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7/23/2019 Noestlinger Christine - Neue Fussballgeschicht http://slidepdf.com/reader/full/noestlinger-christine-neue-fussballgeschicht 1/57 Christine Nöstlinger Neue Fußballgeschichten vom Franz s&c 06/2008 Seit der Franz mit dem FC Girl gegen die Buben aus seiner Klasse gewonnen hat, wollen die ihn wieder in ihrer Mann- schaft haben. Außerdem soll ihnen der Franz den Fußball von seinem Bruder Josef mit dem Autogramm des National- spielers zeigen. Nur dumm, dass sich die Gabi da einmi- schen muss. Jetzt ist der Ball verschwunden! Und bis der Josef aus dem Schullandheim zurückkommt, muss der Fuß-  ball unbedingt wieder auf dem Regal liegen … ISBN: 3-7891-0627-5 Verlag: Friedrich Oetinger Erscheinungsjahr: 2006 Umschlaggestaltung: Manfred Limmroth Titelbild und farbige Illustrationen: Erhard Dietl Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!  

Noestlinger Christine - Neue Fussballgeschicht

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Christine Nöstlinger

Neue

Fußballgeschichten

vom Franz

s&c 06/2008

Seit der Franz mit dem FC Girl gegen die Buben aus seinerKlasse gewonnen hat, wollen die ihn wieder in ihrer Mann-

schaft haben. Außerdem soll ihnen der Franz den Fußballvon seinem Bruder Josef mit dem Autogramm des National-spielers zeigen. Nur dumm, dass sich die Gabi da einmi-schen muss. Jetzt ist der Ball verschwunden! Und bis derJosef aus dem Schullandheim zurückkommt, muss der Fuß- ball unbedingt wieder auf dem Regal liegen …

ISBN: 3-7891-0627-5

Verlag: Friedrich OetingerErscheinungsjahr: 2006Umschlaggestaltung: Manfred Limmroth

Titelbild und farbige Illustrationen: Erhard Dietl

Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!! 

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Christine Nöstlinger

 NeueFußballgeschichten

vom FranzBilder vonErhard Dietl

Verlag Friedrich Oetinger • Hamburg 

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Drei alte Probleme und ein neues Problem

Der Franz Fröstl ist acht Jahre und elf Monate

alt. Er wohnt mit seiner Mama, seinem Papa und

seinem großen Bruder, dem Josef, in der

Hasengasse Nummer 4, Tür 12. Nebenan, hinter

der Tür 11, wohnt seine Freundin, die Gabi.

Unter der Woche ist der Franz am Nachmittag

 bei ihr. Die Gabi-Mama kümmert sich um ihn,

 bis seine Eltern von der Arbeit kommen.

Einen Freund hat der Franz auch. Den

Eberhard. Der sitzt in der Schule neben ihm.

Die Gabi ist so alt wie der Franz, aber sie geht

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nicht in seine Klasse. Sie ist in der 2a. Der Franz

ist in der 2b. Dem Franz geht es gut. Aber ein

 paar Probleme hat er doch. Drei alte und einneues. Ein altes Problem vom Franz ist, dass er

für sein Alter um fast einen Kopf zu klein ist.

Das zweite alte Problem vom Franz ist, dass er

nicht normal reden kann, wenn er aufgeregt ist.

Dann kriegt er eine hohe Pieps-Stimme. Das

dritte alte Problem vom Franz ist die Gabi.

Immer soll alles nach ihrem Kopf gehen! Tut der

Franz nicht, was die Gabi will, wird sie eklig,

und der Franz kann sich gegen sie nicht wehren.

Er liebt sie nämlich und er hat Angst, sie könnte

ihn nicht mehr mögen, wenn er nicht macht, was

sie verlangt. Und vor ein paar Wochen hat der

Franz zu den drei alten Problemen noch einFußball-Problem bekommen.

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Das Fußball-Problem

Angefangen hat es an einem Sonntag im Park,

als der Franz mit den 2b-Buben Fußball gespielthat. Da ist ihm ein scharfer Ball an die Stirn

gesaust und er ist ohnmächtig geworden. Er hat

sich zwar schnell erholt, aber der Tommi und der

Peppo haben nachher gesagt, dass er für einhartes Match zu mickrig ist und dass es nur

Scherereien gibt, wenn er mitspielt. Und weil der

Tommi und der Peppo in der 2b die Chefs sind,

haben es alle nachgeplappert. Und jetzt wollen

sie den Franz beim Fußballspielen nicht mehr

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Darüber ist der Franz unheimlich traurig

gewesen, aber er hat nicht gebettelt, wieder

mitspielen zu dürfen. Er hat auch seinen Stolz!Dann hat die Gabi mit den 2a-Mädchen den

FC Girl gegründet und den Franz zum Mitspielen

überredet. Der Franz hat sich zwar geniert, dass

er in einem Mädchen-Team spielt, aber er hat

gedacht: Hauptsache, ich kann kicken und die

Buben aus meiner Klasse merken nicht, dass ich

mit Mädchen spiele!

Und die Buben haben es nicht gemerkt, weil

sie im Mozart-Park trainiert haben. Und der FC

Girl hat im Schubert-Park trainiert.

Alles ist gut gegangen, bis die Gabi mit dem

Tommi ausgemacht hat, dass die 2b-Buben

gegen den FC Girl spielen werden.Zuerst hat sich der Franz geweigert, im Girl-

Team gegen die Buben zu spielen. Doch der

Josef hat ihn dazu überredet. „Zeig ihnen, was du

draufhast”, hat er gesagt. „Sie sollen merken, wie

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 blöd es ist, dich nicht im Team zu wollen.”

Der Franz hat es den Buben gezeigt! 8:8 ist

das Match ausgegangen. Und sechs Tore hat derFranz gegen das Buben-Team geschossen!

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Der Franz ist in der Zwickmühle

Seither hockten der Tommi und der Peppo jeden

Tag auf dem Pult vom Franz und redeten auf ihn

ein. Dass er wieder im 2b-Team spielen muss,

weil ein Bub zu den Buben gehört, sagten sie.

Und dass er sein Talent nicht im FC Girl

verkümmern lassen darf!

Der Franz piepste dann immer: „Ich werde es

mir bis morgen überlegen.”

Dabei hatte sich der Franz das längst überlegt.

Sehr gern hätte er wieder mit den 2b-Buben

gespielt. Doch er fürchtete, dass die Gabi kein

Wort mehr mit ihm reden würde. Und das,

dachte der Franz, kann ich nicht aushalten,

darum muss ich beim FC Girl bleiben!

Probleme bespricht der Franz immer mit seiner

Mama. Aber für das Fußball-Problem taugte sie

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nicht. Sie hält Fußball für die langweiligste

Sache der Welt. Sie hätte dem Franz bloß

geraten, sich einen anderen Sport zu suchen.

Der Papa und der Josef halten Fußball für die

aufregendste Sache der Welt. Aber auch mitihnen konnte der Franz über sein Fußball-

Problem nicht reden. Die beiden mögen die Gabi

nicht. Sie hätten bloß gesagt: „Das ist doch egal,

was die Schnepfe will!”

So blieb dem Franz nur der Eberhard zum

Reden. Nachdem er den Tommi und den Peppo

in der großen Pause wieder mal „auf morgen”

vertröstet hatte, fragte er den Eberhard: „Was

soll ich tun? Ich bin echt in einer Zwickmühle!”

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Der Eberhard versucht immer, dem Franz zu

helfen. Doch diesmal sagte er: „Es geht dir eh

super! Du kannst dir das Team aussuchen. Michwollen nicht mal die Mädchen haben!”

Der Franz schaute verdutzt. Er hatte geglaubt,

dass der Eberhard vom Fußballspielen nichts

hält. Der Eberhard ist ziemlich dick und kommt

schon ins Schnaufen, wenn er quer durch die

Turnhalle läuft.

„Seit wann interessiert dich Fußball?”, fragte

der Franz.

„Seit ewig”, sagte der Eberhard. „Ich bin kein

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übler Torwart. Im Urlaub spiele ich immer mit

den Dorfbuben und die sind zufrieden mit mir.” 

Da könnte was dran sein, dachte der Franz.Fett ist der Eberhard ja nicht. Er hat bloß viel

Fleisch auf den Knochen. Und rennen muss ein

Torwart nicht so viel. Und schnell zupacken

kann er! 

„Jetzt, wo der Arno krank ist”, sagte der

Eberhard, „hätte ich eine Chance zu zeigen, was

ich kann!” (Der Arno macht im 2b-Team immer

den Torwart.) 

„Frag halt den Tommi und den Peppo”, schlug

der Franz vor. 

Der Eberhard schüttelte den Kopf. „Das ist

doch sinnlos”, seufzte er. 

Dann legte er dem Franz einen Arm um dieSchultern und sagte: „Auf dich halten sie jetzt

große Stücke. Wenn du wieder im Team bist,

kannst du verlangen, dass ich probeweise einmal

ins Tor darf!” 

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„Aber die Gabi …”, piepste der Franz.

Der Eberhard murmelte „Vergiss es”, drehte

sich vom Franz weg und ging ins Schulhaus.Der Franz schaute hinter ihm her und dachte:

Wer seinem Freund nicht hilft, obwohl er ihm

helfen könnte, ist fies! Egal, was die Gabi sagen

wird, fies darf ich nicht sein!

Der Franz räusperte sich. Dann ging er zur

Mülltonne. An der lehnten der Tommi und der

Peppo. 

„Ich komme ins Team zurück”, sagte der

Franz. 

Der Tommi klatschte ihm eine Hand auf die 

rechte Schulter, der Peppo klatschte ihm eine 

Hand auf die linke Schulter. 

„Super!”, riefen sie.„Aber nur, wenn der Eberhard probeweise als

Torwart spielen darf!”, sagte der Franz. 

„Du kannst uns doch nicht diese lahme Ente

andrehen!”, rief der Tommi. 

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„Mich habt ihr auch für zu mickrig gehalten”,

sagte der Franz. „Und es ist ja nur probeweise.

Wenn ihr nicht wollt, vergesst  auch mich!” Ein

 bisschen piepsig war seine Stimme nun doch. 

„Okay”, seufzte der Peppo. „Soll er sich halt

 probeweise im Tor zum Deppen machen.” „Also dann pünktlich heute um zwei Uhr im

Mozart-Park”, sagte der Tommi. 

Der Franz nickte und lief ins Schulhaus, zu

seiner Klasse. 

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In der 2b war nur der Eberhard. Er saß an

seinem Pult und malte Männchen auf   ein

Löschblatt. Der Franz setzte sich zu ihm. 

„So!”, sagte er. „Ich bin wieder im Team und

du bist es probeweise auch! Heute um zwei Uhr

ist Training im Mozart-Park.”

Der Eberhard murmelte gerührt: „Einen

 besseren Freund als dich gibt es nicht!”

Doch plötzlich schaute er entsetzt und sagte:

„Jetzt kriegst du aber mit der Gabi Streit.”

Der Franz zuckte mit den Schultern. Ganz so

als mache ihm das nichts aus. Aber der Eberhard

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kennt den Franz! Ihm kann der Franz nichts

vormachen! Drum fragte er: „Willst du es dir

nicht noch mal überlegen?”Der Franz schüttelte den Kopf.

„Dann sag es der Gabi gleich”, sagte derEberhard, „damit du es hinter dir hast.”

„In der nächsten Pause!”, versprach der Franz.

Mehr sagte er nicht, weil die 2b-Schüler in die

Klasse zurückkamen.

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Der Franz braucht Rachenputzer

Unangenehme Dinge schnell zu erledigen liegt

dem Franz nicht besonders. Da wartet er lieber

so lange als möglich zu. 

Also redete er in der nächsten Pause nicht mit

der Gabi. Das mache ich auf dem Heimweg von

der Schule, nahm er sich vor.

Auf dem Heimweg von der Schule nahm er  

sich vor, der Gabi beim Mittagessen alles zu

sagen. 

Und beim Mittagessen beschloss er: Ich sage es ihr, kurz bevor ich in den Park gehe! Dann hat

sie keine Zeit mehr, lang zu streiten.

 Nach dem Mittagessen, als die Gabi auf dem

Klo war, fragte der Franz die Gabi-Mama:

„Hast du Rachenputzer?”

Die Gabi-Mama kennt den Franz noch besser

als der Eberhard. Besorgt fragte sie: „Hast du

Angst, dass deine Stimme piepsig wird?” 

Der Franz glaubt nämlich, dass Rachenputzer-

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Bonbons seine Pieps-Stimme  etwas weniger

 piepsig machen. 

Der Franz nickte. „Ich gehe gleich weg, undvorher muss ich der Gabi etwas sagen, das sie

wütend machen wird.” 

Die Gabi-Mama holte eine Tüte Rachenputzer  

aus dem Schrank. Der Franz stopfte sich 

vorsorglich vier Stück in den Mund und lutschte. 

Dann kam die Gabi vom Klo zurück und sagte

zum Franz: „Übrigens! Die Sandra und ich gehen jetzt zum Jazz-Tanz, und aus dem FC Girl sind

wir heute ausgetreten. Kicken interessiert uns

nicht mehr. Außerdem  kriegt man davon echt

uncoole Muckis an den Beinen!” 

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Der Franz starrte die Gabi mit offenem Mund 

an. Dann ging er zum Mülleimer und spuckte die

Rachenputzer rein.

Die Gabi-Mama sagte grantig zur Gabi: „Du

trittst aus dem FC Girl aus, ohne es vorher mitdem Franz zu besprechen? Das ist nicht nett!”

„Wieso?”, rief die Gabi. „Es geht ja um mich,

nicht um ihn. Jeder kann doch tun, was er will!”

„Genau!” Der Franz schaute vergnügt. „Und

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drum gehe ich jetzt in den Mozart-Park.”

„Wolltest du der Gabi nicht etwas sagen?”,

fragte die Gabi-Mama.„Das hat sich erledigt”, rief der Franz, zog im

Vorzimmer seine Fußball-Schuhe an und

dampfte ab.

Vor dem Mozart-Park wartete der Eberhard.

„Wie ist es gelaufen?”, erkundigte er sich.

„Hat dir die Gabi die Freundschaft

aufgekündigt?”

Der Franz sagte: „Wieso? Es geht ja um mich,

nicht um sie. Jeder kann doch tun, was er will!”

„Franz, du machst dich!”, lobte der Eberhard.

„Und du mach dich jetzt auch”, sagte der

Franz und zog den Eberhard in den Park rein,zum Käfig hin. (Käfig nennen die Kinder den

Ballspielplatz, weil er einen hohen Gitterzaun

rundherum hat.)

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Der Eberhard wird getestet

Der Tommi, der Peppo und der Berti saßen aufder Reserve-Bank im Käfig. Der Tommi hatte

den Fußball unter dem Arm. 

„Na endlich”, begrüßte der Peppo den Franz.

„Die anderen sind ja auch noch nicht da”,

sagte der Eberhard. 

„Es kommt heute keiner mehr”, erklärte der

Tommi, „der Alex und der Michi haben

Hausarrest.” 

„Und der Peter muss zum Brillen-Doktor”,sagte der Peppo. „Und der Niki ist irgendwo

eingeladen.” 

Der Franz war enttäuscht. Er hatte sich auf ein

tolles Match gefreut. Aber mit fünf Spielern ist

kein tolles Match hinzukriegen. 

„So haben wir wenigstens Zeit, den Eberhard

ordentlich zu testen”, sagte der Peppo grinsend. 

„Wie wollen sie mich denn testen?”, fragte der

Eberhard leise den Franz.

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„Mit Elfer-Schießen”, flüsterte der Franz. Der

Tommi legte den Ball auf den Elf-Meter-Punkt.

„Wer will anfangen?”, fragte er.„Ich!”, rief der Franz. Er wollte so schießen,

dass der Eberhard den Ball halten konnte. Wenn

gleich der erste Schuss ins Tor geht, wird er doch

verzagt, dachte er.

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Der Franz stellte sich fünf Schritte hinter dem

Ball auf, rannte los und schoss. Der Ball

wummerte dem Eberhard mitten auf die Brust. 

Der Eberhard umarmte ihn, hielt ihn fest und

freute sich. 

„Das gilt nicht!”, brüllte der Peppo. „Du hast

absichtlich so geschossen, dass er ihn halten

kann!” 

„Stimmt”, sagte der Tommi zum Franz. „Du

hältst dich besser raus und zählst die Tore!”

Der Franz wagte nicht zu protestieren. 

Der Tommi, der Peppo und der Berti schossen

abwechselnd vom Elf-Meter-Punkt auf das Tor.

Jede Minute ein Schuss! Und der Franz zählte

die Treffer und die gehaltenen Bälle. 

Ein Wunderwuzi im Tor war der Eberhardnicht, aber er schlug sich wacker. 

 Nach einer Stunde ließ er sich auf den Rasen

 plumpsen, zog sein T-Shirt aus, wischte sich

damit den Schweiß vom Gesicht und vom Bauch

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und schnaufte: „Mir reicht es!”

Der Franz verkündete zufrieden: „Zwanzigmal

getroffen, dreißigmal gehalten, zehn Schüsse an

die Latte.” 

Und der Berti sagte anerkennend: „Das hätteder Arno nicht geschafft.” 

Der Tommi nickte dem Peppo zu, der Peppo

nickte dem Tommi zu, dann sagte der Tommi:

„Willkommen im Team, Eberhard!”

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Und der Peppo sagte: „Ab jetzt bist du unser

Torwart und der Arno ist Reserve.” 

Der Eberhard rappelte sich auf, band sich dasT-Shirt um den Bauch und sagte: „Ich nehme

lieber den Reserve-Job. Der ist gemütlicher. Ich

schaue gern zu. Und wenn sich der Arno den

Knöchel oder sonst was verstaucht, springe ich

ein.” 

Der Tommi und der Peppo starrten den

Eberhard verblüfft an. Dass der komische Kerl

ihr Angebot abgelehnt hatte, ging nicht in ihre

Köpfe. Jeder andere hätte vor Freude

Purzelbäume geschlagen! 

Der Franz zog den Eberhard vom Tommi und

vom Peppo weg und wollte ihn überreden. 

So anstrengend, sagte er, sei ja nur der Testgewesen. Bei einem normalen Spiel müsse der

Eberhard nicht jede Minute ein Tor abwehren. 

Doch der Eberhard schüttelte stur den Kopf. 

Das machte den Franz richtig zornig. Er rief:

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„Du hast überhaupt keinen Ehrgeiz!”

„Stimmt”, sagte der Eberhard. „Den Ehrgeiz,

den Arno aus dem Tor zu verdrängen, habe ichwirklich nicht.”

„Aber du … du … du warst … besser als er!”,

stotterte der Franz.

„Aber der Arno wäre total traurig, wenn er aufdie Reservebank müsste”, sagte der Eberhard.

„Mir macht es nichts aus. Darauf kommt es an!”

Dann rief er dem Tommi, dem Peppo und dem

Berti „Tschüs” zu.

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Zum Franz sagte er, dass er heimmüsse, weil

ihn der Test hungrig gemacht habe, und trabte

aus dem Käfig.Warum der Eberhard den Torwart-Job

abgelehnt hatte, erzählte der Franz dem Tommi,

dem Peppo und dem Berti nicht. Er war sich

sicher, dass die drei das ohnehin nicht verstehen

würden.

Aber als der Tommi hinter dem Eberhard her

„Depp” murmelte, sagte er ohne den kleinsten

Pieps in der Stimme: „Er ist kein Depp, er ist ein

guter Mensch!”

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Ein Ball mit Autogramm

Der Bruder

vom Franz, der

Josef, spielt

nicht bloß mit Buben im Park Fußball. Er

trainiert auf einem richtigen Fußballplatz. Er ist

Stürmer in der Jugendmannschaft vom FC

Wiesensfeld, und sein Trainer hält ihn für ein

großes Talent. Später einmal will der Josef Profi-Fußballer

werden. Ein Super-Fußballstar, der in der

 Nationalmannschaft spielt! 

Da verdient er dann, sagt er, ganz viel Geld,

fliegt erster Klasse in der Welt herum und hat

einen Ferrari und eine Million Fans, die jubeln,

wenn er aufs Spielfeld kommt. Und ob Profi-

Fußballer in der Schule gute Noten hatten,

interessiert niemanden! 

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Die Mama und der Papa schauen sauer, wenn

der Josef von der Fußballer-Zukunft schwärmt.

Der Papa wird manchmal sogar echt grantig. Erschimpft, dass der Josef Stroh im Kopf hat! Und

dass von hunderttausend Buben, die gut Fußball

spielen, höchstens einer ein Star wird! Und dass

er sich ganz sicher ist, dass dieser eine nicht der

Josef sein wird!

Der Papa hat auch schon gedroht, dass er den

Josef vom FC Wiesensfeld abmelden wird, wenn

seine Schulnoten nicht besser werden. Aber den

Josef stört das wenig. Der ist robust und bemüht

sich gerade nicht, so zu sein, wie ihn seine Eltern

haben wollen.

„Der Papa wird schon noch merken, dass ich

der eine von den hunderttausend Buben bin”,sagt er oft zum Franz. Dass ihn der Papa wirklich

vom FC Wiesensfeld abmelden könnte, glaubt er

auch nicht.

„Leere Drohungen”, sagt er zum Franz, wenn

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es der Papa nicht hören kann.

Der Franz glaubt dem Josef. Und dass der

Josef schlechte Noten hat, versteht er auch. DerMama hat er das so erklärt: „Der Kopf vom Josef

ist randvoll mit Fußball, da passen keine

Rechnungen und keine Aufsätze mehr hinein!”

 Nicht nur der Kopf, auch das Zimmer vom

Josef ist randvoll mit Fußball. An den Wänden

kleben Fußball-Poster und Fotos, auf denen der

Josef mit Team-Kollegen zu bewundern ist.

Dazwischen hängen Vereins-Wimpel und

Medaillen, die der Josef bekommen hat.

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Im Bücherregal gibt es nur Bücher, die mit

Fußball zu tun haben. Und an der Zimmertür

sind Haken, von denen grünweiß gestreifteSchals und Socken baumeln. Grün und Weiß

sind die Farben vom FC Wiesensfeld.

Und ganz oben auf dem Bücherregal liegt ein

abgewetzter Fußball. Den nennt der Josef „mein

Heiligtum”. Was ihn zum Heiligtum macht, ist

ein Name, der mit schwarzem Filzschreiber auf

den Ball gekritzelt wurde.

„Martin Müllermeier” soll das Gekritzel heißen.

Der Martin Müllermeier war bis vor einem Jahr

Kapitän vom FC Wiesensfeld-Team und das

große Vorbild vom Josef. Dann hat sich der

Müllermeier mit dem Trainer zerstritten und ist

zum FC Wienerwald gewechselt. Inzwischenspielt er sogar in der Nationalmannschaft. Zum

Abschied hat er dem Josef auf einen Fußball das

Autogramm gekritzelt. Nur dem Josef hat er so

einen Autogramm-Fußball geschenkt, und das hat

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den Josef natürlich sehr stolz gemacht. Wie sein

Augenlicht hütet er den alten Fußball. Niemand

darf ihn vom Bücherregal holen, nicht einmal die

Mama, wenn sie im Zimmer vom Josef sauber

macht.

„Mein Heiligtum greift keiner an!”, sagt der

Josef.

Er hat sich einen weichen Staubwedel gekauft.

Mit dem wedelt er einmal in der Woche Staubvom Heiligtum. Und wenn die Sonne durchs

Fenster auf das Regal scheint, lässt er die Rollos

runter. Damit die Sonne die Unterschrift nicht

 bleicht.

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Hüpfende Kieselsteine im Bauch

Der Martin Müllermeier ist nicht nur das Idolvom Josef. Der Tommi und der Peppo verehren

ihn auch. Und als ihnen der Franz vom

Autogramm-Ball erzählte, bettelten sie:

„Bring den Ball in die Schule mit!”

Der Franz erklärte ihnen, dass er den Ball

nicht mal anfassen dürfe.

„Dann kommen wir halt zu dir nach Hause

und schauen uns den Ball an”, schlugen der

Tommi und der Peppo vor.Weil der Josef im Schullandheim war, sagte

der Franz: „Okay! Am besten gleich heute.”

Wäre der Josef daheim gewesen, hätte er die

 beiden nicht einladen können. An der Zimmertür

vom Josef klebt ein Schild, auf dem „Eintritt

verboten” steht. Und der Josef meint das auch so.

 Nur wenn er besonders gut aufgelegt ist, darf der

Franz zu ihm ins Zimmer.

Aber der Josef ist selten besonders gut

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aufgelegt. Meistens, wenn der Franz an die Tür

klopft, schreit er: „Keine Besuchszeit!”

Mit dem Tommi und dem Peppo vor der Türzu stehen und bloß „Keine Besuchszeit!” zu

hören, das wäre zu peinlich gewesen.

Der Tommi und der Peppo kamen um drei Uhr

und klingelten, wie es ihnen der Franz erklärt

hatte, zuerst an Tür 11.

Die Gabi-Mama war gerade mit der Gabi im

Bad und drehte die Haare der Gabi auf

Lockenwickler.

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dem Turban, den ihr die Mama wickelte, nicht

zufrieden und band sich ein Kopftuch um. 

Fünfzehn Minuten nachdem es geklingelt 

hatte, lief sie endlich ins Treppenhaus. 

Die Fröstl-Tür stand offen. Die Gabi hörte

Stimmen. Zwei lachende und eine verzweifelt 

 piepsende. Die Stimmen kamen eindeutig aus 

dem Zimmer vom Josef. 

Die sind gemein zum Franz, dachte die Gabi

empört. Sie ist zwar selbst oft gemein zum Franz,

aber sie lässt nicht zu, dass wer anderer gemein

zu ihm ist. Das stoppt sie, wenn sie kann. 

Die Gabi lief in die Fröstl-Wohnung, zum

Zimmer vom Josef, und stieß die Tür auf. 

Der Tommi stand auf dem Bett, der Peppo

stand auf einem Stuhl vor dem Bücherregal, unddie beiden köpften einander lachend den

Autogramm-Fußball zu. Hin und her und her und

hin und hin und her.

Und der arme Franz sprang in der Mitte vom

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Zimmer herum, versuchte den Ball zu fangen

und piepste unentwegt: „Aufhören … bitte …” 

Die Gabi flitzte zum Bett, packte ein Beinvom Tommi und riss es hoch. Der Tommi

 plumpste rücklings auf die Matratze, und der

Ball, den ihm der Peppo gerade zuköpfte,

wummerte an die Wand hinter dem Bett und

sauste von dort zum offenen Fenster raus.

Der Franz rannte zum Fenster, schaute in den

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Hof runter und sah das Heiligtum vom Josef  

durch die offene Hoftür in den Hausflur rollen.

„Das war aber jetzt echt nicht meine Schuld,sondern deine!”, sagte der Tommi zur Gabi.

„Ich habe nur gewollt, dass ihr aufhört!”, rief

die Gabi. 

„Das ist dir ja super gelungen!”, sagte der

Peppo spöttisch und sprang vom Stuhl. 

Der Franz raste aus der Wohnung und wie der

geölte Blitz die Treppe runter. 

Aber im Hausflur lag der Ball nicht. Und die

Haustür stand sperrangelweit offen! 

Der Franz lief aus dem Haus, schaute den

Gehsteig hinauf und hinunter. Er hockte sich 

sogar auf den Asphalt und linste unter die 

geparkten Autos. Dann kamen die Gabi, der Tommi und der

Peppo und schauten auch den Gehsteig  hinauf

und hinunter. 

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Bis zur Hauptstraße lief die Gabi. In jede

Haustür, unter jedes Auto schaute sie. Der

Tommi und der Peppo nahmen sich die

Haustüren und Autos auf der anderen

Straßenseite vor. Aber der Autogramm-Fußball

 blieb verschwunden.

Schließlich erklärte der Peppo, dass sich den

Ball jemand gegrapscht haben müsse. Und der

Tommi sagte wieder, dass alles die Schuld der

Gabi sei. Dann sagten sie noch „Tschüsi” und

marschierten ab.

Der Franz setzte sich vor die Haustür und

heulte los.

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„Glaubst du auch, dass ich schuld bin?”, fragte

die Gabi. 

Der Franz piepste: „Nein … du wolltest mirnur helfen. Aber mir … kann niemand … helfen.”

Die Gabi gab dem Franz ein Taschentuch und 

sagte tröstend: „Das kriegen wir hin, Franz. Mir

wird etwas einfallen. Wir haben ja noch fünf

Tage Zeit, bis der Josef heimkommt.”

Der Franz schnäuzte sich. 

„Auf alle Fälle”, sagte die Gabi, „muss es

geheim bleiben.” 

Sie zog den Franz hoch. „Wir gehen jetzt rauf,

sperren eure Wohnungstür ab und tun so, als sei

alles in bester Ordnung.” 

So zu tun, als sei alles in bester Ordnung, fiel

dem Franz schrecklich schwer. Er schaffte es auch nicht wirklich. 

„Geht es dir nicht gut?”, fragte die Mama

 beim Abendessen. „Du bist so blass. Essen tust

du ja auch kaum etwas.” 

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„Ich habe ein komisches Gefühl im Bauch”,

sagte der Franz.

Das war nicht gelogen. Seit das Heiligtumvom Josef aus dem Fenster gesaust war, kam es

dem Franz so vor, als habe er einen Haufen

hüpfender Kieselsteine im Magen.

„So fängt die Sommergrippe an”, sagte der

Papa. „Übrigens! Was klappert denn da die

ganze Zeit?”

Die Mama lauschte. „Das Fenster im Zimmer

vom Josef”, sagte sie und stand auf. „Das hab ich

in der Früh aufgemacht. In der Bude hat es

gestunken wie in einem Fuchsbau.”

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Die Mama ging zum Zimmer vom Josef und

der Franz dachte: Jetzt kommt es raus! Jetzt sieht

die Mama, dass das Heiligtum futsch ist! Direkterleichtert war er, weil er nicht gern Geheimnisse

vor seiner Mama und seinem Papa hat.

Aber als die Mama zum Esstisch zurückkam,

sagte sie bloß: „Der Mief ist abgezogen.”Dass der Autogramm-Fußball nicht mehr auf

dem Regal lag, hatte sie gar nicht bemerkt.

Fußbälle interessieren die Mama vom Franz eben

überhaupt nicht.

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Oft taugt auch die beste Idee nichts

Am nächsten Morgen, auf dem Weg zur  Schule,

erklärte die Gabi: „In der Nacht ist mir

eingefallen, wie wir das Problem lösen.” 

„Echt?” Der Franz schaute zweifelnd.

„Wir nehmen einen Fußball, der aussieht wie

der vom Josef”, sagte die Gabi, „und du schreibst

Martin Müllermeier drauf. Du musst  nur die

Unterschrift gut nachmachen.” 

Den passenden Ball, sagte sie, habe sie schon.Der liege bei ihr daheim, in dem Karton, in dem

ihr Papa Kram aus seiner Jugendzeit aufhebt. 

„Du meinst, die Unterschrift kriege ich hin?”,

fragte der Franz. 

„Na klar!”, rief die Gabi.

Es klang so sicher, dass die Kieselsteine im

Magen vom Franz endlich aufhörten zu  hüpfen

und nur noch ein bisschen drückten. 

Und mittags, als die Gabi dem Franz den alten

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Fußball zeigte, hörten die Kieselsteine sogar auf

zu drücken, weil der Fußball wirklich wie der

vom Josef aussah. Nur etwas weniger abgewetztwar er. Aber das kriegte die Gabi hin. Sie

rubbelte mit der Nagelfeile über die schwarzen

Sechsecke, bis der Franz zufrieden „Es reicht!”

sagte.

Das gute Bauchgefühl vom Franz hielt leider

nur bis zum Nachmittag an. Bis er im Zimmer

der Gabi „Martin Müllermeier” schreiben übte.

Einen 100-Blatt-Notizblock verbrauchte er.

Keine Unterschrift, die er kritzelte, sah der auf

dem Fußball auch nur ein bisschen ähnlich.

„Ich kann es nicht!”, jammerte er schließlich

und warf den Filzschreiber weg. „Probier du!”

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„Ich hab keine Ahnung, wie die Unterschrift

ausgesehen hat”, sagte die Gabi. 

Sie schob dem Franz einen neuen Notizblock  

zu. Der Franz schob ihn von sich.

„Das hat keinen Sinn!”, sagte er. „So ein

komisches Gekrakel kriegt nur er selber hin.” 

„Bingo!”, rief die Gabi. „Dann muss er die

Unterschrift eben selber machen! Drum  gehen

wir jetzt auf den Wienerwald-Platz.”

„Aber er ist wahrscheinlich jetzt gar nicht

dort”, sagte der Franz. 

„Dann fragen wir jemanden, wann er kommt”,

sagte die Gabi. 

„Aber wenn der sagt, dass uns das nichts

angeht”, sagte der Franz. 

„Dann erklären wir dem, dass es lebenswichtigfür dich ist”, sagte die Gabi. 

„Aber wenn das Tor zugesperrt ist und wir gar

nicht reinkommen”, sagte der Franz. 

„Hör mit dem Aber-aber-aber-Gebrabbel auf

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und komm!”, schimpfte die Gabi. Sie gab dem

Franz den Fußball, schubste ihn aus dem Zimmer

und rief ins Wohnzimmer rein: „Wir gehen aufden Fußballplatz!”

Der Platz vom FC Wienerwald ist nicht weit weg

von der Hasengasse. Wie man hinkommt, wusste

der Franz auch. Er war dort gewesen, als der

Josef gegen die Jugendmannschaft  vom FC

Wienerwald gespielt hatte. 

Das große Tor vom Platz stand offen. Vom

Tor führte ein breiter Weg zum Spielfeld. 

Ein Mann kehrte mit einem riesigen Besen den

 breiten Weg. 

„Den fragst du!”, kommandierte die Gabi.

„Frag du ihn!”, bat der Franz.Die Gabi schüttelte den Kopf. „Ein bisschen

was kannst du selber tun.” 

Der Franz sah ein, dass die Gabi Recht hatte.

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Er ging auf den Besen-Mann zu, und weil der

freundlich grinste, gelang es ihm, ohne Piepser

zu fragen: „Bitte, ist der Martin Müllermeier

da?” 

„Heute ist keiner von den Spielern da”, sagte

der Besen-Mann. „Kommt er morgen?”, fragte der Franz.

„Morgen fliegt er mit der Nationalmannschaft

nach Rom”, sagte der Besen-Mann.

„Wissen Sie, wo er jetzt ist?”, fragte die Gabi.

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Sie deutete auf den Franz. „Es ist nämlich

lebenswichtig für ihn!”

Der Besen-Mann sagte: „Soviel ich weiß, gibter beim Sport-Brunner Autogramme.”

„Wo ist der Sport-Brunner?”, fragte der Franz.

„Gegenüber vom Bahnhof”, sagte der Besen-

Mann. „Der Bus, der vor dem Tor hält, fährt

direkt hin.”

Der Besen-Mann schaute auf die Uhr. „Wenn

es lebenswichtig ist, dann rennt los. Der Bus

muss jede Sekunde kommen.”

„Danke”, riefen der Franz und die Gabi und

rannten los.

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Zu viel bekommen macht nicht glücklich

Eine halbe Stunde später liefen der Franz und die

Gabi durch die Drehtür vom Sport-Brunner.

stand auf einem Plakat neben der Rolltreppe. Der Franz und die Gabi rollten in die dritte

Etage. Dort war ein langer Tisch, hinter dem elf

Männer saßen. Alle hatten blaue Blazer an und

Baseball-Kappen auf. 

Von der Rolltreppe bis zum einen Ende vom

langen Tisch standen in Dreier-Reihen Leute an. 

„Grundgütiger”, sagte die Gabi. „Da stehen

wir uns die Beine in den Bauch, bis wir dran

sind!” 

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„Wer von denen ist der Martin Müllermeier?”,

fragte der Franz ratlos. Ihm kamen die Männer

hinter dem Tisch wie Elflinge vor. Ob die Gabiwusste, wer von den Elflingen der Martin

Müllermeier war, erfuhr der Franz nicht mehr.

Plötzlich winkte ihnen der Eberhard vom Anfang

der Schlange zu und brüllte: „Hierher, Franz,

hierher!”

Die Gabi und der Franz gingen zum Eberhard

und stellten sich zu ihm. Die Leute, die hinter

dem Eberhard warteten, riefen: „Platz halten gilt

nicht! Hinten anstellen!”

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Aber da hatte der Fußballer, der am Tischende

saß, dem Franz den Ball schon aus der Hand

genommen. Er kritzelte seinen Namen drauf undreichte den Ball seinem Nachbarn. Der kritzelte

auch seinen Namen und gab den Ball weiter.

Von Fußballer zu Fußballer wanderte der Ball.

Jeder malte sein Autogramm. Das ging

 blitzschnell! Kaum eine Minute war um, dann

hatte der Franz den Ball zurück und starrte ihn

verdutzt an.

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„Klar, dass es schief geht, wenn sich der

Eberhard-Trottel einmischt”, sagte die Gabi. DerEberhard hörte es gottlob nicht, denn er

sammelte noch Autogramme ein.

„Er kann doch nichts dafür”, verteidigte der

Franz den Eberhard.

„Auch wahr”, sagte die Gabi einsichtig.

Dann kam der Eberhard mit elf Autogramm-

Karten. Er grinste von einem Ohr zum anderen.

„Das ist gut gelaufen für euch”, sagte er, „ich

warte hier schon zwei Stunden.”

Als er sah, wie der Franz dreinschaute, hörte

er auf zu grinsen. „Ist was?”, fragte er.

„Es ist eh schon alles im Eimer”, sagte die

Gabi. „Jetzt kannst du es ihm erzählen.”Der Franz erzählte ihm alles, und der Eberhard

tröstete ihn. Ein Fußball mit den Unterschriften

aller Spieler, sagte er, sei elfmal so viel wert wie

ein Fußball mit einem Müllermeier-Autogramm.

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Der Josef werde sich scheckig freuen über den

guten Tausch.

Und die Gabi gab zum ersten Mal in ihremLeben dem Eberhard Recht.

Als der Franz und die Gabi heimkamen, saß

die Mama vom Franz bei der Gabi-Mama in der

Küche. Und auf dem Küchentisch lag das

Heiligtum vom Josef!

„Wo kommt der Ball her?”, piepste der Franz.

Die Mama sagte: „Den hat mir der Hausmeister

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gegeben. Auf der Kellertreppe hat er ihn

gefunden.”

Und die Gabi-Mama fragte: „Habt ihr eineAhnung, wie er dort hingekommen ist?” 

Bevor der Franz fertig überlegt hatte, ob er mit

der Wahrheit rausrücken sollte, sagte die Mama:

„Egal, wie er dort hingekommen ist, Hauptsache,

er ist wieder da.” 

Das fand der Franz goldrichtig. 

Der Josef kam am Samstag vom 

Schullandheim zurück und wurde gelb vor   Neid,

als er den Fußball mit den  Autogrammen der

 Nationalmannschaft sah. 

Zehn Euro wollte er dem Franz für den Ball

geben. 

Der Franz lehnte ab. „Und wenn ich dir meinen ferngesteuerten

Ferrari gebe?”, fragte der Josef. 

Der Franz lehnte ab. 

„Und wenn ich dir zehn Euro und den Ferrari

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gebe? Und meine alten Playmobil-Sachen 

dazu?”, lockte der Josef. 

Der Franz lehnte ab. 

„Aber er würde so gut zu meinem Heiligtum

 passen”, bettelte der Josef.

„Ich borge ihn dir”, sagte der Franz. „Aber

nur, wenn ich ihn besuchen darf, sooft ich mag.

Und zwar ohne vorher anzuklopfen!”

„Okay”, rief der Josef, schnappte sich den

Fußball, trug ihn in sein Zimmer und legte ihn

auf das Bücherregal, neben das Heiligtum. Und

der Franz nahm einen roten Stift und schrieb auf

das Schild an der Tür vom Josef, unter

EINTRITT VERBOTEN:

„Gilt nicht für Franz!”