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CAREkonkret 3 Nachrichten Nr. 9 // 27.2.2009 Von Rechtsanwalt Dr. Lutz H. Michel MRICS Trotz der von der Fachöffentlich- keit vehement geforderten Heru- asnahme des Betreuten Wohnens aus dem Regierungsentwurf des Wohn- und Betreuungsvertragsge- setz gibt es nach wie vor gravieren- de Argumente gegen die Ziele und Inhalte des Entwurfes. Hürtgenwald. Lassen sich die Bun- desländer Zeit mit der Entwicklung eigenen Landesheimrechts, so ist der Bund umso schneller bei der Umsetzung seines Ziels, die im bisherigen (Bundes-)Heimgesetz enthaltenen zivilrechtlichen Be- stimmungen zum Vertragsrecht durch Regelungen in einem neu- en Verbraucherschutzgesetz für „Wohn-Betreuungsverhältnisse“ zu ersetzen. Nachdem erst im Herbst 2008 ein Referentenentwurf (RefE) publik wurde, der von rechtlich problematischen und politisch um- strittenen Inhalten nur so strotz- te, hat sich das Bundeskabinett nach Anhörung externer Experten durchgerungen, einen Regierungs- entwurf (RegE) in die Ausschuss- beratungen zu schicken. Dieser wurde zwar punktuell nachgebes- sert, kann aber nach wie vor nicht als Sternstunde deutscher Gesetz- gebung bezeichnet werden. Das Grundproblem liegt darin, dass die Bundesregierung hoch- komplexe Vertragskonstellationen durch ein „Verbraucherschutzge- setz“ regeln will. Dies ist rechts- politisch wie sachlich verfehlt. Es geht nicht (nur) um Verbraucher- schutz, sondern um die juristisch richtige und wirtschaftlich interes- sengerechte Regelung komplexer Leistungskonstellationen. Bered- ter Ausdruck dieser Irrungen und Wirrungen ist, dass der Referen- tenentwurf im Dezember schon mit dem Anwendungsbereich weit über das Ziel hinausgeschossen war. Die dortige Regelung zum Anwendungsbereich, wonach alle Wohn- und Dienstleistungsfor- men für Senioren erfasst waren, ist jetzt im Regierungsentwurf (RegE) nach intensiver Intervention der Fachöffentlichkeit erfreulicherweise nicht mehr enthal- ten. Das WBVG soll nach § 1 Abs. 1 S. 2 RegE nicht gelten, wenn das Wohn- angebot rechtlich oder tatsächlich verbunden wird mit „allgemeinen Betreuungsleis- tungen“. Dies nimmt die Diktion des „alten“ § 1 Abs. 2 HeimG auf, woraus zu folgern ist, dass die all- gemeinen Betreuungsleistungen jedenfalls den Leistungskatalog umfassen, der sich als „Grundleis- tungen“ beispielsweise in der DIN 77800 - Betreutes Wohnen findet. Auf den ersten Blick erscheint positiv, daß § 3 RegE umfängliche vorvertragliche Informationspflich- ten für die Anbieter als Transpa- renzmittel des „Verbraucherschut- zes“, ähnlich denen der DIN 77800 –Betreutes Wohnen, vorsieht. Ver- braucherschutz qua Transparenz ist mit Sicherheit ein „Königsweg“. Fragt sich allerdings, ob eine derart lange, zugleich mitunter aber auch vage Liste wirklich zielführend ist. War § 5 Abs. 2 HeimG sehr knapp, so ist der RegE entschieden zu vo- luminös ausgefallen. Besonders problematisch ist dies wegen des in § 4 RegE vorgesehenen fristlosen Kündigungsrechts des Bewohners im Falle mangelnder Information (Verweis auf § 6 Abs. 2 S. 2 und S. 3). Die Weite der Informationspflich- ten provoziert Rechtsunsicherheit, aber auch Missbrauchsrisiken. Bliebe es dabei, so wäre – ähnlich wie im Versicherungsrecht – zu er- wägen, einen „Informationspflich- tenkatalog“ zu definieren. Angemessen ist auch die am „al- ten“ § 5 Abs. 11 HeimG orientierte Statuierung von Minderungsan- sprüchen bei Leistungsstörungen in § 10 Abs. 1 RegE („kann“) statt einer automatischen Kürzung, wie noch im RefE enthalten, wobei eine Anzeigepflicht des Bewohners be- steht, deren Verletzung derartige Ansprüche ausschließt (§ 10 Abs. 3 RegE). Zu den problematischen Punk- ten gehör nach wie vor, dass beim Tod des Bewohners der Vertrag en- det und die Zahlungspflicht (i.d.R. der Erben) wie schon gem. § 8 Abs. 8 HeimG nach zwei Wochen unter Abzug von Ersparnissen des Trä- gers zu enden hat. Im Mietrecht beträgt die Frist drei Monate. Hier sollte eine Harmonisierung erfol- gen, zumal das WBVG sich ja selbst als „Wohn-Gesetz“ bezeichnet und Wohnformen regelt. Ein „beson- deres“ Mietrecht kann nicht wün- schenswert sein. Ferner fragt sich, warum nicht eine im Interesse des Kunden lie- gende Befristung von Verträgen über die Vorgaben des § 4 Abs. 1RegE (drei Monate) hinaus zulässig sein soll. Sollte dies durch die Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 2, 2. Hs. RegE ermöglicht werden, so stellt sich die Frage der handwerklichen Güte des Gesetzes. Last not least: Die Systematik der Kündigungsrechte in § 11 f. RegE ist nicht nur hochkomplex, son- dern auch nur nach mehrmaligem Lesen (wahrlich nicht verbraucher- freundlich!) nachzuvollziehen. Zu begrüßen ist, dass anders als noch im RefE in § 11 Abs. 1 RegE zu- mindest bei gekoppelten Vertrags- verhältnissen die Teilkündigung eines Vertrags ausgeschlossen ist. Das Sonderkündigungsrecht des Bewohners in § 11 Abs. 2 RegE, binnen zwei Wochen nach Einzug bzw. Vertragsaushändigung wieder „aussteigen“ zu können, ist aller- dings unangemessen. § 12 RegE mit den Kündigungsrechten des Anbie- ters hat noch dieselben Schwächen wie der RefE, insbesondere in Be- zug auf das Unzumutbarkeitskri- terium bei sich verschlechterndem Gesundheitszustand des Bewoh- ners, der ein weiteres Verbleiben in der Einrichtung unmöglich macht (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 RegE). Resumé des ersten Blicks: Es gibt nach wie vor gravierende Argumen- te gegen die Regelungszielsetzung und -inhalte des RegE. Es gibt den Lichtblick, dass die Wohnungs- wirtschaft nicht mehr in die Rolle von Heimbetreibern gezwungen wird. Es gibt die Kritik, dass be- währte heimrechtliche Vorschrif- ten ohne Not geändert worden sind. Bleibt zu hoffen, daß im Zuge der parlamentarischen Beratungen dieser RegE nicht „durchgewun- den“, sondern nachhaltig verbes- sert wird. Wollen wir angemesse- ne Verhältnisse und Qualität beim Wohnen und Leben im Alter, so gilt: Nicht nur Verbraucherschutz, sondern auch angemessene, inter- essengerechte und nachhaltig trag- fähige zivilrechtliche Regelungen tun Not – und zwar für Bewohner wie Anbieter und nicht zuletzt auch für die Pflegekassen. // INFORMATION Der Autor ist als Rechtsanwalt und Chartered Surveyor u.a. Mitglied des wiss. Beirats des DIS Institut für ServiceImmo- bilien sowie stv. Obmann des deutschen Normenausschus- ses, der die DIN 77800 – Be- treutes Wohnen erarbeitet hat. Kommentar zum Regierungsentwurf des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes „Bewährte heimrechtliche Vorschriften ohne Not geändert“ „Die interessens- gerechte Regelung komplexer Leistungs- konstellationen wird vom Gesetz kaum erfasst.“ Dr. Lutz H. Michel // Foto: Archiv Berlin. Das Bundeskabinett hat jetzt das neue Wohn- und Betreu- ungsvertragsgesetz beschlossen. Das vom Bundesseniorenminis- terium vorgelegte Gesetz wird die vertragsrechtlichen Vorschriften des Heimgesetzes ablösen und soll zum 1. September 2009 in Kraft treten. Für die Anwendbar- keit des Gesetzes kommt es nun nicht mehr auf die die Einrich- tungsform an, maßgeblich sind ausschließlich die vertraglichen Vereinbarungen. Das Gesetz gilt für Verträge, die die Überlassung von Wohnraum mit Pflege- oder Betreuungsleistungen verbinden. Ausgenommen sind Verträge, bei denen neben dem Wohnraum all- gemeine Betreuungsleistungen wie die Vermittlung von Pflege- leistungen, Notruf- oder hauswirt- schaftliche Versorgungsdienste angeboten werden. Mit diesem Passus ist der Ge- setzgeber einer zentralen Forde- rung der Wohnungswirtwschaft nachgekommen. Der urspüngli- che Entwurf aus dem Jahr 2008 sah vor, dass künftig selbst nied- rigschwelligste Pflege- und Be- treuungsleistungen wie die bloße Installation eines Hausnotrufssys- tems oder Hausmeisterleistungen ausreichen, um die Anwendung des Gesetzes auszulösen. „Das wäre das Aus auch für bewährte Senioren-Wohnanlagen gewesen, die bisher nicht vom Heimgesetz erfasst wurden. Zudem hätte das Gesetz die politischen Bestrebun- gen, ambulante und vorstationäre Wohnformen beispielsweise auch durch die Einführung eines KfW- Programms ‚Altengerecht Umbau- en’ zum 1. April 2009 zu fördern, ins Leere laufen lassen“, sagte Ale- xander Rychter, Geschäftsführer des BFW Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsun- ternehmen. „Wohnungsunterneh- men sind keine Heimbetreiber. Die Klarstellung, dass das klassi- sche Betreute Wohnen nunmehr von dem Gesetz ausgenommen ist, ist eine gute Entscheidung“, so Rychter weiter. Der BFW ap- pelliert an die Politik, auch bei den noch ausstehenden Landes- heimgesetzen eine klare Abgren- zung des Betreuten Wohnens vom Heimbetrieb sicherzustellen so wie dies beispielsweise in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen schon umgesetzt wurde. Zu den wichtigsten Vorschrif- ten des Gesetzes gehören: Die Verbraucher haben einen Anspruch auf Informationen vor dem Vertragsschluss. Die Unternehmen müssen schrift- lich und leicht verständlich Aus- kunft über Leistungen, Entgelte und das Ergebnis von Qualitäts- prüfungen geben. Die Verträge werden grundsätz- lich auf unbestimmte Zeit und schriftlich abgeschlossen. Für die Kurzzeitpflege kann eine Befristung vereinbart werden. Das vereinbarte Entgelt muss angemessen sein. Erbringt das Unternehmen vertraglich fest- gelegte Leistungen nicht oder nicht wie vereinbart, kann der Verbraucher das Entgelt ent- sprechend kürzen. Bei Änderung des Pflege- oder Betreuungsbedarfs haben die Verbraucher Anspruch auf eine entsprechende Anpassung des Vertrags. In besonderen Fällen können die Vertragsparteien vereinbaren, dass das Unterneh- men von der Anpassungspflicht befreit ist. Eine Kündigung des Vertrags ist für die Unternehmen nur aus wichtigen Gründen möglich. Die Verbraucher können dage- gen den Vertrag jederzeit kurz- fristig kündigen. Eine Übergangsvorschrift stellt sicher, dass die Neuregelung erst sechs Monate nach ihrem Inkraft- treten Anwendung auf Verträge findet, die nach dem bisherigen Heimrecht abgeschlossen wurden. Für andere Altverträge wie zum Bei- spiel Miet- und Dienstverträge im Bereich des Betreuten Wohnens gilt das Gesetz auch zukünftig nicht. // INFORMATION Mehr zum Thema lesen Sie im Beitrag von Dr. Lutz Michel auf dieser Seite Kabinett beschließt Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz Betreutes Wohnen nun doch nicht im Gesetz

Nr. 9 // 27.2.2009 Nachrichten · CAREkonkret 3 Nachrichten Nr. 9 // 27.2.2009 Von Rechtsanwalt Dr. Lutz H. Michel MRICS Trotz der von der Fachöffentlich-keit vehement geforderten

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Page 1: Nr. 9 // 27.2.2009 Nachrichten · CAREkonkret 3 Nachrichten Nr. 9 // 27.2.2009 Von Rechtsanwalt Dr. Lutz H. Michel MRICS Trotz der von der Fachöffentlich-keit vehement geforderten

CAREkonkret 3

Nachrichten

Nr. 9 // 27.2.2009

Von Rechtsanwalt Dr. Lutz H. Michel MRICS

Trotz der von der Fachöffentlich-keit vehement geforderten Heru-asnahme des Betreuten Wohnens aus dem Regierungsentwurf des Wohn- und Betreuungsvertragsge-setz gibt es nach wie vor gravieren-de Argumente gegen die Ziele und Inhalte des Entwurfes.

Hürtgenwald. Lassen sich die Bun-desländer Zeit mit der Entwicklung eigenen Landesheimrechts, so ist der Bund umso schneller bei der Umsetzung seines Ziels, die im bisherigen (Bundes-)Heimgesetz enthaltenen zivilrechtlichen Be-stimmungen zum Vertragsrecht durch Regelungen in einem neu-en Verbraucherschutzgesetz für „Wohn-Betreuungsverhältnisse“ zu ersetzen. Nachdem erst im Herbst 2008 ein Referentenentwurf (RefE) publik wurde, der von rechtlich problematischen und politisch um-strittenen Inhalten nur so strotz-te, hat sich das Bundeskabinett nach Anhörung externer Experten durchgerungen, einen Regierungs-entwurf (RegE) in die Ausschuss-beratungen zu schicken. Dieser wurde zwar punktuell nachgebes-sert, kann aber nach wie vor nicht als Sternstunde deutscher Gesetz-gebung bezeichnet werden.

Das Grundproblem liegt darin, dass die Bundesregierung hoch-komplexe Vertragskonstellationen durch ein „Verbraucherschutzge-setz“ regeln will. Dies ist rechts-politisch wie sachlich verfehlt. Es geht nicht (nur) um Verbraucher-schutz, sondern um die juristisch richtige und wirtschaftlich interes-

sengerechte Regelung komplexer Leistungskonstellationen. Bered-ter Ausdruck dieser Irrungen und Wirrungen ist, dass der Referen-tenentwurf im Dezember schon mit dem Anwendungsbereich weit über das Ziel hinausgeschossen war. Die dortige Regelung zum Anwendungsbereich, wonach alle Wohn- und Dienstleistungsfor-men für Senioren erfasst waren, ist jetzt im Regierungsentwurf (RegE) nach intensiver Intervention der Fachöffentlichkeit erfreulicherweise nicht mehr enthal-ten. Das WBVG soll nach § 1 Abs. 1 S. 2 RegE nicht gelten, wenn das Wohn-angebot rechtlich oder tatsächlich verbunden wird mit „allgemeinen Betreuungsleis-tungen“. Dies nimmt die Diktion des „alten“ § 1 Abs. 2 HeimG auf, woraus zu folgern ist, dass die all-gemeinen Betreuungsleistungen jedenfalls den Leistungskatalog umfassen, der sich als „Grundleis-tungen“ beispielsweise in der DIN 77800 - Betreutes Wohnen findet.

Auf den ersten Blick erscheint positiv, daß § 3 RegE umfängliche vorvertragliche Informationspflich-ten für die Anbieter als Transpa-renzmittel des „Verbraucherschut-zes“, ähnlich denen der DIN 77800 –Betreutes Wohnen, vorsieht. Ver-braucherschutz qua Transparenz ist mit Sicherheit ein „Königsweg“. Fragt sich allerdings, ob eine derart lange, zugleich mitunter aber auch

vage Liste wirklich zielführend ist. War § 5 Abs. 2 HeimG sehr knapp, so ist der RegE entschieden zu vo-luminös ausgefallen. Besonders problematisch ist dies wegen des in § 4 RegE vorgesehenen fristlosen Kündigungsrechts des Bewohners im Falle mangelnder Information (Verweis auf § 6 Abs. 2 S. 2 und S. 3). Die Weite der Informationspflich-ten provoziert Rechtsunsicherheit, aber auch Missbrauchsrisiken.

Bliebe es dabei, so wäre – ähnlich wie im Versicherungsrecht – zu er-wägen, einen „Informationspflich-tenkatalog“ zu definieren.

Angemessen ist auch die am „al-ten“ § 5 Abs. 11 HeimG orientierte Statuierung von Minderungsan-sprüchen bei Leistungsstörungen in § 10 Abs. 1 RegE („kann“) statt einer automatischen Kürzung, wie noch im RefE enthalten, wobei eine Anzeigepflicht des Bewohners be-steht, deren Verletzung derartige Ansprüche ausschließt (§ 10 Abs. 3 RegE).

Zu den problematischen Punk-ten gehör nach wie vor, dass beim Tod des Bewohners der Vertrag en-det und die Zahlungspflicht (i.d.R.

der Erben) wie schon gem. § 8 Abs. 8 HeimG nach zwei Wochen unter Abzug von Ersparnissen des Trä-gers zu enden hat. Im Mietrecht beträgt die Frist drei Monate. Hier sollte eine Harmonisierung erfol-gen, zumal das WBVG sich ja selbst als „Wohn-Gesetz“ bezeichnet und Wohnformen regelt. Ein „beson-deres“ Mietrecht kann nicht wün-schenswert sein.

Ferner fragt sich, warum nicht eine im Interesse des Kunden lie-gende Befristung von Verträgen über die Vorgaben des § 4 Abs. 1RegE (drei Monate) hinaus zulässig sein soll. Sollte dies durch die Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 2, 2. Hs. RegE ermöglicht werden, so stellt

sich die Frage der handwerklichen Güte des Gesetzes.

Last not least: Die Systematik der Kündigungsrechte in § 11 f. RegE ist nicht nur hochkomplex, son-dern auch nur nach mehrmaligem Lesen (wahrlich nicht verbraucher-freundlich!) nachzuvollziehen. Zu begrüßen ist, dass anders als noch im RefE in § 11 Abs. 1 RegE zu-mindest bei gekoppelten Vertrags-verhältnissen die Teilkündigung eines Vertrags ausgeschlossen ist. Das Sonderkündigungsrecht des Bewohners in § 11 Abs. 2 RegE, binnen zwei Wochen nach Einzug bzw. Vertragsaushändigung wieder „aussteigen“ zu können, ist aller-dings unangemessen. § 12 RegE mit

den Kündigungsrechten des Anbie-ters hat noch dieselben Schwächen wie der RefE, insbesondere in Be-zug auf das Unzumutbarkeitskri-terium bei sich verschlechterndem Gesundheitszustand des Bewoh-ners, der ein weiteres Verbleiben in der Einrichtung unmöglich macht (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 RegE).

Resumé des ersten Blicks: Es gibt nach wie vor gravierende Argumen-te gegen die Regelungszielsetzung und -inhalte des RegE. Es gibt den Lichtblick, dass die Wohnungs-wirtschaft nicht mehr in die Rolle von Heimbetreibern gezwungen wird. Es gibt die Kritik, dass be-währte heimrechtliche Vorschrif-ten ohne Not geändert worden sind. Bleibt zu hoffen, daß im Zuge der parlamentarischen Beratungen dieser RegE nicht „durchgewun-den“, sondern nachhaltig verbes-sert wird. Wollen wir angemesse-ne Verhältnisse und Qualität beim Wohnen und Leben im Alter, so gilt: Nicht nur Verbraucherschutz, sondern auch angemessene, inter-essengerechte und nachhaltig trag-fähige zivilrechtliche Regelungen tun Not – und zwar für Bewohner wie Anbieter und nicht zuletzt auch für die Pflegekassen. //

InformatIonDer Autor ist als Rechtsanwalt und Chartered Surveyor u.a. Mitglied des wiss. Beirats des DIS Institut für ServiceImmo-bilien sowie stv. Obmann des deutschen Normenausschus-ses, der die DIN 77800 – Be-treutes Wohnen erarbeitet hat.

Kommentar zum regierungsentwurf des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes

„Bewährte heimrechtliche Vorschriften ohne Not geändert“

„Die interessens-gerechte Regelung

komplexer Leistungs-konstellationen wird

vom Gesetz kaum erfasst.“

Dr. Lutz H. Michel

//Foto: Archiv

Berlin. Das Bundeskabinett hat jetzt das neue Wohn- und Betreu-ungsvertragsgesetz beschlossen. Das vom Bundesseniorenminis-terium vorgelegte Gesetz wird die vertragsrechtlichen Vorschriften des Heimgesetzes ablösen und soll zum 1. September 2009 in Kraft treten. Für die Anwendbar-keit des Gesetzes kommt es nun nicht mehr auf die die Einrich-tungsform an, maßgeblich sind ausschließlich die vertraglichen Vereinbarungen. Das Gesetz gilt für Verträge, die die Überlassung von Wohnraum mit Pflege- oder Betreuungsleistungen verbinden. Ausgenommen sind Verträge, bei denen neben dem Wohnraum all-gemeine Betreuungsleistungen wie die Vermittlung von Pflege-leistungen, Notruf- oder hauswirt-

schaftliche Versorgungsdienste angeboten werden.

Mit diesem Passus ist der Ge-setzgeber einer zentralen Forde-rung der Wohnungswirtwschaft nachgekommen. Der urspüngli-che Entwurf aus dem Jahr 2008 sah vor, dass künftig selbst nied-rigschwelligste Pflege- und Be-treuungsleistungen wie die bloße Installation eines Hausnotrufssys-tems oder Hausmeisterleistungen ausreichen, um die Anwendung des Gesetzes auszulösen. „Das wäre das Aus auch für bewährte Senioren-Wohnanlagen gewesen, die bisher nicht vom Heimgesetz erfasst wurden. Zudem hätte das Gesetz die politischen Bestrebun-gen, ambulante und vorstationäre Wohnformen beispielsweise auch durch die Einführung eines KfW-

Programms ‚Altengerecht Umbau-en’ zum 1. April 2009 zu fördern, ins Leere laufen lassen“, sagte Ale-xander Rychter, Geschäftsführer des BFW Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsun-ternehmen. „Wohnungsunterneh-men sind keine Heimbetreiber. Die Klarstellung, dass das klassi-sche Betreute Wohnen nunmehr von dem Gesetz ausgenommen ist, ist eine gute Entscheidung“, so Rychter weiter. Der BFW ap-pelliert an die Politik, auch bei den noch ausstehenden Landes-heimgesetzen eine klare Abgren-zung des Betreuten Wohnens vom Heimbetrieb sicherzustellen so wie dies beispielsweise in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen schon umgesetzt wurde.

Zu den wichtigsten Vorschrif-ten des Gesetzes gehören:

Die Verbraucher haben einen •Anspruch auf Informationen vor dem Vertragsschluss. Die Unternehmen müssen schrift-lich und leicht verständlich Aus-kunft über Leistungen, Entgelte und das Ergebnis von Qualitäts-prüfungen geben. Die Verträge werden grundsätz-•lich auf unbestimmte Zeit und schriftlich abgeschlossen. Für die Kurzzeitpflege kann eine Befristung vereinbart werden. Das vereinbarte Entgelt muss •angemessen sein. Erbringt das Unternehmen vertraglich fest-gelegte Leistungen nicht oder nicht wie vereinbart, kann der Verbraucher das Entgelt ent-sprechend kürzen. Bei Änderung des Pflege- oder •Betreuungsbedarfs haben die Verbraucher Anspruch auf eine entsprechende Anpassung des

Vertrags. In besonderen Fällen können die Vertragsparteien vereinbaren, dass das Unterneh-men von der Anpassungspflicht befreit ist. Eine Kündigung des Vertrags •ist für die Unternehmen nur aus wichtigen Gründen möglich. Die Verbraucher können dage-gen den Vertrag jederzeit kurz-fristig kündigen. Eine Übergangsvorschrift stellt

sicher, dass die Neuregelung erst sechs Monate nach ihrem Inkraft-treten Anwendung auf Verträge findet, die nach dem bisherigen Heimrecht abgeschlossen wurden. Für andere Altverträge wie zum Bei-spiel Miet- und Dienstverträge im Bereich des Betreuten Wohnens gilt das Gesetz auch zukünftig nicht. //

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Betreutes Wohnen nun doch nicht im Gesetz