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Neurose (pa) Die neurotische Symptombildung ist in der Psychoanalyse der Ausdruck eines unbewussten Konflikts. Bei den klassischen Psychoneurosen entspricht er einem ungelösten frühkindlichen Konflikt. Im Gegensatz dazu werden Aktualneurosen durch einen Konflikt im unmittelbaren Erleben ausgelöst. Durch die Analyse wird dieser Konflikt bewusst gemacht und dadurch Heilung ermöglicht. Neurosen werden nach der psychoanalytischen Theorie u. a. ausgelöst durch Störungen in bestimmten kindlichen Entwicklungsphasen. Eine Persönlichkeitsstörung (Charakterneurose), welche zumeist ich-synton ist, wird durch eine frühe Störung in der Entwicklung ausgelöst. Speziell in der klassischen Psychoanalyse und der Psychiatrie der Freud'schen Schule und deren Nachfolgern wird angenommen, dass eine Neurose durch einen inneren, unbewussten Konflikt verursacht wird. Freud entwickelte zur Veranschaulichung der Krankheitsdynamik ein Strukturmodell der Psyche. Freud sprach von einem psychischen Apparat, der aus drei Instanzen, dem Ich, dem Es und dem Über-Ich bestehe. Bei dem unbewussten Konflikt komme es zu fehlender Anpassung des Ichs als Mittler zwischen Innenwelt und äußerer Realität. Diese mangelnde Adaptation des Ichs an alltägliche äußere Belastungen wird auf mangelhaft kontrollierbare, weil unbewusste Einflüsse des Es oder des Über-Ichs zurückgeführt. Das Es vertritt dabei den triebhaften Pol der Psyche, das Über-Ich die Rolle eines Zensors oder Richters. Die mangelnde Anpassung ist im späteren Leben häufig stellvertretende Folge eines unbewältigten frühkindlichen Traumas. Durch dieses akute Trauma oder durch leichtere sich wiederholende chronische Traumatisierungen kommt es nach der psychoanalytischen Theorie zu einer vermehrten Abwehrbereitschaft gegen diese schmerzlichen Erinnerungen. Freud gebrauchte den Begriff Neurose ab 1895 in noch heute gültigem Sinne. Carl Gustav Jung formuliert hierzu, dass ohne schon vorher vorhandene bewusste Begriffe eine Apperzeption unmöglich sei, woraus sich viele neurotische Störungen ergeben. Im Unbewussten existieren gewisse Inhalte, welche mangels apperzipierender Begriffe (von „greifen“, comprehendere) nicht ins Bewusstsein aufgenommen werden können. Deren oft beträchtliche Energie verlagert sich auf normalerweise wenig betonte, aber bewusste Inhalte und erhöhen deren Intensität ins pathologische. Es entstehen scheinbar grundlose Phobien und Obsessionen (überspannte Ideen, Idiosynkrasien, hypochondrische Vorstellungen, intellektuelle Perversitäten), welche sich sozial, religiös oder politisch äußern können.

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Neurose (pa)

Die neurotische Symptombildung ist in der Psychoanalyse der Ausdruck eines unbewussten

Konflikts. Bei den klassischen Psychoneurosen entspricht er einem ungelösten frühkindlichen Konflikt. Im Gegensatz dazu werden → Aktualneurosen durch einen Konflikt im unmittelbaren Erleben ausgelöst. Durch die Analyse wird dieser Konflikt bewusst gemacht und dadurch Heilung ermöglicht. Neurosen werden nach der psychoanalytischen Theorie u. a. ausgelöst durch Störungen in bestimmten kindlichen Entwicklungsphasen. Eine Persönlichkeitsstörung (Charakterneurose), welche zumeist ich-synton ist, wird durch eine frühe Störung in der Entwicklung ausgelöst. Speziell in der klassischen Psychoanalyse und der Psychiatrie der Freud'schen Schule und deren Nachfolgern wird angenommen, dass eine Neurose durch einen inneren, unbewussten Konflikt verursacht wird. Freud entwickelte zur Veranschaulichung der Krankheitsdynamik ein Strukturmodell der Psyche. Freud sprach von einem psychischen Apparat, der aus drei Instanzen, dem Ich, dem Es und dem Über-Ich bestehe. Bei dem unbewussten Konflikt komme es zu fehlender Anpassung des Ichs als Mittler zwischen Innenwelt und äußerer Realität. Diese mangelnde Adaptation des Ichs an alltägliche äußere Belastungen wird auf mangelhaft kontrollierbare, weil unbewusste Einflüsse des Es oder des Über-Ichs zurückgeführt. Das Es vertritt dabei den triebhaften Pol der Psyche, das Über-Ich die Rolle eines Zensors oder Richters. Die mangelnde Anpassung ist im späteren Leben häufig stellvertretende Folge eines unbewältigten frühkindlichen Traumas. Durch dieses akute Trauma oder durch leichtere sich wiederholende chronische Traumatisierungen kommt es nach der psychoanalytischen Theorie zu einer vermehrten Abwehrbereitschaft gegen diese schmerzlichen Erinnerungen. Freud gebrauchte den Begriff Neurose ab 1895 in noch heute gültigem Sinne. Carl Gustav Jung formuliert hierzu, dass ohne schon vorher vorhandene bewusste Begriffe eine Apperzeption unmöglich sei, woraus sich viele neurotische Störungen ergeben. Im

Unbewussten existieren gewisse Inhalte, welche mangels apperzipierender Begriffe (von

„greifen“, comprehendere) nicht ins Bewusstsein aufgenommen werden können. Deren oft

beträchtliche Energie verlagert sich auf normalerweise wenig betonte, aber bewusste Inhalte

und erhöhen deren Intensität ins pathologische. Es entstehen scheinbar grundlose Phobien und Obsessionen (überspannte Ideen, Idiosynkrasien, hypochondrische Vorstellungen, intellektuelle Perversitäten), welche sich sozial, religiös oder politisch äußern können.