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Am 4. August 2018 feierte Dr. Manfred Kraus aus Nürnberg seinen 90. Geburtstag. Die Ornitholo- gische Gesellschaft in Bayern e.V. gratuliert ihrem Ehrenmitglied herzlich. Anstelle einer Laudatio lassen wir im Folgenden einige Freunde und Weggefährten mit ihren Geburtstagsgrüßen direkt zu Wort kommen. Wir wünschen unserem Jubilar viel Freude mit diesem bunten Geburtstagsstrauß der Erinnerungen und für die kommenden Jahre noch viel Gesundheit und Freude an der Natur. Lieber Manfred, Du feierst Deinen 90. Geburtstag und kannst da nicht nur auf ein reiches Leben, sondern auch auf ein vielseitiges und gelungenes Werk zurück- blicken. Begonnen hast Du Deine wissenschaft- liche Laufbahn zu Beginn der 50er Jahre des ver- gangenen Jahrhunderts in Erlangen im Zoologi- schen Institut bei Prof. Stammer. Da saßen wir beide hinter unseren Binokularen an den jewei- ligen Doktorarbeiten – Du hinter den Blattwespen, denen Du treu geblieben bist, und ich hinter den Wurzelläusen, die ich später schnöde verlassen habe. Im „Erlanger Zoo“ warst Du damals schon der „Chef-Ornithologe“ und ich erinnere mich gerne an interessante ornithologische Exkursionen mit Dir, vor allem zu den „Moorweihern“, der Weiher- und Sumpfgegend bei Neuhaus an der Aisch, wo vor ca. 165 Jahren schon der ornitholo- gische Altmeister Andreas Johannes Jäckel seine Studien betrieb (und eine böse Malaria-Infektion bekam). Wenn wir an dem Haus, in dem er lebte, vorbeiradelten, zogst Du zum Gruß den Hut. Erinnern kann ich mich auch an eine gemeinsame 166 Ornithol. Anz., 56, 2018 OG persönlich Manfred Kraus zum 90. Geburtstag Dr. Manfred Kraus auf Exkursion im Fränkischen Weihergebiet. Foto: Robert Pfeifer

OG persönlich Manfred Kraus zum 90. Geburtstag · 2018. 8. 31. · Nachdem ich 1966 von Franken nach Nord - deutschland umgezogen bin, ist der Gesprächs - faden zwischen uns abgerissen

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Page 1: OG persönlich Manfred Kraus zum 90. Geburtstag · 2018. 8. 31. · Nachdem ich 1966 von Franken nach Nord - deutschland umgezogen bin, ist der Gesprächs - faden zwischen uns abgerissen

Am 4. August 2018 feierte Dr. Manfred Kraus ausNürnberg seinen 90. Geburtstag. Die Ornitholo -gische Gesellschaft in Bayern e.V. gratuliert ihremEhrenmitglied herzlich. Anstelle einer Laudatiolassen wir im Folgenden einige Freunde undWeggefährten mit ihren Geburtstagsgrüßen direktzu Wort kommen. Wir wünschen unserem Jubilarviel Freude mit diesem bunten Geburtstagsstraußder Erinnerungen und für die kommenden Jahrenoch viel Gesundheit und Freude an der Natur.

Lieber Manfred,

Du feierst Deinen 90. Geburtstag und kannst danicht nur auf ein reiches Leben, sondern auch aufein vielseitiges und gelungenes Werk zurück -blicken. Begonnen hast Du Deine wissenschaft-

liche Laufbahn zu Beginn der 50er Jahre des ver-gangenen Jahrhunderts in Erlangen im Zoologi -schen Institut bei Prof. Stammer. Da saßen wirbeide hinter unseren Binokularen an den jewei-ligen Doktorarbeiten – Du hinter den Blatt wespen,denen Du treu geblieben bist, und ich hinter denWurzelläusen, die ich später schnöde verlassenhabe. Im „Erlanger Zoo“ warst Du damals schonder „Chef-Ornithologe“ und ich erinnere michgerne an interessante ornithologische Exkursionenmit Dir, vor allem zu den „Moorweihern“, derWeiher- und Sumpfgegend bei Neuhaus an derAisch, wo vor ca. 165 Jahren schon der ornitholo-gische Altmeister Andreas Johannes Jäckel seineStudien betrieb (und eine böse Malaria-Infektionbekam). Wenn wir an dem Haus, in dem er lebte,vorbeiradelten, zogst Du zum Gruß den Hut.Erinnern kann ich mich auch an eine gemeinsame

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OG persönlich

Manfred Kraus zum 90. Geburtstag

Dr. Manfred Kraus auf Exkursion im Fränkischen Weihergebiet. Foto: Robert Pfeifer

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Bahnfahrt in den Hers brucker Jura, wo wir –leider vergeblich – einen Uhu suchten und danachunsern Durst nur mit einem warmen und sehrmäßigen Nürnberger Bier löschen konnten.

Ein paar Jahre später waren wir zusammenmitten in den Vogesen im Hotel de la Pépinièreeinquartiert, wo wir uns in den großen Tannen -wäldern im Auftrag des Commonwealth Instituteof Biological Control mit der Parasitoiden-Faunades Tannentriebwicklers befassten. (Darüber gibtes in der Entomophaga 1957 sogar eine Publika -tion von uns beiden.) Da wir für unsere Arbeitund die vielen damit verbundenen Fahrten nurmein Dienstmotorrad zur Verfügung hatten, wardas für Dich auf dem Sozius sicher kein reinesVergnügen, aber abends kredenzte man uns beider Mme Weber einen vorzüglichen elsässischenEdelzwicker.

Dann trennten sich unsere Wege. Doch als Duwieder in einem Zoo, und diesmal als Direktor,tätig warst, hatte ich ein paarmal das Privileg,Dich mit meinen Studenten im Nürnberger Zoolo -gischen Garten aufsuchen zu dürfen. Ich erinneremich noch, wie Du Dich einmal beklagtest, dassdie frisch von Dir aus Südamerika eingeflogenenSeekühe 200 Salatköpfe pro Tag fräßen. Sehrbeeindruckt waren meine Studenten auch, als sieerfuhren, dass Du gelegentlich in der Frühe, bevordie Zoobesucher kamen, in dem ausgedehntenNürnberger Zoologischen Garten mit der Flinte(und nicht nur mit dem Insektennetz) auf Jagdgegangen bist – wo sonst in Deutschland wäredas möglich gewesen!

Ich erfahre, dass Du Ehrenmitglied der Orni -thologischen Gesellschaft in Bayern bist – dasfreut mich und dazu möchte ich Dir ebenso gra-tulieren wie zum 90. Geburtstag. Wenn Du nunDein 91. Lebensjahr beginnst, so wird manchessicher gemächlicher ablaufen (insofern hat unserhohes Alter ja auch seine Vorteile), aber wichtigscheint mir doch neben einem einigermaßenerträglichen Gesundheitszustand vor allem, dassDir die Freude an der Vogelwelt, den Insektenund überhaupt allem Lebendigen erhalten bleibt.Das wünsche ich Dir.

Helmut Zwölfer

Verehrter, lieber Dr. Manfred Kraus,

welche Überraschung, als ich vor 10 Jahren indem 608 Seiten umfassenden Festband derVogelkundlichen Berichte aus Niedersachsen

(Band 40, 2008) zu meinem 70. Geburtstag aucheinen Beitrag gefunden habe, den Sie gemeinsammit Werner Krauß verfasst haben, Titel: DieMeeresenten im „Fränkischen Weihergebiet“.Diese Arbeit hat mich ganz besonders berührt,führte sie mich doch zurück in die Zeit, in derviele meiner ornithologischen Prägungen ihrenAnfang nahmen. Es begann während der Schul -zeit, wo wir, d. h. einige vogelbegeisterte Schülerwie Wolfgang Kortner und Günther Trommer ausdem gewässerarmen Coburger Land, Radtourenwährend der Pfingsttage 1956–1958 von Coburgin das Fränkische Weihergebiet unternahmen.Überwältigend der Eindruck von der Fülle derVogelwelt in einer Landschaft voller Fischteiche,wie wir es von zu Hause nicht kannten. Zu denunvergesslichen Eindrücken gehörten Taucher,Dommeln, Störche, Rallen, Möwen, Rohrsänger,aber auch erste Begegnungen mit Ornithologenvor Ort wie M. Kraus und W. Lischka, für diewir sofort „dazu“ gehörten. Nachhaltig hat sichdarüber hinaus die Gastfreundschaft der Bauern -familie vom „Mohrhof“ eingeprägt, die uns stetsauf dem Dachboden ihres Hofes nächtigen ließund immer wieder mit frischer Milch versorgte. Sohat die Nähe Erlangens zum Fränkischen Weiher -gebiet meine Entscheidung erleichtert, 1959 hiermein Studium zu beginnen. Schon damals wardas Weihergebiet ein Brennpunkt für Vogel -beobachter. Auch wenn meine freie Zeit knappwar, so gehörte es selbstverständlich dazu, zumin-dest während der Zugzeiten am Wochenende dortdraußen dabei zu sein. So sind 1959–1966 235Exkursionen zusammengekommen. Die Diskus -sio nen im Gelände über Beobachtungen, Vogel -stimmen – damals sorgte gerade die neu erschie-nene Rallenstimmenplatte aus Schweden fürkontroverse Dispute –, Schwierigkeiten in derArtbestimmung usw. waren immer eine Bereiche -rung. Gespräche mit Ihnen, lieber Herr Kraus,haben meine Einstellung zu avifaunistischemWirken nachhaltig geprägt. Dazu gehörte dieEinbindung von zahlreichen Mitbeobachternebenso wie die Sorgfalt im Umgang mit denDatensätzen, die Dringlichkeit von Markierungen(Vogelberingung) sowie die Notwendigkeit vonlangfristigen und großräumigen Erfassungen.Kurz nach dem Freitod von W. Lischka, der mirein erfahrener Ratgeber in Fragen der Vogel -beringung war, die ich 1961 im FränkischenWeihe rgebiet begonnen hatte, haben wir uns da -mals lange unterhalten, auch über die Endlichkeitmenschlichen Tuns.

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Nachdem ich 1966 von Franken nach Nord -deutschland umgezogen bin, ist der Gesprächs -faden zwischen uns abgerissen. Sie haben dannan zahlreichen Zusammenstellungen über dieVogelwelt des Fränkischen Weihergebietes bzw.Nordbayerns verantwortlich mitgewirkt unddabei auch die von mir 1966 niedergeschriebenen„Beobachtungsnotizen im Fränkischen Weiher -gebiet bei Höchstadt/Aisch“ einbezogen. Selbsthabe ich nur eine Kurznotiz veröffentlicht: „ZurNahrung der Wasserralle“ (Vogelwelt 91, 1970,S. 30–31). Ihre Arbeiten habe ich immer mit großerBegeisterung gelesen in Erinnerung an die vielenherrlichen Tage und Begegnungen im FränkischenWeihergebiet.

Herwig Zang

Freund Dr. Manfred Kraus wird 90! Wie lange kennen wir uns schon?

Der gemeinsame Freund Peter Conradty brachteuns zusammen mit einer Einladung zu einerGriechenland-Tour. An einer bestimmten Ampelin München habe ich zu stehen! Der VW-Bus kam,es war der 31. Mai 1967, Schiebetür auf: „Das sindManfred Kraus und Erni Bauer: Vertragts euch!“Schiebetür zu – wir fuhren nach Griechenlandund wurden Freunde.

Es folgten gemeinsame Gruppen-Touren.Unvergesslich die VW-Bus Tour im Mai 1972 indie Türkei. Der Bus brach im weichen Untergrundmit allen vier Rädern ein! Es war viel zu tun, bisder Wagen wieder flott war. Dabei hätten wir viellieber den Steppenweihen über uns zugeschaut!

Bei der Persien-Tour 1978 warst Du unge-halten, dass Matthias Fanck und mich die großar-tige Kultur Persiens so in Bann geschlagen hatte,dass wir erst bei anbrechender Dunkelheit einNachtlager suchen konnten. Aber Du fandestdann doch noch einen geeigneten Stellplatz hintereinem Erdwall. Plötzlich flogen Erdbrocken aufuns, was Dich zu dem Ausruf veranlasste: „Weare tourists and not terrorists.“ Mit einer Ein -ladung unsererseits zum gemeinsamen Tee ent-spannte sich die Lage und wir wurden am nächs -ten Tag mit Rosen verabschiedet.

Weitere Reisen folgten, 2000 mit Dr. Suter nachIndien, unvergesslich! Unsere letzte gemeinsameTour, geführt von Manfred Siering 2008 nachTansania, war auch unsere letzte mit Zelt!

Wir hatten wunderbare Erlebnisse und eswar immer ein großer Genuss, wenn Du abends

vorm Zelt aus Deinem reichen Wissensschatzerzählt hast.

Görge Hohlt

Manfred Kraus, der letzteUniversalgelehrte

Mit Manfred verbinden mich zwei Dinge. DasErste ist die legendäre Iran-Reise im Frühjahr 1978,an der außer uns noch Görge Hohlt, Erni Bauer,Peter Titze, Klaus Warncke und Frieder Sauer teil-nahmen. Manfred war der gute Geist der ganzenExpedition – und ein begnadeter Erzähler. Wenner abends am Feuer von seinen Exkursionen mitdem „alten Gauckler“ berichtete („… manchmalhat er uns zu einem Glas Limonade eingeladen“)oder von seinem Notizbuch, das ihm beimVerrichten eines Geschäftes in der Steppe aus derHosentasche gerutscht, kurzfristig „begraben“war und dann mühsam gereinigt werden musste,hingen alle an seinen Lippen und alle Mühen undmancher Streit des Tages waren vergessen.

Ich durfte als Fahrer, Schirrmeister für diezwei nicht ganz zuverlässigen VW-Busse undKoch teilnehmen – eine Aufgabe, die mich gutausfüllte. Wenn ich trotzdem von dieser Reiseeinen enormen naturkundlichen Wissenszuwachsmitbringen konnte, so ist das Manfred zu ver-danken, der seine umfassenden Kenntnisse gerne(mit)teilte. Er wusste alles, schien mir, kannte sichglänzend in der Botanik aus, bei den Säugern undKleinsäugern (die er mit Leidenschaft und Apfel -stückchen fing und ihrer Häute beraubte), in derOrnithologie, bei den kleinen Hymenopteren undden großen Zusammenhängen.

Als wir am Ararat vorbeifuhren (wir legtendie ganze Fahrt bis an die Makran-KüsteBelutschis tans und retour auf eigenen Achsenzurück), saß er im vorderen Bus. Ein großerGreifvogel lag am Straßenrand. Bis wir zumStehen kamen, hatte ihn der zweite Bus schonerreicht und Manfred konstatierte mit Blick inden Rückspiegel trocken: „Aha, wird schon einge-sogen!“ Es war ein We spen bussard, der uns unge-wöhnlich groß vorkam.

Die Grenze zwischen der Türkei und dem Iranbei Dogubayazit war nachts geschlossen. Wirkamen abends an, fuhren an einer kilometerlangenLkw-Schlange vorbei und stellten uns vor dasgroße rostige Tor. Die beiden Busse standen abernicht ganz parallel und in Fahrtrichtung, wasManfred nachdrücklich bemängelte. Wir warenalle ein wenig antiautoritär in dieser Zeit, schon

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v. l.: Klaus Warncke, Matthias Fanck, Frieder Sauer, Manfred Kraus, Görge Hohlt, Peter Titze. Makran-Küste, Belutschistan, Iran 1978. Foto: Ernst Bauer

Manfred Kraus (links) und Peter Titze, Iran 1978. Foto: Matthias Fanck

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leicht verwildert nach der ersten Woche Fahrt,hatten eigentlich keinen Expeditionsleiter gewählt,aber flugs standen die Bullis akkurat vor dem Torzum Paradies. „We are tourists, not terrorists“erklärte er am nächsten Morgen dem Grenz -beamten, der argwöhnisch unsere langen Objek tiveund sonstigen verdächtigen Ausrüstungsgegen -stände untersuchte.

Das Zweite ist meine Zusammenarbeit mitihm, als ich diverse Schilder und Ausstellungs -tafeln für den Nürnberger Tiergarten entwerfenund herstellen durfte. Er war, zusammen mit PeterMühling, ein inhaltlich strenger, gestalterisch abertoleranter und wohlwollender Auftraggeber. DieAufgabe war anspruchsvoll und ich sehr glück-lich, sie angehen und bewältigen zu können. Obich einen „Iran-Bonus“ bei ihm hatte? Wahr -scheinlich.

Ich weiß nicht mehr, ob das Folgende in dieseZeit fiel: Ein Giraffenbulle musste aus irgend-einem Grund in seinem Gehege demobilisiertwerden. Manfred steckte sich die massive Be -täubungsspritze in die Hosentasche, kletterte überdas Gatter und rammte sich beim Absprung dieKanüle in den Oberschenkel. Die Dosis hättelocker gereicht, ihn in die ewigen Jagdgründe zubefördern. Aber irgendwer (vielleicht der Tierarzt,der „junge Gauckler“) stand mit der „Aufwach -spritze“ bereit und konnte sie seinem Chef ver-abreichen. Es war denkbar knapp.

Manfred, Du hast einen festen Logenplatz inmeinem Herzen!

Matthias Fanck

Sammler und Jäger in Franken und in der Welt

Näher kennenlernen durfte ich den Jubilar imMärz 1978 als neu gewählter Schriftführer derOG. Rasch wurde mir klar, dass unter den An -wesenden einer besonders energisch und sach-kundig zu argumentieren verstand: Dr. ManfredKraus. Damals ging es in turbulenten Sitzungenum die Realisierung der Avifauna Bavariae.Manfred Kraus gehörte zu den Hauptbearbeiterndes zweibändigen Werkes.

Mit Manfred Kraus verband mich von Anfangan die Freude an der Naturbeobachtung. Sein rei-cher Erfahrungsschatz, sein Fundus an Arten -wissen, auch in der Botanik, beeindruckte.

Der Sammler: Mit etwa 12 Jahren beginntManfred Kraus seine systematischen Aufzeich -

nungen, die lebenslang fortgesetzt werden.Während des Krieges studiert er Zoologie, Bo -tanik, Geografie und Chemie: alle diese Studien -fächer vereinigt im Fach Ökologie, das großesUniversalwissen voraussetzt und ständig Grenzenzwischen allen Naturwissenschaften überschreitet.Seine Promotion über die Larven von Pflanzen -wespen bekam nach dem Zweiten Weltkrieg eineneue Dimension. Die Schädlingsbekämpfung undPestizidforschung, um den Hunger der Menschenzu mindern oder Forstschädlinge auszuschalten,ernährte auch ihn als jungen Sammler. Bald warsein Wissen Staatsgrenzen überschreitend gefragt,was sich in einem Sammlungs- und Forschungs -auftrag durch das Commonwealth Institute ofBiological Control in den USA niederschlug.

Neben der anstrengenden Arbeit des Zoo -direktors im Nürnberger Tierpark bleibt er wei-terhin „handfester“ Sammler, listet Daten auf undwird Fachmann für Vögel, Kleinsäuger undFledermäuse. Mehrere Tausend Kleintierschädelumfasst diese wissenschaftlich vorbildlich bearbei-tete Sammlung. Seine Informationen über derenBiologie, die Populationsdynamik sind dieGrundlagen für heutige Rote Listen.

Die ganze Fülle seines eigenen Materials hater schon längst in die Hände der ZoologischenStaatssammlung München gelegt. Den Kontaktzu seinen Sammelstücken verliert er nicht,bestimmt Arten, diskutiert Verwandtschaften,korrespondiert und besitzt eine umfassendeKenntnis ihrer Nahrungspflanzen. Zusätzlichwertet und würdigt er Sammlungen von Kollegenoder aus Nachlässen. Das könnte eigentlich fürein Lebenswerk ausreichen, aber Manfred ist auchnoch – Ein Jäger: Mit allen Sinnen beobachten, Spurensuchen, in die Lebensweise der Beute schlüpfen.Die Größe der Tiere ist egal, dabei sind Seekühegenauso wie Erstfänge von winzigen Hymenop -teren. Jäger sein heißt auch mit Fernglas, Käscherund Tele unterwegs sein. Wichtig ist dabei derZustand der Ausrüstung, man benötigt oftLeukoplast in Mengen, wenn es z. B. um den Zu -sam menhalt der Schuhe und des Hosenstoffesgeht. Als Schraubenzieher-Ersatz dient das mit-geführte, höllisch scharfe Jagdmesser, das auchals Honigaufstrichmesser oder bei Kadavern alsSchädelabtrennmesser dienen kann. Auch derRucksack unseres Jägers enthält allerlei überle-benswichtige Utensilien: Regenmantel, Taschen -lampe, Tötungsgläser mit Essigäther oder Zyan -kali, Pinzetten und vielerlei Tüten. Für weniger

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In Marokko 2006. Fotos: Manfred Siering

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belastbare Mitreisende, oft Damen, wurde stetsetwas Süßes bereitgehalten. Das Wichtigste fürihn ist das Tagebuch, in dem akribisch alle Fang -plätze, seit einigen Jahren mit GPS, registriertwerden. Ein Jäger seines Formats verbringt amAbend, nach der Vogelartendiskussion, noch Zeitim Zimmer oder Zelt, sortiert und konserviert dieFülle des Gejagten. Wer glaubt, dass ManfredKraus am nächsten Morgen später aufsteht oderübel gelaunt ist, täuscht sich: unser Jäger hat vordem Frühstück bereits eine Morgenexkursionhinter sich und erscheint bestens aufgelegt undgesprächig unter den Reisekumpanen. Seine Artdes anschaulichen Erzählens ist wohlbekannt.Auch Geschmack und Aroma eines Tieres zuerkennen, selbst wenn es einen leichten „Stich“hat, sichert das Überleben eines Jägers. SeineSelbstironie bei der Darbietung von eigenenMissgeschicken sorgte stets für Heiterkeit.

Ach ja, Manfred Kraus ist auch ein hervorra-gender Ornithologe! Seine Ferndiagnosen sind

legendär, seine Literaturkenntnis ist unübertroffen.Wer unsere Anzeiger-Publikationen durchstöbert,wird häufig auf seinen Namen stoßen. Es ist einbunter Strauß von Vogelarten, die in einem halbenJahrhundert Forschungsobjekt waren, vor allem inFranken.

Ich bin dankbar, die Bodenständigkeit undWeltoffenheit von Manfred Kraus kennengelerntzu haben. Alles Gute!

Manfred Siering

Dr. Manfred Kraus und sein Tiergarten

Kennen Sie den früheren Tiergartendirektor Dr.Manfred Kraus noch, werde ich immer wiedergefragt. Selbstverständlich! Fast dreißig Jahre hater aus dem Ruhestand heraus meine Arbeit imTiergarten der Stadt Nürnberg mitverfolgt undmit seinem unendlichen Fachwissen ständig berei-chert. Fragen nach dem Ornithologen Kraus, dem

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Ornithologen-Treffen in Neuhaus an der Aisch. Vordere Reihe, von rechts nach links: Heinrich Springer,Friedrich Heiser, Irmgard Kroier, Manfred Kraus, Dedda Hohlt, hintere Reihe, von rechts nachlinks: Werner Krauß, Anton Gauckler, eine unbekannte Teilnehmerin, Görge Hohlt, Christian Groß.16. April 2014. Foto: privat

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Fledermauskundler Kraus oder den EntomologenKraus beziehen sich zum Erstaunen vieler Tier -gartenfreunde immer auf denselben Natur -forscher, der von 1960 an in diesem Zoo arbeiteteund ihn von 1970 bis 1990 leitete.

In seiner Amtszeit wurden die ersten wesent-lichen Schritte im Tierbestand hin zur Erhaltungbedrohter Arten vollzogen: Mendesantilopen, So -malische Wildesel, Bartgeier und Harpyien kamenin den Zoo und mit den Delphinen und Seekühenwurde ein Schwerpunkt auf wasserlebende Säug -etiere gelegt, wobei Kraus selbst an einer Fang -aktion von Seekühen in Guyana beteiligt war.

Kraus nutzte die Möglichkeiten, die ihm derZoo bot, für seine vielfältigen Interessen. In denWin termonaten der 1980er Jahre beringte er mitHilfe von engagierten Tierpflegern über 3.000Stock enten, um deren räumliche Ausbreitunganhand von Wiederfunden zu erforschen. Immer -hin gab es zu 12% der Vögel Rückmeldungen,über wiegend durch Bejagung. Die Daten ergabenZugstrecken bis über 2.000 km in nordöstlicherRichtung in Brutgebiete, aber die meisten Vögelließen sich in einer Entfernung von bis zu 200 kmohne bevorzugte Richtung zur Brut nieder.

Die Listen der Wirbeltierarten, die natürlicher-weise im Tiergarten leben, beruhen ebenfalls mitauf den Daten, die Kraus auch dank seiner Wohn -stätte im Zoo ständig ausbauen konnte. Darunterfallen die über 150 Vogelarten, wovon bei über 60Arten ein Brutnachweis im Tiergarten vorliegt – soauch einmal für Zwergschnäpper bei der Stein -bockanlage. Heute gehören mit mehreren Beob -ach tungen und zwei Totfunden in den letzten dreiJahren auch Uhus zu den regelmäßigen Be su chern,wenn auch noch nicht zu den Brut vö geln. ZweiArten kamen „künstlich“ in den Zoo: Aus einerflugunfähigen Kormorankolonie entstand langevor dem massenhaften Zuzug von Wintergästeneine stabile, frei fliegende Kolonie an den Weihernim Tiergarten, die damals begeistert von Ornitho -logen bestaunt wurde. Auch Silber möwen wurdenim Rahmen eines Verfrachtungs versuches be -schafft und bevölkern die Weiher des Tiergartens.

Eine weitere große Leidenschaft von Kraussind die Insekten, besonders die Hymenopterenmit den Symphyta. Mit seinen entomologisch inte-ressierten Freunden konnte er im Tiergarten bisheute weit über 3.000 Arten nachweisen!

Die Tätigkeit als Fledermausforscher bezogsich neben der Feldarbeit auch auf die Auffang -station, die der Tiergarten bis zu einer speziellentierseuchenrechtlichen EU-Zulassung vor 15 Jah -

ren betreuen konnte. Hier wurden aus der fränki-schen Umgebung in den Spätsommern oft meh-rere Hundert Fledermäuse eingeliefert, darunterauch Mückenfledermäuse. Von der Bechstein-Fledermaus, die neben Mittelspecht und Eremitwesentliche Gründe für die Ausweisung des FFH-Gebietes „Tiergarten Nürnberg mit Schmausen -buck“ waren, fehlen aus dem direkten Bereichdes Tiergartens leider aktuelle Nachweise. Wesent -liche Veröffentlichungen zur Artenvielfalt imTiergarten Nürnberg stehen als Download zurVerfügung: https://tiergarten.nuernberg.de/zoo-wissen-co/arten-und-naturschutz/einheimische-artenvielfalt.html.

Die Vermittlung biologischen Wissens brachteKraus mit der Zooschule und dem Naturkunde -haus einen riesigen Schritt vorwärts. Hier wirdneben der Zoopädagogik seit Jahrzehnten deminteressierten Publikum in einer gemeinsamenVortragsreihe von Landesbund für Vogelschutz(LBV), Bund für Umwelt- und NaturschutzDeutschland (BUND), Bund Naturschutz (BN)und Tiergarten ein breit gefächertes Angebotunterbreitet.

Nicht unterschlagen werden darf sein Engage -ment in der Entwicklung der Immobilisation vonWildtieren, wie sie heute nicht nur in Zoos, son-dern im gesamten Bereich des Wildtiermanage -ments und der Wildtierforschung angewandtwird.

Helmut Mägdefrau

Manfred Kraus, der Faunist

Ich begegnete Manfred Kraus erstmals Anfangder 1990er Jahre, als ich als frischgebackenesBeiratsmitglied an meiner ersten Sitzung vonVorstand und Beirat der OG in München teil-nahm. Auf der nächtlichen Rückfahrt im Zug –sein Ziel war Nürnberg, meines Bayreuth – hattenwir zumindest ein Stück weit die gleiche Strecke.Seine Schilderungen der Fränkischen Weiher, alsdort noch Rohrdommeln und Moorenten brü-teten, aus dem Nürnberger Tiergarten und vonden Reisen in alle Welt ließen die Zeit wie im Flugvergehen. Wer Manfred Kraus kennt, weiß, wovonich schreibe. Auch detaillierte Schilderungen zumGeschmack des Fleisches aller möglichen heimi-schen und nichtheimischen Tiere – vom Tiger biszum Biber – fehlten nicht. Als Zoologiestudenthatte er nämlich den Ehrgeiz, möglichst vieleTierarten auch einmal gegessen zu haben. Mit

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dem geplanten Verzehr einer Wanderratte, zu demsich dann doch keiner der Beteiligten überwindenkonnte, nahm diese Versuchsreihe ein jähes Ende.

Bald kamen alljährliche Exkursionen, meistzusammen mit Werner Krauß und einigen wei-teren Weggefährten, dazu. Ich erinnere mich nochgenau, wie wir uns in Biengarten zu unsererersten gemeinsamen Exkursion trafen. Nachwenigen hundert Metern Wegstrecke konnte ichmehr zufällig in einer großen Gruppe Reiherenteneine einzelne Moorente entdecken, welche denanderen entgangen war. Manfreds trockenerKommentar dazu: „Anstatt dem was vorzuführen,werden heute anscheinend wir vorgeführt.“ Nochoft waren wir dann gemeinsam unterwegs, in derDämmerung zu den ersten brütenden Nacht -reihern, zum Limikolenzug, an die Brutplätze derPurpurreiher oder einfach „nur so“. Immergehörte auch eine Einkehr mit köstlichen geba-ckenen Aischgründer Karpfen und einem fränki-

schen Bier – beim „Schmidt“ in Neuhaus oderfrüher auch beim „Walter“ in Poppenwind – mitdazu. Wir haben die Tradition, einmal jährlichgemeinsam an „den Weihern“ unterwegs zu sein,lange durchgehalten. Ich bin dankbar für diesegemeinsamen Exkursionen, deren Erlebnis- undErkenntniswert auch die allmählich nachlassendeHör fähig keit des Teams Kraus & Krauß nichtschmälerte. Die „tsching“-Rufe eines Trupps Bart -meisen, das leise singende Blaukehlchen und denRohrschwirl konnten sie mir trotz der Hör geräteirgendwann nicht mehr bestätigen. Es war dieletzte Exkursion zusammen mit Werner Krauß.

Es würde aber dem Wirken von ManfredKraus nicht gerecht, wenn diese Würdigung nurauf ein paar Anekdoten beschränkt bliebe. Dennes ist charakteristisch für ihn, dass er es nicht nurbeim Beobachten belässt, sondern unentwegt sam-melt, seien es Blattwespen oder ornithologische

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Purpurreiher Ardea purpurea an den Bucher Weihern, 30. April 2015. Foto: Robert Pfeifer

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Beobachtungsdaten. Aus dem ornithologischenDatenschatz der Langzeitbeobachtungen ist einestattliche Reihe von Publikationen, meist im„Ornithologischen Anzeiger“ und zusammen mitWerner Krauß, hervorgegangen. Die Veröffent -lichungen sind Avifaunistik vom Feinsten, die sichnicht nur durch die lange Datenreihe, sondernauch durch sorgfältige Auswertung und Diskus -sion des Materials auszeichnen und auch heutenoch als Vorbild dienen können. Es schließt sichder Kreis zum Werk des Nestors der bayerischenAvifaunistik, Andreas Johannes Jäckel. Zusammenmachen sie das „Fränkische Weiher gebiet“ zueinem der am längsten dokumentierten ornitho-logischen Beobachtungsgebiete Mitteleuropas.

Die Ornithologische Gesellschaft in Bayernverdankt Manfred Kraus viel. Publikationen,Exkursionen und viele wichtige Diskussions -beiträge in unseren Vorstands- und Beiratssitzun -gen. Ich persönlich verdanke ihm nicht nur herr-liche Stunden an „den Weihern“, in Anatolienoder den ukrainischen Steppen, sondern auchetliche anregende Gespräche und Wissen, sei esüber Vögel, Naturschutz oder Tiergärtnerei, ausdenen ich sehr viel gelernt habe. Ich habe aberauch gelernt, dass man Wissenschaft mit einemordentlichen Schuss Humor und Selbst ironiebetreiben kann. Dafür, lieber Manfred, danke ichDir herzlich.

Robert Pfeifer

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Manfred Kraus (rechts) und Werner Krauß (links): 66 Jahre gemeinsame Exkursionen. Bucher Weiher,30. April 2015. Foto: Robert Pfeifer