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Notiz tiber die Linsenentbindung bei der modifi- cfrten Linearextraction und vereinzelte Bemer- kungen fiber das Verfahren. Yon A. v. Graefe. Die Frage, ob man bei der modificirten Linearextractiou jedwede Tractionsinstrumente entbehren kSnne, ohne dass die Sicherheit und Leichtigkeit des Linsenaustritts darunter leidet und ohne dass der Glaskiirper durch ge- steigerten Druck yon aussen her in fiberwiegender Weise gefahrdet wird, hat wohl alle Praktiker, dercn Aufmerk- samkeit sich auf dieses Verfahren gelenkt, lcbhaft be- schiKtigt. Dass den Tractionsinstrumenten, die wir ill alas Inhere des Auges einftihren, mSgen sic die eine oder die andere Form haben, verschiedentliche Nachtheile anhaften, konnte kein unbefangener Beobachter in Ab- rede stellen; auch ergab sich bei dem Versuch, dieselben giinzlich zu verbamen, bald, dass die Linsenentbindung mrk!ich (lurch den einfachen Druck yon aussen her immer zu effectuiren ist. Allein trotzdem hatte ich ill meiner letzten Arbeit fiber dell Gegenstand (s. Archiv f. Ophth. Bd. XII, 1 pag. 175) den Ausspruch nicht wagen zu dfirfen geglaubt, class tier Tractionshaken unbedingt bei Seite zu setzen sei. Es schien mir viehnehr diejenige

Notiz über die Linsenentbindung bei der modificirten Linearextraction und vereinzelte Bemerkungen über das Verfahren

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Notiz tiber die Linsenentbindung bei der modifi- cfrten Linearextraction und vereinzelte Bemer-

kungen fiber das Verfahren.

Yon

A. v. Graefe .

Die Frage, ob man bei der modificirten Linearextractiou jedwede Tractionsinstrumente entbehren kSnne, ohne dass die Sicherheit und Leichtigkeit des Linsenaustritts darunter leidet und ohne dass der Glaskiirper durch ge- steigerten Druck yon aussen her in fiberwiegender Weise gefahrdet wird, hat wohl alle Praktiker, dercn Aufmerk- samkeit sich auf dieses Verfahren gelenkt, lcbhaft be- schiKtigt. Dass den Tractionsinstrumenten, die wir ill alas Inhere des Auges einftihren, mSgen sic die eine oder die andere Form haben, verschiedentliche Nachtheile anhaften, konnte kein unbefangener Beobachter in Ab- rede stellen; auch ergab sich bei dem Versuch, dieselben giinzlich zu verbamen, bald, dass die Linsenentbindung mrk!ich (lurch den einfachen Druck yon aussen her immer zu effectuiren ist. Allein trotzdem hatte ich ill meiner letzten Arbeit fiber dell Gegenstand (s. Archiv f. Ophth. Bd. XII, 1 pag. 175) den Ausspruch nicht wagen zu dfirfen geglaubt, class tier Tractionshaken unbedingt bei Seite zu setzen sei. Es schien mir viehnehr diejenige

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Periode meiner Praxis, in weleher ich alle Staare (120 hintereinander) lediglich dutch iiusseren Druck entbun- den, die wsniger gltickliche gewesen zu sein. Ich schob dies aaf den verhiiltnissmiissig langsamen und etwas mtih- samen Linsenaustritt, den wir bei disser Technik ftir die ziihesten, resp. der inneren Kapselfliiche stark anhaftenden Staare beobachteten, und ich liess demnach ftir die Trac- tionsinstrumente einen gewissen, wenn auch sehr engen Kreis yon Indicationen tibrig.

In der That gIaube ich auch heuts noch, dass meine Schlussfolgsrung, gegentiber den damals vorliegenden und dutch die genaueste Verzeichunng aller Einzelnheiten mSglichst gesichteten Thatsachen, eine richtigs war. Allein sit bezog sich auf denjenigen Modus des Manoeu- vre's, dsr mir zur Zeit als tier zweckmiissigste erschien, namlich auf das sogenamite Schlittenmanoeuvre, bei wel- ehem die sclerale Wundlefze successive in ihren ver- schisdensn Bezirken herabgedrtiekt und hierdurch theils das entsprechende Klaffen der Wunde, theils aber, in Verbindung mit dem Gegendruck der Fixirpincette, die nSthige vis expellens erzeugt wird. Dass dies Manoeuvre die mechanische Anforderung bei der Linsenentbindung nicht in vollkommener Weiss erftillt, wurde mir erst all- malig klar. Es wirkt dabsi, um es in der Ktirze zu sagen, ein zu grosset Antheil der verwendeten Kraft lediglich als Steigerung des intraocularen Drucks ohne eins directs Beziehung zur Austrittsbahn der Cataract einzugehsn. Der Gsgendn~ck, den wit mit der Fixir- pineetts austiben, ist allerdings dabei fiir die Einstellung des Staars in die Wunde sehr fSrderlich, aber bei vor- riickendem Staar folgt dsr Angriffspunkt des Pincstten- drucks nicht in erwiinschter Weiss nach, und wir miisser. uns wohl htiten, dutch eine progressive Steigerung dieses Druckes diejenige Fortpflanzung desselben auf den un- teren Linsenrand zu erwirken, welche ein u

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jenes Angriffspunktes in aufsteigender Richtung uns un- mittelbar in die Hand geben wtirde. Hierdurch erkltirt es sich, dass bei compacten resp. mit der Kapsel enger verbundenen Linsen die Entbindung durch das Schlitten- manoeuvre eine relativ langsame und miihsame ist, wenn wir nicht etwa bei den seitlich gleitenden Bewegungen mit dem LSffel den Druck in einer ftir die Integritt~t des GlaskSrpers geftihrlichen Weise steigern. Ich hatte bei jenen Staarformen immer die Htilfe einer direct auf die austretende Linse wirkenden, gewissermassen in je- dem Moment des Austritts nachschiebenden Kraft ver- misst, welche uns die, unmittelbar in die Austrittsbahn fallende Wirkung der Tractoren ersetzt. Diesem Mangel nachgehend, bin ich zu einem anderen Modus der Linsen- entbindung gelangt, den ich zunt~chst beschreiben und fiber dessert Vortheile ich dann einige Worte hinzu- fiigen will.

l~achdem die ersten drei Acte der Operation ganz in der friiher empfohlenen Weise verrichtet - - nur die Fixirpincette nehme ihren hngriffspunct nicht gerade unter dem untersten Hornhautpunct, sondern (urn das Anlegen des LSffels nicht zu geniren) 1 - - 1 1 / 2 "t nasen-

wttrts yon demselben - - lege ich einen aus gehi~rtetem Caoutchouc gearbeiteten, gut gegltitteten Lfffel, ungeftthr yon dersclben Gestalt, wie er friiher beim Schlitten- manoeuvre gebraucht wurde*), mit seiner convexen Fliiche

~) Die Form des Instrumentes ist iibrigens ziemlleh gleichgiiltig; nur auf eine starke und gleichm~issig zugerundeteConvexit~t des Riickens ist Gewieht zu legen, damit nicht beim Aufw~irtssehieben ~liings der iiusseren Hornhautfl~iehe oder beim Rotiren die Epithelialfl~ehe insu!- tirt werde. Auch die Hiihlung resp. die ganze liiffelartige Form w~re entbehrlieh und ein solides eylinderartiges Instrument Fdr die quasi walzende Bewegung brauchbar, wenn wir nicht einmaI an:die Fiih- rung solcher liiffelartiger Instrumente gew6hnt w~ren~ die uns iibrigens jedenfalls naeh welt vorgeriicktem Staaraustritt eine augenehme Hiilfe zur Unterstiitzung des Staarrandes and Entfernung des Staars aus dem Auge gew~hrcn. - - Auf die Anfertigung aus Caoutchouc statt aus Metall

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gerade auf den unterenHornhautrand, drehe ihn derart um seineAxe, dass die LSffelhiihlung halb nach oben sieht, uad nunmehr die dem oberen Rand benachbarte Partie des Riik- kens sanft gegen den untersten Hornhautbezirk stemmt. In dieser Position und unter Einhaltung eines constanten Druckes, mache ich mit dem LSffel eine kurze l~tngs der Hornhautbasis aufwitrtsschiebende Bewegung yon etwa 1/2'" Excursion, wiihrend welcher sofort der obere Staarrand in die spontan aufklaffende Wunde vorriickt. Hiernach drticke ich mit demselben Theile des L(iffel- rtickens anfanglich fast gegen das Centrum des Auges, dann aber, je mehr der Staar sich entwickelt, in einer immer starker aufwiirts steigenden Richtung, his endlich der L0ffel beinahe in tangentialer Richtung an der Horn- hautoberfl~che aufw~irts rfickt, wobci cr den Staar so zu sagen vor sich her- und zur Wunde hinausschiebt. Ist der Staar zum grSssteu Theil entwickelt, so kann wie gew0hnlich die Entbindung durch Anlegung des Liiffels an den ausgetretenen Rand beendet werden; bei weicherer Corticalsubstanz scheint es indessen riithlicher den Staar, bis zum Austritt der letzten Partieen, yon der iiusseren Hornhautfliiche her zu verfolgen, um nicht Rindenmassen zurtickzulassen, welche ein nachtrligliches Ausquetschen durch die Lider hindurch crheischen. Be- sonders hat man darauf zu achten, nicht zu rasch you der zur Hornhaut senkrechten Druckrichtung in die tan- gentiale fiberzugehen; die erstere ist cs, welche, indem sic das Linsensystcm um seine transversalc Axe stfirzt,

ist gewiss kein iibertriebenes Oewicht zu legen, doch ist die Beriih- run e des Auges mit jener Substanz eine weniger empfindliche, was vieUeicht bei dem liingeren engen Contact des Instrumentes mit der Hornhautoberfliiche nieht ganz gleiehgiiltig ist. ])as leichte Yedern des Instrumentes, welches allerdings etwas Ungewohntes ist, sicher t gerade, wenn wit uns einigermassen daran gew~ihnt, dem Manoeuvre seine Zartheit.

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dasselbe zugleich zwingt, sich in seiner Totalitiit Raum in der klaffenden Wunde zu suchen, und erst, nachdem man dieser Einstellung in toto versichert ist, daft man mehr und mehr in die aufwhrts schiebende Richtung tibergehen. Ein Fehlgriff in dieser Beziehung straft sich leicht mit Abliisung der unteren Corticalmassen. Die Regeln, welche zur Sprache kommen, sind fibrigens mu- tatis mutandis ganz die aus der Technik der Lappen- extraction bekannten. Sperrelevateur und Fixirpincette, welche letztere hier nicht den mindesten Druck aufs Auge austibt, bleiben bis zum Schluss der Operation i~ Function.

Das Manoeuvre selbst gcwahrt dem Zuschauer einen sehr verschiedenen Eindruck, je nach tier Spannung des Auges. Dieser zufolge diffcrirt nattirlich das Maass des anzuwendenden Drucks. Bei solchen Augen, die auch nach Abfiuss des Kammerwassers einen markirten posi- tiven Druck beibehalten, geniigt, nachdem einmal die Einstellung des Staars erreicht, zuweilen eine Andeutumr des LSffeldruckes, um die Linse herauszubefSrdern; selbst- verst~ndlich muss bier auch nicht mehr als nSthig ver- wendet werden, abet man muss desto mehr darauf be- dacht sein, die Linse sammt der ganzen Corticalis mit einem Wurfe zu entleeren, well die Schwierigkeit der nachtriiglichen Rindenentleerung proportional zum Augen- drucke w~ichst.*) Hi~rt dagegen nach Abfiuss des Kammer-

~) Die Leichtigkeit der naehtriigliehen Rindenentleerung mitre[bar dutch die Lider h~ingt ab yon der Reproduction des Kammerwassers, dutch dessert wenn auch spurenweise Ansammlung die Rindenmassen die nSthige Verschiebbarkeit erhalten. Ist das Auge verhiiltnissmiissig gespannt, so kommt es m was aueh mit der langsamen Restitution des Kammerraums unter diesen Umst~nden zusammenhiingt - - nicht so raseh zur Transsudation yon Humor aqueus; die etwa zuriiekge- lassene Rinde erh~lt keine Versehiebbarkelt und liegt zwisehen der angespannten hinteren Kapsel and der Cornea wie eingeklemmt. Von den hieraus hervorgehenden Sehwierigkeiten fiir die nachtr~igliche Ent_

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wassers jedwede Spannung des huges auf (Co]lapsus eorneae), so muss auch der Rticken des LSffels zuni~chst so stark einwirken, dass wieder ein positiver hugendruck entsteht. Hierbei und bei dem weiteren Verfolgen des Staars gr~bt sieh das Instrument oft sichtlich in die ohnedem eingesunkene Hornhautoberfiache ein, und man wtirde geneigt sein, den Act ffir verletzend zu halten, wenn nicht die Erfahrung dessert Innocuit~tt erwiese, ein Punkt, auf den ich weiter unten zurtickkommea werde.

Es ist bereits oben angegeben worden, dass die Miingel des Schlittenmanoeuvres haupts~tchlich darin be- ruhen, dass der Pincettendruck nicht wiihrend der Linsen- entwicklung eine geeignete Verschiebung seines Angriffs- punktes gegen die Hornhautmitte hin erh~lt. Diese Ein- sicht gab mir zun~tchst Motive, den Druck gegen die sclerale Wundlefze mit einem LSffeldruck auf den untern Hornhautrand zu verbinden, welcher die vermisste Ver- schiebbarkeit des Angriffspunktes gestattete. Die Fixation des Auges musste hierbei, da beide H~nde des Operateurs beschi~ftigt, einem Assistenten fibergeben werden. Hier- mit war denn die Technik im Wesentlichen ganz die n~mliche, wie wit sie frtiher bei der Lappenextraction einschlugen, nur dass der Druck nicht mittelbar dutch die Lider, sondern unmittelbar mit dem LSffel ausgetibt ward. Allein ich tiberzeugte reich soibrt, dass die Com- bination eine fiberfitissige war, da der yon unten her

leerung wird sich ein jeder Operateur, der auf die grossen Differenzen des Augendrucks nach abgeflossenem Kammerwasser achtet, leicht Re- chensehaft geben. (Diese Differenzen lassen sich, beil~iufig gesagt, aus den Spannungspriifungen vor der Operation keineswegs praeise voraus- sagen und bediirfen, da sie fiir manehe ~Iomente der Heilung hSehst wiehtig sind, noeh eingehender Studien.) Ist der Augendruck, wie h~afig, nach Abflass des Kammerwassers fast Null oder negativ (collapsus corneae), so stellt sich augenblicklich ein Theil des Humor aqueus wieder her und bedingt jene tiir die nachtr~igl[che Rindenentleerung so h~ilfreiche Verschiebbarkeit.

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richtig geleitete 'Druck ffir sich das namliche Resultat erzielt und das Doppelmanoeuvre sammt Uebergabe der Fixationspincette an den Assistenten die Umst~ndlichkeit crheblich vermehrt. Bei dcr Lappenextraction ist es in der That rfithlich, den peripheren Hornhautrand herab- zudrficken, weil sonst der Linsenrand gegen denselben ~tnstemmt und die Iris quetschen kann. Bei der modi- ficirten Linearextraction f~llt aber jenes Motiv weg; da die innere Wunde dem Linsenrande vSllig gegen(iber iiegt, so schl~gt auch der Linsenrand die natfirlichste Strasse des Ausweichens, n~mlich diejenige ill den Wund- canal, auf welsher sic nicht einmal mehr den geringen Widerstand der h'is findet, sofort ein, wenn die geeignete vis expeltens in Wirkung tritt. Aber nicht allein ftir die Einstellung der Linse, sondern auch fiir das weitere Vorrticken ist tier Druck yon oben durchaus entbehrlich. KSnnte man a priori denken, dass wegen der Dicke der Linse gewissermassen ein Auseinanderhalten der Wund- lefzen die Passage erleichtere, so beweist der Versuch, dass bei richtiger Abmessung der WundgrSsse die ein- riickende Linse am besten, wie ein Keil, ffir die geeignete Wundform sorgt, tier ja die nachgiebigen Weichtheile in keiner Weise entgegentreten. Es erwiichst hierbei der Vortheil, dass die Wunde in jedem Augenblick yon der Linse selbst vollkommen und gleichm~tssig ausgeftillt wird, ohne dass etwa zwischea ihr und der scleralen Wundlefze irgend ein Vacuum ez~tsteht, in dessert Bereich der Druck auf den benachbarten GlaskSrper fallt. Mit einem Worte, ich war bald davon durchdrungen, das~ jedwedes Zurtick- halten oder Niederdriicken der scleralen Wundlefze durch- aus entbehrlich sei und blieb seitdem lediglich bei dem oben beschriebenen einfachen Manoeuvre.

In den letzten acht Monaten wurden alle Staare in der betreflbnden Art entbunden; deren Zahl betrug 230, so dass ich bereits Gelegenheit hatte, mir eine ziemlich

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sichere Ueberzeugung fiber den Werth dieser Abanderung zu bilden. Ich mSchte die Vortheile, welche ich nicht gering anschlage, in Folgendem zusammenfassen:

1. Es gelingt die Entwicklung a l l e r Linsenformen mit einer befriedigenden P r a c i s i o n und, wir kiinnen sagen, mit einer so grossen G l e i c h m a s s i g k e i t , als es irgend die Verschiedenheit in der Zahigkeit undl Ad- harenz an der inneren Kapselfiiiche zuliisst. Man beob- achtet selbst ftir die-zahesten Formen nicht jene pro- trahirten Entbindungen, wie sie beim 8chlittenmanoeuwe vorkamen, wahrend welcher die sich einstellende Linse momentweise ganz stille steht, sich so zu Sagen in die Wunde einstemmt, statt continuirlich, sanft schlfipfend hervorzutreten. Ich glaube demnach, dass ffir die un- gfinstigeren Staarformen, die Contusion der Wundrander, welche ich beim Schlittenmanoeuvre in gewissem Grade zugeben musste, hier wegfiillt. (Nur zweimal unter 230 Fallen sah ich mich gen/ithigt, ein Tractionsinstrument anzuwenden; das eine Mal, weil die Wunde um ein We- niges zu klein ausgefallen war, wie ich es gleich bei der Contrapunktion bemerkte; das andere Mal, weil der Pa- tient, welcher wegen fibermassiger Aengstliehkeit chloro- formirt worden war, naeh dem dritten Act mit einer ungestiimen Bewegung erwachte und GlaskSrper vor der Linse austrat.)

2. Es wird wegen der besseren Benutzung der Kraft und wegen der gleichm~tssigen Ausfiillung der Wunde durch den keilf6rmig vorrfickenden Staar der Procent- satz yon G l a s k S r p e r v o r f a l l e n noch geringer als er es frfiher war. Ich ziihlte unter den 230 Fallen im Ganzen nur 9 Glask0rpervorfiille, also noch nicht 4 Proc., und unter diesen neun zeigte sich dreimal ein sogenanntes effluvium corporis ~'itrei schon bei der Schnittffihrung, welches der Operationsmethode in keiner Weise zur Last fallt und welches sogar in zwei Fallen yon vornherein

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als wahrscheinlich prognosticirt war (wegen Ueberreife der Cataract mit Kapselaufiagerungen, mangelhafter Er- weiterbarkeit der Pupille durch htropin und Iridodo- n e s i s - Umst~inde, aus deren Zusammentritt wir fast mit Sicherheit auf Defectuositiiten der Zonula schliessen kSnnen).

3. Die C o r t i c a l m a s s e n selbst da, wo sie eine Tendenz haben sich vom Staarkern abzulSsen, sind meist vSllig rein herauszuschaffen, ohne das se s eines nach- triiglichen Ausdriickens derselben durch die Lider bedarf. Sehen wir w~ihrend des LSffeldrucks, dass die untere Corticalis sich ablSsen will, so ziehen wit- den Liiffel auf der Hornhautoberfl~tche wieder zurtick, um einen tieferen Stiitzpunkt zu gewinnen, und wiederholen nun den an- fangs senkrechten, dann mehr und mehr tangentialen Druck, wobei sich die Corticalis dem austretenden Kern wieder anschliesst. Aber auch nach vSlligem Austritt des Kernes lassen sich, falls der Augendruck ein massiger ist, die Corticalmassen sehr gut durch ein erneutes Liiffel- manoeuvre ausstreichen, ohne dass wir, wie zum indirecten Ausdriicken durch die Lider hindureh den Sperrelevateur und die Fixirpincette zu entfernen und die Willkfihr des Patienten zu beanspruchen haben, ein Vortheil, der na- mentlich bei Chloroformirten yon Gewicht ist. - -

Allenfalls h~ttte ich noeh zu bemerken, dass der Operateur, welcher es vorzieht, nur mit der rechten Hand zu operiren, bei der beschriebenen Manipulation seine Stellung ffir das linke Auge nicht nach dem dritten Act ztt iindern braucht, was obwohl siichlich irrelevant, doch die Bequemlichkeit erhiiht.

Den angegebenen Vortheilen gegenfiber kfnnte sich der Einwurf geltend machen, ob nicht die nachdrtickliche Berfihrung tier Hornhaut mit dem Liiffelrtieken oder gar das Eindrticken der Hornhaut, wenn deren Collapsus ~oranging, nachtheilige Momente ftir den Heilungsprocess

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in sich schliesse. A priori ist es wobl schwer, diese Beftirchtung, die aueh mir vorschwebte, zu entkritften. Indessen muss bedacht werden, dass das Nachtheilige entweder in einer Yerletzung der Epithelialfliiche oder in einer Quetschung liegen mfisste. Von ersterer ist bei unserer Manipulation (und der zarten Substanz des L~f- fels) keine Retie und die letzte kSnnte fiiglieh nur prii- sumirt werden, wenn ein ausreichender Gegendruck auf die innere Hornhautfli~che wirkte. Wo aber noch ein leid- licher Rest des Augendruckes nach hbfluss des Kammer- wassers vorhanden ist, da bedarf es, wie obcn erwahnt, nur eines i~usserst massigen LSffeldruckes; und wo um- gekehrt collapsus corneae eintrat, bedingt es die Erschlaf- fung der Membran, (lass auch ein sehr auffalliger Ein- druck derselben durch den LSffel nur eine geringe StSrung des elastischen Gleichgewichts darstellt; zu einer scharfen Einknickung der Hornhaut im strengeren Sinne des Wortes soll es tibrigens auch hier hie kommen, da in keinem Moment der LSffelrand selbst gegen die Hornhaut- oberfl~tche arbeitet. Wir haben auch in Fallen der letz- teren Art trotz des Eindrtickens der Horahaut die Em- pfindung, dass die Linsenentbindung an sich sehr leicht vor sich geht: da eben jede Spannung aufgehoben, so findet eine volle Uebertragung der Kraft auf das zu ent- wickelnde Linsensystem statt, wir s chic b e n deshalb das letztere ganz in derselben Weise vor dem Instrument her, wie es ein Tractor nach s ich z ieh t , mit dem gewich- tigen Unterschiede, dass wir eben nur yon aussen mani- puliren.

Eine endgtiltige Entscheidung konnte indessen auch ftlr diesen Punkt nur dutch die Erfahrung gewonnen werden. Ich war deshalb bemiiht, in meinen Operations- protocollen die Modalit/it, in welcher der L5ffel gegen die Hornhaut gewirkt, genau anzugeben, um mir eiuen et- waigen Einfiuss dieses Umstandes auf den Verlauf nicht

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entgehen zu lassen. Ueber den 230 Fallen finde ieh 28 Mal notirt: ,,der LSfiel muss, um seine Wirkung zu entfalten, die Hornhaut stark eiudrticken" und sieben Mal hierunter ist eben dieser Umstand als ,,in seinem Maxi- mum" bezeichnet. Wenn ich nun hinzuffige, dass in allen diesen sieben Fi~llen ein absolut normaler Verlauf, in siimmtliehen 28 Fallen nur drei Mal ein anomaler Ver- lauf (einmal mit vollem Resultat, einmal mit balbem und einmal mit zweifelhaftem Resultat) beobachtet wurde, so kSnnen wir vergleichsweise zu dem Gesammtresultat der Operation nut schliessen, dass die stiirkere Gegenwirkung des LSffels gegen die Aussenfli~che der Cornea ohne Be- deutung ffir die Resultate ist. Namentlich dtirften die sieben F~tlle, in denen der Umstand sich am schlagendsten geltend machte mid der Verlauf dennoeh vSllig normal ausfiel, diesen Schluss unterstfitzen. - -

In Summa glaube ich, dass alas empfohlene Manoeuvre der Linsenentbindung die Sicherheit der Operation noch in erfreulicher Weise steigert und wegen der leichten Ausftihrung die allgemeine Annahme derselben fSrdern wird. Beziehen sich auch die Vortheile desselben auf die bei Weitem geringere Quote yon Cataracten, wish- rend fiir (lie weicheren und halbharten der frtihere Ent- wicklungsmodus (durch Depression der scleralen Wund- lefze) zul~tssig bleibt, so entspricht es gewiss den Wfin- schen, eine ftir alle Bedingungen gleich passende und bequeme Technik zu besitzen, die uns zugleich yon deu Tractionsinstrumenten in einer definitiven Weise befreit.

Noch einige wenige Bemerkungen fiber das Ver- fahren sei es mir erlaubt hier anzuschliessen. Seitdem ich den oben beschriebenen Modus der Linsenentbindung angenommen, vollende ich den Schnitt, unter Beobach- tung aller sonstigen Regeln, bei etwas wen ige r s t e i l e r Messerffihrang. Ob die Gegenwirkung des Messerrtickens

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gegen die vordere Irisfliiche irgend yon Belang ist, weiss ich nicht anzugeben, jedenfalls vermeidet man dieselbe bei einer etwas schr~igeren Richtung. Zu erwithnen ist hierbei ferner, dass, wie es die sinnreichen Versuche yon Ado lph Weber erwiesen haben (s. A. f. O. XIII, 1 p. 210 bis 214), der Schluss grosser linearer Wunden genauer aus- f~llt, wenn deren Canal nicht vSllig senkrecht zur Scle- ralfliiche steht - - ein Umstand, der besonders da eine prac- tische Bedeutung gewinnen dtirfte, wo tier Augendruck ein relativ grosser ist. Frtiher zog ich eine mSglichst steile Richtung des Wundcanals der m~tssig schrRgen beson- ders deshalb vor, weil mir erstere ftir den damaligen Modus der Linsenentbindung willkommener erschien, wah- rend bei dem jetzigen Expulsionsmanoeuvre sich die letztere durchaus eignet. Ein etwas schrRger Wundcanal stimmt auch noch mehr als ein streng senkrechter mit der natiirlichen Austrittsrichtung der Cataract. Das Princip der Linearitiit leidet bei einer solchen leicht schriigen Richtung in keiner nennenswerthen Weise und dtirfte der geringe Zuwachs der ohnedem minimalen LgppenhOhe, etwa bis auf 1/8'" (statt 1/6 '" oder 1/4'") dadurch aufgewogen werden, dass noch ein grSsserer Theil des Wundcanals innerhalb des Scleralgewebes flillt.

Hinsichtlich der W u n d g r 5 s s e hiitte ich an meinen urspriinglichen Vorschriften hSchstens abzuiindern, dass ich fiir die ganz harten und zugleich dicken Cataraeten cinen Abstand der Wundwinkel yon 5 " ' ftir angemessener als yon 43/4 ``` halte. Ftir die ganz harten, abet abge- fiachten Linsen geniigt 43/4 ''1, obwohl die kleine Zugabe gewiss auch hier nichts schadet. Es giebt immer noch sch~tzenswerthe Fachgenossen, welche die Furcht vor C o n t u s i o n yon der Ausftihrung der modificirten Linear. extraction zurfickh~tlt. Nach den Erfahrungen, welche dieselben bei dem ursprtingliehen LSffelverfahren, s0fern sie dasselbe gegen meine Grundsiitze verallgemeinerten,

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oder auch noch nach des englischea Methode gemaeht, finde ich deren Bedenkeu wohl begreiflich, muss indessen darauf bestehen, dass die Bedingungen in dieser Bezie- hung sich bei dem gegenwartigen Verfahrea wesentlich auders als dort gestalteu.

Zun~tchst daft der Begriff der Contusion nicht auf seine theoretische Spitze getrieben werden. Will 1nan eine jede Lagen- und Spannungsver~tnderung der Wund- lefzen, an welche sich eine Abiinderung des elastischen Gleichgewicl~ts knfipft, als Contusionsursache betrachten, so bewegt man sich jedenfalls auf einem viel weiteren Terrain, als es der ffir die lntegrititt der Theile geffLhr- lichen, practisch allein zu rechnenden Contusion angeh6rt. I)ies wiirde ich ungefahr der Argumentation yon S te f fan (s. dessert Schrift: E r f a h r u n g e n und S t u d i e n f iber S t a a r o p e r a t i o n, Erlangen 1867, p.23) entgegenzustellen haben, welcher meint, dass eine jede WundOffnuug, welche l~icht eine dem grSssten Staardurchmesser entsprechende Liinge (4"') und eine der grSssten Linsendicke entsprechende H5he (2'") darbiete, zur Contusion Veranlassung gebe, uud welcher hieraus die Nothwendigkeit eines im Scle- ralbord angelegten Lappens von 2 '" LappenhShe dedu- cirt. Werden wir, wean wit eine unter der Haut ge- legene Balggeschwulst zu entfernen haben und in fib- licher Weise langs der H6he der Geschwulst einen Linearschnitt verrichten, eine Contusion der Wundr~nder fiirchten, weil dieselben gegen ihre Gleichgewichtslage etwas auseinandergehalten werden mfissen? Werden wir hierin die Quelle einer schlechten Heilung finden'? Es wird gewiss nur dann hiervon die Rede sein, wenn der Linearschnitt zu klein ausfiel, um bei einem, der Dicke tier Geschwulst entsprechenden Auseinanderhalten des Wundrander, noch den nSthigen L~tngenraum zu bieten, so dass beim Durchtritt der Geschwulst eine gewaltsame Dilatation ertolgen musste. Wird es vollends dem Chi-

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rurgen einfallen, in solchem Falle das lineare Princip seiner Schnitte aufzugeben arm einen Bogenschnitt zu verrichten, damit durch ein einfaches hufheben des Lap- pens die Dicke der Geschwulst passiren k6nne?

Wo die Grenze der ftir das Auge gef~hrlichen Con- tusion liegt, ist schwer anzugeben, und da wires hSch- stens zu einer approximativen Sehatzung bringen und ausserdem dis grSssten individueUen Verschiedenheiten in der Vertr~tglichkeit sich bekunden: so bleibt es gewiss praktisch riehtig, die zum Linsenaustritt nSthige Ab- i~nderung im elastischen Gleichgewicht der Wundriinder an der niedrigsteu Grenze zu halten, welche wir in der Scala der Pr~tsumtionen statuiren kSnnen, hllein ich glaube, dass dies bei dem jetzigen Verfahren der modificirten Linearextraction erreicht ist. Wenn "eine lineare Wunde yon 5 '" sich unter dem sanften An- legen eines LSffels an den unteren Hornhautrand 5if- net, so wird es sich nur darum handeln, oh die inhere Wunde bei der fiir die Linsendicke nSthigen Klaffung auch die dem Linsendiameter entsprechende L~tnge be- halt. Die Untersuchung lehrt, dass bei der yon mir empfohlenen Technik die innere Wunde (bei einer i~usse- ten Wunde yon 5'") sich auf 41/2'" bel~tuft, und sieh selbst bei der ftir die dickste Linse erforderlichen Klaf- fang yon 21" (und abgesehen yon jeder dilatirenden Wir- kung des hugendrucks) nicht vSllig bis auf 33/41'' verktirzt. F~lle, wo der Staar bei 2'" Dicke voile 4"' Durchmesser bietet, geh0ren bereits zu den husnahmen, allein selbst dann wtirde nur ein i~usserst kleines Missverh~ltniss, yon weniger als 1/k"' , zwischen der inneren Vvunde und dem Linsendurchmesser bestehen, ein Missverhi~ltniss, welches dutch eine ganz leichte Dehnung der Wund- ri~nder (theilweise sehon durch den Augendruek selbst) und durch die Compression der Linse meines Erachtens ohne Gefahr tiberwunden wird. Wie wichtig fiir diese

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Zweckerreichung die stricte Gegenfiberstellung der inneren Wunde zum Linsenrande, das Zusammenfalleu des Wund- canals mit der nattirlichen Austrittsbahn des Staars und die Expulsionstechnik selbst ist, braucht bier nicht noch einmal eriirtert zu werden. In der vollen Ueberzeugung, dass jenes minimale Missverhaltniss, welches ftir eine ge- ringe Quote yon Fallen zugegeben werden muss, ohne nach- theilige Consequenzen ist, habe ich reich auch nicht zu einer noch grSsseren Ausdehnung der Wunde entschliessen kSn- hen, indem die Periphericitat der Wundwinkel, fiber eine gewisse Grenze hinaus, anderweitige Bedenken bietet; und noch weniger habe ich mich deswegen zu der Wieder- einftihrung irgend einer nennenswerthen LappenhShe be- ~'ogen geftihlt. Es scheint mir hier dasselbe, was frtiher ftir die Lappenextraction ge~tussert, zu gelten, dass so lange tier Linsenaustritt unter einer gelinden Kraftwir- kung in einer ganz gleichmassig vorriickenden, sanft schliipfenden Weise erfolgt, so lange wit in keinem Mo- mente das Gcftihl eines Auhaltens oder Gegenstemmens gegcn ein Hinderniss haben, wir uns unterhalb jener niedrigsten Grenzc der gefahrlichen Contusion befinden. 1)ass ~nanche Augen auch ein hohes Mass der Contusion gut vertragen, ist wohl allen Operateuren aus tier Geschichte ihrer Operationen bekannt, aber es kommt mir nicht ill den Sims, dicse Vertraglichkeit, welche wir im einzelnen l~'alle nicht pr~isumiren dtirfen, ftir das Princip einer Ope- ration auszubeuten.

Hinsiehtlich der i r i s e x c i s i o n , so muss ich auch naeh den neueren Erfahrungen meinen zuletzt gegebenen I-lath, dieselbe grtindlich und gewissermaassen in der Tiefe des Wundcanals x'orzunehmen, aufreeht erhalten. Die Vorsicht ist eine um so wichtigere, je relativ star- ker der Augendruck ist. Doch mag ich mich selbst bei Collapsus corneae nicht entschliessen, den prolabirenden Irisabschnitt theilweise zu schonen; denn wenn auch hier

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die Reposition momentan gelingt, so dr~tngt sich bei Herstellung des hugeudrucks doch die Iris leicht wieder hervor, und man erhtilt mehr Einklemmung oder Pro- lapsus Iridis ni~chst den Wundwinkeln, welchen m(iglichst zu vermeiden gewiss unser Ziel sein muss; bedingen sie doch, abgesehen yon allen iibrigeu Nachtheilen, zu denen unglticklichen Falles noch lange nach der Operation aus- brechende Zufitlle gehSren kSnnen, eine viel ungtinstigere Form der Pupille, als wenn bei Zuriickschlfipfen des Sphincter in seine natiirliche Lage das Colobom an sich etwas breiter ausgefallen ware. Dagegen kann ich auch jetzt nur wiederholen, dass bei vSllig entspannten hugen tiberhaupt weniger Iris prolabirt*) und deshalb auch eine geringere Excision yon NSthen ist.

Anch in dem d r i t t e n Act habe ich nicht das Mindeste geiindert. Die Art und Weise meiner Kapsel- erSffnung schien mir iiberall da, wo nicht vorgerfickte Kapselauflagerungen die partielle oder totale Kapsel- extraction indiciren, die Anforderungen zu erftitlen.

Ueber die G e s a m m t r e s u l t a t e kann ich reich zur Zeit noch etwas giinstiger aussprechen als in meiner letzten Arbeit, was ich grSsstentheils der Verbesserung des vierten Aktes zuschreibe. Besonders gewinne ich yon dem verhiiltnissmiissig selteneren Vorkommen der N a c h s t a a r e spitterer Bildung mehr und mehr Ueber- zeugung; es ist jedoch schwer, hierftir Zahlenbeweise anzufilhren, da in Summa nur der geringere Theil der Operirten sich nach langem Zeitraume wieder vor- stellt, und da die sp~tere Bildung der Nachstaare nur zum Theil den u bei der Operation, zum

~) Bleibt der Prolapsus g~inzlich aus, und will man nieht- unnii- thigerweise mit der Pineette eingehen; so rathe ieh nach dem ersten Act ein angefeuehtetes weiehes Sehw~immchen sanft iiber da~ huge zu streichen, wodurch die gerade fiir den Zweek "ausreiehende Muskel- contraction ausgeliist wird.

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grossen Theil auch den Eigenthiimlichkeiten der Cata- ractformen resp. der betroffenen hugen zuzuschreiben ist. Der geringe Reiz, den die Operation im hllgemeinen setzt, dtirfte es erkliiren, dass dieselbe, ceteris paribus, auch zu jenen schleichenden Neubildungsvorgiingen an der Kapsel resp. deren Zellen weniger Anstoss giebt.

Ueber den allgemeinen Werth der Operationsme- thode hat die Meinung competenter Fachgenossen sich fast einstimmig ausgesprochen. Es ist gewiss keine leichte Aufgabe fiir ein ungewohntes, vSllig neue Ein- tibung erheischendes Verfahren den Vergleich mit einem hergebrachten zu bestehen, in welchem die ttichtigeren Augen~rzte bereits eine volle Gel~ufigkeit oder selbst eine Meisterschaft erlangt haben, und es muss selbst die ktihnsten Erwartungen fibertreflen, wenn schon nach kurzer Zeit die Wage sich zu Gunsten des ersten neigt. Dass solches nun wirklich der Fall ist, dass fast Keiner yon Denen, welche das Linearmesser in die Hand ge- nommen, wieder in generellerer Weise zum Lappenschnitt zurtickgekehrt, entnehme ich aus den freundlichen Mit- theilungen, mit denen meine Fachgenossen reich versehen, wie auch die Kundgebungen in dem jtingst zu Paris ab- gehaltenen augeni~rztlichen Congresse und die Oeffent- ]ichkeit daftir zeugen. Ermtmternd filr den zwischen Lappenschnitt und Linearschnitt noch Unschltissigen mils- sen gewiss die Ergebnisse yon Arl t , Donder s , Bow- man, C r i t c h e t t , H o m e r , Mooren , Knapp , Roth- mund , M a n n h a r d t und so vieler anderer gewiegter Fachm~tnner sein, welche im Verlaufe ihrer Praxis nach den versehiedensten Verfahren operirt haben, und denen deshalb (lie allein fruchtbare Entscheidung des Vergleiches zusteht.*) Wie es allen ~Neuerungen in der Kunst er-

~) Dass der Vcrgleich des Operationsverlaufs an beidea Augen desselben Individuums nur die aUervorsichtigsten Schliisse gestattet, ist zur Geniige bekannt. Beobachten wir doch Mufig genug, (lass der

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geht, so haben sich auch gegen die modificirte Linear- extracion in ihrer gegenw~trtigen Form einzelne Stimmen erhoben, allein es spricht gewiss ftir die Sache, (lass die Verdammungsurtheile nur yon solchen Fachgenossen herriihren, denen keine eigene Erfahrungen zustehen und welche wir deshalb, bei aller HSfiichkeit, als Fremdlinge auf dem Boden dieser Frage betrachten miissen.

Lappensehnitt, ~,enn er auf dem einen Auge zum Ruin gefiihrt, auf dem anderen ein vortreffliehes Resultat liefert. Dass die Prognose fiir das zweiterkrankte Auge (hinsichtlieh der Lappenextraction) caetiris parl- bus besser ist, habe ich bereits friiher zu begriinden gesueht u. s. w. :Es darf uns hiernach ein einzelner Fall - - aus dem man unter Um- stiinden aueh die Vorziige der Reclination vor der Extraction deduciren kSnnte - - nicht einmal in die Stimmung zum Sehlussfolgern, wenn ich reich so ausdriieken daft, versetzen. Dagegen wfirden wir dureh die Multiplication solcher Parallelen, unter Abweehselung aller sonstigen Umst~inde sehliesslich einen werthvollen Beitrag zum Beurtheilungs- material erhalten. Ieh gestehe, dass meine individuelle Ueberzeugung yon den u der Linearextraetion vet der Lappenextraetion zu festgestellt ist, als dass ieh reich entsehliessen kSnnte, derartige compa- rative u in grossen Reihen anzustellen, aber die gewShnllehe Praxls erSffnet uns unwitlkiirlieh die einschl{/gigen Gesiehtspunkte. So operirte ieh in mehr als vierzig F{il]en, in welehen auf einer Selte friiher mit Ungliick Lappenextraetion verriehtet (darunter aehtmal yon mir), das zweite Auge mittelst modifieirter Linearextraction: nur eins yon diesen Augen ging zu Grunde, wiihrend zweimal ein halbes, in allen fibrigen ein volles Resultat erreieht wurde. Aueh in neun F~illen, in welchen ich vor Jahren mit bestem Erfolgc (aehtmal mit Erhaltung vSllig runder Pupille) die Lappenextraction verriehtet, entsehloss ieh mich, anf{inglieh mit Zaudern, das zweite Auge dureh Linearschnitt zu operiren: nieht allein, dass alle neun Patienten ein volles Resultat er- hielten, sondern sic versicherten reich, als ieh sic nach l~ngcrer Frist um einen Aussprueh ersuchte, Alle mit Ausnahme eines Einzigen, dass, wenn sic ein drittes Auge zu ~ergeben h~itten, sic die Linearextraction ~v{ihlen wiirden. Die u wurde besonders dutch die geringere Miihseligkeit der Naehbehandlung motivirt. Die Differenzen der Seh- seh~rfe zwischen beiden Augen waren gering and fielen bei der Mehrzahl (wegen des giinstigeren Yerhaltens der Kapsel) zu Gunsten der Linear- extraction aus. Der Eine, welcher sieh lieber einer Lappenextraction hStte untcrwerfen woUen, motivirte seinen Aussprueh durch die grSs- sere Blendung (trotz etwas besserer Sehseh~irfe), die er auf dem zweit- operirten Auge empfand.