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Neue Entwicklungen zur Kapitalverkehrsfreiheit (Art 56 ff EG)
Seminar „Aktuelle Entwicklungenim Unternehmens- und Steuerrecht“, Univ.-Prof. Dr. Hanns F. Hügel
11. Mai 2009
Univ.-Prof. DDr. Georg Kofler, LL.M.
Verhältnis zur Niederlassungsfreiheit (Art 43 ff EG) und Drittstaatensachverhalte; VwGH und UFS zur
Mindestbeteiligungsgrenze beim Schachtelprivileg und zur Anwendung der Anrechnungsmethode.
Übersicht
Einfluss der Grundfreiheiten auf nationale Steuersysteme Kapitalverkehrsfreiheit und Drittstaaten (Art 56 und Art 57 EG)
Unmittelbare Wirksamkeit Tatbestandliche Normenkonkurrenz Ausnahmeklausel (Art 57 EG)
Rechtfertigung beschränkender Steuernormen (Art 58 EG) Ausblick
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Teil IÜbersicht zu den Grundfreiheiten und zur
Kapitalverkehrsfreiheit
Übersicht
4
Übersicht
• Grundfreiheiten– Warenverkehrsfreiheit (Art 28 ff EG) → Indirektes Steuerrecht– Personenverkehrsfreiheit, dh Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art 39 ff EG) und
Niederlassungsfreiheit (Art 43 ff EG)– Dienstleistungsfreiheit (Art 49 ff EG)– Kapitalverkehrsfreiheit (Art 56 ff EG)– Zusätzlich
• Allgemeines Diskriminierungsverbot (Art 12 EG)• Allgemeine Freizügigkeit (Art 18 iVm Art 17 EG)
• Eckpfeiler– Unmittelbare Anwendbarkeit– Anwendungsvorrang– Positive und negative Wirkung– Stellung des EuGH und der nationalen Gerichte, Acte Clair-Doktrin– „Rückwirkung“ und verfahrensrechtliche Umsetzung
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Bedeutung der Grundfreiheiten
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Vorlagen und Vertragsverletzungsverfahren (Stand: 1. 1. 2009)
Bedeutung der Grundfreiheiten
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Erfolgsquoten (Stand: 1. 1. 2009)
Bedeutung der Grundfreiheiten
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Beschränkungen durch den Quellen- bzw den Ansässigkeitsstaat (Stand: 1. 1. 2009)
Bedeutung der Grundfreiheiten für die Dividendenbesteuerung
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Schedulen-system
Anrechnungssystem Befreiungssystem
Ansässigkeitsstaat des Aktionärs
Gleich-behandlung mit inländischen Dividenden (Verkooijen, Lenz)
Indirekte Anrechnung ausländischer KöSt (Manninen, Meilicke, FII Group Litigation)
Anrechnungshöchstbetrag (FII Group Litigation)
Gleichbehandlung mit inländischen Dividenden (A),
Anrechnung statt Befreiung (FII Group Litigation)
Quellen-staat =
Ansässig-keitsstaat der
(Tochter-)Gesellschaft
Besteuerung des
beschränkt steuer-
pflichtigen Aktionärs
Gleich-behandlung mit ansässigen Aktionären
Gleichbehandlung mit ansässigen Aktionären (Avoir Fiscal, Saint-Gobain, Fokus Bank, ACT Group Litigation),
Nur zur Beseitung inländischer wirtschaftlicher Doppelbesteuerung (ACT Group Litigation)
Abkommensrechtliche Neutralisierung (Denkavit, Amurta)
Gleichbehandlung mit ansässigen Aktionären
(Saint-Gobain, Denkavit, Amurta)
Abkommensrechtliche Neutralisierung (Denkavit, Amurta)
Besteuerung der Gesell-
schafts-gewinne
Nicht beeinflusst durch die Grundfreiheiten (ACT Group Litigation = MTR)
Schachtelprivileg
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Inland(§ 10 Abs 1 KStG)
Grenzüberschreitend(§ 10 Abs 2-4 KStG)
Mutter-Tochter-RL
Beteiligung durch?
Inländische Gesellschaft oder Betriebsstätte einer EU-Gesellschaft (Art 2 MTR)
Inländische Kapitalgesellschaft (AG, GmbH) oder Genossenschaft
oder vergleichbare ausländische Gesellschaft Voraussetzungen
des Art 2 MTR
Beteiligung an?Inländische Kapitalgesellschaft (AG,
GmbH) oder Genossenschaft
Vergleichbare ausländische Gesellschaft oder im Annex zur
MTR gelistet
Beteiligungs-ausmaß?
, 10%, 15% (10% ab
1. 1. 2009)
Direkte Beteiligung?
[]
Behalte-dauer?
, 1 Jahr , 2 Jahre
Veräußerungs-gewnn bzw
-verlust? , außer Option
Anti-Missbrauch?
, Methodenwechsel nach § 10 Abs 4 KStG → Verordnung BGBl
II 2004/295
[Art 1(2) MTR, aber Wahrecht
zwischen Befreiung und Anrechnung]
Schachtelprivileg
11
UFS und VwGH
UFS Linz 13. 1. 2005, RV/0279-L/04, VwGH 17. 4. 2008, 2008/15/0064 (BMF-Info, ARD 5875/7/2008 = FJ 2008, 274 = ÖStZ 2008/561, 270 = SWK 2008,
S 528), nachfolgend Vorlagen UFS Linz 29. 9. 2008, RV/0611-L/05 (Rs C-436/08, Haribo) und UFS 29. 9. 2008, RV/0493-L/08 (Rs C-437/08, Salinen)
Schachtelprivileg
• Ausblick: Neuregelung im AbgÄG 2009– Einbeziehung von unter 10%igen EU- und EWR-Beteiligungen im Hinblick auf
laufende Gewinnanteile (§ 10 Abs 1 Z 5 und 6 KStG nF)– Beibehalten des bisherigen internationalen Schachtelprivilegs in § 10 Abs 1 Z 7,
Abs 2 und Abs 3 KStG nF– Neuordnung der Missbrauchsabwehr
• “Alter” Methodenwechsel für internationale Schachtelbeteiligungen (10%) in § 10 Abs 4 KStG nF
• “Neuer” Methodenwechsel (Steuersatzdifferenz) für unter EU- und EWR-Portfoliobeteiligungen
– Rückwirkung auf alle offenen Veranlagungen (§ 26c Z 17 KStG nF)• Offene Fragen
– Drittstaaten– Durchführung des Anrechnungsverfahrens (Nachweis, Steuerbegünstigungen)– Anrechnungsvortrag
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Teil IIKapitalverkehrsfreiheit und Drittstaaten:
Unmittelbare Anwendbarkeit, tatbestandliche Normenkonkurrenz und Ausnahmeklausel
Übersicht
• Art 56 EG-Vertrag Verbot von „Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten
sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern“ (seit dem Vertrag von Maastricht)
• Steuerlicher Diskriminierungsschutz• Verbot nichtdiskriminierender Beschränkungen? → Siehe Kerckhaert-Morres,
Orange European Smallcup Fund, Margarete Block und Seabrokers Keine vergleichbare Drittstaatswirkung in Art 40 EWR-Abkommen
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Rechtsentwicklung
• Art 67 Abs 1 EWG-Vertrag
– „Soweit es für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes notwendig ist, beseitigen die MSen untereinander während der Übergangszeit schrittweise alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs in bezug auf Berechtigte, die in den MSen ansässig sind, und heben alle Diskriminierungen auf Grund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnorts der Parteien oder des Anlageorts auf.”
– Übergangszeit: Art 8 EWGV = 12 Jahre bis 31. 12. 1969 (3 Stufen zu je 4 Jahren)– Art 69 EWG-Vertrag:„ Der Rat erlässt während der beiden ersten Stufen
einstimmig und danach mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission […] die erforderlichen Richtlinien für die schrittweise Durchführung des Artikels 67”.
– Nicht unmittelbar anwendbar (Rs 267/86, Van Eycke)– Ab 1960 punktuelle „Ausfüllung“ durch Richtlinien, insbes bzgl Devisentransfers
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Rechtsentwicklung
• Liberalisierungs-RL 88/361/EWG– Umfassende „Ausfüllung“ durch Liberalisierungs-RL 88/361/EWG vom 24. 6. 1988:– Art 1 Abs 1: „Unbeschadet der nachstehenden Bestimmungen beseitigen die
MSen die Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Gebietsansässigen in den MSen. Zur Erleichterung der Durchführung dieser Richtlinie wird der Kapitalverkehr entsprechend der Nomenklatur in Anhang I gegliedert.“
– Mit Ablauf der Umsetzungsfrist ab 1. 7. 1990 unmittelbar wirksam (C-358/93, Bordessa)
• Vertrag von Maastricht– Ab 1. 1. 1994 Ersetzung von Art. 67 ff. EWGV iVm. Richtlinie 88/361 durch Art 73b
ff. EGV (i.d.F. von Maastricht) – Art 73b Abs 1 EGV: „Im Rahmen […] dieses Kapitels sind alle Beschränkungen
des Kapitalverkehrs zwischen den Msen sowie zwischen den MSen und dritten Ländern verboten.“
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Rechtsentwicklung
• Vertrag von Amsterdam – Art 56 ff EG
– Umnummerierung in die heutigen Art 56 ff EG
– Art 56 Abs 1 EG: „Im Rahmen […] dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den MSen sowie zwischen den MSen und dritten Ländern verboten.“
– Weder EU-Staatsangehörigkeit noch EU-Ansässigkeit gefordert (vgl anders noch Art 67 EWG-Vertrag; C-484/93, Svensson und Gustavsson, sowie C-358/93 u. C-416/93, Bordessa et al)
– Anwendungsbereich
• Nomenklatur in Annex I der RL 88/361/EWG hat Indizwirkung für die Auslegung des Art 56 EG (zB C-222/97, Trummer und Mayer), zB 100% Beteiligung = „Direktinvestition“, Tz I.1.
• Grundsätzlich gleiche Prinzipien wie bei übrigen Grundfreiheiten, auch im Steuerrecht (trotz Art 58 Abs 1 lit a EG)
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Rechtsentwicklung
• Vertrag von Amsterdam – Art 58 EG
– Abs 1: Artikel 56 berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten
• die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln (lit a),
• die unerlässlichen Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften, insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts , zu verhindern (lit b)
– Abs 3: „Die […] genannten Maßnahmen […] dürfen weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Artikels 56 darstellen.“
• Art 58 Abs 1 und 3 EG von MS offenbar zur Absicherung (diskriminierender) nationaler Systeme gedacht (zB Anrechnungssysteme) → EuGH betrachtet Art 58 EG jedoch als bloße Kodifizierung seiner Vergleichbarkeits- und Rechtfertigungsrechtsprechung
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Kapitalverkehrsfreiheit und Drittstaaten
Mögliche Fallkonstellationen vor dem EuGH– „Problemverlängerung“ Drittstaatsfälle, zu denen es bereits Judikatur für EU-
interne Parallelfälle gibt Unterkapitalisierung Lankhorst-Hohorst GmbH, dann Lasertec Auslandsdividenden Lenz, dann Holböck
– Neue Fragestellungen, die gleichzeitig den Binnenmarkt und Drittstaatensituationen betreffen
Insbesondere UK Group Litigations ACT Group Litigation, FII Group Litigation, Thin Cap Group Litigation, CFC and Dividend Group Litigation
Quellensteuererstattung Orange European Smallcup Fund NV Betriebsstättenverluste Lidl Belgium GmbH und Stahlwerk Ergste
Westig GmbH Abschreibung von Auslandsbeteiligungen STEKO Industriemontage Ausdehnung von Schachtelbegünstigungen Haribo, Salinen
– Spezifische Drittstaatssituationen Umstände in einer Drittstaatsbetriebsstätte A und B Auslandsdividenden aus Drittstaaten A (Haribo, Salinen)
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Kapitalverkehrsfreiheit und Drittstaaten
Fragestellungen in Drittstaatssituationen
– Unmittelbare Anwendbarkeit des Art 56 Abs 1 EG im direkten Steuerrecht– Anwendbarkeit des Art 56 Abs 1 EG im spezifischen Steuerfall → Verhältnis zu
den anderen Grundfreiheiten (tatbestandliche Normenkonkurrenz)– „Grandfathering“ der Beschränkung durch Art 57 Abs 1 EG– Verbot der fraglichen Beschränkung durch Art 56 Abs 1 EG
Vergleichbarkeit → Art 56, 58 Abs 1 EG Rechtfertigung → Art 58 Abs 1 EG Verhältnismäßigkeit → Art 58 Abs 3 EG
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Unmittelbare Anwendbarkeit
Unmittelbare Wirksamkeit von Art 56 Abs 1 EG im Verhältnis zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten
– Weder Staatsangehörigkeit noch Ansässigkeit gefordert (vgl Art 56 Abs 1 EG mit Art 67 EWG-Vertrag) Svensson and Gustavsson und Bordessa et al
– Unmittelbare Anwendbarkeit bereits in Sanz de Lera prinzipiell anerkannt, gerade im direkten Steuerrecht aber heftig umstritten (kein Bezug zum EU-Binnenmarkt, keine Gegenseitigkeit, Verlust von Verhandlungsmasse)
– Unmittelbare Anwendbarkeit auch im direkten Steuerrecht ZB FII Group Litigation, A, Orange European Smallcup Fund
Art 56 Abs 1 EG „enthält ein eindeutiges und nicht an Bedingungen geknüpftes Verbot, das keiner Durchführungsmaßnahmen bedarf und das den Einzelnen Rechte verleiht, die sie gerichtlich geltend machen können“ (A, Rn 21)
Trotz eventuell unterschiedlicher Ziele ist der Wortlaut der 1. und 2. Alternative von Art. 56 Abs 1 EG identisch gewählt und gleich auszulegen, insbesondere im Hinblick auf den Beschränkungsbegriff (A, Rn 28 ff)
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Tatbestandliche Normenkonkurrenz
Verhältnis von Art 56 Abs 1 EG zu den übrigen EG-Grundfreiheiten – Prinzipiell unproblematisch bei reinen EU-Sachverhalten wegen Grundfreiheits-
„Konvergenz“ auf Tatbestands- und Rechtfertigungsebene– Abgrenzung zur Dienstleistungsfreiheit
• Fidium Finanz– Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit, insbesondere bei Kapitalbeteiligungen
Theorie der parallelen Anwendbarkeit Theorie der Maßgeblichkeit der nationalen Norm Theorie der Maßgeblichkeit des konkreten Sachverhalts
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Tatbestandliche Normenkonkurrenz
Theorie der parallelen Anwendbarkeit– Wechselseitige Verweise in Art 43 Abs 2 EG und Art 58 Abs 2 EG– HM: Exklusiver Schutz durch Art 56 EG in Drittstaatssituationen (zB BFH 22. 8.
2006, I R 116/04, und BFH 9. 8. 2006, I R 95/05)– Aber: Seit 2004 Abgrenzung – auch in Drittstaatssituationen – nach der
primär betroffenen Grundfreiheit Omega, Cadbury Schweppes, Fidium Finanz, Thin Cap Group Litigation, Lasertec, A und B, Oy AA, Stahlwerk Ergste Westig
Sofern die fraglichen Rechtsvorschriften „beschränkende Auswirkungen auf die Dienstleistungsfreiheit und auf die Kapitalverkehrsfreiheit haben, sind derartige Auswirkungen die unvermeidliche Konsequenz einer eventuellen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und rechtfertigen jedenfalls keine eigenständige Prüfung der genannten Rechtsvorschriften im Hinblick auf die Artikel 49 EG und 56 EG“ (Cadbury Schweppes, Rn 33)
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Tatbestandliche Normenkonkurrenz
Theorie der Maßgeblichkeit der nationalen Norm– Anwendungsbereich des Art 57 EG („Direktinvestitionen“)– Kontraintuitive Schutzwirkung bei steigenden Beteiligungsausmaß– Holböck
Bei der Frage, „ob eine nationale Regelung unter die eine oder unter die andere Verkehrsfreiheit fällt, ist nach gefestigter Rechtsprechung auf den Gegenstand der betreffenden nationalen Regelung abzustellen“ (Rn 22).
Eine nationale Regelung, „die den Bezug von Dividenden einer Steuer unterwirft […] ohne dass dabei der Umfang der Beteiligung des Anteilseigners an der ausschüttenden Gesellschaft berücksichtigt wird, kann sowohl unter Art. 43 EG über die Niederlassungsfreiheit als auch unter Art. 56 EG über den freien Kapitalverkehr fallen“ (Rn 24).
„Aber selbst wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates, der zu zwei Dritteln an einer in einem Drittstaat ansässigen Gesellschaft beteiligt ist, sich erfolgreich auf [Art 56 Abs 1 EG] berufen könnte“, „ fiele die Regelung unter die Ausnahme des Art. 57 Abs. 1 EG “ (Rn 31).
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Tatbestandliche Normenkonkurrenz
Theorie der Maßgeblichkeit des konkreten Sachverhalts– Ultra posse nemo tenetur– Burda
Nationale Rechtsvorschriften, „deren Anwendung nicht vom Umfang der Beteiligung der die Dividenden beziehenden Gesellschaft an der ausschüttenden Gesellschaft abhängt, [können] sowohl unter Art. 43 EG über die Niederlassungsfreiheit als auch unter Art. 56 EG über den freien Kapitalverkehr fallen“ (Rn 71).
Das Ausgangsverfahren betrifft jedoch „ausschließlich […] die Situation einer gebietsansässigen Gesellschaft […], die Dividenden an Anteilseigner ausgeschüttet hat, deren Beteiligung ihnen einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen dieser Gesellschaft verschafft und es ihnen ermöglicht, deren Tätigkeiten zu bestimmen“ (Rn 72)
Bei dieser Sachlage sind „die Bestimmungen des EG-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit anwendbar“ (Tz 73) und Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs wären „unvermeidliche Konsequenz einer eventuellen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und rechtfertigten keine eigenständige Prüfung der Regelung im Hinblick auf Art. [56] EG-Vertrag“ (Rn 73).
• AA nachfolgend jedoch Urteil des High Court vom 27. 11. 2008 in Test Claimants In the FII Group Litigation v HM Revenue & Customs [2008] EWHC 2893 (Ch), und BFH 26. November 2008 I R 7/08 (betreffend 100%ige und 94,5%ige Auslandsbeteiligungen)
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Normenkonkurrenz – Beteiligungen
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Erfasst die nationale Norm ausschließlich „Kontrollbeteiligungen“ (~ 25%)?
Nein Ja
Kapitalverkehrsfreiheit und Niederlassungsfreiheit grundsätzlich parallel anwendbar.
Ist die Beteiligung faktisch eine „Kontrollbeteiligung“?
Ausschließlich Niederlassungsfreiheit anwendbar, kein Schutz in Drittstaatssituationen (Cadbury
Schweppes, Thin Cap Group Litigation, Lasertec, Oy AA; ebenso Fidium Finanz, A und
B, Stahlwerk Ergste Westig GmbH).
Nein Ja
Schutzwirkung erfasst auch Portfoliobeteiligungen und Direktinvestitionen, die nicht zugleich Kontrollbeteiligungen sind (aA
EAS 2875 = SWI 2007, 408).
Handelt es sich um eine „Altbeschränkung“ für „Direktinvestionen“ iSd Art 57 Abs 1 EG?
Ausschließlich Niederlassungsfreiheit anwendbar, kein Schutz in Drittstaatssituationen
(Burda) (ebenso VwGH, aA BFH)
Nein Ja
(Modifizierte) Vergleichbarkeits- und Rechtfertigungsprüfung (FII Group Litigation, A,
Orange European Smallcup Fund)
Keine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit (FII Group Litigation, Holböck, A, Orange
European Smallcup Fund)
Tatbestandliche Normenkonkurrenz
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EuGH
EuGH 13. 3. 2007, C-524/04, Slg 2007, I-2107, Thin Cap Group Litigation
Grandfather-Klausel in Art 57 Abs 1 EG
28
Auslegungsfragen– In- und Outboundsituationen– Direkter und indirekter
Kapitalverkehr– Kein Spezifitätserfordernis– Auslegungshilfe: Nomenklatur der
RL 88/361/EWG– Zeitliche Fragestellungen
„31. Dezember 1993“ oder Beitritt Verabschiedung, In-Kraft-Treten
oder Anwendungsbeginn Nachfolgende Änderungen, zB
temporäres Außerkraftsetzen
Art 57 Abs 1 „Artikel 56 berührt nicht die
Anwendung derjenigen Beschränkungen
auf dritte Länder, die am 31. Dezember
1993 aufgrund einzelstaatlicher oder
gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für den
Kapitalverkehr mit dritten Ländern im
Zusammenhang mit Direktinvestitionen
einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der
Niederlassung […] bestehen. Für in
Bulgarien, Estland und Ungarn bestehende
Beschränkungen nach innerstaatlichem
Recht ist der maßgebliche Zeitpunkt der 31.
Dezember 1999.”
Teil IIIKapitalverkehrsfreiheit und Drittstaaten:
Rechtfertigung beschränkender nationaler Steuernormen
Rechtfertigung – Art 58 EG
• Art 58 EG
– Abs 1: Artikel 56 berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten
• die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln (lit a),
• die unerlässlichen Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften, insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts, zu verhindern (lit b)
– Abs 3: „Die […] genannten Maßnahmen […] dürfen weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Artikels 56 darstellen.“
– Erklärung der MS in der Schlussakte des Vertrages von Maastricht, wonach das in Art. 58 Abs. 1 lit. a EG „erwähnte Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, nur für die einschlägigen Vorschriften gilt, die Ende 1993 bestehen“.
• Art 58 Abs 1 und 3 EG von MS offenbar zur Absicherung (diskriminierender) nationaler Systeme gedacht (zB Anrechnungssysteme) → EuGH betrachtet Art 58 EG jedoch als bloße Kodifizierung seiner Vergleichbarkeits- und Rechtfertigungsrechtsprechung
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Rechtfertigung – Art 58 EG
Mangelnde Vergleichbarkeit innergemeinschaftlicher Sachverhalte mit Drittstaats-Konstellationen bzw erweiterter Rechtfertigungsspielraum?
– FII Group Litigation „[A]ufgrund des Grades der unter den Mitgliedstaaten der Union bestehenden rechtlichen
Integration, insbesondere angesichts der gesetzgeberischen Maßnahmen der Gemeinschaft in Bezug auf die Zusammenarbeit zwischen nationalen Steuerbehörden wie der Richtlinie 77/799, ist die von einem Mitgliedstaat vorgenommene Besteuerung wirtschaftlicher Tätigkeiten mit die Grenzen innerhalb der Gemeinschaft überschreitenden Bezügen nicht immer mit der Besteuerung wirtschaftlicher Tätigkeiten vergleichbar, die die Beziehungen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten berühren.“ (Rn. 170)
Weiterhin lässt es sich nicht ausschließen, „dass ein Mitgliedstaat beweisen kann, dass eine Beschränkung des Kapitalverkehrs mit dritten Ländern aus einem bestimmten Grund gerechtfertigt ist, auch wenn dieser Grund keine überzeugende Rechtfertigung für eine Beschränkung des Kapitalverkehrs zwischen Mitgliedstaaten darstellen würde.“ (Rn. 171)
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Rechtfertigung – Art 58 EG
Erweiterter Rechtfertigungsspielraum– Amtshilfe
„Wenn die Regelung eines Mitgliedstaats die Gewährung eines Steuervorteils von der Erfüllung von Verpflichtungen abhängig macht, deren Einhaltung nur in der Weise nachgeprüft werden kann, dass Auskünfte von den zuständigen Behörden eines Drittlands eingeholt werden, ist es folglich grundsätzlich gerechtfertigt, dass der Mitgliedstaat die Gewährung dieses Vorteils ablehnt, wenn es sich, insbesondere wegen des Fehlens einer vertraglichen Verpflichtung des Drittlands zur Vorlage der Informationen, als unmöglich erweist, die Auskünfte von diesem Land zu erhalten.“ (A, Rn 63)
Amtshilfeabkommen, DBA (Art. 26 OECD-MA) Keine uferlose Rechtfertigungsmöglichkeit → Orange European Smallcap
Fund NV Verhinderung der Steuerumgehung und -hinterziehung (Relevanz bei
Portfoliobeteiligungen?) → Erweiterung gegenüber Cadbury Schweppes etc? Aber: Relevanz bei Portfoliobeteiligungen?
Wettbewerbsverzerrung – Außergewöhnlich niedriges Steuerniveau so genannter „Oasen-Drittstaaten“ → Keine Rechtfertigung im Binnenmarkt (Eurowings, Lenz)
Schutz bzw. die Sicherung des nationalen Steueraufkommens → Verschiebung von Steuersubstrat und mangelnde Reziprozität (zB Quellensteuerverzicht)
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Teil IVAusblick
Ausblick
Zukünftige Rechtsprechung des EuGH „Notbremse“ durch tatbestandliche Ausschlusswirkung Restanwendungsbereich bei Portfoliobeteiligungen?
C-436/08, Haribo (UFS Linz 29. 9. 2008, RV/0611-L/05), und C-437/08, Österreichische Salinen (UFS 29. 9. 2008, RV/0493-L/08)
„Uferlose“ Rechtfertigung? Vertrag von Lissabon – ABl. C 306/42 (17. 12. 2007) Primärrechtlichen Absicherung der Interessen der Mitgliedstaaten im Verhältnis zu
Drittstaaten Neuer Art. 58 Abs. 4 EG → Danach kann „die Kommission oder, wenn diese
binnen drei Monaten nach der Vorlage eines entsprechenden Antrags des betreffenden Mitgliedstaats keinen Beschluss erlassen hat, der Rat einen Beschluss erlassen, mit dem festgelegt wird, dass die von einem Mitgliedstaat in Bezug auf ein oder mehrere Drittländer getroffenen restriktiven steuerlichen Maßnahmen insofern als mit den Verträgen vereinbar anzusehen sind, als sie durch eines der Ziele der Union gerechtfertigt und mit dem ordnungsgemäßen Funktionieren des Binnenmarkts vereinbar sind. Der Rat beschließt einstimmig auf Antrag eines Mitgliedstaats.“
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