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1 Jahressteuergesetz 2010 April 2010 April 2010 Steuern. Aktuell. Jahressteuergesetz 2010 - Referentenentwurf vom 29. März 2010 Einleitung Am 29. März 2010 hat das Bundesfinanzministerium den Referentenentwurf („Entwurf“) zum Jahressteuergesetz 2010 ("JStG 2010") vorgelegt. Das BMF greift hierin zum einen Änderungsbedarf auf, der sich im Laufe des Jahres 2009 ergeben hatte, jedoch wegen des Endes der Legislaturperiode nicht mehr rechtzeitig umgesetzt werden konnte. Dem entsprechend enthält der Entwurf eine Vielzahl von Einzeländerungen mit rein technischem bzw. Repa- raturgesetz-Charakter. Zum anderen sind aber auch materiell bedeutende Änderungen in verschiedenen Steuergesetzen vorgesehen. Die Adressaten des Referentenentwurfs wurden gebeten, schriftliche Stel- lungnahmen bis zum 26. April 2010 einzureichen. Anschließend soll ein Re- gierungsentwurf erstellt und im Kabinett beraten werden. Der weitere Zeitplan ist derzeit noch unbekannt. Im Folgenden geben wir einen ersten Überblick über die besonders relevan- ten geplanten steuerlichen Änderungen. Änderungen im Ertragsteuerrecht Wesentliche Änderungen in diesem Bereich betreffen die Verlustfeststellung, die Besteuerung von Kapitalvermögen, das Investmentsteuerrecht, das Au- ßensteuerrecht und die Besteuerung von Versicherungsunternehmen. Nachträgliche Feststellung von Verlustvorträgen Die geplante Neufassung des § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG ist eine Reak- tion auf eine Rechtsprechungsänderung des BFH im Urteil vom 17.09.2008 (IX R 70/06, BStBl. II 2009, 897). Derzeitige Rechtslage: Nach älterer Rechtsprechung konnte ein nach Be- standskraft des Einkommensteuerbescheides mitgeteilter Verlustvortrag nur dann noch nach § 10d Abs. 4 EStG gesondert festgestellt werden, wenn der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid noch geändert werden konnte (z.B. Inhalt Einleitung .......................... 1 Änderungen im Ertragsteuerrecht .............. 1 Änderungen im Umsatzsteuerrecht ......... 16 Änderungen in der Abgabenordnung ............ 18 Erbschaft- und Schenkungsteuer/ Bewertungsgesetz .......... 20 Sonstiges ........................ 22

NL JStG APR 10 DE Word 2 - Linklaters · 01.01.2009 angeschafft und vor dem 01.07.2009 durch die Lieferung von Wertpapieren getilgt wurden. Diese gesetzliche Anwendungsvorschrift

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1 Jahressteuergesetz 2010 ⏐ April 2010

April 2010

Steuern. Aktuell.

Jahressteuergesetz 2010 - Referentenentwurf vom 29. März 2010

Einleitung Am 29. März 2010 hat das Bundesfinanzministerium den Referentenentwurf („Entwurf“) zum Jahressteuergesetz 2010 ("JStG 2010") vorgelegt. Das BMF greift hierin zum einen Änderungsbedarf auf, der sich im Laufe des Jahres 2009 ergeben hatte, jedoch wegen des Endes der Legislaturperiode nicht mehr rechtzeitig umgesetzt werden konnte. Dem entsprechend enthält der Entwurf eine Vielzahl von Einzeländerungen mit rein technischem bzw. Repa-raturgesetz-Charakter. Zum anderen sind aber auch materiell bedeutende Änderungen in verschiedenen Steuergesetzen vorgesehen.

Die Adressaten des Referentenentwurfs wurden gebeten, schriftliche Stel-lungnahmen bis zum 26. April 2010 einzureichen. Anschließend soll ein Re-gierungsentwurf erstellt und im Kabinett beraten werden. Der weitere Zeitplan ist derzeit noch unbekannt.

Im Folgenden geben wir einen ersten Überblick über die besonders relevan-ten geplanten steuerlichen Änderungen.

Änderungen im Ertragsteuerrecht Wesentliche Änderungen in diesem Bereich betreffen die Verlustfeststellung, die Besteuerung von Kapitalvermögen, das Investmentsteuerrecht, das Au-ßensteuerrecht und die Besteuerung von Versicherungsunternehmen.

Nachträgliche Feststellung von Verlustvorträgen Die geplante Neufassung des § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG ist eine Reak-tion auf eine Rechtsprechungsänderung des BFH im Urteil vom 17.09.2008 (IX R 70/06, BStBl. II 2009, 897).

Derzeitige Rechtslage: Nach älterer Rechtsprechung konnte ein nach Be-standskraft des Einkommensteuerbescheides mitgeteilter Verlustvortrag nur dann noch nach § 10d Abs. 4 EStG gesondert festgestellt werden, wenn der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid noch geändert werden konnte (z.B.

Inhalt Einleitung .......................... 1 Änderungen im Ertragsteuerrecht.............. 1 Änderungen im Umsatzsteuerrecht ......... 16 Änderungen in der Abgabenordnung ............ 18 Erbschaft- und Schenkungsteuer/ Bewertungsgesetz .......... 20 Sonstiges ........................ 22

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BFH v. 09.05.2001 – XI R 25/99, BStBl. II 2002, 817). Unter Aufgabe dieser Ansicht hat der BFH im o.g. Urteil entschieden, dass ein bestandskräftiger Steuerbescheid die nachträgliche Feststellung eines Verlustvortrags nicht hindert, solange für den VZ bislang kein Verlustvortrag festgestellt wurde. Daher können Steuerpflichtige grundsätzlich auch lange nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides noch die erstmalige Feststellung eines Verlustvortrags beantragen. Zeitliche Grenze der Feststellung ist damit nur der Eintritt der Festsetzungsverjährung (§ 181 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 169 ff. AO).

Geplante Rechtslage: Die Finanzverwaltung sieht die Gefahr, dass für den Steuerpflichtigen günstige Rechtsprechungsänderungen auch rückwirkend Berücksichtigung finden können, wenn sie im jeweiligen VZ zu negativen Ein-künften führen. Die Neuregelung des § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG sieht daher eine inhaltliche Bindung der Feststellungsbescheide an die der Ein-kommensteuerfestsetzung zugrunde gelegten Beträge vor. Dadurch wirkt der Einkommensteuerbescheid für den Verlustfeststellungsbescheid wie ein Grundlagenbescheid. Die nachträgliche Anerkennung von Verlustvorträgen erfordert daher neben dem Erlass eines Feststellungsbescheides auch die Änderung des Einkommensteuerbescheides. Letzteres ist bei bestandskräfti-gen Bescheiden nur dann möglich, wenn eine Korrekturnorm eingreift und die Änderung noch innerhalb der Festsetzungsfrist erfolgen kann. Eine Ausnah-me ist nur für die Fälle vorgesehen, in denen der Einkommensteuerbescheid ausschließlich mangels Änderung der Einkommensteuerlast nicht geändert wird. § 35b Abs. 2 Satz 2 und 3 GewStG-E regelt die inhaltliche Übernahme der Neuregelung für Zwecke der Gewerbesteuer. Die Neuregelung wirkt sich über § 8 Abs. 1 KStG auch auf die Festsetzung der Körperschaftsteuer und der körperschaftssteuerlichen Verlustvorträge aus, was insbesondere in Or-ganschaftsfällen problematisch sein kann:

Beispiel:

Zwischen der Muttergesellschaft M-GmbH und Tochtergesellschaft T-GmbH besteht bis einschließlich des VZ 2010 ein Ergebnisabführungsvertrag. Ver-luste der T-GmbH im VZ 2010 in Höhe von EUR 100 werden von der Mutter-gesellschaft übernommen. Wegen Organschaft erklärt die T-GmbH ein zu versteuerndes Einkommen von EUR 0; eine gesonderte Verlustfeststellung findet nicht statt. Aufgrund einer Veräußerung der Beteiligung an der T-GmbH findet in 2011 eine Betriebsprüfung bei der T-GmbH statt. Die KSt- und GewSt-Bescheide der T-GmbH bis einschließlich des VZ 2010 werden noch in 2011 bestandskräftig. Im VZ 2012 erfolgt eine Betriebsprüfung bei der M-GmbH, in deren Rahmen festgestellt wird, dass die Organschaft steuerlich nicht anzuerkennen war. Das Einkommen der M-GmbH wird daher um EUR 100 erhöht.

Nach der bislang geltenden Regelung wäre eine nachträgliche Feststellung des materiell richtigen Verlusts von EUR 100 bei der T-GmbH noch möglich, da bislang für den VZ 2010 kein Verlust gesondert festgestellt wurde. Nach der Neuregelung wäre eine nachträgliche Verlustfeststellung wegen der Be-standskraft der Steuerbescheide nicht mehr möglich. Auch eine Änderung der

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Steuerbescheide nach §§ 173 Abs. 1 Nr. 2, 174 Abs. 3 AO kommt in solchen Fällen meist nicht in Betracht, da nicht der Sachverhalt, sondern die Rechts-lage unzutreffend beurteilt wurden.

Inkrafttreten: Die Neuregelung findet ab dem Veranlagungs- bzw. Erhe-bungszeitraum 2010 Anwendung (§ 52 Abs. 25 Satz 4 EStG-E, § 36 Abs. 10 Satz 1 GewStG-E). Soweit Verluste eines Steuerpflichtigen für VZ bis ein-schließlich 2009 bislang noch nicht festgestellt wurden, kann deren Feststel-lung innerhalb der Festsetzungsfrist noch beantragt werden. Der Verlustfest-stellungsbescheid 2009 ist sowohl für den Verlustfeststellungsbescheid 2010 als auch – im Hinblick auf die Verlustnutzung – für den Einkommensteuerbe-scheid 2010 Grundlagenbescheid, so dass die Bescheide für 2010 bei einem nachträglichen Erlass eines Verlustfeststellungsbescheides für 2009 nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert werden müssen.

Besteuerung von Kapitalvermögen Der Entwurf sieht hier eine Vielzahl von Reparatur- und Fortentwicklungs-maßnahmen im Hinblick auf die Abgeltungsteuer vor. Insbesondere ist Fol-gendes geplant:

Erweiterung des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG auf ausländische Stiftungen

Derzeitige Rechtslage: Zu den abgeltungsteuerpflichtigen Kapitaleinkünften gehören Einnahmen aus Leistungen einer nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse (im Fol-genden „Körperschaft“) i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 KStG, die Gewinnaus-schüttungen wirtschaftlich vergleichbar sind (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG). Regel-mäßig handelt es sich dabei um Leistungen einer Stiftung an den Stifter oder seine Angehörigen. Nach h.M. gilt § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG nur für Leis-tungen unbeschränkt steuerpflichtiger Körperschaften. Leistungen ausländi-scher Körperschaften sind nach aktueller Rechtslage hingegen allenfalls nach § 22 Nr. 1 EStG steuerpflichtig. Sie unterliegen nicht dem Abgeltungsteuer-satz, sondern dem persönlichen Steuertarif.

Geplante Rechtslage: Der Entwurf sieht die Erweiterung des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG auf vergleichbare ausländische sonstige Körperschaften vor (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG-E). Diese Ausdehnung führt auch zu einer Erweiterung des § 20 Abs. 2 Nr. 8 EStG. Nach der Änderung wird dieser auch Gewinne aus der Übertragung oder Aufgabe von Rechtspositionen an ausländischen sonstigen Körperschaften erfassen, die Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG vermitteln. Unseres Erachtens geht die Hinzurechnung des Stiftungseinkommens nach § 15 AStG der Neuregelung des § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG-E vor. Der Gesetzgeber sollte das Rangverhältnis jedoch klar-stellend gesetzlich regeln.

Inkrafttreten: Die Neufassung soll grundsätzlich erstmals für im VZ 2011 an-fallende Leistungen von ausländischen sonstigen Körperschaften Anwendung finden (§ 52 Abs. 37 EStG-E). Soweit die Leistungen bisher als wiederkeh-rende Bezüge im Sinne des § 22 Nr. 1 EStG qualifizieren, soll die Vorschrift bereits ab dem VZ 2009 anzuwenden sein. Dies führt zur rückwirkenden An-wendung der Abgeltungsteuer. Dies ist für die Steuerpflichtigen aufgrund des

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regelmäßig niedrigen Abgeltungsteuersatzes zwar grundsätzlich günstig. Je-doch entfällt rückwirkend der Abzug eventueller Werbungskosten (§ 20 Abs. 9 Satz 1 EStG).

Erweiterung des § 20 Abs. 4a EStG

Der Entwurf sieht vor, die Möglichkeiten zur steuerneutralen Behandlung von bestimmen Kapitalmaßnahmen (sog. Corporate Actions) durch zwei Ände-rungen nochmals auszudehnen. Dadurch kann das Steuerabzugsverfahren bei unbaren Kapitaleinkünften noch praktikabler ausgestaltet werden:

Steuerneutrale Behandlung auch bei inländischen Kapitalmaßnahmen

Derzeitige Rechtslage: Im Hinblick auf die Behandlung eines Anteilstauschs (Anteile im Privatvermögen außerhalb des § 17 EStG) auf Grund gesell-schaftsrechtlicher Maßnahmen ist aktuell zwischen Auslands- und Inlandsfäl-len zu differenzieren:

> Auslandsfall: Bei ausländischen Körperschaften vollzieht sich ein An-teilstausch gem. § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG zwingend abgeltungsteuer-neutral, wenn dadurch das Recht von Deutschland hinsichtlich der Be-steuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist oder die Mitgliedstaaten der EU die Fusionsrichtlinie (90/434/EWG) anzuwenden haben. Die erhal-tenen Anteile treten dabei steuerlich an die Stelle der hingegebenen Anteile. Die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen stillen Reserven werden erst bei einer späteren Veräußerung der erhaltenen Anteile be-steuert.

> Inlandsfall: Bei inländischen Körperschaften ist § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG derzeit nicht anwendbar. Eine Parallelvorschrift besteht aber für Zwecke des Steuerabzugs in § 43 Abs. 1a EStG, wonach im Fall der Verschmelzung und Spaltung die erhaltenen Anteile an die Stelle der hingegebenen Anteile treten bzw. im Fall der Einbringung die hingege-benen Anteile als mit den ursprünglichen Anschaffungskosten veräu-ßert und die erhaltenen Anteile als mit diesen Kosten angeschafft gel-ten. Ist die Umwandlung aber nicht durch das UmwStG ertragsteuer-neutral zu behandeln, muss nach § 32d Abs. 3 EStG zwingend ein Ver-langungsverfahren durchgeführt werden. Dadurch wird der Vereinfa-chungszweck der Abgeltungsteuer verfehlt.

Geplante Rechtslage: Der Entwurf sieht nunmehr die Erweiterung des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG auf inländische Körperschaften, Vermögensmassen oder Personenvereinigungen durch Streichung des Wörter „die weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung im Inland haben“ vor. Gleichzeitig soll die dann überflüssige Sonderregel des § 43 Abs. 1a EStG für den Steuerabzug gestrichen werden. Dadurch wird die oben dargestellt sinnwidrige Ungleich-behandlung beseitigt.

Inkrafttreten: Der Entwurf enthält für die oben genannten Änderungen keine spezielle Anwendungsregel. Folglich findet die Neuregelung gem. Art. 23 Abs. 1 JStG 2010-E erstmals auf solche Kapitalmaßnahmen Anwendung, die nach dem Tag der Verkündung des JStG 2010 vorgenommen werden.

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Steuerneutrale Lieferung bzw. Andienung von Wertpapieren auch unter Vollrisiko-Kapitalforderungen

Derzeitige Rechtslage: Die Lieferung oder Andienung von Wertpapieren bei Wandel- oder Umtauschanleihen (oder sonstigen Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) erfolgt für Zwecke der Abgeltungsteuer steuerneutral (§ 20 Abs. 4a Satz 3 EStG). Voraussetzung der Steuerneutralität ist u.a., dass die Lieferung oder Andienung einer „vorher festgelegten Anzahl von Wertpapieren […] anstelle der Rückzahlung des Nominalbetrags“ erfolgt. Nicht eindeutig ist, ob auch sonstige Kapitalforderungen von der Sonderrege-lung profitieren, bei denen weder eine Entgeltzahlung noch die Kapitalrück-zahlung zugesagt oder geleistet wird (sog. Vollrisiko-Kapitalforderungen). Das BMF hat die Vorschrift mittlerweile im Vorgriff auf die nunmehr im Ent-wurf enthaltene Änderung für anwendbar erklärt (BMF v. 22.12.2009 – IV C 1-S 2252/08/1004, BStBl. II 2010, 94, Tz. 105).

Geplante Rechtslage: Der Entwurf bringt die bereits im Verwaltungswege eingeführte Regelung nunmehr in Gesetzesform. Um das zu erreichen, sollen in § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG das Merkmal der „vorher festgelegten Anzahl von Wertpapieren“ gestrichen bzw. die Formulierung „anstelle der Rückzah-lung des Nominalbetrags“ durch „anstelle der Zahlung eines Geldbetrags“ ersetzt werden. Auf Lieferung oder Andienung von Wertpapieren unter Ter-mingeschäften i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG bzw. von anderen Wirt-schaftgütern als Wertpapieren (z.B. GmbH-Geschäftsanteile, Rohstoffe etc.) kann § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG hingegen weiterhin nicht angewandt werden. Zusätzliche Gegenleistungen, insb. ein Ausgleich von Bruchteilen oder eine teilweise Bartilgung, gelten nach § 20 Abs. 4a Satz 2 und Satz 3, letzter Halbs. EStG-E als Kapitalertrag, der u.E. unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fallen sollte. Im Ergebnis wird hierdurch die Verwaltungsansicht in Tz. 106 f. des Abgeltungsteuer-Schreibens gesetzlich abgesichert.

Inkrafttreten: Nach § 52a Abs. 10 Satz 11 EStG-E soll § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG-E erstmals auf nach dem 31.12.2009 gelieferte Wertpapiere anzuwen-den sein, sofern für die Lieferung § 20 Abs. 4 EStG Anwendung findet. Die Einschränkung bedeutet, dass die Neuregelung dann keine Anwendung fin-den soll, wenn Vollrisiko-Kapitalforderungen Bestandschutz gegenüber der Abgeltungsteuer genießen (sog. Grandfathering). Das ist wiederum dann ge-geben, wenn sie (i) vor dem 15.03.2007 angeschafft wurden oder (ii) vor dem 01.01.2009 angeschafft und vor dem 01.07.2009 durch die Lieferung von Wertpapieren getilgt wurden. Diese gesetzliche Anwendungsvorschrift ent-spricht der Übergangsbestimmung im Abgeltungsteuer-Schreiben (BMF v. 22.12.2009, a.a.O., Tz. 104 ff.).

Rückwirkende Einführung der Stückzinsbesteuerung bei Alt-Anleihen

Derzeitige Rechtslage: Werden bis zum 31.12.2008 erworbene Anleihen (sog. Alt-Anleihen) nach dem 31.12.2008 veräußert und die unterjährig aufge-laufenen Zinsen gesondert in Rechnung gestellt (sog. Stückzinsen), so unter-liegen diese Zinsen beim Veräußerer nach zutreffender Ansicht nicht der Ab-geltungsteuer. Es besteht insoweit eine Gesetzeslücke, denn § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG ist gem. § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG noch nicht und die alte Stückzinsregelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG a.F. nicht mehr an-

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wendbar. Dennoch hat die Verwaltung im Abgeltungsteuer-Schreiben erklärt, Stückzinsen in solchen Fällen der Abgeltungsteuer unterwerfen zu wollen (BMF v. 22.12.2009, a.a.O.).

Geplante Rechtslage: Die Verwaltungsansicht soll nunmehr abgesichert wer-den, indem auf Stückzinsen § 52a Abs. 10 Satz 6 EStG für anwendbar erklärt wird (§ 52a Abs. 10 Satz 7, 2. Halbs. EStG-E). Nach dieser allgemeinen Übergangsvorschrift kommt § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG erstmals auf nach dem 31.12.2008 zufließende Kapitalerträge aus der Veräußerung von Kapi-talforderungen zu Anwendung. U.E. handelt es sich bei der geplanten Ände-rung um eine Regelung mit echter Rückwirkung, die verfassungsrechtlich nur unter sehr strengen Voraussetzungen zulässig ist.

Erweiterung der Ausnahmen von der Abgeltungsteuer gem. § 32d Abs. 2 EStG (materielles Korrespondenzprinzip)

Die geplante Änderung betrifft die Anwendung der Abgeltungsteuer auf ver-deckte Gewinnausschüttungen. Nach derzeitiger Rechtslage unterliegen ver-deckte Gewinnausschüttungen beim Empfänger auch dann der Abgeltungs-teuer, wenn die zugrundeliegende Leistung bei der Gesellschaft als abzieh-bare Betriebsausgaben behandelt wurde und der zugehörige Steuerbescheid der Gesellschaft nicht mehr geändert werden kann. Dagegen soll in der Neu-fassung des § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG-E die verdeckte Gewinnausschüttung nur dann vom niedrigeren Steuersatz der Abgeltungsteuer profitieren, wenn diese den Gesellschaftsgewinn nicht gemindert hat (sogenanntes materielles Korrespondenzprinzip). Eine analoge Anwendung des Korrespondenzprinzips auf Eigenkapitalgenussrechte i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2, 2. Alt. KStG sollte un-seres Erachtens nicht gelten. Nach § 52a Abs. 15 Satz 2 EStG-E soll das materielle Korrespondenzprinzip für verdeckte Gewinnausschüttungen erst-mals für den VZ 2011 anzuwenden sein.

Fehlerberichtigung beim Steuerabzug

Im Rahmen der Abgeltungsteuer sollen materielle Fehler (z.B. falsch ange-meldete Dividendeneinkünfte) bereits beim Steuerabzug korrigiert werden, um dadurch das Veranlagungsverfahren zu vermeiden. Solche Korrekturen bereiten aber praktische Schwierigkeiten, die durch § 20 Abs. 3a EStG-E i.V.m. § 43 Abs. 3 Satz 8 EStG-E behoben werden sollen. In Abkehr von der derzeitigen Rechtslage sollen materielle Fehler nicht im Kalenderjahr korri-giert werden, in dem der Fehler stattfand. Statt dessen werden sie in dem Kalenderjahr korrigiert, in dem der Fehler entdeckt wurde. Dadurch ersparen sich die zum Kapitalertragsteuerabzug verpflichteten Stellen eine Reihe von Folgekorrekturen (z.B. Neuberechnung von Verlusttöpfen und anrechenbaren Quellensteuern, Neuerteilung von korrigierten Steuerbescheinigungen, etc.). Die Neuregelung soll bereits rückwirkend zum VZ 2009 in Kraft treten (§ 52a Abs. 10 Satz 10 EStG-E).

Abzug von Kapitalertragsteuer Das JStG 2010 sieht hier ebenfalls eine Reihe technischer Änderungen in Zusammenhang mit der Abgeltungsteuer vor:

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Erweiterung der Mitteilungspflichten bei unentgeltlichen Depotübertragungen

Geplante Änderung: Der Entwurf sieht erweiterte Mitteilungspflichten der auszahlenden Stelle (Bank) bei unentgeltlichen Depotübertragungen zwi-schen mehreren Steuerpflichtigen vor. Gem. § 43 Abs. 1 Satz 5 EStG-E darf die Bank die Depotübertragung nur noch dann als unentgeltlichen Vorgang behandeln, wenn sie den Vorgang ihrem Betriebstättenfinanzamt nach amt-lich vorgeschriebenem Datensatz auf elektronischem Wege nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung mitteilt; insb. ist die Mitteilung der Identifikationsnummer („ID-Nr.“) erforderlich. § 43 Abs. 1 Satz 6 EStG-E listet die mitzuteilenden Daten auf. Entspricht die Mitteilung nicht diesen Vorgaben, so hat die Bank den Vorgang gem. § 43 Abs. 1 Satz 4 EStG als kapitaler-tragsteuerpflichtige Veräußerung zu behandeln. Nach den Gesetzesmateria-lien soll etwas anderes nur dann gelten, wenn Daten berechtigterweise nicht mitgeteilt wurden. Der Begriff des berechtigten Interesses ist dabei wohl eng auszulegen. In den Materialien wird der Fall genannt, dass ein ausländischer Steuerpflichtiger über keine ID-Nr. verfügt. Zu beachten ist, dass die Regeln zum unentgeltlichen Depotübertrag nach Verwaltungsansicht entsprechend für Wertpapierdarlehens-, Pensions- und Repogeschäfte gelten (BMF v. 22.12.2009, a.a.O., Tz. 170 f.). Auch in diesen Fällen sind dann die erweiter-ten Mitteilungspflichten zu beachten.

Inkrafttreten: Der Entwurf enthält für die oben genannten Änderungen keine spezielle Anwendungsregel. Folglich sollte sie gem. Art. 23 Abs. 1 JStG 2010-E erstmals auf unentgeltliche Depotübertragungen Anwendung finden, die nach dem Tag der Verkündung des JStG 2010 vorgenommen werden.

Veranlagungszwang bei nur teilweisem Steuerabzug

Derzeitige Rechtslage: Nicht abschließend geklärt ist, ob die Abgeltungswir-kung des § 43 Abs. 5 EStG bereits dann eingreift, wenn die Kapitalerträge dem Grunde nach dem Steuerabzug unterlegen haben, oder ob die Abgel-tungswirkung nur soweit besteht, als sich die Bemessungsgrundlage für den Steuerabzug mit der ertragsteuerlichen Bemessungsgrundlage deckt. Wäh-rend die h.M. im Schrifttum der ersten Ansicht zuneigt, vertritt die Verwaltung im Abgeltungsteuer-Schreiben die zweite Auffassung (BMF v. 22.12.2009. a.a.O., Tz. 183). U.E. sprechen der Gesetzeswortlaut und die -systematik entscheidend für die Schrifttumsmeinung.

Geplante Rechtslage: Der Entwurf sieht eine Änderung des § 43 Abs. 5 EStG-E im Sinne der Verwaltungsansicht vor; entgegen den Gesetzesmateri-alien handelt es sich nicht um eine Klarstellung. Danach soll für Kapitalerträ-ge i.S.d. § 20 EStG, soweit sie der Kapitalertragsteuer unterlegen haben, die Einkommensteuer mit dem Steuerabzug abgegolten sein. Aus den Geset-zesmaterialien geht hervor, dass es sich hierbei um eine Änderung zur Miss-brauchsbekämpfung handelt.

Inkrafttreten: Der Entwurf enthält für die oben genannten Änderungen keine spezielle Anwendungsregel. Folglich sollte sie gem. Art. 23 Abs. 1 JStG 2010-E erstmals nach dem Tag der Verkündung des JStG 2010 Anwendung finden.

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Steuerabzug für durch Bank gezahlte Stillhalterprämien

Aktuell ist nicht eindeutig, ob durch eine Bank als Inhaber einer Option an den Stillhalter gezahlte Prämien dem Steuerabzug unterliegen. § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a, Doppelbuchst. aa EStG erklärt die Bank nämlich nur im Fall von Termingeschäftseinkünften i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 EStG, nicht jedoch bei Stillhalterprämien i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 EStG zur auszahlenden Stelle. Die Verwaltung behandelt die Bank allerdings auch im letztgenannten Fall als Zahlstelle (BMF v. 22.12.2009, a.a.O., Tz. 248), was in der Bankenpraxis bereits umgesetzt wird. Diese Auslegung soll durch aus-drückliche Ergänzung des Verweises auf § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 EStG in § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a, Doppelbuchst. aa EStG gesetzlich abge-sichert werden. Mangels spezieller Anwendungsregel sollte die Neufassung gem. Art. 23 Abs. 1 JStG 2010-E erstmals auf solche Zahlungen von Stillhal-terprämien Anwendung finden, die nach dem Tag der Verkündung des JStG 2010 vorgenommen werden.

Erweiterung der Teilentlastung für ausländische Körperschaften

Gem. § 44a Abs. 9 Satz 1 EStG werden nach § 2 Nr. 1 KStG beschränkt steuerpflichtigen Körperschaften 2/5 der einbehaltenen und abgeführten Ka-pitalertragsteuer erstattet. Damit wird der Kapitalertragsteuersatz im Ergebnis auf den Körperschaftsteuersatz i.H.v. 15% abgesenkt. Bislang gilt dies aber nur für Kapitalerträge i.S.v. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 KStG. § 44a Abs. 9 Satz 1 EStG-E dehnt die Teilentlastung auf sämtliche Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 1 EStG aus. Damit findet die Entlastung z.B. auch für Zinserträge aus grundpfandrechtlich gesicherten, aber unverbrieften Kapitalforderungen gegen eine inländische Bank oder bei Tafelgeschäften Anwendung. Zudem soll in § 44a Abs. 9 Satz 3 EStG-E der Vorrang der Steuerbefreiung nach § 50g EStG (Umsetzung der Zins- und Lizenzrichtlinie) vor der Teilentlastung nach § 44a Abs. 9 EStG ausdrücklich angeordnet werden. Die o.g. Änderun-gen sollen erstmals für nach dem 31.12.2010 zufließende Erträge anzuwen-den sein (§ 52a Abs. 16 Satz 5 EStG-E).

Erstattung im Sammelantragsverfahren aufgrund Freistellungsauftrags

Nach § 45b EStG können bestimmte Vertreter eines Gläubigers von Kapital-erträgen die Erstattung von Kapitalertragsteuer im Sammelantragsverfahren beantragen. Solche Vertreter sind z.B. Waren- oder Wohnungsgenossen-schaften (§ 45b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG). Voraussetzung hierfür ist unter anderem die Versicherung des Vertreters, dass eine Nichtveranlagungsbe-scheinigung nach § 44a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG oder eine Freistellungsbe-scheinigung nach § 44a Abs. 5 EStG (für sog. „Dauerüberzahler“) vorliegt. Nach bisheriger Rechtslage ist eine Erstattung der Kapitalertragsteuer im Sammelantragsverfahren aufgrund eines dem Vertreter vorliegenden Freistel-lungsauftrags hingegen nicht möglich. Der Gesetzgeber sieht auch in diesem Fall ein praktisches Bedürfnis für das Sammelantragsverfahren und erweitert das Sammelantragsverfahren entsprechend (§ 45b Abs. 1 Satz 3 EStG-E). Nach § 52a Abs. 16 EStG-E soll die o.g. Änderung für nach dem 31.12.2009 zufließende Kapitalerträge Anwendung finden.

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9 Jahressteuergesetz 2010 ⏐ April 2010

Datenübermittlung an das Bundeszentralamt für Steuern

Der Entwurf erweitert in § 45d EStG-E den Umfang der an das Bundeszent-ralamt für Steuern zu übermittelnden Daten. Die Datenübermittlung soll dabei durchwegs durch Datenfernübertragung erfolgen.

> Nach § 44 Abs. 1 EStG, § 7 InvStG zum Kapitalertragsteuerabzug ver-pflichtete Stellen müssen nach § 45d Abs. 1 EStG-E zusätzlich die ID-Nr. nach § 139b AO des Steuerpflichtigen sowie – bei einem gemein-samen Freistellungsauftrag – des anderen Ehegatten übertragen. Dar-über hinaus müssen die Kapitalerträge mitgeteilt werden, bei denen aufgrund einer Nichtveranlagungsbescheinigung einer natürlichen Per-son nach § 44a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG vom Steuerabzug Abstand genommen oder eine Erstattung vorgenommen wurde.

> Werden Versicherungsverträge mit ausländischen Versicherern ohne Niederlassung im Inland abgeschlossen, sind die Versicherungsver-mittler nunmehr auch zur Übermittlung der ID-Nr. des Versicherungs-nehmers, des Versicherungsunternehmens und des Versicherungs-vermittlers verpflichtet (§ 45d Abs. 3 Satz 2 und 3 EStG-E).

Mit der Pflicht zur Übermittlung der ID-Nr. korrespondiert die geplante Pflicht des Gläubigers der Kapitalerträge, diese Identifikationsnummern im Rahmen eines Freistellungsauftrags mitzuteilen (§ 44a Abs. 2a EStG-E). Freistel-lungsaufträge, bei denen bis 01.01.2015 keine ID-Nr. mitgeteilt wurde, wer-den unwirksam.

Investmentsteuerrecht

Kodifikation der Bildung von aktiven Ausgleichsposten für ausschüttungs-gleiche Erträge

Derzeitige Rechtslage: Bestimmte Arten von Erträgen, die auf Fondsebene thesauriert und nicht an die Anleger ausgeschüttet werden, gelten beim Anle-ger mit Ablauf des Fondsgeschäftsjahres als zugeflossen und sind entspre-chend zu versteuern (sog. ausschüttungsgleiche Erträge i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG). Mangels Ausschüttung bleibt der wirtschaftliche Wert der In-vestmentanteile jedoch unverändert. Zur Vermeidung von Doppelbesteue-rungen wird bei Anlegern mit Investmentanteilen im Privatvermögen („Privat-anleger“) der Rückgabe- oder Veräußerungserlös für steuerliche Zwecke gem. § 8 Abs. 5 Satz 3 InvStG um die bereits als zugeflossen geltenden aus-schüttungsgleichen Erträge gemindert. Bei Anlegern mit Investmentanteilen im Betriebsvermögen („betriebliche Anleger“) wird in der Praxis zwar ohne gesetzliche Grundlage, aber mit ausdrücklicher Billigung der Finanzverwal-tung (vgl. BMF-Schreiben vom 18.08.2009, BStBl. I 2009, 931, Rz. 29, „InvSt-Erlass“) in der Steuerbilanz in Höhe der ausschüttungsgleichen Erträge ein aktiver Ausgleichsposten gebildet. Dieser aktive Ausgleichsposten ist entwe-der bei Ausschüttung der entsprechenden Erträge oder im Falle der Rückga-be bzw. Veräußerung (ggf. anteilig) gewinnmindernd aufzulösen.

Geplante Rechtslage: Mit Einfügung eines § 2 Abs. 5 Satz 1 InvStG soll die bestehende Praxis zur Bildung und Auflösung von investmentsteuerrechtli-chen Ausgleichsposten erstmals gesetzlich kodifiziert werden. Die Bildung

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dieses Ausgleichspostens ist – der bisherigen Praxis entsprechend – unab-hängig von Ertragsbestandteilen der ausschüttungsgleichen Erträge (steuer-pflichtig, steuerbefreit, nicht abzugsfähige Werbungskosten) vorzunehmen. Die Vorschrift regelt explizit, dass neben der Rückgabe und Veräußerung des Fondsanteils auch die Entnahme zu einer Auflösung des investmentsteuer-rechtlichen Ausgleichspostens führt.

Inkrafttreten: Der Entwurf sieht keine besondere Regelung für die zeitliche Anwendung vor. Dies bedeutet, dass diese Regelung gem. Art. 23 Abs. 1 JStG 2010-E erstmals am Tag nach der Verkündung des JStG 2010 zur An-wendung käme; allerdings dürfte aufgrund der bisherigen Praxis diese Rege-lung faktisch als klarstellend anzusehen sein, so dass der Anwendungsrege-lung keine materielle Bedeutung zukommt.

Bildung von passiven Ausgleichsposten für Absetzung für Abnutzung

Derzeitige Rechtslage: Auf Ebene des Investmentvermögens wirkt sich eine Absetzung für Abnutzung („AfA“) oder für Substanzverringerung („AfS“) nur steuerlich ertragsmindernd aus. Investmentrechtlich kommt es dagegen re-gelmäßig zu keiner Minderung der Erträge bzw. des Ausschüttungspotenzi-als. Bei Ausschüttung an die Anleger hat dies zur Folge, dass nur der Nomi-nalbetrag der Ausschüttungen abzüglich der AfA/AfS zu versteuern ist, der Wert des Investmentanteils hingegen um den ganzen Nominalbetrag der Ausschüttungen (ohne Berücksichtigung der AfA/AfS) gemindert wird. Da bei nachfolgender Rückgabe oder Veräußerung der Investmentanteile nur die Differenz aus Anschaffungskosten und dem (um die Ausschüttung verminder-ten) Veräußerungserlös der Besteuerung unterliegt, ohne dass der Buchwert der Investmentanteile reduziert wurde, kann der Fondsanleger im Ergebnis Ausschüttungen in Höhe der AfA steuerfrei vereinnahmen. Vor diesem Hin-tergrund ist – ohne dass diesbezüglich eine entsprechende gesetzliche Grundlage besteht – nach Auffassung der Finanzverwaltung in Höhe des auf die AfA oder AfS entfallenden Teils der Ausschüttungen bei betrieblichen An-legern ein passiver Ausgleichsposten zu bilden, der bei Veräuße-rung/Rückgabe des Investmentanteils gewinnerhöhend aufzulösen ist (vgl. InvSt-Erlass, Rz. 16b).

Geplante Rechtslage: Die bislang lediglich im InvSt-Erlass geäußerte Auffas-sung der Finanzverwaltung zur Bildung passiver Ausgleichsposten in Höhe des auf die AfA oder AfS entfallenden Teils der Ausschüttungen wird mit der Regelung des § 2 Abs. 5 Satz 2 InvStG-E erstmals gesetzlich kodifiziert. Sachlich gerechtfertigt ist die Bildung eines solchen passiven Ausgleichspos-tens allerdings nur in den Fällen, in denen die entsprechenden Beträge auch an die Anleger ausgeschüttet werden. Im Falle einer Thesaurierung wird der Fondsanteil wirtschaftlich nicht im Wert gemindert, so dass diese Beträge im Rahmen einer Veräußerung über den Kaufpreis vereinnahmt würden und somit der Besteuerung unterliegen; der Bildung eines passiven Ausgleichs-postens bedürfte es in dieser Fällen daher nicht. Diese Thematik könnte technisch entweder dadurch gelöst werden, dass der passive Ausgleichspos-ten erst bei Ausschüttung der entsprechenden Ertragsbestandteile gebildet wird, oder – wie vom Gesetzgeber jetzt vorgesehen – der passive Aus-gleichsposten bis zur Ausschüttung der entsprechenden Beträge durch Erhö-

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hung des aktiven Ausgleichspostens neutralisiert wird. Entsprechend wird in § 2 Abs. 5 Satz 2, 2. HS und Satz 3 InvStG-E nunmehr geregelt, dass bei Thesaurierung der entsprechenden Beträge der aktive Ausgleichsposten um den Betrag der AfA/AfS zu erhöhen und bei tatsächlicher Ausschüttung auf-zulösen ist.

Inkrafttreten: Auch im Hinblick auf die Bildung des passiven Ausgleichspos-tens sieht der Entwurf keine speziell gesetzliche Anwendungsregelung vor, so dass diese Regelung gem. Art. 23 Abs. 1 JStG 2010-E erstmals am Tag nach der Verkündung des JStG 2010 zur Anwendung kommt. Nach dieser Anwendungsregelung ist ein passiver Ausgleichsposten nur für die AfA/AfS-Beträge zu bilden, die ab dem Tag nach der Verkündung des JStG 2010 zu berücksichtigen sind. Unseres Erachtens dürfte diesbezüglich jedoch davon auszugehen sein, dass die Finanzverwaltung von einer gesetzlichen Klarstel-lung ausgeht und die Bildung des passiven Ausgleichsposten auch mit Wir-kung für die Vergangenheit für anwendbar hält. Ob eine solche (für den be-trieblichen Anleger steuerlich nachteilige) Regelung auch für Zeiträume vor Einführung dieser gesetzlichen Bestimmung zu akzeptieren ist, darf unseres Erachtens jedoch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung zu passiven Ausgleichsposten im Rahmen von Organschaftsverhältnissen angezweifelt werden.

Entsprechende Regelung für den Teil des Ausgabepreises, der im Rahmen des Ertragsausgleichsverfahrens gezahlt wird

Klarstellung: Sofern ein Investmentvermögen für investmentrechtliche Zwe-cke das Ertragsausgleichsverfahren durchführt, ist dieses gem. § 9 InvStG auch für steuerliche Zwecke maßgeblich. Danach gilt, dass die Teile des Ausgabepreises, die für im Fondgeschäftsjahr bereits erzielte Fondserträge gezahlt und im Rahmen des Ertragsausgleichsverfahrens auf Erträgniskonten erfasst werden, den tatsächlich realisierten Erträgen des Investmentvermö-gens gleichstehen. Im Hinblick auf die Erzielung von ausschüttungsgleichen Erträgen bedeutet dies, dass für den Teil des Ausgabepreises, der auf aus-schüttungsgleiche Erträge entfällt, mit Ablauf des Fondsgeschäftsjahres ein investmentsteuerrechtlicher aktiver Ausgleichsposten zu bilden ist. § 2 Abs. 5 Satz 5 InvStG-E stellt dies klar.

Kein Progressionsvorbehalt bei ausländischen Einkünften eines Invest-mentvermögens

Derzeitige Rechtslage: Nach geltendem Recht sind bestimmte ausländische Einkünfte (insb. Immobilieneinkünfte und Betriebstätteneinkünfte) bei der Veranlagung des Anlegers außer Betracht zu lassen, soweit Deutschland auf Grundlage eines Doppelbesteuerungsabkommens auf die Ausübung des Be-steuerungsrechts verzichtet. Solche Einkünfte wurden bisher bei natürlichen Personen mit Anteilen im Betriebsvermögen für Zwecke des Progressions-vorbehalts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 InvStG herangezogen, unabhängig davon, ob das jeweilige DBA selbst ein Progressionsvorbehalt vorsieht.

Geplante Rechtslage: Mit Neufassung des § 4 Abs. 1 Satz 2 InvStG soll der Progressionsvorbehalt unter Verweis auf § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG (i.V.m.

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§ 32b Abs. 1 Satz 3 und § 2a Abs. 2a EStG künftig nur noch für Einkünfte aus Drittstaaten außerhalb der EU/EWR gelten.

Inkrafttreten: Die Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 2 InvStG-E gilt gem. § 18 Abs. 19 Satz 1 InvStG-E erstmals für Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem Inkrafttreten des JStG 2010 enden.

Anrechnung von Steuern auf inländische Einkünfte aus ausländischen In-vestmentanteilen

Derzeitige Rechtslage: Beteiligen sich unbeschränkt Steuerpflichtige an ei-nem ausländischen Investmentvermögen und erzielt das ausländische In-vestmentvermögen inländische Einkünfte (z.B. Dividendeneinkünfte aus in-ländischen Aktien), wird in Deutschland (Kapitalertrag-) Steuer einbehalten. Eine Abstandnahme- oder Erstattungsmöglichkeit wie bei inländischen Son-dervermögen gemäß § 11 Abs. 2 InvStG ist bei ausländischen Investment-vermögen nicht vorgesehen. Um dennoch eine Entlastung zu erreichen, wer-den die inländischen Einkünfte und die darauf entfallene deutsche Er-tragsteuer eines ausländischen Investmentvermögens nach § 4 Abs. 2 Satz 7 InvStG als ausländische Einkünfte und ausländische Steuer fingiert. Dies hat zur Folge, dass diese inländische Steuer als (fingierte) ausländische Steuer auf die inländische Steuerschuld angerechnet werden kann. Im Ergebnis führt dies jedoch maximal zu einer Reduktion der Steuer auf Null; eine Erstattung beim Anleger ist bislang hingegen nicht vorgesehen. Bei Direktanlage oder der Anlage über ein inländisches Sondervermögen unterliegt der betriebliche Anleger mit den ursprünglich inländischen Einkünften dem Teileinkünftever-fahren nach § 3 Nr. 40 EStG oder dem Beteiligungsprivileg nach § 8b KStG. In diesem Fall könnte die einbehaltene Kapitalertragsteuer gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG, § 31 Abs. 1 KStG auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuer angerechnet werden und ggf. eine Auszahlung von zuviel gezahlter Steuer erfolgen. Diese Möglichkeit besteht bei der Anlage in ein ausländisches In-vestmentvermögen nach geltender Rechtslage aufgrund der Fiktion nach § 4 Abs. 2 Satz 7 InvStG nicht.

Geplante Rechtslage: Mit Einfügung eines neuen Absatzes 5 und Änderung der Absätze 3 und 4 in § 4 InvStG soll künftig eine vollumfängliche Anrech-nung bzw. Erstattung der von einem ausländischen Investmentvermögen ent-richteten deutschen Ertragsteuer auf die inländische Steuerschuld des Anle-gers sichergestellt werden. Dies wird dadurch erreicht, dass in einem ersten Schritt die Steuern, die von einem ausländischen Staat auf die von einem ausländischen Investmentvermögen vorgenommene Ausschüttung der inlän-dische Erträge erhoben wird, auf die inländische Steuer anzurechnen ist. Im nächsten Schritt soll die deutsche Steuer, die nach § 4 Abs. 2 Satz 7 InvStG als ausländische Steuer fingiert wird nach Maßgabe des § 36 Abs. 2 EStG auf die verbleibende deutsche Einkommen- und Körperschaftsteuer ange-rechnet werden und ein Überhang zu erstatten sein. Durch § 4 Abs. 5 Satz 4 InvStG-E wird sichergestellt, dass die Anrechnung der deutschen Steuern nur bei dem Anleger erfolgt, in dessen Besitzzeit die steuerliche Belastung des ausländischen Investmentvermögens fällt.

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Inkrafttreten: Der Entwurf enthält für die oben genannten Änderungen keine spezielle Anwendungsregel. Folglich sollten sie gem. Art. 23 Abs. 1 JStG 2010-E erstmals am Tag nach der Verkündung des JStG 2010 Anwendung finden.

Bekanntmachung von Besteuerungsgrundlagen

Der Regierungsentwurf enthält einige Neugliederungen und praxisgerechte Anpassungen der Vorschriften zur ordnungsgemäßen Bekanntmachung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 5 InvStG.

Die Änderungen beinhalten neben Umgliederungen insbesondere Anpassun-gen an Erfordernisse im Zusammenhang mit der Abgeltungsteuer. Hervorzu-heben ist daneben insbesondere die Neufassung des § 5 Abs. 2 Satz 4 InvStG. Hiernach soll künftig die Gewährung der Steuerfreistellungen gem. § 3 Nr. 40 EStG, § 8b KStG sowie die DBA-Freistellungen gem. § 4 Abs. 1 InvStG von der bewertungstäglichen Veröffentlichung des Aktiengewinns ab-hängig gemacht werden. Hierdurch sollen Steuergestaltungsmodelle bei be-trieblichen Anlegern unterbunden werden, die auf eine steuerfreie Verein-nahmung von Erträgen verbunden mit einer steuerwirksamen Wertminderung des Investmentanteils abzielen.

Inkrafttreten: Die neugefasste Vorschrift des § 5 Abs. 2 Satz 4 InvStG soll gem. § 18 Abs. 19 S. 4 InvStG-E erstmalig bereits zwei Monate nach dem Kabinettsbeschluss über den vorliegenden Regierungsentwurf des JStG 2010 anzuwenden sein.

Kapitalertragsteuereinbehalt bei Investmentvermögen

Derzeitige Rechtslage: Beim Direktanleger wird bei Kapitalerträgen i.S.v. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 8 bis 12 EStG kein Steuerabzug vorgenommen, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge entweder eine unbeschränkt steuer-pflichtige Körperschaft ist oder die Kapitalerträge Betriebseinnahmen eines inländischen Betriebs sind. Bei Ausschüttungen von Investmentvermögen ist dies nach geltendem Recht aufgrund der Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 2 InvStG nicht möglich, da diese lediglich die Vorschriften zu § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG für anwendbar erklärt. Allerdings ist diesen Fällen eine Abstand-nahme nach Auffassung der Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen entsprechend möglich (InvSt-Erlass, Rz. 143a).

Geplante Rechtslage: Um eine Gleichstellung mit der Direktanlage herbeizu-führen, soll die Abstandnahme vom Kapitalertragsteuereinbehalt mit Einfü-gung eines Satzes 4 in § 7 Abs. 1 InvStG auf den Teil der ausgeschütteten Erträge ausgeweitet werden, der Kapitalerträge i.S.v. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 8 bis 12 EStG enthält.

Ferner wird für den Kapitalertragsteuerabzug auf ausschüttungsgleiche Er-träge eines inländischen Investmentvermögens in § 7 Abs. 4 Satz 2 InvStG-E klargestellt, dass neben der bisherigen Versagung der Abstandnahme-möglichkeit nach § 44a EStG auch eine Abstandnahme nach § 43 Abs. 2 Satz 2 und 3 bis 8 EStG nicht in Frage kommt. Dies gilt jedoch – wie bisher – nicht für inländische Spezial-Investmentvermögen. Eine nachträgliche Entlas-tung kann jedoch nach § 7 Abs. 5 InvStG im Erstattungswege erfolgen.

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Inkrafttreten: Die Regelung des § 7 Abs. 1, 4 und 5 InvStG-E ist gem. § 18 Abs. 19 Satz 6 InvStG-E erstmals auf Kapitalerträge anzuwenden, die dem Anleger nach dem Inkrafttreten des JStG 2010 zufließen oder als zugeflossen gelten.

Außensteuerrecht Im Außensteuerrecht sollen § 8 Abs. 3 AStG und § 20 Abs. 2 AStG geändert werden.

Modifizierung des Belastungsvergleichs gem. § 8 Abs. 3 AStG

Derzeitige Rechtslage: Im Rahmen des gem. § 8 Abs. 3 AStG durchzufüh-renden Belastungsvergleichs zur Ermittlung einer niedrigen Besteuerung sind nach aktueller Rechtslage bei ausländischen Doppelstock-Strukturen die Er-stattung bzw. Anrechnung der von der Untergesellschaft gezahlten Ertrag-steuern an die Obergesellschaft nicht zu berücksichtigen. Das hat bei den praxisrelevanten Strukturen zur Folge, dass auf Ebene der ausländischen Untergesellschaft keine Niedrigbesteuerung vorliegt, da die Steuererstat-tung/-anrechnung der ausländischen Obergesellschaft zusteht. Nach h.M. qualifizierte die ausländische Muttergesellschaft wiederum nicht als Zwi-schengesellschaft, weil sie Dividenden und die Steuererstattung/-anrechung als Annexeinkünfte bezieht, die aktiv i.S.d. § 8 Nr. 8 AStG sind.

Geplante Rechtslage: Vor diesem Hintergrund sieht der Entwurf vor, dass in die Belastungsrechnung Ansprüche der Gesellschafter auf Erstattung oder Anrechnung der von der ausschüttenden ausländischen Gesellschaft gezahl-ten Ertragsteuern einzubeziehen sind (§ 8 Abs. 3 Satz 1 AStG-E). Aufgrund des Wortlauts der geplanten Änderung ist allerdings nicht eindeutig, ob die Steuererstattung/-anrechnung an die Muttergesellschaft bei der Tochterge-sellschaft einkommenserhöhend berücksichtigt werden soll oder die Steuer-zahllast der Tochtergesellschaft um den Erstattungs- bzw. Anrechungsan-spruch gekürzt werden soll. Dies kann aber im Einzelfall entscheidend sein:

Beispiel:

Einkünfte der Tochtergesellschaft: 100 Euro

Körperschaftsteuersatz 35%

Körperschaftsteuerschuld: 35 Euro

Erstattungsanspruch der Muttergesellschaft: 25 Euro

Wird die Steuererstattung einkommenserhöhend angesetzt werden, so hätte die Tochtergesellschaft ein Einkommen von 125 Euro. Bei einer Steuerzahl-last von 35 Euro entspräche das einer Ertragsteuerbelastung von 28%. Damit läge keine Niedrigbesteuerung vor. Wird hingegen die ausländische Steuer-zahllast einfach um die Steuererstattung gekürzt, so läge mit 10% eine Nied-rigbesteuerung vor. Es ist davon auszugehen, dass die Entwurfsverfasser wohl Letzteres regeln wollten.

Inkrafttreten: Die Neuregelung soll auf Hinzurechnungsbeträge Anwendung finden, die aus Wirtschaftsjahren der ausländischen Gesellschaft resultieren, die nach dem 31.12.2010 beginnen (§ 21 Abs. 19 AStG-E).

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Ausnahme von der „Switch-Over-Clause“ des § 20 Abs. 2 AStG

In der aktuellen Fassung bestimmt § 20 Abs. 2 AStG, dass auf Einkünfte in einer Betriebstätte eines unbeschränkt Steuerpflichtiger, die ungeachtet des § 8 Abs. 2 AStG als Zwischeneinkünfte steuerpflichtig wären, wenn die Be-triebsstätte eine Zwischengesellschaft wäre, nicht das Freistellungs-, sondern das Anrechungsverfahren nach DBA Anwendung findet. § 20 Abs. 2 Satz 2 AStG-E sieht vom Switch-over nunmehr eine Ausnahme für Einkünfte für Dienstleistungen vor, die, wäre die ausländischen Betriebsstätte eine Zwi-schengesellschaft, gem. § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG der Hinzurech-nungsbesteuerung unterliegen würden. Als begünstigende Regelung soll die Änderung gem. § 21 Abs. 19 AStG-E für alle noch nicht bestandskräftigen Fälle gelten.

Bilanzierung und Besteuerung von Versicherern Der Entwurf sieht in § 341 Abs. 2 HGB-E und § 20 Abs. 2 Satz 2 KStG-E Än-derungen bei der Bilanzierung und Besteuerung von inländischen Niederlas-sungen ausländischer Versicherer vor. § 34 Abs. 10b KStG-E enthält eine zeitlich befristete Ausnahmeregelung zur steuerlichen Anerkennung der Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen.

Inlandsbetriebsstätten von ausländischen Versicherungsgesellschaften

Für Inlandsbetriebsstätten von Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR sollen die Vorschriften der §§ 341 ff. HGB Anwendung finden (§ 341 Abs. 2 HGB-E). Diese Vorschriften waren bislang von der Erlaubnispflicht des Versicherungsunternehmens abhängig und damit für EU-/EWR-Versicherungsgesellschaften unanwendbar. Mangels einer speziellen Regelung würde die vorstehende Änderung am Tag nach der Verkündung des JStG 2010 wirksam werden (Art. 23 Abs. 1 JStG 2010-E).

Nach § 20 Abs. 2 KStG sind bei der Bewertung von sog. Schadensrückstel-lungen i.S.v. § 341g HGB die Erfahrungswerte für den jeweiligen Versiche-rungszweig zugrunde zu legen, für den nach aufsichtsrechtlichen Vorschriften eine gesonderte Gewinn- und Verlustrechnung aufzustellen ist; Detailrege-lungen enthält § 55a VAG i.V.m. §§ 4 ff. BerVersV. Entsprechend der obigen Ausführungen gelten diese Vorschriften für inländische Niederlassungen aus-ländischer Versicherungsunternehmen mit Sitz in EU- bzw. EWR-Mitgliedstaaten nicht, da deren Tätigkeit nach dem deutschen VAG nicht er-laubnispflichtig ist. Daher sieht § 20 Abs. 2 Satz 2 KStG-E nunmehr die ana-loge Anwendung des § 55a VAG i.V.m. §§ 4 ff. BerVersV vor. Die Änderung soll am Tag der Verkündung des JStG 2010 wirksam werden.

Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen

Derzeitige Rechtslage: Die Vorschriften zur steuerlichen Anerkennung von Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen werden durch § 34 Abs. 10b Satz 3 KStG-E zeitlich befristet abgeändert. Nach § 21 Abs. 2 Satz 2 KStG ist die Rückstellung insoweit aufzulösen, als sie die Summe der in § 21 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 4, Satz 3 KStG genannten Einzelposten übersteigt. Einer der Einzelposten sind die Zuführungen zur Rückstellung innerhalb des am Bi-lanzstichtag endenden Wirtschaftsjahres und der zwei vorangegangenen Wirtschaftsjahre (§ 21 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 KStG). Da in Zeiten niedriger Zin-

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sen mangels ausreichender Überschüsse keine gleichbleibend hohen Zufüh-rungen zu den Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen vorgenommen werden können, droht den Versicherern die gewinnerhöhende Teilauflösung dieser Rückstellungen.

Geplante Rechtslage: In der Neufassung werden neben den Zuführungen des laufenden Wirtschaftsjahres auch die Zuführungen der vier vorangegan-genen Wirtschaftsjahre in die Berechnung einbezogen. Damit sind die ertrag-starken Wirtschaftsjahre weiterhin für die Rückstellungsbildung bestimmend. Allerdings darf der nach § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KStG-E ermittelte Betrag weder höher sein als der sich für den VZ 2009 ergebende Betrag, noch darf er niedriger sein als der Betrag, der sich bei Fortgeltung der alten Rechtslage ergeben hätte.

Geltungsdauer: Die abweichende Regelung gilt ausschließlich für die VZ 2010 bis 2013.

Änderungen im Umsatzsteuerrecht Bei den Änderungen im Umsatzsteuerrecht sind insbesondere folgende her-vorzuheben:

Ende des Seeling-Modells

Der durch die Richtlinie 2009/162/EU neu in die MwStSyst-Richtlinie einge-fügte Art. 168a bildet die Grundlage zur Beendigung des wie ein Staatsdarle-hen wirkenden sog. Seeling-Modells.

Nach dem EuGH-Urteil Seeling (vom 08.03.2003 C-269/00) ist beim Erwerb von Grundstücken, die gemischt unternehmerisch und nichtunternehmerisch genutzt werden, die geschuldete Umsatzsteuer grundsätzlich vollständig und sofort als Vorsteuer abziehbar, wenn sich der Steuerpflichtige dafür entschei-det, diese Grundstücke/Gebäude seinem Unternehmen zuzuordnen. Die pri-vate Nutzung führt zwar über die Besteuerung als unentgeltliche Wertabgabe über zehn Jahre sukzessive zu einer Rückführung der vom Finanzamt aus-bezahlten Vorsteuer auf den nichtunternehmerisch genutzten Teil. Doch ver-bleibt – selbst nach der Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die Privat-nutzung (durch Verteilung der Anschaffungs-/Herstellungskosten auf den Be-richtigungszeitraum von zehn Jahren) – jedenfalls ein Zinsvorteil durch den sofortigen Abzug der Vorsteuer auf den privat genutzten Teil des Grund-stücks/Gebäudes.

Mit der erforderlichen gemeinschaftsrechtlichen Grundlage kann nun das Seeling-Modell gestoppt werden. Nach § 15 Abs. 1b UStG-E ist die Vorsteuer auf die Anschaffung eines Grundstücks und auf sonstige Leistungen im Zu-sammenhang mit einem Grundstück vom Abzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für unternehmerische Zwecke entfällt. Der neue Vorsteuerausschlusstatbestand des § 15 Abs. 1b UStG-E führt zu Folgeänderungen in § 15 Abs. 4 UStG (neuer Satz 4), in § 15a UStG (neuer Abs. 6a und neuer Abs. 8 Satz 2) sowie in § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG.

Diese Änderungen sollen nach § 27 Abs. 16 UStG-E erst auf Wirtschaftsgüter Anwendung finden, die ab 2011 fertig gestellt oder angeschafft werden.

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Lieferung von Gas, Elektrizität, Wärme und Kälte

Die Sonderregelung des Ortes der Lieferung von Gas über das Erdgasnetz und von Elektrizität in § 3g UStG wird ausgedehnt auf die Lieferung von Wärme oder Kälte über Wärme- oder Kältenetze.

Die Änderung beruht auf der Richtlinie 2009/162/EU, nach deren Begründung die ersten grenzüberschreitenden Wärme- und Kältenetze bereits in Betrieb sind. Für die Lieferung oder Einfuhr von Wärme oder Kälte ist die umsatz-steuerliche Problematik (Ortsbestimmung, Erfassung, etc.) die gleiche wie bei der Lieferung oder Einfuhr von Gas oder Elektrizität. Da für leitungsgebunde-nes Gas und für Elektrizität die bereits bestehende Ortsregelung die Mehr-wertsteuererhebung am Ort des tatsächlichen Verbrauchs durch den Erwer-ber gewährleistet, wird diese Regelung ausgedehnt auf netzgebundene Liefe-rung von Wärme oder Kälte. Entsprechend wird die Regelung in § 3g UStG angepasst: Nach Absatz 1 ist bei der Lieferung an Wiederverkäufer mit eige-nem Verbrauch von nur untergeordneter Bedeutung Lieferort der Ort, an dem der Abnehmer sein Unternehmen betreibt (gegebenenfalls die Betriebsstätte); nach Absatz 2 ist bei der Lieferung an andere Abnehmer Lieferort grundsätz-lich der Verbrauchsort und ohne tatsächliche Nutzung und Verbrauch der Empfängerort.

In der Folge der Ausdehnung des § 3g UStG ist auch die Regelung in § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 14 UStG zum Leistungsort auf Dienstleistungen in Zusam-menhang mit Wärme- und Kältenetzen zu erweitern. Erfasst werden insbe-sondere die Gewährung des Netzzugangs, die Fernleitung, Übertragung und Verteilung. Für im Drittland ansässige Leistungsempfänger gilt auf jeden Fall das Empfängerortprinzip.

Die Steuerbefreiung bei der Einfuhr in § 5 Abs. 1 Nr. 6 UStG-E gilt künftig auch für Wärme oder Kälte über Wärme- oder Kältenetze sowie aus Gründen der Neutralität für Erdgas, das von einem Gastanker aus in das Erdgasnetz oder ein vorgelagertes Gasleitungsnetz eingespeist wird.

Die Regelung zur Steuerentstehung in § 13b Abs. 2 Nr. 5 UStG-E und zur Umkehrung der Steuerschuldnerschaft bei unternehmerischen Leistungsemp-fängern in § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG-E bei im Ausland ansässigen Lieferan-ten gilt künftig auch für die Lieferung von Wärme oder Kälte über Wärme- oder Kältenetze.

Leistungsort (§ 3a UStG)

Die Regelung des Leistungsorts für kulturelle/unterrichtende/sportliche etc. Leistungen und Veranstaltungen in § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UStG (Ort der tatsächlichen Leistungserbringung) gilt künftig nur noch für nichtunternehme-rische Leistungsempfänger. Bislang gilt diese Leistungsortbestimmung als vorrangige Sonderregelung gegenüber dem B2B-Grundsatz auch für unter-nehmerische und gleichgestellte Leistungsempfänger. Die Änderung ist be-reits im Mehrwertsteuerpaket (Richtlinie 2008/8/EG) vorgesehen. Ausge-nommen vom Empfängerortprinzip im B2B-Bereich sind Eintrittsberechtigun-gen zu kulturellen, künstlerischen, wissenschaftlichen, unterrichtenden, sport-lichen, unterhaltenden oder ähnlichen Veranstaltungen. Diese Eintrittberech-

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tigungen werden nach § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG-E im B2B-Bereich an dem Ort erbracht, an dem die Veranstaltung tatsächlich durchgeführt wird.

Durch § 3a Abs. 8 UStG-E soll eine Ortsverlagerung für bestimmte Leistun-gen (Güterbeförderungsleistungen, damit in Zusammenhang stehende Leis-tungen, Arbeiten an und Begutachtungen von beweglichen körperlichen Ge-genständen, Reisevorleistungen) an unternehmerische und gleichgestellte Leistungsempfänger aus dem Inland in das Drittland eingeführt werden, wenn diese Leistungen tatsächlich im Drittland genutzt oder ausgewertet werden. Dadurch soll die Gefahr einer Doppelbesteuerung durch das reverse charge-Verfahren im Inland und eine Besteuerung im Drittstaat vermieden werden.

Neue Missbrauchsbekämpfungsvorschriften

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG ist die Einfuhr von Gegenständen von der Um-satzsteuer befreit, wenn sie im Anschluss unmittelbar in einen anderen Mit-gliedstaat steuerfrei an einen Steuerpflichtigen geliefert oder zur eigenen Ver-fügung verbracht werden. Nach der Begründung werden Unterschiede bei der Anwendung durch die Mitgliedstaaten missbraucht, um die Zahlung der Umsatzsteuer auf unter diesen Umständen eingeführte Gegenstände zu um-gehen. Zur Vermeidung von Missbräuchen werden die in der Richtlinie 2009/69/EG festgelegten Voraussetzungen für die Einfuhrbefreiung, die den bisherigen Verwaltungsanweisungen entsprechen, ausdrücklich in die gesetz-liche Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG-E übernommen. Der Einführer muss insbesondere seine deutsche USt-IdNr. (oder die des Fiskalvertreters) und die ausländische USt-IdNr. des Abnehmers mitteilen sowie nachweisen, dass die Gegenstände zur Verbringung in einen anderen Mitgliedstaat be-stimmt sind.

Die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (reverse charge-Verfahren) wird zur Verhinderung von Umsatzsteuerausfällen erweitert. Nach § 13b Abs. 2 Nr. 7 UStG-E unterliegen Lieferungen der in der neuen Anlage 3 bezeichneten Gegenstände der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft, wenn der Leistungsempfänger Unternehmer ist. Dabei handelt es sich um Indust-rieschrott, Altmetalle und sonstige Abfallstoffe, die in der Anlage 3 gemäß (Unter-)Positionen des Zolltarifs definiert sind. § 13b Abs. 2 Nr. 8, Abs. 5 Satz 2 UStG-E erweitert die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft auf die steuerpflichtige Reinigung von Gebäuden und Gebäudeteilen, wenn der Leis-tungsempfänger Unternehmer ist, der selbst derartige Leistungen erbringt. Hierunter soll nach der Begründung insbesondere die Reinigung von Gebäu-den einschließlich Hausfassadenreinigung, von Räumen und von Inventar (einschließlich Fensterreinigung) fallen.

Änderungen in der Abgabenordnung Die Änderungen in der Abgabenordung betreffen im Wesentlichen die Bin-dungswirkung von Konsultationsvereinbarungen nach Art. 25 Abs. 3 OECD-MA oder vergleichbarer Vorschriften in den jeweils geltenden Doppelbesteue-rungsabkommen sowie Vereinfachungen für das Führen und Aufbewahren von elektronischen Büchern und Aufzeichnungen im Ausland.

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Rechtsverordnung zur Bindungswirkung von Konsultationsvereinbarungen (Art. 25 Abs. 3 OECD-MA)

Mit dem geplanten § 2 Abs. 2 AO soll das BMF die Möglichkeit erhalten, zwi-schenstaatliche Konsultationsvereinbarungen, die aufgrund von Art. 25 Abs. 3 des OECD-MA mit anderen Staaten geschlossen wurden, im Wege einer Rechtsverordnung in innerstaatliches Recht umzusetzen. Konsultati-onsvereinbarungen sollen Zweifel beseitigen, die bei der Auslegung oder Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens entstehen. Mit dem Er-lass einer entsprechenden Rechtsverordnung soll eine Bindungswirkung der Konsultationsvereinbarung auch mit Wirkung gegenüber den Finanzgerichten erreicht werden. Der BFH hatte die Bindungswirkung solcher Konsultations-vereinbarungen für die Finanzgerichte bisher abgelehnt (zuletzt bestätigt im Urteil vom 2.9.2010, Az. I R 111/08) Es wird den Finanzgerichten allerdings auch in Zukunft unbenommen bleiben, solche Vereinbarungen im Wege der Inhaltskontrolle zu überprüfen, insbesondere im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht. Dazu gehört wegen § 2 Abs. 1 AO in Verbindung mit dem deutschen Zustimmungsgesetz auch das Doppelbesteuerungsab-kommen selbst. Der Wortlaut des Abkommens wird auch in der Zukunft die Grenze für die Reichweite solcher Konsultationsvereinbarungen darstellen. Diese Grenze war nach Ansicht des BFH im vorgenannten Fall durch die Konsultationsvereinbarung überschritten worden (unbeachtlich der fehlenden Bindungswirkung).

Elektronische Buchführung im Ausland

Derzeitige Rechtslage: Bücher und sonst erforderliche Aufzeichnungen sind innerhalb von Deutschland zu führen und aufzubewahren (§ 146 Abs. 2 AO). Nach § 146 Abs. 2a AO kann die zuständige Finanzbehörde auf Antrag des Steuerpflichtigen bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Führung und Aufbewahrung elektronischer Bücher und Aufzeichnungen in EU-Mitgliedstaaten oder – unter bestimmten zusätzlichen Voraussetzungen – in Mitgliedstaaten des EWR bewilligen. Wird die Besteuerung nicht beeinträch-tigt, ist die Bewilligung auch für Staaten möglich, die nicht Mitglied der EU oder des EWR sind. Problematisch war insbesondere die erforderliche Zu-stimmung des ausländischen Staates zur Durchführung eines Datenzugriffs durch die deutsche Finanzverwaltung.

Geplante Rechtslage: Durch das JStG 2010 sollen die Voraussetzungen zur Verlagerung der elektronischen Buchführung und Aufbewahrung von elektro-nischen Aufzeichnungen ins Ausland vereinfacht und die Verlagerung da-durch erleichtert werden. Dabei sollen nach § 146 Abs. 2a AO-E für die Be-willigung der Verlagerung einheitliche Maßstäbe gelten. Eine Differenzierung zwischen Mitgliedstaaten der EU, des EWR und sonstigen Drittstaaten soll nicht mehr stattfinden; eine Zustimmung des ausländischen Staates zum Da-tenzugriff soll nicht mehr notwendig sein. Für die Bewilligung ist erforderlich, dass:

> der Standort des Datenverarbeitungssystems bzw. des mit der Daten-verarbeitung beauftragten Dritten der zuständigen Finanzbehörde mit-geteilt wird;

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> der Steuerpflichtige die in §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 AO gere-gelten Pflichten (d.h. Mitwirkungs-, Auskunfts-, Vorlage-, Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten) ordnungsgemäß erfüllt;

> der vollumfängliche Datenzugriff nach § 147 Abs. 6 AO sichergestellt ist; sowie

> die Besteuerung durch die Verlagerung nicht beeinträchtigt wird.

Eine Nichtbeeinträchtigung der Besteuerung liegt laut Entwurfsbegründung nur dann vor, wenn die Erfüllung sämtlicher steuerlicher Pflichten gewährleis-tet ist; eine Beschränkung auf die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten findet nicht statt. Nach dem Gesetzesentwurf trifft die Feststellungslast für diese Voraussetzungen nicht die Finanzbehörden, sondern den Steuerpflich-tigen.

Ob durch die Vereinfachung des Wortlauts die Verlagerung tatsächlich er-leichtert wird, ist u.E. zweifelhaft. Nach der neuen Gesetzesfassung wäre es sogar möglich, die Bewilligung der Verlagerung in EU-/EWR-Staaten zu ver-sagen, wenn hierdurch eine Beeinträchtigung der Besteuerung erfolgt. Dies war nach alter Gesetzesfassung bei EU- und EWR-Staaten nur dann mög-lich, wenn die Voraussetzungen des § 146 Abs. 2a Satz 2 bzw. 3 AO (insbe-sondere die gegenseitige Amtshilfe bei EWR-Staaten sowie die Zustimmung des Aufnahmestaates zum elektronischen Datenzugriff durch die deutschen Finanzbehörden) nicht gegeben waren.

Inkrafttreten: Die Neuregelung soll am Tag nach der Verkündung des JStG 2010 in Kraft treten (Art. 23 Abs. 1 JStG 2010-E).

Erbschaft- und Schenkungsteuer/Bewertungsgesetz Die Änderungen im Rahmen des Erbschaft- und Schenkungssteuerrechts bzw. des Bewertungsgesetzes haben durchwegs Reparaturcharakter.

Vereinfachtes Ertragswertverfahren nur für Zwecke der Erbschaftsteu-er/Schenkungsteuer

Klarstellung: Durch die Aufnahme des Verweises „bei der Wertermittlung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer“ in Satz 4 des § 11 Abs. 2 BewG wird redaktionell klar gestellt, dass die Vorschriften zum vereinfachten Ertragswertverfahren nach §§ 199 bis 203 BewG tatsächlich nur für Zwecke der Erbschaftsteuer bzw. Schenkungsteuer anzuwenden sind und nicht für ertragsteuerliche Zwecke, etwa in Umwandlungsfällen.

Beseitigung von "Redaktionsversehen" bei der Optionsverschonung

Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Erbschaft- und Schen-kungsteuer bleibt der Wert von Betriebsvermögen und Anteilen an Kapitalge-sellschaften nach §§ 13a Abs. 1, 13b Abs. 4 ErbStG zu 85% außer Ansatz, wenn der Steuerpflichtige den Betrieb nach dem Erwerb mehr als fünf Jahre fortführt bzw. hält und die Mindestlohnsumme in diesem Zeitraum 400% der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet (sog. Verschonungsabschlag). Darüber hinaus darf das Betriebsvermögen zu nicht mehr als 50% aus sog. Verwaltungsvermögen bestehen (§ 13a Abs. 2 ErbStG). Bei der sogenannten

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Optionsverschonung kommt es sogar zu einer vollständigen Steuerfreiheit von übertragenem Betriebsvermögen, wenn eine Mindesthaltefrist des Be-triebsvermögens von 7 Jahren sowie eine Mindestlohnsumme i.H.v. 700% der Ausgangslohnsumme über einen Zeitraum von 7 Jahren eingehalten wird (§ 13a Abs. 8 Nr. 1 und Nr. 2 ErbStG). Darüber hinaus darf das Betriebsver-mögen zu nicht mehr als 10% aus sog. Verwaltungsvermögen bestehen (§ 13a Abs. 8 Nr. 3 ErbStG).

Derzeitige Rechtslage: Nach § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG i.V.m. § 13a Abs. 8 ErbStG zählen zum schädlichen Verwaltungsvermögen auch Beteili-gungen an Personengesellschaften und Anteile an Kapitalgesellschaften von mehr als 25%, wenn bei diesen Gesellschaften das Verwaltungsvermögen mehr als 50% beträgt (siehe auch Erlass vom 25.06.2009, BStBl. I 2009, 713, Abschn. 17 Abs. 4). Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut stellen demzu-folge Beteiligungen an Tochtergesellschaften bei Wahl der Optionsverscho-nung kein schädliches Verwaltungsvermögen dar, wenn der Anteil am Ver-waltungsvermögen bei der jeweiligen Tochter größer als 10% ist, aber die 50%-Grenze nicht übersteigt. Diese Gesetzesfassung steht im Widerspruch zum Grundgedanken des Gesetzgebers, dass das Verwaltungsvermögen im Rahmen der Optionsverschonung nicht mehr als 10% betragen soll.

Geplante Rechtslage: Durch eine Ergänzung in § 13a Abs. 8 Nr. 3 ErbStG um den Verweis auf § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG soll die 10%-Grenze nunmehr auch im Rahmen der Optionsverschonung für Beteiligungen an Personengesellschaften und Anteilen an Kapitalgesellschaften und deren Verwaltungsvermögen gelten. Laut Gesetzesbegründung handelt es sich um die Beseitigung eines Redaktionsversehens im Erbschaftsteuerreformgesetz. Nach Auffassung des Gesetzgebers ist eine höhere Grenze für das Verwal-tungsvermögen im Betriebsvermögen von Beteiligungen an Tochtergesell-schaften gegenüber dem Verwaltungsvermögen im die Beteiligung haltenden Betriebsvermögen nicht zu rechtfertigen und führt zu nicht gewollten steuer-mindernden Gestaltungen.

bisherige Rechtslage Rechtslage nach JStG 2010

A

Betriebs-vermögen

≤ 10%

≤ 50% GmbH

A

Betriebs-vermögen

≤ 10%

≤ 10% GmbH

unschädlichesVerwaltungs-

vermögen

> 25% > 25%

unschädlichesVerwaltungs-

vermögen

Inkrafttreten: Die Änderung soll für Erwerbe gelten, für die die Erbschaft- und Schenkungsteuer nach dem Tag der Verkündung des JStG 2010 entsteht (§ 37 Abs. 4 ErbStG-E).

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Sonstiges Das JStG 2010 sieht darüber hinaus insbesondere folgende steuerliche Än-derungen vor:

> Regelung der steuerlichen Behandlung des Versorgungsausgleichs (§§ 1a, 9a, 10, 22, 52, 93 EStG);

> Anpassungen des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes so-wie der Regelungen zur Riester-Rente;

> Einführung der Steuerfreiheit von Gewinnen aus der Veräußerung pri-vater Gebrauchsgegenstände (§§ 22, 23 Nr. 2 EStG-E);

> Ausschluss von öffentlich geförderten Handwerkerleistungen für Reno-vierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen vom Abzug für haushaltsnahe Dienstleistungen (§ 35a EStG-E);

> Übergangsregelungen und Datenübermittlungsfragen zur Einführung der Elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (§§ 39e, 52b EStG);

> Einführung einer beschränkten Steuerpflicht von Transferentschädi-gungen für den Wechsel eines Sportlers von einem nicht im Inland zu einem im Inland ansässigen Verein (§§ 49, 50a, 52 EStG-E);

> Ausweitung der Bekämpfung von grenzüberschreitendem Umsatzsteu-erbetrug (§ 370 Abs. 6 AO) sowie erweiterte Mitteilungspflichten der Fi-nanzbehörden zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfi-nanzierung (§ 31b AO).

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Authors: Florian Lechner, Dr. Thomas Elser, Dr. Martin Lausterer This publication is intended merely to highlight issues and not to be comprehensive, nor to provide legal advice. Should you have any questions on issues reported here or on other areas of law, please contact one of your regular contacts, or contact the editors. © Linklaters LLP. All Rights reserved 2010 Linklaters LLP ist eine in England und Wales unter OC326345 registrierte Limited Liability Partnership und unterliegt als Anwaltskanzlei den Bestimmungen der Solicitors Regulation Authority. Der Begriff "Partner" bezeichnet in Bezug auf die Linklaters LLP Gesellschafter sowie Mitarbeiter der LLP oder der mit ihr verbundenen Kanzleien oder sonstigen Gesell-schaften mit entsprechender Position und Qualifikation. Eine Liste der Namen der Gesellschafter der Linklaters LLP und der Personen, die zwar nicht Gesellschafter sind, aber als Partner bezeichnet werden, sowie ihrer jeweiligen fachlichen Qualifikation steht am eingetragenen Sitz der Firma in One Silk Street, London EC2Y 8HQ, England, oder unter www.linklaters.com zur Verfügung. Bei diesen Personen handelt es sich um deutsche oder ausländische Rechtsanwälte, die an ihrem jeweiligen Standort als nationale, europäische oder ausländische Anwälte registriert sind. Ihre Kontakt-Daten sind in unserer Datenbank gespeichert. Sie werden von unseren verschiedenen internationalen Büros ausschließlich für interne Zwecke und für diese oder ähnliche Marketing-Aktionen genutzt. Eine Weitergabe an Dritte für deren Zwecke findet nicht statt. Wenn Sie diese Publikation nicht mehr erhalten möchten oder Ihre Daten nicht korrekt sind, teilen Sie uns dies bitte per E-Mail an [email protected] mit. Linklaters ist seit dem 1. Mai 2007 eine Limited Liability Partnership (LLP) englischen Rechts. Die Bezugnahme auf Linkla-ters in diesem Dokument meint Linklaters LLP und ggf. verbundene Gesellschaften weltweit.

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