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Im Blickpunkt 47 Dr. Marin Alexe, Dipl.-Phys. Catalin Harnagea und Priv.- Doz. Dr. Dietrich Hesse, Max-Planck- Institut für Mikro- strukturphysik, Weinberg 2, 06120 Halle, Email: hesse @mpi-halle.mpg.de Fast jeder Computer ist heute mit einem dynamic RAM ausgerüstet, einem Speicherbaustein, der die gespeicherten Daten alle paar Millisekunden elektronisch wie- derauffrischen muss. Dieses Kon- zept ist nicht optimal, aber die Bausteine sind billig. Die Zukunft jedoch gehört den nichtflüchtigen Speichern. Neue Verfahren der Mikrostrukturphysik machen es jetzt möglich, dünne ferroelektri- sche Schichten und Nanostruktu- ren in die Silizium-Technologie zu integrieren und fehlerfrei auszu- lesen. N ichtflüchtige Festkörperspei- cher sind derzeit eines der interessantesten Forschungs- und Entwicklungsziele in der Halb- leitertechnologie. Sie verlieren die einmal gespeicherte Information nicht wieder und machen damit das in den dynamic random access me- mories (DRAMs) notwendige stän- dige Wiederauffrischen der Infor- mation überflüssig. Die wichtigsten Typen nichtflüchtiger Speicherbau- steine basieren auf ferromagneti- schen und ferroelektrischen Mate- rialien. Sie werden als magnetic random access memories, MRAMs [1] und ferroelectric random access memories, FRAMs [2], bezeichnet. Zurzeit haben die FRAMs einen Entwicklungsvorsprung gegenüber den MRAMs. Dieser Vorsprung wurde im März diesen Jahres er- neut deutlich, als die Firma Matsu- shita auf dem 12. Internationalen Symposium über Integrierte Ferro- elektrika in Aachen bekannt gab, dass sie die Produktion eines 4- MBit-FRAM-Chips aufnehmen wird. Der Vorsprung rührt vor allem daher, dass beim MRAM einige we- sentliche physikalisch-technologi- sche Probleme noch ungelöst sind. Insbesondere das „Übersprechen“ beeinträchtigt das unabhängige Schalten der einzelnen Bits [3]. Die MRAMs für zivile Anwendungen befinden sich daher noch im Ent- wicklungsstadium. Dagegen werden kommerzielle FRAMs mit allerdings noch relativ niedriger Speicherdich- te nach einer Lizenz der Fa. Syme- trix (Colorado Springs, USA) schon seit ca. zwei Jahren in Chipkarten der neuesten Generation eingesetzt. Die Herstellung der nichtflüchti- gen Speicher steht zum einen vor technologischen Herausforderun- gen, die sich aus der Integration neuer Materialien in die Silizium- Halbleitertechnologie ergeben. Die ferromagnetischen und ferroelektri- schen Materialien sind nämlich mit den extremen Reinheitsanforderun- gen der technologischen Prozesse in der Halbleiterfertigung zunächst nicht kompatibel. Zum anderen ist die Physik der zugrundeliegenden Phänomene noch nicht hinreichend verstanden. Die für hohe Speicher- dichten unabdingbare Miniaturisie- rung wirft zum Beispiel die Frage auf, ob und wie sich die Eigenschaf- ten eines ferroelektrischen Körpers verändern, wenn seine Abmessun- gen den Nanometer-Bereich errei- chen. Die alte grundlegende Frage, wie viele Einheitszellen mindestens nötig sind, damit das seiner Natur nach kollektive Phänomen der Fer- roelektrizität nicht verschwindet, gewinnt somit eine hochaktuelle technologische Bedeutung. Beide Herausforderungen – die techno- logische wie die physikalisch- grundlegende – lassen sich nur dann meistern, wenn Festkörper- physiker, Materialwissenschaftler und Ingenieure zusammenarbeiten und innovative Ansätze zu ihrer Überwindung finden. In der Arbeitsgruppe „Ferroelek- trische dünne Schichten“ am Max- Planck-Institut für Mikrostruktur- physik in Halle gelang es uns kürz- lich, mit neuen Methoden der Mikrostrukturphysik drei wichtige Schritte auf diesem Wege zu reali- sieren [4, 5]. Es besteht daher nun die Aussicht, dass der FRAM in dem anhaltenden Wettbewerb mit dem MRAM weiterhin einen Vor- sprung behaupten kann. Ferroelektrische Bits Ferroelektrika zeichnen sich durch eine azentrische Kristall- struktur aus, die die Ausbildung einer spontanen ferroelektrischen Polarisation P S im Kristall ermög- licht. Als so genannte „remanente Polarisation“ P r behält diese ihre Größe und Richtung auch ohne an- gelegtes elektrisches Feld über sehr lange Zeiten bei. Unterhalb einer Übergangstemperatur, die der Cu- rie-Temperatur eines Ferromagne- ten weitgehend entspricht, besitzt die Elementarzelle eines Ferroelek- trikums ein elektrisches Dipolmo- ment, welches durch kleine ge- gensätzlich gerichtete Verschiebun- gen der positiven und negativen Ionen zustande kommt (Abb. 1). Die Richtung dieses Dipolmoments lässt sich durch ein hinreichend großes elektrisches Feld um be- stimmte, von der Kristallstruktur vorgegebene Winkel ändern, insbe- sondere um 180°, in welchem Falle man vom „Umpolarisieren“ oder „Umschalten“ des Ferroelektrikums spricht. Dieser Umschaltvorgang eines Ferroelektrikums weist man- cherlei Gemeinsamkeiten mit der Ummagnetisierung eines Ferromag- neten auf. In einer dünnen ferro- Nano-Engineering für nichtflüchtige ferroelektrische Speicher Marin Alexe, Catalin Harnagea und Dietrich Hesse Physikalische Blätter 56 (2000) Nr. 10 0031-9279/00/1010-47 $17.50+50/0 © WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim, 2000 Abb. 1: Ferroelektrische Festkörperspeicher basieren zum Beispiel auf dem Perowskit ABO 3 . Die Ionen sind unterhalb der Curie-Tem- peratur in Richtung der schwarzen Pfeile verschoben. Dadurch sind die Zentren der positiven und negativen Ladungen ge- trennt. Es resultiert ein elektrisches Dipolmoment der Elemen- tarzelle, das sich in einer spontanen elektrischen Polarisation des Materials (Vektor P) niederschlägt. Durch ein hinreichend großes elektrisches Feld kann man die Richtung der Polarisa- tion umschalten.

Nano-Engineering für nichtflüchtige ferroelektrische Speicher

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Im Blickpunkt

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Dr. Marin Alexe,Dipl.-Phys. CatalinHarnagea und Priv.-Doz. Dr. DietrichHesse, Max-Planck-Institut für Mikro-strukturphysik,Weinberg 2, 06120Halle, Email: [email protected]

Fast jeder Computer ist heute miteinem dynamic RAM ausgerüstet,einem Speicherbaustein, der diegespeicherten Daten alle paarMillisekunden elektronisch wie-derauffrischen muss. Dieses Kon-zept ist nicht optimal, aber dieBausteine sind billig. Die Zukunftjedoch gehört den nichtflüchtigenSpeichern. Neue Verfahren derMikrostrukturphysik machen esjetzt möglich, dünne ferroelektri-sche Schichten und Nanostruktu-ren in die Silizium-Technologie zuintegrieren und fehlerfrei auszu-lesen.

N ichtflüchtige Festkörperspei-cher sind derzeit eines derinteressantesten Forschungs-

und Entwicklungsziele in der Halb-leitertechnologie. Sie verlieren dieeinmal gespeicherte Informationnicht wieder und machen damit dasin den dynamic random access me-mories (DRAMs) notwendige stän-dige Wiederauffrischen der Infor-mation überflüssig. Die wichtigstenTypen nichtflüchtiger Speicherbau-steine basieren auf ferromagneti-schen und ferroelektrischen Mate-rialien. Sie werden als magneticrandom access memories, MRAMs[1] und ferroelectric random accessmemories, FRAMs [2], bezeichnet.Zurzeit haben die FRAMs einenEntwicklungsvorsprung gegenüberden MRAMs. Dieser Vorsprungwurde im März diesen Jahres er-neut deutlich, als die Firma Matsu-shita auf dem 12. InternationalenSymposium über Integrierte Ferro-elektrika in Aachen bekannt gab,dass sie die Produktion eines 4-MBit-FRAM-Chips aufnehmenwird.

Der Vorsprung rührt vor allemdaher, dass beim MRAM einige we-sentliche physikalisch-technologi-sche Probleme noch ungelöst sind.Insbesondere das „Übersprechen“beeinträchtigt das unabhängigeSchalten der einzelnen Bits [3]. DieMRAMs für zivile Anwendungenbefinden sich daher noch im Ent-wicklungsstadium. Dagegen werdenkommerzielle FRAMs mit allerdingsnoch relativ niedriger Speicherdich-

te nach einer Lizenz der Fa. Syme-trix (Colorado Springs, USA) schonseit ca. zwei Jahren in Chipkartender neuesten Generation eingesetzt.

Die Herstellung der nichtflüchti-gen Speicher steht zum einen vortechnologischen Herausforderun-gen, die sich aus der Integrationneuer Materialien in die Silizium-Halbleitertechnologie ergeben. Dieferromagnetischen und ferroelektri-schen Materialien sind nämlich mitden extremen Reinheitsanforderun-gen der technologischen Prozessein der Halbleiterfertigung zunächstnicht kompatibel. Zum anderen istdie Physik der zugrundeliegendenPhänomene noch nicht hinreichendverstanden. Die für hohe Speicher-dichten unabdingbare Miniaturisie-rung wirft zum Beispiel die Frageauf, ob und wie sich die Eigenschaf-ten eines ferroelektrischen Körpersverändern, wenn seine Abmessun-gen den Nanometer-Bereich errei-chen. Die alte grundlegende Frage,wie viele Einheitszellen mindestensnötig sind, damit das seiner Naturnach kollektive Phänomen der Fer-roelektrizität nicht verschwindet,gewinnt somit eine hochaktuelletechnologische Bedeutung. BeideHerausforderungen – die techno-logische wie die physikalisch-grundlegende – lassen sich nurdann meistern, wenn Festkörper-physiker, Materialwissenschaftlerund Ingenieure zusammenarbeitenund innovative Ansätze zu ihrerÜberwindung finden.

In der Arbeitsgruppe „Ferroelek-trische dünne Schichten“ am Max-Planck-Institut für Mikrostruktur-physik in Halle gelang es uns kürz-lich, mit neuen Methoden derMikrostrukturphysik drei wichtigeSchritte auf diesem Wege zu reali-sieren [4, 5]. Es besteht daher nundie Aussicht, dass der FRAM indem anhaltenden Wettbewerb mitdem MRAM weiterhin einen Vor-sprung behaupten kann.

Ferroelektrische BitsFerroelektrika zeichnen sich

durch eine azentrische Kristall-struktur aus, die die Ausbildungeiner spontanen ferroelektrischen

Polarisation PS im Kristall ermög-licht. Als so genannte „remanentePolarisation“ Pr behält diese ihreGröße und Richtung auch ohne an-gelegtes elektrisches Feld über sehrlange Zeiten bei. Unterhalb einerÜbergangstemperatur, die der Cu-rie-Temperatur eines Ferromagne-ten weitgehend entspricht, besitztdie Elementarzelle eines Ferroelek-

trikums ein elektrisches Dipolmo-ment, welches durch kleine ge-gensätzlich gerichtete Verschiebun-gen der positiven und negativenIonen zustande kommt (Abb. 1).Die Richtung dieses Dipolmomentslässt sich durch ein hinreichendgroßes elektrisches Feld um be-stimmte, von der Kristallstrukturvorgegebene Winkel ändern, insbe-sondere um 180°, in welchem Falleman vom „Umpolarisieren“ oder„Umschalten“ des Ferroelektrikumsspricht. Dieser Umschaltvorgangeines Ferroelektrikums weist man-cherlei Gemeinsamkeiten mit derUmmagnetisierung eines Ferromag-neten auf. In einer dünnen ferro-

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Physikalische Blätter56 (2000) Nr. 100031-9279/00/1010-47$17.50+50/0© WILEY-VCH Verlag GmbH,D-69451 Weinheim, 2000

Abb. 1:Ferroelektrische Festkörperspeicher basieren zum Beispiel aufdem Perowskit ABO3. Die Ionen sind unterhalb der Curie-Tem-peratur in Richtung der schwarzen Pfeile verschoben. Dadurchsind die Zentren der positiven und negativen Ladungen ge-trennt. Es resultiert ein elektrisches Dipolmoment der Elemen-tarzelle, das sich in einer spontanen elektrischen Polarisationdes Materials (Vektor P) niederschlägt. Durch ein hinreichendgroßes elektrisches Feld kann man die Richtung der Polarisa-tion umschalten.

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Im Blickpunkt

elektrischen Schicht kann die rema-nente Polarisation zwei thermo-dynamisch stabile Zustände ± Pr

annehmen, bei denen sie entwederzur Schichtoberfläche oder zurSchichtunterseite zeigt. Diese bei-den dauerhaften Zustände lassensich als Speichersignal nutzen.

Die verschiedenen Konzepte fürferroelektrische Speicher unter-scheiden sich vor allem im Lesevor-gang. Die einfachste Realisierungfür einen nichtflüchtigen FRAM mitnicht-zerstörendem Lesevorgang istder ferroelektrische Feldeffekt-Transistor (FET), bei dem das Gate-Oxid eines MOS-Transistors durchein Ferroelektrikum ersetzt wird(Abb. 2). Die remanente Polarisati-on in dieser ferroelektrischen dün-

nen Schicht kann zwei Zuständeannehmen, bei denen die Ladungan der Grenzfläche von Ferroelek-trikum und Halbleiter positiv odernegativ ist. Diese Grenzflächenla-dung beeinflusst die Leitfähigkeitdes Kanals im Feldeffekt-Transistorso stark, dass der Kanalstrom jenach Richtung der remanenten Po-larisation im Gate zwei deutlichverschiedene Größen annimmt, dieals Speichersignal genutzt werdenkönnen. Das Auslesen des Spei-chersignals wird somit auf das Mes-sen des Kanalstromes reduziert undverändert mithin nicht den Zustandder remanenten Polarisation im ferroelektrischen Gate-Oxid. DerLeseprozess ist somit nicht-zerstö-rend, was der Langlebigkeit desSpeicherelements zugute kommt.Nur beim Einschreiben eines neuenBits — ein Vorgang, der seltenervorkommt, als der Lesevorgang —muss das ferroelektrische Gatedurch einen Spannungsimpuls um-geschaltet werden. Dieser wird, wiein der DRAM-Technologie, über ei-ne Leiterbahn und einen Kontaktzugeführt.

Die für den Einsatz in FRAMderzeit favorisierten ferroelektri-schen Materialien sind das Bleizir-konat-Titanat Pb(Zr1–xTix)O3 (PZT)und das Strontiumwismut-TantalatSrBi2Ta2O9 (SBT). PZT kristallisiertin der Perowskitstruktur (vgl.Abb. 1), während SBT eine von derPerowskitstruktur abgeleitete, etwaskompliziertere Kristallstruktur be-sitzt. Beide besitzen aber eine hin-reichend große remanente Polarisa-tion und lassen sich mithilfe einergrößeren Anzahl von physikali-schen und chemischen Abscheide-verfahren als dünne Schicht her-stellen. Die Realisierung des ferro-elektrischen FET und auch andererEntwürfe stößt jedoch derzeit aufgrundlegende Probleme, von denenhier die zwei wichtigsten betrachtetwerden sollen: Zum einen bildensich an der Grenzfläche von Ferro-elektrikum und Halbleiter (Silizi-um) elektronische Zustände hoherDichte aus, die als Einfangzentren(„traps“) für Ladungsträger wirkenund die Transistor-Charakteristikungünstig beeinflussen. Diese uner-wünschten Zustände hoher Dichtehaben ihre Ursache in der struktu-rellen Imperfektion der Ferroelek-trikum-Halbleiter-Grenzfläche, dieihrerseits eine Folge der bei der Ab-scheidung der ferroelektrischenSchicht notwendigen hohen Tempe-raturen ist. Zum anderen erfordern

die angestrebten hohen Speicher-dichten eine so starke Miniaturisie-rung, dass die Abmessungen einereinzelnen Speicherzelle weit unter-halb von 1 mm liegen und im opti-malen Falle knapp unterhalb von100 nm liegen müssen. Die Herstel-lung solch kleiner ferroelektrischerStrukturen ist bisher ein weitge-hend ungelöstes Problem. Noch istoffen, ob in diesen kleinen Struktu-ren stabile ferroelektrische Zustän-de erzeugt und diese zuverlässigund störungsfrei von + Pr nach – Pr

(und umgekehrt) umgeschaltet wer-den können. In drei Schritten ge-lang es uns, Wege zur Überwindungdieser Probleme aufzuzeigen.

Elektronenstrahl-Schreibender NanostrukturenZur Herstellung ferroelektrischer

Nanostrukturen im Größenbereichvon 100 nm sind die Techniken derElektronen-, Ionen-, UV- oderRöntgenlithographie [6] kaum ge-eignet, weil es bisher nicht gelingt,beim Ätzprozess hinreichend guteOberflächen der ferroelektrischenStrukturen zu erzielen, was zu Pro-blemen beim Umschalten der rema-nenten Polarisation führt. Stattdes-sen kann man aber das direkteElektronenstrahl-Schreiben anwen-den [7, 8]. Bei dieser maskenlosenTechnik werden die Nanostruktu-ren direkt in eine amorphe, metall-organische Schicht eingeschrieben.Diese sog. Precursorschicht enthältdie zum Aufbau des Ferroelektri-kums nötigen Elemente (z. B. Pb,Zr, Ti und O für PZT bzw. Sr, Bi, Taund O für SBT) bereits in der rich-tigen Stöchiometrie. Anschließendwerden die Nanostrukturen nochvor der Umwandlung des Precur-sors in die kristalline Phase ent-wickelt. Sowohl für PZT als auchfür SBT stehen geeignete metall-organische Precursoren zur Verfü-gung. Hinreichend fluide Lösungendieser Precursoren werden unterReinraumbedingungen auf den – in einem sog. „Spinner“ rotierenden– Siliziumwafer mittig aufgetropft.Dank der Rotation des Wafersspreitet der Tropfen sofort zu einerdünnen viskosen Flüssigkeitsschichtgleichmäßiger Dicke, die auf demSubstrat haftet. Dieser Vorgangwird so oft wiederholt, bis die ange-strebte Schichtdicke von etwa 1 mmerreicht ist. Nach der Trocknungwird diese Schicht durch Belich-tung mit Elektronen in zweidimen-sionale periodisch angeordneteQuadrate unterteilt.

Abb. 2:Mit einem ferro-elektrischen Feld-effekt-Transistorlassen sich die bei-den Bit-Zuständedes Speichers ele-gant auslesen: Jenach Polarisationdes ferroelektri-schen Gate-Oxids(gelb) fließt einunterschiedlichstarker Kanalstrom(dunkelblau).

Abb. 3:Die Rasterelektronenmikroskop-Aufnah-me zeigt ferroelektrische SBT-Strukturen,hergestellt durch direktes Elektronen-schreiben und nachfolgende Entwicklung.Als Festkörperspeicher würde jedes Qua-drat der Struktur ein Bit speichern.

Abb. 4:Eine leitfähige Rastermikroskop-Spitze kann sowohl die Topo-graphie (a) einer ferroelektrischen PZT-Zelle als auch derenDipol-Orientierung (b) abbilden. Zur Detektion der Dipol-Orientierung wird die Struktur mit einer Wechselspannung inSchwingung versetzt („Piezoresponse“). Die Phase der Schwin-gung gibt Aufschluss über die Polung, die in (b) mit einemSpannungsimpuls von 10 V für 10 ms eingestellt wurde.

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Die Kantenlänge eines belichte-ten Quadrats wurde bei unserenVersuchen von 0,1 mm bis 1,25 mmvariiert. Nach der Belichtung wer-den die Strukturen entwickelt, d. h.die nicht der Belichtung ausgesetz-ten Bereiche der Schicht werdenweggelöst, während die belichtetenBereiche, also die aus dem amor-

phen Precursormaterial bestehen-den quadratischen Strukturen, ste-hen bleiben. Nach einem weiterenkurzen Trockenprozess wandeltsich der Precursor bei 300° C anLuft in die amorphe PZT- bzw.SBT-Phase um und kristallisiertanschließend bei höheren Tem-peraturen (je nach Material undSchichtdicke 600 bis 850° C) undüber längere Zeiten (z. B. eineStunde) zur kristallinen Phase.Während dieser beiden Temper-schritte schrumpfen die Nanostruk-turen, wobei aber die Kubus- bzw.Quaderform der Strukturen er-halten bleibt. Im Ergebnis liegenkubische bzw. quaderförmige Nano-strukturen vor, deren Kantenlän-gen, je nach der ursprünglich ein-belichteten Quadratlänge, zwischen75 und 1000 nm liegen. DieseStrukturen, deren Herstellbarkeitund Umschaltbarkeit die zwei wich-tigsten Voraussetzungen für zukünf-tige FRAMs mit GBit-Kapazitätsind, lassen sich im Rasterelektro-nenmikroskop abbilden (Abb. 3)und im Rasterkraftmikroskop nähercharakterisieren.

Charakterisierung desSchaltverhaltensFür die Charakterisierung von

ferroelektrischen Nanostrukturenbestanden in der Vergangenheit nursehr eingeschränkte Möglichkeiten,weil bei der Umschaltung einer100 nm × 100 nm kleinen Zelle nuretwa 2000 Elektronen fließen, de-ren Ladung aufgrund der extremkleinen Kapazität und großen Im-pedanz der Probe außerordentlichschwer messbar ist. Seit einigenJahren steht mit der Piezoresponse-Rasterkraftmikroskopie [9, 10] abereine Methode zur Verfügung, die eserlaubt, ferroelektrische Größenwie die remanente Polarisation Pr

und das Koerzitivfeld EC aus lokalaufgenommenen piezoelektrischenHysteresekurven indirekt zu be-stimmen. Dazu wird die einzelneNanozelle mithilfe einer leitfähigenSpitze kontaktiert. Eine an dieseSpitze angelegte Wechselspannungruft dank des inversen piezoelektri-schen Effekts eine mechanischeSchwingung der Zelle in senkrech-ter Richtung hervor. Diese kannman im normalen Kontaktmodusdes Rasterkraftmikroskops aufneh-men und in Bilder umsetzen. DiePhasenlage der mechanischenSchwingung zweier ferroelektri-scher 180°-Domänen, von denendie eine zur Oberfläche hin, die an-dere zur Unterseite hin polarisiertist, unterscheidet sich dabei um denWinkel p. Dieser Phasenunter-schied lässt sich so verarbeiten,dass im rasterkraftmikroskopischenPiezoresponse-Bild die eine Domä-ne hell und die andere dunkel er-scheint. Somit kann man ferroelek-trische Domänen und Domänen-wände in Nanostrukturzellen vonweniger als 1 mm lateraler Abmes-sung sichtbar machen (Abb. 4).

Zeitgleich mit dem Piezorespon-se-Signal wird das Topographie-Sig-nal ausgelesen, sodass elektrischeund topographische Strukturen ein-ander zugeordnet werden können.Außerdem kann man über die leit-fähige Spitze des Rasterkraftmikro-skops eine Gleichspannung an dieferroelektrische Nanozelle anlegen,mit der sich der Polarisationszu-stand der Zelle beeinflussen lässt.Nach dem Anlegen einer bestimm-ten Gleichspannung kann die „Ant-wort“ der ferroelektrischen Zelle,die in einer elastischen Verzerrungbesteht, aufgezeichnet werden. Legtman nach und nach immer größereGleichspannungen an, zeichnet da-bei jedes Mal die Piezoresponse-

Antwort auf und verbindet die sogewonnenen Messpunkte zu einerKurve, entsteht eine piezoelektri-sche Hysteresekurve (Abb. 5), dieden remanenten Verzerrungszu-stand der untersuchten Zelle wie-dergibt. Diese piezoelektrischeHysteresekurve lässt sich unter be-stimmten Voraussetzungen in eineferroelektrische P(E)-Hysterese-kurve umrechnen, sodass man fürdie Nanozelle die Werte Pr und EC

erhält [11]. Somit ist es möglich,die ferroelektrischen Eigenschafeneiner einzigen 100 × 100 × 100 nmgroßen Zelle quantitativ zu detek-tieren.

Besonders wichtig ist die Mög-lichkeit, den Polarisationszustandder Zelle von + Pr nach – Pr um-zuschalten. Dazu ist die angelegteGleichspannung so groß zu wählen,dass das angelegte Gleichfeld dieKoerzitivfeldstärke der Zelle über-

Abb. 5:Die piezoelektrischen Hysteresekurveneiner 1 mmm großen PZT-Zelle (blaue Kur-ve) und einer 100 nm großen PZT-Zelle(rote Kurve) geben Aufschluss über diezum Umschalten nötige Spannung. DieseSpannung entspricht der Koerzitivfeld-stärke EC. Sie ist unabhängig von den la-teralen Abmessungen der Zelle und liegtbei einem technologisch sinnvollen Wertnahe 5 V.

Abb. 6:Piezoresponse-Abbildung einer PZT-Zellstruktur vor (a) undnach (b) dem Umschalten einer einzelnen Zelle. Mit einemSpannungsimpuls von 20 V ließ sich die Zelle ohne Problemeumpolen. Auch ein häufiges Umschalten ist unproblematisch.

Abb. 7:Prinzip des Bondens. Im ersten Schritt wird die ferroelektrischeSchicht (gelb) auf einem Si-Wafer (Hilfssubstrat, hellblau) ab-geschieden, bevor sie im zweiten Schritt auf den aktiven Si-Wa-fer (aktives Substrat, violett) adhäsiv gebondet wird. Im Schritt3 wird das Hilfssubstrat zum größten Teil weggeschliffen, bevores dann im Schritt 4 endgültig abgelöst wird. Die Schicht-Sub-strat-Grenzfläche ist nun eine deutlich bessere Ferroelektri-kum-Halbleiter-Grenzfläche, als die im Schritt 1 erzeugteGrenzfläche zwischen Schicht und Hilfssubstrat. Dadurch wer-den störende Defekte um rund zwei Größenordnungen redu-ziert.

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schreitet. Auf diese Weise kannman das Schaltverhalten der Zellenuntersuchen. So lässt sich z. B.klären, ob beim Umschalten einereinzelnen Zelle ihre Nachbarzellenmitbeeinflusst werden. Abbildung 6zeigt, dass in der hier gezeigten -Nanostruktur kein solches Über-sprechen stattfindet. Damit sindgute Voraussetzungen für eine An-wendung dieser Nanostruktur alsSpeicherbauelement geschaffen.

Grenzflächen-Engineeringdurch WaferbondenFerroelektrische Speicherbau-

elemente sind erst dann für dieSerienproduktion geeignet, wenn esgelingt, die Dichte von Defekt-zuständen an der Ferroelektrikum-Halbleiter-Grenzfläche auf ein er-trägliches Maß zu reduzieren. Dieseunerwünschten Zustände sind eineFolge von Strukturdefekten, diewährend der Abscheidung oder derthermischen Nachbehandlung derferroelektrischen Schicht auf demHalbleiter entstehen. Da die ferro-elektrischen Eigenschaften grund-sätzlich den kristallinen Zustanddes Festkörpers voraussetzen, mussdie Abscheidung bzw. die Nachbe-handlung des Ferroelektrikums, wieeingangs erwähnt, bei ausreichendhohen Temperaturen zwischen 600und 850 °C stattfinden, sodass sicheine kristalline Phase tatsächlichausbilden kann. Bei diesen Tempe-raturen laufen an der Ferroelektri-kum-Halbleiter-Grenzfläche leideraber auch Interdiffusions- undReaktionsvorgänge ab, die letztlichzur Bildung der genannten Defekteführen.

Als Ausweg aus diesem Dilemmahaben wir die Abscheidung undNachbehandlung der ferroelektri-schen Schicht einerseits und dieAusbildung der Ferroelektrikum-Halbleiter-Grenzfläche andererseitszeitlich voneinander getrennt. Die-ser Ausweg ist erst seit kurzemdurch das direkte adhäsive Wafer-bonden [12] möglich (Abb. 7). Ineinem ersten Schritt wird die ferro-elektrische Schicht bei der nötigen

hohen Temperatur auf konventio-nelle Weise auf einem Silizium-Hilfswafer hergestellt. Die Grenz-fläche zwischen der ferroelektri-schen Schicht und dem Hilfswaferist durch Interdiffusionsvorgängegeschädigt und weist die bekanntehohe Defektdichte auf (Abb. 8a).Nun wird die freie Oberfläche derferroelektrischen Schicht so gut po-liert, dass in einem zweiten Schrittder Hilfswafer mit der Schichtseiteauf den eigentlichen, „aktiven“ Sili-zium-Wafer adhäsiv „aufgeklebt“,gebondet werden kann. Die dabeidurch das Bonden entstehendeneue Grenzfläche zwischen derpolierten ferroelektrischen Schichtund dem aktiven Silizium-Waferbesitzt eine wesentlich perfektereStruktur, als die alte Grenzfläche(Abb. 8b). Im dritten Schritt wirdder Hilfswafer weggeätzt oderdurch ein spezielles Verfahren(„Smart Cut“) abgesprengt, vgl.[13]. Wie durch Leitfähigkeitsmes-sungen gezeigt werden konnte, istdie Dichte der unerwünschten elek-tronischen Zustände an der gebon-deten Ferroelektrikum-Halbleiter-Grenzfläche um rund zwei Größen-ordnungen kleiner als an derthermisch behandelten Grenz-fläche. Zwar ist auch diese Defekt-dichte für die praktische Anwen-dung in einem ferroelektrischenFeldeffekttransistor noch zu hoch,aber es besteht die begründete Aus-sicht, durch geeignete Verbesserungdes Polier- und des Bondverfahrenseine weitere Absenkung der Defekt-dichte zu erzielen.

ZusammenfassungDank dreier Methoden der Mi-

krostrukturphysik, die erst seitkurzem auf ferroelektrische Schich-ten und Nanostrukturen angewen-det werden, haben wir deutlicheFortschritte auf dem Wege zu nicht-flüchtigen ferroelektrischen Spei-cherbauelementen erzielt. Wir ha-ben umschaltfähige ferroelektrischeNanostrukturen von weniger als100 nm Kantenlänge durch direktesElektronenstrahl-Schreiben erzeugt,ihre ferroelektrischen Eigenschaftenmithilfe der Atomkraftmikroskopieim Piezoresponse-Mode gemessenund ihr übersprech-freies Umschal-ten demonstriert. Die Dichte anelektronischen Defekten an derFerroelektrikum-Halbleiter-Grenz-fläche konnten wir mithilfe desadhäsiven Waferbondens um zweiGrößenordnungen reduzieren.Wenngleich weitere Anstrengungen

nötig sind, um die auf diesem Wegeliegenden vielfältigen physikali-schen und technischen Probleme zulösen, ist mit den vorgestelltenSchritten das Ziel doch um einigesnähergerückt.

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[13] G. Kästner, Phys. Bl., Januar 1999,S. 51

Abb. 8:Die Abbildung derSBT/Silizium-Grenzfläche mitdem Transmissi-onselektronenmi-kroskop zeigt deut-lich den Qualitäts-unterschied derauf dem Si-Waferabgeschiedenenund getempertenSBT-Schicht (a)und einer auf denSi-Wafer gebonde-ten SBT-Schicht(b).