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Forstw. Cbl. 111 (1992), 255-265 9 1992 Veriag Paul Parey, Hamburg und Berlin ISSN ~815-80,33 Naturschutzstrategien im Wirtschaftswald Von U. A.~L,a?:R I. Wir brauchen den Wirtschaftswald Es gibt immer noch Naturschfitzer, die aus Uberzeugung t, nd wohlmeinend den Wald in seiner Gesamtheit von jeder Nutzung befreien m6chten und gerne Urw:'ilder an der SteUe unserer Wirtschaftsw~ilder sS.hen. Und es gibt ernstzunehmende Verlautbarungen, wie z.B. die Leitlinien des Naturschutzes und der Landschaftspflege in der Bundesrepublik Deutschland ~, in denen VorrangflS.chen fiir den Naturscimtz im Wald (was immer das heigt) in der Gr6t~enordnung yon 10--20 % gefordert werden. Im Augenbllck liegen die total geschiitzten Waldfl;ichen bei einem Fl~chenanteit yon etwa 1%, max. 1,5 % der F15.che. Bei solchen Diskussionen um den Anteil der WaldflS.chen ohne jede Nutzung vergessen wir allzugerne, dag wir im eigenen Lande den Bedarf nach dem Rohstoff Holz nur zur HS.lfte zu decken verm6gen und dag dieser Rohstoff als einer der wenigen umweltfreund- lich und nachhaltig erzeugt werden kann. In diesem Zusammenhang zeigen uns ',['3kobilan- zen (vgl. Abb. 1) dag es nicht nut auf den Rohstoff selbst und seine Gewinmmg ankommt, Abb. 1. Modell fiir die Beurteilung der Umweltver- traglichkeit yon Produkten bzw. Rohstoffen (nach SCHtJLZ 1972) Fig. 1. Model for the environmental compatibility appraisal of products and raw materials, respectively (according to 5C~tULZ 1972) sondern daft wir Jm Zeichen der Gef~ihrdung des Wekklimas dv,rch die sogenannten Treibhausgase auch den Energieeinsatz bei der Herstellung yon Produkten und ihre Weiterverwendung bzw. Entsorgung in die Priifung der Umweltvertriglichkeit einbezie- hen mfissen. Tabelle 1 macht deutlich, wie verschwenderisch bzw. umweltbelastend Konkurrenzprodukte bzw. Ersatzstoffe im Vergleich zum Rohstoff Holz sein kSnnen. Schlief~lich liegt in der Nutzung und Verwendung des Holzes in Form langtebiger Gi.iter (Bauholz, MSbel, Fu~belige etc.) eine der wenigen MSglichkeiten, die CO2-Bilanz der AtmosphS.re mittelfristig positiv im Sinne einer C02-Bindung zu beeinflusser;. Und wenn wir mit unseren Appetlen zum Schutze der WS.lder in den L52ndern der Dritten Welt I Leitliniert des Naturschutzes und der Landschahspflege in der Bundesrepublik Deutschland. Bundesforschungsanstalt fiir Naturschutz und Landscbafts6kologie, Bonn, September 1989. U.S. Copyright Clearance Center Code Statement: 0015-8083/92/111.04-0255 $ 0.2.50/0

Naturschutzstrategien im Wirtschaftswald

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Page 1: Naturschutzstrategien im Wirtschaftswald

Forstw. Cbl. 111 (1992), 255-265 �9 1992 Veriag Paul Parey, Hamburg und Berlin ISSN ~815-80,33

Naturschutzstrategien im Wirtschaftswald

Von U. A.~L,a?:R

I. Wir brauchen den Wirtschaftswald

Es gibt immer noch Naturschfitzer, die aus Uberzeugung t, nd wohlmeinend den Wald in seiner Gesamtheit von jeder Nutzung befreien m6chten und gerne Urw:'ilder an der SteUe unserer Wirtschaftsw~ilder sS.hen. Und es gibt ernstzunehmende Verlautbarungen, wie z.B. die Leitlinien des Naturschutzes und der Landschaftspflege in der Bundesrepublik Deutschland ~, in denen VorrangflS.chen fiir den Naturscimtz im Wald (was immer das heigt) in der Gr6t~enordnung yon 10--20 % gefordert werden. Im Augenbllck liegen die total geschiitzten Waldfl;ichen bei einem Fl~chenanteit yon etwa 1%, max. 1,5 % der F15.che.

Bei solchen Diskussionen um den Anteil der WaldflS.chen ohne jede Nutzung vergessen wir allzugerne, dag wir im eigenen Lande den Bedarf nach dem Rohstoff Holz nur zur HS.lfte zu decken verm6gen und dag dieser Rohstoff als einer der wenigen umweltfreund- lich und nachhaltig erzeugt werden kann. In diesem Zusammenhang zeigen uns ',['3kobilan- zen (vgl. Abb. 1) dag es nicht nut auf den Rohstoff selbst und seine Gewinmmg ankommt,

Abb. 1. Modell fiir die Beurteilung der Umweltver- traglichkeit yon Produkten bzw. Rohstoffen (nach SCHtJLZ 1972) Fig. 1. Model for the environmental compatibility appraisal of products and raw materials, respectively (according to 5C~tULZ 1972)

sondern daft wir Jm Zeichen der Gef~ihrdung des Wekklimas dv, rch die sogenannten Treibhausgase auch den Energieeinsatz bei der Herstellung yon Produkten und ihre Weiterverwendung bzw. Entsorgung in die Priifung der Umweltvertriglichkeit einbezie- hen mfissen. Tabelle 1 macht deutlich, wie verschwenderisch bzw. umweltbelastend Konkurrenzprodukte bzw. Ersatzstoffe im Vergleich zum Rohstoff Holz sein kSnnen.

Schlief~lich liegt in der Nutzung und Verwendung des Holzes in Form langtebiger Gi.iter (Bauholz, MSbel, Fu~belige etc.) eine der wenigen MSglichkeiten, die CO2-Bilanz der AtmosphS.re mittelfristig positiv im Sinne einer C02-Bindung zu beeinflusser;. Und wenn wir mit unseren Appetlen zum Schutze der WS.lder in den L52ndern der Dritten Welt

I Leitliniert des Naturschutzes und der Landschahspflege in der Bundesrepublik Deutschland. Bundesforschungsanstalt fiir Naturschutz und Landscbafts6kologie, Bonn, September 1989.

U.S. Copyright Clearance Center Code Statement: 0015-8083/92/111.04-0255 $ 0.2.50/0

Page 2: Naturschutzstrategien im Wirtschaftswald

256 U. " Amrner

Tabelle 1. Energiebedarf bei der Herstellung yon Fensterrahmen aus Holz im Verglelch zu Konkurrenzprodukten

Table 1. Energy needed for the manufacture of wooden-window frames as compared with competing products

Holz 8 kWh/m 3 Kunststoff 25G kWh/m 3 Aluminium 800 kWh/m 3

Quelle: UBA, Berlin 1982

im Zeichen immer noch expiosiv wachsender Weltbev6tkerung nicht v611ig ungiaubw/irdig werden wollen, brauchen wit eine Holzproduktion in unserem Lande, die sich an der oberen und nicht an der unteren Grenze des M6glichen bewegen mug.

II. Segrega t ionspr inz ip oder n a t u r n a h e r Waldbau auf ganze r Fl~iche?

Diese Forderung nach der bestm6glichen Produktion yon Holz bedeutet indessen nicht, dat~ wit uns r~icht 1-2 % (aber nicht 10-20 %) der Waldfl~iche als Totalreservate leisten d{irften, ja m{issen, well wir Vergleichs-, Lehr- und Anschauungsobjekte brauchen, um in den bewirtschafteten W~ildern ein H6chstmai~ an Naturn/ihe zu realisieren (vgl. auch ALBRECHT 1990).

Dann, abet nur dann, w~.re ein System aus klug, d.h. standortsbezogen ausgesuchten und fl."ichenm;igig begrenzten Schutzgebieten ausreichend. Die Formel f/it eine Optimie- rung der Naturschutzbem/.ihungen im Wald wfrde dann nicht lauten: soviele Schutzge- biete und Totalreservate im Watd wie politisch durchsetzbar, zwangsl~.ufig gekoppelt mit einer gewissen Frelkaufmentalit~it f/.ir die Restfl~iche, sondern sie k6nnte heif~en: naturnahe und 6kologisch veran~wortungsvolle Wirtschaft auf der Gesamtflache, erg,~'nzt durch bestrn6gtich ausgesuchte Schutzgebiete der verschiedenseen Art. Dafiir abet w/.irde, wie Tabelle 2 zeigt, nach unserer Einsch~itzung ffir Bayern ein fliichenm~.ffiger Umfang von rund 2 % der gesamten Waldfl~iche ausreichen.

Diese Konzeption setzt allerdings voraus, daf~ mit einer naturnahen Betlandlung der Wirtschaftsw~ilder auch f~r den Artenschutz {ihnliche Wirkungen erreicht werden k6nnen wie in Schutzgebieten. Leider gibt es zvr Begrfindung dieser Annahme wenig wirklich vergleichbare Untersuchungen.

Die Bayerische Staatsforstverwaltung hat daher den Lehrstuhl f0.r Landnutzungspla- hung und Naturschutz der Ludwig Maximilians Universit~it MCmchen mit der Untersu- chung eben dieser Zusammenh~inge beauftragt'. Die Konzeption dieser Untersuchungen sieht vor, dag Naturwaldreservate und Wirtschaftsw~ilder (mit unterschiedlich naturnaher bzw. wirtschaftsbetonter Ausrichtung) miteinander verglichen werden, wobei das Vorhan- densein stand6rtiich kongruenter Verh~iltnisse zwingende Voraussetzung ist. Die Beurtei- lung st/.itzt sich bei diesem Vergleich auf Kriterien, wie sie ALBRr.CH'r (1990) f(ir die Charakterisierung yon Narurwaldrese~'aten vorgeschlagen hat. Neben Umfang, Art und Qualit~it des Totholzes sowie der Baumartenzusammensetzung und der Bodenvegetation sind dies vor allem ausgewihlte Tierartengruppen, wie V6get, Landschnecken, Kleinsiiu- ger, Schmetterlinge, Regenwiirmer, Weberknechte, Ameisen, Totholzk~ifer, Laufk~ifer und Flederm~.use.

2 F0.r die vom Bayerischen Staatsministerium fO.r Ern~ihrung, Landwirtschaft und Forsten gew~ihrte F6rderung danken wit auch an dieser Stelle.

Page 3: Naturschutzstrategien im Wirtschaftswald

Naturschutzstrategien im Wirtscbaftswald 257

TabeUe 2. Vorschl~ige f/ir ein Schutzgebietssystem in den W~ildern Bayerns bei Obergang zu einem naturnahen Wirtschaftswald auf der Gesamtfl~iche

Table 2. Recommendations for a nature resetwe system in the forests of Bavaria when changing to nature-oriented forest management on the entire area

Schutzgebietskonzept ha Waldf!~.che Waldtypen

1. Grof~fl{ichige Schutzgebiete Nationalpark Bayerischer Wald 13 000 ha

Nationalpark Berchtesgaden 7 O0C, ha

z. B. Biosph~irenrese~wate im collinen und planeren Bereich rund 5 0O0 ha

ca. 25 000 ha

2. Kleinfl~ichige, repr~isentative Totalreservate 150 Natur'waldreservate rand 4 500 ha (durchschnittlich 30 ha) allm~ihliche Erweiterung auf fund 10 500 ha (durchschnittlich 100 ha)

15 000 ha

3. Kleinfl~.chige Wald-Sonderstandorte Naturschutzgebiete Wald-Hutungen, Refugialfl3.chen Mittel- und iNiederwaldfl~ichen 5 000 ha

Gesamte der Nutzung entzogene Waldfi~iche rund 45 O00 ha

Fichtenauwald, Bergmischwald, Fichtenhochlagenwald Bergmischwald, subalpiner Fichten- und Uirchenwald

Eichen- und/oder Buchenw~ilder

Alle wichtigen Waldvegetations- gesellschaften mit hokem Totholzanteil

Moore, Heiden, mit wpischem Refugialcharakter f6r Totholzarten

rund 2 % der Waldfliiche Bayerns

Die Abbildungen 2a-2d zeigen erste Ergebnisse eines soichen Vergleiches f6r die im selben Wuchsraum und auf vergieichbaren Standortseinheiten stockenden Bestande des Naturwaldreservates Fasanerie und des Allacher Forstes, der in eine naturnahe und eine wirtschaftsbetonre (rund 59 % Nadelholz) Fl~iche unterteilt wurde. Die unterschiedliche Zielsetzung im Naturwaldreservat auf der einen und im Wirtschaftswald auf der anderen Seite l?igt zwar Differenzierungen in der Baumartenzusammensetzung und auch im Zersetzungsgrad bzw. der Struktur des Tothoizes erkennen. Auch bei der Vogelkartierung ergaben sich Unterschiede (z. B, durch den wesentlich h6heren Anteil an Baumh6hlen im Naturwaldreservat). Trotzdem sind die Abweiclmngen relativ gering; bei den Schnecken sind die gefundenen Arten und Individuenzahlen im laubwaldreichen Wirtschaftswald sogar h6her ais im Naturwaldreservat, was mit der Vorgeschichte des Natu~'aldreservates a!s einem !ichtcn Hutewa!d erklart werden kanrl, der for vide Landschneckenar~en wegen der warm-trockenen Bedlngungen weniger gut besiedelbar ist. Ohne den Ergebnissen weiterer Tierar~engruppen und Vergleichen in anderen Wuchsraumen vorzugreifen, deu- ten diese ersten Befunde darauf bin, dal~ die Erwartungen, die in einen qualifizierten, naturnahen Waldbau auf der Grogfl~.che gesetzt werden, realistisch sind.

I I I . K e n n z e i c h e n n a t u r n a h e r W a l d w i r t s c h a f t

An dieser Stelle bedarf der Begriff der naturnahen Waldwirtschaft der Pr~izisierung. Wann ist elne Wirtschaft naturnah? Die in den letzten Jahren ver6ffentlichten Untersuchungen zur 6kologischen Wertanalyse (A~tMER U. UTSCIIICK 1984) und zur Waldbiotopkartierung (AMMER U. UTSCHICK 1988; HANSTEIN U. STURM 1986; FOLK U. HAAS 1990; WALDEN- SVU~L 1991) k6nnen hier weirerhelfen, sind diese Verfahren doch so ausgelegt, daft sie

Page 4: Naturschutzstrategien im Wirtschaftswald

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Naturwaldreservat Fasanerie

Naturnaher Wirtschaftswald Vergleichsflflchen im Allacher Forst

Abb. 2a. Untersuchungen zur Waldkunde und zur Fauna in Wirtschattswaldfl~ichen und einem stand6rttich vergieichbaeen Namrwaldreservat

Fig. 2a. Investigations on woodland characteristics and fauna oa commercial forest land and on an unmanaged woodiand reserve with simlhr site conditions

258

:i:iiii)!CiC'.' ............. ~onst. L~ubholz {

N.delholz

~ r 0 t ~'~ : i ' i i i i i i i : : ' ] : i i l t e h" ~9 ' : : : : : : : ~ [ I'~ . . . . . . . . . . " . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . ):>:G!

Naturwald r e s e r v a t s f l ~ c h e

Btlur~a e t enan t e l t~

~9 STE~, 2 t) D;s, 2 UI, SpAt,, 21 }ibu, Wit, t , Kir , 3 gte, i FI

T o t h o t z insges. 9 , 2 fm/ha

' Z e r s e t z u n g s K r n d I 30 2 42 % 3 ~9 % a 13 %

LFormen des 'rogholzes stehend 59 %

Teilflache naturnah

Oaumar t Pnml t e t . te

34 gS , 9 I1Ah. ~pAh, 17 S t g l . , 23 R I L l , Hbu, 5 BU, 9 L~, 3 F i

T O t h o l z In~Kes, 8 . 5 [ 'm/ha

Z e r s e t z u n g m ~ , r n d t 5Z ? 18 %

Ii 9 %

Formen d,-+~ Tothotze.~ ~t,':hel)d 3 8

Teilfl~che wirtschaCtsbetgnt

naumnrtenanteiJe ] I

50 P t , 9 K l e , L,'i, 15 n u . BAh. WiLt , t lbu,! I0 s t g t , 9 gg . 7 SLD i

TothotT. t n s g e s . 8 , ~ Fro/ha

Zecsetzungs~rad i 62 2 3t 3 7 g "

Pormen dos T o t h o l z e ~ ~tehend ~3%

Abb. 2b, Vergieich waldkundlicher Ergebnisar zwischen Natucwaldreservat und Wirtschafcswald. Unrerschiede ergeben sich neben der Baumartenverreilung beim Zersetzungsgrad und dem Anteil stehenden Totholzes, weniger beim Umi:ang des toten l-tolzes an sich.

Ffg. 2b. Comparison of woodland characteristics between unmanaged and comrnercml forest land. There are differences not only in tree species distribution but also in terms of decomposition and proportion of ~t:mding dead snags; less, however, as far as the volume of dead wood as sucil is cuncerned

Page 5: Naturschutzstrategien im Wirtschaftswald

i ~aturelhez*i~*r ~II%1~ q~l [

Donlnan~ &~ten K~hl~ i~

l Reg~ehlcnen

259

Allac~er F o r ~ {

Art,n*,~t la

Ses~a.d,sretea) watatlubsanqer~zrnoltS, r i

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~o~insne~ ^ r t e n Rohlm.i~e A~se lR~ l Buch~ink

la ,a~anJ.~

Abb. 2c. Ergebnissc einer Vogel-Gitterfeldkarticrung m~ Namrwaidreservat und im W~rtschafrswald. Der deutlich niedrigere Baurnh6hlenanreil in den Wirtschaftswaldfliichen erkl~.rt dort das Feh[en yon Spechten und }Iohltauben

/-~/g. 2r. Results of bird grid-mapping on the unmanaged woodland reserve and on commercial forest land, Distinctly fewer cavities explain the absence of woodpeckers and cavlty-nesdng wood doves on commercial forest land

FasanePie

N

Actenzahl 9

Olc~te/m" 585

Char~eterart A e g ~ p l n e l ! s n ! c e n s

Allachec Focst

13

1925

C~ru I~identngum

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7 ? . ~ . ' ~

"..v " . . : - ~ ..

J [ . a u b h o l z H n d e l h o l z t f 'u t l rend r o h r e n ~

17

Aee~c.~iouta scuJe~to Acanthinu!a ucutcot~ ~c~nC~inl~la aculeat~[Acantltinula 8cule~to

Col~elta edentula Colu~lla eOcntula ~olumella edentula IColumel~s eden:ula

S~llim~ u~mlllma~ Semlti~ semi!l~a x ~e~i[Imm* semilim~ Semlt~msx sem~ll.~

v'.tvea u r contr.cte !','s c o n t v a c t a

Verl/go pu~ll/a IVert1~;a p~ si~ia

Pl~tMla pol l ta IPl~tyln p o ] . l t a

I Abb. 2d. Die Au.~nahme und Auswertung der Landsch~mcKen be}egt sowoh] nach Arten- als auch nach individuen- zahl die [fir Schnecken g{instigeren Verhilmlsse im untersuchten Wirtschaftswald. Interessanr ist, dab selbst in Laub/ Nadelmischpartien der wirtschaftsbeton:en Variante hohe Arten- nnd individuenzahlen gefunden wurden; in sehr nadeiholzreichen Teilen gdwn die Funde dagegen deutlich zur6ck

I')g. 2d. invenm O and data evaluation shows mor~: tavorahle conditions for land shales in ti~e comm,2rciaI forest, both in terms of species and individual's numbers. It is interesting to note that high numbers of species and indivlduais were found e'~en in mixed hard',vood/sof~'ood parts o~ the conrmercial variam; distinctly smaller numbers, however, can be noticed where soi:twood proportions are very high

Punt t~ pyl~'mae~

Ac~nthlnuls e~uleat~

803 I /229 Punt turn p)'gm~e~ P ~. pY~a un .urn " e

163

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260 U. Amrner

6kologisch und naturschutzfachlich wertvol!e bzw. interessante Best~inde kennzeichnen. Die daf/ir gefundenen und offensichtlich hohe Naturschutzqualit~it anzeigenden Kriterien lassen sich, wie in Abbildung 3 dargestellt, zusammenfassen. Die Oberbegriffe tauten:

- NaturnS.he - Strukturvielfalt - Seltenheit und - Kleinstrukturen

wobei Naturn~ihe und Strukturvielfalt den Schwerpunkt der wertgebenden VariabIen ausmachen.

Interessanterweise sind die aufgelisteten Kennzeichen mit den dazugeh6rigen Unterkri- terien Begriffe, wie sie k[assisch in der Forsteinrichtung vorkommen, was zeigt, dat~ nicht neue Instrumente erfunden werden m/issen, sondern dal~ Vorhandenes und BewS.hrtes konsequen: umgesetzr werden mut~, vielleicht mit der Einschr~inkung, daft die Totkolzfor- schung noch am Anfang steht und die dafiir wichtigen Kenngr6fgen (Art und Umfang des toten Holzes) noch nicht regul~irer Bestandteil der Forsteinrichtung sind.

Irlsgesamt sind die Unterschiede in den Auffassungen dariiber, was naturnahe Forst- wirtschaft au'smacht, zwischen den Vertretern des Naturschutzes und der Forstwirtschaft relativ gering, sieht man einmal yon dcr Frage ab, ob die Naturn/ihe der Baumartenwahl ausschlidglich an der potentiell nat6dichen Vegetation oder bzw. oder auch an der standortsgerechten Baumartenzusammensetzung eines Waldortes zu messen ist. Aus wis- senschaftlicher Sicht ist als Mat~stab yon Naturn~he sicher die yon Natur aus vorkom- mende bzw. die sich unter heutigen Bedingungen einstellende Vegetation anzusehen, so wle wir dies (AM~ER, U'rscHICK et al. 1984--1986) in den ca. 90 Handbiicbern zur Karrierung 6kologisch hochwertiger Waldblotope f~r alle naturriiumlichen Einheiten Bayerns definiert und abgeleitet haben. Einer das Wirtschaftsziel Hoizproduktion veriol- genden (naturnahen) Forstwirtschaft mul~ abet zugestanden werden, die Wahl ihrer Baumarten auch nach den Ernpfehlungen der Standortskartierung zu orientieren, was heit~en kann, daft auf bestimmten Standorten (h~iufig den besseren) auch Baumarten zum Anbau kommen, die in der potentiell nat6rlichen Vegetation nicht oder nut am Rande vertreten sein wfirden. Um nicht mit~verstanden zu werden: das ist durchaus kein Pl~idoyer f~r Fichtenreinbestiinde auf z.B. Eichen-Hainbuchenstandorten, aber ich hake es bei- spielsweise fiir vertretbar, auf tiefgrfindigen Kalkverwitterungslehmen mit yon Natur aus mehr oder weniger reinen Buchenbestockungen die Fichte beizumischen, ohne daf~ deshalb wichtige andere Parameter wie z.B. die Strukturdiversit:it Einbugen erleiden m/,it;ten.

Wichtig scheint mir auch der Gedanke, dal~ Artenschutzprogramme im Wirtschafts- wald - wie 6brigens auch in Waldnaturschutzgebieten - nicht mehr als arabeskenhafte Verzierungen einer in den Grundzielen 6kologisch ausgerichteten Waldwirrschaft sein dfrfen und dies mit foigender Begr,]ndung: Artenschutzprogramme und Artenschutzmaf~- nahmen zielen auf die Erhaltung und F6rderung einer oder doch nur weniger Arten mit besorlderen Habitatanspr0chen ab, die den Lebensraumanspriichen anderer, m6glicher- weise ungen/.igend bekannter Arten durchaus zuwiderlaufen (k6nnen). So haben Unter- suchungen zur Pflege- und Entwicklungsplanung im Naturschutzgebiet Seeholz am Am- mersee (AMMER, UTSCHICK et al. 1991) gezeigt, dag dort ein grogf!~ichiges Artenschutz- programm zt,gunsten der an Starkeiehen lebenden xylobionten K~iferfauna durch eine F6rderung hutewald~ihnlicher Strukturen zu Lasten einer gleichfalls hochinteressanten aber schatten- und feuchtigkeitsliebenden Fauna (Landschnecken mit vielen Rote-Liste- Arten [fiber 40 %], 8 Amphibienarten, einziges augeralpines Vorkommen der Alpenspitz- maus) gehen wfirde. Es kommt hinzu, dat; bei kleinfl~ichiger Wirtschaftsweise ailein schon stand6rtliche Differenzierungen und Strukturvielfalt ein hohes Mal.~ an Nischenreichtum mit sich bringen.

Page 7: Naturschutzstrategien im Wirtschaftswald

Naturschutzstrategien im WirtschaftswaId 261

Abb. 3. Wertgebende Variable und Kennzeichen einer naturnahen Wir~schaft im Walde

Fig. 3. Value-determining variable and distinguishing aru'ibutes of nature-oriented woodland manage- ment

Page 8: Naturschutzstrategien im Wirtschaftswald

262 U. Ammer

IV. Wege der Umse tzung

Besteht fiber die Inhalte einer naturnahen Forstwirtschaft noch weitgehend Einigkeit, so gehen die Wege bei der Frage nach der Umsetzung, d.h. der anzuwendenden waldbau- lichen Methoden zum Tell welt auseinander: Fiir die einen sind Plenterung bzw. einzel- stammweise Nutzung die einzig zul~issigen Verfahren, fiir andere geh6ren auch Saum- und Schirmhiebe bzw. kleinfl~ichige, relativ rasche R{iumunge n zu den diskutablen L6sungen. Sicher hat die lD'berbetonung bestimrn~er waldbaulicher Verfahren, z. B. des Kahlschlages, in der Vergangenheit zu Nachteilen und unerwiinschten Entwicklungen gefiihrt, abet auch die kompromGlose Forderung, alles waldbauliche Handeln auf die ,,naturgemiii~e" Wirt- schaftsweise abzustellen, ist nichr unproblematisch. Im Grundsatz richtig, k6nnen perso- helle Probleme (z.B. hS.ufiger Personalwechset) zu anderen L6sungen zwingen, wobei auch der Alterskhssenwald zu interessanten und - wie REMMERT (1989) ausgefiihrt hat - urwaldS.hrflichen Strukturen fiihren kann, wenn nur die Fldchen klein, die Akersspannen grofi und die Dynamik des Waldes durch hohe Wildst{inde nicht stiindig hingangehahen wird.

Auch wenn sicher in der Praxis noch nicht alle Wiinsche, die an eine naturnahe Forstwirtschaft auf der grof~en Fl~iche gestellt werden, erfiillt sind und Angebote der Technik (z.B. Ganzbaumnutzung, Konzentration yon Hieben zur Ausnutzung yon Seilkrananlagen) da und dort Sorge aufkommen iassen, wird man sagen k6nnen, dat~ - mit der Beriicksichtigung kleinstand6rtlicher Unterschiede bei Bestandsbegriindung und

Bestandsbehandlung - der verbreiteten Anhebt, ng der Umtriebszeit, - dem Bekennmis zu langen Verjiingungszeitr~iumen bei femelarriger Wirtschaftsweise, - der Schaffung stufiger, in der Regel ungleichaltriger Besdinde - der anerkannren Bedeutung yon Weichlaubh61zern und der Waldinnen- bzw. Waldau-

t~erlr{inder, - der Erhaltung und Pflege yon Kleinstrukturen und ihrer typischen Bestockung und

schlidllich - mit dem grogziigigen Umbau yon reinen Fichten- und Kiefernbest~inden in Iaubholzrei-

che Mischbest~inde die rlchtigen Wege beschritten werden. Fiir Waldbesitz und Forstverwaltung besteht ein Problem darin, daf~ dieser im Zuge der Verjt'mgung durchzufiihrende Umbau - vor allem wenn er nicht tiber den Kahlschlag erfolgen sol[ - Zeit braucht und yon augen oft schwer erkennbar ist: mit Tannen und Buchen unter- oder vorgebaute Fichtenalth61zer (Abb. 4) gelten bei vielen yon aul~en betrachtet immer noch ais Reinbestf.nde, obwohl die Baum- arten des Nachfolgebestandes bereits den natiirlichen VerMltnissen entsprechen.

Nachweisungen aus dem Bayerischen Staatswald (Abb. 5), wonach heute das Laubholz bei allen Saaten und Pflanzungen mit fiber 60 % iiberwiegt und wonach.der Naturverjiin- gungsanteil yon 2,9 % Mitre der 70er Jahre attf heute fiber 50 % gesteigert werden konnte, zelgen in die richtige Richtung.

Nicht zt, letzt yon daher nehme ich den Optimismus, auf eine naturnahe Forstwirtschaft als der Grundlage fiir eine Naturschutzpolitik im Wald zu setzen, vorausgesetzt, dat~ nlcht Waldschf.den, Klimaver~inderung und RiickfS.lJe in der Waid-Wild-Frage alle Bemiihungen zunichte machen.

Zusammenfassung

Hohe UmweltvertrS.glichkeit des Rohstoffes Holz bei Entstehung, Verarbeitung und Entsorgung sowie eine mittelfristige COa-Bindung bei der Verwendung langlebiger Holzprodukte erfordern zwingend eine nachhaltige wirtschafttiche Nutzung des Waldes auf m6glichst groger Fl~iche. Totaire- serrate und vergleichbare Schutzgebiete mflssen daher besm~6glichst attsgevGihlt und auf wenige Prozent der Waldfl~che beschrSnkt bleiben. Dies isr dann ausreichend und vertretbar, wenn auf der iibrigen (Wirtschaftswald-)Fliiche naturnaher Waldbau betrieben wird. Vergleichende Untersuchun-

Page 9: Naturschutzstrategien im Wirtschaftswald

Natursch~tzstrategien im Wirtschafts.wakt 263

Abb. 4. Ehemaliger Fichtenrdnbcscand durch B.chcn- und Tannenvorbau auf die wiinschenswcrte Nachiolgebcstockung vorbcreitet Fig. 4. Ft.lrmcr pure Norway spruce stand, prepared for the desirable future stocking by advance plantiug of beech and fiT

Page 10: Naturschutzstrategien im Wirtschaftswald

264 U. Ammer

Abb. 5. Laubbaumanteil an der Kulturfl~iche in Prozent im bayer. Staatswald (nach SCI-IMID 1992)

Fig. 5. Share (%) of hardwoods in the area to be plan~ed on the state forests of Bavaria (according to ScH~m 1992)

gen in einem Naturwaldreservat und auf WirLschaftswaldflS.cben haben gezeigt, da/~ bei naturnaher Waldbewirtschaftung f6r den Artenschutz 5.hnlich g/instige Voraussetzungen geschaffen werden k6nnen wie in Schutzgebieren.

Ffir eine naturnahe Waldwirtschaft gelten vor allem Naturn~ihe, Strukturvlelfalt, die Bewahrung yon Seltenem und die Erhaltung bzw. Pflege yon KIeinstrukturen als vorrangige Ziele.

Bei der Umsetzuag einer naturnahen Forstwir~schah kommen grunds~itz!ich alle waldbau[ichen Verfahren in Berracht, wobei einzelstammweise Nutzungen, hohe Umtriebszeiten und lange Verj/in- gungszeitrS.ume in vielen Fallen geeignete Vorgehensweisen sind.

S u m m a r y

Nature conversation strategies on commercial woodlan&

Ftigh environmental compatibility of the raw material wood while rgrowing, when utilized and deposed of - together with being a medium-range C02-sink when used for long-lived wood products

- requires imperative sustained utilization of the forest on an area as large as possible. Wholly unmanaged woodlands and comparable reserves thusly should be selected in the best'way possible and be restricted to just a few percent of the entire area. This is sufficient and can be justified when nature- oriented silviculture is practiced on the remaining commercial forest area. Parallel investigations on a natural woodland reserve and on commercial forest land have shown that through nature-oriented woodland management favorable conditions for species protection may be provided which are similar to those on reserves.

Highopriority goals for nature-oriented woodland management are near natural ~:onditions, structural diversity, preservation of rarity, conservation and maintenance of small-scale structures.

For the realization of nature-oriented woodland management, basically all silvictdtural methods may be considered: single-tree selection, long rotations, and extended regener0.tion periods are in many cases suitable procedures.

L i t e r a t u r

ALUREC~T, L., 1990: Grundlagen, Ziele und Methodik der wald6kologischen Forschung in Natur- waldreservaten. Baverisches Staatsministerium f~r Erniihrung Landwirtschaft und Forsten gemeinsam mit dem Lehrstuh] ffir Landschaftstec}mik (Hrsg.): Schriftenreihe Naturwa]dreservate " in Bayern, Band 1.

A~t~vil~R, U.; FIscH~.v,, A.; MO~M~R, R.; UTSCI-t~CK, H. 1991: Pflege- und EntwiclclunesDlanune ffir das NSG Seeholz und Seewiesen am Ammersee. Gutachten des Lehrstuhls t6r Landnutzungspia- hung und Naturschutz der Uni Miinchen und der Bayerischen Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Mfinchen.

AMMER, U.; UTSCHICK, H., 1984: Gutachten zur Waldpflegeplanung im Nationalpark Bayerischer Wald auf der Grundlage einer 6kologischen Wertanalyse. Heft lC der Schriftenreihe des Bayeri- schen Staatsministermms far Ern/ihrung, Landwirtschatt und Forsten.

Page 11: Naturschutzstrategien im Wirtschaftswald

Naturscl.,utzstrategien im Wirtschaftswald 265

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Anschr!ft des Ver~issers: Prof. Dr. ULRrCtI A~aMER, Lehrstuhl fiir Landnutzungsplanung und Natur- schutz, t-tohenbachernstr. 22, W-8050 Freising-Weihenstephan, Bundes- republik Deutschland