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ein Unternehmen von Zugestellt durch Österreichische Post Spezialausgabe zum Bau des Pumpspeicherkraftwerks Obervermuntwerk II Ausgabe 7 / Juli 2017 Obervermuntwerk II Wege des Wassers

Obervermuntwerk II · die Baustelle geliefert und befinden sich schon im Montageprozess bzw. stehen ... niedrig sind die Pegelstände im Winter. Ende Juli wird der Silvrettaspeicher

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ein Unternehmen von

Zugestellt durch Österreichische Post

Spezialausgabe zum Bau des PumpspeicherkraftwerksObervermuntwerk IIAusgabe 7 / Juli 2017

Obervermuntwerk II Wege des Wassers

PROJEKT OBERVERMUNTWERK II

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Editorial

Dipl.-Ing. Helmut Mennel, MBAMitglied des Vorstands

Dr. Christof GermannMitglied des Vorstands

Begleiten Sie uns auf eine ganz besondere Reise!

Dreieinhalb Jahre Bauzeit am zweitgrößten Pumpspeicherkraftwerk der Vorarlberger Illwerke AG sind vorbei. Dabei ist wahrlich Großes entstanden: circa 10 km Stollen und Schächte und mehrere Kavernen wurden ausgebrochen – ca. 1,5 Mio. Tonnen Material aus dem Berg geschafft. Es wurden bis jetzt ca. 250.000 m3 Beton verbaut und ca. 200 km Stahlanker zur Felssicherung eingearbeitet. Mittlerweile laufen der Innenausbau und der Maschinenbau auf Hochtouren.

In dieser Sonderausgabe der Bauzeitung wollen wir das Prinzip eines Pumpspeicher-kraftwerks einmal in seiner Ganzheit betrachten. Dabei gehen wir der Frage nach, wie ein solches Kraftwerk funktioniert. Das tun wir am besten dadurch, dass wir jenem Element auf dem Weg durch das Kraftwerk folgen, das für dessen Funktion essen-ziell ist: dem Wasser. Woher kommt das Wasser für das Obervermuntwerk II? Wel-che Wege legt es zurück, bevor es ins Einzugsgebiet des Kraftwerks – die Speicher Silvretta und Vermunt – gelangt? Diese Fragen wollen wir auf den 12 Seiten beantworten.

Schließlich folgen wir dem kühlen Nass auf „Schritt und Tritt“ hinein durch das Einlaufbauwerk bis zum Einsatz auf den Turbinen und darüber hinaus. Anhand dieser „Wege des Wassers“ haben wir die Möglichkeit, wie gewohnt auch den Baufortschritt in den jeweiligen Abschnitten zu beleuchten. Wir nehmen Sie diesmal mit auf eine ganz besondere Reise und wünschen eine spannende und interessante Tour durch das neue Obervermuntwerk II!

Projektverlauf und aktuelle Impressionen von der Baustelle ...................................................................................................3

Die Reise beginnt ................................................................................................................................................................... 4/5

Durch das Einlaufbauwerk ins Oberwasser .............................................................................................................................. 6

Mit Karacho durch den Silvrettastollen ..................................................................................................................................... 7

Einmal Wasserschloß und retour, bitte! ....................................................................................................................................8

Ab jetzt nur mehr Stahl .............................................................................................................................................................. 9

Jetzt wird Strom produziert ......................................................................................................................................................10

Zurück zur Natur ....................................................................................................................................................................... 11

Inhalt

PROJEKT OBERVERMUNTWERK II

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Kaum zu glauben, dass wir bereits auf dreieinhalb erfolgreiche Baujahre zurück- blicken können. Das Fazit fällt dabei

äußerst positiv aus. Bei einem Projekt dieser Größenordnung war uns von Be-ginn an klar, dass wir auch mit neuen, ungeplanten und vor allem unerwarte-ten Situationen umgehen können müs-sen. Das hat bis zum heutigen Tag sehr gut funktioniert und wir klopfen auf Holz, dass wir auch zukünftige Herausforde-rungen erfolgreich meistern. Wir haben bis heute einige Meilensteine erreicht: Zu nennen sind dabei vor allem das Ende der Rohbauarbeiten in der Krafthauska-verne und der Beginn der maschinellen Hauptmontagearbeiten. Viele wesentli-che Maschinenteile wurden bereits auf die Baustelle geliefert und befinden sich schon im Montageprozess bzw. stehen kurz davor. Darunter z.B. die 4 riesigen

Kugelschieber, Stator- und Rotorzen-tralkörper des ersten Generators sowie verschiedene Pumpen- und Turbinen- komponenten.

Aus Sicht der Projektleitung ist es im-mer wichtig, sowohl den Zeitplan als auch die Kosten im Blick zu haben – und auch hier freuen wir uns, dass wir bei beiden Positionen im Rahmen sind. Mit „wir“ meine ich im Speziellen auch Simon Mark, der mich seit Jahresbe-ginn als stellvertretender Projektleiter maßgeblich unterstützt. Aus der spezi-ellen Perspektive eines Wassertropfens können Sie nun auf den folgenden Sei-ten auch unseren Baufortschritt mitver- folgen.

Aus der Sicht der Projektleitung

OVW II Projektleiter Dipl.-Ing. Gerd Wegeler

Wicklung beim Generator

Aktuelle Impressionen von der Baustelle

Wasserschloss Kugelschieber-Transport

Maschinenkaverne

Silvrettadorf

PROJEKT OBERVERMUNTWERK II

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Die Reise beginnt

Mit 18 Grad sind die Temperaturen für die Seehöhe von über 2.000 Metern hoch und setzen dem Gletscher ordentlich zu. Seit die Illwerke selbst die Entwick-lung des Gletschers aufzeichnen, verliert die Gletscherdecke jedes Jahr rund 1,5 Meter ihrer Mächtigkeit.

Die direkte Sonneneinstrahlung lässt das Eis schmelzen und gibt den Startschuss für einen Wassertropfen auf seinem spannenden Weg durch das Oberver-muntwerk II. Das Pumpspeicherkraft-werk der Vorarlberger Illwerke AG soll ab Ende 2018 wertvolle Spitzen- und Re-gelenergie erzeugen und somit die Ener-giewende in Europa unterstützen. Das Kraftwerk mit einer Leistung von 2 Mal 180 Megawatt im Turbinen- und Pump-betrieb wird nach dem Kopswerk II das zweitgrößte Wasserkraftwerk des Vorarl-berger Energiedienstleisters.

Die Ill entsteht

Der Wassertropfen, dessen Reise wir begleiten, verbündet sich mit weiterem Schmelzwasser und bildet ein kleines Rinnsal, das sich den Weg über den Eis-panzer Richtung Tal bahnt. Rund 6 km² des zukünftigen Wasser-Einzugsgebiets des Obervermuntwerk II sind mit Glet-schern bedeckt – das entspricht 11 Pro-zent des natürlichen Einzugsgebiets von 56,6 km². Das Rinnsal mit unserem Tropfen wird stetig größer. Ab diesem Zeitpunkt gilt das kleine Bächlein als Ur-sprung der Ill und bahnt sich den Weg durch das Ochsental bis zum Silvrettasee.

Ochsentaler Gletscher

Es ist Anfang Juli am südlichsten Punkt in Vorarlberg. Wir befinden uns am Ochsentaler

Gletscher, direkt am Fuße des höchsten Berges des Landes, des Piz Buin.

PROJEKT OBERVERMUNTWERK II

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Silvrettasee

Riesiges Einzugsgebiet

Die Gletscher sind aber bei weitem nicht die einzigen Zuflüsse im Einzugsgebiet des neuen Kraftwerks. Dies erstreckt sich vom höchsten Punkt, dem 3.312 Meter hohen Piz Buin bis zum tiefsten Punkt, der Mauerkrone des Vermuntsees auf rund 1.745 Meter Seehöhe, direkt am Zugangsstollen des Kavernenkraftwerks. Die größten Zuflüsse sind neben der Ill der Klostertalerbach, der direkt in den Silvrettasee mündet sowie der Kromer-bach, der kurz vor dem Vermuntsee in die Ill fließt.

Neben diesem natürlichen Einzugsgebiet wird dem Obervermuntwerk II Wasser über drei Beileitungssysteme zugeführt. Eines dieser Systeme leitet bis zu 5 m³

Wasser pro Sekunde aus dem Tiroler Bieltalbach in den Silvrettasee. Das so genannte wirksame Einzugsgebiet erhöht sich dadurch auf 106,8 km² und entspricht einer Größe von 1.200 Fußballfeldern.

Eigene Wetterstationen

Der Wasserzufluss zu den Fassun-gen und Speichern ist die wesentliche Grundlage für die Energiegewinnung der Illwerke und aus diesem Grund ist es für das Unternehmen besonders wichtig, diesen genau zu kennen. Daher betrei-ben die Illwerke bereits seit ihrem Beste-hen meteorologische und hydrologische Messstationen im Einflussbereich der Anlagen. Dabei spielt auch das Wetter – und vor allem der Niederschlag – eine entscheidende Rolle. Daher gibt es unter

anderem Wetterstationen in Partenen, Vermunt und Obervermunt. So weiß man, dass es in einem durchschnittlichen Jahr im Vermunt rund 1.714 mm Niederschlag gibt und im Bereich Obervermunt kurio-serweise nur 1.119 mm. Besonders gut gefüllt sind die Speicher der Illwerke im Sommer, wenn bei der Schneeschmelze im Frühjahr das als Schnee lange zu-rückgehaltene Wasser in relativ kurzer Zeit zum Abfluss gelangt. Entsprechend niedrig sind die Pegelstände im Winter.

Ende Juli wird der Silvrettaspeicher aus diesem Grund wieder das maxima-le Stauziel erreichen – und auch unser Tropfen ist mittlerweile in dem rund 38,6 Millionen m³ fassenden Stausee ange-langt – bereit für seine Reise durch das Obervermuntwerk II.

Zuflüsse speisen den Silvrettasee

PROJEKT OBERVERMUNTWERK II

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Durch das Einlaufbauwerk ins Oberwasser

2,47 Kilometer überwindet der Wasser-tropfen vom südlichen Ende des Silv-rettasees bis zum Einlaufbauwerk des Obervermuntwerk II. Von der Oberfläche des vollaufgestauten Sees geht es dann 44 Meter in die Tiefe. Erster Kontaktpunkt mit dem neuen Kraftwerk ist der riesige Einlaufrechen. Dieser soll verhindern,

dass gröbere Teile, wie etwa Geschie-be, mit in den Stollen gezogen werden. Aber auch andere Sedimentteilchen sind unerwünscht und sollen lieber draußen bleiben. Dafür sorgt die Form des Ein-laufbauwerks, das sich zum Stollen hin trichterförmig verjüngt. So bleibt die Fließgeschwindigkeit anfangs sehr lang-sam und steigert sich mit jedem Meter, den der Wassertropfen auf die Absper-rorgane im Schützenschacht zufließt. So bleibt die Schleppkraft des Wassers gering und das kühle Nass sauber. Je sauberer, desto besser, denn umso län-ger verrichten die wertvollen Maschinen im Kavernenkrafthaus verlässlich ihren Dienst.

Wettlauf mit der Zeit gewonnen

Erst im Frühjahr dieses Jahres wurde der Silvrettasee für die finalen Arbeiten am Einlaufbauwerk noch einmal entleert. Dabei wurde auch das letzte noch fehlen-de Stück, rund 40 Meter zwischen Schüt-zenschacht und Bauwerk noch ausge-

brochen, betoniert und fertiggestellt. Der Zeitraum bis zur Absenkung war vor allem ein Wettlauf gegen die Zeit, denn hätten die Mitarbeiter der ARGE BAU OVW II den Schützenschacht bis dahin nicht fertiggestellt und die Firma Künz eine von zwei Schützen eingebracht, wäre der ohnehin schon enge Zeitplan ordentlich durcheinander gekommen. Am 22. Dezember wurde bei strahlen-dem Sonnenschein die Decke des Schüt-zenschachtes betoniert – gerade noch rechtzeitig vor dem Wintereinbruch, der einen Transport der Schütze unmöglich gemacht hätte.

Als finale Maßnahme haben die Baufach-leute bei abgesenktem See schließlich die Einlaufrechen angebracht, die mit einer Fläche von 180 m² immerhin zwei schöne 4-Zimmer-Wohnungen bedecken könnten.

Notschlusstaugliche Hindernisse

175,75 Meter sind es exakt, die der Trop-fen vom Einlaufrechen bis zum Schüt-zenschacht zurücklegt. Dort erwartet ihn bereits eines von zwei Hindernissen, die ihm bei Stillstand des Kraftwerks den Zu-tritt zum Silvrettastollen verwehren. Die Rede ist von zwei riesigen Metall-Schüt-zen mit einer Dimension von 5,30 mal 7,30 Metern. Knapp 10 Meter oberhalb der Triebwasserführung beginnt der 40 Meter hohe und mit einem Durchmesser von 10,40 Metern ausgeführte Trocken-schacht, der baulich mittlerweile fertig-gestellt ist. Er wird nun mit Steuerung, Leittechnik und Hydraulik ausgestattet, damit die Schützen dem Wassertropfen den Weg frei geben können. Diese werden dann hydraulisch nach oben gefahren. Die doppelte Ausführung der Schützen ist in erster Linie der Sicherheit ge- schuldet. Sie sorgt allerdings auch dafür, dass die gesamte Oberwasserführung entleert werden kann, sodass die Teams der technischen Instandhaltung trocke-nen Fußes ihre Arbeit verrichten können.

Einlaufbauwerk mit Einlaufrechen – im Hintergrund der leere Silvrettasee

Blick in den Schützenschacht

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Mit Karacho durch den Silvrettastollen

Hat das Wasser die beiden Schützen im Schützenschacht erst einmal erfolgreich passiert, geht es rasant abwärts. Vor-erst einmal mit ca. 4 Meter pro Sekun-de – dafür sorgt das Gefälle von rund 9 Prozent. Für den Tropfen beginnt ein Rei-seabschnitt von 2,8 Kilometern. Das ist die exakte Distanz zwischen dem Schüt-zenschacht und dem Beginn des Druck-schachts. Dabei wäre unser Wassertrop-fen dann im Betriebsfall bei Weitem nicht alleine – der riesige Durchmesser von 6,80 Metern lässt noch sehr viel Platz für die Wassermassen.

Druckstollen beinahe fertig

Auf seiner Tour durch den Silvrettas-tollen überwindet der Tropfen einen beinahe fertiggestellten Kraftwerksab-schnitt. Der gesamte Druckstollen ist mittlerweile fertig ausbetoniert. Ledig-lich im untersten Abschnitt, oberhalb des Druckschachtes, fehlen noch ca. 200 Meter. In 14-Meter-Abschnitten im 24-Stunden-Rhythmus haben die Bauar-beiter die Verbindung vom Silvretta- und Vermuntsee ausgebaut. Zuerst platzier-ten die Experten dazu so genannte Sohl-

tübbinge, also Betonfertigteile, auf ei-ner betonierten Vorsohle. Anschließend wurde der restliche Bereich des Stollens mithilfe eines riesigen Schalwagens aus Stahl abschnittsweise ausbetoniert. Als letzten Schritt dichten die Arbeiter die Betonauskleidung noch mittels einer Zementsuspension ab. Diese wird mit hohem Druck in die dafür vorgesehe-nen Bohrlöcher gepresst. Diese Arbeiten beginnen im Juli und sollen bis Februar 2018 abgeschlossen sein.

Erstmals am Scheideweg

Auf seiner Reise vom Ochsentaler Glet-scher durch das Obervermuntwerk II bis in den Vermuntsee steht der Tropfen nun das erste Mal am Scheideweg: er erreicht den Abzweig zum Druckstollen Obervermunt. Das ist jener Abschnitt, über den zukünftig das bereits beste-hende Obervermuntwerk I gespeist wird. Je nach Betriebszustand der Maschinen der beiden Kraftwerke teilt sich das Was-ser hier auf. Arbeiten beide Werke unter Volllast, fließen 90 Prozent des Wassers zum Obervermuntwerk II und 10 Prozent zweigen zum Obervermuntwerk I ab.

Noch im Oktober dieses Jahres werden die ersten 170 Meter des Stollens zum Obervermuntwerk I mit Beton ausge-kleidet. Im Anschluss daran werden 70 Meter mit Stahl ausgepanzert. Auch diese Arbeiten finden noch 2017 statt. Gleich zu Beginn des neuen Jahres folgt der wichtige Korrosionsschutz, bevor am Ende der Stahlpanzerung mit einem massiven Deckel der weitere Weg zum Obervermuntwerk I erst einmal verwehrt bleibt.

Volle Konzentration aufdas neue Kraftwerk

Der Grund dafür ist, dass die Ingenieure beschlossen haben, sich bei den Arbei-ten zuerst einmal auf das neue Kraft-werk zu konzentrieren. Um den Zeitplan nicht zu gefährden, wollen die Verant-wortlichen das Oberwassersystem näm-lich bereits im März 2018 erstmals mit Wasser füllen. Die restlichen Arbeiten am Obervermuntwerk I – unter ande-rem das Einbringen der aufgeständerten Druckrohrleitung aus Stahlrohren mit einem Durchmesser von 1,80 Metern – ist für 2018 bis 2019 geplant.

Blick in den SilvrettastollenDie Betonauskleidung wird betoniert

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Einmal Wasserschloss und retour, bitte!

Ist das Obervermuntwerk II erst einmal in Betrieb, bewegen sich bis zu 164.000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde mit hoher Geschwindigkeit zwischen den beiden Seen. Werden diese Wassermas-sen beim Umschalten von Turbinen- in Pumpbetrieb, oder umgekehrt, abrupt gestoppt, entstehen unvorstellbar hohe Drücke. Das Wasser braucht eine Mög-lichkeit, ausweichen zu können, ansons-ten würden die Stollen bersten.

Wenn der Druck zu hoch wird

Dazu dient das riesige Wasserschloss, das unser Tropfen nun erreicht. Nach dem Abzweig vom Silvrettastollen war-tet ein 50 Meter langer Verbindungss-tollen, der über eine Stahl-Drossel zum

Schachtfuß des Wasserschlosses führt. Gleich dahinter öffnet sich das Wasser-schloss mit seinen riesigen Dimensio-nen. Wird der Druck zu hoch, schwingt unser Tropfen 300 Meter nach oben auf und dann wahlweise in eine der drei 70 Meter langen, unteren Kammern, oder durch den so genannten „Duschkopf“ in die obere Kammer.

Baulich gesehen ist das Wasserschloss, das in seiner Höhe dem Pariser Eiffel-turm entspricht, mittlerweile fertig ge-stellt. Als letzter Schritt wurde das so ge-nannte Übergangsbauwerk am Ende der oberen Kammer fertigbetoniert. Dieses hat eine besonders wichtige Funktion: Wenn das Wasser in die obere Kammer strömt, werden gleichzeitig enorme Luft-massen verdrängt. Damit diese auswei-chen können, ist das Übergangsbauwerk oben offen, sodass zwar die Wassermas-sen gebrochen und abgefangen werden, die Luft aber entweichen kann. An die Oberfläche kommt diese schließlich über das Portal- und Belüftungsbauwerk, das noch in diesem Jahr am Stollenausgang errichtet wird.

Das Duschkopf-Prinzip

Unser Tropfen ist nun also mit hoher Geschwindigkeit in die obere Kammer gedrückt worden und fließt rasch wieder zurück in den Schachtkopf. Gedrosselt wird die hohe Geschwindigkeit durch das geniale Prinzip des Duschkopfs. Das Wasser fließt hier nämlich nicht einfach durch ein riesiges Loch in die obere Kammer und zurück, sondern wahlwei-se durch eines von 400 kleinen oder ein größeres Loch in der Mitte. So geht es beinahe sanft zurück in den mit 17 Me-tern Durchmesser riesig dimensionier-ten Steigschacht – und dann nach rund 80 Metern mit 6 Meter Durchmesser im-mer noch großzügigen Vertikalschacht zurück in den Verbindungsstollen und auf die ursprüngliche Route durch den Silvrettastollen. Übergangsbauwerk

Obere Kammer des Wasserschlosses

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Ab jetzt nur mehr Stahl

Wieder zurück aus dem Wasserschloss merkt der Tropfen, den wir auf seiner Reise begleiten, recht schnell, dass sich das Umfeld verändert hat. Ab diesem Teilstück fließt das Wasser nämlich nicht mehr in einer Betonauskleidung, son-dern in einem Panzerrohr aus Stahl.

Immer schneller und schneller

Da sich der Durchmesser der Rohre hier verjüngt, steht dem Wasser weniger Platz zur Verfügung. Aus diesem „Gedränge“ resultiert eine höhere Fließgeschwindig-keit. 250 Meter lang hat der Tropfen nun Zeit, bis der nächste baulich interessan-te Abschnitt folgt: der Übergang in einen 150 Meter langen Abschnitt, in dem die Rohre mit 3,5 Zentimeter dickem Stahl wegen des nun hohen Wasserdruckes besonders stabil ausgeführt sind. Das Profil verjüngt sich einmal mehr. 4,50 Meter Durchmesser stehen hier noch zur Verfügung – Druck und Geschwindigkeit steigen weiter. Der Tropfen wird noch einmal mehr beschleunigt und erreicht den Schachtkopfbereich vom Druck-schacht. In diesem Bereich fehlt noch

ein so genanntes Ausbaurohr. Dieses kann – wie der Name bereits sagt – spä-ter ausgebaut werden. Über diese Stelle erfolgt der spätere Zugang für Inspekti-onen oder Sanierungsmaßnahmen. Bis auf diesen kurzen Abschnitt präsentiert sich das Kraftwerk in diesem Bereich aber schon fertig.

Auf der Kippe

Das Erreichen des so genannten Schacht-kopfkrümmers signalisiert dem Tropfen klar, dass nun der Höhepunkt der Reise beginnt. Es geht mit 48 Prozent Gefälle und rasender Geschwin-digkeit durch den rund 100 Meter langen Druckschacht. Am Schachtfuß angelangt, entscheidet sich nun, welche der beiden Maschinen der Tropfen bei der Stromproduktion un-terstützen wird. Je nach Betrieb teilt sich das Wasser zwischen Maschine 1 und Maschine 2 auf. Das aufgrund seiner Op-tik so genannte Hosenrohr ist ein Stahl-rohr mit einem Ein- und zwei Ausgängen. Über die beiden Verteilrohrleitungen geht es dann in die entsprechenden Turbinen-zulaufleitungen.

Der Tropfen fließt in Richtung Maschine 1, die baulich und maschinenbaulich ei-nen leichten Vorsprung aufweist, da die beiden Gewerke leicht zeitversetzt ausge-führt werden. Würde man diese gleichzei-tig fertigstellen, bräuchte man entspre-chend doppelt besetzte Expertenteams.

Knapp vor dem Ziel

An dieser Stelle bereitet sich der Trop-fen bereits intensiv auf die „wilde Ach-terbahnfahrt“ in der Spirale vor – wenn nicht ein letztes Hindernis in Form eines 270 Tonnen schweren Kugelschiebers überwunden werden müsste. Der vier-te von insgesamt vier Kugelschiebern im Bereich der Krafthauskaverne wurde gerade geliefert und bereits an seinen vorgesehenen Platz gehievt. Mit viel Fin-gerspitzengefühl manövrierte der Kran-führer das sperrige Bauteil durch das ver-gleichsweise eng bemessene Krafthaus. Der Turbinenkugelschieber M1 erfüllt die Funktion eines riesigen Wasserhahns und stoppt im Bedarfsfall das Oberwasser in der Turbinenzulaufleitung wenige Meter vor dem Maschinensatz.

Arbeiten am Schachtkopfkrümmer

PROJEKT OBERVERMUNTWERK II

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Jetzt wird Strom produziert!

Der „Wasserhahn“ Turbinenkugelschie-ber M1 ist geöffnet und lässt unseren Tropfen passieren. Mit hoher Geschwin-digkeit verschwindet er in der Turbinen-spirale und fließt anschließend in die Turbine. Selbst hier verjüngt sich der Durchmesser noch einmal signifikant und holt das Optimum in Sachen Ge-schwindigkeit – und damit Druck – aus dem Wasser heraus. Der Tropfen rauscht im Kreis, trifft auf die Turbine und treibt diese zu Höchstleistungen (428 Umdre-hungen/Minute) an. Die Geschwindigkeit wird an die Turbine abgegeben – das Wasser fällt durch die Spirale durch und fließt wieder stark verlangsamt Rich-tung Unterwasserbereich.

Seit Mai läuft derMaschineneinbau

Besichtigt man heute die Baustelle, braucht man schon viel weniger Fan-tasie als vor einigen Wochen, um zu erkennen, was hier innerhalb von nur 4 Jahren gebaut wird. Ausschlagge-bend dafür ist, dass der Maschinenbau bereits damit begonnen hat, die ersten Maschinenteile zu installieren. Dabei gilt es, die einzelnen Schritte möglichst de-tailliert vorauszuplanen, denn vor allem,

wenn es darum geht, die schweren Teile vorzulagern, macht es die richtige Rei-henfolge aus. Besonders deutlich wird der Fortschritt bei der Maschine 1. Hier arbeiten die Experten der Spezialfirmen bereits an der Turbine. Auch der Gene-rator – quasi das Herzstück der Anla-ge – nimmt bereits Form an. Der Stator, der untere, feste Teil des Generators, ist schon installiert. Beinahe fertig sind die Bautrupps mit den Betonarbeiten. Bis auf einzelne Vergussarbeiten, bei-spielsweise rund um die Kugelschieber, konnte man diesen Teil auf der Baua-genda abhaken.

Kraftwerk unter Strom

Einen Meilenstein gibt es aus der Tra-fokaverne zu vermelden. Seit Mitte Juni ist hier eine 20-Kilovolt-Anlage fertig-gestellt und erfolgreich in Betrieb. Das bedeutet, dass das Kraftwerk erstmals in die reguläre Stromversorgung einge-bunden ist. Die Schaltanlage ist bereits jetzt vollständig ferngemeldet, fern-gesteuert und in der Ferne visualisiert und wird vom Illwerke Dispatching im Illwerke Control Center (ICC) in Vand-

ans gesteuert. In den nächsten Wochen und Monaten werden sukzessive weitere Schaltfelder unter Spannung gesetzt.

Gewinn an Versorgungssicherheit

Hand in Hand mit den großen Gewer-ken und beinahe unbemerkt laufen die weiteren Innenausbau-Arbeiten. De-cken, Wände, Fußböden, Stiegen, Türen, Beleuchtungen – die Liste ließe sich noch beinahe endlos ausbauen – wer-den nach und nach installiert und prä-gen entscheidend das Bild des Kaver-nenkraftwerks. Ein prägendes Element ist der neue Kuppeltransformator, der bereits eine von 3 dafür vorgesehenen Nischen in der Trafokaverne füllt. Über die Schaltanlage und den Transformator wird die Verbindung der 20-kV-Ebene mit der 220-kV-Ebene hergestellt, was für das innere Montafon und den Kraft-werkseigenbedarf einen Gewinn an Versorgungssicherheit bedeutet. Als weitere und letztlich für das neue Kraft-werk entscheidende Funktion stellt die 20-kV-Schaltanlage die Einspeisung für die Kraftwerkseigenbedarfsversorgung dar.

Blick in die Kaverne

Transport des Kugelschiebers

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Zurück zur Natur

Der Tropfen hat seine Pflicht getan und sauberen Strom produziert, der nun über die entsprechenden Leitungen ins Tal ab-transportiert wird. Die ersten Kabel dazu sind bereits eingezogen, die Trasse bis auf wenige Restarbeiten fertiggestellt.

Auf seinem Weg nach draußen muss der Tropfen nun noch zwei weitere Absper-rorgane passieren. Das erste ist eine riesige Auslaufschütze, die direkt im Anschluss an die Maschine den Weg zur Abzweigung zum Hauptsammelstollen für das Unterwasser versperrt. Da auch hier wieder hoher Wasserdruck entste-hen kann, ist dieser Abschnitt noch mit Stahl gepanzert. Diese Panzerung ist mittlerweile komplett fertiggestellt. Auch die Injektionen und der Korrosionsschutz sind abgeschlossen.

Hoher Aufwand im Unterwasser

Nach dem Abzweig findet der Trop-fen wieder eine Baustelle vor, denn in dem Bereich, an dem die vier einzelnen

Zu- und Abläufe (je 2 Mal von der Tur-bine und 2 Mal zur Pumpe) zusammen kommen, sind die Baufachleute mit der Betoninnenschalung beschäftigt. Die-se Arbeiten sind aus mehreren Grün-den sehr aufwändig: Einmal, weil die verschiedenen Abzweigungen eine He-rausforderung für den Betonbau dar-stellen und weil die hohen Vorgaben zur Stahlbewehrung zeitintensive Arbeiten bedingen. Bis August sollen aber auch diese Arbeiten abgeschlossen werden können. Danach bleibt als letzte Maß-nahme im September die Abdichtung des Zugangsstollens zum Unterwasser. Hier wird ein Panzerrohr mit einem so genannten „Mannloch“ eingebaut, durch das auch später der Zugang zum Unter-wasser möglich ist.

Ab diesem Bereich geht es für den Trop-fen im Unterwasserstollen 200 Meter lang sogar bergauf. Der Grund für die Steigung ist, dass bei einem umgekehr-ten Betriebszustand – das bedeutet, dass das Wasser wieder in den oberen Spei-

cher gepumpt wird – dieser Wasserdruck für die Pumpen als Vordruck wirken soll. Nach 200 Metern weitet sich der Stollen und das Wasser fließt langsam und ge-mächlich durch das Auslaufbauwerk in den Vermuntsee. Das Ziel der Reise ist erreicht!

Ende Novemberkommt das Wasser

Der Zeitplan für die Fertigstellung des Unterwasser-Bereichs ist sportlich, denn Ende November wollen die Exper-ten rund um Projektleiter Gerd Wegeler das gesamte Unterwasser erstmals mit Wasser füllen. Eine heikle und spannen-de Phase, in der der gesamte Unterwas-ser-, Schützen- und Kavernenbereich genauestens überwacht und kontrolliert wird. Der Zeitraum für diese Probefül-lung ist bewusst gewählt, denn dann bliebe im Winter 2017/2018 noch etwas Zeit, eventuelle Nachbesserungen vorzu-nehmen, ohne dass es zeitkritisch für die Inbetriebnahme wird.

Vermuntsee

Impressum

Herausgeber: Vorarlberger Illwerke AG, Weidachstraße 6, 6900 Bregenz;FN 59202 m LG Feldkirch; Tel: 05574 601-0; www.illwerkevkw.at, Druck: Thurnher Druckerei GmbH, Grundweg 4, 6830 Rankweil;Konzeption, Layout und Redaktion: Vorarlberger Illwerke AG,Fotos: illwerke vkw; Land Vorarlberg; Patrick Säly

Weitere Informationen zumObervermuntwerk II:

Internet: www.obervermuntwerk2.at

E-Mail: [email protected]

Twitter: @Projekt_OVWII, @illwerkevkw

Ing. Hansjörg SchwarzTel.: +43 5574 601 86276E-Mail: [email protected]

Kontakt für Medienanfragen:

Andreas Neuhauser, MBATel.: +43 5574 601 72600E-Mail: [email protected]

Kontakt:

Vorarlberger Illwerke AG Weidachstraße 6, 6900 BregenzTel.: +43 5574 9000

Ökologischer Baubegleiter:

Meilensteine und voraussichtlicher Zeitplan für das Projekt Obervermuntwerk II

9. Juli 2009 Vorarlberger Landtag fixiert Energieautonomie 2050 als langfristiges Ziel

9. März 2011 Beschluss des Vorarlberger Landtags zum Ausbau der Wasserkraft in Vorarlberg

März 2011 Start UVP-Vorverfahren

Oktober 2011 Start UVP-Hauptverfahren

Januar 2014 Baubeschluss

2014 - 2018 Baudurchführung

2018 Inbetriebnahme

2019 Anschluss und Wiederinbetriebnahme des Obervermuntwerk I

2020 Rekultivierungs- und Abschlussarbeiten

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