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64 STATISTIKEN Q3/12 Die aufsichtsrechtliche Arbeitsteilung zwischen Finanzmarktaufsicht (FMA) und OeNB beruht im Wesentlichen auf der Funktion des „fact finding“ – der gesamten Risikobeurteilung – sowie auf der Funktion des „decision taking“ – den behördlichen Entscheidungen. Erstere Aufgabe ist der OeNB zugewie- sen, Letztere der FMA (OeNB, 2008). Zur Erfüllung der „fact finding“-Funk- tion nutzt die OeNB einerseits qualitative Informationen wie On-Site-Berichte und andererseits quantitative Informa- tionen wie Bankenmeldungen, Ratings und Modellergebnisse über alle erfass- baren Risikokategorien. Die datenbasierte, quantitative Off- Site-Analyse der OeNB ermöglicht eine risikoorientierte Analyse jeder einzel- nen Bank. Diese umfasst die Risiko- artenrechnung (Identifikation der rele- vanten Risikoarten), Risikostellenrech- nung (Wie hoch ist das Risiko?) und die Analyse der Auswirkung von Umge- bungsveränderungen (Szenariobetrach- tungen). Als Werkzeuge für die daten- getriebene Analyse kommen folgende Methoden zur Anwendung (OeNB, 2005): Die Beobachtung und Analyse von Bilanzkennzahlen der Gewinn- und Verlustrechnung und anderer Indi- katoren, aus denen die Verschlech- terung der individuellen Position einer Bank durch Expertenbeurtei- lung abgeleitet werden kann sowie die statistisch-ökonometrische Inter- pretation ausgewählter Kennzahlen, die es zudem ermöglicht, eine Pro- blemwahrscheinlichkeit für eine Bank zu schätzen. Aufgrund der hohen Anzahl an Kredit- instituten in Österreich kann nicht zu Neugestaltung der ABBA-Modelllandschaft Die ABBA-Modelllandschaft (Austrian Banking Business Analysis) umfasst die quantitativen Analysewerkzeuge für die interne Off-Site-Analyse der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Die Finanzkrise und ihre Auswirkungen auf den österreichischen Bankenmarkt bedingten eine Überarbeitung der Instrumente, um weiterhin die hohen Qualitätsanforderungen erfüllen zu können. Die Neugestaltung wurde von der Hauptabteilung für Statistik in Zusam- menarbeit mit der Hauptabteilung Finanzmarktstabilität und Bankenprüfung im Rahmen der Initiative „ABBA reloaded“ umgesetzt. Die neukonzipierte Modelllandschaft besteht aus einem Logitmodell, das acht Kennzahlen aus verschiedenen Risikomodulen aggregiert und dessen Ergebnis auf eine ordinale Skala von Risikoklassen transformiert wird. Weitere Komponenten sind das Flag-System, das den Analysten warnt, sobald eine Kennzahl einen Grenzwert über- bzw. unterschreitet und ein strukturelles Modell zur Beurteilung des Gesamtbankrisikos. Der Nutzenzuwachs der neuen ABBA-Analyselandschaft ergibt sich durch eine Komplexitätsreduktion im Vergleich zur bestehenden Umgebung bei gleichzeitiger Erhöhung der Modellgüte. Michael Fedesin, Florian Resch 1 1 Oesterreichische Nationalbank, Abteilung Statistik – Aufsicht, Modelle und Bonitätsanalysen, michael.fedesin@oenb.at, florian.resch@oenb.at. Verknüpfung Basisanalyse mit On- und Off-Site-Analyse Grafik 1 Quelle: OeNB (2008). Basisanalyse „ABBA-Score“ Detailanalyse „Analyse-Score“ Vorort-Prüfung „Prüfungs-Score“ Gesamtbeurteilung „Risikomatrix“ Gesamtbank- steuerung Liquiditäts- risiko Operationelles Risiko Sonstige Risiken Sonderthemen Deckungs- potenzial Kreditrisiko Marktrisiko

Neugestaltung der ABBA-Modelllandschaft

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  • 64 STATISTIKEN Q3/12

    Die aufsichtsrechtliche Arbeitsteilung zwischen Finanzmarktaufsicht (FMA) und OeNB beruht im Wesentlichen auf der Funktion des fact finding der gesamten Risikobeurteilung sowie auf der Funktion des decision taking den behrdlichen Entscheidungen. Erstere Aufgabe ist der OeNB zugewie-sen, Letztere der FMA (OeNB, 2008). Zur Erfllung der fact finding-Funk-tion nutzt die OeNB einerseits qualitative Informationen wie On-Site-Berichte und andererseits quantitative Informa-

    tionen wie Bankenmeldungen, Ratings und Modellergebnisse ber alle erfass-baren Risikokategorien.

    Die datenbasierte, quantitative Off-Site-Analyse der OeNB ermglicht eine risikoorientierte Analyse jeder einzel-nen Bank. Diese umfasst die Risiko-artenrechnung (Identifikation der rele-vanten Risikoarten), Risikostellenrech-nung (Wie hoch ist das Risiko?) und die Analyse der Auswirkung von Umge-bungsvernderungen (Szenariobetrach-tungen). Als Werkzeuge fr die daten-getriebene Analyse kommen folgende Methoden zur Anwendung (OeNB, 2005): Die Beobachtung und Analyse von

    Bilanzkennzahlen der Gewinn- und Verlustrechnung und anderer Indi-katoren, aus denen die Verschlech-terung der individuellen Position einer Bank durch Expertenbeurtei-lung abgeleitet werden kann sowie

    die statistisch-konometrische Inter-pretation ausgewhlter Kennzahlen, die es zudem ermglicht, eine Pro-blemwahrscheinlichkeit fr eine Bank zu schtzen.

    Aufgrund der hohen Anzahl an Kredit-instituten in sterreich kann nicht zu Aufgrund der hohen Anzahl an Kredit-instituten in sterreich kann nicht zu Aufgrund der hohen Anzahl an Kredit-

    Neugestaltung der ABBA-Modelllandschaft

    Die ABBA-Modelllandschaft (Austrian Banking Business Analysis) umfasst die quantitativen Analysewerkzeuge fr die interne Off-Site-Analyse der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Die Finanzkrise und ihre Auswirkungen auf den sterreichischen Bankenmarkt bedingten eine berarbeitung der Instrumente, um weiterhin die hohen Qualittsanforderungen erfllen zu knnen. Die Neugestaltung wurde von der Hauptabteilung fr Statistik in Zusam-menarbeit mit der Hauptabteilung Finanzmarktstabilitt und Bankenprfung im Rahmen der Initiative ABBA reloaded umgesetzt. Die neukonzipierte Modelllandschaft besteht aus einem Logitmodell, das acht Kennzahlen aus verschiedenen Risikomodulen aggregiert und dessen Ergebnis auf eine ordinale Skala von Risikoklassen transformiert wird. Weitere Komponenten sind das Flag-System, das den Analysten warnt, sobald eine Kennzahl einen Grenzwert ber- bzw. unterschreitet und ein strukturelles Modell zur Beurteilung des Gesamtbankrisikos. Der Nutzenzuwachs der neuen ABBA-Analyselandschaft ergibt sich durch eine Komplexittsreduktion im Vergleich zur bestehenden Umgebung bei gleichzeitiger Erhhung der Modellgte.

    Michael Fedesin, Florian Resch1

    1 Oesterreichische Nationalbank, Abteilung Statistik Aufsicht, Modelle und Bonittsanalysen, [email protected], [email protected].

    Verknpfung Basisanalyse mit On- und Off-Site-Analyse

    Grafik 1

    Quelle: OeNB (2008).

    BasisanalyseABBA-Score

    BasisanalyseABBA-Score

    Basisanalyse

    DetailanalyseAnalyse-Score

    DetailanalyseAnalyse-Score

    Detailanalyse Vorort-PrfungPrfungs-Score

    Vorort-PrfungPrfungs-Score

    Vorort-Prfung

    Gesamtbeurteilung

    Risikomatrix

    Gesamtbank-steuerung

    Liquiditts-risiko

    Operationelles Risiko

    SonstigeRisiken Sonderthemen

    Deckungs-potenzial Kreditrisiko Marktrisiko

  • Neugestaltung der ABBA-Modelllandschaft

    STATISTIKEN Q3/12 65

    jedem Zeitpunkt fr jede Bank eine qualitative Detailanalyse erfolgen. Es ist daher notwendig, eine risikoorien-tierte Kategorisierung durchzufhren, um effiziente und effektive Aufsichts-prozesse gewhrleisten zu knnen. Diese Klassifizierung dient zur raschen Iden-tifikation von problembehafteten Insti-tuten und erleichtert die bersichtliche und einheitliche Beurteilung aller Insti-tute.

    Die von der Hauptabteilung Statis-tik durchgefhrte und den Aufsichts-abteilungen zur Verfgung gestellte statistisch-konometrische Basisanalyse erlaubt eine zweckmige Identifikation aufflliger Banken und die Eingren-zung auf relevante Risikoarten. Weiters gibt sie eine Ersteinstufung des Risikos der Bank ab und bildet damit ein quan-titatives Fundament der Bankenauf-sicht.

    1 Die bisherige ABBA-Modell-landschaft

    Die bisherige ABBA-Modelllandschaft bestand aus einem Kernbereich und weiteren, im Auenbereich angesiedel-ten, untersttzenden Analysen und Detailergebnissen. Grafik 2 zeigt eine bersicht ber die gesamte Modell- Detailergebnissen. Grafik 2 zeigt eine bersicht ber die gesamte Modell- Detailergebnissen. Grafik 2 zeigt eine

    landschaft, wie sie von April 2004 bis Mrz 2012 in Betrieb war.

    Der Kern bestand aus fnf Teil-modellen sowie einem Aggregations-modell, um den ABBA-Score zu berech-nen. Zu den fnf Teilmodellen zhlten ein Logitmodell, ein Cox-Modell, ein CAMEL-Ansatz, das Filtersystem und ein strukturelles Modell. Genauere Aus-fhrungen zu den Teilmodellen knnen von der OeNB-Website abgerufen wer-den.2 Die einzelnen Teilmodellergebnisse wurden mittels eines weiteren Logit-modells zusammengefhrt. Das Ergeb-nis der Aggregation wurde unter Ver-

    wendung einer geeigneten Transfor-mation einer Risikoklasse zugewiesen und der finale Wert wurde als ABBA-Score bezeichnet. Der ABBA-Score in dieser Form diente als primrer Aus-gangspunkt fr weitere Analysen und Prozesse in der Bankenaufsicht und war somit das zentrale Ergebnis der ABBA-Modelllandschaft.

    Im ueren Bereich der Modell-landschaft war insbesondere das Flag-System von Bedeutung. Dieses warnte den Analysten, wenn eine Bank einen zuvor festgelegten Wert einer Kenn-zahl ber- bzw. unterschritt. Diese Warnungen untersttzten die Aufsichts-abteilungen bei der risikoorientierten Kategorisierung der Banken und bei der raschen Identifikation von Risiko-bereichen.

    Alle Komponenten der ABBA-Modelllandschaft hatten zum Ziel, Banken gem ihrem Risiko zu klassi-fizieren, beruhten aber auf unterschied-lichen statistischen und konomischen Blickwinkeln. Jedes der Teilmodelle deckte somit unterschiedliche Risiko- und Modellaspekte ab. Da jedoch fr viele Anstze die Datenbasis hnlich

    bersicht ber die bisherige ABBA-Modelllandschaft

    Grafik 2

    Quelle: OeNB.

    ABBA- Score

    Logit

    SRM

    Strukturelles Modell

    Deckungs-potenziale

    Warn-Flags

    Score-Flags

    Modell-Flags

    Filter- Kennzahlen

    Risiko- tragfhigkeit

    Cox

    CAMEL Filter

    2 www.oenb.at/de/img/die_analyselandschaft_tcm14-27482.pdf (recherchiert am 18. Juni 2012).

  • Neugestaltung der ABBA-Modelllandschaft

    66 STATISTIKEN Q3/12

    war, ergaben sich durch die Kalibrie-rung trotz unterschiedlicher Zugnge redundante Teilmodelle und Ergebnisse. Diese hatten einen vermeidbaren Mehr-aufwand in der Analyse der Modell-ergebnisse zur Folge. Der Abbau die-ser Redundanzen und die nationalen und internationalen Entwicklungen der Finanzmrkte der letzten Jahre beding-ten einen Anpassungsbedarf im Bereich der quantitativen Modelle.

    2 ABBA reloaded

    Seit dem erstmaligen Einsatz der ABBA-Modelle Anfang des Jahres 2005 wurden Adaptierungen und Rekalibrie-rungen im Zuge der laufenden Wartung durchgefhrt. Die globale Finanzkrise und deren Auswirkungen auf den ster-reichischen Bankenmarkt machen nun eine umfassende Neugestaltung der ABBA-Modelllandschaft erforderlich. Das Hauptziel ist, die gesammelten Erfahrungen der Bankenaufsicht und die genderten Rahmenbedingungen, wie strengere Eigenmittelvorschriften sowie erweiterte Informationen zu Liquidittsrisiken, strker zu berck-sichtigen und damit den hohen Quali-ttsanforderungen der OeNB an ein quantitatives Modell weiterhin gerecht zu werden. Ein zweites Ziel ist, redun-dante Analysewerkzeuge abzubauen und auf diese Weise eine Vereinfachung der Interpretation der Ergebnisse zu er-mglichen. Dabei sollen die Erkennt-nisse der letzten Jahre einflieen und

    die lessons learned umgesetzt werden. Dieses umfangreiche Neugestaltungs-vorhaben wurde von der Hauptabteilung Statistik und der Hauptabteilung Finanz-marktstabilitt und Bankenprfung ge-meinsam im Rahmen der Initiative ABBA reloaded durchgefhrt.

    Die berarbeitung der Modellland-ABBA reloaded durchgefhrt.

    Die berarbeitung der Modellland-ABBA reloaded durchgefhrt.

    schaft folgt dabei dem Konstruktions-Kalibrierungs-Validierungs-Prozess fr das Management von Risikomodellen. Als Ausgangspunkt fr die Neugestal-tung dienen die Validierungsergebnisse der bisher verwendeten Modelle. Im Schritt Konstruktion wird festgelegt, welche Modelle Eingang in die Modell-landschaft finden. Fr die ausgewhlten Anstze werden im Schritt Kalibrierung die jeweiligen Modellparameter geschtzt. Abschlieend werden die Modelle einer ersten Validierung auf dem Kalibrie-rungsdatensatz unterzogen.

    2.1 Validierung der bestehenden ABBA-Modelllandschaft

    Am Beginn der Neugestaltung steht die Evaluation der bestehenden Modell-landschaft. Dafr wird jedes Teilmodell fr den Zeitraum 2008 bis Juni 2010 einer umfassenden Validierung unter-zogen. Als Mae fr die Modellgte werden die in Tabelle 1 beschriebenen Kriterien angewandt.

    Die Ergebnisse zeigen, dass der ABBA-Score sowie auch alle Teilmodelle es ermglichen, zwischen guten und schlechten Banken zu unterscheiden.

    Tabelle 1

    Gtemae zur Validierung der ABBA-Modelllandschaft

    Ma Fragestellung Statistische Kennzahl

    Trennschrfe Wie gut kann das Modell zwischen guten und schlechten Banken unterscheiden?

    Area under the Curve (AUC)

    Stabilitt Sind die Ergebnisse ber die Zeit robust oder kommt es zu starken Schwankungen?

    Migrationsmatrizen

    Quelle: OeNB.

  • Neugestaltung der ABBA-Modelllandschaft

    STATISTIKEN Q3/12 67

    Die Qualitt dieser Unterscheidung ge-messen an der Trennschrfe ist jedoch unterschiedlich hoch ausgeprgt. Ins-besondere das Logitmodell sowie das strukturelle Modell zeigen hier sehr gute Werte. Weiters weisen die Modelle eine hohe Stabilitt im Zeit ablauf auf, und es gibt nur eine geringe Anzahl an Migrationen.

    2.2 Konstruktion der neuen ABBA-Modelllandschaft

    Die Konstruktion der neuen Modell-landschaft umfasst die Festlegung, welche Modellklassen und welche Methoden knftig als quantitative Analysewerk-zeuge zum Einsatz kommen. Die Er-kenntnisse aus der Validierung der der-zeit im Einsatz befindlichen Modelle bilden dafr die Basis. Als Entschei-dungsgrundlage fr Vernderungen kommt ein empirisch-fundierter, evi-denzbasierter Ansatz zur Anwendung: Modelle, die sich in der Vergangen-

    heit bewhrt haben, werden auf Basis der neuesten verfgbaren Daten kalibriert.

    Methoden, die zwar gute Ergeb-nisse liefern, aber eine starke ber-Methoden, die zwar gute Ergeb-nisse liefern, aber eine starke ber-Methoden, die zwar gute Ergeb-

    schneidung zu besseren Modellen besitzen, gehen in diesen auf, um gemeinsam noch aussagekrftigere Ergebnisse liefern zu knnen.

    Anstze, die trotz Anpassungen nur unterdurchschnittliche Aussagekraft zeigen, werden nicht fortgefhrt.

    Zustzlich werden neue, bisher nicht ver-wendete Anstze bezglich einer mgli-chen Verwendung evaluiert und hinsicht-lich ihrer Einsatzbarkeit und Qualitt berprft. Das Ergebnis aus der Modell-konstruktion ist die Modelllandschaft, wie sie in Kapitel 3 beschrieben wird.

    2.3 Kalibrierung der neuen ABBA-Modelllandschaft

    Die Kalibrierung der Modelllandschaft gliedert sich in die Bereiche Daten und

    Methoden. Im Bereich der Daten wird sowohl die Definition der abhngigen (zu erklrenden) Variable (welche Er-eignisse klassifizieren die Bank als problembehaftet) als auch der unabhn-gigen (erklrenden) Variable (welche Kennzahlen prognostizieren zuknftige Probleme gut) angepasst. Fr die Defi-nition der abhngigen Variable wurden 13 Kriterien festgelegt, bei deren Auf-treten eine Bank als problembehaftet einzustufen ist. Dazu zhlen unter an-derem Insolvenz, Staatshilfe und Unter-sttzung durch den Sektorverbund. Als unabhngige Variablen dienen vorrangig Bilanz- und Risikokennzahlen, die im Einklang mit internationalen Standards (Key Risk Indicators der Europischen Bankenaufsichtsbehrde, Kennzahlen der Bank fr Internationalen Zahlungsaus-gleich etc.) definiert werden. Mithilfe statistischer Verfahren wird ermittelt, welche der Kennzahlen aus diesem um-fassenden Kennzahlenuniversum fr ein quantitatives Modell die hchste Erklrungskraft besitzen. Dabei kommt eine Vielzahl an konometrischen Ver-fahren, wie univariate Analysen, Unter-suchungen zur Korrelation zwischen den einzelnen unabhngigen Variablen und eine multi variate, schrittweise Vorwrtsregression, zum Einsatz. Die ausgewhlten Kennzahlen finden dann Eingang in das finale Modell und werden mittels statistischer, optimier-ter Gewichte aggregiert. Das Ergebnis wird anschlieend zum ABBA-Score transformiert.

    2.4 Validierung der neuen ABBA-Modelllandschaft

    Abschlieend werden die neugestalte-ten Modelle einer ersten Validierung unterzogen. Um eine Vergleichbarkeit mit dem Vorgnger-ABBA-Modell zu gewhrleisten, werden dieselben statis-tischen Verfahren wie in der Validie-rung der bisherigen ABBA-Modelle

  • Neugestaltung der ABBA-Modelllandschaft

    68 STATISTIKEN Q3/12

    verwendet. Der einzige Unterschied in der Herangehensweise besteht darin, dass die Modelle nur mit jenen Daten getestet werden knnen, die auch fr die Kalibrierung herangezogen werden (In-Sample-Test). Um trotzdem die Validitt und Robustheit zu unter-suchen und zu gewhrleisten, kommen unterschiedliche statistische Verfahren, wie z. B. die Kreuzvalidierung, zum Einsatz. Dabei wird das Modell auf einem Teil der Daten geschtzt und der verbleibende Teil wird fr die Validie-rung verwendet.

    3 Die neue ABBA-Modell-landschaft

    Das Ergebnis des ABBA reloaded-Prozesses ist eine vollkommen ber-arbeitete, den aktuellen Finanzmarkt-entwicklungen Rechnung tragende, quantitative Analyselandschaft. Sie er-fllt sowohl das Ziel einer weiteren Erhhung der Modellgte als auch einer Reduktion der Modellkomplexitt. Die ab Juni 2012 im Einsatz befindlichen Modelle werden in Grafik 3 dargestellt. Wie auch die bisherige Modellland-schaft zeichnet sich die neue Umgebung durch einen Kernbereich und unter-sttzende Komponenten aus. Die kon-sequente Umsetzung des empirisch fun-dierten, evidenzbasierten Ansatzes und

    die Anforderung einer Komplexitts-reduktion mnden somit in einer ver-einfachten Struktur, sowohl im Kern als auch im ueren Bereich.

    Der Kernbereich ist im Vergleich zum Vorgngermodell dezimiert und enthlt als zentralen Bestandteil nur noch ein einstufiges Logitmodell. Dieses fasst acht Kennzahlen aus den Bereichen Ertragslage, Eigenmittel, Geschfts-entwicklung, Liquiditt und Risiko zu-sammen, wobei die Gewichte der ein-zelnen Kennzahlen bei der Schtzung des Logitmodells statistisch optimiert werden. Das Ergebnis des Logitmodells wird dann analog zur bisherigen Vor-gehensweise auf eine ordinale Skala, bestehend aus sechs Risikobewertungs-stufen, transformiert und ergibt sodann den finalen ABBA-Score. Dieser Wert kann in gleicher Weise interpretiert werden wie der ABBA-Score des Vor-gngermodells und ist auch aus Prozess-sicht weiterhin das vorrangige Merkmal zur quantitativen Risikoklassifikation.

    Das Hauptziel der Neugestaltung ist, gesammelte Erfahrungen aus dem Aufsichtsbereich und genderte Rahmen-bedingungen, wie strengere Eigenmit-telvorschriften und erweiterte Infor-mationen zu Liquidittsrisiken, einflie-en zu lassen und damit die Modellgte zu erhhen. Die Validierungsergebnisse des bisherigen ABBA-Score Resultat der Aggregation der ABBA-Teilmodelle und des neuen ABBA-Logitmodells sind in Grafik 4 dargestellt. Je hher der Wert fr die Area under the Curve (AUC), desto besser ist die Trenn-schrfe. Ein Wert von eins entspricht dabei dem perfekten Modell, das alle besonders risikobehafteten Banken als solche erkennt. Die Grafik zeigt, dass das neue ABBA-Logitmodell eine signi-fikante Verbesserung der Trennschrfe ermglicht. Das bedeutet, das neue ABBA-Logitmodell ist besser in der Lage, zwischen risikobehafteten und nicht

    bersicht zur neuen ABBA-Modelllandschaft

    Grafik 3

    Quelle: OeNB.

    ABBA-Logit- ModellScore-Flags

    Strukturelles Modell

    Warn-Flagsneu

  • Neugestaltung der ABBA-Modelllandschaft

    STATISTIKEN Q3/12 69

    risikobehafteten Banken zu unterschei-den. Hosmer und Lemeshow (2000) bezeichnen AUC-Werte zwischen 0,80 und 0,90 als exzellent.3 Der neue ABBA-Kern vereint daher eine hhere Modell-gte bei gleichzeitiger Vereinfachung des Modells. Die angewandte Trans-formation des ABBA-Score gewhrleistet eine konsistente Interpretation der Ana-lysen fr Modellergebnisse vor und nach der Neugestaltung.

    Auch der uere Bereich der ABBA-Modelllandschaft weist im Vergleich zu den bisher im Einsatz befindlichen Modellkomponenten eine starke Kom-plexittsreduktion auf. Die nicht weiter betriebenen Anstze gehen jedoch in den verbliebenen Komponenten auf. In der bisherigen Form fortgefhrt wird dabei nur der Score-Flag. Der Score-Flag ist ein Warnsignal an den Analys-ten, das gegeben wird, sobald der ABBA-Score (Ergebnis aus dem Kern) eine bestimmte Risikoklasse bersteigt. Die als besonders risikobehaftet erkann-ten Banken werden dann einem geson-derten, qualitativen Analyseprozess unterzogen.

    Das Warn-Flag-System war auch bisher ein Teil der Modelllandschaft.

    Im Rahmen von ABBA reloaded wurde es aber vollstndig berarbeitet und noch strker den Bedrfnissen der Analysten aus den Aufsichtsabteilungen angepasst. So wurde das Flag-System sowohl inhaltlich als auch konzeptuell mageblich erweitert und besitzt jetzt eine grere Flexibilitt und Optionali-tt. Dazu wurden die auf Rngen und Aufflligkeiten basierenden CAMEL- und Filter-Modelle in das neue Flag-System integriert. Die Grundidee dieser Anstze wird beibehalten, und es wird eine Warnung angezeigt, falls eine Kennzahl einen Grenzwert ber- bzw. unterschreitet. Die ersten Anpassungen betreffen die zugrunde liegenden Kenn-zahlen. Diese stammen aus einem inter-national etablierten und angewandten Kennzahlenkatalog (EBA, BIZ etc.) und bercksichtigen die aktuellen Ent-wicklungen in der Aufsichtsanalyse. Der zweite Bereich der Neuerungen um-fasst die Festlegung der Grenzwerte. Hier stehen nun drei Optionen zur Verfgung. In Variante eins werden wie bisher fr alle Banken einheitliche, fixe Grenzen festgelegt (z. B. Eigen-mittelquote fllt unter einen vorgege-benen Wert). Fr die Optionen zwei

    3 Noch hhere Werte wrden fr eine beranpassung des Modells an die Kalibrierungsdaten sprechen und sind somit aus Modellbildungssicht nicht wnschenswert.

    AUC

    1,0

    0,9

    0,8

    0,7

    0,6

    0,5Q1 08 Q1 10Q2 08 Q3 08 Q4 08 Q1 09 Q2 09 Q3 09 Q4 09 Q2 10

    Trennschrfe gemessen an der Area under the Curve (AUC)

    Grafik 4

    Quelle: OeNB.

    ABBA alt ABBA neu

  • Neugestaltung der ABBA-Modelllandschaft

    70 STATISTIKEN Q3/12

    und drei wird jede Bank einer von 15 in sich homogenen Vergleichsgruppen zu-gewiesen. Variante zwei basiert auf der Idee, die jeweils schlechtesten x Prozent der Banken aus einer bestimmten Ver-gleichsgruppe als auffllig zu klassi-fizieren. Als dritte Variante steht die statistische Berechnung von Grenzwer-ten fr jede Vergleichsgruppe zur Ver-fgung. Unter Anwendung von Metho-den der robusten Statistik des Mini-mum Covariance Determinant (MCD)-Schtzers (Wilcox, 2012) werden die Grenzwerte als Abweichungen vom robusten Mittelwert bestimmt. Um mglichst aussagekrftige Kennzahlen auszuwhlen und die dazugehrigen Grenzen festzulegen, wurden statistische Analysen analog zur Validierung der bisherigen ABBA-Scores durchgefhrt. Insgesamt werden fr 22 Kennzahlen Flags aus den Bereichen Ertragslage, Eigenmittel, Geschftsentwicklung, Kre-ditrisiko und Marktrisiko berechnet.

    Zum ueren Bereich gehrt als drittes Teilmodell ein berarbeitetes strukturelles Modell, das derzeit neu konzeptioniert wird und aus einer Synthese des bisherigen strukturellen Modells und des Systemic Risk Monitor (SRM) entsteht. Es besteht aus drei Komponenten: einem Kreditrisiko-

    modell, einem Marktrisikomodell und einem Schtzer fr das operationale Risiko einer Bank. Fr jede dieser Teil-komponenten sowie auch fr das aggre-gierte Gesamtrisiko werden Risikomae berechnet und in Bezug zur Risiko-tragfhigkeit der Bank gesetzt. Der so ermittelte Quotient fr das Gesamt-risiko geht in das ABBA-Logitmodell im Kern ein, whrend die einzelnen Teilmodellergebnisse fr weiterfhrende Detailanalysen Anwendung finden.

    4 Schlussfolgerungen

    Aus der intensiven Zusammenarbeit zwischen der Hauptabteilung Statistik und der Hauptabteilung Finanzmarkt-stabilitt und Bankenprfung der OeNB ergibt sich eine neu gestaltete Modelllandschaft mit einem einstufigen Logitmodell im Zentrum sowie einem neuen Flag-System und einem struktu-rellen Modell als Ergnzung. Der Mehr-wert der neuen ABBA-Analyseland-schaft ergibt sich aus einer Komplexi-ttsreduktion gegenber der bestehenden Umgebung bei gleichzeitiger Erhhung der Modellgte. Das damit geschaffene quantitative Off-Site-Analyseportfolio strkt die Basis fr eine weiterhin effi-ziente und effektive Bankenaufsicht in sterreich.

    LiteraturverzeichnisHosmer, D. W. und S. Lemeshow. 2000. Applied Logistic Regression. 2. Auflage.Oesterreichische Nationalbank/Finanzmarktaufsicht. 2005. Die Analyselandschaft der

    sterreichischen Bankenaufsicht. April.Oesterreichische Nationalbank/Finanzmarktaufsicht. 2008. Bankenaufsicht in sterreich.Wilcox, R. 2012. Introduction to Robust Estimation & Hypothesis Testing. 3. Auflage.