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Zeichen am Weg PANNONISCH | EUROPÄISCH | KOSMOPOLITISCH FORUM EUROPAHAUS BURGENLAND | NR. 24 – DEZEMBER 2013 weltgewissen

NR. 24 – DEZEMBER 2013 1 FORUM EUROPAHAUS … · und Werk des Schriftstellers Béla Hamvas. Hamvas beschäftigte sich in den 1920er Jahren mit der Aus arbeitung des Begriffes Krise

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NR. 24 – DEZEMBER 2013 1

Zeichen am Weg

PANNONISCH | EUROPÄISCH | KOSMOPOLITISCH

FORUM EUROPAHAUS BURGENLAND | NR. 24 – DEZEMBER 2013

weltgewissen

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FORUM EUROPAHAUS BURGENLAND

Zeichen am Weg heißt das von Dag Hammar skjöld nachgelassene Tagebuch, das 1963, zwei Jahre nach seinem gewaltsamen Tod, veröffentlicht wurde und dessen Inhalt die Welt in Staunen versetzte. Für die Herbsttagung Globale Entwicklung als Gemein-schaftsfrage – Über die Bildung von internationalen Gemeinschaften als Kunstwerk II, konnte das Euro­pahaus den Kunsthistoriker Roger Lipsey aus New York als Vortragenden gewinnen. Roger Lipsey hat in diesem Jahr die Biographie Hammarskjöld: A Life herausgebracht und kommt darin zur Überzeugung, dass die wichtigste geistige Grundlage für Hammar­skjöld die Lehre und Praxis Jesu und das Buch der Psalmen war. Der in Budapest lebende Philosoph und Autor László F. Földényi präsentierte im Verlauf dieser internationalen Konferenz eine Einführung in Leben und Werk des Schriftstellers Béla Hamvas. Hamvas beschäftigte sich in den 1920er Jahren mit der Aus­arbeitung des Begriffes Krise – nicht nur im histori­schen Kontext, sondern auch in seiner existenziellen

Bedeutung. Er machte es sich zur Lebensaufgabe, nach einer ursprünglichen menschlichen Grundstel-lung zu suchen, dem status absolutus. In der inspirie­renden Analyse des Historikers und Publizisten Franz Schandl aus Wien fiel der Satz: Wir leben nicht unser Leben, sondern wir sind das Personal einer Matrix.

Am 9. November vor 75 Jahren wurde eine Schwelle zu einer bis dahin nicht gekannten Bru­talität und Barbarei überschritten, die in der Folge mehr als 55 Millionen Menschen das Leben kostete. Die Judenpogrome in der so genannten Reichskris-tallnacht 1938 waren das Initial zu einem technisch perfektionierten Mordprogramm und der Ausweis für das Versagen des Gewissens. Wer möchte behaupten, dass die Menschheit den Zivilisationsbruch II. Welt­krieg schon überwunden hat?

Margarethe van MaldegemRedakteurin

Editorial

Ruge, der ihm entgegenbrachte, mit der Scham seien keine Revolutionen zu machen, antwortet er, dass die Scham bereits eine Revolution sei, und definiert sie als „eine Art Zorn, der in sich gekehrte“. Wovon er jedoch sprach, war die „nationale Scham“, die die einzelnen Völker gegenüber den anderen anfällt, so die Deutschen bezüg-

lich der Franzosen. Primo Levi indes hat uns gezeigt, dass es heute eine ‚Scham, Mensch zu sein‘ gibt, eine Scham, von der in gewisser Weise jeder einzelne Mensch befleckt worden ist. Es war dies – und ist noch – die Scham über die Lager, dass geschehen ist, was nicht geschehen durfte. Und es ist eine Scham von dieser Art, wie richtig gesagt worden ist, die wir heute gegenüber einer allzu großen Vulgarität des Denkens empfinden, gegenüber bestimmten Fernsehsendungen, den Gesichtern ihrer Moderatoren und dem selbstgewissen Lächeln jener ‚Experten‘, die ihre Kom-petenz frohgemut dem politischen Spiel der Medien zur Verfügung stellen. Wer je diese stumme Scham empfunden hat, Mensch zu sein, hat in sich jede Verbindung mit der politischen Macht, in der er lebt, durchtrennt. Sie nährt sein Denken und ist der Beginn einer Revolution und eines Exodus, deren Ende er kaum erahnen kann.

Giorgio Agamben (Mittel ohne Zweck, Noten zur Politik)

Noch Marx setzte einiges Vertrauen

in die Scham.„

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László F. Földényi, Die paradoxe Logik des Seins ������������������ 4

Béla Hamvas, Die Melancholie … ��������������������������� 8

Roger Lipsey, Im Gedenken an Dag Hammarskjöld ������������� 9

Dag Hammarskjöld, Ist das Leben arm? … �������������������� 12

Hans Göttel, Hammarskjölds Sterben und Leben ������������� 13

Heinrich Dauber, Meditation … ���������������������������� 17

Lou Marin, Auf welcher Ebene ist ehrlicher Dialog möglich? ���� 18

Konrad P. Liessmann, Dass nun mit Pathos … ������������������ 21

Franz Schandl, Thesen und Bilanzen zu fetischisierten Mustern �� 22

Ulrich Beck, „Der biopolitische Weltbürger“ ������������������ 27

Andreas Gross, Die Bedeutung von internationalen Gemeinschaften 28

Giorgio Agamben, Krise ���������������������������������� 31

Gottfried Wagner, Richard Wagner – eine tickende Bombe ������� 32

Iakovos Kambanellis, Die Freiheit kam im Mai ����������������� 35

Michael StavariČ, Die Melodie der Internationalität ������������ 36

Julia Kristeva, Das Bedürfnis zu glauben … ������������������ 38

Dieter Kramer, Waalwege und Wachstumsgesellschaft ��������� 39

Brigitte Weber, Weltgewissen ���������������������������� 41

Giorgio Agamben, Die sonderbare Beunruhigung der Macht … ��� 42

Hans Göttel, VITALISE ����������������������������������� 43

Peter Kampits, Der Jugendwahn … ������������������������� 44

Angelika Mayer, Natur erleben und begreifen ���������������� 45

Karl Kollmann, Welche Macht hätten Konsumenten? ����������� 47

Alexander Solschenizyn, Wir sind hoffnungslos verstrickt … ������ 47

Maria Jankoschek, 21 Jahre im Europahaus ������������������ 48

Noberto Bobbio, Die Welt der alten Menschen … �������������� 49

Hans Göttel, Garry Davis 1921-2013 ����������������������� 50

Barbara Coudenhove-Kalergi, Die Utopie … �������������������� 50

KosmoPolis ����������������������������������������� 51

Buchtipps ������������������������������������������ 52

Filmtipps der Redaktion ������������������������������� 56

Termine �������������������������������������������� 57

Redaktionsschluss für das Heft I/2014: 30. April 2014

Nachweis der Fotografien: Ulrike Braun: Titelbild und S. 5, 6, 11, 12, 14, 15,

16, 17, 19, 21, 23, 26, 29, 31, 37, 40, 41 o., 47, 58, Dorli Graf S. 32, 33, 34, 60

o. re. , Ilse Hirschmann S. 60 u. re. , Helga Kuzmits S. 2, 3, 9, 28, 43, 44, 60 o.

li., Angelika Mayer S. 46 . Alle nicht bezeichneten Fotos: privat

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Béla Hamvas wurde am 23. März 1897 in Eper-jes in der heutigen Slowakei als Sohn eines evangelischen Pastors und Lehrers geboren. Bis 1914 wohnte er mit seiner Familie im damals noch ungarischen Bratislava, erhielt seine Ausbildung in der Kadettenschule und kam im Ersten Weltkrieg an die russische und ukrainische Front. Nach mehrfa­cher Verwundung wurde er aus dem Wehrdienst ent­lassen, dann nach dem Krieg von den slowakischen Behörden samt seiner Familie deportiert, da sein Vater nach dem Friedensvertrag von Trianon nicht bereit war, den Treueschwur auf die Slowakei zu leis­ten. Die Familie zog nach Budapest, wo sich Hamvas an der deutsch­ungarischen Fakultät der Universität einschreiben ließ. Nach Beendigung seines Studiums in 1923 wurde er Journalist bei einer der größten Budapester Zeitungen, anschließend in 1927 Bib­liothekar in der Hauptstädtischen Bibliothek, wo er bis 1948 angestellt war. Von 1940 an wurde er mehr­fach rekrutiert; erst kam er an die russische Front, dann wurde er im Frühjahr 1944 mit seiner Abtei­lung nach Deutschland abkommandiert, flüchtete von dort nach Hause, wo er sich als Deserteur ver­steckt hielt. Im Januar 1945 traf eine Bombe seine Wohnung und vernichtete seine riesige Bibliothek und sein gewaltiges Manuskriptwerk. Nach Kriegs­ende machte er sich wieder an die Arbeit, plante eine Buchreihe, hielt Vorträge und war zuversicht­lich, dass sich in Ungarn eine demokratische Staats­form etablieren würde. Er bot sogar dem aus Moskau heimgekehrten György Lukács die Mitarbeit an der geplanten Buchreihe an – vergeblich. Statt dessen attackierte Lukács 1948 scharf das gerade erschie­nene Buch Die Revolution in der Kunst – Abstraktion und Surrealismus in Ungarn, das Hamvas mit seiner Frau, der Kunsthistorikerin Katalin Kemény, verfasst hatte, in dem er sich zu der progressivsten Gruppie­rung der ungarischen, bildenden Kunst des zwan­zigsten Jahrhunderts, der sogenannten Europäischen Schule, bekannte, zu deren wichtigen Organisatoren sie auch beide zählten. Bald entzog man in Ungarn den Mitgliedern der Europäischen Schule jede Gele­genheit zur Ausstellung; schon zuvor war Hamvas als Folge von Lukács’ Kritik mit Publikationsverbot

belegt und aus seiner Bibliothekarsstellung entlas­sen worden. Zwischen 1948 und 1951 betrieb er in Szentendre, einer Kleinstadt nahe Budapest, Garten­bau, wurde anschließend im Juli 1951 Lagerist bei einem Unternehmen einhundert Kilometer westlich von Budapest. Von 1954 bis 1962 arbeitete er dann in Ostungarn als Hilfsarbeiter. Wie er an den Wochen­enden nach Budapest heimfuhr, um seinen Rucksack mit neuen Büchern zu bepacken, oder wie er seine Essays, Romane und philosophischen Werke in Stun­den, die er der physischen Arbeit stehlen musste, in in Schubläden aufbewahrte Hefte kritzelte oder wie er inmitten von Schlamm, Schmutz und stän­digem Lärm mit unerschütterlicher Seelenruhe die Upanischaden, Werke des Zen, des Sufismus, tibe­tische Mysterien oder die Apokalypse des Henoch übersetzte – das alles gereicht zur Schande jener Zeit und bezeugt zugleich die Geistesgröße von Hamvas, der weder innerlich zerbrach noch Kompromisse ein­ging noch zu einem lebensüberdrüssigen, in sich gespaltenen Misan thropen wurde. 1964 wurde er endgültig pensioniert, durfte aber auch weiterhin nicht veröffentlichen. Er starb am 7. November 1968, an dem Tag, an dem ganz Ungarn den Nationalfei­ertag der russischen Besatzer begehen musste. Von seinem Tod erfuhren nur wenige. Seine in Manu­skriptform hinterlassenen Werke – viele, viele Tau­send Seiten Romane, Essays, Kommentare, Studien, Bücher – gingen in Kopien von Hand zu Hand. Wäh­rend der siebziger Jahre lernten immer mehr Men­schen seinen Namen kennen, auch solche, die nie eine Zeile von ihm gelesen hatten. In den achtzi­ger Jahren erschienen hier und da einzelne Werke von ihm; 1985 wurde (in zensierter Form) sein über tausendseitiger Roman Karneval veröffentlicht, ein gewaltiges Panoptikum und Katalog der Schicksals­möglichkeiten des zwanzigsten Jahrhunderts; später erschienen auch einige seiner Essaybände. Und nach dem Zerfall des bis dahin herrschenden, politischen Systems begann in den neunziger Jahren die voll­ständige Veröffentlichung des unüberschaubar gro­ßen Lebenswerkes, die bis in unsere Tage fortdauert.

László F. Földenyi

Die paradoxe Logik des SeinsÜber Béla Hamvas

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Manche seiner Werke erschienen auch in fremden Sprachen: unter anderem in Serbisch, Deutsch, Fran­zösisch, Italienisch.

Schon zu Beginn seiner Laufbahn deckte Ham­vas mit einzigartiger Konsequenz die Situation des in einer existenziellen Krise befindlichen Menschen auf. In seinen Essays aus den zwanziger und dreißi­ger Jahren, in denen er über die in die Sackgasse geratene Kultur des zwanzigsten Jahrhunderts sin­nierte, schälte er Schicht für Schicht die Tradition der europäischen Zivilisation ab und erwog ­ ohne jedes ideologische Vorurteil! – alle früheren, geistigen Pro­duktionen, die diese Zivilisation aufzuweisen hatte. Parallel dazu wurde er, je mehr sich sein Horizont zeit­lich rückwirkend erweiterte, immer sensibler für die Voraussetzungen der europäischen Kultur.

Bei seiner eingehenden Ausarbeitung des Begriffs der Krise spielte die weltweite Krise der aus­gehenden zwanziger Jahre eine wichtige Rolle. Ham­vas begnügte sich jedoch nicht mit der geschichtli­chen Erklärung der Krise, sondern suchte nach ihren existenziellen Wurzeln. Krise bedeutet auf Griechisch Entscheidung, Wahl, Trennung und schließlich Streit. Doch so wie die Trennung von einer vorherigen Ein­heit ausgeht, so lässt sich auch das Gefühl der Krise

nicht von der Sehnsucht nach ihrer Überwindung trennen. Von nun an bestand die wichtigste Lebens­aufgabe für Hamvas in der Suche nach der auf dem Einklang aller Dinge beruhenden Tradition bezie­hungsweise (um seinen Lieblingsausdruck zu zitie­ren) der „ursprünglichen menschlichen Grundstel­lung“, dem status absolutus. Mit der Suche nach der „Grundstellung“ wies er wiederum der Erforschung der Tradition den Weg. Davon erhoffte er sich die Ent­deckung der ursprünglichen Einheit.

In 1935 gründete er in Budapest den Insel­Kreis, eine geistige Gesellschaft, der zahlreiche Schrift­steller, Dichter und Philosophen angehörten. Die­ser Freundeskreis, der bis 1939 bestand, setzte sich zum Ziel, in dem immer mehr nach rechts abdriften­den, faschistischer werdenden Ungarn die europäi­sche Tradition, vor allem den griechischen Geist auf­rechtzuerhalten. Ein auch international bekanntes Mitglied des Kreises war der damals noch in Ungarn lebende Károly Kerényi, der später dadurch Weltruf erlangte, dass er den Maßstab für die Moderne im Archaischen suchte. Wie Hamvas, der zu jener Zeit Heraklits Fragmente übersetzte, versuchte auch Keré­nyi das Universelle und das Partielle miteinander zu verbinden. Dreimal veröffentlichten sie unter dem

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Titel Insel Anthologien mit mehreren Essays von Hamvas vor allem zu griechischen Themen. Der Geist dieser Anthologien erinnerte ebenso an die schwei­zerischen Eranos Jahrbücher wie später an Ernst Jün­gers Antaios Unternehmung. Der Insel­Kreis selbst erinnerte auch an den George­Kreis; aber auch an eine frühere, ungarische Unternehmung, den soge­nannten Sonntagskreis in Budapest in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, zu dessen Mitgliedern György Lukács, Béla Balázs, Karl Mannheim, Arnold Hauser oder Charles Tolnay gehörten – die meisten von ihnen ließen sich schließlich im Ausland nieder. Auch der Insel­Kreis blieb eine isolierte Unternehmung und vermochte keine Tradition zu begründen. Die halb­feudale Ordnung der ungarischen Gesellschaft zwi­schen beiden Kriegen behinderte eine gesunde, geistige Entwicklung genauso wie die fremde Besat­zung nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Geschichte des ungarischen Geisteslebens im zwanzigsten Jahr­hundert ließe sich ebenso gut als die Geschichte sei­ner Hindernisse beschreiben: all den aufeinander folgenden, gegensätzlichen, politischen Richtungen war gemeinsam, dass sie verhinderten, dass Ungarn die Rolle einer Brücke zwischen Ost und West spielen konnte. Es ist bezeichnend, dass auch die Entwick­lung der ursprünglich auf Weltniveau stehenden, ungarischen Psychoanalyse in der Horthyära abbrach

und dann von den Kommunisten den endgültigen Todesstoß versetzt bekam. Wie es auch kein Zufall ist, dass sich Béla Bartók, der die uralte, ungarische Kultur mit der zeitgenössischsten Formsprache ver­band, gezwungen sah, das Land zu verlassen, um in den Vereinigten Staaten zu sterben.

Der Insel­Kreis blieb eine symbolhafte Unterneh­mung in Hamvas’ Leben: er fühlte sich sein Leben lang wie auf einer Insel. Nicht nur politisch; er war der Überzeugung, dass in der europäischen Kultur der Geist selbst zu einer Insel geworden war und die wichtigste Aufgabe darin bestand, ihn wach zu halten. Hamvas bot eine radikal neue Deutung des Geistes. Neu jedenfalls gemessen an der in Europa herrschenden, im deutschen Idealismus sich vollen­denden Geistesauffassung – keinesfalls neu jedoch wenn wir uns die archaische, biblische, gnostische oder eschatologische Deutung des Geistes vor Augen halten. Das Neue an Hamvas’ Auffassung kommt in seiner Rückkehr zur alten Tradition zum Vorschein. Er blickte nach vorne, über die Geschichte hinaus (suchte die Erlösung von der verkommenen Gegen­wart), aber sein Blick richtete sich auch auf das Vor­geschichtliche. Er war natürlich nicht der einzige, der im Kampf gegen die immer mehr technisierte, alles uniformierende und homogenisierende Sichtweise des zwanzigsten Jahrhunderts zu einer sich zugleich

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weitenden und verengenden Perspektive griff. Eine ähnliche, verwandte Einstellung war auch für Wal­ter Benjamin, Ferdinand Ebner, Rosenzweig, Buber, Berdjajew charakteristisch. Und gerade seine Sen­sibilität für den Geist erklärt, dass Hamvas’ Gedan­ken im Gegensatz zu den geschlossenen, also aus­schließenden Systemen der Literaturhistoriker oder Psychologen einschließend sind und den Leser gleichsam einladen. Für Hamvas bedeutete geis­tige Erfahrung nicht Besitz, sondern Teilnahme – ein Emporsteigen (oder wenn man so will: Abtauchen) zu jenem gemeinsamen Fundament, das jedes Sein sichert, ohne dass es sich selbst auf irgendein Seien­des beschränken ließe. Er hielt den Geist für etwas grundsätzlich Metaphysisches und verkündete das, was Parmenides als SEIN bezeichnete, und was sich – als Fundament von allem – nicht begrenzen und nicht begründen lässt (Ungrund, zitiert er an mehre­ren Stellen Böhmes Ausdruck).

Schon im Insel­Kreis, als Zeitgenosse Heid­eggers und Jaspers’ und der russischen Emigranten (Schestow und Berdjajew), deren berufener Kenner er war, suchte auch Hamvas eine Antwort darauf, ob es geistige Wurzeln und Quellen gibt, die heute zwar unsichtbar und unspürbar geworden, in der Tiefe jedoch noch lebendig und nicht versiegt sind. Wie lässt sich der Geist von neuem beleben? Auch er gelangte zu der Überzeugung, dass die europäische Zivilisation womöglich gerade aus dem Kraft schöp­fen könnte, was sie im Laufe von zweitausend Jahren so erfolgreich verleugnet und verdrängt hat: aus der eben erwähnten, alten Tradition.

Um diese wiederzubeleben, begann er am Anfang der vierziger Jahre zum einen eine gewaltige Unter­nehmung unter dem Sammeltitel Die Großhalle der Ahnen, die er bis in die sechziger Jahre fortsetzte. Das Werk besteht aus seiner Übersetzung der wichtigsten Bücher der Tradition mit den dazu verfassten, ein­führenden Kommentaren. Was übersetzte und ver­öffentlichte er für die ungarische Leserschaft? Konfu­zius, Tschuang­Tse, das Tao Te King, die Upanischaden, Patanjali, das Samkhya, das Tibetanische Totenbuch, das ägyptische Totenbuch Pert Em Heru, Henoch, den Sohar, Heraklit und Jakob Böhme.

Zum anderen begann er in den geschichtlich krisenhaftesten Jahren 1943­44 sein Werk Scientia Sacra (dessen Titel René Guénons Symboles de la Sci-ence sacrée zitiert – 1941 veröffentlichte Hamvas die erste Studie über Guénon auf Ungarisch), an dem er bis in die sechziger Jahre arbeitete. Im Verlauf sei­ner Erschließung der archaischen Tradition rettete er

unermesslich viel Wissen aus der Vergangenheit in die Gegenwart hinüber und versuchte es mit seinen Zeitgenossen zu teilen, für die das alles weitgehend unbekannt war. Dabei beabsichtigte er mit diesem Werk nicht nur eine Katalogisierung und Inventari­sierung der sakralen Wissenschaften. Er näherte sich seinem Objekt nicht als Wissenschaftler, sondern als begeisterter Eingeweihter. Er wollte das bekannt machen, was aus der Vergangenheit befruchtend auf ein Zeitalter wirken konnte, das sich „auf der ande­ren Seite der Zeit“ befand. Hamvas’ Absicht bestand in der Erschließung der alten Tradition, der Rekon­struktion des sogenannten Goldenen Zeitalters, das er der von ihm als apokalyptisch bezeichneten Gegen­wart gegenüberstellte. Er suchte nach dem Urbild, dem die Aufmerksamkeit der Vertreter der Tradition und der meisten Mystiker galt.

Seiner Ansicht nach ist es auch heute noch mög­lich, dieses Urbild zu erblicken, man benötigt dazu das, was er als Wachsamkeit bezeichnete: „Die Wach­samkeit ist die metaphysische Sensibilität des Men­schen. Meta ta physika bedeutet so viel wie: jenseits der Natur. Eine übernatürliche Sensibilität, die auch das schaut und sieht und weiß, was den Sinnesor­ganen unzugänglich ist. Wachsam ist derjenige, der über die Phänomene der Sinne, des Verstandes, der Gefühle, der Leidenschaften hinausschaut.“ Die Wach­samkeit ist die Voraussetzung für die Empfänglich­keit für die Tradition – die apokalyptische Gegenwart hingegen zeichnet sich gerade durch deren Fehlen aus. Das charakteristische Symptom des gegenwärti­gen Zeitalters ist der Stumpfsinn, stellte er fest, doch damit meinte er nicht einen Mangel an Verstand und Wissen, sondern im Gegenteil deren ungesundes Übergewicht. Ein Ausdruck des Stumpfsinns besteht gerade darin, dass man versucht, ausschließlich auf sein Bewusstsein zu hören und die gesunde Verbin­dung zu allem abbricht, was sich hinter und unter dem Bewusstsein abspielt. Seine Worte zur Wach­samkeit und zum Unbewussten erinnern an Gedan­ken C. G. Jungs: „In einem verschlossenen Leben ist die Wachsamkeit verschlossen. Diese verschlossene und versunkene Wachsamkeit bezeichnet die Psy­chologie neuerdings als das Unbewusste. Das ist das Wachsamkeitsorgan der menschlichen Seele. Das ist die Fähigkeit, die mit dem übernatürlichen, in der Wirklichkeit also nicht existenten Sein in Verbindung steht. Die Psychologen können sich gar nicht genug darüber wundern, dass das Unbewusste alles erfährt, jede Tätigkeit beurteilt, sich widersetzt, gutheißt, führt, Widerstand leistet, droht, mahnt, rät, abrät,

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8 FORUM EUROPAHAUS BURGENLANDDie paradoxe Logik des Seins

anregt, Kenntnis über jede Regung des menschlichen Lebens hat, ständig das ganze Leben aus unerhörter Ferne beobachtet, die Ereignisse des Schicksals regis­triert, sie versteht, und zwar untrüglich, eigentümlich, sicher und metaphysisch, mit anderen Worten die Traumbilder der sogenannten äußeren Welt ignoriert ... sie für nichtexistent hält. Das Unbewusste ist die Wachsamkeit des geschichtlichen Menschen. Es ist auch das, was über den menschlichen Verstand und seine Arbeit ständig zu Gericht sitzt.“

Sein Interesse an der Tradition richtete sich still­schweigend auf die Erlösung – das Erlöstwerden. Denn nach Hamvas folgt auf das gegenwärtige, „apokalyptische Zeitalter“ die ewigwährende „Erlö­sung“. Es ist vielleicht überflüssig zu erwähnen, dass dieser Gedanke nichts mit christlichen oder kirch­lichen Auffassungen im traditionellen Sinn zu tun hat. Nicht Institutionen werden dieses kommende Zeitalter erschaffen, es wird vielmehr als persönli­che Unternehmung jedes einzelnen Menschen ent­stehen. „Ich bin nicht religiös“, schrieb er in seinem Essay Ein Tropfen Verdammnis, „aber seltsamerweise war jede große, entscheidende Erfahrung meines Lebens religiöser Natur.“ Dieses religiöse Gefühl ist kirchenfeindlich. Wie es der Philosoph Lajos Szabó, ein ungarischer Freund von Hamvas, ausdrückte: Reli­gion: Revolution, Kirche: Konterrevolution. Bei der von Hamvas bekundeten, religiösen Empfindung erwacht Gott nur in der alleingebliebenen Seele zum Leben. Wer an einem religiösen Erlebnis teil­hat, erlebt nicht nur, dass jede Verantwortung auf ihn fällt (alles durch seine Sicht – Wachsamkeit – zum Leben erwacht), sondern auch, dass sogar die göttli­che Last von Schöpfung und Vernichtung auf seinen Schultern ruht.

Im religiösen Erlebnis kommt das zum Vorschein, was Hamvas in seinem Essay Harlekin als die „para­doxe Logik“ des Seins bezeichnet hat, und wofür er nicht weniger sensibel war als Georges Bataille, der die Betonung ebenfalls auf die innere Erfahrung legte. Hamvas’ dritte Phase stand im Zeichen der Suche nach dieser inneren Erfahrung. „Ich bewegte mich rückwärts von der Mitte des letzten Jahrhun­derts bis zur französischen Revolution, zur Aufklä­rung, zum Rationalismus, zum Humanismus, durch das Mittelalter hindurch zu den Griechen, den Heb­räern, den Ägyptern, den Primitiven. Die Krise fand ich überall, aber jede Krise verwies auf etwas noch Tieferes. Der dunkle Punkt liegt weiter zurück, noch weiter zurück. Ich beging den typischen, europäi­schen Fehler, den dunklen Punkt außerhalb von mir zu suchen, obwohl er in mir war.“ Sein Exerzitienbuch Mágia sutra (1950), das sich nur mit den Exerzitien von Ignatius von Loyola vergleichen lässt, bezeugt genauso die Kraft dieser inneren Erfahrung wie seine Romane, die alle von der Einheit von Person und Schicksal handeln (vor allem das gewaltige Karne-val, das zu Beginn der fünfziger Jahre entstand), oder der gewaltige, dreiteilige Essayband Patmos, an dem er sieben Jahre arbeitete (1959­66). Der Titel dieses Werkes zitiert den nach Patmos verbannten Evange­listen Johannes: die Einsamkeit, in der der Mensch dennoch bestehen kann. Auch Hamvas lebte auf sei­nem inneren Patmos und blickte von dort auf das hinaus, was vor und was jenseits der Geschichte war.

Aus dem Ungarischen von Akos Doma

die letzte Station auf der Landkarte des Daseins an der Grenze zum Unerkennbaren. Der Ort, an dem der alte Laotse noch einmal und zum letzten Mal gesichtet und erkannt und gebeten wurde, sein Wissen niederzuschrei-ben, und wo er den Tao te king geschrieben hat. Es gibt nur eine Möglichkeit, die Orte des Daseins zu kartogra-phieren, und das ist das Wort.

Béla Hamvas (Die Melancholie der Spätwerke)

Die Melancho-lie ist der letzte

Tropfen der Vergänglichkeit, „

László F. Földenyi ist Literaturkriti­ker, Essayist, Kunsttheoretiker, Über­setzer; Professor für Komparatistik an der ELTE Budapest. Im Rahmen der Tagung „Globale Entwicklung als Gemeinschaftsfrage“, hat er am 7. November 2013 im Europahaus über Béla Hamvas gesprochen.

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Im Gedenken an Dag HammarsjöldNoch immer frage ich mich, wie ich Dag Hammar skjöld am besten beschreiben kann. Wie ich ihn charakte-risieren kann auf eine Art und Weise, die uns ermu-tigt, ihn nicht nur zu feiern als weit entfernte, hoch-stehende, verlorene Persönlichkeit, sondern als ein wirksames Beispiel, nahe und voller Inspiration. Er war ein Zeichen dafür, was möglich ist. Doch immer wieder müssen wir dieses Zeichen neu interpretieren und die Beziehung zu ihm erneuern. Er bleibt ein Kollege. Es ist gut, meinen Sie nicht auch, in solchen Dingen stur zu bleiben.

Dag Hammarskjölds intellektuelle Brillanz, sein Umgang mit Fakten jeglichen Schwierigkeitsgra­des und seine meisterhafte diplomatische Methode sind fast selbstverständlich in jedem Porträt, das man von ihm zeichnet. Es ging ihm nicht so sehr darum, Listen zu führen, doch manchmal tat er es, und sie sind interessant. In einem Treffen mit Studenten im Frühling 1955 bemerkte er: “Vor einigen Tagen las ich die Betrachtungen zu den “perennial laws of peace­making” eines hervorragenden Beobachters der Außenpolitik. Er zählte auf, was seiner Meinung nach fundamental für gute Verhandlungen sei: sorg­fältige Vorbereitung, Wahrhaftigkeit, Genauigkeit, Geduld, Gleichmut und Bescheidenheit. Das sind gute Qualitäten auf allen Wegen des Lebens. Sie sind bedeutend in Verhandlungen zwischen Natio­nen…” Und weiters fügte er hinzu: “Es gibt die weit verbreitete Ansicht, dass Diplomatie ein Spiel ist, zu dem dazugehört, hinters Licht geführt zu werden, wo moralische Gesetze irgendwie unter den Tisch fallen und wo es lobenswert ist, seinen Gegner zum Narren zu halten. Muss ich dazu sagen, dass eine derartige Ansicht falsch ist?”

Das war eine Liste von Werten und Zerstörern von Werten. Sie macht die Weite seiner Sicht so klar. Seine Ethik und sein Bemühen um die Qualität des Den­kens in der Diplomatie – ein Punkt, zu dem ich gern zurückkehren werde. Es gibt eine weitere Liste, kürzer, aber nicht weniger interessant. “Dialog ist dringend nötig”, sagte er in einer Pressekonferenz nur einige Wochen vor dem Ausbruch der Kongo Krise, doch Dia­log erfordert einiges: “Objektivität, die Bereitschaft, zuzuhören und immense Zurückhaltung.” Dies sind

menschliche Qualitäten. “Keine davon ist besonders bemerkenswert, doch jede wird dringend benötigt…” Man kann ihn noch hören in seinem bescheidenen Glanz: “Keine davon ist besonders bemerkenswert.”

Wir könnten und sollten uns auch andere Merk­male seiner Einstellung vor Augen führen: Realis­mus, Improvisation wo nötig, stille Diplomatie jen­seits der starrenden Öffentlichkeit, festes Vertrauen in die Bedeutung der UN Gespräche, einen guten Sinn für Geschichte – und, ziemlich gewagt: den Mut, sehr knapp kalkulierte aber auch sehr realistische Risi­ken einzugehen. Was das betrifft, sind einige seiner Worte so frisch als wären sie eben erst gesagt wor­den. Im Mai 1956, als er im Mittleren Osten sehr in der Shuttle Diplomatie involviert war, sagte er, dass “bedacht werden muss, dass selbst mit den besten Menschen halbherzige und schüchterne Maßnah­men nirgendwo hinführen. Die dynamischen Kräfte der Geschichte werden uns überholen, es sei denn, wir sind bereit, in Kategorien zu denken, die auf der gleichen Ebene liegen wie das Problem.” Am 30. Juni 1960, dem Unabhängigkeitstag im früheren Belgisch Kongo, bemerkte er hier in diesen Gebäuden, dass “wir die Risiken akzeptieren müssen, wir können sie akzeptieren als einen Glaubensakt oder einen Akt der Überzeugung, aber wir müssen es tun.” Er stand hinter solchen Worten; es waren nicht nur Worte. Er war vorsichtig im Umgang mit Wörtern und erhoffte sich das Gleiche auch von anderen. Um es mit einem Satz Chinua Achebes, eines vor kurzem verstorbe­nen nigerianischen Schriftstellers zu sagen, war Ham­marskjöld “einer, mit dessen Worten etwas getan wer­den konnte.”

Roger Lipsey

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Wodurch aber wurde er geleitet? Er war ein Mann der Texte und der Werte, Texte und Werte, die ihm höchsten Respekt abverlangten und in ihm lebten, einige davon alt, andere ein paar Jahre vor seinem Amtsantritt zum Ausdruck gebracht. Der Grundstein seines Geistes und seines Herzens waren die Bei­spiele und Lehren Jesu in den Evangelien, in heb­räischer Schrift, die hervorragende, unermüdliche Konversation mit Gott im Buch der Psalmen. Psal­men spiegeln alle Erfahrungen – Bewunderung und Sehnsucht, Erstaunen und Zorn, Sieg und Nieder­lage, Besitz und Einsamkeit und vieles mehr. Im Laufe seiner Jahre bei den Vereinten Nationen und ihren wachsenden Herausforderungen war es zunehmend dieses Buch, in dem er Trost und Rat suchte.

Es gab eine zweite historische Bibiliothek, die ihn begleitete: die Schriften der mittelalterlichen christ­lichen Mystiker und Klöster, vor allem die von Meis­ter Eckhart, Jan van Ruysbroeck und Thomas à Kem­pis. Den Raum der Stille und seine wunderschöne Botschaft, die wir heute im Gebäude der Vereinten Nationen haben, verdanken wir zum Teil dem Ein­fluss Meister Eckharts auf Dag Hammarsjköld. “Dein Geist soll erhöht sein und dein Herz brennend, und dennoch soll in ihm die Stille vorherrschen” – so die Worte von Eckhhart, die Hammarskjöld am Heiligen Abend des Jahres 1956 in sein Tagebuch schrieb, als die Suezkrise begann sich zu beruhigen. So weit ich das beurteilen kann, erinnern diese Worte an die hohen Anforderungen, die er an sich selbst stellte.

Es gab dritte und vierte Bibliotheken: er war ein Mann, der die Werke der Welt las. Er schätzte die frühe chinesische Klassik, vor allem das Tao te King und “The Unwobbling Pivot” aus dem Kreise des Kon­fuzius. Er schätzte die Bhagavad Gita. Er wusste etwas über Rumi und die muslimische mystische Tradition. Er fand in Martin Buber, dem israelischen Religions­ und Sozialphilosophen, einen absolut verwandten Geist. Seit seiner Jugend war ihm Albert Schweitzer eine der wichtigsten Inspirationsquellen gewesen. 1955 schrieb er an Dr. Schweitzer: “Ich verdanke Ihnen so viel, sowohl in meinem privaten Leben als auch in der Ausführung meiner amtlichen Pflich­ten.” Er hatte die nie verwirklichte Hoffnung, Albert Schweitzer in seiner Klinik in der heutigen Republik Gabun zu besuchen. Er las seine Zeitgenossen – Dich­ter, Romanautoren, Dramatiker. Wenn er frei sprach, klangen in seiner Stimme all diese Echos mit. Und diese Quellen barg er nicht inaktiv in sich, sondern

diskret, “ohne Lärm”, wie er zu sagen pflegte, wurden sie Teil seines Denkens und seiner Art und Weise, wie er Beziehungen einging und Ereignissen begegnete.

Und es gab zwei weitere Texte in seinen Grund­steinen: die Charta der Vereinten Nationen und die Allgemeine Erklärung Menschenrechte. Er hatte auf all seinen Reisen einen kleinen Ausdruck der Charta und eine maschinengeschriebene Karte mit seinem Amtseid, der hauptsächlich vom Artikel 100 der Charta abgeleitet war, bei sich. In einer sehr schwie­rigen Phase – dem Höhepunkt des Kalten Krieges und nebenher oder oft ernsthaft vermischt, die Ent­kolonialisierung von Asien und Afrika, gab ihm die Charta Durchhaltevermögen, Weisheit und die Lega­lität, die von allen Mitgliedsstaaten vereinbart war. Er bezog sich oft auf sie, er wünschte sich, sie wäre sichtbar und hörbar, nicht versteckt und still. Und wahrscheinlich haben wir seine Treue zur Menschen­rechtserklärung noch nicht genug gewürdigt. Wenn er Staatsführern oder normalen Bürgern in allen Tei­len der Welt begegnete, verkörperte er ihre Werte. Kurz vor seinem Lebensende fragte ihn der Schrift­steller John Steinbeck, wie er auf seiner Reise um die Welt, die er mit seiner Familie geplant hatte, hilf­reich sein konnte. “Setzen Sie sich auf den Boden und reden Sie mit den Menschen. Das ist das Allerwich­tigste”, war Hammarkskjölds Antwort.

Es ist leicht und völlig vernünftig ihn zu bewun­dern; ich wurde schon gerügt – bislang noch sanft – nicht kritisch genug zu sein. Auf jeden Fall kann nie­mand den Mut einiger seiner Ansichten übersehen; wenn er ein Heiliger war, so war er ein Heiliger mit Mumm. “Sie werden mich bestimmt noch viel mehr Predigten halten hören, “ sagte er 1955 bei einer Pressekonferenz, “bevor ich jene bekehrt habe, die ich bekehren möchte, wenn ich es je schaffe. Ich bin ziemlich sicher, dass, wenn ich sie nicht bekehre, es die Ereignisse tun werden.” Wie trocken und rigo­ros, wie wahr. Und auch sehr schlau in der leisesten Art und Weise; er hatte gutes Timing. Ein Jahr später schrieb er vom Mittleren Osten an seinen Stabschef Andrew Cordier: “Wir sind es, die in der Mitte ste­hen, und wir müssen den Ball sowohl mit Courage als auch mit Weisheit weiterspielen … wenn du mit dem Kopf voran hinein springst, zeigen sich bei den unmöglichsten Aufgaben oft unerwartete Chancen.” Das ist Courage. Und dann, im letzten Sommer seines Lebens, schreibt er an seinen vertrauten Freund, den ägyptischen Außenminister Mahmoud Fawzi über die Beharrlichkeit eines Terriers, die sich als genauso not­wendig herausgestellt hat wie die Geduld und eine

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ausdauernde Konstitution, wenn man irgend etwas in diesem Job erreichen wollte…”. Auch das ist Cou­rage, und es gibt noch mehr davon.

Ich habe mir für das Ende meines Kommentars das außergewöhnlichste Thema aufgehoben: seine immer wieder kehrende Betonung der Selbstkennt­nis und seine Praxis der, wie er es nannte, “bewuss­ten Selbstprüfung”. Es war ein geprüftes Leben. Er war sich dessen bewusst, dass er bewusst war, sehr ernst­haft. Dieses intensivierte Bewusstsein formte sowohl sein inneres Leben als auch sein äußeres Geschick. Er beobachtete sich selbst – er wagte es sogar, in einem öffentlichen Gespräch im letzten Frühling seines Lebens zu generalisieren, dass “der internationale Beamte sich unter strengster Beobachtung halten muss”, so, als ob seine eigene Praxis, danach zu stre­ben in tiefer Verbindung mit seinen Motivationen und Impulsen, Vorlieben und Abneigungen, Gedan­ken und Gefühlen zu bleiben, für alle internationalen Beamten, die der Objektivität und der geschickten Dienstleistung verpflichtet sind, gelten müsse. Durch bewusste Selbstbefragung war er fähig, seine eige­nen Impulse auszusortieren und eine gewisse innere Leere und Ruhe zu erhalten, und dieser vertraute er. Sie hielt einen Raum der Ehrlichkeit für seinen Dialog mit Gott frei, für Gebet und Reflexion.

Doch dies ging weit über sein Privatleben hinaus. Er wusste, dass ein halbwegs ruhiger, aufmerksamer Geist den fruchtbaren Boden gab für richtige und überzeugende Ideen, für klare und wirksame Strate­gien und für den Mut zur angstfreien Begegnung. Auf diesem gleichen Boden steht sowohl der spirituell

suchende Autor von “Markings” wie auch, zweifel­los, der gefeierte Generalsekretär der Vereinten Nati­onen. In einem Brief aus dem Jahr 1957 (nach der Suez Krise) an David Ben­Gurion, dem Premiermi­nister Israels, unterschied Hammarskjöld zwischen “unserer unmittelbaren Pflicht” und dem, was er als “die höhere Pflicht kreativer Handlung” bezeichnete. In dieser Unterscheidung von zwei verschiedenen Ebenen, nämlich einer eingeschränkten und partei­ischen und einer resolut unparteiischen und dem Wohle aller dienenden, begegnen wir wiederum Hammarskjölds überaus weiten Sichtweise.

Ich erinnere mich oft an eine Konversation aus dem Jahr 1958 zwischen Hammarskjöld und einem Reporter der UN internen “Secretariat News” – der Reporter stellte eine derart triftige Frage, dass Ham­marskjöld sie später einem seiner Freunde in der Schwedischen Akademie, deren Mitglied er war, wiedererzählte. “Eines Tages”, so schrieb er, “wurde ich von einem Journalisten genötigt, meine Ansicht zu den Hauptanforderungen eines Menschen, der zur Entwicklung von Frieden und Vernunft beitra­gen wollte, zum Ausdruck zu bringen. Ich fand keine bessere Formulierung als folgende: “Er muss sein Bewusstsein bis zur obersten Grenze emporheben ohne seine innere Ruhe zu verlieren, er muss fähig sein, durch die Augen der anderen aus dem Inne­ren ihrer Persönlichkeit zu sehen, ohne dabei seine eigene zu verlieren.” Klarer als jede andere Aussage enthüllt sie die zentrale Bedeutung des Bewusstseins für Hammarskjöld. Es war ein mobiles, funktionie­rendes Medium; es konnte berühren oder berührt

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Roger Lipsey, New York, ist Kunst­historiker, Herausgeber, Übersetzer und Autor des brillant geschriebe­nen Buches Hammarskjöld: A Life. Univ. of Michigan Press, 2013. Er hat am 7. November 2013 im Rahmen der Tagung “Globale Entwicklung als Gemeinschaftsfrage” im Europahaus referiert. Die hier abgedruckte Rede hielt Roger Lipsey im April 2013 in der UNO in New York, anlässlich des 60. Jahrestages der Ablegung des Amts­eides von Dag Hammarskjöld als UN Generalsekretär.

werden. Es konnte sich in die Ruhe und Stille zurück­ziehen. Es konnte Licht ausstrahlen. Es konnte im Dunkeln sehen. Es war sowohl die Quelle von Objek­tivität als auch von Empathie. Es konnte über Feind­schaft hinwegsehen und über die Bedrohung der Versöhnung durch Chaos. Und man musste sich um es kümmern.

Ein großer Vorgänger kann überwältigend sein: man möchte ihn vielleicht lieber vergessen als sich mit ihm konfrontieren. Nichts kann helfen außer einem immer wieder kehrenden, sanften Ringen mit so einem ausgezeichneten Vorreiter direkt in seinem Erbe, nichts wäre natürlicher. Am besten erinnern wir uns an Dag Hammarskjöld und am besten ringen wir mit seiner bleibenden Intelligenz. Möge unsere Begegnung mit ihm ein wenig sein wie Jakobs Kampf mit dem Engel: am Ende der Nacht können wir um seinem Segen bitten und ihn erhalten. Er war mäch­tig und zuversichtlich an unserer Seite. Das bleibt in

unserem Gehör. Er sagte einmal: “ Ich kann nicht zu jenen gehören, die daran glauben, dass wir einer Katastrophe zusteuern. Ich glaube an Wachstum, an ein Wachstum, für das wir Verantwortung tragen und zu dem wir alle unsere kleinen Teile beitragen müs­sen.” Und weiters sagte er: “Das ist nicht der leichte Glaube der Generationen vor uns, die daran glaubten, dass alles zu unserem Besten arrangiert wird für die Besten in der besten Welt, oder dass physische und psychologische Entwicklung unweigerlich zu etwas, das sie Fortschritt nannten, führte. Es ist in einem gewissen Sinne ein viel schwierigerer Glaube: der Glaube und die Zuversicht, dass die Zukunft gut sein wird, weil es immer genug Menschen geben wird, die für eine gute Zukunft kämpfen.” Dort enden seine Kommentare. Hier enden meine. Danke Ihnen allen.

Übersetzung: Gabriela Weber-Grasl

Ist nicht vielmehr deine Hand zu klein, sind deine Augen-linsen nicht zu trübe? Du bist es, der wachsen muss.

Dag Hammarskjöld (Zeichen am Weg)

Ist das Leben arm? „

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Hans Göttel

Hammarskjölds Sterben und LebenDag Hammarskjöld starb in der Nacht vom 17. auf den 18. September 1961. Er befand sich bereits im Anflug auf Ndola, einer kleinen Stadt im damaligen Nordrhodesien, heute Sambia, um sich dort mit Moise Tschombé, dem Führer der Provinz Katanga, zu treffen, als seine Maschine, wie zahlreiche Hinweise vermu-ten lassen, abgeschossen wurde und dann unweit des Flughafens in einem Wald abstürzte. Mit ihm starben seine Begleiter und Mitarbeiter sowie die Crew, insge-samt 16 Personen.

Ein klarer Beweis oder ein Geständnis für das Atten­tat fehlen nach wie vor, genauso ungewiss bleibt, auf welche Weise Hammarskjöld starb. Er wurde etwas abseits vom Wrack der Maschine bei einem Amei­senhügel übel zugerichtet aufgefunden, mit einem Loch im Kopf, das wohl kaum vom Absturz herrühren konnte, noch weniger die Spielkarte in seinem Hemd­kragen, einem unter Milizionären und Marodeuren verwendeten Siegeszeichens, das man am Feind anbrachte, wenn man ihn „fertig gemacht“ hatte.

Nachgewiesen ist heute jedenfalls, dass zwischen dem Moment des Absturzes der Maschine und dem Eintreffen der ersten Hilfstrupps 12 Stunden vergan­gen waren, obwohl sich die Sache unweit des Flug­hafens zutrug und folglich ausreichend Personal in der Nähe war. Und es gibt Hinweise, dass während dieser Zeit zwei Geländewagen bei der Absturzstelle waren, die Opfer also „gefunden wurden bevor sie gefunden wurden“, wahrscheinlich um allfällige Spu­ren zu verwischen und sehr wahrscheinlich, um Ham­marskjölds Tod sicher zu stellen. Ob die Täter ihn noch lebend antrafen und hinrichteten oder ob sie sich an dem bereits Toten vergingen, ist wohl nicht mehr zu eruieren.

Die Freigabe der Bilder seines Leichnams wird von den schwedischen Behörden nach wie vor mit der Begründung, dass man die Gefühle der Angehö­rigen nicht verletzen wolle, verweigert. Auch die Auf­zeichnungen des Funkverkehrs in der Region in der Nacht vom 17. auf den 18. September 1961 durch die US­amerikanische Behörde NSA sind nach wie vor unter Verschluss.1

1 Die gründlichste Recherche zu diesem Fall bietet Susan Williams: „Who Killed Hammarskjöld? The UN, The Cold War and White Supremacy

Als die Nachricht von Hammarskjölds Tod veröf­fentlicht war, feierten die Weißen und die Machtha­ber in Katanga. Seine Mission hatte für sie eine exis­tentielle Bedrohung bedeutet. Nachdem der Kongo von Belgien in die Unabhängigkeit entlassen war, hatte sich die rohstoffreiche Provinz Katanga aus dem Staat gelöst, um im Regime der mit den Roh­stoffen handelnden Konzerne und durch den militä­rischen Schutz von Söldnern eigene Wege zu gehen. Hammarskjöld war bemüht, unter Einsatz von Dip­lomatie und Truppen der Vereinten Nationen diese Sezession rückgängig zu machen und laufende Ein­mischungen ausländischer Mächte zu beenden. Er hatte also Feinde.

Anders als in Katanga ging über die internati­onale Welt eine Welle der Trauer. Bestürzte Lobre­den durchdrangen das öffentliche Leben. Hammar­skjölds Begräbnis in Uppsala am 29. September 1961 geriet zum imposanten Staatsakt. In einer berühren­den Abschiedsfeier im UNO­Hauptsitz in New York am 24. Oktober 1961 dirigierte Eugene Ormandy das Philadelphia Orchester unter strömenden Tränen zu Beethovens 9. Symphonie. Knapp drei Monate spä­ter entschloss sich das Nobelpreiskomitee den Frie­densnobelpreis 1961 posthum an Dag Hammarskj­öld zu geben.

Zwei Jahre später, 1963, wurde „Vägmärken“ (Zei-chen am Weg) veröffentlicht, zuerst in Schwedisch,

in Africa“, Columbia University Press, New York 2011, die auch tiefe Ein­blicke in die damalige Kolonialpolitik der Großmächte im Kongo liefert. Auch der Hammarskjöld Commission Report, präsentiert am 9. September 2013 in Den Haag, stützt die Vermutung, dass die Maschine Hammarskj­ölds durch Einwirkung von außen zum Absturz gebracht wurde und ver­weist auf bislang nicht publizierte Aufzeichnungen des Funkverkehrs durch die NSA.

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im folgenden Jahr in englischer Übersetzung. Es handelte sich dabei um das private Tagebuch von Hammarskjöld, das auf seinem Nachtkästchen in seiner New Yorker Wohnung gefunden worden war, zusammen mit einer Notiz, die die Entscheidung, es zu publizieren oder nicht, einem Freund übertrug. Das Buch enthüllte eine Person, die kaum jemand gekannt hatte: nicht den gewieften Diplomaten und „trouble shooter“ in internationalen Konflikten son­dern vielmehr einen religiös Suchenden, einen leicht verwundbaren und verzweifelten Menschen, einen Mystiker, einen Poeten, der sein Leben geistig ver­dichtete. Das Buch enthält, wie er es selber formu­lierte, die Aufzeichnung seiner Gespräche mit sich und mit Gott. Obwohl schwer zu lesen, wurde es zu einem Bestseller.

In die Hochachtung seines Oeuvres, das ihm aus der internationalen Welt entgegengebracht wurde, mischten sich einzelne Schmähungen, die seine Bekenntnisse peinlich oder anmaßend fanden und ihm messianische Phantasien unterstellten. Olof Lagerkrantz, damaliger Herausgeber der auflagen­stärksten schwedischen Tageszeitung Dagens Nyheter ging so weit, seinen frühzeitigen Tod zu begrüßen, weil Hammarskjölds messianisches Amtsverständ­nis desaströse Folgen für die Welt befürchten ließen. Der dänische Diplomat Eyvind Bartels spottete, Ham­marskjöld hätte Jesus Christus als seinen Vorgänger betrachtet.2 Es blieben Unkenrufe religiös unmusi­kalischer Leute.

Hammarskjöld trat das Amt des Generalsekre­tärs der Vereinten Nationen im April 1953 an und er erwies sich als ein sehr geschickter Konstrukteur im Ausbau seiner administrativen Macht und Mög­lichkeiten. Er suchte sich seine Mitarbeiter selbst, er etablierte klare Befehls­ und Berichtstrukturen und er insistierte auf der Unabhängigkeit seiner Mitar­beiter von den Machthabern ihrer Herkunftsnatio­nen. Diese Idee, wonach UNO­Mitarbeiter bei aller

2 Dag Hammarskjöld og Hans Gud, En diskussion mellem Eyvind Bar­tels, Olof Hartman og Sven Stolpe. Köbenhavn: Kristelig Dagblads Forlag, 1964, S. 52

Bedeutsamkeit ihrer Herkunftsnation oder Kultur in ihrem Amt jedoch nur den Vereinten Nationen oder der Menschheit zu dienen hätten, war ein Kernele­ment seines Denkens, das er auch in seiner letzten Rede vor seinem Tod, die er im Mai 1961 auf Einla­dung der Universität in Oxford hielt, darstellte.3

Die erste große Anerkennung als Diplomat erfuhr Hammarskjöld durch die Lösung eines Problems, das im Zuge des Koreakrieges 1953 entstanden war. Amerikanische Piloten waren in Chinesische Kriegs­gefangenschaft geraten, die USA verlangten vehe­ment ihre Freilassung. Da die Volksrepublik China nicht Mitglied der UNO war, weil der Westen ihre Aufnahme in die UNO blockierte, war ein Verhand­lungsweg nicht angelegt. Hammarskjöld nahm sich der Sache an und es gelang ihm, im Jänner 1954 in Peking mit Zhou Enlai, dem Premierminister Chi­nas, zusammen zu treffen. Es war eine historische Begegnung von zwei Gelehrten, dem westlichen und dem östlichen Mandarin, und es war die Begründung einer Freundschaft. Als ein halbes Jahr später die Pilo­ten freikamen, geschah es genau an Hammarskjölds Geburtstag, ausdrücklich als ein Geschenk an ihn zur Erhaltung dieser Freundschaft. War Hammarskjöld bis dahin von den großen Akteuren der Weltpolitik eher als „Leichtgewicht“ oder „Möchtegern“ betrach­tet worden, so wurde er ab nun ernst genommen.

Als 1956 nach der Verstaatlichung des Suez­Kanals durch Ägypten und die militärische Antwort Englands, Frankreichs und Israels die Welt an den Rand eines Weltkrieges brachte, gelang es Ham­marskjöld in zähen Verhandlungen mit dem Israe­lischen Staatschef David Ben Gurion und Ägyptens Präsidenten Gamal Abdel Nasser die Entflechtung der militärischen Fronten, die Räumung und Wiedereröff­nung des Kanals für die Schifffahrt und die Sicherung des Waffenstillstandes durch UNO­Truppen zu verein­baren. Seither gelten UNO­Truppen als seine Erfin­dung, was zwar nicht ganz richtig ist – das Konzept geht auf seinen Mitarbeiter Lester B. Pearson, dem

3 The International Civil Servant in Law and in Fact. Lecture delivered to Congregation at Oxford University, 30 May 1961.

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späteren kanadischen Ministerpräsidenten, zurück – doch Hammarskjöld setzte nach anfänglicher Skepsis die Sache entschlossen um und er schuf somit das bis heute gültige Konzept. Nach Bewältigung der Suez­Krise avancierte Hammarskjöld in der öffentlichen Meinung zum prämierten „trouble shooter“. Die UNO unter Hammarskjöld wurde in der internationalen Öffentlichkeit und in den Medien zu einem selbstän­digen Akteur auf der Weltbühne. „Leave it to Dag“ wurde zum geflügelten Wort unter den Diplomaten.

Dag Hammarskjöld sah in der UNO aber weit mehr als eine Konferenz­ und Militärorganisation zur Problemlösung in internationalen Konflikten. Sie sollte der Ort für globale Entwicklungspolitik wer­den. Hammarskjölds größte Zuwendung galt den zahlreichen neuen Staaten in der Dritten Welt, die aus der Kolonialherrschaft gerade entlassen waren oder sich davon gewaltsam befreiten. In seiner Sicht gab es hier einen eminenten Handlungsbedarf der Vereinten Nationen, um diesen Ländern beim Auf­bau ihrer Staatlichkeit zu helfen und um ihnen ein internationales Forum zu bieten, wo sie gemeinsam Strategien finden konnten, um den Zwangslagen zu entkommen, in die sie durch den Kalten Krieg der Großmächte ständig gebracht wurden. Folglich konnte sich Hammarskjöld auf diese Ländergruppe stützen, wenn er selbst von den Großmächten ange­griffen wurde.

Künstler und Intellektuelle waren für Hammar­skjöld wichtige Korrespondenzpartner in politischen wie existenziellen Fragen als auch in der konkreten Gestaltung des Hauptsitzes der Vereinten Nationen in New York. Sein Schwedischer Freund Bo Beskow schuf das Wandbild für den Meditationsraum, von der Englischen Künstlerin Barbara Hepworth stammt die Skulptur „Single Form“, die vor dem UN­Hauptsitz in New York steht. Mit dem Schriftsteller Alexis Leger war er über einen Briefwechsel in intensivem geis­tigem Austausch, für Djuna Barnes übersetzte Ham­marskjöld das Drama „The Antiphon“ und sorgte für eine Uraufführung in Stockholm und er traf mehr­mals mit dem Schriftsteller Wystan Hugh Auden

zusammen, der die erste Übersetzung seines Tage­buches ins Englische besorgte. In den letzten Stun­den seines Lebens, auf dem Flug nach Ndola, arbei­tete Hammarskjöld an der Übersetzung von Martin Bubers „Ich und Du“, nachdem er Buber einmal in New York und zweimal in Jerusalem getroffen hatte und er in Bubers Dialogphilosophie ein neues Instru­ment für die internationale Politik vermutete.

Hammarskjölds Leben bestand aus Arbeiten, Dichten und Beten in fließenden Übergängen, dann und wann eine gesellige Versammlung mit Künstlern und Intellektuellen. Er hielt oft Vorträge, vor allem an Universitäten in aller Welt, wobei er alle Reden sel­ber schrieb. Eine besondere Kraftquelle für ihn waren Wanderungen in der heimischen Bergwelt sowie Rei­sen in Afrika und Asien. Das intensive Erlebnis eines Volksfestes in Indien hatte ihn einmal so berührt, dass er eine vorkonzipierte Rede verwarf und frei sprach. In solchen Erfahrungen konnte das Netz des Gewohn­heitsblickes zerreißen, dessen lähmende Übermacht er kannte, und dann erkannte er die Gefahren, die in der Welt der Diplomatie für das Gemüt lauerten. So hielt er in seinem Tagebuch fest:

„Ein Blut, pulsend in Saft und Strömen, ein Kör-per mit dem Gleichmaß der Erde in seinen Bewegun-gen. – Stattdessen – ein Gemüt, abgeschnürt vom Sau-erstoff der offenen Sinne, in Plänen und Hinterlist verbraucht.“4

Und mit Blick auf die in der Politik vorherrschen­den Figuren und Mentalitäten:

„Diese Fertigen, diese Sicheren, die zwischen uns einhergehen, angetan mit der schimmernden Rüs-tung ihres Erfolges und ihrer Verantwortung. Wie kannst du dich von ihnen beirren lassen? Lass sie ihren Triumph leben – auf jener Ebene, wo er zählt“5.

Auf die Frage, ob er ein politischer Mensch

sei, antwortete Hammarskjöld ausweichend, dass er „tätig sein wolle, wo es darauf ankommt“. Die

4 Dag Hammarskjöld: Zeichen am Weg. Tagebuch. 2. Aufl. Urachhaus, 20125 Ebd.

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Konzeption einer tragfähigen Verwaltung des Schwe­dischen Wohlfahrtsstaates war offenbar etwas, auf das es ihm als junger Mann nach absolvierter Aus­bildung ankam, denn er diente unbeschadet seiner aristokratischen Herkunft einer sozialdemokratischen Regierung, doch ohne parteipolitisch gebunden zu sein. Er war zuerst Sekretär, dann Vorsitzender des Verwaltungsrates der schwedischen Reichsbank, Staatssekretär im Außenministerium, Chefunterhänd­ler der schwedischen Delegation bei den Verhand­lungen über den Marshallplan und die Gründung der OEEC, Leiter der schwedischen UNO­Generalver­sammlungsdelegation in New York. Die wichtigen Funktionen hatten seinen bescheidenen Charakter jedoch nicht korrumpiert. So wird berichtet, dass er, wenn es seine Freizeit erlaubte, gerne mit dem Fahr­rad in Südschweden unterwegs war, und eines Tages vor einem Hotel abstieg, um dort zu übernachten. Als der Portier den ankommenden Radler mit dem Hinweis abwies, dass ein „vandrarhem“ (Jugendher-berge) wohl das passendere Quartier für ihn wäre, bedankte sich Hammarskjöld für den Tipp und über­nachtete im empfohlenen vandrarhem.

Hammarskjöld absolvierte seine Ausbildung an den Universitäten von Uppsala und Stockholm in kürzester Zeit mit den bestmöglichen Noten. Seine Studienfächer waren Recht und Nationalökonomie. Bestimmender als seine Ausbildung war seine Bil­dung. Uppsala, die alte schwedische Königsstadt, wo er aufwuchs, war in den 20er­Jahren des 20. Jahrhun­derts ein überaus anregendes Milieu. An der Uni­versität wirkte der Philosoph Axel Hägerström, der Begründer der sogenannten Uppsala­Schule oder Uppsala­Philosophie, einer Denkrichtung, der eine Neigung zu Wertenihilismus nachgesagt wurde. Ein Gegenspieler war der Erzbischof der Stadt, Nathan Söderblom, der auch ein ständiger Gast im Hause Hammarskjöld war. Über Söderblom hatte Ham­marskjöld einen Zugang zu den mittelalterlichen Mys­tikern gefunden, die ihm durch alle Zeiten Zeichen

auf seinen Wegen waren. Söderblom war es auch, der 1925 den ersten ökumenischen Weltkongress orga­nisierte, bei dem Hammarskjöld als Organisations­helfer im Einsatz war. Schließlich gehörte auch Albert Schweitzer in das besondere Milieu Uppsalas jener Jahre. Schweitzer kam auf Einladung Söderbloms in die Stadt, um Vorträge zu halten und Orgelkonzerte zu spielen. Dag Hammarskjöld war einer seiner auf­merksamen Hörer.

Hier im Uppsala der 1920er­Jahre wurde DH´s Denken akademisch aufgeladen und in die Span­nung von äußeren und inneren Welten gebracht. Hier stellte sich sein Kompass für das innere Leben ein. Was hier begann, mündete im ersten Jahr als UN­Generalsekretär in seine Formel: „Wir können die Welt nicht wie Beherrscher der Materie formen. Kolumbus erreichte Ostindien nicht. Wir können ihre Entwicklung jedoch als geistiges Gebilde von innen her beeinflussen.“6.

Dag Hammarskjöld wird am 29. Juli 1905 in Jön­köping in Süd­Schweden geboren als der jüngste von vier Söhnen. Er wächst in Uppsala auf. Dort ist sein Vater Gouverneur der Provinz. Später wird er schwedi­scher Ministerpräsident. Im Rückblick beschreibt Dag Hammarskjöld seine familiäre Prägung so:

“Von meinen Vorfahren väterlicherseits, den Sol-daten und Beamten, habe ich den Glauben geerbt, dass kein Leben befriedigender war als jenes, das im selbstlosen Dienst für das eigene Land – oder für die Menschheit – gelebt wurde. Dieser Dienst verlangte das Opfer aller persönlichen Interessen, aber ebenso den Mut, unbeugsam für die eigenen Überzeugun-gen einzustehen. Von meinen Vorfahren mütterli-cherseits, den Gelehrten und Geistlichen, habe ich den Glauben geerbt, dass alle Menschen gemäß der radikalsten Auslegung des Evangeliums als Kinder

6 Dag Hammarskjöld: The New „Santa Maria“. Address at Dinner in his honor given by the American Association for the United Nations in coope­ration with the New York University Institute for Review of United Nations Affairs. New York, 14. September 1953. In: The Servant of Peace, S. 40­48

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Gottes gleich sind und von uns als unsere Brüder in Gott behandelt werden sollten. In dieser Weise haben wir ihnen zu begegnen“

Diese Ideale betrachtete Hammarskjöld, als er sein Amt antrat und mit Blick auf die Weltlage, als gültig und richtig. Sie boten eine Orientierung, an der er auch in deutlicher Wahrnehmung des allge­meinen Wertewandels festhielt. Die Kraft aber, die ihn rief – die Berufung – beschrieb er so:

Ich weiß nicht, wer – oder was – die Frage war, ich weiß nicht, wann sie gestellt wurde, ich weiß nicht ob ich antwortete. Aber einmal antwortete ich ja zu jemandem – oder zu etwas. Von dieser Stunde her rührt die Gewissheit, dass das Dasein sinnvoll ist und dass darum mein Leben, in Unterwerfung, ein Ziel

hat. Seit dieser Stunde habe ich gewusst was es heißt, „nicht hinter sich zu schauen“, „nicht für den anderen Tag zu sorgen“.

Mit dem Jahr 1968, als alles politisch geworden war, verlöschte Hammarskjölds Genius. Weder war er für die Friedensbewegten noch für die Dritte Welt­Besorgten noch für die Umweltschützer oder Klima­retter ein Wegzeichen oder gar Quelle ihres Denkens. Genauso wenig wissen heute Banker oder Bankenret­ter, dass er einer der ihren gewesen war. Kann sein Lebenswerk für die internationale Politik, für die zivile Weltgesellschaft und für Initiativen des Globalen Ler­nens wegweisend oder wenigstens anstößig sein?

Hans Göttel leitet das Europahaus Burgenland und forscht an der Oxford Brookes Universität zum Lebenswerk von Dag Hammarskjöld.

kann aber auch zu regressiven Formen des Bewusst-seins führen, wenn sie sich in Gegensatz zu einer kritischen Haltung gegenüber der Welt, ihren gesellschaftlichen Ver-hältnissen und den damit verbundenen Formen der Ent-fremdung versteht.

„Wenn Meditation dazu beiträgt, den Prozess des Erwachsenwerdens voranzutreiben, dann bietet sie die

Möglichkeit, sich durch Kontakt mit der Unmittelbarkeit der eigenen Interpretatio-nen und Vorannahmen bewusst zu werden. Kein gesellschaftlicher Lernprozess kann diese Unmittelbarkeit der individuellen Erfahrungen ersetzen, aber andersherum sind die Merkmalsveränderungen in der Meditation nicht schon per se die Grund-lage für gesellschaftliche Lernprozesse. Es gilt, der Interdependenz beider Praxen Rechnung zu tragen.“ (Josef Keuffer, Buddhismus und Erziehung)

Regelmäßig zu meditieren, ist deshalb keine Alternative dazu, sich politisch zu engagieren, wie einige der größten politischen Führer unserer Zeit gezeigt haben: Mahatma GANDHI, Martin Luther KING, Dag HAMMARSKJÖLD, der 1961 im Kongo ermordete Generalsekretär der Vereinten Nationen, der XIV. DALAI LAMA.

Heinrich Dauber (Grundlagen Humanistischer Pädagogik)

Meditation als eine traditionelle

Form der (Selbst-)Erkenntnis„

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Lou Marin

Auf welcher Ebene ist ehrlicher Dialog möglich?DIE BEGEGNUNG ZWISCHEN DAG HAMMARSKJÖLD UND MARTIN BUBER

Die freundschaftliche Begegnung zwischen dem jüdisch-deutsch-israelischen Philosophen Martin Buber (1878–1965) und dem zweiten Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem schwedischen Protestan-ten Dag Hammarskjöld (1905–1961), fand zwischen 1958 und 1961 statt. Sie endete jäh mit dem Tod (oder sogar Mord? – die Ursache ist bis heute ungeklärt) Hammarskjölds bei einer Verhandlungsmission im gerade unabhängig gewordenen Kongo.

Diese Freundschaft fand im hohen Alter Bubers statt und umfasste einen Briefwechsel, drei persönliche Treffen (eines im UN­Büro Hammarskjölds in New York 1958; zwei in Bubers Jerusalemer Wohnung 1958/59) sowie eine rege Referenz und Bezugnahme beider auf den jeweils anderen bei unterschiedlichen Projekten beider Persönlichkeiten.

Die erste PhaseAm 16. April 1958 schrieb Dag Hammarskjöld einen Brief nach Jerusalem an Martin Buber, nur fünf Tage nach seiner Wiederwahl für seine zweite Amtszeit als UN­Generalsekretär. Nur wenige Tage später erfuhr Hammarskjöld zufällig aus der Zeitung, dass Buber gerade auf Einladung seines Biographen Maurice Friedman in New Jersey weilte und lud ihn prompt ein, Hammarskjöld in seinem Büro im UN­Gebäude zu besuchen. Buber hat ihn dann am 1. Mai 1958 besucht, einen Tag nach einer Aufsehen erregenden Rede in der seinem 80. Geburtstag gewidmeten Ver­anstaltung in der New Yorker Community Church, wo er die diplomatische Politik innerhalb der zionisti­schen Bewegung von Herzl bis in die jüngste Zeit hef­tig kritisiert hatte. Er meinte, dass das jüdische Volk in seiner jüngeren Geschichte nicht den Weg des Geis­tes, wie von der jüdischen Kultur vorgesehen, son­dern den Weg der politischen Macht gehe. Insofern ist die Freundlichkeit und Flexibilität Bubers erstaun­lich, dass er tags darauf bereit war, in ein Zentrum der internationalen Diplomatie, das UN­Gebäude, einzu­treten, um Hammarskjöld zu treffen.

In ihrem Gespräch beklagte sich Hammarskjöld über die in der UN­Vollversammlung vorherrschende Scheinsprache – damals „Fensterreden“ im Interesse

der damaligen Kalte­Kriegs­Konstellation genannt –, die einem echten Gespräch entgegenstehe. Es sei in der Diplomatie, so Hammarskjöld, die Achtung vor dem Wort verloren gegangen. Dadurch werde Vertrauen in Angst und Misstrauen verkehrt. Für Buber war die vollständige Gegenseitigkeit im exis­tentiellen Misstrauen ein Phänomen der Zeit und die Gefahr absehbar, in der Rede in Stummheit und Sinn in Wahnsinn umschlage.

Buber hatte in der weiteren Folge ihres Austau­sches mehr den planetarischen Blick des Intellek­tuellen und dadurch der Notwendigkeit alltäglicher Weltpolitik, der Hammarskjöld ausgesetzt war, ent­hoben. Buber beschrieb die Krise dieser Zeit philoso­phischer und historisch umfassender. Seiner Ansicht nach setzte die Krise schon im Ersten Weltkrieg ein. Ein im Mittelalter noch funktionierendes Einbinden der Einzelperson in Gemeinschaften, Gilden und Berufsgruppen, eine mittlere Gesellschaftsebene zwi­schen Individuum und Staat also, habe sich durch das Aufkommen des Zentralstaates nahezu aufge­löst. Der Staat habe immer mehr Aufgaben der alten Gemeinschaften übernommen, sie den Individuen entfremdet und dadurch ausgehöhlt. Die Zwischene­bene einer Gemeinschaft, in der sich ihre Mitglieder Auge in Auge gegenüberstehen und miteinander kommunizieren, habe der Staat zerstört. Dadurch sei auch die Gesprächsfähigkeit der Menschen zerstört worden. Als sich die Gemeinschaften auflösten, seien nur mehr der Staat und isolierte, atomisierte, leicht von außen beeinflussbare Individuen übriggeblie­ben. An die Stelle der gewachsenen Gemeinschaft trat die Menge eigentlich isolierter Individuen, die dann blind den Staat, die Nation usw. anbetete. So

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war nach Buber der Zustand am Beginn der Krise, dem Ausgangspunkt Erster Weltkrieg und so sei er im Prinzip auch noch in der Zeit des Kalten Krieges, der jederzeit zu einem neuen Krieg planetarischer Zerstörung werden könne.

Eine Hoffnung war in dieser Situation für Buber sein Konzept einer Querfront, das heißt, dass ein­zelne Persönlichkeiten aus ihrem Staat, aus ihrer Nation, aus ihrer Blockzugehörigkeit ausscheren und eine neue, übernationale Gemeinschaft der Dissi­dentInnen gründen, die sich miteinander verbün­den und sich durch Solidaritätsaktionen gegensei­tig unterstützen. Diese Querfront geistiger Art und über Grenzen hinweg müsse schließlich zu block­übergreifenden Friedensbewegungen führen, mit der die Gefahr des Atomkrieges gebannt werden könne – eine Voraussetzung für den langwierigen Prozess einer Rekonstruktion der mittleren Ebene der Gesellschaft. Ein Konzept, das dann in den block­übergreifenden Friedensbewegungen der Achtzi­gerjahre durchaus Wirklichkeit wurde. Gleichzei­tig meinte Buber, dass moderne Gemeinschaften, Genossenschaften, Kommunen oder auch die Kibbu­zim in Israel prädestiniert dafür wären, die Gemein­schaftsebene wieder zu erneuern, der Staatssphäre also Grenzen zu setzen und Stück für Stück dessen entwendete, positive Funktionen – wie echten Dia­log und wirtschaftlich­soziale Absicherung usw. –, die jedoch im Staat bürokratisch verfälscht worden seien, sich wieder anzueignen. Buber wollte also dem politischen Prinzip eine immer weiter gescho­bene Grenze setzen, um die Gesprächsfähigkeit auf gemeinschaftlich­gesellschaftlicher Ebene wieder herzustellen und dadurch die atomisierten Indivi­duen aufzuheben. Hammarskjöld wollte im Gegen­satz dazu, die Gesprächsprinzipien, die Buber für die gesellschaftliche Ebene ausgearbeitet hatte, auf die diplomatische Ebene transferieren und dadurch das von ihm bereits erfolgreich ab den Fünfzigerjahren entwickelte Konzept einer vertraulichen Diplomatie, in der ein wahres Klima des Gesprächs geschaffen werden könne, zu verfeinern und wirkungsvoller zu machen. Das persönliche Gespräch, die Entdeckung des Charakters der gegenüber sitzenden Verhand­lungsperson, sollte dazu führen, politische Interes­sen hintanzustellen und nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen – auf diplomatischer Ebene. Das waren die Absichten beider. Sowohl Hammarskjöld machte also mit den Thesen Bubers, als auch Buber mit dem Ansatz Hammarskjölds Politik, Buber vor allem im Konflikt Israel­Palästina, wo er sich für eine

Lösung der Frage palästinensischer Flüchtlinge ein­setzte und sich dabei mit dem israelischen Staatschef Ben Gurion anlegte. So endete die erste Phase ihres Austausches im Jahre 1959.

Die zweite PhaseDie zweite Phase ihrer Begegnung eröffnete wie­der Hammarskjöld mit einem Brief an Buber am 17. August 1961, nachdem er ein in den USA erschiene­nes Buch von Buber gelesen hatte, die Aufsatzsamm­lung Between Man and Man, in der vor allem einige Arbeiten von Buber zu dessen Dialogphilosophie ver­öffentlicht waren. Im Verlaufe des Briefwechsels ent­wickelte sich der Vorschlag Bubers, dass Hammarskj­öld doch sein Hauptwerk der Dialogphilosophie, Ich und Du, ins Schwedische übersetzen möge, dem Hammarskjöld trotz des immensen Arbeitsaufwands eines UN­Generalsekretärs überraschend bereitwil­lig nachkam und sich sofort in die Arbeit stürzte. Er wusste gleichwohl nicht, dass er da nur noch einen einzigen Monat zu leben hatte.

Buber hatte in seinem Hauptwerk von der qualita­tiven Ich­Du­Beziehung gesprochen, die heute immer mehr durch eine objektivierende Ich­Es­Beziehung bedroht werde: „Nur in der persönlichen Ich­Du­Beziehung ist Gott gegenwärtig. Jede Ich­Es­Bezie­hung handelt von Objekten und Objektivierungen, auch wenn es sich dabei um Menschen handelt.“ (S. 80) Buber ging es dabei um ein offenes Gespräch, ohne durch Interessen bestimmte Vorbedingungen: „Die Beziehung zum Du ist unmittelbar. Zwischen Ich

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und Du steht keine Begrifflichkeit, kein Vorwissen und keine Phantasie. Zwischen Ich und Du stehen kein Zweck, keine Gier und keine Vorwegnahme. Alles Mittel ist Hindernis. Nur wo alles Mittel zerfallen ist, geschieht die Begegnung.“ (S. 82) Die Gottesvorstel­lung Bubers ist das Dazwischen in der interesselosen Begegnung zweier Menschen.

Hammarskjöld nun wollte dieses nicht von Inter­essen bestimmte Gespräch auf diplomatischer Ebene als Fortsetzung und Verfeinerung seiner vertrauli­chen Diplomatie weiterentwickeln, die er bereits seit der US­China­Krise gegen Ende des Korea­Krieges 1954­55 erfolgreich angewandt hatte. Im vertrau­lichen Gespräch mit Tschou En­lai hatte er damals die Freilassung US­amerikanischer Piloten aus chi­nesischer Gefangenschaft erwirkt. Wichtig war Ham­merskjöld dabei eine bei diplomatischen Verhand­lungen zu schaffende Atmosphäre von Privatheit, die bis zu einem bestimmten Grad vor der Öffent­lichkeit geschützt war. Dabei sah Hammarskjöld vor, dass er als einer der Verhandlungspartner in einer so weit wie möglich aufrechtzuerhaltenden objek­tiven, nicht­emotionalen und distanziert erschei­nenden Haltung verbleiben solle. Bei jeder Lösung müsse ein gemeinsames Einverständnis hergestellt werden und bei Zugeständnissen des Gegenübers müsse unbedingt dessen „Gesicht“ gewahrt bleiben. Um dieses nicht­interessenverfolgende Modell der diplomatischen Verhandlungsführung weiterzuent­wickeln, ließ Hammarskjöld sogar seinen engsten UN­Mitarbeiterstab Sitzungen abhalten, in denen sie zusammen ausgewählte Passagen von Ich und Du lasen, was mehrere Mitarbeiter von Hammar­skjöld in ihren Erinnerungen bestätigen konnten. In Bubers Konzept stand am Ende sogar die Möglich­keit einer „Umkehr“, einer qualitativen Meinungs­änderung eines Gesprächspartners, die aus einem nicht von Interessen bestimmten Gespräch hervor­gehen könne.

Aber war Hammarskjöld auf diplomatischer Ebene, also im Bereich des Politischen, die Schaf­fung einer diplomatischen Gesprächsatmosphäre, die frei von nationalen, militärischen oder wirtschaft­lichen Interessen vonstattengehen könne, überhaupt möglich? In derselben Zeit, in der Hammarskjöld seine diplomatische Strategie durch Integration der Gesprächselemente Bubers zu verfeinern versuchte, stand er in seiner zeitgenössischen Politik, der gleich­zeitigen Versuche, die verhärtete Kongo­Krise zu lösen und dabei zwischen den Supermächten des Kalten Krieges und ihrer Interessen zu vermitteln, am

Rande des Scheiterns. Politischen Freunden gegen­über sprach er sogar von der Möglichkeit eines Rücktritts im Falle seines Scheiterns im Kongo. Sein plötzlicher Tod bei einem Flugzeugabsturz nahe der abtrünnigen kongolesischen Region Katanga am 18. September 1961 machte allen seinen Hoffnungen und damit auch einer möglichen Fortsetzung der Begegnung mit Buber ein jähes Ende. In der abge­stürzten Maschine fanden Bergungsmannschaften Manuskriptseiten der begonnenen Übersetzung von Ich und Du.

Schlussfolgerungen und AktualitätNicht erst das immer wieder von machtpolitischen und militärischen Interessen bestimmte diplomati­schen Tauziehen in der Syrienkrise nach dem Giftgas­massaker in Damaskus, mit fast an Sicherheit gren­zender Täterschaft des syrischen Staatschefs Assad, und die bei allen Verhandlungen als Drohung auf­rechterhaltene Möglichkeit der militärischen Bom­bardierung durch die Westmächte – im Notfall völlig an der UN vorbei – hat gezeigt, dass Hammarskjölds Ansatz, auf diplomatischer Ebene eine interesselose Gesprächskultur einführen zu wollen, historisch oft genug gescheitert ist (Irak oder der Kosovo­Krieg waren nur andere historische Beispiele jüngerer Zeit). Nun war Hammarskjöld nicht naiv und so überlegte er sich Handlungsweisen für den Fall, dass der Dia­log auf politischer Ebene scheiterte. Hammarskjölds Alternative bestand in der Schaffung der UN­Blau­helmtruppen, die nach ihm über Jahrzehnte hinweg weiter ausgearbeitet, allerdings auch deren militäri­sche Möglichkeiten immer stärker erweitert wurden. Damit kehrten Hammarskjöld und die ihm nachfol­genden UN­Generalsekretäre – von Kofi Annan ist etwa bekannt gewesen, dass er ein starker Ham­marskjöld­Verehrer war – leider zum Clauswitzschen Grundsatz zurück, wonach der Krieg nur eine Politik mit anderen Mitteln sei.

Eine der ersten Aktivitäten Bubers nach dem Tod Hammarskjölds hingegen wies in eine andere Rich­tung: Er war aktiv zu Beginn der Sechzigerjahre am Beginn des Aufbaus internationaler Friedensbriga­den (PBI – Peace Brigades International) beteiligt, die vor Ort in Form von BegleiterInnen aktiver Friedens­aktivistInnen oder Gewerkschafter des jeweiligen Lan­des, die von Repression oder Tod bedroht waren, eine weltweite Öffentlichkeit und dadurch Schutz ermögli­chen konnten. Diese Friedensbrigaden gibt es noch heute und sie sind sehr aktiv. Für Buber waren durch die Kombination dieser Ebene nicht­gewaltsamen

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Lou Marin ist Schriftsteller und lebt in Marseille. Er hat am 16. Mai 2013 in der Kosmopolitischen Bibliothek des Europahauses zum Thema „Die (Un­)Möglichkeit des Dialogs in der inter­nationalen Politik“ gesprochen.

Widerstands (auf welcher das Gespräch zu jeder Zeit möglich bleibt) mit einer Ebene der Erziehung letzt­lich eine andere Form der Friedensfähigkeit und der Wiedergewinnung von Gesprächsfähigkeit möglich. Seine Lösung zielte jedoch auf mittel­ bis langfristige Entwicklungsstrategien und scheint noch heute – wie das Beispiel des Krieges in Syrien zeigt – kurzfristig kaum umsetzbar. Sie wäre vielleicht möglich gewe­sen, wenn sich die syrische Opposition nach einer ersten Phase eindrucksvollen gewaltfreien Wider­stands nicht hätte auf die Ebene des Kriegs und des

bewaffneten Widerstands zu Assad herunterziehen lassen. Denn auf dieser Ebene sind die herrschenden Kräfte allemal besser ausgerüstet und schaffen damit dauerhaft eine Ebene des Bürgerkrieges, die sowohl Hammarskjöld wie Buber als geradezu der Gegensatz zum Wort und damit zum Dialog betrachtet hätten. Ihr ganzes Streben ging dahin, den Krieg zu vermei­den, um dem Gespräch eine Chance zu geben. Auf der Basis von Krieg und militärischer Drohungen hat jedoch das echte Gespräch keine Chance.

und die Antiquiertheit der Intimität verkündet wird, demonstriert nur, wie rasch die Individualisierungspro-zesse der Moderne zuerst in informelle, dann wohl auch in formelle Formen der Normierung und ihrer Kontrolle umschlagen können. Das Ich, wäre es ein solches, benö-tigte nichts mehr als eine Privatsphäre, intime Räume, Rück-

zugsgebiete, wo es tatsächlich bei sich sein könnte. Dass die euphorisch begrüßte Technologie unserer Kommunikationsmedien in ihrer Logik das Gegenteil anvisiert – Transparenz, Durchsichtigkeit, Kontrolle, permanente Erreichbarkeit –, zeigt, wie schlecht es um das Individuum in Wirklichkeit bestellt ist. Der Egoismus unserer Tage ist nicht Ausdruck einer radikalisierten Individualität, sondern Konsequenz der sich selbst kontrollierenden Wettbewerbsgesellschaft, in der alle ihren Vorteil suchen, indem sie das machen, was die anderen auch machen. Gerade wenn in einer Gesell-schaft jeder nur an sich denkt, denken alle das Gleiche.

Konrad Paul Liessmann (In der Ich-Falle, Die Presse, 28. Sept. 2013)

Dass nun mit Pathos das Ende

des Privaten„

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Franz Schandl

Thesen und Bilanzen zu fetischisierten MusternSEIN, HANDELN, BEWEGEN, GESTALTEN, ENTWICKELN IN GEMEINSCHAFT(EN) – IM GLOBALEN

Ich möchte anhand einiger Bespiele und Überlegun-gen klar machen wie befangen unser Denken und Handeln ist, sodass wir geradewegs das fördern, was uns eigentlich Unbehagen bereitet.

Kurzum: Wir verhalten uns konstruktiv zur Destruk­tivität. Immer wieder reparieren und korrigieren wir das, was uns, unsere Umwelt, unseren Plane­ten kaputt macht. Unentwegt sind und werden wir engagiert. Nicht nur durch unser alltägliches Tun und unsere Geschäfte, sondern auch durch unseren alltäg­lichen Widerstand, ebenso durch unser Denken und Fühlen. Letztlich sind wir absolut kontaminiert von der Form in der wir uns bewegen. Wir sind so konta­miniert, dass wir immer wieder die Form gegen ihre Folgen anrufen. Wir bestätigen was wir kritisieren. Am Beispiel der Bewegungen, der Werte und des Bürgers möchte ich das illustrieren um abschließend ein paar Worte zum Fetischismus von Geld und Ware zu verlieren.

BewegungMeine Betrachtungsweise ist eine, die strikt von den Resultaten ausgeht, weniger die propagierten Vor­haben und Selbstbeschreibungen beachtet. Eupho­rie sollte man sich jedenfalls verbieten, analysieren wir ihre Geschichte und ihre Verlaufsformen etwas nüchterner, als wir es gewohnt sind zu denken. Bewe­gungen hinterlassen, hat man zu ihnen kein libidi­nöses Verhältnis, einen bitteren Beigeschmack. Der hat damit zu tun, dass Wünsche projiziert werden, die sich über jene nicht verwirklichen lassen. Wir dürfen nicht stets von Chancen reden, sondern vor allem auch von ihren Tücken und Ergebnissen. Der Gedanke, der sich aufdrängt, ist der, dass es nötig ist, soziale Bewegungen als Größe der Transformation in Frage zu stellen.

Im Kapital offenbart sich eine dynamische Struk­tur sondergleichen. Als bewusstloses Verhältnis sei­ner selbst reagiert es auf Anforderungen impulsiv und konvulsiv. Das bürgerliche System muss stets gegen sich selbst revoltieren, um sich zu erneu­ern. Das tut es nicht in Form von Vorhaben oder gar

Verschwörungen, sondern aufgrund seiner Bedin­gungen und Zwänge. Soziale Bewegungen nehmen in diesem Prozess eine bevorzugte Stellung ein. Bewegung sagt der Struktur, was gut für sie ist. Meist ist jene auch wirklich sensibler, was die unmittelba­ren Aufgaben betrifft. Das führt zu Rebellionen gegen Missstände, ohne die Überwindung der Zustände wirklich ins Visier zu bekommen.

Soziale Bewegung ist eine immanente Form kapi­talistischer Herrschaft. Ihr Formieren ist Reformie­ren, das Transformieren ausschließt. Ihre Funktion besteht objektiv darin, gerade durch ihren Wider­stand das System auszutarieren. Das kann sie, für nichts anderes taugt sie. Ganz trocken Niklas Luh­mann: „Das System immunisiert sich nicht gegen das Nein, sondern mit Hilfe des Neins, es schließt sich nicht gegen Änderungen, sondern mit Hilfe von For­derungen gegen Erstarrung in eingefahrenen, aber nicht mehr umweltadäquaten Verhaltensmustern.“ (Soziale Systeme, Frankfurt am Main 1987, S. 507)

So agieren die unstabilen Bewegungen als Sta­bilisatoren des Systems. Das haben sie zwar nicht vor, aber das stellen sie an. Sie spielen mit, obwohl sie oft das Gegenteil unterstellen. Unter der Hand gerät die praktizierte Kritik zur affirmativen Innova­tion. Interventionen werden absorbiert. Alles endet im Arrangement, nicht nur, was die Kompromisse betrifft, sondern auch was die Haltung der Bewegten ausmacht. Das ist hier jetzt gar nicht als Vorwurf oder Verrat zu sehen, sondern will lediglich einen nüchter­nen Blick ermöglichen. Bewegungen bewegen sich letztlich in diesseitigen Schemata, alles andere ist ideologischer Schein. Bewegung meint Avantgarde des bürgerlichen Seins, nicht Alternative. Bewegun­gen resynthetisieren.

Soziale Bewegung bedeutet Intensivierung, Verdichtung und Beschleunigung der Moderni­sierung. Sie folgt einem Denken in Defiziten und

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Komparativen. Bewegung handelt als ein Kollektiv­subjekt des Kapitals. Die Aufgabe der Bewegungen besteht auch immer darin, ins politische Geschäft zu kommen und nicht das politische Geschäft zu über­winden. Sie gehorchen der Logik von Staat und Zivil­gesellschaft. In diesem Spiel sind sie zu positionieren, nicht gegen es zu transpositionieren. Der Charakter der Bewegung zeigt sich weniger in deren Motiven und Bestrebungen als an ihren Resultaten.

Bewegungen öffnen Ventile, nicht Türen. Heißer Dampf soll kontrolliert entweichen. Die Mentoren der Bewegung und die Polizisten des Staates sind die Kontrolleure der Dosierung. Es ist eine unbewusste Übereinkunft. Bewegungen fungieren als ideologi­scher Apparat der Macht. Sie klagen ein, was diese verspricht. Sie sprechen also nicht selbst, sie plappern nach. Ihre Rede holt die Leute tatsächlich dort ab, wo sie sind. Sie bestätigt sie, anstatt sie zu belästigen und aufzustacheln. Sie ist anschlussfähig in übelstem Sinne. Kennzeichen der Bewegung ist nicht Refle­xion, sondern die Mitgerissenheit, ein Erfasst­Wer­den, nicht ein Erfassen. Bewegungen sind amorphe Massen, die nichts wissen und nichts wissen wollen, weil sie schon alles zu wissen meinen. Man bedient die gemeinen Vorurteile. Hauptsache Bewegung! Hauptsache es tut sich was! Egal was, Hauptsache!

Bewegung ist Appell und Zuruf, nicht Praxis und Tat. Der Terminus Protest umschreibt das ganz

vorzüglich. Nicht wir wollen machen, sondern sie sol­len gefälligst tun, ist die Botschaft, die rüberkommt. Staat und Kapital sind ihre Ansprechpartner. Bewe­gungen sind ganz in der Politik befangen und im Geld sowieso, um das es meist geht. Alle neuzeit­lichen Bewegungen sind monetär instruierte oder zumindest tangierte Bewegungen. Es geht ums Geld, nicht gegen das Geld.

In ihrer ganzen Tragweite gilt es zu erfassen, dass wir nicht einfach die Aktivisten sind, sondern viel­mehr die Aktivierten. In den Bewegungen werden Betroffene mobilisiert, nicht Bewusste. In Bewegun­gen setzen zwar Menschen sich in Bewegung, aber eben nicht sich gegen sich in Bewegung. Bewegun­gen sind ein reaktiver Faktor der Unmittelbarkeit. Sie wollten etwas verhindern oder verbessern. Nicht das Andere ist ihr Vorhaben, sondern stets die Forderung, die sie an die jeweiligen politischen und ökonomi­schen Verantwortlichen stellen und je nach Stärke auch durchzubringen verstehen. Sie setzen Akzente im Rahmen der Form.

So paradox es klingt: Um die Konvention zu erneuern, muss die Intervention dezidiert gegen jene verstoßen. Diese Regelverletzung, die keine Regel­außerkraftsetzung ist, ist aber bloß ein temporärer Aspekt, der für die Initiation notwendig ist, in Folge aber der Pragmatisierung weicht.

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Der Widerstandsmodus ist selbst ein Modus der Herrschaft. Bewegungen sind Repulsion und Attrak­tion in einem. Bewegung wirkt nicht als Lösung, son­dern als Schwingung. Ausgangs­ und Zielort sind gleich, substanziell verändert sich nichts. Bewegung ist eine Projektion, die unsere Lüste in die falsche Richtung leitet. Wir nehmen uns in ihr als autonom und mündig wahr und werden doch bloß engagiert.

Nicht bloß auch, sondern gerade im Widerstand verwirklicht der aufgeklärte Bürger seine Pflicht am Staat. Politischer Widerstand drückt gegen das, was gegen einen drückt. Er ist Reaktion, ein Dagegenhal­ten, nicht mehr. Widerstand richtet sich nicht gegen das unbekömmliche Spiel, im Gegenteil, man will sich besser im Spiel positionieren. Was als unmit­telbare Notwendigkeit sich aufdrängt, wird zu einer Falle, weil durch die tätige Affirmation der Form die generelle Destruktivität theoretisch unbegriffen und praktisch unangegriffen bleibt. Widerstand teilt die Voraussetzungen seiner Auseinandersetzung als eherne Bedingungen. Einmal mehr geht es um ein Interesse in und nicht um eine Alternative zum. Inter­esse und Alternative kollidieren. Das Interesse hat ein Interesse, als Interesse aufrechterhalten zu bleiben.

WerteNichts ist heute so hoch im Kurs wie die Werte. Über Werte mag gestritten werden, aber nicht dar­über, dass wir unbedingt welche brauchen. Unab­lässig werden sie ab­ und angerufen, als Vorlagen der Einmischung gelten nur sie: die bürgerlichen Werte. Nichts Besseres kann dem System passieren, als dass sich die Bewegungsleute an die Werte der Herrschaft klammern, wenn sie an Demokratie und

Politik, an Freiheit und Gleichheit, an Gerechtigkeit und Menschenrechte, an Sozialstaat und Rechtsstaat glauben. Permanent fordern sie das Versprechen ein und beharren trotzig auf dem ideologischen Schein. So geben Bewegungen zu verstehen, dass sie ganz immanent ausgerichtet sind, auch wenn sie sich noch so radikal gebärden. Sie sprechen in der Sprache der Herrschaft, deren Code sie teilen.

Die Bewegung rüttelt also nicht an dem, woran sie sich reibt. Während Herrschaft mitunter auch ein zynisch­ehrliches Verhältnis zu den Werten pflegt, haben Bewegungen ein idealistisch­verklärtes. Sie werten die Werte immer wieder auf. Jede Bewe­gung eine Aufwertungsbewegung. Die Monstran­zen der Aufklärung gelten als Insignien der Andacht. In den neuzeitlichen Bewegungen herrscht geradezu eine inbrünstige Bejahung der Werte und des ihnen zugrunde liegenden Werts. Anstatt die bürgerliche Welt zu entzaubern, besingen sie den bürgerlichen Himmel. Bewegungen sind Chöre der Affirmation.

Allenthalben ist von Werten zu reden. Von Wer­ten, die wir haben, oder welchen, die wir brauchen, von Wertewandel und Werteverfall und vor allem und unablässig von der Wertegemeinschaft. Denn die benötigen wir, unbedingt. Der Wert, der steht hoch im Kurs. Kein Konkurs vermag ihn erschüt­tern. Dass wir etwas wert sein sollen und dazu Werte brauchen, kann das anders sein? Nein, es ist das Selbstverständlichste auf der Welt, den abstrakten Prinzipien des Bürgertums zu huldigen: Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, das wärmt die Seele, das sind doch Werte für ewig! Nicht? Als stünde dieses

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Arsenal nicht zur Disposition, sondern vor der Durch­setzung. Gerade hier zeigt sich an, dass der Horizont nicht überschritten, ja dass dieser nicht einmal als Problem gedacht wird.

Das Zentrum der Werte bildet – das Wort verrät es durch seinen Singular – die ökonomische Kategorie selbst, der Wert. Das ist übrigens ein Begriff, der aus der politischen Ökonomie kommend, seine Alltags­tauglichkeit erst im 19. Jahrhundert gefunden hat. Doch in der Zwischenzeit hat er in seiner Besessen­heit von vielem Besitz ergriffen. Die Sprache verrrät es an allen Ecken und Enden.

Der Glaube an ihn ist die gemeine Basis diverser Ausdünstungen unserer Befangenheit. Alle Bereiche sollen durch Werte dem Wert angepasst sein. Man denke nur an all die befallenen Begriffe wie Wert-schätzung, Wertschöpfung, Bewertung oder wert-voll. Auch das Selbstwertgefühl ist in seiner Konsti­tution nie etwas anderes gewesen als die von außen geprägte Werteinschätzung des Selbst, wobei das Selbst die Rückbezüglichkeit schon in sich trägt. Es ist ein abstraktes Sich, kein konkretes Ich, ein Sub­jekt, dessen Selbstwert immer an Verwertung orien­tiert sein muss.

Die Achtung der Menschen erfolgt nicht direkt, sondern über die jeweiligen Wertigkeiten der Rol­len und ihrer Masken am Markt. Akzeptiert wird, wer sich verwertet. Jeder Wer ein Was! Und wer kein Was, ein Nichts! Dieses Selbstwertgefühl sinkt rapide, wird der Einzelne vom Kapital nicht anerkannt. Nicht nur Arbeitslose spüren das, die aber ganz besonders. Wert, in welcher Äußerungsform und Zusammenset­zung auch immer, ist etwas, das positiv an das Kapi­tal gebunden ist. Die Sprache macht das deutlich. In aller Aufdringlichkeit.

Die Frage, welche Werte wir brauchen, ist ein­fach zu beantworten: Keine! Nicht Werte brauchen wir, sondern Freude und Freundschaft, Bewusstsein und Reflexion, Kooperation und Verantwortung, Lust und Liebe. Aber das sind keine Werte des Kapitals, sondern Konfigurationen des guten Lebens, das wie immer jenseits von Wert und Verwertung zu suchen ist.

BürgerDie Bewegungen verkommen zusehends auf das Niveau von Bürgerinitiativen. Zunehmend tragen sie diese Bezeichnung auch in ihrem Titel, ohne das Regressive dieser Form(ulierung) in Ansätzen zu reflektieren. Diese Namensgebung ist nicht zufäl­lig, sondern offenbart den insistierenden Charakter

auf geradezu penetrante Weise: Bürgerinitiativen und Bürgerrechtsbewegungen sind Initiativen des Bürgerlichen.

Die Kategorie Bürger bleibt völlig unproblemati­siert. Dass gerade die Spezies des Bürgers die anzu­rufende Instanz ist, wird vorausgesetzt. Wer sonst? Menschen? Aber geh! Alles was sich regt und aufregt, muss als Bürger verkleidet daherkommen und in die Zivilgesellschaft und ihre Werte verliebt sein. Der Bür­ger, der hier Besitz­ und Staatsbürger vereinigt, ist Leitbild einer Opposition, die keine ist. Der Bürger (der zu seiner Burg gewordene Mensch) soll nicht in Frage gestellt, sondern vielmehr verwirklicht werden. Er ist Referenz­, nicht Abstoßungspunkt. Sein Univer­sum ist nicht überschreitbar. Indes stünde gerade dieses zur Disposition. Bürger sind durch Menschen zu ersetzen.

FetischUnser Sein wird bestimmt durch die Vorgaben, die nicht natürlich sind, sondern soziale Entwicklung dar­stellen. Unser Handeln, unser Bewegen, unser Gestal­ten vollzieht sich innerhalb dieser Formgesetze der Verwertung. Unhinterfragt. Die Zwänge zur Arbeit, zum Kaufen und Verkaufen, zum Handeln als Han­deln, zum Geld sind obligat. Produkte und Leistun­gen haben Waren zu sein und wir sind ihre Hüter.

Dieses fetischistische Grundmuster ist immer schon da, gerade so als sei es Natur. Unsere Kom­munikation, sprachlich wie sozial, ist also vorgeformt. Fetischismus meint, wir können die Dinge nicht als Dinge sehen, sondern wir müssen sie überhöhen. Sie erhalten Wert, Aura und andere übersinnliche Bestimmungen, die wir als Signifikate setzen und die uns daher als solche scheinen.

Wir denken alles in Geld und Ware. Am Markt vermitteln wir uns nicht einfach Güter, sondern wir vergleichen unsere Kaufkraft, wir wägen ab, wir kal­kulieren und spekulieren. Wir können nur an uns nehmen, was wir bezahlen können. Am Markt treffen wir uns nicht als Menschen, sondern nehmen uns als Verkäufer und Käufer wahr. Wir spielen Rollen, die Dinge sind Wertprodukte, die einen Preis erzie­len, den wir zahlen wollen oder nicht resp. den wir zahlen können oder nicht. Unsere Bedürfnisse sind weitgehend unserer Kaufkraft untergeordnet, die wir uns durch Arbeit oder die Arbeit anderer angeeig­net haben. Freunde sind wir am Markt nicht, son­dern berechnende Wesen. „Tauschgegner“ nannte das Max Weber.

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Der Waren­ und Geldfetisch unterscheidet sich eben von den anderen, weil er seinen Trägern weitge­hend unbewusst bleibt. Sie wenden ihn entschieden an, aber sie begreifen nicht, was sie dabei tun. Die Leute sollen wissen, wie es geht, alles andere braucht sie nicht zu interessieren. Das reicht. Wir vollziehen blind, erfüllen unsere Pflicht und fühlen uns dabei sogar mündig. Das, was wir unablässig tun, ist das, wovon wir am wenigsten verstehen, und das, obwohl wir alles kapiert haben. Aufmerksamkeit kapriziert sich auf die einzunehmende Funktion, wir sind nicht reflektiert, sondern reflexiv.

Karl Marx schreibt: „Sie [die Produzenten] sind in Verhältnisse gesetzt, die ihren mind bestimmen, ohne dass sie es zu wissen brauchen. Jeder kann Geld brauchen, ohne zu wissen, was Geld ist. Die ökono­mischen Kategorien spiegeln sich im Bewusstsein sehr verkehrt ab.“ (MEW 26.3, S. 163) Jeder weiß, was Geld ist, und doch versteht es keiner. Das macht freilich nichts, solange es irgendwie funktioniert. Der Wert ist nicht verständlich, aber alle verstehen ihn zu betätigen; der Wert ist auch nicht wirklich, aber alle verstehen ihn realitätstüchtig zu verwenden. Die Mys­tifikationen werden ganz reell. Es gibt sie, weil wir uns danach richten.

Was so eine richtige esoterische Tagung ist, die braucht schon ihren spiritistischen Schluss. Setzen wir

uns also hin und meditieren über einen Geldschein. Das Wort ist übrigens verräterisch süß, dass es süßer nicht sein könnte: Welche Kraft hat er? Nun, er hat die Energie, die wir ihm verleihen. Die Kraft zu kaufen, sprechen wir ihm zu und als Verkäufer und Käufer hal­ten wir uns daran, akzeptieren diese Potenz als seine. Wir wissen, was wir gar nicht zu denken brauchen. Unsere Zueignungen sind Folge und Resultat des Fetischs, den wir uns angeeignet haben. Ohne ihn geht nichts. Unsere Kraft ist unsere Kaufkraft, unser Vermögen unser Geldvermögen. So leben wir und so erleben wir uns.

Der Geldschein vor uns ist eben kein Fetzen Papier, auch wenn er nichts anderes ist. Er ist das zentrale Mittel, das Medium unseres Daseins. Er erst macht möglich, was wir auch so bewerkstelli­gen könnten, aber ohne Dienst am Fetisch uns nicht zugestehen dürfen, da es weder obligat noch zuläs­sig ist, ohne seinen Beistand über unsere Leistungen und Produkte frei zu verfügen.

Derweil, der Fetisch ist, was die Produktion betrifft, nicht nötig – er ist kein Rohstoff, kein Werkzeug, keine Tätigkeit, keine Fertigkeit; er ist auch nicht nötig zur Distribution – er ist kein Lastkraftwagen, keine Lager­halle, keine Logistik; er ist auch nicht nötig zur Kon­sumtion – er ist keine Speise, kein Getränk, kein Gusto, kein Genießen, keine Geselligkeit. – Wozu also?

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Franz Schandl aus Wien ist Histori­ker, Publizist und Mitglied der Redak­tion der Zeitschrift „Streifzüge“. Am 7. November 2013 hat er bei der inter­nationalen Tagung „Globale Entwick­lung als Gemeinschaftsfrage“ im Euro­pahaus referiert.

Trotzdem beherrscht dieses Nichts alles. Trotzdem sitzt dieses Nichts tief in uns, ist nicht aufgesetzt, son­dern unablösbar, eingebettet, verhaftet allen Erleb­nissen wie Ergebnissen. Der Fetisch ist nichts, aber erst er macht alles möglich: Er baut Gebäude und Straßen, erntet Felder und Gärten, transportiert Kühl­schränke und Waschmaschinen, montiert Heizun­gen und WC­Anlagen, pflegt Alte und versorgt Kin­der. Ohne Fetisch ginge das doch alles nicht! – Oder?

Täglich beweist er uns, was er alles kann und dass wir ohne ihn nichts können. Vor solcher Macht muss man sich verneigen. Tief bückt man sich und erweist ihm die Ehre, indem man fast alles über ihn und nicht ohne ihn erledigt. – Warum?

Nun die Frage, die sich bei fast allen Handlungen stellt, ist eben nicht: Können wir es, was wir da wol­len?, sondern sie stellt sich von vornherein fetischis­tisch: Können wir finanzieren, was wir da möchten? Die Macht, der wir ausgeliefert sind, ist eine, die wir selbst erzeugen. Der Fetisch ist keine objektive Kraft, sondern eine verobjektivierte Aufladung, die aber als objektive Kraft wirkt. Seine Potenz ist ausschließ­lich eine von sich ausliefernden Subjekten, die diese Unterwerfung im Schlaf beherrschen. Wir können nicht anders, weil wir permanent so handeln, als ob

wir nicht anders könnten. Und für diese Welt stimmt das auch. Solange wir an sie glauben oder besser uns an ihren Modus halten, bewegen wir uns rich­tig im Falschen. Mit jeder Handlung füttern wir die tautologische Verwertung. Der objektivierte Zwang ist nichts ohne die Arbeit der Subjekte für ihn. Sie ist die Alltagserfahrung, die sich wiederum betätigend bestätigt. Wir leben nicht unser Leben, sondern wir sind das Personal einer Matrix. Unsere tägliche Anäs­thesie gib uns heute.

Die bürgerliche Alltagsreligion ist nicht als geson­derte Verzauberung auffällig, weil sie die allgemeine ist. Ihre Besonderheit besteht darin, dass wir durch den tätigen Vollzug unseres profanen Daseins per­manent in dieser Logik handeln. Diese Prämissen erscheinen nicht als außergewöhnliche Zumutung, sondern als der gewöhnliche Lauf des Lebens. Es geht um ein elementares Begreifen der Befangenheit, um ein bewusstes Spüren und Denken der Matrix, in der wir uns bewegen. Warum synthetisieren wir wie wir synthetisieren? Befreiung beginnt, wenn wir erken­nen, dass wir heute nicht frei sind.

wie die Ausgeschlossenen der Welt, die wirtschaftlich und politisch Enteigneten – Flüchtlinge, Obdachlose, Straßen-kinder, Migranten ohne Papiere, Häftlinge, alternde Pro-stituierte, Zigarettenschmuggler und Diebe –, Teile ihres Körpers an die Transplantationsmedizin liefern. In den Kör-perlandschaften der Individuen verschmelzen Kontinente, Rassen, Klassen, Nationen und Religionen. Muslimische Nieren reinigen christliches Blut. Weiße Rassisten atmen mit der Hilfe schwarzer Lungen. Der blonde Manager blickt

mit dem Auge eines afrikanischen Straßenkindes auf die Welt.Ein katholischer Bischof überlebt dank der Leber, die aus einer Prostituierten in

einer brasilianischen Favela geschnitten wurde. Die Körper der Reichen verwandeln sich zu kunstvoll zusammengesetzten Patchwork-Arbeiten, die der Armen zu einäu-gigen beziehungsweise einnierigen Ersatzteillagern. Der stückweise Verkauf ihrer Organe wird so zur Lebensversicherung der Armen, in der sie einen Teil ihres kör-perlichen Lebens hingeben, um in Zukunft überleben zu können. Und als Resultat der globalen Transplantationsmedizin entsteht der „biopolitische Weltbürger“ – ein weißer, männlicher Körper, fit oder fett, in Honkong, Manhattan oder Berlin, ausge-stattet mit einer indischen Niere oder einem muslimischen Auge.

Ulrich Beck (Das Zeitalter der Kosmopolitisierung, FAZ 8.9.2013)

In einer empiri-schen Fallstudie

zeigt die Anthro-pologin Nancy

Scheper-Hughes, „

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Andreas Gross

Die Bedeutung von internationalen Gemeinschaften(ORGANISATIONEN) FÜR DIE GLOBALE ENTWICKLUNG

10 Thesen

,,To a large extent, the rules relect standards accepted as binding for life within States. Thus, they appear, in the main, as a projection into the international arena and the international community of purposes and principles already accepted as beeing of national vali-dity. In this sense, the Charter takes a first step in the direction of an organized international community.“ ( Dag Hammarskjöld, 1961, in seinem letzten Jahres-bericht und ,,eigentlichem Testament“.)

,,We are on dangerous ground if we believe that any individual, any nation, or any ideology has a monopoly on rightness, liberty and human dig-nity.“ DH, 1958

1) Die Form der heutigen internationalen Orga­nisationen erlaubt diesen heute nicht, der Welt den Dienst zu erweisen, den diese für die Wahrung ihrer Zukunft nötig hätte.

2) Die globale Entwicklung wird nach wie vor und vorwiegend von wirtschaftlichen Interes­sen und großen Nationalstaaten geprägt, die sich prioritär nicht am Wohl der Allgemeinheit, am Abbau struktureller Gewalten und der Nachhaltig­keit unserer Existenzvoraussetzungen orientieren.

3) Die internationalen Organisationen sind nicht in der Lage eine Gegenmacht zu den oben genann­ten Interessen zu bilden und so das Allgemeininter­esse dieser Welt, das Interesse der Mehrheit der Men­schen auf dieser Erde und deren Möglichkeit, gesund und in Frieden miteinander zu leben als Handlungs­grundlage zu priorisieren.

4) Zudem leben wir in einer Zeit des überall wie­der aufkommenden Nationalismus, der nationalisti­schen Regression, die im Frühjahr 2014 auch mehr als ein Drittel Anti­Europäer in das Europaparlament

tragen könnte. Was an Europa­ oder Weltgemein­schaftlichem existiert (EUGMR in Straßburg) wird zunehmend in Frage gestellt.

5) Der Wiener Kongress 1815 war der erste Ver­such der Großmächte Europa und damit damals weit­gehend die Welt zu „ordnen“.

6) Nach den beiden Weltkriegen des 20.Jahrhun­derts schufen die siegreichen Großmächte globale Organisationen (Völkerbund und Vereinte Nationen), die ihnen die Möglichkeit geben sollten, neuerli­che globale kriegerische Auseinandersetzungen zu verhindern.

7) In Europa gingen die Großmächte noch weiter.a) Sie schufen eine Organisation (Europarat), wel­

che übernational einen Kontinent der Menschen­rechte, der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie aufbauen sollte, inklusive eines revolutionären Indi­vidualrechtes, seinen eigenen Staat bei Menschen­rechtsverletzungen verklagen zu können.

b) Sie schufen eine ,,Europäische Gemeinschaft“ (heute leider wieder Europäische Union genannt), welche zwar viel und verbindliches transnationales Recht setzen kann, die aber immer noch exekutiv und autoritär geprägt ist und der Demokratie immer noch nicht die Transnationalität verschafft, die diese zur Haltung ihrer Versprechen längst nötig hat.

8) Wir haben heute weltweit derart viele gemein­same existenzielle Probleme (Klima, Vergiftung der Umwelt und der Nahrungsmittel, Zerstörung unse­rer Lebensgrundlagen), wir können uns technisch so schnell und einfach selbst total zerstören und zur Existenz eines jeden auf dieser Welt tragen viele und vieles von fast allen anderen auf dieser Welt so viel bei, dass unsere Weltgemeinschaft längst transnatio­nale globale Institutionen nötig hat, die mehr sind als Orte der Kooperation der Weltmächte zwecks besserer Vertretung ihrer spezifischen Interessen.

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NR. 24 – DEZEMBER 2013 29

6 Fragen aus der Redaktion an den Politiker Andreas Gross

9) Um diese Institutionen zu schaffen, muss die Welt erst lernen, ohne Katastrophen zu lernen. Denn nach der nächsten großen Katastrophe können viele nicht mehr lernen, wie man es organisatorisch anders und besser machen könnte.

10) Aus den internationalen Organisationen müs­sen Institutionen der Weltgemeinschaft werden:

• Die UNO benötigt zumindest eine gleichberech­tigte parlamentarische Dimension und der Sicher­heitsrat muss von den Vetoprivilegien befreit werden.

• Die EU muss demokratisch und föderalistisch neu verfasst werden (Zwei Kammern­Parlament, Senat von Parlamentariern gewählt, Kommission als Regierung dem Parlament verantwortlich, Präsident vom Parlament gewählt, obligatorisch Verfassungsre­ferenden und Bürger­Gesetzes­lnitiativrecht).

• Der Europarat muss aus der ministerialen Bevor­mundung gelöst werden, so kann er anderen Konti­nenten Vorbild werden.

• Das alte ,,Straßburger-Modell“ könnte erweitert und globalisiert werden.

Vollbeschäftigung ist aufgrund fortschrei-tender Automatisierung nicht mehr möglich. Wie will man die Arbeit neu verteilen, damit nicht wie in manchen Ländern 50 Prozent der Jugend keine Chance hat etwas aufzubauen?

Arbeit gibt es genug und wird es noch lange genug geben! Die Frage ist „nur“, ob alle gesellschaft­lich sinnvolle Arbeit so bezahlt werden kann, dass die Arbeitenden auch vom Lohn leben können. Wenn in einem Staat der entsprechende politische Wille besteht, dann ist dies auch möglich. Wenn beispiels­weise innerhalb der EU zudem kontinentale Normen gelten, die entsprechende Anreize schaffen, hilft dies ebenso. An beidem fehlt es bisher aber allzu oft und an zu vielen Orten.

Freilich darf man es sich auch nicht zu einfach machen. Die verantwortungslose Jugendarbeits­losigkeit in Spanien ist nicht der „fortschreitenden Automatisierung“ geschuldet, sondern einer zu schwachen, praxisfernen und zu universitätslastigen Berufsbildungspolitik, einer zu einseitigen, auf die Bauwirtschaft fixierten Wirtschafts­politik mit einer verantwortungslosen Bankenpraxis, auch jenen ohne Ersparnisse Kredite aufzuschwatzen, die sie nachher nicht verzinsen konnten. Dann wollte der Staat diese Banken sanieren und es fehlte ihm das Geld für die notwendigen Sozialleistungen, die wirtschaftlichen Umstrukturierungen und die Bezahlung gesell­schaftlich sinnvoller Arbeitsleistungen durch die vom Arbeitsmarkt ausgeschlossenen Jugendlichen. Auch

EU­Gelder wurden in Spanien nicht entsprechend der dringendsten Bedürfnisse der Mehrheit der Men­schen investiert, sondern teilweise in Großprojek­ten (Expresszügen), Autobahnen und Überbauun­gen, welche unterdurchschnittliche arbeitsschaffende Wirkungen zeigten.

Mit dem Umbau und der Stärkung des Ausbil­dungswesens, der Förderung des Gewerbes und der mittleren Unternehmungen und der Finanzierung von gesellschaftlich sinnvollem Engagement (Genos­senschaftsförderung) der gegenwärtigen nicht vom „Arbeitsmarkt“ integrierten, zum Teil sehr gut aus­gebildeten „Arbeitslosen“ , kann man dies durchaus realisieren. Doch es setzt den entsprechenden Wil­len voraus. Es gibt dazu auch genug „Vorbilder“, von denen man sich inspirieren lassen kann, ich denke da vor allem an Dänemark.

Entscheidend ist, dass man in die Bildung und Ausbildung investiert, dort vor allem die praxisnahe Berufslehre wieder aufwertet und die Gründung von kleinen Unternehmen sowie die Fähigkeit der Men­schen, sich selbst zu organisieren, fördert. Kommen auf europäischer Ebene Neuerungen hinzu wie bei­spielsweise eine europäische Arbeitslosenversiche­rung, die auch von Unternehmen mitfinanziert wer­den, so dass sie auch ein Interesse bekommen, die Arbeitslosigkeit abzubauen, können wir durchaus die notwendige Arbeit auf fast alle verteilen und diese auch ausreichend entlohnen.

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Wichtig ist dabei immer, dass das Arbeiten und das Recht, von der Arbeit leben zu können, priori­siert wird vor Renditeinteressen des Kapitals oder Privilegierungen gewisser Wirtschaftssektoren (Banken und Versicherungen) und entsprechenden „Marktbegebenheiten“.

Global gesehen wird Europa wirtschaft-lich abbauen und den Wohlfahrtstaat wird es nicht mehr lange geben (– wie vor kurzem in den Niederlanden von „Seiner Majestät“ kundgetan). Gibt es in Europa Konzepte für eine „kontrollierte“ Verarmung? Wer wird zur Kasse gebeten werden?

Umbau bedeutet nicht notwendigerweise Abbau. Und wenn eine Majestät auf etwas verzichten will, das sie eh nie gebraucht hat, erstaunt dies nicht weiter, muss uns aber nicht überraschen. Das gilt sowohl für den ökologischen Umbau unserer Wirtschaft wie auch für den Umbau des sogenannten Wohlfahrtsstaates, der mehr Wohlfahrt versprach als er realisiert hat.

Wir müssen uns auch nicht mit der Verarmung abfinden oder sie kontrollieren wollen. Wir können die notwendigen Umbauten schaffen, ohne dass die Lebensqualität der weniger privilegierten Hälfte unserer Gesellschaften geschmälert würde. Man muss dies freilich wollen. Dann kann man dies auch.

Freilich braucht es dazu Staaten, die in der Lage sind, die entsprechenden Umbauten so zu finanzie­ren, dass die bereits benachteiligten Menschen nicht noch mehr leiden. Dazu muss aber die Macht der Politik, auch sehr reiche Menschen und Unterneh­mungen zur Bezahlung der demokratisch beschlos­senen Steuern zwingen zu können, aufrecht erhal­ten und nicht unterwandert werden. Denn dies ist das zentrale Problem unserer Zeit: Die Staaten und die Demokratie werden nicht in die Lage versetzt, ihre Aufgabe und ihre Rolle im Hinblick auf die faire Verteilung der Lebenschancen wahrnehmen zu kön­nen, weil das reiche Viertel unserer Gesellschaften auf vielerlei Art im Bemühen unterstützt wird, die dazu notwendigen Steuern nicht zu bezahlen. Ein verarm­ter Staat kann aber kein sozialer Staat sein. Und weil der Markt längst transnational funktioniert, braucht es auch die Transnationalisierung der Demokratie, welche ihr ermöglicht auch transnational Regeln zu setzen, die alle, auch marktmächtige Unternehmen und reiche Individuen, berücksichtigen müssen.

Warum wird in den EU Institutionen das Lobbying nicht verboten?

An sich gehört Lobbying zum Parlamentarismus wie der Weihrauch in die Katholische Kirche. Ihre

Frage zielt viel mehr auf das Maß und die Form und die Bedeutung des Lobbyings. Durch Lobbies ver­schaffen sich Interessengruppen im Umfeld von Par­lament und Verwaltung Gehör und versuchen politi­sche Entscheidungsprozesse zu beeinflussen. Das ist bis zu einem gewissen Grad durchaus legitim.

Schlimm wird es freilich, wenn solche Lobbies, die immer Teilinteressen verfolgen, den öffentlichen Raum sowie das Umfeld von Parlament und Verwal­tung dominieren und Organisationen, welche Allge­meininteressen vertreten, nicht mehr gehört werden. Schlimm wird es auch, wenn Parlamentarier gar nicht mehr in der Lage sind, Lobbyinformnationen als sol­che zu erkennen und zu relativieren, sondern so sehr eingespannt sind im Hamsterrad, dass sie andere Informationsquellen gar nicht mehr erreichen und weder die Zeit noch den Raum haben, den es zur Reflexion und Diskussion braucht, wenn eine weise und nicht bloß eine schnelle Entscheidung gefällt werden soll.

Es kann also nicht darum gehen, Lobbies verbie­ten zu wollen, sondern sie müssen einerseits trans­parent gemacht werden und andererseits müssen Parlamentarier und Bürger und Medien und Vereini­gungen, die Allgemeininteressen vertreten, so unter­stützt werden, dass sie nicht von Lobbies dominiert werden können.

Verboten werden muss nur, dass Lobbyvertreter über die Einsitznahme in Ministerien oder deren Aus­lagerung von Gesetzgebung oder über die Instru­mentalisierung von Parlamentariern direkt Gesetze oder Teile davon formulieren.

Bis wann werden in den EU-Staaten oder auch weltweit für die Firmen die gleichen fiskalischen Bedingungen geschaffen (glei-che Sätze für Unternehmenssteuern), damit nicht Firmen wie Google, Amazon und Star-bucks ihre Gewinne in Milliardenhöhe am Fis-kus vorbeischleusen können?

Das ist eine Kernfrage im Zusammenhang mit der Entmachtung der Politik und der Verschiebung von zu viel Macht von der Politik zur Wirtschaft, von der Demokratie zu den Kapitaleignern. In der heutigen, auf einem Vertrag basierten EU, haben die Bürger und ihre Interessen nur eine schwache Stimme. Wer diese und ihren Einfluss stärken will, muss die EU endlich auf eine Verfassungsbasis stellen. Erst dann wird jedes in der EU geltende EU­Recht, von direkten Vertretern der Bürger geprägt werden, von den direkt gewählten Abgeordneten sowie der zweiten Senats­kammern, die sich aus Vertretern der nationalen

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Andreas Gross ist Schweizer Natio­nalratsabgeordneter und Präsident der Sozialdemokratischen Fraktion der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Er hat zum Tag der Vereinten Nationen, am 24. Oktober 2013, in der Kosmopolitischen Biblio­thek im Europahaus 10 Thesen über die Bedeutung der internationalen Organisationen für die globale Ent­wicklung zur Diskussion gestellt.

Parlamente zusammensetzt. So können diese künf­tigen Parlamentarier auch EU­Normen setzen, welche den großen Firmen nicht passen und verhindern, dass sie die einzelnen EU­Staaten gegeneinander ausspielen und die notwendigen Steuern verweigern können. Diese Transformation der EU muss in allen EU­Staaten unsere große Aufgabe sein: Wir sollten national und europäisch nur solche Parteien und Menschen wählen, die dazu bereit sind. Doch wer hat schon bei der letzten Nationalratswahl von der EU gesprochen und wer wurde da beauftragt, auch in Wien alles zu tun, damit die EU endlich verfasst wird und nicht mehr exekutiv dominiert werden kann?

Gibt es ein Konzept in Europa bzw. den USA (die Notkredite und Bürgschaften des ESM sind nur eine Notlösung) für die immer grö-ßer werdende Staatsverschuldung, oder gibt es nur die Optionen Finanzkrach oder galop-pierende Inflation?

Das sind natürlich keine Optionen, denn unter solchen Unfällen leiden die einfachen Leute immer am meisten. Die Staaten müssen nicht nur lernen, wie sie alle, auch die Reichen, wieder zum Zahlen der Steuern zwingen können, sondern sie müssen auch lernen, nur so viel Geld auszugeben, wie sie bekom­men. Auch da hilft die Demokratisierung. Denn wo immer die Bürger etwas mitentscheiden können, beziehungsweise gefragt werden müssen, bevor Geld

ausgeben werden kann, wird sorgfältiger und spar­samer mit öffentlichen Geldern umgegangen. Auch hier gilt also: Wer eine andere und bessere Politik will, der darf sie nicht einfach den Politikern überlas­sen. Er muss sich selber engagieren und vor allem für eine Stärkung der Demokratie sorgen, dass die Bür­ger mehr tun dürfen, als nur Parlamente zu wählen.

Auch zwischen den Wahlen müssen sie entschei­den dürfen. Nur so kann verhindert werden, dass Lob­bies und Sonderinteressen sich zu oft durchsetzen können zulasten der Allgemeininteressen, der Natur und der nachhaltigen Entwicklung der Wirtschaft.

Wann werden in Europa, in den USA, … die Banken endlich gesplittet in Sparkassen, wo die Staaten die Einlagen bis zu einer gewissen Höhe garantieren und in Casinobanken, wo das Risiko ausschließlich beim Kunden liegt?

Das war einmal schon so, in den USA in den 1930er Jahren beispielsweise, und das wird auch bald wieder so sein. In der Schweiz sind einige dran an einer solchen Gesetzesreform. In Europa kann und sollte dies auf EU­Ebene EU­weit durchgesetzt wer­den, wobei da wahrscheinlich die konservativen Bri­ten, die ihr Schicksal zu sehr in die Hände der Londo­ner City gelegt haben, quer stehen werden. Das heißt, auch da braucht es den Druck von unten, um diese Widerstände überwinden zu können.

als Augenblick des Urteils und der Wahl. Für Europa kön-nen wir das nicht ins Unendliche hinausschieben. Vor vielen Jahren hat ein hoher Funktionär des werdenden Europa, der Philosoph Alexandre Kojève, angenommen, dass der homo sapiens am Ende der Geschichte angekom-men sei, und nun gebe es nur mehr zwei Möglichkeiten: Den „american way of life“, was Kojève als posthistorisches Vegetieren verstand. Oder den japanischen Snobismus, einfach weiter die leeren Rituale der Tradition zu zeleb-rieren, die jeder historischen Bedeutung beraubt sind.

Ich glaube, Europa könnte dazwischen die Alternative einer Kultur verwirklichen, die human und vital zugleich bleibt, weil sie im Dialog mit der eigenen Geschichte steht und daraus neues Leben gewinnt.Giorgio Agamben (Frankfurter Allgemeine 24.5.2013, im Gespräch mit Dirk Schümer)

Wir müssen erst einmal dem Wort „Krise“

seine ursprüng-liche Bedeutung

zurückgeben: „

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Gottfried Wagner

Richard Wagner – eine tickende Bombe

Wer sich mit dem deutschen Musikmagier Richard Wagner auseinandersetzt, sieht sich zuallererst mit der emotionalen Wirkung seiner Musik konfrontiert.

Wie kaum ein zweiter Komponist taucht er seine Hörer in wahre Wechselbäder der Gefühle und löst dabei extreme Bewunderung wie extreme Abnei­gung aus. Was aber steckt hinter dieser musikali­schen Überwältigung? Wagners Weltanschauung, die sein Leben, seine Schriften und Opern bestim­men, ist meiner Meinung nach mit den Grundsät­zen empathischer Ethik unvereinbar. Sie ist bestimmt von Rassismus, Frauenverachtung, Selbstvergötte­rung und Lebensverneinung. Es geht besonders im Jubel–Wagner Jahr 2013 darum, den „Morast“ der Rezeptionsgeschichte abzutragen, den der Kompo­nist, Denker und Politiker Richard Wagner angelegt hat. Sein autoritär­antidemokratisches, rassistisches und frauenverächtliches Erbe ist anachronistisch und antieuropäisch: ein strahlender Giftschrank aus der Vergangenheit, den es verantwortungsvoll zu entsor­gen gilt. Es geht dabei auch um die Verteidigung der

Prinzipien einer offenen Gesellschaft mit individuel­ler Meinungsfreiheit, die heute in Europa erneut im Rückzug begriffen ist. Gerade deshalb ist es im Wag­ner­Jubiläumsjahr 2013 so wichtig, sich mit dem gan-zen Richard Wagner auseinanderzusetzen und nicht nur mit seinem verführerischen Sound. Man sollte

auch an kommende Generationen denken, wenn man über Wagner redet: Wollen wir Europäer am Beispiel Richard Wagners aus der Geschichte lernen, oder wollen wir seinen Fall als ewige Soap Opera vor uns hertragen?

„Man braucht einen Psychiater“. Unter dieser Überschrift erschien zum Auftakt des Wagner­Jah­res 2013 in der ZEIT ein aufschlussreiches Gespräch mit den Wagner­Star­Dirigenten Sir Simon Rattle und Andris Nelsons. 1 Sie äußerten sich darin über ihre Erfahrungen mit dem Komponisten. So fragte Nel­sons seinen Kollegen: „Wie gefährlich ist das Über­wältigungsmoment in Wagners Musik, ihr Pathos, der Rausch, den sie entfesseln kann?“ Rattle antwortete darauf: „Die Gefahr ist bekannt und hat ihre Spuren insbesondere in der deutschen Geschichte hinterlas­sen. Mehr möchte ich zu diesem Thema nicht sagen.“ Er zitierte stattdessen einen anderen Kollegen, den

Wagner­Dirigenten Daniel Barenboim mit dem Satz: „Bei Wagner kannst Du [als Dirigent] nicht gegen den Strom schwimmen.“ Und auf Wagners Wirkung angesprochen, erklärte er: „Man hat es hier mit Plu­

1 „Man braucht einen Psychiater.“ Sir Simon Rattle im Gespräch mit And­ris Nelsons, in: DIE ZEIT, 3. Januar 2013, S. 37

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tonium zu tun, und es wäre gut, dicke Handschuhe zu tragen. Aber da es das herrlichste Plutonium der Welt ist, wünscht man sich eben doch den direkten Kontakt und zieht alle Handschuhe aus.“

Das Unbehagen ist spürbar, aber aus Begeis­terung für Wagners Musik hüllt man sich lieber in Schweigen – wie es ganz ähnlich der langjährige Musikchef der New Yorker Met und einstige Bayreuth­Dirigent James Levine getan hat. Aus dem Fall Wil­helm Furtwängler, dem einstigen Star­Kapellmeister des Dritten Reichs, auf dessen Wagner­Interpretati­onen sich bis heute viele bedeutende Musiker beru­fen, haben offensichtlich nur wenige etwas gelernt. Man will sich nicht der Frage stellen, welche Lehren aus dem Fall Richard Wagner zu ziehen sind. Statt­dessen hat man sich die Dinge schön zurechtgelegt: Auf der einen Seite Wagner der Machtmensch mit seiner Weltanschauung, auf der anderen der „göttli­che“ Opernkomponist. Der eine soll mit dem anderen nichts zu tun haben, denn – wie der Dirigent Chris­tian Thielemann erklärte – “C­Dur bleibt tatsächlich C­Dur“.2 Die schmerzlichen Fragen zur Funktion von Wagners Musik im NS­Staat und zum Zusammen­hang von Wagner und Auschwitz werden verdrängt.

Richard Wagner wollte der Größte sein in der Welt des Musiktheaters. Daran ließ er nie einen Zweifel. Mit dem Bayreuther Festspielhaus setzte er sich selbst ein Denkmal und schuf sich seine Pilgerstätte. Wag­ners Musik und das Festspielhaus – das ist das Funda­ment für ein bis heute florierendes Geschäft mit dem

2 Christian Thielemann, Mein Leben mit Wagner, München 2012, S. 119

Wagner­Kult, musikalisch, politisch und ökonomisch. Die Fragwürdigkeit der Person wird deshalb gerne hintangestellt, zu hoch ist der Vermarktungswert. Es geht um das Business. Wagner ist ein Verkaufsschla­ger: Steht er auf dem Spielplan, bleibt kein Stuhl im Opernhaus leer. Ein ebenso wertvolles deutsches Exportgut wie VW oder Mercedes. Deshalb will man sich auch nicht mit den Schattenseiten der Bayreuther Festspiele beschäftigen und mit ihrer Geschichte.

Die Person Richard Wagner hat viele Facetten. Hinter dem überwältigenden Musikmagier stehen gefährliche Eigenschaften und verweisen auf die tie­fer liegenden charakterlichen Merkmale Wagners: den Vater­ und Schrankenlosen, den Nekrophilen und Apokalyptiker, den Frauenverächter und Ras­senantisemiten, der bei allem, was er sagte und tat, sich selbst vergötterte. All dies führt zu der Erkennt­nis: Wagner war nicht einfach nur Künstler, sondern Politiker und Künstler in einer Person. Seine Musik und seine Werke hatten großen Einfluss weit über das Opernpublikum hinaus, er diente der Propa­ganda des NS­Staates und des Zweiten Weltkriegs. Man assoziiert mit Wagners Musik bis heute die Nazi­Aufmärsche auf den Reichparteitagen und Bomben­angriffe der Wehrmacht. Bekanntlich nutzte Francis Ford Coppola dieses Vermächtnis für seinen Film über den Vietnamkrieg Apocalypse now. Die Bilder, die der Wagner­Sound hervorruft, führen unweigerlich zum Wagnerianer Hitler. Heute bedienen sich die Neo­nazis der Wagnerschen Musik für ihre Propaganda im Internet. Mit dem Hinweis, bei Wagner brauche man einen Psychiater, kommt man hier nicht weit.

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Gottfried Wagner ist Autor, Musi­khistoriker und multimedialer Regis­seur. Der Urenkel von Richard Wagner und Ururenkel von Franz Liszt lebt in Mailand. Auf Einladung von Europa­haus und Haus der Begegnung stellte er am 30. September d. J. in Eisenstadt sein neuestes Buch vor. Am 9. Novem­ber 2013 wurde anlässlich 75 Jahre Judenpogrome in der sogenannten Reichskristallnacht in Washington DC die Oper „Lost Childhood“ von Janice Hamer uraufgeführt, bei deren Ent­stehung Gottfried Wagner als Berater mitwirkte.

Der gebildete Opernfan weiß, welchen Spreng­stoff Wagner in sich birgt – und bekennt nach einer durchlittenen Wagner­Oper hinter vorgehaltener Hand: „Es gibt doch so viele wunderschöne Musik ohne Fallstricke von anderen Komponisten ...“ Man sagt es lieber nicht laut, um nicht als „out“ zu gelten. Denn Wagner ist eine Prestigesache für die obere Schicht all jener Bayreuth­Pilger, die nur so tun, als interessierten sie sich für seine Musik. Bayreuth ver­spricht – trotz allem Niedergangsgerede – immer noch Exklusivität: der geeignete Platz fürs Gesehen­werden und ein guter Ort fürs Geschäftemachen. Anything goes?

“Je mehr ich über Richard Wagner lese, desto schwerer fällt es mir, seine Musik aufzuführen“, bekannte Sir Simon Rattle in dem erwähnten ZEIT­Interview. Das heißt aber auch: Je mehr man über Wagner weiß und je mehr man den Mut hat, sich ein eigenes Bild zu machen, desto deutlicher nimmt Wagners Weltanschauung in seinen Opernklang­welten Konturen an. Richard Wagner und sein inter­nationaler Selbstvergötterungs­Kult bleiben eine tickende Bombe.

Cave Richard Wagner! 3

3 Der vorliegende Beitrag ist eine Bearbeitung der Einleitung meines Buches “Du sollst keine anderen Götter haben neben mir: Richard Wag­ner – Ein Minenfeld”, Propyläen, Berlin 2013

die immer wieder auf idealistische Weltverbesserungs-konzepte hereinfällt. (…) Mit Wagner erhöht sich die Seele des Deutschen.

…Richard Wagner war „(…) Hitlers kulturelles Modell“ (…)

Das Thema ist Teil meiner Existenz: Es ist verbunden mit etwas, was ich für typisch für die deutsche Mentalität halte, nämlich die Aufspaltung der privaten und der öffentlichen Sphäre bei der Diskussion und Umsetzung grund-sätzlicher ethischer Positionen. Ich weigere mich, diese Aufspaltung vorzunehmen, da ich sie aufgrund geschichtlicher Erfahrungen und Erkenntnisse sowie als Wagner nach dem Holocaust für gefährlich halte. (…)Gottfried Wagner (Wer nicht mit dem Wolf heult)

Wagner spielt mit der deutschen

Seele, „

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Die Freiheit kam im MaiZu einer Lesung aus dem gleichnamigen, im Ephelant-Verlag erschienen Buch von Iako-vos Kambanellis, hat das Europahaus Burgenland am 6. Mai 2013 anlässlich des Gedenktages gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus (5. Mai) in den Empiresaal des Schlosses Esterházy in Eisenstadt eingeladen. Dabei gelangte auch die Mauthausen Cantata (Text: Iakovos Kambanellis, Musik: Mikis Theodorakis) zur Aufführung. Lesung: Elena Strubakis, Franz Richard Reiter. Musik: Olga Kessaris, Nikolaos Papadopoulos, Nikolaos Athanassopoulos

„Wir riefen uns den Belgier ins Gedächtnis, einen Opernsänger, der früher an den Sonntagnachmitta­gen unter anderem Carmen, Tosca und den Barbier von Sevilla gesungen hatte.

Eines Tages machte er sich auf den Weg, ein Stück Brot in die Baracke Nr. 20 zu werfen, in der die Todes­kandidaten eingeschlossen waren. Die Wache sah ihn. Sie folterten ihn bis er gestand, wem das Brot galt. Danach steckten sie beide in eine Einzelzelle, in deren Ecke ein starker Scheinwerfer befestigt war. Sie ließen sie eine Woche ohne Wasser, ohne Essen. Nur unter dem Licht des Scheinwerfers. Als sie sie herausließen waren sie verrückt und fast blind. Sie sagten ihnen, dass sich am Ende des Ganges ein Glas Wasser und ein Teller Essen befände. „Wer als erster ankommt, wird sich daran laben.“ Die beiden ver­suchten, dorthin zu kriechen, da keiner der beiden die Kraft hatte, sich aufrecht zu halten. Der Belgier kroch voran und der andere zog ihn an den Füßen, um ihn aufzuhalten. Sie waren keine Menschen mehr – wie sollten sie auch! Sie waren zwei Tiere, die nicht krepieren wollten. Sie traten, bissen einander, bis es dem Belgier gelang, einen stärkeren Schlag auszu­teilen und den bewusstlos sich selbst zu überlassen, dem er das Brot zugeworfen hatte. Die SSler verfolg­ten das Rennen hellauf begeistert. Und als die den „guten“ Belgier sahen, wie er den anderen bewusst­los liegen ließ und sich beeilte, das Wasser alleine zu trinken und das Essen alleine zu essen, begannen sie zu rufen: „Lauf Dreckshund! Lauf Drecksschwein!

Lauf Untermensch! Jetzt bist du in Ordnung!“ Das war ihre Art, so machten sie jeden, der Menschlich­keit und Mut zeigte, zur Bestie, rächten das Gute, das er getan hatte.“

­­­„Die Russen Mauthausens sangen ständig. Fast

jede Nacht sangen sie. Leise, tief, murmelnd. Ruhige Töne, gleichmäßige, große, endlos weite Töne wie Russland selbst. Wir gingen in ihre Baracken. Wir schlossen die Augen und lauschten. Langsam floss ein breiter Strom zwischen Wiesen und nahm uns in seine Strömung auf. Wir verließen, wir flohen Maut­hausen, wir retteten uns in die üppiggrünen Ebenen der Lieder. Die Flamme verbrannte die Toten Tag und Nacht, der Sand des Flusses und die Steine des Stein­bruchs tranken das Blut. Die Russen sangen. Wir hör­ten zu. Die russischen Lieder waren die Gotteshäuser Mauthausens. Dorthin gingen wir alle, um die Litur­gie zu feiern und Mut zu empfangen.“

­­­„Am 5. Mai, kurz vor Mittag, drang ein riesiger

amerikanischer Panzer, rußgeschwärzt und gezeich­net vom Krieg, durch das Tor von Mauthausen und auf das Gelände vor. Und dieser gottgesandte Streit­wagen der Freiheit war – so bedeutete er uns – einer der unzähligen und unbesiegten der 11. Panzerdivi­sion der 3. US­Armee, die ein bedeutender General, ein gewisser George Patton, befehligte. Welch schöne Worte, welch himmlische Nachricht! Die Soldaten blickten uns an, stolz, fassungslos und tief betrübt. Sie taten gut daran dort oben zu bleiben, dort oben auf dem Panzer. Sie hatten sich aus so vielen Schlach­ten gerettet. Unserer Freude aber wären sie nicht ent­kommen. Wir brüllten, zerrissen unsere Kleidung, gebärdeten uns wie Verrückte. Wir drängten, stie­gen einander auf die Füße, nur um nahe an den Pan­zer heranzukommen. Viele ließen sich auf ihn fallen und küssten das verrußte Eisen, während andere ihre Köpfe auf ihn schlugen und weinten.“

Iakovos Kambanellis, Die Freiheit kam im Mai (Übersetzung ins Deutsche, Elena Strubakis)

Elena Strubakis

Ihr Lauten, die ihr schriet, und die ihr schweigt, Ihr Stillen!Und käm kein solcher Tag, ich weinte um euch heutUnd wär es nur um eurer Kinder willen.Bertolt Brecht (Kriegsfibel)

Da wird ein Tag sein, wo ihr dies

bereut„

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Michael Stavarič

Die Melodie der Internationalität

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich zum ers-ten Mal das Wort „Wien“ aussprach … ich war sieben Jahre alt und der Name dieser Stadt schien einer ande-ren, fremden Welt zuzugehören, jedenfalls ließ es das Gebaren meiner Eltern vermuten.

„Viden“, so die tschechische Bezeichnung, ähnelt zudem klanglich einem der häufigsten und wich­tigsten tschechischen Verben überhaupt, in seiner Nennform „videt“, bedeutet dieses „sehen“. Eine neue Welt sehen und verstehen wollen, eine andere galt es daher zurückzulassen, so würde ich es heute auf den Punkt bringen.

Eine „Stadt der Sehenden“ schien es demnach irgendwo zu geben, dort drüben im Westen, keines­falls bei uns, im Osten, wo immer noch irgendwelche „Kommunisten“ (als Kind wusste ich nie so wirklich, was das für Leute waren) mit den Menschen verfuh­ren, wie sie es wollten. Viel wichtiger noch – beim Wortklang „Wien“ musste ich immerzu an das tsche­chische „vim“ denken, also ein „ich weiß“. Ich stellte mir eine Stadt in einem Land vor, wo alle alles wissen, nicht wie bei uns damals in der Tschechoslowakei, wo

die Zensur herrschte und ein jeder nach Möglichkeit alles verborgen hielt, sei es auch nur, um sich und seine Nächsten zu schützen.

Viel später (aber da war ich längst erwachsen) sollte ich erfahren, dass die Tschechen mein mir mittlerweile lieb gewonnenes Österreich „rakousko“ getauft hatten, weil sie ursprünglich ein Land hinter irgendeiner „ragusa“ meinten, einer Burg, die heute Raabs heißt und deren tschechische Namensform „rakousy“, „rakos“ oder „rak“ assoziiert – irgendein „Schilffels“ oder „Krebsenstein“. Die Österreicher sind für die Tschechen demnach bis heute die „Sumpfbe­wohner“, irgendwo da unten. Sie hingegen gingen davon aus, dass die Tschechen den „Bojern“ hinzu­zuzählen seien. Ein keltischer Stamm, die Bayern heute. Tschechien ist also nach wie vor das „Heim der Bojer“ – und so entstand auch die irrtümliche

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Bezeichnung „Böhmen“! Mit Mähren nur schwach liiert, obwohl diese Liäson eine der ältesten Verbin­dungen in ganz Europa darstellt. Das ist so, als würde man Frankreich bis heute Gallien nennen, mahnte mich einst Jiri Grusa, der einstige tschechische Bot­schafter in Wien, für den ich eine ganze Weile tätig sein durfte und der mir diesen Passus ans Herz legte. Aber zu Jiri Grusa und seinen Sprachwanderschaften komme ich noch später … Und bevor ich es vergesse: Deutschland – Nemecko auf Tschechisch heißt nichts anderes als „Land der Stummen“.

In der Tschechoslowakei meiner Kindheit gab es ein für mich viel prägenderes Motiv … Gustáv Husák, den Präsidenten des Landes, von 1975 bis 1989 schien er mir auf Fotos und Plakaten nahezu allge­genwärtig. Ein, wie ich schon damals fand, selbstherr­licher Mann mit Brille, der mit allzu strengem Blick nach mir schaute und immerzu zu mahnen schien: Schön brav sein, junger Mann!

Erst Václav Havel machte diesem einen Schreck­gespenst meiner Kindheit ein Ende (da befanden wir uns allerdings längst außer Landes und hörten in den Nachrichten davon). Bleibt zu erwähnen, dass ich mit Herrn Husák immerzu ein anderes tschechi­sches Wort assoziierte: „husa“. Was so viel wie „Gans“ bedeutet. Ein „Husák“ war also – meiner Meinung nach – eine Art selbst verliebter Gänserich von Mos­kaus Gnaden mit dem es, wie bei Gänsen nun mal oft genug üblich, kein allzu gutes Ende nehmen sollte. In Wien sollte ich übrigens später höchst persönlich dem Bundespräsidenten begegnen, einem gewissen Herrn Kirchschläger, den ich damals – aufgrund einer

akustischen Fehleinschätzung – falsch ansprach: Herr „Kirschjäger“. Ich habe mir tatsächlich lange Zeit vor­gestellt, dass dies ein Mann sein müsse, dem Kir­schen ein besonderes Anliegen waren und dass Österreich wohl reich an Kirschbäumen sein müsse, wenn sich sogar der Präsident so sehr mit ihnen ver­bunden zeigte.

Als ich dann auch noch zum ersten Mal vom so genannten „Prager Frühling“ hörte (ich hatte nie ver­standen, warum ich in meiner Heimatstadt Brno den Frühling einen „Prager“ hätte nennen sollen), kam mir folgende Geschichte zu Ohren: Der Tschecho­slowakei war es – bei einer Eishockeyweltmeister­schaft in Schweden – tatsächlich gelungen, die schier unschlagbare Sowjetunion in der ersten Runde zu besiegen, was im gesamten Land mit großer Genug­tuung aufgenommen worden war. Und als das tsche­choslowakische Team auch in der zweiten Begegnung triumphierte, gab es keine Halten mehr – die politi­sche Bedeutung dieser sportlichen Sternstunde ließ die Menschen allesamt hoffen. Man konnte die Stim­mung in den Straßen getrost mit einer Art Karneval vergleichen, doch nutzte die sowjetische Führung geschickt die Siegesfeiern für einen Blitzbesuch in Prag aus, das Regime verlangte nach einer schnel­len „Normalisierung“. Sind wir denn nicht „normal“ gewesen? Wollte ich einmal von meiner Mutter wis­sen und sie lächelte und strich mir über den damals noch lockigen Kopf. Die unmittelbare Folge der Ereig­nisse war jedenfalls, dass Alexander Dubček, die Sym­bolfigur des „Prager Frühlings“ vom Generalsekretär

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38 FORUM EUROPAHAUS BURGENLAND

Michael Stavarič ist ein vielfach aus­gezeichneter Schriftsteller. Er lebt in Wien und hat am 16.9.2013 in der Kosmopolitischen Bibliothek des Euro­pahauses aus seinen Werken gelesen

der kommunistischen Partei, dem „Gespenst“ Gustav Husák, abgelöst wurde. Und Herr Husák und ich … aber das hatte ich bereits erwähnt.

Eishockey ist und war in meiner alten Heimat übri­gens stets ein Politikum bzw. auch eine große Mög­lichkeit, sein Leben anderswo zu verbringen. Viele tschechoslowakische Familien flohen etwa nach Kanada, um ihre Söhne in der dortigen Eishockey­Liga spielen zu lassen. Und ganz nebenbei – auch der wichtigste tschechische Exilverlag wurde einst in Toronto gegründet, die „toronto publishers“, der alle wichtigen und verbotenen Werke der damaligen tschechischen Literatur (also Havel, Hrabal, Kohout, Kundera und Co.) zum ersten Mal verlegte.

In meiner österreichischen Kindheit und Jugend (ich verbrachte diese im Weinviertel, Wien und Umge­bung) gab es zunächst gar nicht so viel zu lachen – ich betrat an meinem ersten Schultag eine mir fremde Klasse und wunderte mich über diese seltsame, sich ewig in die Länge ziehende Sprache (tatsächlich wer­den Bücher, die aus dem Tschechischen ins Deutsche übersetzt werden, um mindestens ein Viertel länger). Ich meine noch, mir nichts Böses gedacht zu haben, als plötzlich ein Geistlicher das Klassenzimmer betrat und etwas zu mir sagte. Ich verstand zwar kein Wort, doch trug dieser Mann seltsamerweise einen tsche­chischen Namen … er hieß „Zbiral“, was sich von „sbi­rat“ (einsammeln) ableitet – demnach ein Ein­ oder Aufsammler. Ein Mann Gottes jedenfalls, der seine Schäfchen findet und (wie ich dachte) ins Trockene bringt. Allerdings, als besagter Pater Zbiral erfuhr, dass die Kommunisten es verabsäumt hatten, mich zu taufen, rümpfte er die Nase und verwies mich kate­gorisch der Klasse (wie übrigens auch einen Protes­tanten, der zugleich mein erster Freund wurde). Die Nationalität bzw. Identitätsfrage (ob nun Tscheche oder Österreicher) schien damals für mich irgendwie auch eine Glaubensfrage zu sein.

Als ich und meine Familie im Jahr 1979 ins Flücht­lingslager Traiskirchen kamen, war ich allerdings auch

fasziniert von dem, was Österreich so zu bieten hatte – es gab tatsächlich Automaten, die Kaugummis aus­spuckten, wenn man sie mit etwas Kleingeld fütterte, ich war ganz hin und weg. Abgesehen davon gab es keine Schlangen in Lebensmittelläden, es gab reich­lich Schokolade und Bananen und allerlei andere nützliche Dinge, die ich nicht wirklich kannte: Hygi­eneartikel, alle nur denkbaren „Lotions“ (Deutsch war wirklich eine seltsame Sprache) und Polituren und Kondome.

Bald schon schlenderte ich mit meinen Eltern die so überaus bekannte Mariahilfer Straße entlang und staunte über die Geschäfte und Schaufenster, überall war es sauber, und es glitzerte und funkelte. Ich hatte in der Tat große Hemmungen, meinen längst durch­gekauten Kaugummi einfach auf den Boden zu spu­cken … ich nahm ihn daher – etwas unbeholfen – aus meinem Mund und trug ihn zu einem der Mistkübel, wo ich diesen entsorgte. Einer älteren Wiener Dame war mein Verhalten aufgefallen, sie beugte sich zu mir herab und raspelte: „Braver Bub!“ Ich verstand ungefähr so etwas wie „brawapupp“, und nicht einmal meine Eltern konnten mir sagen, was besagte Dame wohl gemeint hatte. Ich erinnere mich jedoch, dass sie dabei lächeln musste … so gesehen war „brawa­pupp“ bestimmt etwas ganz Wunderbares.

Kurioserweise waren meine ersten aus dem Tsche­chischen übersetzten deutschen Worte nachweislich „Tierlaute“ – oder, um konkreter zu werden – von der Onomatopoesie war ich schon sehr früh ziemlich angetan: Eine meiner ersten „bilateralen“ Aufgaben war es, ein tschechisches „haf haf“ (so bellt nämlich der tschechische Hund) ins Deutsche zu übertragen. Mit Hilfe österreichischer Kinder gelang mir dies auch: Nämlich: „wau wau“ oder „wuff wuff“. Dass ich viel später ein Kinderliteraturbuch schreiben würde, das eben in diesem „Momentum“ seinen Ursprung hatte, hätte ich übrigens nie zu träumen gewagt.

scheinen mir – so höre ich es von der Couch – präpolitische und präreligiöse Bedürfnisse, die dem Kind erfüllt werden müssen, damit es Sprache und Denken erlernt.

Julia Kristeva

Das Bedürfnis zu glauben und das

Vergnügen zu wissen „

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NR. 24 – DEZEMBER 2013 39

Dieter Kramer

Waalwege und WachstumsgesellschaftKULTURELLE DIMENSIONEN DER NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG

9 Thesen1. Die Waale (aquale, Wasserrinnen) zur Bewäs­

serung von Äckern, Wiesen und Plantagen sind für Südtirol ein bedeutendes kulturelles Erbe. Sie sind in manchen Fällen noch genutzt, in vielen Fällen über­gegangen in arbeitssparende Beregnungsanlagen, in anderen Fällen wegen der Umwelt und als Kul­turdenkmal in ihrer Funktion erhalten, in sehr vie­len Fällen aber als Wege für einfache Wanderungen ein unerschöpfliches Kapital für den Tourismus, frei­lich weder nachwachsend noch beliebig vermehrbar (ähnlich wie alpine Wanderwege). Sie sind wie die All­menden und Gemeinschaftsalmen meist Zeugnisse von Gemeinnutzen, von Nutzergemeinschaften mehr oder weniger in Eigenregie verwaltet, mit oft über lange Zeiten überlieferten, vielfach recht komplizier­ten Regelungen der geteilten Nutzung.

2. Elinor Ostrom, Wirtschaftsnobelpreisträge­rin von 2009 hat für die zeitgenössische ökonomi­sche und politische Theorie die „Commons“, den verwalteten Gemeinnutzen wieder entdeckt. Sie hat gezeigt, wie auch heute gemeinschaftliches Eigen­tum von Nutzerorganisationen erfolgreich verwaltet werden kann.

3. Als Tragedy of the Commons (Tragödie der Gemeindewiesen) benannte der Biologe Garrett Har­din 1968 die von Wirtschaftstheoretiker und Politi­kern gern übernommene These, dass gemeinschaft­lich genutztes Eigentum aufgrund des Egoismus der Beteiligten dem Verfall preisgegeben sei. Aber die in Europa seit Jahrhunderten betriebenen Formen des gemeinschaftlichen Umganges mit Ressourcen wie Hochweiden, Bewässerungswasser, Wald, Fischgrün­den und Wasserkraft beweisen das Gegenteil. Staat­liche Kontrolle der Ressourcen ist eines der immer wieder zur Überwindung vorgeschlagenen aktuellen politischen Rezepte. Das aber ist, nicht zuletzt wegen der sich schnell einschleichenden Korruption, illusio­när. Der andere empfohlene Ausweg ist die Privatisie­rung. Aber ein „Wettbewerbsmarkt – das Paradigma privater Institutionen – ist selbst ein öffentliches Gut. … Ohne zugrunde liegende öffentliche Institutio­nen, die ihn aufrechterhalten, kann kein Markt lange existieren.“ Zudem schließt Privatisierung privaten Raubbau nicht aus. Auch der Markt muss kontrol­liert werden.

4. Für Ostrom überraschend hoch ist die „Regel­konformität“ bei der Verwaltung von Allmend­Res­sourcen. Das wertet die „soziale Kontrolle“ auf. „Die gegenseitige Überwachung trägt zwar Züge eines Dilemmas zweiter Ordnung, doch gelingt es den Aneignern irgendwie, das Problem zu lösen. Ferner sind die festgesetzten Bußgelder in diesen Szena­rien überraschend niedrig.“ Bei Normverletzungen drohen „sowohl innere psychische als auch äußere soziale Kosten“. In der Vergangenheit waren solche Formen des kollektiven Handelns in der Regel mit Festen und „brauchtümlichen“ Formen verbunden.

5. Auch für die Sozialpolitik sind Allmend­Res­sourcen nicht uninteressant. André Habisch hat im Zusammenhang mit dem Bürgerschaftlichen Enga­gement auf das Soziale Kapital hingewiesen, das so aktiviert werden kann. Netzwerke, „runde Tische“ oder gesellschaftliche Institutionen, wie sie beim Manage­ment von Allmend­Ressourcen wichtig sind, ermög­lichen auch bei sozialen Problemen kontrollierbare Selbstbindung jenseits von Markt und Staat. Er zitiert ein eindrucksvolles Beispiel: In den Niederlanden haben sich in den 1980er und 1990er Jahren bei der Arbeitsmarktreform beim „Polder­Modell“ die Sozi­alpartner und die Regierung zu koordinierten Refor­men verpflichtet. „Dazu mussten im Zeitablauf von den Partnern unabhängig voneinander erhebliche Vorleistungen erbracht werden“. Ein festes Netzwerk aller Beteiligten trifft sich für solche Absprachen und deren Kontrolle „in Anwesenheit der Königin und der Gattinnen“: „Ein Vertragsbruch hätte in dieser Runde zu einer äußerst peinlichen Situation für den Vertre­ter der jeweiligen Seite geführt, was eine informelle, aber deshalb nicht weniger wirkungsvolle Sanktions­möglichkeit bildete.“

6. Diskutiert wird derzeit über Messgrößen, mit denen die üblichen Kriterien für Wohlstand ersetzt werden können, die sich auf das Bruttosozialprodukt beziehen. Vom „Bruttosozialglück“ wird in dem Hima­laya­Königreich Bhutan gesprochen. Die Enquete­Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesell­schaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirt­schaft“ des Deutschen Bundestages soll seit 2009 die „grundlegende Diskussion über gesellschaftli­chen Wohlstand, individuelles Wohlergehen und

weltgewissen

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Dieter Kramer ist Universitätsprofes­sor für Europäische Ethnologie an der Uni Wien und Mitglied der Enquete­Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages. [email protected]

nachhaltige Entwicklung“ aufgreifen. „Buen Vivir“ ist das Leitkonzept der Verfassung von Ecuador von 2008. Im neuen Grundgesetz von Bolivien ist von „Vivir Bien“ die Rede, also vom guten Leben. Das alles ist keine Romantisierung von Zuständen der Vergangenheit, sondern der Versuch, unter den heuti­gen Lebensbedingungen Lebensqualität ins Zentrum der Gesellschafts­ und Wirtschaftspolitik zu stellen.

7. Zur großen Familie der „Gemeinnutzen“ gehö­ren die „digitale Allmende“, neue Formen von Nutzer­gemeinschaften, Selbsthilfegruppen, Gemeinschafts­gärten, Netzwerke, aber auch Genossenschaften. Lokale Energiegenossenschaften zur Eigenversor­gung mit erneuerbarer Energie, Fischereigenossen­schaften und viele andere gehören dazu. „Energie­wende, Finanzkrise und Geldmangel der Kommunen lassen kollektive Selbsthilfefirmen gedeihen.“ Zwar sind auch Genossenschaften gehalten, rentabel und auch mit Gewinn zu arbeiten (genaueres regelt die jeweilige Satzung), auch Wachstum ist nicht ausge­schlossen, aber sie sind immer abhängig von den Interessen der Beteiligten.

8. Gemeinnutzen­Anteile können nicht beliebig verkauft werden. „In dem Grundsatze, dass Marknut­zungen nicht zur Bereicherung bestimmter Personen dienen sollten, liegt ein oft übersehenes Moment, das zu pfleglicher Benutzung und Schonung der Waldungen führen musste.“ Der Handel mit Nut­zungs­ oder Emissionsrechten für Gemeinnutzen hat kontraproduktive Nebenwirkungen. Wenn z.B. im Nordatlantik den Fischern handelbare Fangquoten zugeteilt werden, dann entwickeln sich diese Fischer zu „individuellen Nutzenmaximierern“ und handeln mit ihren Rechten. Das Ergebnis ist die Konzentration der Fangquoten auf wenige Fischereibetriebe. Die historischen Gemeinnutzungen regeln die Übertra­gungen von Nutzungsanteilen in der Regel so, dass die Struktur erhalten bleibt.

9. Der Umgang mit Problemen der zeitgenössi­schen Krisen der Marktgesellschaften kann erleichtert werden durch die Entdeckung des Gemeinnutzens: Wenn immer wieder geklagt wird, dass es keinen

Ausweg aus den Zwängen der Wachstumsgesellschaft gibt, so werden hier Wege aus diesem Käfig erkenn­bar. Unterschieden werden muss dabei zwischen der individuellen (privaten) Ebene und derjenigen der (staatlichen) Gemeinschaft: Lokal, national und glo­bal gibt es eine Vielzahl von Problemen, die ohne ein (nachhaltig gestaltbares) „qualitatives“ Wachstum nicht gelöst werden können. Seine Formen können in der Demokratie konsensfähig ausgehandelt werden (mit allen Konflikten und Kompromissen). Anders die private Ebene: Die Individuen sind sich in der Regel bewusst, dass sie sich Grenzen setzen müssen. Wer dies nicht tut, scheitert in den verschiedenen Abhän­gigkeiten: Arbeitssucht, anderen Süchten, Konsum­rausch und dergleichen. Darauf hinzuweisen erinnert an die von allen notwendigerweise immer wieder aktivierten Selbstbegrenzungsfähigkeiten. Die Frage, ob denn Lebensqualität definiert wird durch „immer mehr vom Gleichen“ oder anders, ob denn wahrer „Luxus“ nicht souveräne Verfügung über Ressour­cen und Zeit bedeutet, ob „Wachstum“ nicht viel stär­ker auf die Ebene der individuellen Entwicklung von „Beziehungsreichtum“ liegt, und wie man sich durch eine Steigerung des Anteils von Formen der selb­ständig entwickelten Ressourcen mehr Unabhängig­keit von Markt und Einkommen erarbeiten kann und damit die Abhängigkeit von Markt vermindern kann, all das spielt eine Rolle. Damit wird auch relativiert, dass vom ressourcenaufwändigen privaten Konsum die Weltwirtschaft abhängt. „Zukunft ist ein kulturel­les Programm“, argumentiert Hilmar Hoffmann, und betont damit, dass technische und ökonomische Stra­tegien allein keine Lösung für die Herauforderungen der Gegenwart liefern. Inzwischen wird eine Ebene der sozialkulturellen Innovationen angesprochen, die bei dieser Diskussion mit Hilfe der Gemeinnutzen eine neue Perspektive eröffnen will. „Die Commons eignen sich für eine große Erzählung. Ihr Potential besteht darin, soziale Innovation als entscheiden­den Hebel gesellschaftlicher Transformation zu ent­wickeln.“ (Silke Helfrich)

Thalguterhaus­Algund, 2012

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NR. 24 – DEZEMBER 2013 41

Brigitte Weber

WeltgewissenWissen – gewusst – Zusammenhänge und Konsequenzen erkennen ... und trotzdem tun?

Sehr oft habe ich den Eindruck, dass Entscheidungs­trägern/innen in Politik und Wirtschaft von der Bevöl­kerung Unmögliches erwarten:

Verständnis dafür, dass Arbeit sehr hoch besteu­ert wird – Gewinne weniger, Vermögen und Ererbtes so gut wie gar nicht.

Verständnis dafür, dass aus demografischen Gründen und weil wir angeblich „über unsere Ver­hältnisse“ leben, zu wenig finanzielle Mittel verfüg­bar sind, um in Zukunft Sozialleistungen (Pensionen, Pflege, Bildung, etc.) in ausreichendem Maße finan­zieren zu können.

Verständnis dafür, dass mit öffentlichen Geldern (Steuern) Banken „gerettet“ werden, ohne dass auf die Geschäftspraktiken dieser Einfluss genommen wird, ohne dass Aktionäre auf eine Gewinnausschüt­tung und Manager auf hohe Gagen verzichten.

(Ein Bildungsrettungspaket mit seiner demo­kratischen, individuellen und volkswirtschaftlichen Bedeutung sollte den Bankenrettungspaketen end­lich vorgezogen werden).

Verständnis dafür, dass Konzerne im selben Atemzug wie sie Umsatzsteigerungen und hohe

Gewinnerwartungen verkünden, behaupten Mit­arbeiter/innen freisetzen zu „müssen“, um konkur­renzfähig zu bleiben und den Standort „halten“ zu können.

Verständnis dafür, dass Bürger/innen (angeblich) an komplexen Zusammenhängen in Politik und Wirt­schaft nicht interessiert sind bzw. diese nicht verste­hen. – Nach dem Motto „Was du nicht weißt, macht dich nicht heiß“ werden derartige Informationen oft überhaupt nicht vermittelt.

Verständnis dafür, dass es in Tageszeitungen nahezu keine Information über Europathemen und das Abstimmungsverhalten bzw. die Stellungnahmen (inklusive Begründung dafür) der österreichischen Politiker/innen auf EU­Ebene gibt.

Diese Erwartungshaltung erachte ich als unerträglich!

Wissen – Konsequenzen erkennen – Gewissen ... und deshalb tun?

Das ist der Grund, warum ich mich für gesellschafts­politische Anliegen engagiere.

Gott sei Dank gibt es viele Gleichgesinnte, die sich mit persönlichem Engagement dafür einsetzen, dass ein gutes Leben für alle möglich wird. Dass es mög­lich ist, ist unbestritten.

weltgewissen

42 FORUM EUROPAHAUS BURGENLAND

Brigitte Weber ist Lehrerin für Wirt­schaftsfächer an der Handelsakademie und Handelsschule in Eisenstadt. Hier lebt sie auch.http://www.attac.athttp://www.wege­aus­der­krise.at/fileadmin/dateien/downloads/Bud­get2014/Kurzfassung�doppelsei­ten.pdfhttp://www.europa­geht­anders.eu/

Der Internationale Währungsfonds (IWF) fordert Vermögenssteuern! (Diese Forderung seitens des IWF schien vor kurzer Zeit noch undenkbar!)

Wirtschaftsforscher der TU Berlin, der Linzer Kep­ler­Uni und der Gesellschaft für angewandte Wirt­schaftsforschung haben in unterschiedlichen Model­len errechnet, was eine Vermögenssteuer einbringen würde: 2,87 Milliarden Euro! 2,87 Milliarden Euro unter Berücksichtigung eines Freibetrags von einer Million Euro und einem Steuersatz von 0,25 – 0,67 Prozent. Diesen Betrag hätte die öffentliche Hand für Sozialleistungen, Bildung, etc. zur Verfügung, ohne dass es jemandem schlechter ginge.

Fiskal­ und Wettbewerbspakte würden sich erübrigen!

Zurzeit verhandeln EU und USA ein Freihandels­abkommen. Über die Gespräche, die von der EU­Kom­mission für die EU­Mitglieder geführt werden, findet kaum eine öffentliche Debatte statt. – Gibt (Gäbe) es dafür wirklich kein öffentliches Interesse???

Das Abkommen gefährdet unter anderem die Bemühungen, Banken und Finanzmärkte stärker zu regulieren, denn – so die Meinung – derartige Regulierungen könnten als Handelshemmnisse gel­ten. Das Abkommen bedeutet auch eine Gefahr für grundlegende Bürger/innenrechte, Landwirtschaft

und medizinische Versorgung. Es sieht Klagsrechte für Investoren gegen Staaten vor, wenn aufgrund von Sozial­, Gesundheits­ oder Umweltschutzgesetzen die geplanten Profite der Konzerne bedroht sind.

Gibt (Gäbe) es dafür wirklich kein öffentliches Interesse???

Ich glaube nicht, dass Profitmaximierung ein gutes Leben für alle ermöglicht!

Ich bin überzeugt, dass demokratische Mitbestim­mung, soziale Gerechtigkeit und ökologische Nach­haltigkeit ein gutes Leben für alle ermöglichen.

Attac tritt für ein solidarisches und demokratisches Europa ein, in dem Menschen in sozialer Sicherheit und unter Wahrung ökologischer Lebensgrundlagen gut leben können.

Dafür engagiere auch ich mich und bin Mitglied von Attac. Demokratie lebt von politischer Mitbestim­mung – nicht nur bei den Wahlen.

Seit März 2013 gibt es die Regionalgruppe Attac Burgenland. Bei unseren monatlichen Treffen dis­kutieren wir wirtschafts­ und gesellschaftspolitisch relevante Themen und organisieren Veranstaltungen, um darüber zu informieren. http://community.attac.at/burgenland

Wir freuen uns über engagierte Mitglieder/innen!

die sie in eben jenem Moment überkommt, in dem sie sich dem folgsamsten und feigsten Gesellschaftskörper gegen-über sieht, den es in der Menschheitsgeschichte je gab. Es ist nur ein scheinbarer Widerspruch, daß der harmlose Bürger der postindustriellen Demokratien (der bloom, wie er aufgrund eines überzeugenden Vorschlags genannt

werden kann), der pünktlich ausführt, was ihm aufgetragen wurde, und zuläßt, daß sowohl seine alltäglichsten Gesten als auch seine Gesundheit, seine Zerstreuung und seine Beschäftigung, seine Ernährung und seine Wünsche bis ins kleinste Detail von Dispositiven gesteuert und kontrolliert werden, – womöglich gerade deshalb – von der Macht als potentieller Terrorist betrachtet wird. Während in Europa neue Bestim-mungen allen Bürgern jene biometrischen Dispositive vorschreiben, die die im 19. Jahrhundert zur Identifizierung von rückfälligen Kriminellen eingeführten anthropo-metrischen Techniken (vom Fingerabdruck bis zum Fahndungsfoto) weiterentwickeln und perfektionieren, läßt die Videoüberwachung die öffentlichen Räume der Stadt zu Innenräumen eines riesigen Gefängnisses werden. In den Augen der Macht – und womöglich hat sie recht – ähnelt niemand dem Terroristen so sehr wie der allerge-wöhnlichste Mensch.

Giorgio Agamben (Was ist ein Dispositiv?)

(…) die sonderbare Beunruhigung der

Macht, „

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NR. 24 – DEZEMBER 2013 43

Hans Göttel

VITALISE DER KOSMOPOLITISCHE GARTEN IN EISENSTADT

Urban Gardening kennt man als gärtnerische Initiati-ven nur aus Großstädten wie Berlin, Hamburg, Paris oder New York, entstanden aus dem Bedürfnis der Bewohner, Grün ins Grau der Mauerschluchten & Häu-sermeere zu setzen.

Mitte der 1990er Jahre hatten Frauen aus Bosnien, die aufgrund des Krieges ihre Heimat verlassen mussten, die Idee auch in Deutschland wieder Gärten zu pflegen. Das erfolgreiche Konzept wurde zu einem Modellprojekt für viele weitere Interkulturelle Gär­ten, die in Folge in Deutschland entstanden sind und seit kurzem auch in Österreich zu blühen beginnen.

Aber in Eisenstadt? Nun, auch hier breitet sich das Grau aus, und zwar großflächig als neuer Stadt­teil bestehend aus Technologiezentrum, Autohal­len, Kaufhäusern, einer kunststofferzeugenden Fab­rik und einem Fachhochschul­Campus. In diesem unwirtlichen Komplex lag auch ein verkommenes Brachland. Seit 2 Jahren steht es dem Europahaus Burgenland zur Verfügung und dient der Anlage eines „Kosmopolitischen Gartens“. Nun entstehen hier auf 22.000m2 gärtnerische und künstlerische Projekte, durchwegs initiiert und betreut durch aktive SeniorInnen. Die Einbeziehung der am benachbar­ten Campus wohnenden StudentInnen ist in kleinen Ansätzen gelungen und gibt der Initiative Hoffnung auf eine künftige intergenerative Zusammenarbeit in der Gestaltung des Geländes.

Die Initiative der aktiven SeniorInnen zeigt inzwischen deutliche Belebungseffekte im zunächst trostlosen Areal:

– Schulklassen kommen zu Projekttagen in den Gar­ten. Die Pädagogische Hochschule legt Versuchs­felder an, um LehramtsstudentInnen mit der Idee vertraut zu machen, später in den Volks­ und Haupt­schulen des Landes Schulgärten anzulegen.

– Menschen aus der Stadt nützen kleine Flächen für den Anbau von Gemüse und Blumen. Eine Tausch­börse für Pflanzen und Samen hat sich entwickelt.

– An gemeinsamen Arbeitstagen werden Obst­bäume oder spezielle, vergessene Pflanzkulturen angelegt. 12 Hochbeete stehen zur Verfügung. Die Eisenstädter Initiative „Rettet das Kind“ hilft regel­mäßig beim Mähen.

– Künstler und Künstlerinnen aus dem Burgen­land und aus Wien installieren ihre Werke, z.B. ein „Kosmopolitisches Gartenzimmer“. Im Rahmen eines aktuellen Forschungsprojekts des Europahauses zum Thema „Internationale Gemeinschaften als Kunst­werk“ wird eine ortsgebundene Gestaltung des The­mas ausgehend vom Garten im Umfeld (Campus, Technologiezentrum) vorbereitet.

weltgewissen

44 FORUM EUROPAHAUS BURGENLAND

Hans Göttel ist Geschäftsführer im Europahaus Burgenland. Die interna­tionale Tagung VITALISE PANNONIA (Vitalising the rural area of Pannonia by creative activities of elderly people) fand vom 19. ­ 22. Juni 2013 im Euro­pahaus in Eisenstadt und in Györ statt.

– Das Europahaus bezieht den Garten und seine Elemente in Bildungsveran­staltungen mit ein. Spezielle Seminare vermitteln ein erweitertes Verständ­

nis von Gärten und von der Bedeu­tung des Bodens. Durch die Garten­arbeit wurden Menschen, die noch nie eine Fortbildung besucht hatten, für Seminare gewonnen. So haben an den Seminaren „Von ganz unten“ (Juni 2012) und „Die wandelnden Gärten“ (September 2012) insbesondere Mit­

glieder der Gartengruppe teilgenom­men, einzelne kommen nun auch zu anderen Veranstaltungen des Europa­hauses, entdecken die Bibliothek, finden Zugang zu globalen Themen und berei­

chern unsere Arbeit durch ihre Neu­gier und Erfahrung.

– Der Garten wird für öffentliche Feste, wie das jährliche Mittsom­merfest des Europahauses, genutzt.

Der Maler Andreas Roseneder

– sieht die vier industriellen Stahl­tuerme im Hintergrund als Farbtu­ben, aus welchen die Polyethylen­Patches wie violette Farbpatzen auf die Landschaftspalette gequetscht & unterschiedlich mit weiß abgeto­

ent wurden, um die Farbe des Lavendels zu treffen, der darunter gepflanzt wurde.

– erlebt über seine Haende die pannonische Erde, begreift, harkt, kruemelt & waessert sie, weiss bald ueber das Terroir Bescheid, das sich oft nach ein

paar Metern schon ändern kann & damit die pflan­zen unterschiedlich gedeihen laesst, befreit die zar­ten Lavendelkinder von wuchernder Ackerwinde & querspriessender Kratzdistel, lernt so jede einzelne Pflanze kennen.

– Sieht als poet in dem wundersam wachsen­den projekt eine hommage an die impressionis­tische en plein air malerei des neunzehnten jahr­hunderts in der franzoesischen Provence & erwartet jeden moment das erscheinen der maler Vincent Van Gogh & Paul Gauguin, um auf dem feld in vorausei­lender expressionistischer manier einen kuenstleri­schen streit vom zaune zu brechen, der ins zwanzigste jahrhundert fuehrt.

Wichtige künstlerische Impulse kommen aus der werkstätte für kunst im leben in Müllendorf (bei Eisenstadt), eine von Ilse Hirschmann geführte Initia­tive, in der Seniorinnen aktiv sind und neue Impulse in das Gemeindeleben bringen. So wird zusammen mit dem Europahaus jährlich eine Gemeinschafts­ausstellung mit pädagogischem Begleitprogramm zu einem welt­bewegenden Thema durchgeführt, an der sich Künstlerinnen und Künstler aus Wien, Bur­genland und den Nachbarländern beteiligen.

Florian Schmit, ein pensionierter Landwirt küm­mert sich mit seinem Traktor ums Grobe und hilft allen Unbeholfenen mit know how und großem Ver­ständnis im Umgang mit der Erde.

Die Abschlusstagung im Rahmen der Lernpart­nerschaft VITALISE hat dem Kosmopolitischen Gar­ten nicht nur neue Ideen und Impulse sondern auch neue Pflanzen aus den beteiligten europäischen Län­dern gebracht. Als konkrete Praxis hat die Lernpart­nerschaft rund um ein bislang einsames Friedens­bäumchen ein kleines Arboretum angelegt.

hat die Alten dazu verleitet, so zu tun, als ob sie jung wären. Dieser Infantilisierungsdruck, der die furchtbarsten Blü-ten treibt – die extrem gefärbten Haare alternder Ame-rikanerinnen, die aufgespritzten Lippen und faltenlose Gesichter von 70-Jährigen, die 90-jährigen Marathonläu-fer, die Idolisierung des Seniorensports sind nur einige Beispiele dafür, …Peter Kampits (Die Presse, 24. August 2013)

Der Jugendwahn, der die Chancen

einer verlängerten Lebenszeit in die falsche Richtung

drängt, „

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Angelika Mayer

Natur und Garten – Grundbedürfnisse des Menschen

Das Bedürfnis des Menschen nach Natur und Garten beginnt mit seiner Sesshaftwerdung. Seitdem ver­sucht der Mensch, sich die Natur in Form von Gärten zu seinem „Gegenüber“ zu machen. Dies ist keines­wegs ein Substitut für fehlende Naturräume, sondern so etwas wie ein Bedürfnis auf eine auf den Men­schen bezogene Natur. In Form von Gärten versucht der Mensch sich eine Umgebung zu schaffen, die dem „Naturmenschen“ in ihm das Überleben sichert, doch gleichzeitig sind Gärten auch Ideallandschaften, die es ermöglichen, die Potenziale des Menschen (allgemein, kulturell oder biographisch individuell) herauszuheben.

Gärten sind eines der ältesten Kulturgüter des Menschen. Betrachtet man die Gartenschöpfungen der Geschichte in aller Welt (wie beispielsweise Ver­sailles, die Landschaftsparks des chinesischen Mit­telalters oder die englischen Parks des neunzehnten Jahrhunderts) und betrachtet man den Aufwand und die Mühen, die dafür geleistet wurden, sieht man, dass das Bedürfnis nach Gärten keineswegs eine Errungenschaft der heutigen Zeit ist.

Jede Naturerfahrung ist „subjektiv“ und stets emotional gefärbt. Eine Rose beispielsweise ist nicht nur ein Exemplar aus der Familie der Kerneudikoty­ledonen, sondern vor allem auch ein Symbol für die Liebe. Sie ist verbunden mit Erinnerungen, Geschich­ten und Märchen. Erst auf diese Weise wird die Natur, gespiegelt in uns, mit Bedeutung belegt. Gleichzeitig benötigen wir aber auch für die Fülle unserer Empfin­dungen genau jene vielfältigen Bilder, die die Natur

uns bietet. Somit wird die Natur zu einem Lernort, der Erfahrungsmöglichkeiten in emotionaler, sozialer, kultureller und kognitiver Hinsicht festlegt.

Unmittelbare Naturerfahrungen, die vor einigen Jahrzehnten noch für die Mehrheit der Menschen zum selbstverständlichen Alltag gehörten, sind in der heutigen Zeit zu einem kostbaren Gut gewor­den. Immer seltener ist die Natur ein Lernort, der eine subjektive und emotionale Erfahrungsmöglich­keit bietet, immer seltener ein Ort, der handlungs­orientiertes Lernen ermöglicht. Dabei ist der Kon­takt mit der Natur nicht nur ein Grundbedürfnis des Menschen, sondern auch einer der grundlegendsten Säulen unserer Allgemeinbildung. Beziehung ent­steht durch vielfältige Begegnung. Erst durch diese Begegnungen kann der Mensch ganz „Mensch sein“, eine Beziehung zur Natur aufbauen, um sich dann letztendlich auch für die Belange der Natur und ihres Schutzes einzusetzen.

All diese Umstände und Erkenntnisse haben auch so mache Entwicklung in der Pädagogik angestoßen und in letzter Zeit verstärkt zu einer Wiederbelebung der Schulgartenarbeit geführt. Zu Recht ist die Schul­gartenarbeit immer öfter fester Bestandteil in päda­gogischen Konzepten: Natur­ und Umwelterziehung ist seit 1994 als Unterrichtsprinzip in den Lehrplä­nen verankert, Waldkindergärten erfreuen sich einer wachsenden Beliebtheit und Naturschutzverbände offerieren pädagogische Angebote.

Der Schulgarten an der PH Burgenland

An dieser Stelle möchte ich mich bei Herrn Mag. Johann Göttel (Europahaus) und Herrn Rektor Mag. Dr. Walter Degendorfer (Pädagogischen Hochschule

AM AREAL DES KOSMOPOLITISCHEN GARTENS ENTSTEHT DER SCHULGARTEN DER PÄDAGOGISCHEN HOCHSCHULE BURGENLAND

NATURerleben und begreifen

„Es ist ein angenehmes Geschäft, die Natur zugleich und sich selbst zu erforschen, weder ihr noch seinem Geiste Gewalt anzutun, sondern beide

durch gelinden Wechseleinfluss miteinander ins Gleichgewicht zu setzen.“(Johann Wolfgang von Goethe)

weltgewissen

46 FORUM EUROPAHAUS BURGENLAND

Angelika Mayer ist Volksschullehre­rin und entwickelt methodisch didak­tische Konzepte des Schulgartens an der PH Burgenland. Sie lebt in Ham­merteich.

Burgenland) für die hilfreiche Unterstützung, die letzt-endlich zur Realisierung des Schulgartenprojektes geführt hat, recht herzlich bedanken.

Nach intensiven Vorbereitungen konnte Mitte Mai dieses Jahres mit der Errichtung eines Schulgar­tens an der Pädagogischen Hochschule Burgenland begonnen werden, mit dem Ziel, einen Lernort zu schaffen, der fächerübergreifendes und handlungs­orientiertes Lernen ermöglicht.

Im Schulgarten wurden Erlebnis­ Erkundungs­ Lern­ Handlungs­ und Erholungsbereiche geschaffen, die nicht nur dem Wissenserwerb dienen, sondern auch dem Umweltschutz­ Gemeinschafts­, Nachhaltig­keits­ und Gesundheitsgedanken Rechnung tragen.

Das Nutzungskonzept des Schulgartens sieht eine integrative, fächerübergreifende Verwendung des Gartens in der Lehrer/innenausbildung, in der Fort­ und Weiterbildung, sowie in der Kindergarten­ und Freizeitpädagogik vor. Zusätzlich werden mit kom­mendem Frühjahr jahreszeitlich angepasste Pro­gramme und Veranstaltungen für Kinder angeboten. Mit gartenpädagogischer Unterstützung wird Schul­klassen unter anderem die Möglichkeit gegeben, ein ganzes Schuljahr hindurch zu pflanzen, zu pflegen, zu ernten und die Natur zu entdecken. Denn nur durch die Verbundenheit mit der und das Verständnis für die Natur können nachfolgende Generationen ihr Überleben sichern.

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NR. 24 – DEZEMBER 2013 47

Karl Kollmann ist Soziologe und Titularprofessor an der WU Wien.

Karl Kollmann

Welche Macht hätten Konsumenten? Natürlich können Verbraucher – wir leben ja in Repu-bliken die beinahe schon, aber doch noch nicht total, von Industrie- und Finanzkapitalinteressen domi-niert sind - die Wirtschaftswelt umfassend verändern – wenn man sie dazu befähigt. Dafür sind allerdings eine Reihe von Voraussetzungen notwendig.

Zuerst ist es notwendig, die Rolle von Verbraucher und Bürger gemeinsam zu sehen: nur ein »Bür­ger­Verbraucher« wird und kann seine Lebenswelt gestalten, wenn er/sie begreift, daß es möglich ist, sich mit gängelnder Wirtschaft und verwaltender Poli­tik distanziert und kritisch auseinander zu setzen. Etwa unbequeme Fragen stellen, mehr und ande­res wollen, ein Leben jenseits der Markenwelt und der Glücksversprechungen der Konsumgesellschaft sehen können. Dafür muss man allerdings Menschen bilden und zwar schon in der Schule: Mündigkeit als erstes Bildungsziel, nicht PISA­Punkte in Mathema­tik. Fragt sich nur ob die gegenwärtige Politik mit quirligen, selbstbewussten Menschen zu tun haben will. Die heutigen „Demokratiepakete“ sprechen nicht dafür, sondern für eine Konsumdemokratie.

Ein partizipativer »Bürger­Verbraucher« benötigt außerdem genügend Zeit für Mitgestaltung, er/sie muss angstfrei leben können, ohne von Armut oder Benachteiligung bedroht zu sein. Zweite Grundvor­aussetzung daher: Arbeitszeitverkürzung. Und Ent­lastung vom Konsumdruck, von den 5000 täglichen Werbebotschaften (knapp 2 Millionen im Jahr), die die Politik auch in die Schule eingeschleust hat, sowie dem zunehmenden Wettbewerbsdruck im Berufs­ und Sozialleben. Wenn es dann noch klare Kenn­zeichnungsformen für „saubere“ Unternehmen (CSR­Gütezeichen als erster Schritt) gibt, lässt sich Moral als Verbraucher leben.

Da die Welt nicht über Nacht und von selbst bes­ser wird, bedarf es wohl eines gesellschaftspolitischen

Akteurs, also einer Organisation, die jene Ziele ver­folgt: eine andere, nämlich eine politische, aufklä­rende Bildung, Arbeitszeitverkürzung, intelligente Umverteilung (geringe Steuern für schwache und deutlich höhere für starke Einkommensbezieher). Dazu das Selbstbewusstsein, sich mit dem über­all vorhandenen und quasireligiösen Wachstums­dogma auseinander zu setzen und auch mit Suffi­zienz, also dem berüchtigten „Verzicht“­Wort (allein wenn man an die 3 Milliarden Flugreisen im Jahr 2013 denkt). Ein solcher Akteur ist heute jedoch nicht in Sicht.21Eine kleine Chance bleibt: Bürger können politische Akteure in andere, in erwünschte Richtun­gen drängen.

1 Kurzfassung des Vortrags, AK­Salzburg, 19. 9. 2013. 2 Karl Kollmann: Welche Akteure gibt es für echte Klimapolitik? in: Hauswirtschaft und Wissenschaft 3/2012.

in unsere sklavische Anbetung all dessen, was angenehm und bequem ist, all dessen, was materiell ist.Alexander Solschenizyn

Wir sind hoffnungs-los verstrickt„

weltgewissen

48 FORUM EUROPAHAUS BURGENLAND

Maria Jankoschek

21 Jahre im Europahaus Burgenland

Als ich nach fast 15-jähriger Tätigkeit im Österrei-chischen Institut für politische Bildung in Matters-burg erfahren habe, dass es geschlossen wird, war ich natürlich traurig. Aber als ich kurze Zeit später von der Burgenländischen Landesregierung übernommen und dem Europahaus in Eisenstadt dienstzugeteilt wurde, habe ich mich sehr gefreut, da der Leiter damals schon Hans Göttel war, und ich ihn vom Institut in Matters-burg bereits kannte und schätzte.

Ich trat meinen Dienst im Europahaus am 02. März 1992 an, es war ein Rosenmontag und am Faschings­dienstag feierte ich dann meinen Einstand. Es folg­ten wunderbare, arbeitsintensive und sehr interes­sante 21 Jahre.

Ich kann mich noch sehr gut an die ersten Tage im Europahaus erinnern, damals waren wir noch am Hartlsteig 1a. Die Buchhaltung wurde noch händisch gemacht, was man sich heute bei den vielen Abrech­nungen nicht mehr vorstellen kann. Wir waren zu dritt: Hans Göttel, eine wissenschaftliche Mitarbeite­rin und ich, dann kam noch eine Angestellte für die Bibliothek dazu. Es gab in den kommenden Jahren noch einige MitarbeiterInnen, aber seit ca. 15 Jah­ren arbeiten Hans Göttel und ich allein. In diesen 21 Jahren sind wir fünf Mal übersiedelt, wir hatten schon Routine: in die Eselmühle nach St. Margare­then, innerhalb der Eselmühle in ein nettes Häuschen neben dem Teich – es war herrlich bei schönem Wet­ter vor dem Häuschen unsere Kaffeepause um 9.00 Uhr mit guter Mehlspeise zu machen, aber wenn es regnete fiel der Strom aus und so übersiedelten wir bald nach Eisenstadt in die Hauptstraße 12, dann in ein Büro am Domplatz 21 und im August 2003 schließlich ins ÖJAB Haus Eisenstadt am Campus 2. An dieser Adresse hat es mir von allen am besten gefallen, ich sagte immer, „von hier aus gehe ich in Pension“ und so ist es nun auch. Ich bezeichne mein Büro als „my castle“, ich fühle und fühlte mich hier immer sehr wohl. Wir haben auch sehr nette „Nachbarn“, den Leiter des Heimes Peter Winkler und seine Sekretärin Maria Göttel, mit denen man wun­derbar zusammenarbeiten kann und auch mit der Ex­Sekretärin Monika Carich, habe ich mich sehr gut verstanden.

Meine Tätigkeit im Europahaus hat mir deshalb so gut gefallen, weil sie sehr interessant und viel­seitig war. Langweilig wurde es bei uns nie. Auch konnte ich bei vielen in­ und ausländischen Tagun­gen, Meetings, Veranstaltungen in Malmö, Göteborg, Helsinki, Brüssel, Straßburg, Zaragoza, Trient etc. teil­nehmen und habe dadurch sehr nette Menschen ken­nen und schätzen gelernt. Zu einigen hat sich sogar eine wunderbare, langjährige Freundschaft entwi­ckelt, die ich auch nach meiner Pensionierung wei­ter pflegen möchte.

Mein erster Auslandsaufenthalt mit meinem Chef war die kulturelle Studienreise nach Schweden (Högsby, Kalmar und Insel Öland). Wir fuhren mit dem PKW und hatten eine Ausstellung von burgen­ländischen Künstlerinnen, burgenländische Schman­kerl und auch Wein im Gepäck und waren daher in Sorge, dass wir an der Grenze gefilzt werden. Verstärkt wurden wir noch durch die Gruppe „Kolo Slavuj“, ein kroatisches Ensemble, und das „Haydn­Trio“. Es war ein wunderbarer Aufenthalt mit vielen neuen Ein­drücken und zahlreichen Auftritten der Genannten in Kooperation mit schwedischen KünstlerInnen. Aber der Höhepunkt der Auslandsaufenthalte war eine Stu­dienreise in die USA – damals schon unter anderem auf den Spuren Dag Hammarskjölds – nach New York, Washington und für einen Abstecher nach Philadel­phia. Diese Reise werde ich nie vergessen, wir waren elf Teilnehmer, fast zwei Wochen ständig unterwegs zu dichtgedrängten Terminen, aber alle immer gut aufgelegt und begeistert von den vielen beeindru­ckenden Erlebnissen.

Wie schon gesagt, es war eine sehr arbeitsinten­sive Zeit, und ich habe meine ganze Energie hinein­gesteckt. Man konnte sich immer auf etwas Neues freuen und durch die Reisen fühlte ich mich sehr reich

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NR. 24 – DEZEMBER 2013 49

Maria Jankoschek war von 1992­2013 als Mitarbeiterin des Europa­hauses für das Sekretariat und die Buchhaltung zuständig. Sie lebt in Schattendorf.

belohnt. Ich bin dankbar, dass ich im Jahre 1992 in den Dienst der Burgenländischen Landesregierung aufgenommen und dem Europahaus Burgenland dienstzugeteilt wurde. Ich habe mich im Europa­haus Burgenland, unter der Leitung von Hans Göt­tel, in diesen 21 Jahren sehr, sehr wohlgefühlt. Es war ein angenehmer Arbeitsplatz, der von meinem Chef immer mit Verständnis und Umsicht geleitet wurde. Was ich an ihm so schätzte war seine voraus­schauende Art. Egal welche Arbeit gerade dringend anstand, ob Anträge, Abrechnungen, Vorbereitungen von Veranstaltungen etc., wo immer meine Mitarbeit gefragt war, er hat die Dinge so termingerecht bear­beitet, dass es für mich nie stressig wurde. Ja, es war wirklich eine Freude mit ihm zu arbeiten, als Chef, als

Kollege, als Freund … und wenn es einen Orden für den „Super­Chef“ geben würde, würde ich keine Zeit verlieren und sofort einen Antrag stellen. Es tut mir schon ein wenig leid, dass ich ihn quasi im Stich lasse, aber ich freue mich trotzdem, dass ich als gesunder Mensch meinen Ruhestand antreten darf und endlich einmal mehr meine eigenen Interessen leben kann.

Es tut mir so gut, dass ich von vielen Mitgliedern, ReferentInnen, Freundinnen und Freunden des Euro­pahauses so positive Rückmeldungen bezüglich mei­nes Einsatzes und meiner Freundlichkeit erhalten habe. Ich danke euch allen für die wunderbaren Jahre, nicht jeder Mensch hat so einen, wie es Hans Göttel immer sagt, „bekömmlichen“ Arbeitsplatz.

aller alten Menschen, ist in mehr oder weniger ausge-prägter Form die Welt der Erinnerung: Man sagt: am Ende bist du das, was du gedacht, geliebt, vollbracht hast. Ich möchte hinzufügen: du bist das, was du erinnerst. Außer

den Gefühlen, die du geweckt hast, den Gedanken, die du gedacht hast, den Taten, die du vollbracht hast, sind die Erinnerungen, die du bewahrt und nicht in dir aus-gelöscht hast, deine Reichtümer, und du bist nun ihr einziger Wächter.Noberto Bobbio (Vom Alter – De senectute)

Die Welt der alten Menschen, „

weltgewissen

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Garry Davis 1921 – 2013

Am 24. Juli 2013 starb Garry Davis in Vermont, USA. Er war für seine weltbürgerlichen Initiativen weltweit bekannt. Selber lebte er 65 Jahre lang als Bürger keiner Nation, sondern als Weltbürger, also ohne eines von einer Staatsbehörde ausgestellten Reisepasses. Er wurde von Einstein gelobt „für die Opfer, die er brachte für das Wohl der Menschheit“ und von Eleanor Roosevelt ermuntert, eine internati­onale Weltregierung zu starten. Im September 2010 traf eine Delegation des Europahauses im Zuge einer Studienreise mit ihm in New York zusammen. Es war ein unvergessliches Erlebnis.

Im Dezember 1948 organisierte er mit zahlrei­chen Anhängern die Besetzung der damals in Paris tagenden Generalversammlung der Vereinten Nati­onen und verlangte, unterstützt von Einstein, Albert Schweitzer und Albert Camus erfolgreich die Verab­schiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschen­rechte. Er begann eine Weltbürgerbewegung aufzu­bauen, die Anfang der 50er­Jahre schon 750.000

Mitglieder hatte und richtete eine Agentur ein, die World Service Authority, die in Basel, Tokyo und Shanghai Büros hatte. Heute ist sie in Washington D.C. angesiedelt und stellt Weltbürgerpässe aus, die für manche in Europa begehrte Ausweise ihrer kosmopolitischen Gesinnung sind. Für Hunderttau­sende jedoch, die entweder als Flüchtlinge ihr Leben fristen müssen oder die in einem Staat leben, der ihnen keine Identität bescheinigt, sind sie lebens­wichtige Dokumente. Der Indische Regierungs­chef Nehru meinte einst, diesen Pass hätte auch Ghandi getragen!

Sein letztes Vorhaben konnte Garry Davis nicht mehr ausführen. Zum 65. Jahrestag der Allgemei­nen Erklärung der Menschenrechte am 10. Dezember 2013 soll in Los Angeles die Idee eines Weltgerichts­hofs für Menschenrechte präsentiert werden. Dieser Event wird nun eine Gedenkveranstaltung für ihn.

Hans Göttel

Und, ja: Sternstunden haben es an sich, dass sie nicht ewig dauern, sondern kurze Momente sind, in denen etwas auf-blitzt, was sein könnte. Kurze, kostbare Augenblicke, in denen nicht die Brutalen und Lauten im Vordergrund ste-hen, sondern die Mutigsten, die Besten. Diejenigen, die zeigen, was alles möglich sein könnte.

Barbara Coudenhove-Kalergi (Die Presse, 3. Augsust 2013)

Die Utopie ist der Umbau der Welt

zur Heimat. „

Garry Davis (3. links, stehend) unter Freunden

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NR. 24 – DEZEMBER 2013 51

Dag Hammarskjöld steht diesmal im Focus des Weltgewissens (Nr. 23) und seine Gestalt fügt sich nahtlos in die Reihe von anderen herausragenden Persönlichkeiten aus Politik, Kunst oder Wissenschaft, die in früheren Ausgaben dieses Heftes in den Mit­telpunkt der Betrachtungen gestellt worden waren. Man kann diese Personen durchaus als Grenzgänger bezeichnen, wagten sie es doch Grenzen ins Unge­wisse zu überschreiten und unbekanntes Terrain zu betreten. Immer waren es Menschen, die einem inne­ren Antrieb folgend, versuchten unsere Welt in beson­derer Weise mitzugestalten. So ein Mensch war auch Dag Hammarskjöld. Man kennt ihn als 2.Generalse­kretär der UNO nach dem 2. Weltkrieg, man kennt ihn als Erfinder der Blauhelme und man weiß, dass er unermüdlich im Dienste des Friedens unterwegs war und bei einem dieser Friedenseinsätze bei einem Flugzeugabsturz im Kongo ums Leben kam. Aber wer weiß, aus welcher Quelle er die Kraft für seine Auf­gabe nahm, wer weiß, was die eigentliche Triebfeder seines Handelns war. Rein zufällig bin ich vor eini­gen Jahren darüber gestolpert. Da las ich in einem Gebetbuch Worte, die Dag Hammarskjöld zuge­schrieben werden, die einen tiefen inneren Reich­tum bezeugen.

Eigentlich hat es mich schon verwundert, dass die Person Dag Hammarskjöld, sein Leben und sein Wirken bisher eher unbeachtet von der Rezeption der Nachkriegsgeschichte blieb. Aber die Tatsache, dass er nicht nur ein „Macher“ sondern auch ein tiefsinniger Mensch war, passt vielleicht nicht so ganz in unsere heutige schnelllebige Zeit. Umso mehr ist es dem Weltgewissen zu danken, dass es sich dieser Person annahm, sie aus dem Vergessen herausholte und ins rechte Licht rückte: Dag Hammarskjöld verkörpert in eindringlicher Weise die Zusammengehörigkeit von contemplatio und actio. Das Innen und das Außen sind bei ihm wie die beiden Seiten einer Medaille, die miteinander ein Ganzes bilden.

Weltgewissen wird mit seinem Gedenken des Weltbürgers Dag Hammarskjöld, den man auch als Weltgewissen bezeichnen kann, seinem Namen durchaus gerecht.

Als Burgenländerin bin ich stolz darauf, dass es in unserem Bundesland ein Europahaus gibt, das die­sen Namen verdient, indem es deutlich macht, dass Europa nicht nur ein Wirtschaftsraum ist sondern weit mehr. Durch die Auswahl der Themen und der Vortra­genden wird dieses Europa als Kulturraum sichtbar, der sich seiner Werte besinnt und versucht zu seinen Wurzeln vorzudringen. Für Europa ist es notwendig zu seiner Identität zu finden, um sich für die ganze übrige Welt, für andere Völker und Kulturen öffnen zu können ­ ut unum sint.

Marlies Odic (Neudörfl) Da ist Ihnen wirklich ein inhaltlich wie

künstlerisch (und im Layout!) hervorragen-des Heft gelungen und ich gratuliere Ihnen von Herzen. Dass ich dabei sein darf, freut und ehrt mich. Danke und Respekt für Ihre Arbeit. Was das Heft aus­zeichnet (und das sage ich auf dem Hintergrund mei­ner begrenzten Redaktionsmitarbeit der Zeitschrift Bewusstseinswissenschaften) ist, dass es Ihnen in jeder Hinsicht gelungen ist, nicht nur ausgezeich­nete Beiträge zu versammeln, sondern sie auf oft subtile Weise inhaltlich miteinander zu verknüpfen.

Heinrich Dauber (D­Immenhausen)

Herzlichen Dank für die Zusendung der letzten Ausgabe Ihres Magazins, das mich sehr beeindruckt hat. Vor allem die Breite der Themen hat mir sehr gefallen, wer erinnert sich heute noch an Hölderlin. Das Zitat „Einer der großen Irrtümer...“ wurde sofort ins Tagebuch aufgenommen!

Nochmals danke,Günter Zwanowetz (Wien)

KosmoPolisDAS FORUM DER LESERINNEN UND LESER

Kosm

oPo

lis

wie die Kraft ihrer Bürger, sich übertriebenen Anpassungs-zwängen mit kritischer Einsicht entgegenzustemmen, nach Besonderheit statt nach Konformität zu drängen, ihr eige-nes Urteil zu suchen, statt sich dem der Öffentlichkeit bereitwillig anzuschließen.Alexander Mitscherlich (Das Ich und die Vielen)

Die Stadt der Zukunft ist so viel

wert „

weltgewissen

52 FORUM EUROPAHAUS BURGENLAND

Jeanne Block, Von der Notwendigkeit über die Möglichkeit der Liebe zu schreiben

Projekte - Verlag Cornelius, Halle 2013 (9,80€) Liebe lässt sich nicht beschreiben. Und doch

muss über sie geschrieben werden. Liebe ist ein Gefühl. Eine Wirklichkeit. Ein Gedicht. Ein Wunder. Ein Fluch. Liebe ist auch zwischen zwei Menschen. Sie ist Mut, Wut ..., ist Mut, Wut, Dankbarkeit, Hoff­nung, Vertrauen, Glück und Enttäuschung. Die Qual, die richtigen Worte für dieses Gefühl zu finden, dieses Chaos im Inneren, das Wahre und Reine aber, auch jenes Dunkle und Unbestimmte machen die Liebe so unfassbar, unbegreifbar. Auf einer Reise mit Aufent­halten an verschiedenen Orten versucht die Autorin Jeanne Block der Liebe näher zu kommen.

Immer und gleichzeitig ist dies ein Versuch, der Frage näher zu kommen, warum Menschen schrei­ben und schreiben müssen und sollen. Das Paradox, warum gerade die Einsichten und Gefühle, die jen­seits aller menschlichen Sprache und aller Form ihre Wirklichkeit und damit Wahrheit haben, zutiefst sich nach Darstellung und damit auch nach Worten seh­nen, verursacht Schwindel. Wer sich ihm ernsthaft aussetzt, wird nicht mehr durchgehend zwischen Herzblut und Tinte trennen können. Die Kunst des Schreibens ist eine Kunst auf Leben und Tod. So wie der Eros immer und gerade im Tod leuchtet und der Tod uns im Eros trifft.

Es sind Träume und Tagträume, Phantasien und Fieberphantasien, Briefe – abgesendete und ver­brannte, Gedanken – ausgesprochene und verbannte, die dem Leser und der Leserin keine Ruhe lassen. Die an eigene Erlebnisse ebenso erinnern wie sich jedem Vergleich entziehen. Und selbstredend geht es in die­sem Buch, das in einer atemberaubenden Mischung am Rande von Lyrik und Prosa sich bewegt, weder um Autobiographisches noch um irgendeine wahre Geschichte, sondern um das Sublime, um Übertritte, um Unmögliches und Banales, das wir alle kennen und doch keiner von uns.

Und deshalb ist es kein Männer­ und kein Frau­enbuch, nicht einmal ein Buch über Männer und Frauen, nicht über Liebende, aber über die Sehnsucht der Liebenden, nicht über Tod, aber über seine Schön­heit. Und deshalb gibt es hier und da auch Dichterlob und Dichterschelte.

Ebenfalls von Jeanne Block erschienen: Versuch über die Schwäche. Roetzer, Eisenstadt 2009

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Michael Stavarič Königreich der Schatten Mit Illustrationen von Mari OtbergISBN 978-3-406-65389-6Verlag: C.H. Beck (€ 19,95)In seinem neuesten Roman „Königreich der Schat­ten“ beschreibt Michael Stavarič die Begegnung zweier junger Metzger in Leipzig und spannt einen geschichtlichen Bogen zu ihren Großvätern. Bewe­gend erzählt er von einer Kindheitsliebe während des Zweiten Weltkriegs. Mit fast schwarzem Humor schildert er das Fleischerhandwerk und das Geschäft des Tötens und Essens von Tieren. Michael Stavarič spielt mit der Sprache und entwickelt die Geschichte zu einer Synthese aus Literatur, eigenen Lebenserfah­rungen, Philosophie, Geschichte und wissenschaftli­chen Erkenntnissen.

Was bedeutet Fleischessen für uns Menschen? Müssen Tiere, welche wir essen, qualvoll leben, müs­sen Tiere, welche wir essen, für unsere Gaumenfreu­den qualvoll sterben? Gibt es nur die Unterscheidung zwischen Fleischgenuss und Vegetarismus? Kann es in Schlachthöfen, kann es beim Metzgerhandwerk, kann es beim Töten von Tieren so etwas wie Ethik geben, gibt es „ethisches“ Fleisch?

Wie genau rechtfertigen wir unser Essverhalten? Schauen wir der Realität der Schlachtung von Tie­ren ins Auge? Hinterfragen wir die Bilder und die Geschichten darüber? Hinterfragen wir die Geschich­ten, welche uns darüber erzählt worden sind? Oder übernehmen wir kritiklos und ohne etwas einzuwen­den familiäre Gewohnheiten und Muster auch unser Essverhalten und unseren Fleischkonsum betreffend?

Bei der Lektüre des Romans erinnerte ich mich bisweilen an das Sachbuch: „Tiere essen“ („Eating Animals“) des amerikanischen Schriftstellers Jona­than Safran Foer. Michael Stavarič bricht ähnlich wie J.S. Foer eine Lanze für eine bewusste Wahl, für ein bewusstes Hinterfragen, für ein bewusstes Sammeln von Informationen. Dabei trifft Michael Stavarič den Nerv unserer Zeit auch ohne beständiges Betonen von Fakten, Zahlen, ökonomischen Interessen oder moralphilosophischen Passagen; er greift auch nicht auf Undercover­Reportagen zurück, um auf das „große Vergessen“ um das Schlachten und Essen von Tieren hinzuweisen.

Auch das folgende Zitat von Ronald D. Laing aus „Phänomenologie der Erfahrung“, fiel mir beim Lesen wieder ein: „Die gegenwärtige Sozialwissen­schaft verstärkt meist die Mystifikation. Gewalt kann man nicht sehen durch die Brille des Positivismus. B

üche

rBuchtipps

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NR. 24 – DEZEMBER 2013 53

Eine Frau stopft durch einen Trichter Futter in den Hals einer Gans. Ist dies die Beschreibung von Grau­samkeit an einem Tier? Die Frau bestreitet jeglichen Grund oder Vorsatz von Grausamkeit. Wenn wir diese Szene ‚objektiv’ beschreiben wollten, würden wir sie nur dessen entkleiden, was ‚objektiv’ (oder bes­ser: ontologisch) in der Situation präsent ist. Jede Beschreibung setzt unsere ontologischen Prämissen voraus – zur Natur des Menschen, der Tiere und der Beziehung zwischen ihnen. Wenn ein Tier zum bear­beiteten Produktionsstück entwürdigt wird, zu einer Art biochemischem Komplex, so dass sein Fleisch und seine Organe einfach Material sind (wenn man darauf kaut), eine bestimmte Textur (weich, zart, zäh), einen Geschmack, vielleicht einen Geruch hat – dann bedeutet eine positivistische Beschreibung des Tieres in solchen Begriffen eine Selbstentwürdi­gung durch Entwürdigung des Seienden selbst. Eine positivistische Beschreibung ist nicht ‚neutral’ oder ‚objektiv’. Im Falle der Gans als Rohmaterial für eine Pastete kann man nur eine negativistische Beschrei­bung geben, falls die Beschreibung weiterhin von einer gültigen Ontologie gestützt werden soll; das heißt, die Beschreibung bewegt sich im Lichte des­sen, wovon diese Tätigkeit eine Brutalisierung und Entwürdigung ist – nämlich der wahren Natur von Mensch und Tier. Die Beschreibung muss im Lichte der Tatsache gesehen werden, dass die Menschen so brutal, banal und dumm geworden sind, ihre eigen Entwürdigung nicht zu erkennen.“

„Königreich der Schatten“ enthält viele päda­gogische Botschaften, jedoch ohne moralisierend gestreckten Zeigefinger. Deshalb kann es jungen Eltern, welche überlegen, wie sie ihr Kind/ihre Kinder ernähren möchten, ernähren sollten, hilfreich sein. Im Roman finden aber auch Experten und Exper­tinnen, Tierliebhaber und Tierliebhaberinnen wert­volle Gedankengänge und Anregungen. Rechtferti­gen Gaumenfreuden Grausamkeiten? Können durch das Essen von Fleisch auch emotionale Bedürfnisse befriedigt werden?

Michael Stavarič ermuntert uns über unsere (Lie­bes­)Beziehungen nachzudenken, er erzählt genera­tionenübergreifend, er schildert sich wiederholende Familienmuster: Ist es denkbar, dass Lebensgeschich­ten unserer Großeltern auch etwas mit unseren eige­nen Lebensgeschichten zu tun haben? Hängt etwa auch unsere Partnerwahl mit der Lebensgeschichte unserer Großeltern zusammen? Hängt sie damit zusammen, was in unserer Familie darüber erzählt wird? Wiederholen sich familiäre Lebensgeschichten?

Sollten wir in Analysen stets generationenübergrei­fend denken? Michael Stavarič ist ein Ästhet der Spra­che und legt mit „Königreich der Schatten“ enga­gierte Literatur vor.

Christine Siegl, Eisenstadt

Dieter Kramer Europäische Ethnologie und Kulturwissenschaften

Marburg: Jonas Verlag 2013. 248 S., ISBN 978-3-89445-472-2, 25 €Grazer Beiträge zur Europäischen Ethnologie Band 15

In den Kulturwissenschaften wird Europäische Ethnologie derzeit kaum berücksichtigt. Sie hat jedoch interessante Beiträge zu deren Themen zu bie­ten. In Empirie und Theorie beschäftigt sich die aus der Volkskunde hervorgegangene Europäische Eth­nologie mit Kulturprozessen in den Milieus geschich­teter (segmentierter, hierarchisch gegliederter) und regional differenzierter Gemeinschaften von hoher Komplexität in Vergangenheit und Gegenwart vor allem in Europa. Sie beachtet dabei die vertikalen und horizontalen Verflechtungen dieser Prozesse (einge­schlossen transkulturelle Beziehungen). Darin beste­hen ihre Besonderheiten im Unterschied zu Kulturge­schichte, zu verallgemeinernder Kulturanthropologie und zu Ethnologie/Völkerkunde.

Weil der Autor durch seine Berufsbiografie lange sowohl in der Wissenschaft wie in Kulturpolitik, Poli­tikberatung und Politik zuhause war, kann er auch danach fragen, wie die Europäische Ethnologie als Kulturwissenschaft für den Umgang mit den Heraus­forderungen der Gegenwart fruchtbar werden kann. Beispiele dafür sind Themen wie Gemeinnutzen, Nachhaltigkeit des Umganges mit Naturressourcen und sozialem Kapital, Würdigung sowie Schutz und Förderung kultureller Vielfalt in der Globalisierung, Umgang mit Fremden. Betont werden die Zusam­menhänge zwischen kulturellen Symbolwelten und materiellen Prozessen des Naturstoffwechsels. Wert wird darauf gelegt, die in der Vergangenheit seit mehr als 200 Jahren erarbeiteten und dokumen­tierten Erfahrungen, Forschungen und Ergebnisse auch der traditionellen Volkskunde einzubeziehen in die aktuellen Diskurse, sie aber von dem ideologisch­politischen Ballast der Vergangenheit zu befreien.

weltgewissen

54 FORUM EUROPAHAUS BURGENLAND

Horst Rumpf Theaterlernen: Sich einlassen auf fremde Welten

Broschiert: 124 Seiten, Verlag: Schneider Verlag Hohengehren; Auflage: 1 (15. August 2013), Spra-che: Deutsch, ISBN-10: 3834012327, ISBN-13: 978-3834012326 (€ 16,-)

Was sich in Schulen und Hochschulen wie in der Informationsindustrie tagtäglich abspielt, hat eine Schlagseite. Es geht immer wieder darum, der Welt Unbekanntheit und Fremdheit auszutreiben, getreu der Maxime, die Descartes vor vierhundert Jahren dem modernen Menschen ins Stammbuch geschrie­ben hat – sein Denken und Handeln ziele darauf, ihn zum maitre et possesseur, zum Herrn und Besitzer der Welt zu machen. Je länger je mehr drängt sich die Gegenfrage auf, ob die Menschen nicht über diesem Beherrschungsdrang verlernen, sich von der Unbe­kanntheit ihrer Welt überhaupt noch treffen zu lassen. Wissen und Können, das Widersprüche und Unbe­kanntheiten verleugnet, denen es abgerungen ist, bleibt steril. Sich auf Theater einzulassen könnte das Zeug haben, diesen prekären Untergrund allen Lernens aufzustören und ins Spiel zu brin­gen. Ohne solche Gegenerfahrungen trocknet der Geist aus, die Welt schrumpft zur Datenmenge. Theater verwickelt Akteure und Zuschauende in wilde Geschichten – an deren Ende es oft hei­ßen kann ...der Vorhang zu und alle Fragen offen. Was da passiert und wie es passiert – dar­über nachzudenken und viele Zeugen dazu zu fragen, kann lohnen.

Giorgio Agamben Die Macht des Denkens: Gesammelte Essays

Gebundene Ausgabe: 464 Seiten, Verlag: S. FISCHER; Auflage: 1 (25. Juli 2013), Spra-che: Deutsch, ISBN-10: 3100005341, ISBN-13: 978-3100005342 (€ 24,99)

Neben seinen großen Büchern hat der interna­tional bekannte Philosoph Giorgio Agamben klei­nere Texte und Essays verfasst, die ebenso nachhal­tig die jeweiligen Diskussionen beflügelt haben. Die wichtigsten aus den letzten 20 Jahren hat er in

einem Buch versammelt, das nun zum ersten Mail vollständig auf Deutsch vorliegt. Darin begegnen uns alle Motive seines Denkens in überraschender, neuer Form: Ob es sich um die Auseinandersetzung mit Walter Benjamin, Aby Warburg, Max Kommerell oder Martin Heidegger handelt oder um Themen wie Ursprung und Vergessen, Bildlichkeit, Immanenz und Faktizität, immer gelingt es Agamben, seinem Gegen­stand ungewöhnliche und überraschende Einsichten abzugewinnen – ein Meister auch der kleinen Form.

László F. Földényi Dostojewski liest Hegel in Sibirien und bricht in Tränen aus

64 Seiten, Klappenbroschur, Aus dem Ungari­schen von Hans Skirecki, ISBN: 978­3­88221­716­2

Preis: 10,00 €, Hegels Tränen in SibirienWir wissen: Geschichte wird geschrieben von den

Siegern. Aber nicht die Besiegten sind die Opfer der Geschichte. Denn schlimmer als besiegt zu sein, ist es, des Besiegtwerdens nicht wert zu sein. Die wah­ren Opfer der Geschichte sind die, deren Existenz uns nicht einmal bekannt ist.

Ausgehend von der Schilderung Dostojewskis Ver­bannung in Sibirien richtet Földényi in diesem ele­ganten Essay voll leiser Sprengkraft den Blick auf den blinden Fleck der Geschichte. Seine Überlegungen lesen sich wie ein kritischer Kommentar zur Gegen­wart: Was aber, wenn man sie zu Ende denkt?

»Unter den vielen Wegen, die zur Lektüre eines Buchs führen (von denen alle etwas geheimnisvol­les an sich haben) findet sich auch einer, der über den Titel führt. Wir werden vielleicht nicht sofort von einem Buch angezogen, das sich die Göttliche Komödie nennt oder Die Bekenntnisse. Aber nur eine Seele aus Stein kann einem Titel wie Dostojewski liest Hegel in Sibirien und bricht in Tränen aus widerste­hen. Ich begann sofort zu lesen, ohne Unterbrechung. Und dann eine weiteres Mal und schließlich glück­licherweise noch einmal. Der Inhalt übertrifft noch den großartigen Titel: Földényi ist ein brillanter, originärer und scharfer Denker, dessen philosophi­schen, geschichtlichen und ästhetischen Einsichten ich glücklich folge.« (Alberto Manguel)

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Kunst als Werkzeug gesellschaftlichen Wandels

Jeder Mensch ein Künstler, jeder Mensch ein (R)Evolutionär

Ein Handbuch für äußeren wie inneren Wandel

9 783927 369771

Hildegard Kurt und Shelley Sacks

Die rote BlumeÄsthetische Praxis in Zeiten des WandelsMit einem Vorwort von Wolfgang Sachs

224 Seiten, Format 16 x 22 cmKlappenbroschur Sachgebiete: Nachhaltigkeit, Soziale Plastik, Kunst, Wandel, ÖkologieAuslieferung: November 2013Eur. 24,80 (D) / Eur. 25,50 (A) / Fr. 36.–ISBN 978-3927369-77-1

S H E L L E Y S A C K S H I L D E G A R D K U R T

Wie lässt sich unsere gegenwärtige lebens zerstörende in eine lebensfördernde Kultur transformieren? Ausgehend von dieser zentralen Frage, erkunden Shelley Sacks und Hildegard Kurt im Dialog ästhetische Praktiken für ein Zukunft schaffendes Gestalten. Die Autorinnen, die Pionierarbeit in der Sozialen Plastik und der Kultur der Nachhaltigkeit geleistet haben, verste-hen den Begriff »Ästhetik« als Gegenteil von »Anästhesie«. In diesem Licht beinhaltet ästhetische Praxis ein verleben-digtes Sein jenseits der allgegenwärtigen Betäubungen, und »Ver-antwort-ung« wird zur Fähigkeit, auf das, was sich in der Welt äußert, zu antworten. Mit aktivem Sehen, imaginativem Arbeiten, bildhaftem Denken oder dem »Erdforum« werden verlebendigende Einsichten, Prakti-ken und Prozesse vermittelt. Beispiele aus den Transition Towns, der Permakultur, der Commons-Szene oder der mobilen University of the Trees machen erfahrbar, wie äußeres und inneres Arbeiten einander nicht nur ergänzen, sondern geradezu bedingen.In dem Bewusstsein, dass sich Zukunfts fähigkeit nicht mit den Mitteln des Bestehenden erreichen lässt, sondern viel-mehr bedeutet, »von der Zukunft her wahrzunehmen, zu denken und zu gestalten«, erforschen die Autorinnen, wie ästhetische Praktiken zu Instrumenten gesellschaftlicher Transformation werden. »Die rote Blume«, ein Sachbuch wie auch ein Praxis-Handbuch, richtet sich an Agentinnen und Agenten des Wandels auf allen Arbeitsfeldern. – Jeder Mensch ein Künstler, jeder Mensch ein (R)Evolutionär.

Die rote Blume

Mit einem Vorwort von Wolfgang Sachs

S H E L L E Y S A C K S H I L D E G A R D K U R T

Ä S T H E T I S C H E P R A X I S I N Z E I T E N D E S W A N D E L S

David AbramIm Bann der sinnlichen Natur

Eur. 29,80 (D)/Eur. 30,80 (A)ISBN 978-3-927369-45-0

Weitere Titel bei »thinkOya«:

Während vieler Jahrtausende erfuhren sich die Menschen als Teil der Natur. Sie unterhielten aktive Beziehungen nicht nur mit anderen Men-schen, sondern auch mit anderen Tieren, mit P� anzen und natürlichen Phänomenen – Berge, Flüsse, Winde, Wettermuster –, die erst seit der Auf-klärung in der Kultur des Westens als »unbelebt« gelten. Wie kam es, dass sich der »aufgeklärte« Mensch aus dem uralten Wechselspiel mit der natürlichen Welt herausgenommen hat? Und gibt es Wege, heute wieder eine nachhaltige Beziehung mit der atmenden Erde einzugehen?Der Philosoph und Kulturökologe David Abram zeigt sie auf. Mit denke-rischer Brillanz und reicher, poetischer Sprache verlockt er zur sinnlichen Erfahrung einer sprechenden, fühlenden, beseelten und geheimnisvollen Natur und der Landschaft, in der wir leben.Endlich erscheint dieses mehrfach ausgezeichnete Werk auf Deutsch. Wer es gelesen hat, wird die Welt mit anderen Augen sehen.

www.think-oya.de

D A V I D A B R A M

D I E K U N S T D E R W A H R N E H M U N GU N D D I E M E H R – A L S – M E N S C H L I C H E W E L T

Im Bann dersinnlichen Natur

Mit einem Vorwort von Andreas Weber

Wenn ich die furchige Haut eines Baums berühre,

erfahre ich immer auch meine eigene Berühr-

barkeit und fühle mich selbst vom Baum berührt.

Die Welt zu sehen, heißt, meine eigene Sicht-

barkeit zu erfahren und mich selbst gesehen

zu fühlen.

»

Kaum jemand zeigt so ermutigende Wege aus der inzwischen lebensbedrohlichen, selbst-gezimmerten Isolation des Menschen gegen-über der Natur auf wie der amerikanische Philosoph, Ökologe und Anthropologe David Abram. Inspiriert durch die forschende Arbeit des Phänomenologen Maurice Merleau-Ponty und geschult durch seine langjährigen Rei-sen als Taschentrickkünstler durch Südost-asien, auf denen ihn intensive Naturerfah-rungen und Begegnungen mit indigenen Schamanen prägten, entwirft er eine vollstän-dig im Körper verankerte ökologische Philo-sophie. Dabei ist für Abram der Körper keine mechanistisch-biologische Maschine, sondern das mit allen Sinnen wahrnehmende, leben-dige Selbst, das unsere Sprache prägt und aus seiner Bezogenheit auf die lebendig atmende Natur heraus lebt. Mit seiner reichen, poe-tischen Sprache verlockt David Abram zur sinnlichen Erfahrung einer sprechenden, füh-lenden, beseelten und geheimnisvollen Natur und der Landschaft, in der wir leben. Diese innige körperliche Verbundenheit ist für ihn keine romantische Pose, sondern die Quelle für ökologisches und politisches Engagement. »Im Bann der sinnlichen Natur« ist ein mehrfach ausgezeichnetes Buch, das die Ökologie-Bewe-gung in den USA wesentlich geprägt hat.

»Wir können Dinge nur deshalb erfahren, können sie berühren, hören und schmecken, weil wir als Körper selbst in das sinnlich erfahrbare Feld ein-gebunden sind, selbst eine eigene Ober� äche haben, eigene Laute hervorbringen und selbst nach etwas schmecken.«

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David Abram, Jahrgang 1957, ist Ökologe, Anthropologe, Philosoph. Seine Essays erschei-nen in allen wichtigen Ökologie-Magazinen der USA. Als Taschentrickkünstler lebte er bei Schamanen in Indonesien, Nepal und Ame-rika. Der Utne Reader führt ihn als einen der hundert Visionäre, die die Welt verändern. Sein Buch »The Spell of the Sensuous«, das hier in deutscher Übersetzung vorliegt, wurde mehr-fach preisgekrönt. Er ist Gründer und Leiter der Alliance for Wild Ethics. www.wildethics.org

Andreas Weber, Jahrgang 1967, studierte Biolo-gie und Philosophie in Berlin, Freiburg, Ham-burg und Paris. Als freier Publizist verfasst er regelmäßig Beiträge für Magazine und Zei-tungen, darunter Die Zeit, Geo, Greenpeace Magazin und Oya. Zuletzt erschien bei Ull-stein »Mehr Matsch. Kinder brauchen Natur.« Andreas Weber lebt in Berlin und Varese. www.autor-andreas-weber.de

E I N S T U N D E N B U C H D E R N A T U R

Minima Animalia

mit einem Vorwort von Hildegard Kurt

A N D R E A S W E B E R

Andreas WeberMinima Animalia

Eur. 22,80 (D) / Eur. 23,40 (A)ISBN 978-3-927369-68-9

V E R S U C H S A N O R D N U N G F Ü R

E I N E P O S T - K O L L A P S - G E S E L L S C H A F T

D E S G U T E N L E B E N S

Die Commonie

Mit einem Vorwort von Silke Helfrich

J O H A N N E S H E I M R A T H

Johannes HeimrathDie Commonie

(in Vorbereitung)Eur. 24,80 (D) / Eur. 25,50 (A) ISBN 978-3-927369-73-3

Hildegard Kurt, Jahrgang 1958, ist promovierte Kultur-wissenschaftlerin, Senior Lecturer für Soziale Plastik an der Oxford Brookes University und Mitbegründerin des »und. Institut für Kunst, Kultur und Zukunftsfähigkeit« in Berlin. Sie arbeitet als Autorin und Referentin und ist mit Seminaren und Workshops praktisch auf dem Feld

der Sozialen Plastik tätig. Ihre jüngsten Bücher sind »Wachsen! Über das Geis tige in der Nachhaltigkeit« (2010) und »Leicht auftreten. Unterwegs zu einer anderen Welt. Ein Tagebuch« (2011). www.hildegard-kurt.de

Soziale Plastik ist ein Feld des Wandels. Es gibt

nur ein Feld des Wandels, und niemand befindet

sich außerhalb. Die hier entfaltete ästhetische

Praxis bietet Voraussetzungen für ein ›radikales‹,

an den Wurzeln ansetzendes Kultivieren von

Zukunfts fähigkeit.

Shelley Sacks, Jahrgang 1950, ist interdisziplinäre Künstlerin und Pionierin der Sozialen Plastik. Sie studierte an der Universität Kapstadt und arbeitete mit Joseph Beuys im Kontext der »Free International Univer-sity«. Heute ist sie Professorin an der von ihr gegründe-ten »Social Sculpture Research Unit« der Oxford Brookes

University. Im Zentrum ihrer Lehrtätigkeit, Schriften und Projekte stehen der Zusammenhang zwischen Imagination und Transformation und die Neudefinierung von Ästhetik. www.social-sculpture.org

26

27

Wandels in diesem unsichtbaren, ätherischen Feld15 zu verlebendigen. Und sie befä-

higen uns, zu erfahren, wie unsere immateriellen Gedanken, Werte und Haltungen

in der verkörperten, dichteren Welt wirksam sind.

So wie unsere Sinne uns mit der physischen Welt verbinden, verbindet unser

Denken uns mit der immateriellen Welt der formenden Kräfte. Ein Handeln im

Materiellen oder auch im Sozialen, dem ein Wahrnehmen der formenden Kräfte –

im Planeten, in uns, in allen Lebensformen – zugrunde liegt, wird wahrscheinlich

mehr mit den Prinzipien des Lebendigen übereinstimmen: wissend um Wechsel-

beziehung, Konstellationen, dynamischen Austausch und um Felder. Eine gelebte

Bewusstheit für diese formenden Kräfte sowohl in der Welt als auch in unse-

rem Denken  – und damit für die unsichtbaren Materialien der Imagination und

des Denkens, mit denen wir arbeiten können – ist zentral auf dem Feld der Sozia-

len Plastik; zentral mithin auch in den ästhetischen Praktiken des vorliegenden

Buchs, die darauf zielen, unsere Fähigkeiten als Agentinnen des Wandels zu stärken,

zu entwickeln und ein wirksames verbindendes Handeln für eine lebensfördernde

Welt zu ermöglichen.

Der andere Flügel

Hildegard Kurt

Ästhetische Praxis in Zeiten des Wandels. Für die Dimension des not-wendigen

Wandels haben Vordenkerinnen und Vordenker aufschlussreiche Namen geprägt.

Ervin Laszlo, Systemphilosoph und Gründer des Club of Budapest, diagnostiziert

D a s T e r r a i n e r k u n d e n

(En)lightening process.

1 Shelley Sacks, Zeich-

nung, 2011.

einen zivilisatorischen »Macroshift«, der gegenwärtig auf seine »Chaosphase«

zusteuere. Die Tiefenökologin Joanna Macy arbeitet in ihren Seminaren mit dem

Begriff des »Großen Wandels«, der für den Übergang von der industriellen Wachs-

tumsgesellschaft hin zu gerechten und ökologischen Gesellschaftsformen steht.

Der französische Soziologe und Philosoph Edgar Morin  – wie Stéphane Hessel,

Autor des Manifests »Empört euch!«, schon in der Résistance im Widerstand aktiv –

schlägt die Denkfigur der »Metamorphose« vor: Wenn ein System, etwa das System

Erde, an einen Punkt gelangt, wo sich die elementaren Probleme nicht mehr inner-

halb der bestehenden Koordinaten lösen lassen, zerfällt es entweder, oder es ist in

der Lage, ein Metasystem zur Lösung der Probleme hervorzubringen: Es metamor-

phosiert. Die wahrscheinliche Variante sei der Verfall. Die unwahrscheinliche, aber

mögliche die der Metamorphose. Die Chance, dass die menschliche Zivilisation

als Ganze eine Metamorphose zum Guten hin bewerkstellige, beziffert Johannes

Heimrath in seinem Buch »Die Post-Kollaps-Gesellschaft« mit 0,01 Prozent. Denn

was jetzt gebraucht werde, sei nichts weniger als ein »Quantensprung in der Evolu-

tion der Menschheit«.16

Angesichts des so deutlichen Schwellencharakters unserer Zeit hat sich bei der

Arbeit an diesem Buch immer wieder das Bild jenes Kanarienvogels eingestellt,

den die Bergleute einst in einem Käfig mit hinab in den Stollen nahmen. Wenn der

Vogel starb, war dies ein Zeichen dafür, dass der Sauerstoff untertage knapp gewor-

den war, man also schleunigst den Stollen verlassen musste. Heute häufen sich die

Anzeichen dafür, dass uns hier auf der Erde »die Luft ausgeht«: Die großen Gleich-

gewichtssysteme – Boden, Wasser, Wald, Klima – sind im Begriff zu kippen. Wo im

Stollen ein Kanarienvogel starb, spielt sich jetzt ein Artensterben ab, das der Biologe

Andreas Weber als »biosphärische Katastrophe«, als »planetarische Krise allerers-

ten Ausmaßes« einstuft.17

Die Bergleute konnten in einem solchen Stadium existenzieller Bedrohung aus

dem Stollen nach oben fliehen. Wo aber sollen wir hin, wenn wir an die biophysi-

schen Grenzen unseres Planeten geraten? Wo könnten wir hin? Gibt es denn für

uns überhaupt noch einen Ort jenseits der »Todeszone« (Joseph Beuys)? Ein Ort, wo

noch Lebendigkeit waltet – oder vielleicht gar neu hervorquellen kann?

Anders gefragt: Könnte es sein, dass in dieser Zeit des »Großen Wandels« eine

große Entdeckung ansteht – oder schon begonnen hat? Eine epochale Öffnung, eine

Entdeckung von Neuland, die in gewisser Weise mit der Entdeckung Amerikas ver-

gleichbar ist, aber noch weitaus bedeutsamer, folgenreicher sein dürfte?

Zur Zeit von Kolumbus gab es  – aus europäischer Sicht  – drei Kontinente:

Europa, Asien und Afrika. Dabei existierte ja der amerikanische Kontinent bereits!

E i n f ü h r u n g

158

159

5 E i n B e w u s s t h e i t s f e l d s c h a f f e n

sie, ebenso wie wir, aufrecht stehen. Sie stellen ein mehr-als-menschliches Gegen-

über für uns dar und winken uns gleichsam heran, indem sie, mit den Bändern der

University of the Trees versehen, Orte schaffen, wo wir der Welt und uns selbst auf

Weisen begegnen, die beispielsweise im Fall von Plankton weniger sichtbar ver-

körpert sind. Aber die University of the Trees wird ebensogut auch an Orten ohne

Bäume arbeiten können. Wenn es keine physischen Bäume gibt, wird der Archetyp

des Baums, der Pflanze  – dieses Wesens mit in die Erde oder in den Meeresgrund

reichenden Wurzeln und zum Licht gereckten Armen – aktiviert. Die University of

the Trees existiert überall auf dem Planeten, wo Menschen bereit sind, zur Besin-

nung zu kommen und sich ihrer Beziehung zu allen anderen Wesen in der Welt

bewusst zu werden. Was auch, indem man eines der Bänder auf die Erde legt oder an

einem Pfosten anbringt, gewürdigt werden kann. In versteppten Regionen wird das

Bild des Baums die zusätzliche Dimension haben, an das zu erinnern, was vielleicht

verlorenging.Der Archetyp der Pflanze ist deshalb so wichtig, weil dieser lebendige grüne

Mantel es den Strahlen der Sonne ermöglicht, in die dichte Erdmaterie einzudrin-

gen. Ohne den grünen Vegetationsmantel trifft die Sonne direkt auf die minerali-

sche Schicht, wobei kein lebendiger Austausch stattfinden kann. Außerdem lädt

der Baum- oder Pflanzenarchetyp an jedem Ort dazu ein, die Gemeinsamkeiten

und Unterschiede zwischen einem Menschen und einer Pflanze zu erkunden. Es

gibt eine wunderbare Zeichnung von Beuys, die den Menschen und eine Pflanze als

umgekehrte Spiegelbilder zeigt!

H. K. Aus dem, was du geschildert hast, ist mir die Verbindung von »Universität«

und »Universum« vor Augen getreten. Liegt darin nicht ein Hinweis auf die eigent-

liche Aufgabe von Universität, nämlich Wissen und Wissensformen zu erforschen

und zu vermitteln, die mit den Prinzipien des lebendigen Universums korrespon-

dieren? Interessanterweise nannten Albert Einstein und Werner Heisenberg das

»einheitliche« Feld auch das »universelle« Feld. Wir haben also das universelle Feld,

Universität und Universum.

S. S. Das entspricht dem, was die Poetin und Geisteswissenschaftlerin Kathleen

Raine über die derzeitigen Universitäten sagte: Weil deren Ziele und Wissensfor-

men nicht integrativ seien, solle man sie besser »Diversitäten« nennen.

In der Tat bewerkstelligt das scheinbar so einfache Anbringen der Bänder genau

diese elementare Verbindung. Einen Baum mit einem solchen Band zu sehen ist

ungemein stark. Es führt zu der Erkenntnis, dass wir da sind, aber auch, dass wir

nicht allein sind! Wir sind auf einem Planeten mit anderen lebenden Wesen, oder,

anders gesagt, an einem Ort, wo wir zu Besinnung kommen können.

5 E i n B e w u s s t h e i t s f e l d s c h a f f e n

Die unterschiedlichen Fähigkeiten von Pflanze, Tier und Mensch.

12 Joseph Beuys, Bleistiftzeichnung für Johannes Stüttgen, 1977.

�158 5 E i n B e w u s s t h e i t s f e l d s c h a f f e n

Die unterschiedlichen Fähigkeiten von Pfl anze, Tier und Mensch.

12 Joseph Beuys, Bleistiftzeichnung für Johannes Stüttgen, 1977.

74

75Wirkliche Freiheit in einem Prozess zu ermöglichen bedeutet ja nicht, die Teil-nehmenden einfach nur sich selbst zu überlassen. Gewiss, letztlich sind sie es selbst, die durch das, was sie gemeinsam tun, den Raum des Erdforums schaffen. Doch macht es einen spürbaren Unterschied, wenn der verantwortliche Teilneh-mende daran arbeitet, sich diesen Raum des Potenzials, in dem das Ganze mehr als die Summe der Teile werden kann, schon vor Beginn vorzustellen und etwas davon zu verkörpern.H. K. Eine Frage, die in dieser Vorbereitung steckt, ist: Kann ich mein Herz aktivie-ren? Ist es möglich, bewusst Liebe in mir zu wecken? Zu jemandem, den ich gar nicht kenne? Gewöhnlich betrachten wir ja Liebe als etwas, das einem geschenkt wird oder widerfährt, also mehr oder weniger ohne eigenes Zutun entsteht. Das Herz aktivieren – was ist das überhaupt? Das Erdforum bietet eine wunderbare Gelegen-heit, in diese Richtung zu experimentieren. S. S. Hat das nicht mit »aktivem Willen« zu tun? Denn dieses innere Annehmen geht aus dem Wunsch und dem Bemühen hervor, anderen wirklich zu begegnen – was bedeutet, ihre Welt zu bewohnen und anzunehmen, ohne sie zu übernehmen! Diese Art »Liebe« zu entwickeln ist richtige Arbeit. Empathie-Arbeit oder »Wärme-arbeit«, wie Beuys es nannte. Man könnte meinen, »Wärmearbeit« handle nur von Gefühlen. Aber das Aufbringen der Energie, sich einem anderen zu öffnen, hat wirk-lich mit dem Willen zu tun. Das ist gleichzeitig ein Energieanstieg. Du hast hervor-gehoben, wie wichtig es sei, ein wirkliches Interesse für jede und jeden Teilnehmen-den zu entwickeln. »Interesse« kommt von lateinisch inter esse, »dazwischen sein«. Das weist auch auf diese Bewegung aus einem selbst heraus zum anderen. Ja, Inte-resse hat viel mit steigender Energie zu tun, die wir Liebe oder auch Eros nennen können. Es ist der Wunsch nach wirklichem Begegnen. H. K. Es ist eine Form der freien Liebe. Bei freier Liebe denken wir gewöhnlich an Sexualität und Partnerwechsel. Hier aber gibt es eine Liebesqualität, die den ande-ren vollkommen frei lässt und sich an seiner Freiheit erfreut. Die daraus entsteht, dass du die Freiheit des anderen siehst und sie dich berührt. Das ist völlig frei von allem Besitzenwollen. Diese Liebe entzündet sich daran, dass du etwas vom Wesen des anderen erleben darfst.S. S. Es ist der Prozess, die Existenz eines anderen anzuerkennen, der anders denkt, sieht und handelt. Hierzu ist es nötig, nicht zu urteilen und Unterschiede anzuneh-men, ohne sie unbedingt im Einzelnen zu akzeptieren. Diese innere Nähe zu ganz verschiedenen Menschen, die sich wie man selbst mit Fragen einer zukunftsfähigen Welt herumschlagen, ist am Ende eines Erdforums oft eine wirkliche Überraschung für die Teilnehmenden.

2 D a s E r d f o r u m

2 D a s E r d f o r u m

3–5 Bewusstheits­instrumente des Erd­forums: die Tasche einer verantwortlichen Teil­nehmenden (3); geöltes Tuch am Ende eines Erd­forum­Prozesses (4); Rückseite der Tasche mit Orten und Daten durch­geführter Erdforen (5).

thinkOyaAm See 1

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Die rote BlumeÄ S T H E T I S C H E P R A X I S I N Z E I T E N D E S W A N D E L S

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im Handel.

ist an und für sich schön und in sich selbst vollendet. Das Lob bildet keinen Bestandteil seines Wesens, und es wird mithin durch dasselbe weder schlechter noch besser. Das Gesagte gilt auch von dem, was man im gemeinen Leben schön heißt, wie z.B. von den Erzeugnissen der Natur und der Kunst: Das wahrhaft Schöne freilich bedarf keiner Zugabe, ebensowenig als das Gesetz, ebensowenig als

die Wahrheit, ebensowenig als das Wohlwollen oder die Bescheidenheit. Wie könnte so etwas durch Lob erst gut oder durch Tadel schlecht werden? Verlieren denn ein Smaragd oder Gold, Elfenbein, Purpur, ein Messer, ein Blümchen, ein Bäumchen etwas von ihrem Werte, wenn sie nicht gelobt werden?Marc Aurel (Wege zu sich selbst)

Alles Schöne, von welcher Art es auch

sein mag,„

weltgewissen

56 FORUM EUROPAHAUS BURGENLAND

Dänemark war Anfang des 20. Jahrhunderts das wich-tigste Filmland in Europa und seine Filmstudios stan-den in direkter Konkurrenz mit Hollywood.

Diese herausragende Stellung konnte zwar nicht gehalten werden, trotzdem ist das filmische Poten­zial in Dänemark auch heute noch bemerkenswert. Weithin bekannt sind Pat und Patachon, Babettes Fest und Pelle der Eroberer, um nur einige Beispiele zu nennen. Nachfolgend werden drei Filme von inter­national bekannten Regisseuren vorgestellt.

La Passion de Jeanne d‘Arc (Die Passion der Jungfrau von Orleans) aus 1928 von Carl Theodor Dreyer

Der Film gilt als Meilenstein der Filmgeschichte und wer ihn gesehen hat, wird sich für immer an das Gesicht der Hauptdarstellerin erinnern. Nicht das Leben der Jeanne d‘Arc wird hier dargestellt, sondern das Überschreiten von der irdischen und endlichen Erfahrungswelt in den transzendenta­len (göttlichen) Raum. Der Film zeigt nur die letzte Stunden – den Gerichtsspruch (gestützt auf authen­tische Gerichtsprotokolle), die Haft, die Folter und die Verbrennung auf dem Scheiterhaufen. Das Gesicht von Jeanne d‘Arc ist ikonenhaft in Nahaufnahme zu sehen, denn Dreyer wollte den Zuschauern ihr See­lenleben (und das Leiden) zeigen. Die Anlehnung an die Passion Christi ist unübersehbar. Jeanne d‘Arc wurde bei lebendigem Leib verbrannt. Gegen Ende des Films kippt die Stimmung und es kommt zu einem Aufruhr, als nach ihrem Tod ein Mann unter den Schaulustigen in Rouen den Machthabern zuruft: „Ihr habt eine Heilige verbrannt“.

Die französische Fassung musste auf Betreiben der Katholischen Kirche um 15 Minuten gekürzt wer­den. In Großbritannien wurde der Film verboten, da die englischen Soldaten sehr negativ dargestellt wer­den. Der Film hat französische Texteinblendungen und kann bei Criterion bestellt werden, bzw. auf You­tube angesehen werden. Eine ausführliche Analyse des Films mit vielen ausdruckstarken Fotos gibt es auf der Website der Filmzentrale: http://www.film­zentrale.com/rezis/jeannemp.pdf.

Auf der TIFF­Liste (the essential 100) der einfluss­reichsten Filme nimmt „La Passion de Jeanne d‘Arc“ den ersten Platz ein.

Breaking the waves aus 1996 von Lars von Trier

Bess, eine junge einfältige Frau, heiratet Jan, der auf eine Ölplattform arbeitet. Nachdem Jan einen Unfall hat und im Rollstuhl sitzt, bietet Bess ihren Körper auf seinen Wunsch hin anderen Männern an und muss ihm nachher erzählen, wie es war. Jan erpresst Bess mit der Begründung, dass die Erzählungen für ihn wie ein Lebenselixier sind, ohne das er nicht leben kann.

Bess ist Mitglied einer fundamentalistischen cal­vinistischen Gemeinde an der Küste von Schottland. Die Menschen leben in einem streng religiösen Kor­sett. Religiöse Gefühle dürfen nicht gezeigt werden und wenn es Bess trotzdem tut, wird dies als peinlich erfahren. Durch ihre Heirat mit Jan und ihr „Fremd­gehen“ wird sie immer mehr zur Persona non grata.

Nachdem sie auf einem Schiff vergewaltigt und schwer verletzt wurde, stirbt Bess. Aufgrund der Inter­vention ihres Großvaters bekommt sie zwar ein kirch­liches Begräbnis, wird jedoch vom Pfarrer verflucht. Aus dem Sarg rieselt Sand, denn Jan hatte mit Hilfe von Freunden eine Seebestattung organisiert.

Bei den Internationalen Filmfestspiele in Cannes bekam der Film 1996 den Großen Preis der Jury.

Hævnen (In einer besseren Welt) aus 2010 von Susanne Bier

Der Film Hævnen spielt abwechselnd in Dänemark und in Afrika und behandelt das Thema Rache bezie­hungsweise Vergebung.

Anton, ein schwedischer Arzt, arbeitet in einem Flüchtlingslager in Darfur (Sudan) und ist dort mit den Folgen eines grausamen Bürgerkriegs konfron­tiert. Ein sadistischer Warlord schneidet schwangere Frauen die Kinder aus dem Leib, und diese Frauen werden dann ins Flüchtlingslager gebracht, wo Anton versucht ihr Leben zu retten. Bei den Kindern im Lager ist der meist fröhliche Anton sehr beliebt.

Zuhause in Dänemark lebt seine geschiedene Frau mit den zwei gemeinsamen Söhnen. Elias, der ältere, wird in der Schule gemobbt und erst als Chris­tian mit seinem verwitweten Vater aus London in ihre

Filmtipps der RedaktionFILMLAND DÄNEMARK

pannonisch | europäisch | kosmopolitisch

NR. 24 – DEZEMBER 2013 57

Gegend zieht, hat er einen Freund. Christian lässt ein beträchtliches Gewaltpotenzial erkennen und setzt dem Mobbing bald ein Ende. Als Anton wieder ein­mal auf Heimaturlaub ist, beobachtet er, wie sein jün­gerer Sohn mit einem Schulkollegen rauft und zieht beide auseinander. Darauf bekommt er vom Vater des anderen Kindes eine verhängnisvolle Ohrfeige …

Zurück im Sudan kommt Big Man, der Warlord, mit einer schweren Beinwunde ins Lager und ver­langt von Anton medizinische Hilfe. Anton stimmt nur unter der Bedingung zu, dass die schwer bewaffnete Begleitung das Lager verlässt. Nachdem es Big Man besser geht, er jedoch keine Reue zeigt, wird er von Anton des Lagers verwiesen. Der unbewachte Warlord wird von seinen Opfern gelyncht.

In Schweden beschließen Elias und Christian den Mann, der Anton geohrfeigt hat, einen Denkzet­tel zu verpassen und bauen eine Rohrbombe, um

sein Auto zu sprengen. Nachdem die Zündung ein­geleitet wurde, tauchen plötzlich zwei Jogger auf, und Elias rennt aus der Deckung um sie zu warnen. In diesem Moment geht die Bombe hoch und Elias wird zu Boden geschleudert. Er überlebt. Christian will ihn besuchen, doch Elias‘ Mutter verweigert ihm den Zutritt und nennt ihn Mörder. Voller Schuldge­fühle will Christian seinem Leben ein Ende setzen und klettert auf einen hohen Silo, um von dort in die Tiefe zu springen. Im letzten Moment kann Anton ihn zurückhalten.

Bei der Oscar­Verleihung 2011 bekam Hæv­nen den Oscar in der Kategorie Bester Fremdspra-chiger Film.

Termine / Vorhaben24. – 26. Februar 2014„DIE INTERNATIONALITÄT PANNONIENS – eine Forschungs­ und Gestaltungsaufgabe“, Semi­nar mit Hildegard Kurt, Berlin

10. März 2014, 19 UhrKOLUMBIEN AM SCHEIDEWEG – EIN LAND ZWISCHEN KRIEG UND FRIEDENBuchpräsentation: Werner Hörtner

31. März 2014DIE GEMEINWOHL­ÖKONOMIE, EIN WIRTSCHAFTSMODELL MIT ZUKUNFT Bibliotheksgespräch: Anja Haider – Wallner

28. April 2014, 19 UhrGLOBALISIERUNG, TECHNIKWAHN UND POSTHUMANISMUSBibliotheksgespräch: Karl Kollmann

26. – 28. Mai 2014„DER HIMMEL ÜBER HAMMARSKJÖLD“ Internationale Tagung. Über Herrschaft, Bildung und Erlösung: Seinsverhältnisse und die Gestaltung des Politischen. Programm in Arbeit

BITTE ENTNEHMEN SIE DIE GENAUEN BEGINN-ZEITEN UND WEITERE DETAILS ZU DEN VERAN-STALTUNGEN: www.europahaus.eu

auf eine technisch manipulierbare Welt reduziert: das ist die Hölle. Dazu sind keine Teufel, hochschlagenden Flam-men und Seen voller brodelndem Pech nötig. Es genügen das Vergessen und die Illusion, die Grenze des Menschen sei nicht das Göttliche, sondern das Greifbare, und der Nährboden seines Geistes sei nicht das Unmögliche, son-dern das überaus langweilige und vernünftige Mögliche.László F. Földényi (Dostojewski liest Hegel in Sibirien und bricht in Tränen aus)

Wenn sich die Ganzheit des Seins,

das kosmische Ganze,„

weltgewissen

58 FORUM EUROPAHAUS BURGENLANDStille– wie wenn lange Bitterkeit in Tränen zer-bricht. Kahle Erde. Im linden Licht der feuchte Glanz weiten Wassers –

Um mich die weichen Wände des Schmelz-eises und der niedere Weltraum mit dem Mal-venschimmer einer sinkenden Wintersonne.

In des Wassers Spiegelwelt – bleiches Oliv gegen Zinn – wiegen sich kahle Erlenzweige im unmerklichen Wellenschlag eines trägen Lufthauchs.

Dag Hammarskjöld (Zeichen am Weg)

Stille

pannonisch | europäisch | kosmopolitisch

WELTGEWISSENwird vom EuropahausBurgenland herausgegeben.

Redaktion: Margarethe van Maldegem

Titelbild: Ulrike Braun

Layout: Rötzer-Druck

Druck:Rötzer-Druck Ges.m.b.H.Joseph-Haydn-Gasse 327000 [email protected]

Auflage:3.000 Stück Anschrift der Redaktion:Europahaus BurgenlandCampus 27000 EisenstadtTelefon: +43 2682 704-5933Telefax: +43 2682 704-5931E-mail: [email protected]: www.europahaus.eu

Redaktions-E-Mail:[email protected]

Redaktionsschluss für das Heft I/2014: 30. April 2014

IMPRESSUM

Europa im Unterricht. Eine neueDimension in der Bildungsarbeit? Dokumentation von Veranstaltungen desEuropahauses in den Jahren 1991-1993.

Eisenstadt, 1994

Haus „mit weiten Augen“ -Europahaus Jahresbericht 1994.

Gestaltet von Margarethe van Maldegem.Eisenstadt, 1995

Lernen und Lehren um 5 vor 2000.Bildungsbemühungen für eine

unmögliche Welt.Sammlung verschiedener Beiträge, Interviews

und Stellungnahmen zu den Themen zuBildungspolitik und -philosophie. Mit Interviews.

Mandelbaum Verlag, Wien 1996, ISBN 3-85476-001-9

Bis hierher und trotzdem weiter - 30 Jahre Europahaus im Burgenland

Festschrift mit Fotos und Interviews.Eisenstadt, 1997

Lehrer(in) sein in Mitteleuropa Dokumentation einer empirischen Untersuchung

in Österreich, Slowenien, Ungarn, Tschechien und der Slowakei.

Autorin: Renate Seebauer.Mandelbaum Verlag, Wien 1997,

ISBN 3-85476-08-6

Europahaus Burgenland Almanach 1998

Jahrbuch zur Arbeit des Europahauses mit literarischen und künstlerischen

Beiträgen und Interviews. Gestaltet von Margarethe van Maldegem.

Eisenstadt, September 1998

Polis Pannonia - Lesarten zur Bildung des Politischen,

Hrsg. Von Hans Göttel.(Europahaus Burgenland Almanach 2000)

Eisenstadt, 2000

Weltverantwortung und BildungEin Lese- und Bilderbuch zur

Jubiläumsakademie 2001 und zu ähnlichenVersammlungen, die Grund zur Freude waren.

Hrsg. von Hans Göttel und Ilse Hirschmann.(Europahaus Burgenland Almanach 2002)

Eisenstadt, 2002

Pannonien - Regionsbildung für dieeuropäische Zivilgesellschaft

Geschichte, Fakten, Strategien, Bilder.Hrsg. von Hans Göttel und Eef Zipper.

Europahaus Burgenland_Dossier, 96 Seiten, Verlag Rötzer, Eisenstadt 2002

Forum Europahaus Burgenland wird vom Europahaus Burgenlandherausgegeben.

Redaktion:Hans Göttel

Titelbild:Anna Tinhof-Zapletal, „Der Pfau“

Korrekturen:Maria Jankoschek

Layout:Barbara Krojer

Druck:Rötzer-Druck Ges.m.b.H.Mattersburger Straße 257000 Eisenstadt

Auflage:1.200 Stück

Anschrift der Redaktion:Europahaus BurgenlandCampus 27000 EisenstadtTelefon: +43 2682 704-5933Telefax: +43 2682 704-5931E-mail: [email protected]: www.europahausburgenland.net

Willkommen im Europahaus Impressum

ImpressumPublikationenMerkwürdige Welten

Bilder- und Lesebuch zu europäischenVersammlungskulturen.Dokumentation einer

Grundtvig-Lernpartnerschaft. 96 Seiten. Verlag Rötzer.

Europahaus Burgenland_Dossier.Eisenstadt 2003

Europahaus BurgenlandAlmanach 2004

Der Geschmack von Nachhaltigkeit in der entwicklungspolitischen Polemik

Ein Lese- und Bilderbuch.In memoriam Ivan Illich

Auswahl der Texte & Fotos: Hans GöttelGestaltung des Bildteils: Ilse Hirschmann

Bestellung frei im Europahaus

Die Demokratische Stimmung von Europa

Wege zu einer atonalen Harmonie?Europahaus Burgenland_Dossier,

80 Seiten, Verlag Rötzer, Eisenstadt 2004

A Fortune for Empowerin Europe –Activating an Educational Fortune by

Citizens Initiatives and Adult EducationForum Europahaus Burgenland Spezial,

48 Seiten, Verlag Rötzer, Eisenstadt 2005

Von Antipolitik bis ZukunftStichwörter zum demokratischen Leben der

Europäischen Union, Forum Europahaus Burgenland Spezial,

76 Seiten, Verlag Rötzer, Eisenstadt 2006

Transnational Democracy in the Making

Handbook on the New Challenge of EuropeanInitiative(s) & Referendum(s) after the

Convention. Report on the project „A participative Union closer to it’s citizens“.

192 Seiten. Hrsg. von Europahaus Burgenland,Initiative & Referendum Institute Europe.

Eisenstadt, 2003

Bürgernähe durch Mitbestimmung Die Potentiale von Initiative und Referendum für

den europäischen Einigungsprozess.Thesenpapier für ein europäisches Projekt.

Broschüre, 32 Seiten.Hrsg. von Europahaus Burgenland und Initiative

& Referendum Institute Europe, Amsterdam

Europahaus Burgenland

Almanach

Europahaus Burgenland

Almanach

ÖSTERREICHISCHE JUNGAR-BEITERBEWEGUNG

Europäische KommissionPartnerschaft mit der

Bürgergesellschaft

EUROPA HAUS BURGENLAND_DOSSIER

Die demokratischeStimmung von Europa – Wege zu einer atonalen Harmonie?

Europa im Unterricht. Eine neueDimension in der Bildungsarbeit? Dokumentation von Veranstaltungen desEuropahauses in den Jahren 1991-1993.

Eisenstadt, 1994

Haus „mit weiten Augen“ -Europahaus Jahresbericht 1994.

Gestaltet von Margarethe van Maldegem.Eisenstadt, 1995

Lernen und Lehren um 5 vor 2000.Bildungsbemühungen für eine

unmögliche Welt.Sammlung verschiedener Beiträge, Interviews

und Stellungnahmen zu den Themen zuBildungspolitik und -philosophie. Mit Interviews.

Mandelbaum Verlag, Wien 1996, ISBN 3-85476-001-9

Bis hierher und trotzdem weiter - 30 Jahre Europahaus im Burgenland

Festschrift mit Fotos und Interviews.Eisenstadt, 1997

Lehrer(in) sein in Mitteleuropa Dokumentation einer empirischen Untersuchung

in Österreich, Slowenien, Ungarn, Tschechien und der Slowakei.

Autorin: Renate Seebauer.Mandelbaum Verlag, Wien 1997,

ISBN 3-85476-08-6

Europahaus Burgenland Almanach 1998

Jahrbuch zur Arbeit des Europahauses mit literarischen und künstlerischen

Beiträgen und Interviews. Gestaltet von Margarethe van Maldegem.

Eisenstadt, September 1998

Polis Pannonia - Lesarten zur Bildung des Politischen,

Hrsg. Von Hans Göttel.(Europahaus Burgenland Almanach 2000)

Eisenstadt, 2000

Weltverantwortung und BildungEin Lese- und Bilderbuch zur

Jubiläumsakademie 2001 und zu ähnlichenVersammlungen, die Grund zur Freude waren.

Hrsg. von Hans Göttel und Ilse Hirschmann.(Europahaus Burgenland Almanach 2002)

Eisenstadt, 2002

Pannonien - Regionsbildung für dieeuropäische Zivilgesellschaft

Geschichte, Fakten, Strategien, Bilder.Hrsg. von Hans Göttel und Eef Zipper.

Europahaus Burgenland_Dossier, 96 Seiten, Verlag Rötzer, Eisenstadt 2002

Forum Europahaus Burgenland wird vom Europahaus Burgenlandherausgegeben.

Redaktion:Hans Göttel

Titelbild:Anna Tinhof-Zapletal, „Der Pfau“

Korrekturen:Maria Jankoschek

Layout:Barbara Krojer

Druck:Rötzer-Druck Ges.m.b.H.Mattersburger Straße 257000 Eisenstadt

Auflage:1.200 Stück

Anschrift der Redaktion:Europahaus BurgenlandCampus 27000 EisenstadtTelefon: +43 2682 704-5933Telefax: +43 2682 704-5931E-mail: [email protected]: www.europahausburgenland.net

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Bilder- und Lesebuch zu europäischenVersammlungskulturen.Dokumentation einer

Grundtvig-Lernpartnerschaft. 96 Seiten. Verlag Rötzer.

Europahaus Burgenland_Dossier.Eisenstadt 2003

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Der Geschmack von Nachhaltigkeit in der entwicklungspolitischen Polemik

Ein Lese- und Bilderbuch.In memoriam Ivan Illich

Auswahl der Texte & Fotos: Hans GöttelGestaltung des Bildteils: Ilse Hirschmann

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Die Demokratische Stimmung von Europa

Wege zu einer atonalen Harmonie?Europahaus Burgenland_Dossier,

80 Seiten, Verlag Rötzer, Eisenstadt 2004

A Fortune for Empowerin Europe –Activating an Educational Fortune by

Citizens Initiatives and Adult EducationForum Europahaus Burgenland Spezial,

48 Seiten, Verlag Rötzer, Eisenstadt 2005

Von Antipolitik bis ZukunftStichwörter zum demokratischen Leben der

Europäischen Union, Forum Europahaus Burgenland Spezial,

76 Seiten, Verlag Rötzer, Eisenstadt 2006

Transnational Democracy in the Making

Handbook on the New Challenge of EuropeanInitiative(s) & Referendum(s) after the

Convention. Report on the project „A participative Union closer to it’s citizens“.

192 Seiten. Hrsg. von Europahaus Burgenland,Initiative & Referendum Institute Europe.

Eisenstadt, 2003

Bürgernähe durch Mitbestimmung Die Potentiale von Initiative und Referendum für

den europäischen Einigungsprozess.Thesenpapier für ein europäisches Projekt.

Broschüre, 32 Seiten.Hrsg. von Europahaus Burgenland und Initiative

& Referendum Institute Europe, Amsterdam

Europahaus Burgenland

Almanach

Europahaus Burgenland

Almanach

ÖSTERREICHISCHE JUNGAR-BEITERBEWEGUNG

Europäische KommissionPartnerschaft mit der

Bürgergesellschaft

EUROPA HAUS BURGENLAND_DOSSIER

Die demokratischeStimmung von Europa – Wege zu einer atonalen Harmonie?

Europa im Unterricht. Eine neueDimension in der Bildungsarbeit? Dokumentation von Veranstaltungen desEuropahauses in den Jahren 1991-1993.

Eisenstadt, 1994

Haus „mit weiten Augen“ -Europahaus Jahresbericht 1994.

Gestaltet von Margarethe van Maldegem.Eisenstadt, 1995

Lernen und Lehren um 5 vor 2000.Bildungsbemühungen für eine

unmögliche Welt.Sammlung verschiedener Beiträge, Interviews

und Stellungnahmen zu den Themen zuBildungspolitik und -philosophie. Mit Interviews.

Mandelbaum Verlag, Wien 1996, ISBN 3-85476-001-9

Bis hierher und trotzdem weiter - 30 Jahre Europahaus im Burgenland

Festschrift mit Fotos und Interviews.Eisenstadt, 1997

Lehrer(in) sein in Mitteleuropa Dokumentation einer empirischen Untersuchung

in Österreich, Slowenien, Ungarn, Tschechien und der Slowakei.

Autorin: Renate Seebauer.Mandelbaum Verlag, Wien 1997,

ISBN 3-85476-08-6

Europahaus Burgenland Almanach 1998

Jahrbuch zur Arbeit des Europahauses mit literarischen und künstlerischen

Beiträgen und Interviews. Gestaltet von Margarethe van Maldegem.

Eisenstadt, September 1998

Polis Pannonia - Lesarten zur Bildung des Politischen,

Hrsg. Von Hans Göttel.(Europahaus Burgenland Almanach 2000)

Eisenstadt, 2000

Weltverantwortung und BildungEin Lese- und Bilderbuch zur

Jubiläumsakademie 2001 und zu ähnlichenVersammlungen, die Grund zur Freude waren.

Hrsg. von Hans Göttel und Ilse Hirschmann.(Europahaus Burgenland Almanach 2002)

Eisenstadt, 2002

Pannonien - Regionsbildung für dieeuropäische Zivilgesellschaft

Geschichte, Fakten, Strategien, Bilder.Hrsg. von Hans Göttel und Eef Zipper.

Europahaus Burgenland_Dossier, 96 Seiten, Verlag Rötzer, Eisenstadt 2002

Forum Europahaus Burgenland wird vom Europahaus Burgenlandherausgegeben.

Redaktion:Hans Göttel

Titelbild:Anna Tinhof-Zapletal, „Der Pfau“

Korrekturen:Maria Jankoschek

Layout:Barbara Krojer

Druck:Rötzer-Druck Ges.m.b.H.Mattersburger Straße 257000 Eisenstadt

Auflage:1.200 Stück

Anschrift der Redaktion:Europahaus BurgenlandCampus 27000 EisenstadtTelefon: +43 2682 704-5933Telefax: +43 2682 704-5931E-mail: [email protected]: www.europahausburgenland.net

Willkommen im Europahaus Impressum

ImpressumPublikationenMerkwürdige Welten

Bilder- und Lesebuch zu europäischenVersammlungskulturen.Dokumentation einer

Grundtvig-Lernpartnerschaft. 96 Seiten. Verlag Rötzer.

Europahaus Burgenland_Dossier.Eisenstadt 2003

Europahaus BurgenlandAlmanach 2004

Der Geschmack von Nachhaltigkeit in der entwicklungspolitischen Polemik

Ein Lese- und Bilderbuch.In memoriam Ivan Illich

Auswahl der Texte & Fotos: Hans GöttelGestaltung des Bildteils: Ilse Hirschmann

Bestellung frei im Europahaus

Die Demokratische Stimmung von Europa

Wege zu einer atonalen Harmonie?Europahaus Burgenland_Dossier,

80 Seiten, Verlag Rötzer, Eisenstadt 2004

A Fortune for Empowerin Europe –Activating an Educational Fortune by

Citizens Initiatives and Adult EducationForum Europahaus Burgenland Spezial,

48 Seiten, Verlag Rötzer, Eisenstadt 2005

Von Antipolitik bis ZukunftStichwörter zum demokratischen Leben der

Europäischen Union, Forum Europahaus Burgenland Spezial,

76 Seiten, Verlag Rötzer, Eisenstadt 2006

Transnational Democracy in the Making

Handbook on the New Challenge of EuropeanInitiative(s) & Referendum(s) after the

Convention. Report on the project „A participative Union closer to it’s citizens“.

192 Seiten. Hrsg. von Europahaus Burgenland,Initiative & Referendum Institute Europe.

Eisenstadt, 2003

Bürgernähe durch Mitbestimmung Die Potentiale von Initiative und Referendum für

den europäischen Einigungsprozess.Thesenpapier für ein europäisches Projekt.

Broschüre, 32 Seiten.Hrsg. von Europahaus Burgenland und Initiative

& Referendum Institute Europe, Amsterdam

Europahaus Burgenland

Almanach

Europahaus Burgenland

Almanach

ÖSTERREICHISCHE JUNGAR-BEITERBEWEGUNG

Europäische KommissionPartnerschaft mit der

Bürgergesellschaft

EUROPA HAUS BURGENLAND_DOSSIER

Die demokratischeStimmung von Europa – Wege zu einer atonalen Harmonie?

Europa im Unterricht. Eine neueDimension in der Bildungsarbeit?Dokumentation von Veranstaltungen desEuropahauses in den Jahren 1991-1993.Eisenstadt, 1994

Haus „mit weiten Augen“ -Europahaus Jahresbericht 1994.Gestaltet von Margarethe van Maldegem.Eisenstadt, 1995

Lernen und Lehren um 5 vor 2000.Bildungsbemühungen für eineunmögliche Welt.Sammlung verschiedener Beiträge, Inter-views und Stellungnahmen zu den Themen zu Bildungspolitik und -philosophie. Mit Interviews.Mandelbaum Verlag, Wien 1996,ISBN 3-85476-001-9

Bis hierher und trotzdem weiter -30 Jahre Europahaus im BurgenlandFestschrift mit Fotos und Interviews.Eisenstadt, 1997

Lehrer(in) sein in MitteleuropaDokumentation einer empirischen Untersu-chung in Österreich, Slowenien, Ungarn,Tschechien und der Slowakei.Autorin: Renate Seebauer.Mandelbaum Verlag, Wien 1997,ISBN 3-85476-08-6

Europahaus BurgenlandAlmanach 1998Jahrbuch zur Arbeit des Europahausesmit literarischen und künstlerischenBeiträgen und Interviews.Gestaltet von Margarethe van Maldegem.Eisenstadt, September 1998

Polis Pannonia - Lesarten zurBildung des Politischen,Hrsg. Von Hans Göttel.(Europahaus Burgenland Almanach 2000)Eisenstadt, 2000

Weltverantwortung und BildungEin Lese- und Bilderbuch zurJubiläumsakademie 2001 und zu ähnlichen Versammlungen, die Grund zur Freude waren. Hrsg. von Hans Göttelund Ilse Hirschmann.(Europahaus Burgenland Almanach 2002)Eisenstadt, 2002

PUBLIKATIONEN

Pannonien - Regionsbildung für dieeuropäische ZivilgesellschaftGeschichte, Fakten, Strategien, Bilder.Hrsg. von Hans Göttel und Eef Zipper.Europahaus Burgenland_Dossier,96 Seiten, Verlag Rötzer, Eisenstadt 2002

Bürgernähe durch MitbestimmungDie Potentiale von Initiative und Referendum für den europäischen Einigungsprozess. Thesenpapier für ein europäisches Projekt. Broschüre, 32 Seiten.Hrsg. von Europahaus Burgenland und Initiative & Referendum Institute, Europe, Amsterdam

Transnational Democracy in the MakingHandbook on the New Challenge of Euro-pean Initiative(s) & Referendum(s) after the Convention. Report on the project „A participative Union closer to it’s citizens“. 192 Seiten. Hrsg. von Europahaus Bur-genland, Initiative & Referendum Institute Europe.Eisenstadt, 2003

Merkwürdige WeltenBilder- und Lesebuch zu europäischen Versammlungskulturen.Dokumentation einer Grundtvig-Lernpartnerschaft. 96 Seiten. Verlag Rötzer. Europahaus Burgenland_Dossier.Eisenstadt 2003

Europahaus BurgenlandAlmanach 2004Der Geschmack von Nachhaltigkeit in der entwicklungspolitischen PolemikEin Lese- und Bilderbuch.In memoriam Ivan IllichAuswahl der Texte & Fotos: Hans GöttelGestaltung des Bildteils: Ilse HirschmannBestellung frei im Europahaus

Die Demokratische Stimmung von EuropaWege zu einer atonalen Harmonie?Europahaus Burgenland_Dossier, 80 Seiten, Verlag Rötzer, Eisenstadt 2004

A Fortune for Empowerin Europe – Acti-vating an Educational Fortune by Citizens Initiatives and Adult EducationForum Europahaus Burgenland Spezial, 48 Seiten, Verlag Rötzer, Eisenstadt 2005

Von Antipolitik bis ZukunftStichwörter zum demokratischen Leben der Europäischen Union, Forum Europahaus Burgenland Spezial, 76 Seiten, Verlag Rötzer, Eisenstadt 2006

Pannonien – Kosmopolitische HeimatEuropahaus Burgenland AlmanachHerausgegeben von Margarethe van MaldegenEisenstadt 2011

weltgewissen

60 FORUM EUROPAHAUS BURGENLAND

Zeichen am Weg

PANNONISCH | EUROPÄISCH | KOSMOPOLITISCH

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P. b. b.Verlagspostamt 7000 Eisenstadt07Z037226M

László F. Földenyi Die paradoxe Logik des Seins

VITALISE

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Gottfried Wagner in Eisenstadt

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