reihe

von Zweifelsfragen auf, da die Selbständigkeit juristischer Personen von Verfassungs-

rechtsprechung und Gemeinschaftsrecht sehr weit reichende Bedeutung besitzt. Die

Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat in jüngerer Vergangenheit –

insbesondere mit der Entscheidung in der Rechtssache Inspire Art – die Voraussetzun-

gen für die Errichtung von Kapitalgesellschaften großzügig behandelt und damit die

Bedeutung der Kapitalgesellschaft als selbständiges Instrument wirtschaftlicher Betäti-

gung hervorgehoben.625 Der Bundesfinanzhof hat die Voraussetzungen für einen

„Durchgriff“ – gemeint ist die Besteuerung der Gewinne einer Kapitalgesellschaft auf 624 BFH vom 19. 1. 2000 – I R 117/97, BFH/NV 2000, 824 und I R 94/97, BStBl. II 2001, 222

(Dublin Docks). 625 EuGH vom 30. 9. 2003 – Rs. C-167/01 (Inspire Art), Slg. 2003, I-10155, IStR 2003, 849.

235

236

Die Entwicklung einer speziellen Missbrauchsregelung

164

der Ebene des Gesellschafters gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 – vergleichsweise

streng gehandhabt. Das „Durchgriffskonzept“ ließe sich mithin grundlegend anfechten

und bietet keine tragfähige Grundlage einer speziellen Missbrauchsvorschrift.

Justierung des Regelungskonzepts. Die Hinzurechnungsbesteuerung richtet

sich nach ihrer ursprünglichen Konzeption gegen die Verlagerung von Einkunftsquel-

len auf abschirmende Rechtsträger. Dies wurde schon in den Gesetzesleitsätzen darge-

legt und könnte wieder aufgegriffen werden:

„Zentralproblem der Steuerflucht ist die Einschaltung sog. Basisgesellschaften. Sie sind da-

durch gekennzeichnet, dass sie keiner werbenden Geschäftstätigkeit nachgehen und ihr

Einkommen im Sitzstaat nicht oder nur gering zu versteuern haben. Als selbstständige ju-

ristische Person schirmen sie das in ihnen aufgefangene Einkommen gegen die deutsche

Besteuerung bei den inländischen Gesellschaftern ab. Die Besteuerung, die bei ihnen ohne

Einschaltung der Basisgesellschaft einsetzen würde, entfällt bis zu dem Zeitpunkt, in dem

sie das aufgefangene Einkommen an sich ausschütten lassen.“626

Hält man diese Zielsetzung aufrecht, muss unter den veränderten systematischen

und gemeinschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen – in den Fällen des § 8b Abs. 1

KStG entfällt nunmehr eine Besteuerung auch nach einer Ausschüttung und das

Gemeinschaftsrecht erlaubt die Ausnutzung eines vergleichsweise geringen Steuerni-

veaus – ein Regelungskonzept daran anknüpfen, dass Einkunftsquellen in das Ausland

verlagert werden und die Ausschüttung dauerhaft unterbleibt. Damit muss grundsätz-

lich der Vorgang zur Realisierungsschwelle des Steuerzugriffs erhoben werden, in dem

das Steuersubstrat seiner spezifischen Funktion zur inländischen Steuerverhaftung

enthoben, oder besser: entzogen wird und ein Rückfluss in den Wirtschaftskreislauf

des Anteilseigners vereitelt wird. Die verhinderte Weitergabe des Wertzuwachses an

den Gesellschafter entscheidet über den Steuerzugriff. Werden Einkünfte einer aus-

ländischen Gesellschaft „gespeichert“ oder „angesammelt“ können statt einer fingier-

ten Ausschüttung die innerhalb des Beteiligungsansatzes nachweisbaren Wertpotentiale

besteuert werden. So ließe sich das dogmatische Dilemma auflösen, dass ein Dividen-

denbezug steuerfrei gestellt werden müsste und mangels Ausschüttung das Leistungsfä-

higkeitsprinzip einer Besteuerung im Inland entgegensteht. Anders wäre es jedoch,

wenn erkannt würde, dass die angesammelten Gewinne den Wert der Beteiligung

objektiv erhöht haben. Die vom Steuerinländer gehaltene Beteiligung soll daher nach

dem hier vorgestellten Regelungskonzept besteuert werden. Mit dieser Vorgehens-

626 Leitsätze der Bundesregierung vom 17. 12. 1970 zum IV. Teil des Außensteuergesetzes vom 8.

9. 1972, abgedruckt in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 7 AStG (Gesetzes-materialien).

237

238

Neukonzeption eines außensteuerlichen Regelungskonzepts

165

weise bleibt die Dividendenbesteuerung unberührt, so dass nach wie vor Mehrfachbe-

lastungen durch die Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 1 KStG und § 3 Nr. 40 EStG

systematisch ausgeschlossen wären und die Hinzurechnungsbesteuerung in ihrer neuen

Gestalt nicht in dieses System integriert werden müsste – so wie es etwa § 3 Nr. 41

EStG derzeit vorsieht. Ein solches Konzept würde sich nicht dem Vorwurf ausgesetzt

sehen, dass es eine „ersatzweise“ Vorbelastung konstruieren müsste. Vielmehr könnte

– sofern ein steuerschädliches Verhalten nachgewiesen wird – der Zuwachs des Betei-

ligungswertes abgeschöpft werden. Letztlich besteht der Anreiz, Ausschüttungen von

ausländischen Einkünften dem inländischen Wirtschaftskreislauf nutzbar zu machen

um ein „akzeptables Ausschüttungsverhalten“ zu befördern. Eine solche „nach-

gelagerte“ und im Vergleich zum jetzigen System „milde“ Besteuerung erfasst also den

Wert des im Inland vorhandenen Wirtschaftsgutes „Beteiligung“ und sorgt für eine

gleichmäßige Belastung sämtlicher Vorgänge, in denen es zu einer Verlagerung von

Steuersubstrat aus dem Geltungsbereich des deutschen Fiskus kommt. Der Mechanis-

mus der „prophylaktischen Wirkung“ wird damit umgekehrt und die Niederlassungs-

freiheit in weitem Umfang gewährleistet. Der Steuerpflichtige hat es mit wirtschaftlich

sinnvollem Verhalten jederzeit in der Hand, der Missbrauchsbesteuerung zu entgehen,

gleichzeitig könnte erreicht werden, dass Investitionskapital wieder dem inländischen

Wirtschaftskreislauf zufließt. Von der Vorstellung, ein niedriges Steuerniveau in Euro-

pa zum Ansatz einer Hinzurechnungsbesteuerung zu machen, könnte sich dieses

Konzept einen Schritt entfernen, ohne die wirklich schädlichen Fallgestaltungen aus

dem Auge zu verlieren. Die dem Regelungskonzept zu Grunde liegende Vorstellung,

nur ausnahmsweise die Wertzuwächse auf der Ebene des Gesellschafters bei miss-

bräuchlicher Verlagerung von Steuersubstrat zu erfassen könnte danach im Hinblick

auf die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts eine tragfähige Neuausrichtung erlauben.

Es kann damit folgendes Regelungskonzept umrissen werden: Erstens würde die

Missbrauchsvorschrift an den Umstand anknüpfen, dass Einkünfte einer ausländischen

Gesellschaft nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums ausgeschüttet werden. Zwei-

tens muss dem Steuerpflichtigen Gelegenheit gegeben werden, die Motive darlegen,

welche für die Thesaurierungsentscheidung ausschlaggebend waren. Drittens ist –

sofern ein Missbrauch nachgewiesen ist – der Wertzuwachs der Beteiligung Anknüp-

fungspunkt einer Besteuerung.

Verfügt ein Steuerpflichtiger über eine Auslandsbeteiligung, so wird das Ausschüt-

tungsverhalten der Anknüpfungspunkt zur Bestimmung eines Missbrauchs. Schüttet

der Steuerpflichtige nicht innerhalb eines festgelegten Zeitraumes aus und kann er

keine wirtschaftlichen Motive für dieses „Unterlassen“ darlegen, führt dies zu einer

239

240

Die Entwicklung einer speziellen Missbrauchsregelung

166

Versteuerung des Zuwachses des Beteiligungswertes. Die Anwendung der hiermit

entworfenen außensteuerrechtlichen Missbrauchsbestimmung gewährleistet die Ge-

meinschaftsrechtskonformität, denn der Prozess des Wirtschaftens wird steuerlich nicht

belastet und die Eingriffsschwelle „nachgelagert“ und wirtschaftlich sinnvolles Han-

deln nicht behindert. Der Steuerpflichtige wird bei seiner Entscheidung, eine Gesell-

schaft in einem Mitgliedsstaat zu errichten nicht beschränkt, da er lediglich dann einer

Besteuerung ausgesetzt wird, wenn wirtschaftliche Motive, die über die Nutzung

eines Steuergefälles hinausgehen, schlechterdings nicht mehr wahrnehmbar sind.

Dieses Konzept macht die Unterscheidung zwischen Halbeinkünfteverfahren und

vollumfänglicher Freistellung nach § 8b Abs. 1 KStG obsolet, da es sich nicht wie die

Hinzurechnungsbesteuerung an der (möglichen) Ausschüttung orientiert, sondern den

Wertgehalt der Beteiligung erfasst.

Mit der hier vorgeschlagenen Regelung wäre das in der Cadbury-Entscheidung

aufgestellte Erfordernis erreichbar, nach dem die Feststellung einer „tatsächlichen

Ansiedlung“, deren Zweck „darin besteht, wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten im

Aufnahmemitgliedstaat nachzugehen […].“627 Eine Regelung, die es erlaubt, die

objektive wirtschaftliche Aktivität der ausländischen Gesellschaft nachzuprüfen, ge-

währleistet auch, dass auch das Ausmaß des greifbaren Vorhandenseins der Gesellschaft

jederzeit erkennbar ist und unerwünschte Steuerfolgen bei eingetretenem Missbrauch

korrigiert werden können.

627 Vgl. EuGH vom 12. 9. 2006 – Rs. C-196/04 (Cadbury), DStR 2006, 1686 Rdnrn. 66 ff.

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Maier-Frischmuth, Markus Bestandsaufnahme und Zukunft der deutschen Hin-zurechnungsbesteuerung (§§ 7 bis 14 AStG), IStR 2005, 361

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Kritische Anmerkungen zur geplanten Substitution des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens durch das Halbeinkünfteverfahren im Zuge des Steu-ersenkungsgesetzes BB 2000, 1377

Malherbe, Francois

Die Belgischen Koordinierungsstellen (Teil I) – Ziel und Verfahren der gem. Kgl. Verfügung Nr. 187 vom 30.12.1982 errichteten Koordinierungsstellen, An-wendungsbereich IStR 1997, 74

Maunz, Theodor Dürig, Günter

Grundgesetz, Kommentar, Loseblattsammlung 43. Ergänzungslieferung, München, Stand: August 2004

Menck, Thomas Halbeinkünfteverfahren, Schachtelprivileg über die Grenze und Außensteuergesetz, IWB 2000, Gruppe 1, 1639

Menck, Thomas Die Ermittlung des anzusetzenden Hinzurechnungs-betrages bei reinen Zwischengesellschaften DStZ 1975, 43

Menck, Thomas Die unverborgene Krise des Außensteuerrechts IStR 2001, 279

Menck, Thomas Halbeinkünfteverfahren, Schachtelprivileg über die Grenze und Außensteuergesetz IWB 2000, 1639

XIV

Menck, Thomas Rechtsmechanismus und Rechtscharakter der Zugriffsbesteuerung DStZ, 1978, 106

Menck, Thomas

Die Fortentwicklung der internationalen Unterneh-mensbesteuerung auf der 18. Hamburger Tagung zur internationalen Besteuerung am 7.12.2001, FR 2002, 241

Morgenthaler, Gerd Steueroasen und deutsche Hinzurechnungsbesteue-rung – Zur Deutung der §§ 7 ff. AStG – IStR 2000, 289

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Möstl, Markus

Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung – Dargestellt am Beispiel der Vermögensteuer, Veräu-ßerungsgewinnbesteuerung und Abgeltungssteuer, DStR 2003, 720

Müller, Daniel Gedanken zur „Europatauglichkeit“ der neuen Divi-dendenbesteuerung IStR 2002, 109

Musil, Andreas

Kein europarechtliches Beschränkungsverbot für die direkten Steuern? - Eine Analyse der Rechtsprechung des EuGH zur tatbestandlichen Reichweite der Per-sonenverkehrsfreiheiten im Zusammenhang mit dem Recht der direkten Steuern IStR 2001, 481

Niedrig, Hans-Peter Substanzerfordernisse bei ausländischen Gesellschaften IStR 2003, 474

XV

Niedrig, Hans-Peter Substanzerfordernisse bei ausländischen Gesellschaf-ten, IStR 2003, 474

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Die Hinzurechnungsbesteuerung in Italien, Die Hin-zurechnungsbesteuerung in Italien IStR 2005, 763

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Staatsrecht II Grundrechte 18. Auflage, Heidelberg 2002 zitiert: Staatsrecht II

Pohl, Dirk Raupach, Arndt

Einwirkung des Europarechts auf das Internationale Steuerrecht, Festschriftenbeitrag aus Festschrift 50 Jah-re Deutsches Anwaltsinstitut e.V. 2003, 489

Prinz, Ulrich Strategien gestalteter Ausschüttungsmaßnahmen bei Kapitalgesellschaften FR 2004, 19

Protzen, Daniel Rättig, Horst

Die im Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vorgesehenen Ände-rungen der Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7-14 AStG, IStR 2001, 601

Protzen, Peer Daniel Rättig, Horst

Die „neue Hinzurechnungsbesteuerung“ der §§ 7-14 AStG in der Fassung des UntStFG - Problembereiche und Gestaltungshinweise IStR 2002, 123

Raber, Hans-Georg Zur Umsetzung der Körperschaftsteuerreform – Eu-roparechtliche und verfassungsrechtliche Aspekte DB 1999, 2596

XVI

Rättig, Horst Protzen Daniel

Die „neue Hinzurechnungsbesteuerung“ der §§ 7–14 AStG in der Fassung des UntStFG – Problembereiche und Gestaltungshinweise IStR 2002, 123

Rättig, Horst Protzen Daniel

Holdingbesteuerung nach derzeit geltendem und kommendem Außensteuergesetz IStR 2000, 548

Rättig, Horst Protzen Daniel

Überblick über die Hinzurechnungsbesteuerung des AStG in der Fassung des Unternehmenssteuerfortent-wicklungsgesetzes DStR 2002, 241

Rättig, Horst Protzen Daniel

Unbeabsichtigter Systemwechsel bei der Hinzurech-nungsbesteuerung von Kapitalgesellschaften als Folge des Steuersenkungsgesetzes? IStR 2000, 394

Rättig, Horst Protzen, Daniel

Holdingbesteuerung nach derzeit geltendem und kommendem Außensteuergesetz IStR 2000, 548

Rättig, Horst Protzen, Daniel

Praktische Folgen der Unvereinbarkeit der Hinzu-rechnungsbesteuerung mit der EU-Niederlassungs- sowie Kapitalverkehrsfreiheit GmbHR 2003, 503

Rättig, Horst Protzen, Peer Daniel

Das BMF-Schreiben vom 14. 5. 2004 – IV B 4 - S 1340 – 11/04 – (Grundsätze zur Anwendung des Au-ßensteuergesetzes) – Analyse und Kritik der wesentli-chen Anordnungen im Bereich der Hinzurechnungs-besteuerung der §§ 7 bis 14 AStG IStR 2004, 625

Rättig, Horst Protzen, Peer Daniel

Die neue Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7-14 AStG in der Fassung des UntStFG - Problembereiche und Gestaltungshinweise IStR 2002, 123

Rättig, Horst Protzen, Peer Daniel

Keine Behinderung der internationalen Steuerplanung durch § 42 Abs. 2 AO 1977 n.F. IStR 2002, 828

XVII

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Zur Europarechtswidrigkeit der §§ 7–14 AStG und zu den Folgen für die internationale Steuerplanung IStR 2003, 195

Rauer, Horst Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts durch Einschaltung einer Basisgesellschaft DB 1983, 2276

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Der deutsche Nationalbericht zum IFA-Kongress 2005 in Buenos Aires Generalthema I: Quelle und Ansässigkeit – Neuausrichtung der Prinzipien IStR 2004, 816

Reiß, Wolfram Kritische Anmerkungen zu den Brühler Empfehlun-gen zur Reform der Unternehmensbesteuerung DStR 1999, 2011

Ribbrock, Martin

Vorlagebeschluss an EuGH zur Klärung der Gemein-schaftsrechtswidrigkeit von grenzüberschreitender Hinzurechnungsbesteuerung nach Außensteuergesetz, Anmerkung zu FG Münster Beschluss 15 K 1114/99 F, EW vom 05.07.2005, IStR 2005, 636

Ritter, Wolfgang Brauchen wir ein neues Steuerfluchtgesetz? BB 1987, 65

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Rödder, Thomas Deutsche Unternehmensbesteuerung im Visier des EuGH DStR 2004, 1629

Rödder, Thomas

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XVIII

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Beschränkung der Nutzung von Niedrigsteuersyste-men durch multinationale Unternehmen: Stand und Trends SWI 2002, 369

Schulze zur Wiesche, Dieter Kritische Anmerkungen zu den Brühler Empfehlun-gen der Unternehmensbesteuerung, FR 1999, 698

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Sorgenfrei, Ulrich „Bilaterales Dividenden-Stripping“ und Kapitalver-kehrsfreiheit (Teil II), IStR 1997, 737

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Wenger, Ekkehard Die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen: Sys-temwidrigkeiten und systematische Notwendigkeiten StuW 2000, 177

Werra, Mathias Zum Reformbedarf beim Außensteuergesetz unter Berücksichtigung des Verhaltenskodex IStR 2001, 438

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Steuerumgehung durch die Einschaltung ausländischer Kapitalgesellschaften – Eine Untersuchung des Nor-menkonkurrenzverhältnisses zwischen § 42 AO und den §§ 7 ff. AStG sowie § 50d Abs. 1a EStG. Mann-heimer Beiträge zum öffentlichen Recht und Steuer-recht Band 14, Frankfurt am Main, 1997 zitiert: Winkelmann, Steuerumgehung durch die Ein-schaltung ausländischer Kapitalgesellschaften

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Zitzelsberger, Heribert Die Deutsche Steuerreform im internationalen Kon-text IStR 2001, 527

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Einführungserlass 1974 BMF vom 11.07.1974 IV C 1 - S 1340 - 32/74, BStBl. I 1974, 442

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Koordinierter Ländererlass Erlass des Finanzministers von Niedersachsen vom 30. 3. 1978 – S 1354 - 10 - 33 2, FR 1978, 243

Anwendungserlass 1994

BMF vom 2. 12. 1994 – IV C 7 – S 1340 – 20/94, BStBl. I 1995, Sondernummer l/95, l–7

BMF vom 30. 5. 1995 – IV B 4 – S 2303 – 64/95, BStBl. I 1995, 337

BMF vom 20. 11. 1995, gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder, BStBl. I 1995, 819

Finanzsenator von Bremen vom 22. 11. 1995 – S 1300 - 5019 - 130, FN - IDW 3/1996, 139

BMF vom 23. 1. 1996 – IV B 4 - S 2303 - 14/96, BStBl. I 1996, 89

BMF vom 23. 12. 1996 IV B 3 - S 2257 - 54/96, BStBl. I 1996, 1508

OFD Düsseldorf, Verfügung vom 23. 7. 1997 S – 1300 A – St 112

Anwendungserlass 2004 BMF-Schreiben vom 14. 5. 2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004 Sondernummer 1/2004

A

Abkürzungsverze ichni s

A

a.A. anderer Ansicht a.a.O. am angegebenen Ort abl. ablehnend ABl. (EG) Amtsblatt (der Europäischen Gemeinschaften) Abs. Absatz Abschn. Abschnitt Abt. Abteilung abw. abweichend AdV Aussetzung der Vollziehung ADV Automatisierte Datenverarbeitung a.E. am Ende Änd. Änderung ÄndG Änderungsgesetz, Gesetz zur Änderung ÄndVO Änderungsverordnung a. F. alte(r) Fassung AfA Absetzung(en) für Abnutzung oder

Substanzverringerung AfaA Absetzung(en) für außergewöhnliche technische oder

wirtschaftliche Abnutzung AG Aktiengesellschaft; Amtsgericht; Die Aktiengesellschaft

(Zeitschrift) AIG Auslandsinvestitionsgesetz AK/HK Anschaffungs-/Herstellungskosten AktG Aktiengesetz allg. allgemein Alt. Alternative AltEinkG Gesetz zur Neuordnung der

einkommensteuerrechtlichen Behandlungen von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz)

amtl. amtlich Amtsbl. Amtsblatt Anh. Anhang Anl. Anlage Anm. Anmerkung a. o. außerordentlich AO 1977 Abgabenordnung 1977

B

AOÄndG Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze

Ap. Außenprüfung ArbG Arbeitgeber; Arbeitsgericht ArbN Arbeitnehmer Art. Artikel AStG Außensteuergesetz Aufl. Auflage Ausl., ausl. Ausland, ausländisch AuslInvestmG Auslandinvestment-Gesetz AWD Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters; jetzt:

RIW Az. Aktenzeichen AZO Allgemeine Zollordnung; Arbeitszeitordnung

B

BA Betriebsausgabe(n) BAnz. Bundesanzeiger Baumbach, AktG Baumbach/Hueck, Aktiengesetz, Kommentar Baumbach, GmbHG Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, Kommentar BB Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bd. Band BE Betriebseinnahme(n) Begr. Begründung Beil. Beilage(n) bej. bejahend Bem. Bemerkung(en) beschr. beschränkt best. bestätigt, bestätigend bestr. bestritten betr. betreffend BewDV Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz BewG Bewertungsgesetz BewRGr. Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens BewRL Richtlinien für die Bewertung des land- und

forstwirtschaftlichen Vermögens Bf. Beschwerdeführer(in) BfF Bundesamt für Finanzen BFH Bundesfinanzhof BFHE Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs BFHEntlG Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs BFH/NV Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs

C

BFH/PR Entscheidungen des Bundesfinanzhofs für die Praxis der Steuerberatung (Zeitschrift)

BFH-Report Schnelldienst zur höchstrichterlichen Steuerrechtsprechung (Zeitschrift)

BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHSt Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bl. Blatt BMF Bundesminister(ium) der Finanzen BMI Bundesminister(ium) des Inneren BMJ Bundesminister(ium) der Justiz Bp. Betriebsprüfung BR Bundesrat BR-Drs. Bundesrats-Drucksache BReg. Bundesregierung BStBl. Bundessteuerblatt BT Bundestag BT-Drs. Bundestags-Drucksache Buchst. Buchstabe(n) BV Betriebsvermögen; Berechnungsverordnung BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts BVerfGG Gesetz über das Bundesverfassungsgericht BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts

C

Cahiers Cahiers de droit fiscal international CuR Computer und Recht (Zeitschrift)

D

Darst. Darstellung DB Der Betrieb (Zeitschrift) DBA Doppelbesteuerungsabkommen Debatin/Wassermeyer Doppelbesteuerung (Loseblatt); zuvor: Korn/Debatin ders.; dies. derselbe; dieselbe diff. differenzierend Diss. Dissertation DMBEG DM-Bilanzergänzungsgesetz DMBilG DM-Bilanzgesetz

D

D/E/J/P/W Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer; Kommentar

DÖV Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Drs. Drucksache DStJG Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft DStR Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) DStRE DStR-Entscheidungsdienst (Zeitschrift) DStZ Deutsche Steuer-Zeitung dt. deutsch DV (DVO) Durchführungsverordnung DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)

E

EDV Elektronische Datenverarbeitung EFG Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift) EG Europäische Gemeinschaft(en); Einführungsgesetz EG-FRL EG-Fusionsrichtlinie EGAHiG EG-Amtshilfe-Gesetz EGAmtAnpG EG-Amtshilfe-Anpassungsgesetz EGAO Einführungsgesetz zur Abgabenordnung 1977 (EGAO

1977) EGV/EG-Vertrag EG-Vertrag Einf./Erl. Einführung(serlass) EinfG (EG) Einführungsgesetz; Gesetz zur Einführung Einl. Einleitung einschl. einschließlich einschr. einschränkend EK Eigenkapital EL. Ergänzungslieferung entspr. entsprechend Entw. Entwurf ErbSt(G) Erbschaftsteuer(gesetz) ErbStDV Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung ErbStRefG Erbschaftsteuerreformgesetz Erg. Ergänzung; Ergebnis ErgAbG Ergänzungsabgabegesetz Erl. Erlass Ernst & Young KStG Körperschaftsteuergesetz (Kommentar, Loseblatt;

früher: Arthur Andersen) Erläut. Erläuterung(en) EStB Der Einkommensteuer-Berater (Zeitschrift) ESt(G) Einkommensteuer(gesetz) ESt-Kartei Einkommensteuer-Kartei

E

EStÄndG Einkommensteueränderungsgesetz EStÄR Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien EStDV Einkommensteuer-Durchführungsverordnung EStH Einkommensteuer-Hinweise EStR Einkommensteuer-Richtlinien EStRefG Einkommensteuerreformgesetz EU Europäische Union EuGH Europäischer Gerichtshof EuGHE Entscheidungssammlung des Gerichtshofs der

Europäischen Gemeinschaften EURLUmsG Gesetz zur Umsetzung von EU-Richtlinien in

nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften (Richtlinien-Umsetzungsgesetz)

EuroG Gesetz zur Einführung des Euro EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht e. V. eingetragener Verein EW Einheitswert EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, siehe auch EG EWIV Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung EWR Europäischer Wirtschaftsraum EWS Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) EZ Erhebungszeitraum

F

FA, FÄ Finanzamt, Finanzämter FArch Finanzarchiv FG Finanzgericht FG Baden-Württemberg Finanzgericht Baden-Württemberg FG Bdbg. Finanzgericht Brandenburg FG Berlin Finanzgericht Berlin FG Bremen Finanzgericht Bremen FG Düsseldorf Finanzgericht Düsseldorf FG Hamburg Finanzgericht Hamburg FG Hess. Hessisches Finanzgericht FG Köln. Finanzgericht Köln FG Sachs. Sächsisches Finanzgericht FG Mchn. Finanzgericht München FG MeVo. Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern FG M´ster. Finanzgericht Münster FG Nbg. Finanzgericht Nürnberg FG Nds. Niedersächsisches Finanzgericht FG RhPf. Finanzgericht Rheinland-Pfalz

F

FG Saarl. Finanzgericht des Saarlandes FG SachsAnh. Finanzgericht Sachsen-Anhalt FG SchlHol. Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht FG Thür. Finanzgericht Thüringen FGG Gesetz über Angelegenheiten der freiwilligen

Gerichtsbarkeit FGO Finanzgerichtsordnung fifo first in - first out FMBl: Finanzministerialblatt FinBeh Finanzbehörde(n) FinMin Finanzminister(ium) FinSen Finanzsenator FinVerw Finanzverwaltung Fn. Fußnote FR Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Frotscher, EStG Einkommensteuergesetz, Kommentar (Loseblatt) Frotscher, KStG Körperschaftsteuergesetz, Kommentar (Loseblatt) FS Festschrift FusionsRL Fusionsrichtlinie Fußn. Fußnote(n)

G

G Gesetz GA Generalanwalt (beim Europäischen Gerichtshof) GBl. Gesetzblatt GbR Gesellschaft bürgerlichen Rechts GdE Gesamtbetrag der Einkünfte GebO Gebührenordnung gem. gemäß Ges. Gesetz; Gesellschaft GewSt(G) Gewerbesteuer(gesetz) GewStÄndG Gesetz zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes und

anderer Gesetze GewStÄR Gewerbesteuer-Änderungsrichtlinien GewStDV Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung GewStR Gewerbesteuer-Richtlinien gg.(ü) gegen(über) GG Grundgesetz gl. A. gleicher Ansicht GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHG GmbH-Gesetz GmbHR GmbH-Rundschau (Zeitschrift) GoB Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung

G

Gosch KStG Körperschaftsteuergesetz (Kommentar) Gr. Gruppe GrESt(G) Grunderwerbsteuer(gesetz) grds. grundsätzlich GrS Großer Senat GrSt(G) Grundsteuer(gesetz) GrStDV Grundsteuer-Durchführungsverordnung GS Gesetzessammlung, Gedächtnisschrift G´ter Gesellschafter GuV-Rechnung Gewinn- und Verlustrechnung GVBl, GVOBl Gesetz- und Verordnungsblatt GVG Gerichtsverfassungsgesetz GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen GWG geringwertige Wirtschaftsgüter

H

Halbs. Halbsatz HB Handelsbilanz, Hoheitsbetrieb HBeglG Haushaltsbegleitgesetz Hdb. Handbuch HdJ Handbuch des Jahresabschlusses in Einzeldarstellungen HdU Handbuch der Unternehmensbesteuerung HEV Halbeinkünfteverfahren HFA Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer HFR Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (Zeitschrift) HGB Handelsgesetzbuch H/H/R Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und

Körperschaftsteuergesetz, Kommentar (Loseblatt) H/H/Sp Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung und

Finanzgerichtsordnung, Kommentar (Loseblatt) HK Herstellungskosten h. M. (h. L.) herrschende Meinung (herrschende Lehre) HR Handelsregister HRefG Handelsrechtsreformgesetz Hrsg., hrsg. Herausgeber, herausgegeben HV Handelsvertreter; Hauptversammlung (einer AG)

I

i. d. F. (R.) in der Fassung (Regel) i. E. im Einzelnen im Allg. im Allgemeinen

H

im Erg. im Ergebnis Inl., inl. Inland, inländisch insbes. insbesondere InsO Insolvenzordnung InstFSt Institut Finanzen und Steuern (Schriftenreihe des

InstFSt) intern. international i. R. d. (v.) im Rahmen des (von) i. S. d. (v.) im Sinne des (von) IStR Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) i. Ü. im Übrigen i. V. im Verhältnis i. V. m. in Verbindung mit IWB Internationale Wirtschafts-Briefe (Loseblatt) i. w. S. im weiteren Sinne

J

Jahrg. (Jg.) Jahrgang JbFSt Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht JStErgG Jahressteuer-Ergänzungsgesetz JStG Jahressteuergesetz jur. juristisch(e)

K

KAG Kapitalanlagegesellschaft; Kommunalabgabengesetz KAGG Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Kap. Kapitel; Kapital KapGes Kapitalgesellschaft KapSt (KapESt) Kapitalertragsteuer KapStDV Verordnung zur Durchführung des Steuerabzugs vom

Kapitalertrag KapVerm Kapitalvermögen Kfm, kfm Kaufmann, kaufmännisch KG Kommanditgesellschaft; Kammergericht KGaA Kommanditgesellschaft auf Aktien Kirchhof Kirchhof, EStG KompaktKommentar KiSt(G) Kirchensteuer(gesetz) Kj. Kalenderjahr Klein, AO Abgabenordnung - einschl. Steuerstrafrecht

(Kommentar) KleinUntFG Gesetz zur Förderung von Kleinunternehmern und zur

Verbesserung der Unternehmensfinanzierung

I

Knobbe-Keuk Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht KO Konkursordnung koord. koordiniert Korn Korn, Einkommensteuergesetz, Kommentar (Loseblatt) KostO Kostenordnung krit. kritisch Kruse, LB Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts K/S/M Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum

Einkommensteuergesetz (Loseblatt) KSt(G) Körperschaftsteuer(gesetz) KStÄR Körperschaftsteuer-Änderungsrichtlinien KStDV Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung kst(recht)l. körperschaftsteuer(recht)lich KStR Körperschaftsteuer-Richtlinien KWG Gesetz über das Kreditwesen

L

lfd. laufend Lfg. Lieferung LG Landgericht Littmann Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht,

Kommentar (Loseblatt) LSt Lohnsteuer LStDV Lohnsteuer-Durchführungsverordnung LStR Lohnsteuer-Richtlinien; Lohnsteuerrecht LuF, luf Land- und Forstwirtschaft, land- und forstwirtschaftlich

M

MA; OECD-MA OECD-Musterabkommen m. a. W. mit anderen Worten MDR Monatsschrift für Deutsches Recht m. E. meines Erachtens MinBl. Ministerialblatt m. w. N. mit weiteren Nachweisen MwSt Mehrwertsteuer

N

n. F. neue(r) Fassung NJW Neue Juristische Wochenschrift NJWE NJW-Entscheidungsdienst NJW-RR NJW-Rechtsprechungs-Report

J

nrkr. nicht rechtskräftig NSt Neues Steuerrecht von A-Z (Kommentar-Zeitschrift) nv nicht veröffentlicht NV Nichtveranlagung, nicht veranlagt NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NWB Neue Wirtschafts-Briefe (Loseblatt) NWB DokSt NWB Dokumentation Steuerrecht NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZB Nichtzulassungsbeschwerde NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZS Neue Zeitschrift für Sozialrecht

O

o. a. oben angegeben/angeführt o. ä. oder ähnlich(e) OECD Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und

Entwicklung ÖStZ Österreichische Steuer-Zeitung OFD Oberfinanzdirektion OHG Offene Handelsgesellschaft OLG Oberlandesgericht OT Organträger o. V. ohne Verfasserangabe (anonym) OWiG Gesetz über die Ordnungswidrigkeiten

P

Pahlke/Koenig Abgabenordnung (Kommentar) Palandt Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar PIStB Praxis der internationalen Steuerberatung (Zeitschrift) PIStR Praxis internationales Steuerrecht (Zeitschrift) ProgrVorb Progressionsvorbehalt Prot. Protokoll ProtErklG Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der

Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum StVergAbG (sog. Korb II-Gesetz)

R

R Recht(e); Rechtsspruch; Richtlinie RAO Reichsabgabenordnung RAP Rechnungsabgrenzungsposten RAV Rentenanpassungsverordnung

K

RdSchr. Rundschreiben RdVfg., RdErl. Rundverfügung, Runderlass Reg. Regierung RegEntw. Regierungsentwurf Rev. Revision RFH Reichsfinanzhof RFHE Entscheidungen des Reichsfinanzhofs

(Entscheidungssammlung) RG Reichsgericht RGBl. Reichsgesetzblatt RIW Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Rj. Rechnungsjahr rkr. rechtskräftig RL Richtlinie der EG Rs. Rechtssache Rspr. Rechtsprechung RStBl. Reichssteuerblatt RT-Drs Reichstags-Drucksache RVO Rechtsverordnung; Reichsversicherungsordnung Rz. Randziffer(n), Randzahl(en)

S

s. siehe S. Seite(n); Satz, Sätze s. a. siehe auch SA Sonderausgabe(n) SachbezV Sachbezugsverordnung SaDV Sammelantrags-Datenträger-Verordnung Schmidt Einkommensteuergesetz, Kommentar Schr. Schreiben SenFin Senator für Finanzen SGB Sozialgesetzbuch SGG Sozialgerichtsgesetz Slg. Sammlung sog. sogenannt SolZ(G) Solidaritätszuschlag(sgesetz) St. Steuer(n) Stbg Die Steuerberatung (Zeitschrift) StbJb Steuerberater-Jahrbuch StEntlG Steuerentlastungsgesetz StEuglG Gesetz zur Umrechnung und Glättung steuerlicher

Euro-Beträge (Steuer-Euroglättunggesetz) StGB Strafgesetzbuch

L

stl. steuerlich StMBG Missbrauchsbekämpfungs- und

Steuerbereinigungsgesetz stpfl. steuerpflichtig st. Rspr. ständige Rechtsprechung str. streitig/strittig StR Steuerrecht StraBEG Gesetz über die strafbefreiende Erklärung

(Strafbefreiungserklärungsgesetz) strechtl. steuerrechtlich StSenkErgG Steuersenkungsergänzungsgesetz StSenkErwG Steuersenkungs-Erweiterungsgesetz StSenkG Steuersenkungsgesetz StStud Steuer und Studium (Zeitschrift) StuB Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) StuW Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) StVergAbG Gesetz zum Abbau von Steuervergünstigungen und

Ausnahmeregelungen (Steuervergünstigungsabbaugesetz)

subj. subjektiv SubvAbG Subventionsabbaugesetz SubvG Subventionsgesetz

T

teilw. teilweise T/L; Tipke/Lang Tipke/Lang, Steuerrecht (Lehrbuch) T/K; Tipke/Kruse Tipke/Kruse, Abgabenordnung und

Finanzgerichtsordnung, Kommentar (Loseblatt) Tz. Textziffer(n)

U

U. Urteil u. a. unter anderem, und andere u. ä. und ähnlich(e) UmwBerG Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts UmwG Umwandlungsgesetz UmwStG Umwandlungssteuergesetz unbeschr. unbeschränkt UntStFG Gesetz zur Fortentwicklung des

Unternehmensteuerrechts (Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetz)

unzutr. unzutreffend

M

USt(G) Umsatzsteuer(gesetz) UStDB Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz UStDV Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung UStR Umsatzsteuer-Richtlinien V v. von, vom VA Verwaltungsakt; Verwaltungsanordnung;

Vermögensabgabe VBl. Verordnungsblatt vEK verwendbares Eigenkapital VerbBG Verbraucher-Binnenmarktgesetz vern. verneinend VersR Versicherungsrecht (Zeitschrift) VersRiLiG Versicherungsbilanzrichtlinie-Gesetz VersSt(G) Versicherungsteuer(gesetz) VersStDV Versicherungsteuer-Durchführungsverordnung VerwAnw. Verwaltungsanweisung VerwG (VG) Verwaltungsgericht Vfg. Verfügung vGA verdeckte Gewinnausschüttung vgl. vergleiche v. H. vom Hundert VO Verordnung Vogel/Lehner Doppelbesteuerungsabkommen (Kommentar) VOL Verordnung über die Aufstellung von

Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft

Vorbem. Vorbemerkung VorSt. Vorsteuer VSt(G) Vermögensteuer(gesetz) VuV Vermietung und Verpachtung VV Vermögensverwaltung VVaG Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit VVG Gesetz über den Versicherungsvertrag VwGO Verwaltungsgerichtsordnung VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz VwZG Verwaltungszustellungsgesetz VZ Veranlagungszeitraum VZOG Vermögenszuordnungsgesetz

W

WAG Währungsausgleichsgesetz WahlR Wahlrecht

N

WEG Wohnungseigentumsgesetz WertV Wertverordnung WG Wirtschaftsgut (-güter) Wj. Wirtschaftsjahr(e) WK Werbungskosten WM Wertpapiermitteilungen (Zeitschrift) WP Wirtschaftsprüfer WPg. Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) WPO Wirtschaftsprüferordnung

Z

ZBB Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft ZDG Zivildienstgesetz ZerIG Zerlegungsgesetz ZEV Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge ZfB Zeitschrift für Betriebswirtschaft ZfbF Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung ZfIR Zeitschrift für Immobilienrecht ZfK Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen ZfV Zeitschrift für Versicherungswesen ZfZ Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern ZG Zollgesetz; Zeitschrift für Gesetzgebung ZgK Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und

Wirtschaftsrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zit. zitiert ZIV Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie

2003/48/EG des Rates vom 3. Juni 2003 im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen (Zinsinformationsverordnung)

ZPO Zivilprozessordnung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik zust. zustimmend, zuständig zutr. zutreffend z. T. zum Teil ZVG Zwangsversteigerungsgesetz ZVK Zusatzversorgungskasse zwh. zweifelhaft zzgl. zuzüglich