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Achille Casanova 3011 Bern, Kramgasse 16 Ombudsstelle DRS Tel. 031 311 52 81 Fax. 031 312 64 35 [email protected] Jahresbericht der Ombudsstelle DRS für das Jahr 2010 dem Publikumsrat der SRG idée suisse DEUTSCHWEIZ vorgelegt durch Ombudsmann Achille Casanova, Bern 1. EINLEITUNG Mit dem vorliegenden Jahresbericht lege ich gegenüber dem Publikumsrat der SRG idée suisse DEUTSCHWEIZ wiederum Rechenschaft über meine Tätig- keit als Ombudsmann für das Schweizer Radio DRS und das Schweizer Fern- sehen im Jahr 2010 ab. Im Interesse der besseren Lesbarkeit habe ich wiederum darauf verzichtet, grundlegende Änderungen bezüglich Aufbau und Strukturierung des Berichtes vorzunehmen. Dadurch ist auch die Vergleichsmöglichkeit mit früheren Jah- resberichten gewährleistet. Das ist umso eher zu verantworten, als im Berichtsjahr keine wirklich signifi- kanten Veränderungen gegenüber den Vorjahren zu verzeichnen sind und al- les in den gewohnten Bahnen verlaufen ist. Zudem erachte ich die durch mei- nen Vorgänger Arthur Hänseberger und Otto Schoch entwickelte Form der Be- richterstattung weiterhin als klar, umfassend und transparent. Dabei werde ich versuchen zu berichten, inwieweit es der Ombudsstelle ge- lungen ist, ihre Programmaufsicht so zu gestalten, um „das Publikum vor Ma- nipulation zu schützen und gleichzeitig die Medienfreiheit zu achten“, wie Pro- fessor Roger Blum die Devise der von ihm präsidierten UBI definiert. Gleich- zeitig gilt es meines Erachtens auch im Auge zu behalten, ob die drei Ziele der Ombudsstelle – Vermittlung zwischen Publikum und Radio- und Fernsehma- chern, Beitrag zur Verbesserung der Qualität des Journalismus sowie Vertei- digung der Unabhängigkeit von Radio und Fernsehen vor unzulässigen Beein- flussungsversuchen – erreicht werden konnten.

Ombudsstelle Jahresbericht 2010

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Ombudsstelle Jahresbericht 2010

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Page 1: Ombudsstelle Jahresbericht 2010

Achille Casanova 3011 Bern, Kramgasse 16

Ombudsstelle DRS Tel. 031 311 52 81 Fax. 031 312 64 35

[email protected]

Jahresbericht der Ombudsstelle DRS für das Jahr 2010

dem Publikumsrat der SRG idée suisse DEUTSCHWEIZ vorgelegt durch

Ombudsmann Achille Casanova, Bern

1. EINLEITUNG

Mit dem vorliegenden Jahresbericht lege ich gegenüber dem Publikumsrat der SRG idée suisse DEUTSCHWEIZ wiederum Rechenschaft über meine Tätig-keit als Ombudsmann für das Schweizer Radio DRS und das Schweizer Fern-sehen im Jahr 2010 ab. Im Interesse der besseren Lesbarkeit habe ich wiederum darauf verzichtet, grundlegende Änderungen bezüglich Aufbau und Strukturierung des Berichtes vorzunehmen. Dadurch ist auch die Vergleichsmöglichkeit mit früheren Jah-resberichten gewährleistet. Das ist umso eher zu verantworten, als im Berichtsjahr keine wirklich signifi-kanten Veränderungen gegenüber den Vorjahren zu verzeichnen sind und al-les in den gewohnten Bahnen verlaufen ist. Zudem erachte ich die durch mei-nen Vorgänger Arthur Hänseberger und Otto Schoch entwickelte Form der Be-richterstattung weiterhin als klar, umfassend und transparent. Dabei werde ich versuchen zu berichten, inwieweit es der Ombudsstelle ge-lungen ist, ihre Programmaufsicht so zu gestalten, um „das Publikum vor Ma-nipulation zu schützen und gleichzeitig die Medienfreiheit zu achten“, wie Pro-fessor Roger Blum die Devise der von ihm präsidierten UBI definiert. Gleich-zeitig gilt es meines Erachtens auch im Auge zu behalten, ob die drei Ziele der Ombudsstelle – Vermittlung zwischen Publikum und Radio- und Fernsehma-chern, Beitrag zur Verbesserung der Qualität des Journalismus sowie Vertei-digung der Unabhängigkeit von Radio und Fernsehen vor unzulässigen Beein-flussungsversuchen – erreicht werden konnten.

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2. STATISTISCHES

2.1 Anzahl Beanstandungen

Eingegangene Be-

anstandungen

Vom Vorjahr noch

hängig

Erledigte Bean-

standungen

1992 (9 Monate) 62 - 52

1993 105 10 111

1994 118 4 113

1995 137 9 136

1996 271 10 278

1997 142 3 141

1998 106 4 96

1999 183 14 185

2000 256 12 264

2001 141 4 135

2002 62 10 169

2003 118 3 106

2004 170 15 181

2005 150 5 146

2006 150 12 155

2007 146 7 148

2008 169 5 162

2009 138 13 141

2010 134 10 135

9 Beanstandungen, welche im Monat Dezember eingereicht wurden, konnten aus Zeitgründen oder weil die Stellungnahme der Redaktion noch nicht vor-handen war im Berichtsjahr nicht mehr behandelt werden und waren Ende 2010 noch hängig.

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Anzahl der Beanstandungen in den letzten 13 Jahren

Die nachstehende Grafik zeigt die Inanspruchnahme der Ombudsstelle in den letzten 13 Jahren bildlich.

50

60

70

80

90

100

110

120

130

140

150

160

170

180

190

200

210

220

230

240

250

260

270

280

Anzahl 106 183 256 141 162 118 170 150 150 146 169 138 134

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

Wie aus der Graphik ersichtlich, ist im Jahr 2010 gegenüber dem Vorjahr eine leichte Abnahme der eingereichten Beanstandungen zu verzeichnen (4 Bean-standungen weniger). Wie so oft, muss aber auch diese Statistik mit Vorsicht genossen werden. Analysiert man die nackten Zahlen näher, kommt man zu einem realistische-ren Bild. Berücksichtigt man zum Beispiel, dass in den Jahren 2009 und 2010 keine Serienbeanstandungen zu verzeichnen waren – es waren dagegen nicht weniger als 30 in den Jahren 2002 und 2004 und 20 im Jahr 2008 – kann man für die letzten 10 Jahre durchaus von einer Kontinuität in der Beanspruchung der Ombudsstelle sprechen. Diese Konstanz in der Anzahl der Beanstandun-gen ist eigentlich nicht zu erklären, waren doch sowohl die Sendungen wie auch die Motive der Reklamationen unterschiedlich. Warum im Laufe der letz-ten Jahre stets durchschnittlich alle zwei Tage eine Beanstandung bei der Ombudsstelle eingetroffen ist, muss somit eine offene Frage bleiben.

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Die Tätigkeit der Ombudsstelle beschränkt sich aber nicht darauf, eingegan-gene Beanstandungen zu behandeln. Immer öfters werden Sendungen auch telephonisch angesprochen oder kritisiert. Es gehört zur Vermittlerrolle der Ombudsstelle, diese Anrufe entgegen zu nehmen und auf die geäusserten Einwände offen einzugehen. Durch solche Gespräche ist es meistens möglich, das Anliegen des Publikums zu befriedigen und somit die Einreichung einer formellen Beanstandung zu vermeiden.

2.2 Beanstandungen, auf die nicht eingetreten werden konnte

Wie bereits tabellarisch aufgezeigt wurde, sind im Berichtsjahr 134 neue Be-anstandungen eingereicht worden (Vorjahr 138). Insgesamt konnten 135 Be-anstandungen erledigt werden (10 aus dem Vorjahr). Aus verschiedenen Gründen war es rechtlich nicht möglich, auf 34 Beanstandungen (Vorjahr 33) formell einzutreten. Bei 3 Eingaben fehlte trotz Mahnung die notwendige Post-adresse, 2 Fälle betrafen private Fernsehanstalten und waren somit im Zu-ständigkeitsbereich der Ombudsstelle PTV.

Bei den meisten Beanstandungen, welche formell nicht behandelt werden konnten, handelte es sich nicht um einzelne, klar definierte Sendungen, son-dern um allgemeine Fragen wie Empfangsgebühren, Werbung, Empfangsfra-gen, technische Probleme, SRG-Politik allgemein usw. Die Ombudsstelle hat sich aber bemüht, das Publikum auch in diesen Fällen zu befriedigen, indem 18 solche Eingaben an die zuständigen Stellen von Ra-dio und Fernsehen weitergeleitet wurden, mit der Bitte um eine direkte pas-sende Antwort (was auch erfolgte). In diesem Zusammenhang sind 4 Beanstandungen besonders erwähnens-wert. Sie warfen dem Onlineangebot des Schweizer Fernsehens vor, Zensur zu betreiben. Die Zuständigkeit der Ombudsstellen beschränkt sich aber auf Sendungen, welche Teil eines eigentlichen Radio- und Fernsehprogramms sind. Das kann auch ein Radio- oder Fernsehprogramm im Internet sein. Die erwähnten Beanstandungen betrafen aber Onlineangebote, welche gerade nicht darunter fielen, weil sie keinen Programmcharakter aufwiesen. Da in diesem Bereich eine Gesetzeslücke besteht, hat die SRG in ihren revi-dierten Statuten neu festgelegt, dass die SRG-Ombudsstellen auch Bean-standungen „des übrigen publizistischen Angebots“ behandeln sollen. Diese auf freiwilliger Basis vorgesehene Neuerung betrifft somit Onlineangebote, Te-letext, programmassoziierte Informationen sowie Begleitmaterial zu einzelnen Sendungen. Diese Erweiterung der Zuständigkeit der Ombudsstelle muss nun durch den Publikumsrat mit einer formellen Änderung des Reglements und mit der Regelung der Organisation und des Verfahrens konkretisiert werden, was demnächst erfolgen soll.

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2.3 Motive der Beanstandungen

Vor allem im Interesse einer gewissen Kontinuität halte ich mich mit Bezug auf die Einteilung der Motive, die Anlass zur Einreichung von Beanstandun-gen gegeben haben, nach wie vor an das bereits durch meinen Vorgänger eingeführte Schema. Wie in der Vergangenheit bereits verschiedentlich hingewiesen, ist es überaus schwierig, wenn nicht schier unmöglich, eine wirklich schlüssige und zuverlässige Aufgliederung der eingegangenen Be-anstandungen nach Motiven vorzunehmen, da sich diese häufig überlap-pen. Trotzdem vermittelt diese Einteilung einen gewissen Eindruck der Überlegungen, die der Hörer- und Zuschauerschaft von Radio und Fernse-hen Anlass zur Einreichung einer Beanstandung geben.

1. Unsachgerecht, politisch tendenziös

1996: 33 % 1997: 52 % 1998: 26 % 11999999: 44 % 2000: 53 %

2001: 45 % 2002: 32 % 2003: 55 % 2004: 56,5 % 2005: 42,4 %

2006: 46 % 2007: 33,4 % 2008: 50 % 2009: 44,1 % 2010: 42 %

2. Diffamierung einer Person, Vereinigung, Firma

1996: 18,5 % 1997: 13 % 1998: 17 % 1999: 25 % 2000: 17 %

2001: 16 % 2002: 11 % 2003: 25 % 2004: 16 % 2005: 20,8 %

2006: 16,2 % 2007: 31,5 % 2008: 17,5 % 2009: 21,5 % 2010: 37 %

3. Verletzung religiöser Gefühle

1996: 22 % 1997: 11 % 1998:15 % 1999: 6 % 2000: 6 %

2001: 3 % 2002: 9 % 2003: 1 % 2004: 13 % 2005: 16 %

2006: 8,2 % 2007: 6,3 % 2008: 5 % 2009: 11,7 % 2010: 4 %

4. Sexuell anstössig, unethisch

1996: 18 % 1997: 9 % 1998: 16 % 1999: 13 % 2000: 16 %

2001: 15 % 2002: 12 % 2003: 8,5 % 2004: 2 % 2005: 8%

2006: 1,8 % 2007: 7,2 % 2008: 7 % 2009: 14,7 % 2010: 8 %

5. Gewaltdarstellung

1996: 3,5 % 1997: 3 % 1998: 5 % 1999: 2 % 2000: 1 %

2001: 5 % 2002: 2 % 2003: 4 % 2004: 2 % 2005: 3,2%

2006: 2,7% 2007: 4,5 % 2008: 2 % 2009: 4 % 2010: 1 %

6. Allgemeine Einwände, technische Probleme

1996: 5 % 1997: 12 % 1998: 21 % 1999: 10 % 2000: 7 %

2001: 16 % 2002: 34 % 2003: 6,5 % 2004: 10,5 % 2005: 9,6%

2006: 25,2 % 2007: 17,1 % 2008: 18,5 % 2009: 4 % 2010: 7 %

Auch im Berichtsjahr monieren die meisten Beanstandungen, eine Sendung sei nicht sachgerecht oder würde eine Person, Vereinigung oder Firma diffa-mieren. Beim Begriff Diffamierung wurden teilweise auch Beanstandungen be-rücksichtigt, welche kritisieren, eine Sendung würde eine Partei gegenüber den anderen bevorzugen oder benachteiligen.

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Solche „parteipolitisch“ motivierten Beanstandungen haben im Berichtsjahr tendenziell zugenommen. Dies soll nicht überraschen, spiegelt doch diese Tendenz die zunehmende Polarisierung der Politik in der Schweiz wider. Deutlich abgenommen haben dagegen die anders motivierten Reklamationen. Doch die im Jahr 2010 festgestellten Bewegungen sprengen die in den letzten Jahren durchschnittlichen Werte nicht und ermöglichen somit nicht, konsoli-dierte Schlüsse in Bezug auf die Sendungen von Radio und Fernsehen zu ziehen. In diesem Zusammenhang möchte ich erneut in Erinnerung rufen, dass es beim Sachgerechtigkeitsgebot primär um den Schutz der freien Meinungs-bildung des Publikums geht. Die Ombudsstelle hat dabei die Frage zu beant-worten, ob sich das Publikum aufgrund der vermittelten Fakten und Meinun-gen eine eigene Meinung zum Thema einer Sendung bilden konnte. Wurden wesentliche Informationen nicht erwähnt? Wurde im Beitrag in tendenziöser Weise über einen Sachverhalt berichtet? Dabei ist die Praxis des Bundesge-richtes und der UBI zu berücksichtigen, wonach längst nicht jeder Fehler oder jede Ungenauigkeit eine Rechtsverletzung darstellt. Fehler in Nebenpunkten sind nicht relevant, wenn der Gesamteindruck des Beitrages nicht verfälscht wird.

2.4 Art der Erledigung

Die Ombudsstelle beurteilt in ihren Schlussberichten, ob eine Beanstandung „mehr oder weniger berechtigt“ oder „mehr oder weniger unberechtigt“ ist. Diese eher schematische Aufteilung lässt öfters Schattierungen und Grautöne nicht zu. Umso wichtiger ist es deshalb, im Text der Schlussberichte selber die Argumente für oder gegen die Unterstützung einer Beanstandung deutlich und umfassend zu erwähnen. Als Kriterium für die nicht immer leichte Beurteilung gelten in erster Linie die Bestimmungen des neuen Radio- und Fernsehgesetzes. Es geht vorliegend um die Artikel 4 (Mindestanforderungen an den Programminhalt, insbesondere Sachgerechtigkeit- und Vielfaltgebot) sowie Artikel 5 (Jugendgefährdende Sendungen) sowie auch das für die schweizerischen Programmveranstalter verbindliche internationale Recht. Bei ihren Beurteilungen haben die Ombudsstellen ebenfalls die Praxis von UBI und Bundesgericht zu berücksichtigen sowie auch die Publizistischen Leitli-nien des Schweizer Fernsehens und von Schweizer Radio DRS. Doch gilt es zu unterstreichen, dass die Ombudsstellen keine gerichtliche, sondern viel-mehr eine Vermittlerfunktion ausüben. In dieser Hinsicht verfügen sie über ei-nen grösseren Spielraum als zum Beispiel die UBI, was deren Aufgabe be-sonders interessant macht.

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Es gibt aber einen sehr wichtigen Grundsatz, welche die Ombudsstelle nie aus den Augen verlieren darf: die Freiheit von Radio und Fernsehen. Diese Medi-enfreiheit ist in der Schweiz eine wichtige institutionelle Garantie und wird durch die Bundesverfassung ausdrücklich gewährleistet.

Das Radio- und Fernsehgesetz RTVG zeigt aber auch, dass der Bund diese Freiheit im Bereich der elektronischen Medien reguliert. In anderen Worten, das Gesetz gestaltet diese Freiheit inhaltlich aus. Auch wenn diese Regeln freiheitlich ausgerichtet sind, kann man trotzdem von Schranken der Medien-freiheit sprechen. Dies gilt es für die Ombudsstelle immer zu berücksichtigen, denn es darf nicht sein, dass die Ombudsstelle durch ihre Beurteilungen die Medienfreiheit in unzulässiger Weise begrenzt. Als Teil der Programmaufsicht hat die Ombudsstelle somit mit Mass und Ausgewogenheit zu operieren, damit der Schutz des Publikums vor Manipulationen nicht zur Gefahr für die Medien-freiheit wird. Dass diese Güterabwägung nicht immer leicht zu erreichen ist, liegt auf der Hand. Doch ich nehme für die von mir geleitete Ombudsstelle in Anspruch, stets zu versuchen, diese Gefahr gebührend zu berücksichtigen und die Bedeutung der Medienfreiheit immer wieder zu betonen und in Erinne-rung zu rufen. Dies vorgemerkt, wurden im Jahr 2010 die behandelten Fälle im Vergleich zu den früheren Jahren wie folgt aufgeteilt: Mehr oder weniger berechtigte Beanstandungen:

1996: 25 % 1997: 43 % 1998: 29 % 1999: 29 % 2000: 30 %

2001: 30 % 2002: 34 % 2003: 37 % 2004: 35 % 2005: 43 %

2006: 24 % 2007: 25 % 2008: 19 % 2009: 18 % 2010: 16 %

Mehr oder weniger unberechtigte Beanstandungen:

1996: 75 % 1997: 57 % 1998: 71 % 1999: 71 % 2000: 70 %

2001: 70 % 2002: 66 % 2003: 63 % 2004: 65 % 2005: 57 %

2006: 76 % 2007: 75 % 2008: 81 % 2009: 82 % 2010: 84 %

Im Vergleich zum Durchschnitt der früheren Jahre hat die Anzahl der als „mehr oder weniger berechtigt“ beurteilten Fällen im Berichtsjahr wieder abge-nommen. Können daraus irgendwelche Schlussfolgerung in Bezug auf die Qualität der Programme gezogen werden? Ich glaube es nicht. Dies umso mehr, als nicht selten auch bei nicht unterstützen Beanstandungen einzelne journalistische Fehlleistungen festgestellt wurden. Diese wurden aber als nicht relevant genug beurteilt, um darin eine Verletzung der geltenden Programm-bestimmungen anzusehen. Ich kann mit Befriedigung feststellen, dass diese kritischen Bemerkungen der Ombudsstelle meistens akzeptiert und öfters als Anlass für entsprechende re-daktionsinterne Kritikbesprechungen wahrgenommen wurden. Die Überlegun-gen der Ombudsstelle fliessen somit in die Arbeit der Journalistinnen und Journalisten ein und erweisen sich möglicherweise als nützlich, um die Quali-tät des Journalismus zu verbessern.

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Diese positive Feststellung betrifft auch die Reaktion des Publikums. Sogar wenn eine Beanstandung als „unberechtigt“ beurteilt wird, erhalte ich öfters ein Dankesschreiben dafür, dass die geäusserte Kritik ernst genommen und ver-tieft geprüft wurde. Dies erachte ich als wichtig, will doch die Ombudsstelle ih-re Aufgabe als Vermittler erfüllen.

2.5 Einteilung der Beanstandungen nach Radio und Fernsehen

Von den 101 materiell behandelten Beanstandungen betrafen 17 (Vorjahr 18) das Schweizer Radio DRS und 84 (Vorjahr 87) das Schweizer Fern-sehen.

2.5.1 Beanstandete Sendungen von SR DRS

Bei den insgesamt 17 Reklamationen betreffend sämtliche Programme des Schweizer Radio DRS ging es im Einzelnen um folgende Sendungen:

Anzahl Beanstandungen

- Nachrichten allgemein 6 - Heute Morgen 2

Je eine Beanstandung für folgende Sendungen: Blickpunkt Religion, Aktuell, Input, Pirando, Presseschau, Treffpunkt, Spasspartout, Zweierleier, sowie Je-der Rappen zählt.

2.5.2 Beanstandete Sendungen des Schweizer Fernsehens Die insgesamt 84 materiell behandelten Reklamationen betrafen folgende Sendungen des Schweizer Fernsehens (SF 1, SF 2):

Anzahl Beanstandungen

- Tagesschau 14 - 10vor10 10 - Tagesschau und 10vor10 5 - Kassensturz 10 - Rundschau 5 - Schweiz aktuell 5 - Giacobbo/Müller 5 - Club 3 - DOK 3 - Kulturplatz 2 - Fussball WM 2 - Edelmais & co 2

Je eine Beanstandung für Aeschbacher, Arena, Deal or No Deal, Glanz & Gloria, Handyman, Climagate, Männer wie wir, Meteo, Netz Natur, Repor-ter, Road Trip, SF by de Lüt, So gut wie Tod, Sternstunde Philosophie, Un-sere Helden, Untertitel Meteo, Wahlbarometer sowie Jeder Rappen zählt.

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Aus der Statistik geht hervor, dass auch im Berichtsjahr vor allem Informati-onssendungen beanstandet wurden. Dies überrascht nicht, wenn man berück-sichtigt, dass meistens eine Verletzung des Sachgerechtigkeits- oder Vielfalt-gebots kritisiert wurde. Besonders sensibel reagiert das Publikum auf Sendungen, welche im Vorfeld einer Volksabstimmung ausgestrahlt wurden. Auch wenn sämtliche Beanstan-dungen auf diesem Gebiet als unberechtigt beurteilt wurden, erfolgt diese Auf-merksamkeit zu Recht. Denn im Vorfeld von Volksabstimmungen gelten be-sondere Sorgfaltspflichten, damit die freie Meinungsbildung der Stimmenden nicht in Frage gestellt werden kann. In diesem Zusammenhang hatte die Ombudsstelle verschiedene Beanstan-dungen betreffend Meinungsumfragen im Vorfeld von Volksabstimmungen zu beurteilen. Nebst dem Statistikprofessor, welcher sich seit Jahren als regel-mässiger „Kunde“ von Ombudsstelle und UBI profiliert hat, gab es zwei Bean-standungen, welche sogar ein Verbot derartiger Meinungsumfragen forderten. Auf die kritischen Bemerkungen in Bezug auf die Wissenschaftlichkeit derarti-ger Umfragen konnte die Ombudsstelle nicht eintreten. Wenn die entspre-chenden Beanstandungen als unberechtigt beurteilt wurden, ist es, weil sich die Ombudsstelle auf zwei Feststellungen beziehen konnte. Zuerst einmal auf die bereits erwähnte grundsätzliche Medienfreiheit, welche zulässt, dass Ra-dio und Fernsehen solche Umfragen in Auftrag geben und deren Resultate vermitteln. Dann aber auch, weil die Informationen, welche mit den Umfrage-ergebnisse vermittelt werden müssen, dem Publikum in den konkreten Fällen nicht vorenthalten wurden. Die Frage über Sinn und Unsinn solcher politischen Meinungsumfragen bleibt aber hochaktuell und steht gegenwärtig im Nationalrat zur Diskussion. Zwar hat die Staatspolitische Kommission des Nationalrates der parlamentarischen Initiative von Nationalrat Mörgeli – er wollte solche Umfragen für die SRG ver-bieten – keine Folge geleistet. Sie hat aber einer Kommissionsmotion zuge-stimmt. Dabei stellt Sie fest, dass die Politik solche Umfragen als nicht unprob-lematisch wahrnimmt. In einem System der direkten Demokratie mit häufigen Sachabstimmungen haben Meinungsumfragen einen besonderen Stellenwert. Die Frage, ob solche Umfragen Auswirkungen auf den Entscheidfindungspro-zess der Stimmbürger und Stimmbürgerinnen sowie ihre Mobilisierung haben, ist laut Kommission von grosser demokratiepolitischer Bedeutung. Diese Prob-lematik sollte deshalb grundsätzlich diskutiert werden. Insbesondere sei die Frage zu stellen, ob für die Veröffentlichung von derartigen Meinungsumfra-gen nicht bestimmte gesetzliche Rahmenbedingungen gelten sollten. Die Kommission anerkennt zwar die Bemühungen der Branche, die mit Richtlinien für eine gewisse Qualitätssicherung sorgen will. Letztlich sei es jedoch die Aufgabe des Staates, den freien Meinungsbildungsprozess der Bürgerinnen und Bürger zu garantieren. Was wird das Plenum des Nationalrates entschei-den?

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2.6 Weiterzug an die Unabhängige Beschwerdeinstanz UBI Bisher wurden lediglich 9 Beanstandungen (Vorjahr ebenfalls 9) an die Unab-hängige Beschwerdeinstanz UBI weitergeleitet. Das vom Gesetz gewollte zweistufige Verfahren zur Entlastung der UBI hat sich somit bewährt. In einem Vortrag unterstreicht dies UBI-Präsident Professor Roger Blum wie folgt: „Die Ombudsstellen wirken entlastend. 90 Prozent der Fälle gelangen gar nicht an die UBI. Damit erweist sich das System der Ombudsleute als segenreich.“

2.7 Behandlungsdauer Durchschnittlich wurden die Beanstandungen innerhalb von 26 Tagen erledigt. In lediglich 5 Fällen konnte die vorgesehene Frist von 40 Tagen nicht einge-halten werden und wurde durchschnittlich um 6 Tage strapaziert. Die Einhal-tung dieser Frist ist wichtig, geht es doch darum, die Aktualität der durch eine Beanstandung aufgeworfenen Fragen zu berücksichtigen.

2.8 Verfahren Auch im Berichtsjahr hatte ich keine Veranlassung, am bewährten dreistufigen Verfahren irgendetwas zu ändern. Der erste Schritt besteht darin, so rasch wie möglich einen Bestätigungsbrief zu schreiben. Darin werden die Gründe der Reklamation erwähnt. Der Bean-stander hat somit sofort die Gewissheit, dass sein Anliegen verstanden und auch ernst genommen wird. Sehr wichtig ist auch der zweite Schritt. Es geht dabei um die Stellungnahme der zuständigen Redaktion. Ich stelle fest, dass die Redaktionen sowohl beim Radio wie auch beim Fernsehen diese Aufgabe meistens ernst nehmen und sehr detailliert und umfassend auf die geäusserten Kritikpunkte eingehen. Dass diese Arbeit für die Verantwortlichen von Radio und Fernsehen einen beträchtlichen zusätzlichen Aufwand verursacht, wird in Kauf genommen. Auch werden nicht selten Fehler offen zugegeben, was die Beurteilung durch die Ombudsstelle wesentlich erleichtert. In Kenntnis der Inhalte der Reklamationen und der Stellungnahme der Redak-tion hat die Ombudsstelle die beanstandete Sendung sehr genau zu analysie-ren und zu bewerten. Geht es um längere Sendungen, ist dieser Aufwand nicht zu unterschätzen. Wie bereits erwähnt, geht es schliesslich darum, im Schlussbericht die entsprechenden Argumente ausgewogen und so überzeu-gend wie möglich zusammenzufassen. Lediglich in einem Fall wurde eine Beanstandung durch direkte Begegnung zwischen den Beteiligten erledigt. Diese im Gesetz ebenfalls vorgesehene Möglichkeit ist an sich als interessant zu werten. Sie ist aber sehr aufwendig und würde in Anbetracht der Anzahl Beanstandungen die Möglichkeiten der Ombudsstelle sprengen.

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2.9 Verweigerung des Zugangs zum Programm

Es fällt auf, dass die Ombudsstelle auch in diesem Berichtsjahr keine Bean-standungen wegen Verweigerung des Zugangs zum Programm, wie es neu-erdings das Radio- und Fernsehgesetz vorsieht, zu behandeln hatte.

3. KONTAKTE und VERSCHIEDENES 3.1 Referate und Interviews

Auch im Berichtsjahr sowie im ersten Monat von 2011 habe ich ver-schiedentlich die Gelegenheit benützt, um über die Aufgabe und Arbeit der Ombudsstelle zu informieren. Ich erwähne lediglich Gespräche bei der Televi-sione della Svizzera italiana und bei Radio DRS sowie Interviews für das Sankt Galler Tagblatt und die Berner Zeitung. Auch bei verschiedenen Anlässen und persönlichen Begegnungen werde ich immer wieder auf meine Aufgabe als Ombudsmann angesprochen. Meistens gehen die Leute von der falschen Annahme aus, dass die Ombudsstelle – wie auch zum Beispiel die UBI, der Presserat oder andere öffentliche oder private Ombudsstellen – über die Dienste eines juristischen Sekretariats verfügt. Dass dies nicht der Fall ist, wird meistens mit Überraschung zur Kenntnis genom-men.

3.2 Publikumsrat

Auch im Berichtsjahr hatte ich die Gelegenheit, vor dem Publikumsrat über meine Tätigkeit zu berichten, was ich als wertvoll erachte. Auch die enge und laufende Zusammenarbeit sowohl mit dem Präsidenten als auch mit der Geschäftsstelle empfinde ich als ausgezeichnet und problemlos. Ich stelle ebenfalls fest, dass die Schlussberichte der Ombudsstelle nicht nur beim Publikumsrat, sondern auch bei der SRG intern Beachtung finden. Erstmals fand am 22. November 2010 ein Treffen zwischen den Präsidenten der Publikumsräte und den Ombudsmännern der SRG aller Sprachregionen statt. Es war eine willkommene und nützliche Gelegenheit, die verschiedenen Vorstellungen und Probleme der einzelnen Ombudsstellen zu erläutern und zu diskutieren. Dabei wurden die unterschiedlichen Arbeitsmethoden zum Beispiel zwischen Ombudsstelle RTSR und DRS bestätigt. Während der welsche Ombudsmann Emmanuel Schmutz praktisch sämtliche Beanstandungen durch eine Mediati-onssitzung erledigt, ist dies bei mir die absolute Ausnahme. Die Arbeitsmetho-de hängt stark von der Anzahl Beanstandungen ab. Da sie viel mehr Bean-standungen zu erledigen hat, wäre es für die Ombudsstelle DRS schlicht un-möglich, den grösseren Aufwand, welcher durch eine direkte Begegnung zwi-schen den Beteiligten verursacht wird, zu bewältigen.

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3.3 Link

Ich benütze weiterhin gerne die Gelegenheit, die mir geboten wird, monatlich im Link über meine Tätigkeit allgemein sowie über einzelne Fälle zu berichten. Dabei kann ich auf die freundliche und sehr kompetente Zusammenarbeit mit Frau Pernille Budtz zählen.

3.4 Transparenz für die Ombudsstelle

Die Veröffentlichung sämtlicher Schlussberichte der Ombudsstelle im Internet unter www.ombudsstelledrs.ch hat sich bewährt. Auch werden diese Berichte vollständig archiviert, was eine völlige Transparenz über die Tätigkeit und die Entscheide der Ombudsstelle gewährleistet. Zudem fasst Frau Christa Arnet im Newsletter Inside wöchentlich einen besonders interessanten Fall mit gros-ser Professionalität zusammen. Auch im internen CR-Newsletter werden ein-zelne, publizistisch interessante Fälle herausgegriffen und breiter behandelt. Neuerdings werden die Schlussberichte der Ombudsstelle intern noch besser verlinkt und zum Lesen empfohlen. Auch die Medien informieren regelmässig über einzelne Entscheide der Om-budsstelle. Dies geschieht naturgemäss vor allem dann, wenn eine Beanstan-dung als berechtigt beurteilt wurde.

3.5 Treffen UBI-Ombudsstellen

Am 15. Oktober fand zum dritten Mal ein Treffen der UBI mit den Ombudsstel-len sämtlicher Radio- und Fernsehveranstalter statt. Es war somit möglich, verschiedene rechtliche Fragen zu diskutieren wie auch über die Tätigkeit so-wie die unterschiedlichen Rollen der Ombudsstellen und der UBI einen offe-nen und konstruktiven Meinungsaustausch zu führen. Es wurde erneut disku-tiert, ob bei den häufig erfolgten Beanstandungen per E-Mail das Formerfor-dernis des Schriftenwechsels erfüllt sei. Die UBI und verschiedene andere Ombudsstellen sind der Auffassung, dass die Beanstandungen unterschrieben werden müssen. Ich halte diese Meinung als zu formalistisch und habe deut-lich gemacht, dass ich im Sinne meiner Aufgabe als Vermittler weiterhin auch auf durch E-Mail eingereichte Beanstandungen ohne Signatur formell eintreten werde, soweit die Postadresse ebenfalls angegeben wird.

3.6 Zusammenarbeit mit der Stellvertreterin Mit Frau Sylvia Egli von Matt habe ich das Glück, über eine kompetente und engagierte Stellvertreterin zu verfügen, was meine Tätigkeit wesentlich er-leichtert. Ausgezeichnet ist ebenfalls die Zusammenarbeit mit Frau Salomé Blum, welche meine Schriften sprachlich sehr professionell und äusserst zu-verlässig verbessert.

Achille Casanova, Ombudsmann DRS

Bern, im Januar 2011