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CME 32. Jahrgang_1_2020 28 Die invasive Therapie der Varikosis umfasst verschie- dene operative und endovenöse Behandlungsmetho- den. Demgegenüber steht die konservative Therapie mit den Komponenten Kompressionstherapie, phy- sikalische Entstauungsmaßnahmen sowie Hautpfle- ge und ggf. Wundtherapie. Die Indikationsstellung für das jeweilige Verfahren erfolgt je nach Ausprägung und Lokalisation der Veneninsuffizienz, des Allgemein- zustandes und der Begleiterkrankungen sowie dem Wunsch des Patienten. Ziel der operativen Therapie ist die Behandlung der refluxtragenden Venenabschnit- te des oberflächlichen Venensystems, um auf diese Weise die venöse Hämodynamik zu normalisieren. Es stehen sowohl venenresezierende Eingriffe wie die klassische Cross- und Saphenektomie mit Seitenast- exhairese oder die Re-Crossektomie mit Barrierimplan- tation bei einer Rezidivvarikosis als auch venenerhal- tenden Methoden wie die extraluminale Valvuloplastie (eVP) oder das CHIVA-Verfahren zur Verfügung. Durch Aufhebung des pathologischen Refluxes kommt es zu einer Reduktion des Stauungsödems, welches zu sub- jektiven Symptomen wie einem Schwere-, Spannungs- oder Überwärmungsgefühl, Schmerzen sowie Juckreiz führen und trophische Störungen, Hyperpigmentierung, Dermatolipo(faszio)sklerose und Ulzerationen zur Fol- ge haben kann. Darüber hinaus ist die Therapie darauf ausgerichtet, möglichen weiteren Komplikationen wie der Entstehung von Thrombophlebitiden, Thrombosen, Varizenblutungen sowie Entwicklung einer Leitvenenin- suffizienz oder eines arthrogenen Stauungssyndroms vorzubeugen. Einführung In den letzten Jahrzehnten kam es zur Entwicklung einer Viel- zahl alternativer invasiver Behandlungsformen der Varikosis. Hierzu zählen endoluminale Methoden wie Radiofrequenz- ablation, Laserablation, endovenöse Heißdampfablation und unterschiedliche chemische Verfahren (Schaum- oder Flüs- sigsklerosierung, Cyanoacrylat). Aber auch die operative Sanierung bietet weiterhin ein breites Spektrum an erapie- möglichkeiten. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass alle Aus- prägungen und Stadien behandelt werden können und durch die Verfeinerung der etablierten chirurgischen Techniken gute erapierfolge sowie eine geringe Komplikations- und Rezidiv- rate zu erzielen sind (7, 12). Varikosis und chronische venöse Insuffizienz Die Varikosis stellt ein häufiges Krankheitsbild dar. Laut Bon- ner Venenstudie ist jeder sechste Mann und jede fünſte Frau in Deutschland von einer chronischen venösen Insuffizienz (CVI) betroffen (13). Zur Erstmanifestation kommt es zumeist im dritten Lebensjahrzehnt. Die Prävalenz nimmt im höheren Lebensalter zu. Die Ätiologie der primären Varikosis, die das oberflächliche Venensystem betri, wird als multifaktoriell angesehen und ist nicht abschließend geklärt. Es wird angenommen, dass ein kon- genitaler Defekt der Mündungsklappe sowie der Venenwand zur Degeneration prädisponieren und sich gegenseitig beeinflussen. Zur Ausprägung der Varikosis kommt es beim Hinzutreten von Manifestationsfaktoren, z.B. Gravidität, Antikonzeption, Adiposi- tas, stehende Arbeitsweise, körperliche Schwerstarbeit, Leistungs- sport, körperliche Inaktivität (9). Bei der CVI liegt eine Störung der venösen Hämodynamik vor. Physiologisch erfolgt der Rückstrom des venösen Blutes der unte- ren Extremität über das oberflächliche in das tiefe Venensystem in Richtung des rechten Vorhofs. Dies ermöglicht eine Kombi- nation folgender Mechanismen: atemabhängige Bewegungen des Diaphragmas mit daraus resultierenden intrathorakalen und intra- abdominellen Druckverschiebungen, kardiale Sogwirkung durch die Herzaktion, Aktivierung der Muskel- und Gelenkpumpe bei Bewegung vor allem der Wadenmuskulatur und des Sprungge- lenks sowie die als arteriovenöse Kopplung bezeichnete Übertra- gung der arteriellen Pulsation auf die begleitenden Venen. Die Venenklappen gewährleisten den nach zentral gerichteten Blutfluss und verhindern den Rückstrom des venösen Blutes nach peripher. Bei einer Störung einer dieser Komponenten stellt sich ein lageabhängiger Reflux und somit ein erhöhter intravasaler Druck ein. Infolgedessen dilatiert das Venensystem, und die Insuffizi- enz des Klappenschlusses nimmt zu. Auf diese Weise entsteht ein Circulus vitiosus. Das Auſtreten von rombophlebitiden und Varizenblutungen ist aufgrund der Stase bzw. der venösen Hyper- tonie begünstigt. Die Strömungsverlangsamung in den Kapillaren führt zu einer Mikrozirkulationsstörung. Bei erhöhter Kapillar- permeabilität erfolgt neben dem Flüssigkeitsaustritt auch eine Extravasation großmolekularer Eiweiße. Dies vermindert zum einen die Reabsorption von Flüssigkeit, was je nach Ausprägung des Gewebeödems zur Überlastung der lymphatischen Transport- kapazität führen kann. Zum anderen liefert der Vorgang einen Proliferationsreiz für Bindegewebszellen und führt zu einer Fib- rosierung zunächst von Haut und Subkutangewebe, später auch der Faszie im Sinne einer Dermatolipo(faszio)sklerose. Diese Ent- wicklung geht mit einer weiteren Minderperfusion des Gewebes Operative Therapie der Varikosis E. M. Wolff, D. Mühlberger, T. Hummel, A. Mumme Klinik für Gefäßchirurgie und Interdisziplinäres Venenzentrum, Katholisches Klinikum Bochum, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum

Operative Therapie der Varikosis · Operative Therapie der Varikosis E. M. Wolff, D. Mühlberger, T. Hummel, A. Mumme Klinik für Gefäßchirurgie und Interdisziplinäres Venenzentrum,

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Die invasive Therapie der Varikosis umfasst verschie-dene operative und endovenöse Behandlungsmetho-den. Demgegenüber steht die konservative Therapie mit den Komponenten Kompressionstherapie, phy-sikalische Entstauungsmaßnahmen sowie Hautpfle-ge und ggf. Wundtherapie. Die Indikationsstellung für das jeweilige Verfahren erfolgt je nach Ausprägung und Lokalisation der Veneninsuffizienz, des Allgemein-zustandes und der Begleiterkrankungen sowie dem Wunsch des Patienten. Ziel der operativen Therapie ist die Behandlung der refluxtragenden Venenabschnit-te des oberflächlichen Venensystems, um auf diese Weise die venöse Hämodynamik zu normalisieren. Es stehen sowohl venenresezierende Eingriffe wie die klassische Cross- und Saphenektomie mit Seitenast-exhairese oder die Re-Crossektomie mit Barrierimplan-tation bei einer Rezidivvarikosis als auch venenerhal-tenden Methoden wie die extraluminale Valvuloplastie (eVP) oder das CHIVA-Verfahren zur Verfügung. Durch Aufhebung des pathologischen Refluxes kommt es zu einer Reduktion des Stauungsödems, welches zu sub-jektiven Symptomen wie einem Schwere-, Spannungs- oder Überwärmungsgefühl, Schmerzen sowie Juckreiz führen und trophische Störungen, Hyperpigmentierung, Dermatolipo(faszio)sklerose und Ulzerationen zur Fol-ge haben kann. Darüber hinaus ist die Therapie darauf ausgerichtet, möglichen weiteren Komplikationen wie der Entstehung von Thrombophlebitiden, Thrombosen, Varizenblutungen sowie Entwicklung einer Leitvenenin-suffizienz oder eines arthrogenen Stauungssyndroms vorzubeugen.

▲ Einführung

In den letzten Jahrzehnten kam es zur Entwicklung einer Viel-zahl alternativer invasiver Behandlungsformen der Varikosis. Hierzu zählen endoluminale Methoden wie Radiofrequenz-ablation, Laserablation, endovenöse Heißdampfablation und unterschiedliche chemische Verfahren (Schaum- oder Flüs-sigsklerosierung, Cyanoacrylat). Aber auch die operative Sanierung bietet weiterhin ein breites Spektrum an Therapie-möglichkeiten. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass alle Aus-prägungen und Stadien behandelt werden können und durch die Verfeinerung der etablierten chirurgischen Techniken gute Therapierfolge sowie eine geringe Komplikations- und Rezidiv-rate zu erzielen sind (7, 12).

Varikosis und chronische venöse Insuffizienz

Die Varikosis stellt ein häufiges Krankheitsbild dar. Laut Bon-ner Venenstudie ist jeder sechste Mann und jede fünfte Frau in Deutschland von einer chronischen venösen Insuffizienz (CVI) betroffen (13). Zur Erstmanifestation kommt es zumeist im dritten Lebensjahrzehnt. Die Prävalenz nimmt im höheren Lebensalter zu. Die Ätiologie der primären Varikosis, die das oberflächliche Venensystem betrifft, wird als multifaktoriell angesehen und ist nicht abschließend geklärt. Es wird angenommen, dass ein kon-genitaler Defekt der Mündungsklappe sowie der Venenwand zur Degeneration prädisponieren und sich gegenseitig beeinflussen. Zur Ausprägung der Varikosis kommt es beim Hinzutreten von Manifestationsfaktoren, z.B. Gravidität, Antikonzeption, Adiposi-tas, stehende Arbeitsweise, körperliche Schwerstarbeit, Leistungs-sport, körperliche Inaktivität (9).

Bei der CVI liegt eine Störung der venösen Hämodynamik vor. Physiologisch erfolgt der Rückstrom des venösen Blutes der unte-ren Extremität über das oberflächliche in das tiefe Venensystem in Richtung des rechten Vorhofs. Dies ermöglicht eine Kombi-nation folgender Mechanismen: atemabhängige Bewegungen des Diaphragmas mit daraus resultierenden intrathorakalen und intra-abdominellen Druckverschiebungen, kardiale Sogwirkung durch die Herzaktion, Aktivierung der Muskel- und Gelenkpumpe bei Bewegung vor allem der Wadenmuskulatur und des Sprungge-lenks sowie die als arteriovenöse Kopplung bezeichnete Übertra-gung der arteriellen Pulsation auf die begleitenden Venen. Die Venenklappen gewährleisten den nach zentral gerichteten Blutfluss und verhindern den Rückstrom des venösen Blutes nach peripher.

Bei einer Störung einer dieser Komponenten stellt sich ein lageabhängiger Reflux und somit ein erhöhter intravasaler Druck ein. Infolgedessen dilatiert das Venensystem, und die Insuffizi-enz des Klappenschlusses nimmt zu. Auf diese Weise entsteht ein Circulus vitiosus. Das Auftreten von Thrombophlebitiden und Varizenblutungen ist aufgrund der Stase bzw. der venösen Hyper-tonie begünstigt. Die Strömungsverlangsamung in den Kapillaren führt zu einer Mikrozirkulationsstörung. Bei erhöhter Kapillar-permeabilität erfolgt neben dem Flüssigkeitsaustritt auch eine Extravasation großmolekularer Eiweiße. Dies vermindert zum einen die Reabsorption von Flüssigkeit, was je nach Ausprägung des Gewebe ödems zur Überlastung der lymphatischen Transport-kapazität führen kann. Zum anderen liefert der Vorgang einen Proliferationsreiz für Bindegewebszellen und führt zu einer Fib-rosierung zunächst von Haut und Subkutangewebe, später auch der Faszie im Sinne einer Dermatolipo(faszio)sklerose. Diese Ent-wicklung geht mit einer weiteren Minderperfusion des Gewebes

Operative Therapie der VarikosisE. M. Wolff, D. Mühlberger, T. Hummel, A. Mumme

Klinik für Gefäßchirurgie und Interdisziplinäres Venenzentrum, Katholisches Klinikum Bochum, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum

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einher. Letztlich führen diese Prozesse zu trophischen Störungen der Haut wie Hyperpigmentierungen, Stauungsdermatosen, Atro-phie und Ulzerationen.

Eine sekundäre Varikosis kann sich nach einer Schädigung des intrafaszialen Venensystems, z.B. durch eine tiefe Beinvenen-thrombose, seltener traumatisch oder durch Kompression bedingt, entwickeln (9). Durch Entzündungsprozesse können Veränderun-gen der sonst zarten Venenwand und der Klappensegel von Rigi-dität bis hin zu Strikturen, Lumeneinengungen und Phleboskle-rose die Folge sein. Auf diese Weise kommt es einerseits zu einem Reflux durch den eingeschränkten oder fehlenden Klappenschluss und andererseits zu einer Abflussstörung durch die Obstruktion.

Die Ausprägung der CVI wird durch die CEAP-Klassifikation beschrieben (Tab. 1).

Indikationsstellung und präoperative Vorbereitung

Die Indikation zur operativen Sanierung der Varikosis ist vor dem Hintergrund der Vielfältigkeit der konservativen, interven-tionellen und operativen Therapieoptionen zu stellen (14, 15). Demnach sind eine individuelle Einschätzung der Schwere und Ausprägung der Erkrankung und eine Beratung des Patienten bezüglich des oder der Verfahren sowie des Zeitpunkts des Ein-griffes erforderlich. Häufig ist auch eine Kombination verschie-dener Therapiemöglichkeiten sinnvoll. Es gilt zu beachten, dass es sich um elektive Eingriffe handelt. Die absoluten Kontrain-dikationen, wie akute tiefe Becken- und Beinvenenthrombose, bekannte Schwangerschaft, pAVK im Stadium III oder ASA-5-Klassifikation des Patienten, sind auszuschließen. Als relative Kontraindikationen gelten schwere Allgemeinerkrankungen, ausgeprägtes Lymphödem, gravierende Störung der Hämostase, pAVK im Stadium IIb (14). In diesen Fällen muss eine sorgfältige Risiko-Nutzen-Evaluation erfolgen.

Entscheidend ist neben der Anamnese und klinischen Untersuchung die präoperative farbkodierte Duplexsonogra-phie (FKDS) des oberflächlichen und tiefen Venensystems. Es werden der proximale und distale Insuffizienzpunkt der oberflächlichen Stammvenen identifiziert und eine Einteilung in Hach-Stadien vorgenommen (Tab. 2). Es kann jedoch auch eine inkomplette Stamminvenensuffizienz ohne Reflux auf Höhe der Mündungsklappe vorliegen. Neben der V. saphena magna und parva sollten auch ggf. vorhandene accessorische Venen auf einen Reflux überprüft werden. Die Höhe der Ein-mündung der V. saphena parva in das tiefe Venensystem weist eine gewisse Variabilität auf, sodass hier der präoperativen Markierung zur intraoperativen Orientierung ein besonde-rer Stellenwert zukommt. Es sollte ferner festgestellt wer-den, ob relevante Perforansinsuffizienzen oder anatomische Besonderheiten wie z.B. eine V. femoropoplitea und infolge eine mögliche Giacomini-Insuffizienz bestehen. Bei einer Rezidivvarikosis muss die Crossenregion hinsichtlich eines hämodynamisch relevanten Stumpfes betrachtet werden. Das tiefe Venensystem wird auf Insuffizienzen, postthrombotische

Veränderungen oder eine aktive Thrombose hin untersucht. Die FKDS kann durch eine venöse Funktionsdiagnostik ergänzt werden. Die Photoplethysmographie kann einerseits einen Hinweis auf das Vorliegen einer venösen Insuffizienz bieten und andererseits einen Therapieerfolg abschätzen, indem durch Anlegen eines Tourniquets die Ausschaltung des Refluxes im oberflächlichen Venensystem simuliert wird. Die Venenverschlussplethysmographie gibt Auskunft über funktionelle Veränderungen durch venöse Abstrombehinde-rungen. Nach Zusammentragen der Befunde kann das ope-rative Therapiekonzept für eine Cross- und Saphenektomie,

Tab. 1: Die CEAP-Klassifikation dient der Beschreibung der chronischen venösen Insuffizienz nach klinischen, ätiologischen, anatomischen und patho-physiologischen Gesichtspunkten (9).

C Klinische Klassifikation

C0 keine sicht- oder tastbaren Zeichen einer venösen ErkrankungC1 Teleangiektasien oder retikuläre VenenC2 Varikose der Venen > 3 mmC3 ÖdemeC4 Hautveränderungen, die einer venösen Hauterkrankung zugeschrieben

werden (4a Pigment, Ekzem, 4b Dermatoliposklerose, Atrophie blanche)C5 Hautveränderungen wie oben beschrieben mit ausgeheilter UlzerationC6 Hautveränderungen wie oben beschrieben mit aktiver Ulzeration

E Ätiologische Klassifikation

Ec kongenitalEp primär − mit unbestimmter UrsacheEs sekundär − mit bekannter Ursache (posttraumatisch, postthrombotisch,

andere)En keine venöse Ursache

A Anatomische Klassifikation

As oberflächliche Venen 1 Teleaniektasien/retikuläre Venen 2 V. saphena magna oberhalb des Knies 3 V. saphena manga unterhalb des Knies 4 V. saphena parva 5 andere als Vv. saphenaeAd tiefe Venen 6 V. cava inferior 7 V. iliaca communis 8 V. iliaca interna 9 V. iliaca externa 10 Beckenvenen gonadal, breites Ligament, andere 11 V. femoralis communis 12 V. profunda femoris 13 V. femoralis superficialis 14 V. poplitea 15 V. tibialis anterior, V. tibialis posterior, V. fibularis (alle paarweise) 16 Gastrocnemiusvenen, Soleusvenen, andereAp Vv. perforantes 17 Oberschenkel 18 UnterschenkelAn keine venöse Lokalisation

P Pathophysiologie

PR RefluxPO ObstruktionPn keine venöse Pathologie

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Perforansligatur, Re-Crossektomie und Seitenastexhairese erstellt werden.

Für eine stammvenenerhaltende Therapie steht das Verfahren der extraluminalen Valvuloplastie (eVP) zur Verfügung (4, 10). Anstelle der Entfernung der refluxtragenden Venenabschnitte ist die Wiederherstellung des suffizienten Klappenschlusses der Mün-dungsklappe der V. saphena magna durch einen Kunststoffpatch, der die Vene in der Crossenregion ummantelt, der entscheidende, refluxverhindernde Schritt. Damit profitieren von dieser Opera-tion insbesondere Patienten, die im weiteren Verlauf möglicher-weise körpereigenes Venenmaterial als Gefäßersatz benötigen. Dieser Gruppe gehören Patienten mit kardiovaskulären Risiko-faktoren bzw. bereits bestehender koronarer Herzerkrankung oder pAVK an. Für sie können oberflächliche Venen als wertvolles Bypassmaterial für koronare oder periphere Revaskularisationen dienen. Für Patienten mit einem postthrombotischen Syndrom und Stammveneninsuffizienz kann die eVP ebenfalls eine Behand-lungsmethode sein. Da bei postthrombotischen Veränderungen der tiefen Venen jederzeit ein erhöhtes Risiko einer Rezidivthrom-bose besteht, kommt der V. saphena magna eine Bedeutung als wichtiges Kollateralgefäß zu, welches verhindern kann, dass sich eine vollständigen Unterbrechung des venöses Abflusses einer Extremität mit Auftreten einer Phlegmasia coerulea dolens ent-wickelt. Häufig kommt die Operation auch für jüngere Patienten infrage, bei denen die Degeneration der Klappensegel und das Ausmaß der CVI noch nicht so weit fortgeschritten sind.

Um einen Behandlungserfolg zu erzielen, sind bestimmte Voraussetzungen notwendig, die präoperativ überprüft werden müssen. Zunächst gilt es, die mündungsnahe V. saphena magna

zu untersuchen. Die Dilatation der Vene sollte in diesem Bereich im Stehen gemessen 10 mm bei Frauen und 12 mm bei Männern nicht übersteigen, um die Raffung auf einen physiologischen Durchmesser zu ermöglichen. Ferner muss die Mündungsklappe selbst betrachtet werden. Sie sollte frei beweglich und nicht wand-verdickt sein, um ihrer Funktion adäquat nachkommen zu können. Bei einer Avalvulie ist eine eVP nicht sinnvoll. In einem weiteren Schritt wird die V. saphena magna im gesamten Verlauf dargestellt. Sie sollte als bypassgeeignet eingestuft werden und darf keine Kali-berschwankungen oder aneurysmatischen Veränderungen sowie keinen Hinweis auf eine aktive oder abgelaufene Thrombophlebitis aufweisen. Darüber hinaus sollten sich keine hämodynamisch rele-vanten Perforansinsuffizienzen zeigen. Prinzipiell kann die eVP in jedem Hach-Stadium angewandt werden, besonders geeignet sind jedoch Patienten mit Hach-I-Stadien und Fortleitung des Refluxes über die V. saphena accessoria anterior. Schlussendlich wird das tiefe Venensystem auf Reflux und Offenheit untersucht. Bei Pati-enten mit einem postthrombotischen Syndrom muss sichergestellt werden, dass ein freier Abstrom über die Beckenetage vorliegt (9). Ergänzend zur Ultraschalldiagnostik kann hier die venöse Funkti-onsdiagnostik wie oben aufgeführt zur Beurteilung hilfreich sein.

Die CHIVA-Methode kann prinzipiell in jedem Erkrankungs-stadium der primären Varikosis eingesetzt werden (6, 9). Das Ziel des Verfahrens ist die Ausschaltung des Rezirkulationskreises unter Erhalt der Stammvene als Drainageweg. Liegt jedoch eine aktive oder abgelaufene Thrombophlebitis der Stammvene vor, ist durch den Eingriff kein Remodelling der Venen zu erwarten. Glei-ches gilt für sehr schmalkalibrige Stammvenen (14).

Die präzise präoperative duplexsonographische Untersu-chung ist der wegweisende Schritt in der Therapieplanung. Sie findet ebenfalls am stehenden Patienten statt. Für den gewünsch-ten Behandlungserfolg muss die Systematik des fehlgerichteten Blutflusses nachvollzogen werden. Zur Systematisierung dient die Einteilung der Beinvenen in „Netze“ (5). Nach Zuordnung in die sogenannten Shunttypen (Tab. 3) kann das operative Therapiekon-zept festgelegt werden, um eine gezielte Ausschaltung der Insuffi-zienzpunkte, d.h. der Refluxquelle, zu erreichen (6, 14).

Venenresezierende OP-Verfahren

1. Cross- und Saphenektomie, Perforansligatur, Seitenastexhairese Das Verfahren beinhaltet zwei wesentliche Hauptoperations-schritte, die Crossektomie und die Saphenektomie. Nach ingu-inaler Querinzision der Haut von ca. 3–5 cm Länge im Bereich der Leistenfalte, lateral beginnend auf Höhe des Femoralispulses, erfolgt die Längsinzision der Camper-Faszie. Die weitere Präpa-ration zur Freilegung der V. saphena magna wird zur Schonung der Lymphgefäße und sensibler Äste des N. femoralis ebenfalls in Längsrichtung ausgeführt. Die Vene wird vollständig vom umgebenden Gewebe befreit und nach proximal in Richtung Ein-mündung in die V. femoralis communis verfolgt. Im Bereich der Crossenregion einmündende Seitenäste werden ebenfalls darge-stellt (Abb. 1). Sobald eindeutig die Einmündung der V. saphena

Tab. 2: Bei der Einordnung der kompletten Stammveneninsuffizienz in Hach-Stadien ist der distale Insuffizienzpunkt entscheidend (1).

Stadium nach Hach

Vena saphena magna Vena saphena parva

I Insuffizienz der Mündungsklappe Insuffizienz der Mündungsklappe

II Insuffizienz bis oberhalb des Kniegelenks

Insuffizienz bis Wadenmitte

III Insuffzienz bis unterhalb des Kniegelenks

Insuffizienz bis Knöchelregion

IV Insuffizienz bis Knöchelregion

Tab. 3: In der CHIVA-Nomenklatur erfolgt eine Einteilung der Venen in „Netze“ (= Réseaux), wobei R1 für die tiefen Venen, R2 für die interfaszialen Stamm-venen und R3 für die epifaszialen Seitenäste steht (4).

Shunttyp Hauptzirkulation

I R1 – R2 – R1

II R2 – R3 – R2

III R1 – R2 – R3 – (R2) – R1

IV alle weiteren

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magna in die tiefen Venen identifiziert ist, kann die Crossektomie erfolgen. Hierzu werden zunächst die einmündenden Seitenäste ligiert. Anschließend kann die V. saphena magna unmittelbar auf Höhe der Einmündung abgesetzt werden (Abb. 2).

Bei Platzierung der Overholt-Klemme und Durchführung der Durchstechungsligatur (nicht resorbierbares Nahtmaterial) zur Versorgung des Stumpfes zur V. femoralis communis hin ist unbedingt darauf zu achten, dass es weder zu einer Einengung der tiefen Vene noch zur Belassung eines langen Stumpfes kommt (11), was sich in der Deutschen Leistenrezdivstudie als Hauptursache für ein Rezidiv herausgestellt hat (7, 12, 14). Ein Schritt zur Ver-minderung von Neovaskulaten ist die Invertierungsplastik nach Frings (3), da das Endothel des Magnastumpfes als möglicher Aus-gangspunkt der Neoangiogenese betrachtet wird. Dies bedeutet ein Invertieren des Stumpfendothels mittels nicht resorbierbarer Naht. Alternativ kann eine Elektrokoagulation des Endothels vor-genommen werden. Als nächster Schritt folgt das Stripping. Dieses wird mit einer Nabatoff-Sonde vorgenommen, bei der die Vene beim Durchzug durch den Magnakanal durch den proximalen Stripperkopf aufgefädelt wird. Alternativ steht der PIN (Perforan-ten-Invaginations)-Stripper zur Verfügung. Durch Invaginieren der Vene kommt es hier zu einem geringeren Umgebungstrauma. Die Sonde wird proximal in die V. saphena magna eingeführt. Die Ausleitung erfolgt perkutan auf Höhe des zuvor duplexso-nographisch assistiert markierten distalen Insuffizienzpunktes (Abb. 3). Das Strippingmanöver erfolgt von proximal nach distal, da auf diese Weise weniger sensible Nervenläsionen beobachtet wurden (14). Sollte es beim Einsatz des PIN-Strippers zu einem Abriss der Vene kommen, kann die Entfernung der Vene mithilfe des sogenannten Retrievers erfolgen, dessen Funktionsweise ähn-lich der der Nabatoff-Sonde ist. Hervorzuheben ist das stadienge-rechte Vorgehen. Dies spart gesundes Venenmaterial und beugt Verletzungen des N. saphenus vor (14). Nach ausgiebiger Spülung und Blutstillung wird der schichtweise Wundverschluss ausge-führt. Zunächst wird die Fossa ovalis mit einer Naht verschlossen.

Mit diesem Operationsschritt wird die potenzielle Durchtrittsstelle für ein Leistenrezidiv beseitigt. Dies soll zur Senkung des Rezidiv-risikos beitragen. Als nächstes wird der Verschluss der Camper-Faszie umgesetzt, anschließend wird eine subkutane invertierende Naht und letztlich eine fortlaufende Intrakutannaht durchgeführt. Für die Cross- und Saphenektomie der V. saphena parva erfolgt die quere Hautinzision von 3–5 cm im Bereich der Kniekehle. Die genaue Lokalisation des Schnitts muss aufgrund der Variabilität der Höhe der Einmündung individuell festgelegt werden. Die Präparation des Subkutangewebes wird zunächst in Querrich-tung bis auf die Faszie durchgeführt, die anschließend in Längs-richtung über der V. saphena parva eröffnet wird. Die weiteren Schritte erfolgen in Analogie zur Cross- und Saphenektomie der V. saphena magna. In besonderer Weise ist bei der Präparation auf die Schonung begleitender nervaler Strukturen wie den N. suralis, N. tibialis und N. peroneus zu achten. Im Einzelfall kann vom Prinzip der niveaugleichen Crossektomie abgewichen wer-den, wenn beispielsweise einmündende Muskelvenen die Über-sichtlichkeit im Operationsfeld einschränken. In jedem Fall sollte möglichst eine mündungsnahe Ligatur angestrebt werden. Nach Beendigung von Crossektomie und Stripping wird der schicht-weise Wundverschluss durchgeführt. Die Faszie wird sorgfältig adaptiert, um Hernierungen zu verhindern (9).

Bei einem Vorliegen von Perforansinsuffizienzen ist eine kurz-streckige Hautinzision von ca. 1–2 cm auf Höhe der Einmündung in das tiefe Venensystem ausreichend. Die oberflächliche Vene wird bis zur Perforansvene und schließlich bis zum Durchtritt durch die Faszie verfolgt. Auf Höhe des Niveaus der tiefen Vene wird die Ligatur angebracht. Nach distal kann je nach Befund ebenfalls eine Ligatur oder ein Stripping der insuffizienten ober-flächlichen Vene durchgeführt werden. Die Faszienlücke wird ver-schlossen, es folgen ein subkutaner und kutaner Wundverschluss. Die insuffizienten Seitenastvarizen werden über sehr kurzstreckige, in Längsachse des Beines verlaufende Stichinzisionen mit Hilfe eines Venenhäkchens aufgesucht und exstirpiert. Die Stichinzisio-nen können zum Wundverschluss mit einem sterilen Klebepflaster adaptiert werden.

2. Re-Crossektomie und Barrierimplantation Der Zugangsweg unterscheidet sich von dem der Crossektomie. Der Inguinalschnitt wird weiter lateral ausgeführt, sodass nun der zu palpierende Femoralispuls sich zentral befindet. Die weitere

Abb. 1: Nach Präparation der Crossenregion sind die Einmündung der V. saphena magna in die V. femoralis communis sowie einmündende Seitenäste dargestellt.

Abb. 2: Die Ligatur der V. saphena magna erfolgt auf Niveau der tiefen Vene.

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Präparation erfolgt in Längsrichtung im Bereich des lateralen Wundpols und unter Schonung des ventromedialen Lymphkno-tenpaketes auf die Faszie zu. Auf der Faszie wird anschließend nach medial präpariert, über die A. femoralis communis hinweg in Richtung der V. femoralis communis und des refluxiven Stumpfes. Die Freilegung des Stumpfes kann aufgrund von narbigen post-operativen Veränderungen des umgebenden Gewebes deutlich erschwert sein und mit einem erhöhten Risiko der Verletzung der tiefen Venen oder des Stumpfes einhergehen, sodass bei die-sem Operationsschritt eine besondere Sorgfalt vonnöten ist. Das saphenofemorale Rezidiv wird so weit präpariert, dass eine sichere Umfahrung mit der Overholt-Klemme möglich ist. Dann erfolgt die Durchtrennung des Stumpfes zwischen zwei Overholt-Klem-men. Auch hier ist darauf zu achten, dass einerseits keine Einen-gung der V. femoralis communis hervorgerufen, andererseits kein Stumpf zurückgelassen wird. Zu beiden Seiten hin wird jetzt eine Durchstechungsligatur mit einer nicht resorbierbaren 3.0-Naht angelegt. Zur Verringerung des Risikos eines erneuten Rezidivs kann ein sogenannter Barrier eingesetzt werden (2). Es handelt sich hierbei um einen rechteckigen PTFE-Patch (2 x 3 cm), der ein mechanisches Hindernis zwischen oberflächlichem und tiefem Venensystem darstellt. Der Barrier wird zentral am Stumpf sowie im Bereich der vier Ecken an der Adventitia der tiefen Vene oder an der Faszie fixiert (Abb. 4). Ist von dem Einsatz eines Barriers auszugehen, sollte eine präoperative Single-Shot-Antibiose ein-geleitet werden.

Venenerhaltende OP-Verfahren

1. Extraluminale ValvuloplastieDie Freilegung der Crossenregion erfolgt zunächst analog zur Cross- und Saphenektomie. Aufgrund der Verwendung eines Kunststoffmaterials empfiehlt sich eine einmalige perioperative Antibiotikagabe, z.B. mit einem Cephalosporin der ersten Genera-tion. Bei der Präparation der V. saphena magna ist sorgsam darauf

zu achten, diese zu schonen und die verletzliche Venenwand nicht durch Manipulation zu schädigen. Die einmündenden Seitenäste werden auf Niveau der Einmündung ligiert, ohne dass es zu einer Einengung der V. saphena magna oder zu einer Aneurysmabildung aufgrund einer zu weit von der Stammvene entfernt platzierten Ligatur kommt. Lediglich ein distal gelegener Seitenast wird durch-trennt, aber zur V. saphena magna hin nicht ligiert, um im weiteren Verlauf als Indikatorvene zu dienen. Die V. saphena magna sollte im Einmündungsbereich über eine Strecke von etwa 4 cm dargestellt und die Einmündung in die tiefe Vene sicher identifiziert werden.

Die V. femoralis communis wird mündungsnah ebenfalls scho-nend präpariert, um später ausreichend Platz für die Fixierung des Valvuloplastiepatches zu erhalten. Es handelt sich hierbei um einen rechteckigen Polyurethanpatch (2 x 4 cm), der am proximalen Ende eine U-förmige Aussparung aufweist. Der Patch wird dorsal der V. saphena magna derart positioniert, dass die proximale Aussparung auf Höhe des Winkels zwischen der Mündungsregion der Stamm-vene und der V. femoralis zu liegen kommt und die Flügelchen nach proximal weisen. Die Längsseiten des Patches werden um die V. saphena magna herum nach ventral und zueinander geführt und zunächst mit zwei Mosquito-Klemmchen in Position gehalten. Durch kurzfristige Überdruckbeatmung kann mittels der Indikator-vene geprüft werden, ob weiterhin ein Reflux besteht oder ob bereits ein suffizienter Klappenschluss erreicht werden konnte. Alternativ kann bei Patienten, die in Regional- oder Lokalanästhesie operiert werden, ein Valsalva-Manöver durchgeführt werden. Falls notwen-dig, kann die Weite der Manschette daraufhin korrigiert werden, bevor die Längsseiten des Patches mit einer nicht resorbierbaren 5.0-Naht in Einzelknopfnahttechnik adaptiert werden. Die Flügel-chen werden hiernach proximal der Einmündung der V. saphena magna an der Adventitia der tiefen Vene fixiert, um ein Verrutschen nach distal zu verhindern (Abb. 5). Die distale Indikatorvene wird jetzt ebenfalls ligiert. Gegebenenfalls kann nun das Stripping der V. saphena accessoria anterior mithilfe des PIN-Strippers von pro-ximal nach distal und die Exhairese der Seitenastvarizen im Sinne einer Miniphlebektomie wie oben beschrieben erfolgen.

2. CHIVA (= Cure conservatrice et hémodynamique de l´insufficance veineuse en ambulatoire)Die Schnittführung erfolgt individuell nach Lokalisation der aus-zuschaltenden Insuffizienzpunkte und Vorliegen des jeweiligen

Abb. 4: Der Barrier-patch wird zentral am Venenstumpf und im Bereich der vier Ecken an der Faszie fixiert und stellt eine Rezidivprophylaxe dar.

Abb. 3: Die V. saphena magna wird mittels des PIN-Strippers von proximal nach distal ausgeleitet.

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Shunttyps (Tab. 3). Demnach ist eine Hautinzision im Bereich der Crosse, auf Höhe einer Perforansvene oder eines Seitenastes not-wendig. Bei Behandlung der crossennahen V. saphena magna wird diese über eine kurze Strecke präpariert und zwischen zwei Durch-stechungsligaturen mittels eines nicht resorbierbaren Fadens auf Niveau der Einmündung in die tiefe Vene sowie etwa 2 mm wei-ter distal hiervon durchtrennt. Die hier zusätzlich einmünden-den Seitenäste werden belassen, um deren Drainagefunktion zu erhalten. Alternativ ist jedoch auch eine klassische Crossektomie möglich. Die Ausschaltung einer refluxiven Perforansvene erfolgt wie bereits weiter oben beschrieben. Stellt ein Seitenast die Reflux-quelle dar, wird dieser bündig zur Einmündung in die Stamm-vene abgesetzt. Ein Venenstrippung oder eine Seitenastexhairese werden im Rahmen des Eingriffes nicht durchgeführt (6, 9). Der Wundverschluss kann je nach Größe der Inzision in subkutaner Nahttechnik oder mittels steriler Wundverschlussstreifen erfolgen.

Weiterführende Therapie

Postoperativ wird sowohl nach Cross- und Saphenektomie als auch nach Re-Crossektomie und eVP bereits im OP-Saal ein Kompressionsverband angelegt. Dieser wird am Folgetag gegen einen angepassten Kompressionsstrumpf der Kompressions- klasse II, bis zum Oberschenkel reichend, ausgetauscht, falls dies-bezüglich keine Kontraindikation besteht. Nach dem Eingriff sollte eine vorübergehende Kompressionstherapie von ein bis zwei Wochen erfolgen. Dies bewirkt eine Verteilung und schnel-lere Resorption schmerzhafter postoperativer Hämatome (9). Entscheidend zur Thrombosevorbeugung ist neben einer Hepa-rinprophylaxe die rasche Mobilisierung des Patienten nach der Operation. Am Folgetag sowie nach Rekonvaleszenz wird eine duplexsonographische Erfolgskontrolle durchgeführt.

Nach CHIVA-OP kann der Kompressionsstrumpf sofort ange-legt werden. Dieser sollte für ca. vier bis sechs Wochen getragen

werden, um das Remodelling der Venen zu unterstützen und das Risiko einer Thrombophlebitis zu verringern. Ergänzend wird eine fünf- bis zehntägige Thromboseprophylaxe eingeleitet. Etwa sechs bis acht Wochen später erfolgt eine Nachuntersuchung zur Ein-schätzung des Therapieerfolges und ggf. Planung eines Zweitein-griffes, was in ca. 20 % der Fälle sinnvoll ist (9).

Auch nach Rekonvaleszenz sollten regelmäßige phlebologi-sche Verlaufskontrollen empfohlen werden, um ein Fortschreiten der Erkrankung oder das Auftreten von Rezidiven rechtzeitig zu erkennen.

Bewertung

Vorangegangen erfolgte eine Vorstellung der operativen Thera-pieverfahren der Varikosis, denen unterschiedliche Strategien zur Ausschaltung des pathologischen Refluxes zugrunde liegen. Mit der Cross- und Saphenektomie sowie der CHIVA-Methode ist jede Ausprägung der Varikosis behandelbar, wobei die Techniken nach dem jeweiligen Hach-Stadium respektive Shunttyp angepasst werden. Der Einsatz der eVP ist eingeschränkter möglich, da der Behandlungserfolg von bestimmten morphologischen Vorausset-zungen abhängt. Sind diese jedoch erfüllt, kann die Stammvene als Drainagegefäß weiter seine Funktion erfüllen und als potentielles Bypassmaterial erhalten bleiben. Der Patient muss allerdings über den Einsatz von Fremdmaterial mit den möglichen Risiken und Komplikationen wie eine Abstoßungsreaktion oder Infektion auf-geklärt werden. Ein Vorteil der beiden venenerhaltenden Verfah-ren ist neben dem Organerhalt, dass durch das Fehlen des Strip-pings ein geringeres Operationstrauma besteht und die Gefahr der Nervenschädigungen minimiert werden kann. Wird keine Crossektomie durchgeführt, wie je nach Shunttyp bei CHIVA, ist das Risiko der Verletzung großer Gefäße und relevanter Blutun-gen sowie die Schädigung von Lymphgefäßen und Entstehung von Lymphfisteln geringer. Bei der Cross- und Saphenektomie wie auch der eVP ist in der Regel in einer Sitzung die Sanierung der Varikosis abgeschlossen.

Das CHIVA-Verfahren hingegen benötigt aufgrund der Remo-dellingprozesse Zeit, um das Therapieziel zu erreichen. Bei ca. einem Fünftel der Patienten ist noch ein Zweiteingriff notwendig. Die Eingriffe zeichnen sich hingegen durch ein geringes Zugangs-trauma aus und können zumeist in Lokalanästhesie und ambulant erfolgen. Die Re-Crossektomie eignet sich nicht für einen Ver-gleich, da sie als einziges Verfahren bei Crossenrezidiven ange-führt wurde. Erwähnenswert ist hier die Option der Barrierim-plantation, die das Rezidivrisiko senkt (2), allerdings ein Risiko durch das Einbringen von Fremdmaterial mit sich bringt. Für die Patienten bedeutsam ist die Dauer der Rezidivfreiheit. Zur Cross- und Saphenektomie wird in der aktuellen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie zusammengefasst, dass sich „nach einer technisch einwandfreien Crossektomie (…) sehr niedrige Crossenrezidivquoten von weniger als 5 % auch im mittel- bis langfristigen Verlauf von fünf bis über zehn Jahren“ zeigen (8, 14). Nach Valvuloplastie konnte nach fünf bis zehn Jahren eine Wie-derherstellung der Klappenfunktion in 59–96 % der Fälle erzielt

Abb. 5: Fixierung der proximalen Lefzen des Valvuloplastiepatches an der Adventitia der tiefen Vene.

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werden (14). Für CHIVA liegt die duplexsonographische Rezi-divrate (Zusammenfassung diverser Refluxquellen) nach fünf bis zehn Jahren zwischen 18–22 % (14).

Fazit

Die Varizenchirurgie bietet unterschiedliche Therapiekonzepte, die jeweils methodenimmanente Vor- und Nachteile aufweisen. Für den Behandlungserfolg entscheidend sind die Indikations-stellung mit differenzierter duplexsonographischer Untersuchung, eine technisch präzise Arbeitsweise und das Miteinbeziehen des Patienten in die Prozedereplanung und Therapie.

Literatur1. Debus E, Gross-Fengels W. In: Operative und interventionelle Gefäßme-

dizin. 1. Auf. Springer 2012;736-738.2. Freis H et al. Barrier patch implantation during redo surgery for varicose

vein recurrences in the groin: 1-year results. Ann Vasc Surg 2016;35:98-103.3. Frings N et al. Reduction of neoreflux after correctly performed ligation

of the saphenofemoral junction. A randomized trial. Eur J Vasc Endovasc Surg 2004:28(3): 246-252.

4. Geier B et al. External valvuloplasty in the treatment of greater saphenous vein insufficiency: a five-year follow up. Phlebology 2003;18(3):137-142.

5. Mendoza E. Einteilung der Rezirkulationen im Bein: Anatomische und physiologische Grundlagen der CHIVA-Methode. Phlebologie 2002:31(01):1-8.

6. Mendoza E. Operative Behandlung der Varikose nach der CHIVA-Methode. Phlebologie 2019:48(03):153-160.

7. Mumme A et al. High ligation of the saphenofemoral junction is neces-sary! Phlebologie 2009:38(03):99-102.

8. Mumme A et al. Alarmierend hohe Rate saphenofemoraler Rezidive nach endovenöser Lasertherapie. Phlebologie 2019;48(01):18-22.

9. Mumme A, Hach W. In: VenenChirurgie - Operative, interventionelle und konservative Aspekte, 3. Aufl. Schattauer, Stuttgart 2013;75-188, 334-339.

10. Mumme A, Stücker M, Hummel T. Die extraluminale Valvuloplastie der Vena saphena magna. Gefäßchirurgie 2014;19(7):637-642.

11. Mühlberger D et al. Die „korrekte” Crossektomie der V. saphena magna und parva. Phlebologie 2018;47(04):222-225.

12. Papapostolou G et al. Die LaVaCro-Studie: Langzeitergebnisse der Vari-zenoperation mit Crossektomie und Stripping der V. saphena magna. Phlebologie 2013;42(05):253-260.

13. Rabe E, Pannier-Fischer F, Bromen K et al. Bonner Venenstudie der Deut-schen Gesellschaft für Phlebologie. Phlebologie 2003;32:1-14.

14. S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Varikose der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie: AWMF-Leitlinienregister Nr. 037/018.

15. Wittens C, Davies AH, Baerkgaard N et al. Editor's choice-management of chronic venous disease: clinical practice guidelines of the European Society for Vascular Surgery (ESVS). Eur J Vasc Endovasc Surg 2015;6:678-737.

Evidenzgrad: IIa

Interessenkonflikte: E.M.W.: Mitglied DGG; D.M.: Mitglied DGG, DGP (Vorstand); A.M.: Mitglied DGP (Vorstand); T.H.: Mitglied DGG, DGP, GGWest, BDC

Korrespondenzadresse

Dr. med. Eike Marie Wolff Klinik für GefäßchirurgieSt. Josef-Hospital BochumKlinikum der Ruhr-Universität BochumGudrunstraße 56, 44791 BochumE-Mail: [email protected]

CME-Fragen zur operativen Varikosetherapie 3

cme-Punkte

1. Welche Aussage zur Varikosis und CVI ist richtig?

Bei der Varikosis handelt es sich um eine Erkrankung mit einer niedrigen Prävalenz in Deutschland.

Die Ätiologie der Varikosis ist eindeutig geklärt. Der Schweregrad der Varikosis zeigt sich bei häufiger

Orthostasebelastung oft rückläufig. Die Hach-Stadien dienen der Einteilung des Ausmaßes und der

Verteilung der Seitenastvarikosis entlang des Beines. Bei der CVI liegt eine Störung der venösen Hämodynamik vor.

2. Welche Antwort ist falsch? Bei der Cross- und Saphenektomie der V. saphena magna …

sollte ein stadiengerechtes Stripping der V. saphena magna erfolgen.

werden im Bereich der Einmündung der V. saphena magna in die tiefe Vene ebenfalls einmündende Seitenäste ligiert.

kann mittels invaginierendem Stripping (z.B. PIN-Stripping) das Weichteiltrauma reduziert werden.

ist immer eine vollständige Resektion der V. saphena magna von der Einmündung bis auf Höhe des Knöchels anzustreben.

ist das Absetzten der V. saphena magna auf Niveau der tiefen Vene ein entscheidender Schritt zur Reduktion des Rezidivrisikos.

3. Was sollte bei der präoperativen Vorbereitung zur Cross- und Saphenektomie der V. saphena parva beachtet werden?

Die Begleiterkrankungen sind für die Indikationsstellung zur Operation unerheblich.

Für die OP-Planung muss keine duplexsonographische Untersu-chung erfolgen, da Verlauf und Einmündung der V. saphena parva immer ortskonstant sind.

Bei der präoperativen Duplexsonographie sollte die Einmün-dung der V. saphena parva in die V. poplitea markiert werden, da diese sehr variabel ist.

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Teilnahmebedingungen: Die Landesärztekammer Nordrhein hat die CME-Fortbildung in diesem Heft anerkannt und bewertet die korrekte Beantwortung von mindestens 70 % aller Fragen mit drei Punkten.

Die Teilnahme ist nur online möglich unter www.der-niedergelassene-arzt.de/cme/aktuelle-fortbildungen. Die Punkte werden direkt an die Ärztekammer gemeldet. Es ist immer nur eine Antwort pro Frage zutreffend.Für Teilnehmer aus Österreich: E-Learning-Fortbildungen aus Deutschland sind 1:1 für das österreichische DFP (Diplom-Fort-bildungsprogramm) anrechenbar.

Diese CME ist gültig bis 12.01.2021 VNR 2760512020155070028

Das Risiko von Nervenverletzungen ist bei dem Eingriff zu vernachlässigen, daher muss diesbezüglich keine explizite Aufklärung erfolgen.

Wenn neben der Stamminsuffizienz der V. saphena parva eine pAVK im Stadium III besteht, sollte erst die Varikosis operativ saniert werden, bevor die pAVK weiter abgeklärt werden kann.

4. Welcher Patient ist für das Verfahren der extraluminalen Valvuloplastie nicht geeignet?

Ein männlicher Patient mit einem Reflux im Bereich der Mündunsklappe der V. saphena magna und einem max. Durchmesser der V. saphena magna mündungsnah von 9 mm

Ein Patient mit einer Thrombophlebitis der V. saphena magna Ein Patient mit einer Stamminsuffizienz der V. saphena

magna im Stadium I nach Hach mit Reflux der V. saphena accessoria anterior

Ein Patient mit vorbekannter KHK und einer Stamminsuffizi-enz der V. saphena magna im Stadium II nach Hach

Eine Patientin mit postthrombotischem Syndrom mit sekun-därer Stamminsuffizienz der V. saphena magna bei gesicher-tem freien Abstrom über die Beckenvenen

5. Welche Aussage zur CHIVA-Methode trifft nicht zu?

Die CHIVA-Operation kann nur unter stationären Bedingun-gen durchgeführt werden.

Es handelt sich um eine stammvenenerhaltende Operationsmethode.

Bei der CHIVA-OP kommt der differenzierten Duplexsono-graphie eine besondere Bedeutung im Rahmen der präopera-tiven Planung zu.

Das operative Zugangstrauma ist vergleichsweise gering. Bei der Operation erfolgt eine gezielte Ausschaltung der soge-

nannten Insuffizienzpunkte.

6. Welche Aussage zur Re-Crossektomie ist zutreffend?

Bei der Re-Crossektomie im Bereich der V. saphena magna-Mündungsregion sollte der Stumpf mit einem Sicherheitsab-stand von ca. 2 cm von der tiefen Vene abgesetzt werden.

Der Zugangsweg via Inguinalschnitt erfolgt in gleicher Weise wie bei der Primäroperation, der Cross- und Saphenektomie.

Die Präparation bei der Re-Crossektomie gestaltet sich auf Grund der stattgehabten Voroperation in der Regel deutlich einfacher.

Die Durchtrennung des Stumpfes erfolgt zwischen zwei Overholt-Klemmen, anschließend wird zu beiden Seiten hin eine Durchstechungsligatur mit einer nicht resorbierbaren Naht durchgeführt.

Der Einsatz eines sogenannten Barriers ist bei der Re-Cross-ektomie zwingend erforderlich.

7. Welche der aufgeführten Antworten stellt keine relative oder absolute Kontraindikation für eine operative Therapie der Varikosis dar?

Stamminsuffizienz der V. saphena magna im Stadium IV nach Hach beidseits

Akute tiefe 3-Etagenbeinvenen thrombose Multimorbider Patient mit akutell dekompensierter Herz-

insuffizienz, vorbekannter chronischer Niereninsuffizienz und zur Zeit nicht suffizient therapierter COPD im Stadium GOLD III

Schwere, bislang nicht abgeklärte Störung der Hämostase Vorbekannte pAVK mit nun aufgetretenen Ruheschmerzen

8. Für den postoperativen Verlauf gilt nicht:

Nach CHIVA erfolgt eine duplexsonographische Verlaufskont-rolle nach ca. sechs bis acht Wochen, um den Therapieerfolg zu dokumentieren und ggfs. einen Zweiteingriff zu planen.

Nach Valvuloplastie kann die behandelte Stammvene im wei-teren Verlauf als koronares oder peripheres Bypassmaterial verwendet werden.

Postoperativ ist sowohl nach venenerhaltender als auch nach venenresezierender Therapie eine vorübergehende Kompres-sionstherapie anzuraten.

Die Patienten sollten sowohl nach Cross- und Saphenektomie als auch nach CHIVA am OP-Tag sowie am ersten post-operativen Tag Bettruhe einhalten.

Auch nach erfolgreicher Operation sind regelmäßige phlebo-logische Kontrollen sinnvoll.

9. Welche Aussage zu Komplikationen im Rahmen der vorge-stellten operativen Verfahren ist richtig?

Bei postoperativer subkutaner Hämatombildung sollte auf die Kompressionstherapie verzichtet werden.

Zur Vorbeugen von postoperativen Thrombosen erfolgt eine volltherapeutische Antikoagulation für eine Woche.

Motorische Nervenverletzungen kommen häufiger vor als sensible.

Bei dem Einsatz von Fremdmaterial muss über eine mögliche Abstoßungsreaktion und das Risiko einer Infektion aufgeklärt werden.

Wundinfektionen im Bereich der Seitenastexhairese-inzisionen sind zumeist gravierender als im Bereich der Leisteninzision.

10. Zur Vorbeugung von Rezidiven gilt nicht:

Implantation eines Barriers Belassen der Indikatorvene bei der extraluminalen

Valvuloplastie Verschluss der Fossa ovalis Vollständige Crossektomie Invertierungsplastik nach Frings