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L. Döderlein z Infantile Zerebralparese Diagnostik, konservative und operative Therapie

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L. Döderlein z Infantile Zerebralparese

Diagnostik, konservative und operative Therapie

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L. Döderlein InfantileZerebralpareseDiagnostik,konservative und operative Therapie

Mit 232 überwiegend farbigen Abbildungenin 312 Einzeldarstellungenund 14 Tabellen

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Dr. med. Leonhard DöderleinKlinik für KinderorthopädieBehandlungszentrum Aschau GmbHBernauer Straße 1883229 Aschau im Chiemgau

ISBN 978-3-7985-1700-4 Steinkopff Verlag

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, desNachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmungoder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch beinur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes istauch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepub-lik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungs-pflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.

Steinkopff Verlagein Unternehmen von Springer Science+Business Media

www.steinkopff.springer.de

© Steinkopff Verlag 2007Printed in Germany

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auchohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Mar-kenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewährübernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literatur-stellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden.

Planung und Redaktion: Dr. med. Gertrud Volkert, Petra ElsterHerstellung: Klemens SchwindUmschlaggestaltung: Erich Kirchner, HeidelbergSatz: K+V Fotosatz GmbH, BeerfeldenDruck und Bindung: Stürtz GmbH, Würzburg

SPIN 11847519 105/7231 – 5 4 3 2 1 0 – Gedruckt auf säurefreiem Papier

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Im aktuellen deutschen wie auch englischsprachigen Schrifttum fehlt bisher eineumfassende Darstellung der Probleme, die den Haltungs- und Bewegungsapparatbei der infantilen Zerebralparese betreffen. Dies ist verwunderlich, da das musku-loskeletale System maßgeblich von dieser Störung betroffen ist und die Mehrzahlder therapeutischen Ansätze, seien sie nun konservativer oder operativer Art, aufden Bewegungsapparat fokussiert sind.Obwohl verschiedene Berufsgruppen in die Behandlung dieser Störung eingebundensind, gibt es bedauerlicherweise nach wie vor erhebliche Unklarheiten bezüglich derMöglichkeiten und der Grenzen benachbarter Disziplinen. Dies führt nicht selten zurÜberschätzung der Effizienz des eigenen Gebietes und zur Fehleinschätzung andererVerfahren. So kommt es zu unnötigen Mehrbelastungen der Patienten und ihrer An-gehörigen, aber auch der Kostenträger. Bis heute existiert keine gemeinsame Sprachefür die Probleme am Bewegungsapparat, die eine bessere Behandlung ermöglicht undweniger wirksame oder gar überflüssige Maßnahmen vermeiden hilft.Gerade auf dem Gebiet der Zerebralparesen hat sich in den vergangenen Jahren eingrundlegender Wandel auf diagnostischem und therapeutischem Gebiet vollzogen.Neue Klassifikationen und Instrumente zur Evaluierung wurden entwickelt. Neueund effektivere Behandlungen wie Botulinumtoxin A, Baclofen oder spezielle Orthe-sen wurden eingeführt. Auf operativem Gebiet konnte durch die Verbreitung der in-strumentellen Ganganalyse eine größere Sicherheit für die Patienten gewonnen wer-den. Auch die Nachbehandlung wurde durch die frühfunktionelle Mobilisationmaßgeblich verbessert. Das Interesse an der Zerebralparese hat dadurch deutlichzugenommen.Es ist das Ziel dieses praxisorientierten Buches, allen in die Behandlung eingebun-denen Berufsgruppen eine aktuelle Übersicht der Diagnostik sowie der Therapieam Bewegungsapparat zu geben. Dabei wurde bewusst darauf geachtet, die Prinzi-pien möglichst wertneutral darzustellen und eine so häufig anzutreffende Ideologi-sierung zu vermeiden.Evidence based medicine hat auch auf diesem Gebiet Einzug gehalten, weshalb derEvaluierung besonderes Augenmerk geschenkt wurde.Am Ende eines jeden Abschnittes ist jeweils ein zusammenfassendes Fazit einge-fügt. Zur vertiefenden Information ist ein umfassendes und sorgsam ausgewähltesLiteraturverzeichnis angegeben, das die wichtigen älteren und die wesentlichen ak-tuellen Arbeiten berücksichtigt. Georg Manolikakis, mit dem ich seit langen Jahrenbei der Behandlung der Zerebralparese verbunden bin, hat wichtige Anregungenbeigesteuert.

Das Buch soll neues Interesse an der Behandlung dieser schwierigen und dennochunendlich dankbaren Patienten wecken und das Verständnis für die Nachbardiszip-linen vertiefen.

Im Sommer 2007 Leonhard Döderlein

Vorwort

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

2 Definition

2.1 Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

2.2 Normale motorische Entwicklung und Funktion . . . . . . . . . . . . . . . 92.2.1 Motorische Entwicklung und Gangentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . 92.2.2 Normale Funktion des Bewegungsapparates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

2.3 Ätiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

2.4 Epidemiologie und soziale Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

2.5 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

2.6 Pathoanatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282.6.1 Spastische Diparese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282.6.2 Tetraparese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292.6.3 Spastische Hemiparese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292.6.4 Extrapyramidale Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292.6.5 Ataktische und rigide Lähmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

2.7 Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302.7.1 Normaler Muskeltonus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302.7.2 Pathophysiologie der Spastik und des Syndroms des 1. Motoneurons 312.7.3 Pathophysiologie der spastischen Muskulatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332.7.4 Auswirkungen der Zerebralparese auf das Skelettwachstum . . . . . . . 362.7.5 Entwicklung von Deformitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362.7.6 Das sog. „Muskelungleichgewicht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412.7.7 Schmerzen und infantile Zerebralparese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

2.8 Pathologische motorische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472.8.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472.8.2 Pathologische Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

2.9 Natürlicher Verlauf und prognostische Zeichenfür die motorische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

2.9.1 Natürlicher Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572.9.2 Prognostische Zeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

3 Klassifikation, Verteilung und Häufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

4 Zusatzbehinderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

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5 Funktionelle Auswirkungen auf den Bewegungsapparat . . . . . . . . . 67

5.1 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675.1.1 Klinische Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 685.1.2 Apparative Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

5.2 Normaler Gang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 945.2.1 Definition des Gehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 955.2.2 Grundlagen der normalen aufrechten Fortbewegung . . . . . . . . . . . . 955.2.3 Aufrechter Gang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 965.2.4 Gangzyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 975.2.5 Spezifische Gelenk- und Muskelfunktionen beim Gangablauf . . . . . 98

5.3 Gang des Zerebralparetikers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1015.3.1 Ursachen der zerebralparetischen Gangstörung . . . . . . . . . . . . . . . . 1025.3.2 Diagnostik der Gangstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1035.3.3 Klassifikation der Gangstörungen bei der infantilen Zerebralparese 1055.3.4 Kompensationsmechanismen des zerebralparetischen Ganges . . . . . 107

6 Konservative Therapieverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

6.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

6.2 Behandlungsteam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

6.3 Behandlungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

6.4 Indikationsstellung für die konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . 116

6.5 Behandlungstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1166.5.1 Krankengymnastik und Physiotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

– Vojta-Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121– Bobath-Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123– Petö-Therapie (konduktive Erziehung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124– Weitere Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

6.6 Neuere Verfahren einschließlich der Alternativmedizin . . . . . . . . . 132

6.7 Ergotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1356.7.1 Indikationen und Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1366.7.2 Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

6.8 Orthopädietechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1376.8.1 Indikationen und Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1396.8.2 Orthetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

– Orthesen für die obere Extremität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140– Orthesen für den Rumpf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142– Orthesen für die untere Extremität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

6.8.3 Sitz- und Rollstuhltechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1486.8.4 Lagerungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1526.8.5 Rehabilitation und Kommunikationshilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

– Stehhilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156– Gehhilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156– Fortbewegungshilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158– Ess- und Schreibhilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159– Pflege-, Transfer- und Badehilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159– Kommunikationshilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

z InhaltsverzeichnisVIII

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6.8.6 Orthopädische Schuhtechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1606.8.7 Grenzen orthopädietechnischer Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

6.9 Medikamentöse Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1656.9.1 Allgemeine Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1656.9.2 Systemisch wirkende Medikamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

– Medikamente zur Beeinflussung der Spastik . . . . . . . . . . . . . . . . . 166– Medikamente zur Schmerzbekämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

6.9.3 Lokal wirksame Medikamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167– Baclofen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167– Botulinumtoxin A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

6.9.4 Weitere Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

6.10 Redressierende Gipstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

6.11 Funktionelle Elektrostimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

7 Überprüfungskriterien und Ansätze wissenschaftlicher Forschung . . 177

7.1 Bemerkungen zur Güte von Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

7.2 Aktuelle Überprüfungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

7.3 Untersuchungsintervalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

7.4 Ansätze für wissenschaftliche Studien auf dem Gebietder zerebralen Bewegungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

8 Grenzen der konservativen Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

9 Operative Behandlungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

9.1 Operationsrelevante Pathophysiologieder spastischen Muskeln und Sehnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

9.2 Operationsrelevante Pathophysiologie des Skelettsystems . . . . . . . . 188

9.3 Grundsätze der operativen Behandlung von Deformitäten . . . . . . . 190

9.4 Indikationsstellung zur Operation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1909.4.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1909.4.2 Ziele der Operation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1919.4.3 Indikation zur Funktions- bzw. Pflegeverbesserung . . . . . . . . . . . . . 1929.4.4 Einflussfaktoren auf die Indikationsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

9.5 Operationsvorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

9.6 Allgemeine Operationsverfahren und ihre Wirkungsweise . . . . . . . 1999.6.1 Operationen an den Weichteilgeweben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

– Muskelablösung (Myotomie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200– Sehnenverlängerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200– Sehnendurchtrennung (Tenotomie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202– Sehnenfesselung (Tenodese) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202– Sehnentransfer, Sehnentransposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202– Sehnenraffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

Inhaltsverzeichnis z IX

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– Kapsulotomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203– Kapsulodese bzw. Kapselraffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

9.6.2 Operationen an den knöchernen Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204– Knöcherne Umstellung (Osteotomie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204– Gelenkversteifung (Arthrodese) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204– Gelenkplastik (Alloarthroplastik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204– Gelenkblockade (Arthrorise) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

9.6.3 Operationen am peripheren Nervensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205– Durchtrennung von peripheren Nerven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205– Selektive Hinterwurzeldurchtrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

9.6.4 Hinweise zur „Dosierung“ von Operationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

10 Behandlung der verschiedenen Lähmungsformen . . . . . . . . . . . . . . 209

10.1 Spastische Hemiparese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20910.1.1 Spezielle Diagnostik und Klassifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21010.1.2 Spezielle konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21510.1.3 Spezielle operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21610.1.4 Ergebnisse und Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

10.2 Spastische Diparese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22310.2.1 Spezielle Diagnostik und typische Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22510.2.2 Spezielle konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23010.2.3 Spezielle operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23210.2.4 Ergebnisbeurteilung und Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

10.3 Spastische Tetraparese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25710.3.1 Spezielle Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25810.3.2 Spezielle konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26310.3.3 Spezielle operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26510.3.4 Ergebnisse und Probleme bei der Operation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270

10.4 Dystone und ataktische Lähmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27310.4.1 Spezielle Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27410.4.2 Spezielle konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27510.4.3 Spezielle operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27610.4.4 Probleme und Evaluation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

11 Operationstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

11.1 Obere Extremität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27911.1.1 Ablösung der Schulteradduktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27911.1.2 Verlängerung der Ellenbogenbeuger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27911.1.3 Ablösung der Flexoren- und Pronatorenursprünge am Epicondylus

medialis humeri (Op. nach Erlacher/Page/Scaglietti) . . . . . . . . . . . . 28011.1.4 Transposition der Sehne des M. pronator teres auf die

Handgelenksstrecker (bzw. als Umlagerung nach Tubby) . . . . . . . . 28011.1.5 Transposition der Handgelenksbeuger

auf die Handgelenks- und Fingerstrecker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28111.1.6 Operation des eingeschlagenen Daumens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28211.1.7 Handgelenksarthrodese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282

z InhaltsverzeichnisX

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11.1.8 Arthrodese des Daumengrundgelenkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28311.1.9 Verlängerung der Handgelenks- und Fingerbeuger . . . . . . . . . . . . . . 28311.1.10 Operation bei Schwanenhalsdeformität der Langfinger . . . . . . . . . . . 283

11.2 Untere Extremität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28411.2.1 Verlängerung der Hüftgelenksbeuger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28411.2.2 Verlängerung der Hüftgelenksadduktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28411.2.3 Verlängerung der Hüftgelenksstrecker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28511.2.4 Ablösung der Hüftgelenksabduktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28511.2.5 Transposition der Hüftgelenksinnenrotatoren (Op. nach Steel) . . . . . 28611.2.6 Verlängerung der Kniegelenksbeuger in Rückenlage . . . . . . . . . . . . . 28611.2.7 Verlängerung der Kniebeuger und dorsale Kapsulotomie

des Kniegelenkes in Bauchlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28611.2.8 Verlängerung der Kniegelenksstrecker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28711.2.9 Distaler Rektussehnentransfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28711.2.10 Distale Ausschaltung des M. rectus femoris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28811.2.11 Distalisierung einer hochstehenden Patella beim Kauergang . . . . . . 28811.2.12 Verlängerung der Wadenmuskulatur

(Op. nach Baumann/Strayer/Vulpius) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28811.2.13 Achillessehnenverlängerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28911.2.14 Ablösung der Plantaraponeurose (Op. nach Steindler) . . . . . . . . . . . 28911.2.15 Verlängerung der Fußheber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29011.2.16 Verlängerung der Pronatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29011.2.17 Hälftiger Tibialis-anterior-Transfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29011.2.18 Hälftiger Tibialis-posterior-Transfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29111.2.19 Hiroshima-Fußheber-Ersatzoperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29111.2.20 Augmentationsoperation der Wadenmuskeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29111.2.21 Offene Hüftgelenksreposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29211.2.22 Beckenkammspanentnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29211.2.23 Intertrochantäre Osteotomien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29211.2.24 Beckenosteotomien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294

– Beckenosteotomie nach Salter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294– Beckenosteotomie nach Pemberton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294– Dreifachosteotomie nach Steel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295– Osteotomie nach Dega . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295– Osteotomie nach Chiari . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295

11.2.25 Suprakondyläre Derotationsosteotomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29611.2.26 Suprakondyläre Extensionsosteotomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29611.2.27 Tibiakopfosteotomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29711.2.28 Supramalleoläre Derotationsosteotomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29811.2.29 Subtalare Stabilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298

– Subtalare extraartikuläre Stabilisierung nach Grice . . . . . . . . . . . 298– Tripelarthrodese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299

11.2.30 Kalkaneusverlängerungsosteotomie nach Evans . . . . . . . . . . . . . . . . 30011.2.31 Osteotomie nach Gleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30011.2.32 Osteotomie nach Dwyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30111.2.33 Quere Fußkeilentnahme (Op. nach Cole) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30111.2.34 Operation nach Jones/Hibbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30111.2.35 MT-I-Korrekturosteotomie bzw. additive

Os-cuneiforme-mediale-Osteotomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30211.2.36 Hüftkopfhalsresektion und Angulationsosteotomie . . . . . . . . . . . . . . 302

11.3 Operationen an der Wirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30311.3.1 Ventrale Derotationsspondylodese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30311.3.2 Dorsale Skolioseaufrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303

Inhaltsverzeichnis z XI

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12 Nachbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305

12.1 Allgemeine Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305

12.2 Postoperative Mobilisation verschiedener häufig geübter Eingriffe 306

12.3 Postoperativer Kraftaufbau und Lokomotionstraining . . . . . . . . . . 308

13 Ergebnisbeurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311

14 Iatrogene Deformität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

14.1 Defintion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

14.2 Iatrogene Deformitäten durch konservative Therapie . . . . . . . . . . . 31614.2.1 Iatrogene Deformitäten durch Krankengymnastik . . . . . . . . . . . . . . 31614.2.2 Iatrogene Deformitäten durch die Orthopädietechnik . . . . . . . . . . . 316

14.3 Iatrogene Deformitäten durch operative Therapie . . . . . . . . . . . . . 31614.3.1 Iatrogene Deformitäten durch Weichteiloperationen . . . . . . . . . . . . 31714.3.2 Iatrogene Deformitäten durch knöcherne Operationen . . . . . . . . . . 318

14.4 Therapeutische Möglichkeiten bei iatrogenen Deformitäten . . . . . . 31914.4.1 Therapeutische Hinweise bei iatrogenen Deformitäten . . . . . . . . . . 319

15 Neurochirurgische Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321

15.1 Historisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321

15.2 Indikationsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321

15.3 Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322

15.4 Postoperative Behandlung – Ergebnisse und Probleme . . . . . . . . . 323

16 IZP – vom Kind zum Erwachsenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325

16.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325

16.2 Die Probleme des erwachsenen Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326

16.3 Besonderheiten der Therapie bei heranwachsendenund erwachsenen Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

16.3.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32716.3.2 Indikationsstellung zur Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32816.3.3 Durchführung der Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33016.3.4 Nachbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33116.3.5 Therapiebedingte Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33116.3.6 Auswirkungen orthopädischer Therapiemaßnahmen

auf die schulische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33216.3.7 Gutachterliche und sozialmedizinische Beurteilung . . . . . . . . . . . . . 332

17 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333

z InhaltsverzeichnisXII

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18 Befundbögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335

Orthopädischer Befundbogen:nicht gehfähiger Patient – Tetraparese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335

Orthopädischer Befundbogen:gehfähiger Patient – Hemi- und Diparese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338

Physician Rating Scale (PRS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363

Inhaltsverzeichnis z XIII

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„Die zerebralen Kinderlähmungen gehören meinesErachtens sowohl bezüglich der Analyse ihrerSymptome wie bezüglich der Therapie zu den kom-pliziertesten Krankheitszuständen, mit welchen sichder Orthopäde zu befassen hat“.(Nils Silfverskjöld 1924)

Die infantile Zerebralparese (IZP) ist keineswegseine Erkrankung oder eine isolierte Störung ei-ner speziellen Körperregion oder eines Körper-systems. Dennoch bleibt der Bewegungsapparatder Hauptmanifestationsort dieser Behinderung,stellt er doch das Ausführungs- und gewisser-maßen auch das Endorgan der zentralen Fehl-steuerung dar. Die Beschäftigung mit diesemKrankheitsbild erfordert aber weitaus mehr alsnur die Berücksichtigung lokaler Probleme, siemuss den jeweiligen Entwicklungsstand des Pa-tienten ebenso wie die Bedürfnisse und Mög-lichkeiten seines Umfeldes beachten.

Während die IZP als nicht progredienteStörung anzusehen ist, da der strukturelle Scha-den des ZNS dauerhaft bleibt, ändern sich dieAuswirkungen auf die Steuerungs- und Bewe-gungsfunktionen mit dem Wachstum kontinu-ierlich (Saint Hilaire 1991, Johnson 1997). Die-sem Umstand muss auch die Therapie Rech-nung tragen, die stets situationsangepasst undzielorientiert sein sollte. Die Behandlung musssowohl direkt am jeweiligen Endorgan (z.B.

Wirbelsäule, Hüftgelenk usw.) als auch an dergestörten Steuerung angreifen. Außerdem mussder erzieherisch-soziale Aspekt mit in die The-rapie einfließen. Nur durch eine regelmäßigeÜberprüfung der Befunde können aktuelle Ver-änderungen erkannt und bei der Behandlungberücksichtigt werden. Die Therapieziele und-methoden müssen dann ggf. neu definiert odermodifiziert werden (Scrutton 1984). Ein Kind,ein Jugendlicher und ein Erwachsener mit Zereb-ralparese unterscheiden sich grundlegend von-einander. Deshalb müssen ihre Probleme undBedürfnisse auch in spezieller Weise berücksich-tigt werden.

Der Bewegungsapparat ist das Ausführungs-organ der zentralen Fehlsteuerung. Die gro-ßen Herausforderungen bei der Beschäftigungmit diesem Krankheitsbild dürften darin lie-gen, dass man im besten Falle eine Annähe-rung an den Normalzustand, niemals jedochdie Normalität erreichen kann, und dass beiungünstigen Voraussetzungen trotz eines rela-tiv großen Therapieaufwandes nur geringeVerbesserungen zu erreichen sind. Jeder Pa-tient ist verschieden und benötigt ein indivi-duelles Behandlungskonzept.

Einleitung1

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Synonyme der infantilen Zerebralparese (IZP)sind zerebrale Kinderlähmung, infantile Zereb-rallähmung, Cerebral Palsy, IMOC=InfirmitéMotrice d’Origine cérébrale, Paralisis cérébralinfantil.

Der Begriff der infantilen Zerebralparese (IZP)stellt keine Diagnose dar, sondern ist die kli-nische Beschreibung eines Zustandes. Im inter-nationalen Gebrauch hat sich hierfür auch derBegriff der statischen Enzephalopathie etabliert.

„Die infantile Zerebralparese stellt eine dauerhafte,aber nicht unveränderliche Störung von Haltungund Bewegung aufgrund eines Defektes oder einerSchädigung des unreifen Gehirnes dar“.(M. Bax 1964)

„Die infantile Zerebralparese ist ein klinischer Be-griff für eine Reihe von Syndromen des ersten Mo-toneurons infolge von Störungen der frühen Hirn-entwicklung“.(Johnston 2002)

„Der Begriff Zerebralparesen umfasst eine Gruppevon Krankheitsbildern, die häufig sind und zu ei-ner meist schweren Behinderung führen, und diebei den Betroffenen ähnliche spezielle medizini-sche, sozialmedizinische und therapeutische Unter-stützungen notwendig machen“.(Krägeloh-Mann 2001)

„Der Begriff ,infantile Zerebralparese‘ bezeichneteinen Komplex motorischer Symptome, der Aus-druck einer statischen, nicht progredienten Enze-phalopathie ist, diese ist als Folge einer exogenenfrühkindlichen, prä- oder perinatalen Gehirnschä-digung aufzufassen“.(R. Korinthenberg 2001)

Mutch und Kollegen betonten mit ihrer Definiti-on die wechselnde Ausprägung der Lähmung:

„Cerebral palsy is an umbrella term covering agroup of non-progressive, but often changing mo-torimpairment syndromes secondary to lesions oranomalies of the brain arising in the early stagesof development“.(Mutch 1992)

Die aktuellste Definition wird von Bax, Gold-stein und Rosenbaum (2005) vorgestellt. Sieist die bisher umfassendste:

„Der Begriff Zerebralparese beschreibt eine Gruppevon Entwicklungsstörungen der Haltung und Be-wegung, die zur Aktivitätseinschränkung führen.Ursächlich liegt eine nicht progrediente Störungder fetalen oder frühkindlichen Hirnentwicklungvor. Die motorischen Probleme werden häufigdurch weitere Störungen von Sensorik, Auffassung,Kommunikation, Perzeption, Verhalten oder vonEpilepsie begleitet.“

Aus orthopädischer Sicht sind bei den Defi-nitionen für die infantile Zerebralparese dieBegriffe „dauerhafte frühkindliche Schädi-gung“ und „sich (mit dem Wachstum undder Entwicklung) verändernde Störungenvon Haltung und Bewegung“ besonderswichtig. Sie beschreiben die Notwendigkeiteiner langfristigen Betreuung.

2.1 Historie

Über die Beschäftigung mit der IZP wurde inder Zeit vor der ersten genauen Beschreibungdes Krankheitsbildes durch Sir William JohnLittle (1810–1894) (Abb. 1) nur vereinzelt be-richtet. Nach Silfverskjöld (1924) hat der Fran-zose Cazauvielh an der Salpêtrière in Paris be-reits 1827 eine Arbeit zur Zerebralparese veröf-fentlicht („Recherches sur l’agenesie cérébrale etla paralysie congéniale“).

Little beschrieb in seiner klassischen Arbeit(1862) die Ursachen der Zerebralparese am Ge-hirn und die pathologischen Auswirkungen aufden Bewegungsapparat. Der Titel von Little’sOriginalarbeit spricht für sich selbst: „On the

Definition2

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influence of abnormal parturition, difficult la-bours, premature birth, and asphyxia on themental and physical condition of the child espe-cially in relation to deformities.“

Little berücksichtigte auch die zusätzlichenBehinderungen. Er klassifizierte die Zerebralpa-resen in:z Hemiplegie mit Rigidität,z Paraplegie mit Rigidität (klassische Diparese

oder Little-Krankheit),z generalisierte Rigidität (Tetraparese),z Bewegungsstörungen ohne Rigidität (Dysto-

nien).

Zur Therapie äußerte sich Little nur dahin-gehend, dass durch konservative und operativeMaßnahmen eine Besserung erreichbar sei, oh-ne aber näher auf die Methoden einzugehen:„Many of the most helpless have been restored toconsiderable activity and enjoyment of life.“

William Osler aus Philadelphia verfasste 1889eine Monographie, in der er sich bevorzugt mitden ätiologischen, klinischen und pathoanato-mischen Merkmalen der Zerebralparese be-schäftigte (Abb. 2). Seine umfassende Übersichtwurde durch eine Vielzahl von Fallbeschreibun-gen ergänzt.

Sigmund Freud behandelte in seinem 1897erschienenen Werk ebenfalls die klinischen und

z 2 Definition4

Abb. 1. Sir William John Little (1810–1894).

Abb. 2. Sir William Osler (1849–1919) sowie die Abbildung eines Kindes mit spastischem Überkreuzungsmuster aus seinem Buch.

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anatomischen Aspekte. Seine Arbeit ist beson-ders wegen der umfassenden Berücksichtigungder damaligen Literatur interessant. Freud ver-suchte auch die Vielfalt divergierender Anschau-ungen hinsichtlich der Ätiologie, der pathologi-schen Anatomie und der Klinik unter dem Be-griff Einheitsbestrebungen zusammenzufassen.Hereditäre Formen wurden von der Zerebralpa-rese getrennt.

Freud teilte die verschiedenen Formen derZerebrallähmung in folgende Untergruppen ein:z hemiplegische Zerebrallähmung,z diplegische Zerebrallähmung mit folgenden

Untergruppen:– allgemeine Starre,– paraplegische Starre,– spastische Paraplegie,– bilaterale Hemiplegie,– allgemeine Chorea,– bilaterale Athetose.

Die oben aufgeführte Einteilung hat sich abernicht durchsetzen können. Freud bezeichnetedie Behandlung der IZP selbst als armseligesund trostloses Kapitel, wobei er jedoch bei spas-tischen Lähmungen die orthopädischen Maß-nahmen als durchaus sinnvoll beschrieb.

Wenn man sich mit der historischen ortho-pädischen Literatur zur IZP beschäftigt, dannzieht sich die Zusammenarbeit zwischen opera-tiver und konservativer Therapie wie ein roterFaden durch die meisten Arbeiten.

Hinsichtlich der operativen Behandlungs-methoden der IZP können mehrere Periodenunterschieden werden:

z Periode der Sehnenoperationen (Tenotomi-en),

z Periode der forcierten Redression mit an-schließender Gipsruhigstellung,

z Sehnen- und Muskelverpflanzungen,z Eingriffe am Nervensystem.

Delpech (1772–1832) und Dieffenbach(1792–1847) (Abb. 3) wie auch Stromeyer(1804–1876) – er hatte Little’s Spitzfuß 1836operiert – wandten ihre Methode der subkuta-nen Tenotomie auch vereinzelt auf Patienten mitspastischen Kontrakturen an. Diese wurden an-schließend mit Redressionsapparaten, Gymnas-tik und Bandagen versorgt.

Jacob von Heine (1800–1879) beschrieb inseiner Monographie zur spinalen Kinderläh-mung (1860) auch Fälle von spastischer Hemi-und Paraparese (Hemiplegia bzw. Paraplegia ce-rebralis spastica) mit den typischen Deformitä-ten der Arme und Beine. Er stellte fest, dasssich die betroffenen Muskeln bei galvanischerReizung leichter und stärker kontrahierten alsdie auf der gesunden Gegenseite. Heine wiesauch auf zusätzliche Behinderungen hin. Er be-handelte die spastischen Lähmungen neben dersubkutanen Tenotomie durch Bäder, Einreibun-gen, Gymnastik und orthopädische Apparate.Bei den meisten seiner detailliert beschriebenenPatienten konnte eine Besserung erreicht wer-den.

Gaugele und Gümbel (1913) beschreiben dieforcierte Redression als Methode zur Behand-lung spastischer Kontrakturen. Sie wurde durchAdolf Lorenz (1854–1946) eingeführt und stelltsicherlich das brutalste und für die Patienten

2.1 Historie z 5

Abb. 3. Die Pioniere der Sehnenchi-rurgie: Jaques Mathieu Delpech(1777–1832) und Johann FriedrichDieffenbach (1792–1847).

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unangenehmste Verfahren dar. Die Manipulatio-nen wurden in Narkose manuell oder mit Appa-raten erreicht. Anschließend wurde der Patientüber mehrere Monate eingegipst.

„Auf einem der bekannten orthopädischen Tischewird das narkotisierte Kind auf die Beckenstützegelegt und an den Beinen durch Zuggamaschenein mehr oder weniger starker maschineller Zugausgeübt. Gelingt ein vollkommenes Redressementbesonders der Adduktoren nicht, so wird nach ei-nigen Wochen das Redressement, welches inschweren Fällen wohl stets mit Sehnen- und Mus-kelzerreißungen einhergehen muss, wiederholt . . .Für schwere Fälle möchte ich nicht unterlassen,den Rat zu geben, das beschriebene Redressementnicht zu heftig und nicht an allen Gelenken aufeinmal auszuführen“.(K. Gaugele 1913)

Die Ära der Muskel- und Sehnenverpflanzungenwurde durch positive Berichte bei Poliopatien-ten durch Carl Nicoladoni 1881 begründet.Wichtige Vertreter dieser Technik waren OscarVulpius, Fritz Lange, Alessandro Codivilla, Ar-nold Tubby und Robert Jones. Die Ergebnissewaren bei Patienten mit Zerebralparese weitaus

weniger überzeugend, weshalb man diese Me-thode schon vor dem Ersten Weltkrieg wiederverließ.

Operationen am peripheren Nervensystemwurden durch Otfried Förster (1908 Resektionder hinteren Rückenmarkswurzeln) (Abb. 4a,b)und durch Adolf Stoffel (1912 partielle Resekti-on motorischer Nervenäste) begründet. Förster’sMethode wurde wegen schwerwiegender Neben-wirkungen schon bald wieder verlassen. Gaugeleund Gümbel verfassten 1913 eine wertvolleÜbersicht zur Zerebralparese und zur Operationnach Förster. Sie kamen zum Ergebnis, dass dieZerebralparese keine Indikation für diese Me-thode darstellt.

Erst in den 80er Jahren des 20. Jahrhundertswurde die Idee einer selektiven Hinterwurzel-durchtrennung durch Warwick Peacock zu-nächst in Südafrika und dann in Kalifornienwiederaufgenommen (näheres s. Kapitel 15). Diepartielle Resektion der Nervenwurzeln nachStoffel hat besonders im französischen Sprach-raum bis in die jüngste Zeit Anhänger (Sindou1974, Lazorthes 2002).

z 2 Definition6

Abb. 4. a Das Buch von Gaugele und Gümbel aus dem Jahre1913 widmete sich schwerpunktmäßig der Hinterwurzel-durchtrennung von Otfried Förster. b Hier ist die Lage derHinterwurzeln mit ihren Wurzelfäden schematisch dargestellt.a

b

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Obwohl die Beschäftigung mit dem Patien-tengut der Zerebralparetiker eher wenig populärwar, widmete man der so genannten Little-Krankheit in den wichtigen klassischen ortho-pädischen Lehrbüchern doch einen gewissenRaum. Bei Hoffa (1904) waren es 16 Seiten undim Lehrbuch der Orthopädie von Fritz Lange(1914) immerhin fast 40 Seiten, die die IZP zumThema hatten. Auch im wichtigen Werk vonPatrick Haglund (1923) waren es mehr als 40Seiten, die sich ausschließlich mit der IZP be-schäftigten. Dies bedeutet, dass wir durchausauf einen beachtlichen Erfahrungsschatz zu-rückgreifen können.

Die Erkenntnis, dass spastische Kontrakturenaus einer abnormen Innervation oder einer pa-thologischen Reizung motorischer Nervenfasernentstehen, ist nicht neu (Hoffa 1904). Der Autorbeschreibt auch den geschwindigkeitsabhängi-gen Widerstand der Muskulatur und das Ta-schenmesserphänomen. „Die cerebralen Diple-gien stellen in ihren verschiedenen Formen eingroßes und für gewisse Fälle außerordentlichdankbares Feld unserer chirurgisch-orthopädi-schen Therapie dar“ (Hoffa 1904). Dieser Satzkönnte auch in unserer Zeit geschrieben wordensein, hat sich doch die Notwendigkeit einer dif-ferenzierten Indikationsstellung zur Operationnicht geändert.

Hoffa gab eine eigene Klassifikation an, diedurchaus noch modern ist, und bei der er diePatienten in vier Gruppen einteilte:z Gruppe 1: Patienten mit überwiegender bzw.

ausschließlicher Beteiligung der Beine undmit normaler Intelligenz. Dieses Krankheits-bild bezeichnete er als typische Little-Erkran-kung, das wir heute mit spastischer Diparesebezeichnen würden. Er gab dieser Gruppeauch eine gute Therapieprognose, solangesich noch keine stärkeren Kontrakturen ent-wickelt haben.

z Gruppe 2: Patienten mit spastischer Lähmungder Arme und der Beine und gleichzeitigenzerebralen Störungen (Fälle mit allgemeinerStarre). Diese Patienten bezeichnen wir heuteals Tetraparetiker. Hoffa schrieb ihnen thera-peutisch eine schlechte Prognose zu.

z Gruppe 3: Patienten mit Athetose und fast un-unterbrochen unwillkürlichen ungeordnetenBewegungen.

z Gruppe 4: Patienten mit zerebraler Hemiple-gie und relativ guter therapeutischer Progno-se.

Als Therapieprinzip bezeichnete Hoffa eine He-bung der Wirkung des zentralen Neurons undeine Schwächung der Wirkung des peripherenNeurons. Als Behandlung wurden zur Wieder-herstellung eines Muskelgleichgewichtes thera-peutische Übungen und Massagen, aber auchWiderstandsbewegungen an Apparaten empfoh-len. Das Konzept der Kräftigungstherapie beispastischen Lähmungen war jahrzehntelangverpönt und wurde erst in jüngster Zeit wiederaufgenommen (Damiano 1998). Bei Kontraktu-ren wurde die Tenotomie (bereits zu damaligerZeit als Mehretagenkorrektur) mit anschließen-der Gipsruhigstellung (4–6 Wochen) in Über-korrektur eingesetzt. Hoffa weist auch auf dieWichtigkeit einer guten postoperativen Mobili-sation hin. Die gehfähigen Patienten wurden zu-meist postoperativ mit oberschenkellangenSchienenhülsenapparaten versorgt (Abb. 5).

Tubby und Jones (1903) behandelten diespastischen Lähmungen in ihrem klassischenWerk besonders ausführlich. Hoch interessantund aktuell sind ihre Empfehlungen zur kom-binierten operativen und konservativen Behand-lung und zur simultanen Korrektur auf allenEtagen:

„We strongly advocate that the treatment of spasticparalysis should be rigorously systematised, andany treatment must involve at least three stages –operative, mechanical and educational“.(Tubby u. Jones 1903)

Biesalski wies im Lehrbuch von Lange (1914)darauf hin, dass der wesentliche Unterschiedder IZP gegenüber der erworbenen HemiplegieErwachsener darin besteht, dass die Schädigun-gen auf ein in Entwicklung befindliches Nerven-system treffen und die Pyramidenbahn in ihrer

2.1 Historie z 7

Abb. 5. Postoperativ wurden in den 1920er Jahren langeSchienenhülsenapparate verwendet (Gaugele 1913).

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Reifung beeinträchtigen. Der Autor setzte sich beiseinen Empfehlungen zur Therapie für die da-mals revolutionäre Operation nach Förster (teil-weise Durchtrennung der Hinterwurzeln amRückenmark) ein. Gleichzeitig plädierte er für ei-ne intensive Nachbehandlung: „Mit der Übungs-therapie steht und fällt jede Behandlung der spas-tischen Lähmung“ (Biesalski 1914). Sehnentrans-positionen lehnte Biesalski eher ab, während erTenotomien, gefolgt von Gymnastik und Appara-teversorgung, für die beste Methode bei gehfähi-gen Patienten ansah. Biesalskis großes Verdienstbesteht auch darin, dass er die berufliche und so-ziale Rehabilitation dieser Patienten förderte.

W.M. Phelps (1894–1971) leistete mit seinemBeitrag (1932) zur orthopädischen Klassifikationder spastischen Lähmungsqualität und zur diffe-renzierten Indikationsstellung für die jeweiligeTherapie eine Pionierarbeit. Er unterteilte dieLähmungen inz Spastik,z Athetose,z Synkinesien,z Inkoordination oder Ataxien,z Tremor.

Bezüglich der Therapie unterschied W.M. Phelpsdie Entspannung, die Stabilisierung von Kopfund Rumpf und die von proximal nach distal ge-richtete Behandlung der Extremitäten. Die rezi-proken Bewegungen bilden einen Hauptbe-standteil der Therapie. Die operativen Maßnah-men stellen dagegen nur eine Ergänzung dar.Phelps hielt 1 Stunde Behandlung pro Tag an 6Tagen in der Woche für ausreichend. Er setzte be-reits Filmaufnahmen zur Dokumentation ein. ImJahre 1947 gründete er die amerikanische Zere-bralparesegesellschaft (AACPDM).

Im französischen Schrifttum unterschied manzwischen der spastischen Para- und Tetraparese(Little-Krankheit) und der spastischen Hemipa-rese (Rocher 1937). Ducrocquet (1925) gab einegründliche Darstellung der typischen diplegi-schen Muskelpathologien (Abb. 6).

Man trennte die konservative und die operati-ve Behandlung. Neben den typischen weichtei-ligen und knöchernen Operationen wurde denEingriffen am peripheren Nervensystem (A. Stof-fel) ein breiter Raum gewidmet. Rocher (1937)gab den unseres Wissens ersten therapeutischenorthopädischen Algorithmus für spastische De-

z 2 Definition8

Tabelle 1. Therapeutischer Algorithmus für spastische Deformitäten nach Rocher (1937)

Deformität Qualität Therapie

z Spitzfuß spastisch Lagerungsschiene, Redressionsbehandlung, ggf. Tenotomie(Vorsicht Hackenfußgefahr) oder Neurotomie (Stoffel-Op.)

überwiegendkontrakt

Achillessehnenverlängerung, ggf. kombiniert mit Neurotomie;ggf. Arthrodese

z Kniebeugedeformität spastisch Etappenredression, ggf. Neurotomie; ggf. Tenotomie der Kniebeugerüberwiegendkontrakt

Tenotomie oder Rückversetzung der Kniebeuger

z Hüftbeugeinnenrotations-deformität

spastisch Obturatoriusneurotomie; Spinamuskelablösungüberwiegendkontrakt

Adduktorentenotomie; Spinamuskelablösung, subtrochantäreOsteotomie, ggf. mit Derotation

Abb. 6. Darstellung der pathologi-schen spastischen Musteraktivierungnach Ducroquet.

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formitäten des Armes und des Beines an, derauch heute noch von Interesse ist (Tabelle 1).

Die Kombination aus orthopädischen Opera-tionen (offen oder perkutan) mit vielwöchigerGipsruhigstellung und anschließender kranken-gymnastischer und orthopädietechnischer Ver-sorgung war für die IZP-Patienten noch bis indie Mitte des 20. Jahrhunderts Standard (Linde-mann 1963). Die Patienten wurden hierzu übermehrere Monate stationär behandelt. Erst mitder Einführung neuer konservativer Behandlun-gen (nach Bobath, Petö, Vojta) und operativerVerfahren und durch den Einsatz instrumentel-ler Diagnostik brach ein neuer Zeitabschnitt imVerständnis der Störung und in der Therapieder Patienten an.

Durchaus beachtlich bleibt dennoch die Aus-sage von Tubby und Jones (1903), an der auchunsere heutigen Maßnahmen zu messen sind:

„We would argue, from conviction and frompractical experience, that a large proportion ofchildren suffering from severe spastic paralysismay be transformed into useful members of thecommunity, improved both in body and mind bysurgical efforts, and enabled to walk with com-paratively little deformity, generally requiring mere-ly the aid to be derived from one or two sticks“.(A.H. Tubby u. R. Jones 1903)

Die Beschäftigung mit historischen Quellen zurIZP beweist, dass die meisten heute geübtenVerfahren auf alte Wurzeln zurückgehen.

2.2 Normale motorische Entwicklungund Funktion

Eine Beurteilung pathologischer Veränderungenist ohne Kenntnis der Normalbefunde und ihrerGrenzen nicht möglich. Jede therapeutischeMaßnahme muss ihre Auswirkungen auf dasWachstum und die Spontanentwicklung desKindes berücksichtigen. Während kurzfristigeZiele meist dem Erwerb neuer spezifischer Fä-higkeiten dienen, sollten die mittel- und lang-fristigen eher das gesamte Individuum und sei-ne Rolle in der Gesellschaft beinhalten.

2.2.1 Motorische Entwicklungund Gangentwicklung

2.2.1.1 Wachstum

Das Wachstum entspricht einer stetigen Zunah-me von Körpergröße und -gewicht und ist inbestimmten Altersperioden besonders ausge-prägt. Die verschiedenen Körperregionen wach-sen dabei in unterschiedlichem Maße. So ist dasKopfwachstum in früher Kindheit besondersausgeprägt, während das Rumpf- und das Extre-mitätenwachstum anderen Zeitabschnitten fol-gen. Die Wachstumsrate ist dabei ein weitaussensitiverer Indikator für das körperliche Wohl-befinden als ein absoluter Wert zu einem be-stimmten Zeitpunkt.

Man unterscheidet drei Hauptphasen des Wachs-tums (Niethard 1997):z ein stetiges, aber allmählich langsamer wer-

dendes Wachstum bis etwa zum 5. Lebens-jahr,

z ein gleichmäßiges Wachstum zwischen dem5. Lebensjahr und dem Einsetzen der Puber-tät,

z einen anschließenden pubertären Wachstums-schub.

Zur Überprüfung des Verlaufes von Wachstumund Gewicht existieren für Mädchen und fürJungen spezifische Wachstumskurven (Abb. 7,Tabelle 2).

Kinder mit Zerebralparese können je nachBehinderung eine ausgeprägte Wachstumsretar-dierung zeigen. Die Ursachen sind multifak-toriell, neben einer neurologisch bedingtenzentralen Hypoplasie (Hemiparese, Tetraparese)tragen auch Gedeihstörungen (Dystrophie) dazubei.

2.2 Normale motorische Entwicklung und Funktion z 9

Tabelle 2. Normale Wachstums- und Gewichtszunahme(mod. nach Molnar 1992)

Altersbereich Körpergröße Körpergewicht

Geburt ca. 50 cm ca. 3400 g

1 Jahr ca. 75 cm ca. 2�3400 g

4 Jahre ca. 100 cm ca. 3�3400 g

6–8 Jahre ca. 5 cm pro Jahr ca. 2 kg pro Jahr

10–15 Jahre ca. 5–8 cm pro Jahr ca. 2 kg pro Jahr

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z 2 Definition10

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2.2 Normale motorische Entwicklung und Funktion z 11

Abb. 7. Typische Wachstums- und Gewichtskurven von Kindern von 0–18 Jahren.

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2.2.1.2 Allgemeine motorische Entwicklung

Die normale Entwicklung ist mit dem Erwerbbzw. der Perfektionierung motorischer Funktio-nen verknüpft. Sie geht in einem definiertenzeitlichen Ablauf vor sich. Dabei scheint dieReihenfolge des Erwerbs bestimmter Fähigkei-ten wesentlicher als ihre Geschwindigkeit zusein. Die Streubreite des Normalen ist dabei na-turgemäß sehr groß. Die Entwicklungsschrittevollziehen sich in kraniokaudaler Richtung. Siebeginnen mit dem Erwerb der Kopfkontrolleund enden mit dem freien Gehen. Einfache Be-wegungsmuster werden dabei nach und nachdurch komplexe und differenzierte motorischeFähigkeiten ersetzt (Erwerb so genannter moto-rischer Meilensteine) (Abb. 8).

Für die Diagnostik bzw. die Abschätzung desVerlaufes einer Zerebralparese ist der Zeitpunktdes Verschwindens so genannter primitiver Re-flexschablonen des Neugeborenen wesentlich(Tabelle 3). Ein Persistieren derartiger Musterbedeutet immer zumindest eine verzögerte mo-torische Reifung des ZNS, kann aber auch aufeine strukturelle Schädigung hinweisen (Feld-kamp 1988).

Nach Capute (1984) sind folgende Reflexe beider Diagnostik besonders zu beachten: ATNR(asymmetrisch tonischer Nackenreflex), STNR(symmetrisch tonischer Nackenreflex), TLR(tonischer Labyrinthreflex), Unterstützungsreak-tion, Galant-Reflex, Moro-Reflex und die Kopf-

Körper-Stellreflexe. Capute definierte verschie-dene Ausprägungsgrade der Reaktionen und un-tersuchte ihr Verschwinden bei normaler moto-rischer Reifung. Mit dem Zurückgehen der Pri-mitivreflexe erscheinen physiologische differen-zierte Reflexe (Tabelle 4) unter der Kontrolledes Mittel-, Groß- und Kleinhirns, die die Ent-wicklung normaler Motorik maßgeblich beein-flussen und das ganze Leben lang erhalten blei-ben (Göb 1967).

Der Erwerb und die Entwicklung grob- undfeinmotorischer Fähigkeiten werden als so ge-nannte motorische Meilensteine (Tabelle 5) be-zeichnet. Diese sind naturgemäß mit der emo-tionalen Reifung, der Entwicklung sozialer Ver-haltensmuster sowie der kognitiven und sprach-lichen Fortentwicklung gekoppelt. Da für denBewegungsapparat die motorischen Meilensteinebesonders wichtig sind, werden sie hier aus-führlicher dargestellt. Voraussetzung für denzeitgerechten Erwerb motorischer Fähigkeitenist neben einer physiologischen Reifung desNervensystems die adäquate Beschaffenheit derUmgebung (Familie, soziale und ökonomischeAspekte). Bezüglich der Entwicklung der ande-ren Fähigkeiten sei auf Spezialliteratur verwie-sen (Levitt 1984, Molnar 1992).

Die Beurteilung der motorischen Entwicklungvergleicht den aktuellen Stand mit dem der Al-tersgruppe hinsichtlich der globalen Funktion,aber auch der Qualität und der Bewältigungschwierigerer Aufgaben.

z 2 Definition12

Abb. 8. Darstellung der motorischenEntwicklung des gesunden Säuglings(mod. nach Goff 1986).

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2.2 Normale motorische Entwicklung und Funktion z 13

Tabelle 3. Wichtigste Primitivreflexe des Neugeborenen und Zeitraum ihres Verschwindens

Reflex Auslösung Reflexantwort Verschwinden Bemerkungen

z Asysmetrisch tonischerNackenreflex (ATNR)

Kopfwendungzur Seite

Streckung der gesichts-seitigen Extremitäten,Beugung der hinter-hauptsseitigen

6.–7. Lebensmonat Persistenzbei schwerer IZP

z Symmetrisch tonischerNackenreflex (STNR)

Kopfbeugung Armbeugung/Bein-streckung (symm.)

6.–7. Lebensmonat Persistenzbei schwerer IZP

Kopfstreckung Armsteckung/Bein-beugung (symm.)

z Moro-Reaktion Erschütterung,rasche Kopfhebung

Armabduktion und-streckung, gefolgtvon Armadduktionund -beugung

4.–6. Monat Persistenz bei IZP

z Tonischer Labyrinthreflex(TLR)

Kopfstellung imRaum; Kopfstreckung/Rückenlage

globaleStreckschablone

4.–6. Monat Persistenzbei schwerer IZP

Kopfflexion/Bauchlage globaleBeugeschablone

z PositiveUnterstützungsreaktion

Berührung und Ge-wichtsübernahmedurch die Fußsohle

Beinstreckungund teilweiseGewichtsübernahme

3.–7. Monat Persistenz deutetauf Spastik hin

z Suchreflex Bestreichen desMundwinkels

Bewegung von Zunge,Mund und Kopf zumStimulus hin

ab 4. Monat Persistenz deutetauf umreifes ZNS

z Fingergreifreflex Stimulieren derHandfläche durchDruck oder Berührung

Fingerbeugung 5.–6. Monat Persistenz deutetauf Spastik hin

z Zehengreifreflex Stimulieren derFußsohle imVorfußbereich

Zehenbeugung 12–18 Monate Persistenz deutetauf Spastik hin

z Schreitreflex Fußkontakt mitUnterlage undVorwärts- bzw.Seitwärtskippendes Körpers (auchbei Kopftieflage)

automatischesGehen in Streck-und Beugeketten

3.–4. Monat Persistenz beiPyramidenbahnschaden

z Ausweichen Reizung desFuß-/Handrückens

Beugung, um Fußoder Armzu positionieren

vor dem1. Lebensjahr

fehlt bei Streckspastik

z Galant-Reflex Bestreichen derRückenhautparavertebral

einseitigeKonkavität zumReiz hin

nimmt nach dem1. Jahr ab

Persistenz bei Spastik

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Die normale motorische Reifung vollziehtsich in definierten Schritten in kraniokauda-ler Richtung. So genannte primitive Reflex-schablonen werden bei normaler Entwick-lung durch differenziertere Bewegungsmusterersetzt, ein Persistieren dieser Schablonendeutet auf eine Zerebralparese hin.

2.2.1.3 Entwicklung des Ganges

Die ersten gehartigen Bewegungen treten bereitsim Uterus zwischen der 10. und 12. Schwanger-schaftswoche auf, sie können beim Neugebore-nen als typischer Schreitreflex ausgelöst werden.Obwohl diese Bewegungen normalerweise imLaufe der ersten Lebensmonate verschwinden,können sie ausnahmsweise auch bis zum 7.–9.

z 2 Definition14

Tabelle 4. Entwicklung physiologischer Reflexe

Reflex Auslösung Reflexantwort Auftreten Bemerkungen

z Kopfstellreflex optisch oder vestibulär vertikaleKopfausrichtung

Bauchlage: 2. MonatRückenlage: 4. Monat

global bei Pyramiden-bahnschaden

z Kopf-Körper-Stellreflex

propriozeptivund vestibulär

Ausrichtungdes Körpersnach dem Kopf

4.–6. Monat fehlt bei Pyramiden-bahnschaden

z Stützreaktion/Fallschirmspringer-reaktion

Verlagerung desSchwerpunktes,Rumpfkippung

Ausstrecken derArme zum Stütz

5.–12. Monat fehlt bei Pyramiden-bahnschaden

z Kipp- undGleichgewichts-reaktion

Kippen des Körper-schwerpunktes

Anpassung von Rumpf-haltung zur Gleichge-wichtssicherung

6.–14. Monat fehlt bei Pyramiden-bahnschaden

Tabelle 5. Wichtigste motorische Meilensteine und Zeitraum ihres Erscheinens

Alter Grobmotorische Meilensteine Feinmotorische Meilensteine

Neugeborenes Beugemuster; Schreitreflex;passives Sitzen mit Totalkyphose

gefaustete Hände; Greifreflex (Hand, Fuß)

4 Monate Kopf wird gehalten; Drehen auf den Rücken Finger geöffnet; grobes palmares Greifen

7 Monate Sitzen, Rollen auf den Bauch, Gewichtsübernahme;HWS-Lordose

spontanes Greifen; Transfer von Handzu Hand

10 Monate Krabbeln; Aufsetzen, Hochziehen an Gegenständen;LWS-Lordose

Schlüssel- und Pinzettengriff;schlägt Gegenstände gegeneinander

14 Monate freies Gehen, breitbasig mit Hüft- und Kniebeugung;Beckenkippung

stapelt 2 Würfel, wirft Gegenstände,hält Stift in der Hand

18 Monate schmälere Gangbasis, Fersen-Vorfußgang,geht rückwärts

beginnende Handdominanz,einfache Spiele

24 Monate beginnt zu rennen, geht alleine treppaufund treppab, hüpft auf beiden Füßen

Handdominanz, Turm aus 8 Wüfeln,greift Stift zwischen Daumen undZeigefinger; beginnt zu zeichnen

36 Monate rennt sicher, fährt Dreirad;alternierendes Treppaufsteigen

zeichnet Kreis; wirft und fängtmit ausgestreckten Armen

48 Monate alternierendes Treppabsteigen, Einbeinhüpfen,Aufsetzen ohne Rumpfrotation

isolierter Gebrauch eines Stiftes, zeichnetKreuz und Kopffüßler, Scherenschneiden

60 Monate Einbeinhüpfen, Zehenspitzengehen,balanciert 10 Sekunden auf einem Bein

zeichnet Menschen, wirft mit diagonalerKörperbewegung, fängt mit den Händen

72 Monate Fahrradfahren; Rollschuhlaufen Buchstaben, reifes Werfen und Fangen

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Lebensmonat fortbestehen. Diese Schreitbewe-gungen werden auch im Liegen und unter Was-ser beobachtet. Sie können aber nicht als Gehenbezeichnet werden, da sie nicht imstande sind,das Körpergewicht zu tragen (Galea 2004). Zwi-schen dem 9. und 18. Lebensmonat entwickeltsich das freie Gehen als Spiegelbild der Ent-wicklung des Haltungs- und Bewegungskontroll-systems. Es ist das große Verdienst David Su-therlands, die normale Gangentwicklung durchumfangreiche instrumentelle Untersuchungenerforscht zu haben (Sutherland 1988, Skinner1994).

Der Schreitreflex des Neugeborenen bestehtaus der alternierenden Aktivierung von Beuge-und Streckmuskelketten (synchrone Aktivierungvon Agonisten und Antagonisten) (Skinner1994). Es wird angenommen, dass diese Akti-vierung auf spinaler Ebene erfolgt (Spinal Pat-tern Generator) (Grillner 1996). Dies beinhaltetauch eine Aktivierung der Plantarflektoren zumEnde der Schwungphase. Nach Sutherland ver-schwindet dieser Reflex zunächst im 2. Monat,um etwas später im Alter von 8–9 Monaten alsVorläufer des normalen Ganges wieder zu er-scheinen. Bei erworbenen Hirnschäden kommtes zu einem Wiederauftreten des pathologischenSchreitreflexes, wenn die Pyramidenbahn be-troffen ist.

Die weitere Gangentwicklung folgt mit demso genannten unterstützten Gehen als Vorläuferdes freien Gehens. Beide Arten unterscheidensich durch ein Nacheinander von Knie- undHüftbeugung sowie eine Dorsalflexion imSprunggelenk vom elementaren Schreiten. Eineeigentliche Abstoßfunktion durch die Plantar-flektoren fehlt aber zunächst. Die isolierte Akti-vierung der Beinmuskulatur entwickelt sichüber die ersten Lebensjahre allmählich weiter,bis der Gang etwa um das 4. Lebensjahr aus-gereift ist (Sutherland 1988).

Die aufrechte Fortbewegung im Sinne einerEnergieoptimierung fehlt beim Kleinkind noch,das wohl wegen des Gleichgewichtserwerbs zu-nächst steif und breitbasig läuft. Interessanter-weise vollzieht sich der Vorgang des Gehenler-nens selbsttätig und führt immer zum ungefährgleichen Endergebnis. Deshalb bezeichnete Su-therland (1988) die Entwicklung der aufrechtenFortbewegung auch eher als instinktive denn alskognitive Handlung, die an die Reifung desZNS gebunden ist.

Heriza (1991) unterscheidet folgende Stufen,die zum Erwerb der freien Gehfunktion führen:

z spontane Generierung von Bewegungsmus-tern,

z reziproke Beuge- und Streckmuskelketten,z Antischwerkraftentwicklung der Streckmus-

keln,z Änderung von Körpergröße und -proportio-

nen,z aufrechte Einstellung von Kopf und Rumpf,z Entkoppelung der früheren starren Synchro-

nisierung der Muskeln,z visuelle Einflussnahme auf die Fortbewegung,z zielgerichtete Motivation.

Neben der motorischen Entwicklung müssenaber auch die anderen Bereiche der Reifungberücksichtigt werden. Gesell u. Mitarb. (1952)sahen die Entwicklung als eine Gemeinsamkeitzwischen der Differenzierung der Struktur undder Spezialisierung der Funktion an. Sie gabendie folgende einprägsame Aufstellung der Mei-lensteine von motorischer und kognitiver Ent-wicklung an:z Entwicklung grobmotorischer Fähigkeiten:

Krabbeln, Gehen und alle fortgeschrittenenFunktionen der aufrechten Fortbewegung;

z Entwicklung feinmotorischer Fähigkeiten:Greifen und beidhändiges Arbeiten sowie derEinsatz des sensomotorischen Systems imAlltag;

z Entwicklung der Sprache und Kommunikati-on: Vokalisieren, Verstehen und Ausdrückenzum Zweck der Kommunikation;

z persönliches und soziales Verhalten: Erwerbsozialer Fähigkeiten und adäquate Bewälti-gung des persönlichen Umfeldes.

Die Entwicklung des Gehens vollzieht sichparallel zu der psychosozialen Reifung. Auseiner globalen alternierenden Aktivierungvon Streck- und Beugemuskelketten wirdlangsam eine optimierte aufrechte Fortbewe-gung, deren Reifung etwa um das 4. Lebens-jahr abgeschlossen ist.

2.2.2 Normale Funktiondes Bewegungsapparates

2.2.2.1 Nervensystem

Die Skelettmuskulatur stellt das Ausführungs-organ für alle Bewegungen dar, die im ZNS ent-worfen und gesteuert werden. Die großen und

2.2 Normale motorische Entwicklung und Funktion z 15

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schnellen Nervenzellen der Hirnrinde (Betz-Rie-senzellen) senden ihre Impulse über den Hirn-stamm (Tractus corticobulbaris) und dasRückenmark (Tractus corticospinalis anteriorund lateralis) zu den motorischen Vorderhorn-zellen des Rückenmarks. Von dort aus werdendie Signale über die peripheren Nerven zumMuskel geleitet (neuromuskuläre Endplatte).

Das motorische System ist streng hierar-chisch aufgebaut und besteht aus folgendenKomponenten:z motorische Zentren der Hirnrinde,z Basalganglien (extrapyramidales System),z Kleinhirn,z motorische Kerne des Hirnstamms,z Rückenmark.

z Hirnrinde. Die motorischen Zentren der Hirn-rinde haben die Aufgabe, Bewegungspläne zuentwerfen und vorzubereiten. Sie werden im Gy-rus praecentralis gesammelt und über das Sys-tem der Pyramidenbahn nach distal geleitet. Ih-re Fasern kreuzen in Höhe des verlängertenRückenmarks (Pyramidenkreuzung) auf die Ge-genseite (Tractus corticospinalis lateralis). An-dere Fasern der Pyramidenbahn ziehen unge-kreuzt im Tractus corticospinalis anterior nachdistal. Alle Fasern der Pyramidenbahn enden anden motorischen Vorderhornzellen.

z Basalganglien. Sie bestehen aus tief im Gehirnliegenden Kernen (Putamen, Globus pallidus,Nucleus caudatus, Substantia nigra und Nucleussubthalamicus=Corpus Luysii). Die Basalgang-lien sind mit dem Thalamus verknüpft, der mitdem Großhirn kommuniziert. Die Aufgabe derBasalganglien besteht aus der Planung und Ini-tiierung willkürlicher Bewegungen. Sie überprü-fen die zentral vorbereiteten Bewegungspläneund senden die geprüften Daten zurück zumGroßhirn, wo anschließend die definitive Bewe-gung befohlen wird.

z Kleinhirn. Hier werden die ausgeführten Bewe-gungen mit dem zentralen Bewegungsentwurfverglichen. Das Kleinhirn korrigiert Störungenund ist so für den flüssigen Bewegungsablaufzuständig. Dazu benötigt es periphere Informa-tionen über Muskellänge, Kontraktionskraft und-geschwindigkeit.

z Hirnstamm. Er sichert über seine motorischenKerne ein Grundgerüst des Haltungstonus, dasfür jede Form der Bewegung unabdingbar ist.

Der Tonus betrifft vornehmlich den Rumpf unddie proximalen Abschnitte der Extremitäten undsichert so die gezielte Bewegung der distalenExtremitätenanteile.

z Rückenmark. Das Rückenmark enthält die Vor-derhornzellen, die den Ursprung für die peri-pheren Nerven darstellen. Jede der motorischenVorderhornzellen ist für die Innervation eineroder mehrerer Muskelfasern zuständig (motori-sche Einheit). Die für einen Skelettmuskel maß-gebenden Motoneuronen sind im Rückenmarkin längs verlaufenden Säulen im Vorderhorn an-geordnet und erstrecken sich je nach Innervati-onsverteilung über eines oder mehrere Segmen-te (z.B. beim M. triceps surae von L5–S1). ImRückenmark besteht ein spinaler Reflexbogen,der für die gleichbleibende Länge eines inner-vierten Muskels über die Ia-Afferenzen der Mus-kelspindeln sorgt. Aber auch andere Stimuli ausder Peripherie (z. B. Gelenk- oder Hautrezepto-ren) können über direkte Verbindungen zum

z 2 Definition16

Abb. 9. Verbindungsbahnen des zentralen Nervensystems biszur Vorderhornzelle sowie Innervation der peripheren Musku-latur über das Alpha-Motoneuron.

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Rückenmark reflexartige Bewegungen auslösen.Dabei wird durch einen peripheren Reiz eineBewegungskette aktiviert (z.B. der Fluchtreflex).Zentrale Impulse dämpfen diese Reflexbögenüber die präsynaptische Hemmung. Gleichzeitigbesteht auf der Ebene des Rückenmarks dasSystem der reziproken Hemmung (über hem-mende Renshaw-Interneuronen), das für die un-gestörte Ausführung der geplanten Bewegungensorgt.

Darüber hinaus gibt es im Rückenmark auto-nome motorische Zentren, die imstande sind,beim Wegfall zentraler Impulse eigene primitiveBeuge- und Streckbewegungen zu generieren(Central Pattern Generators) (Grillner 1996)(Abb. 9).

2.2.2.2 Normale Skelettmuskulatur

z Anatomische Daten. Die quergestreifte Musku-latur ist durch einen enormen Grad der Anpas-sungsfähigkeit an sehr unterschiedliche äußereBedingungen wie Über- oder Unterbelastung(Schonung), Dehnungs- oder Verkürzungssitua-tionen sowie Veränderungen der Innervation,aber auch Traumen gekennzeichnet. Diese Fä-higkeit betrifft die Architektur, den Fasertypus,die Sehnenlänge, den Faserdurchmesser, die Fa-serlänge und die feingewebliche Verteilung (Lie-ber u. Friden 2000, Lieber 2002).

Im menschlichen Körper gibt es zwischen350 und 600 quergestreifte Muskeln, die jeweilsaus einem oder mehreren Muskelbäuchen undSehnen bestehen (Lebarbier 1989). Ein Menschvon 70 kg Körpergewicht verfügt über etwa 30kg an Muskulatur, wovon 20 kg auf Arme undBeine entfallen.

Der normale Muskel ist steng hierarchischaufgebaut (Lieber 2002). Ein Skelettmuskel be-steht aus Muskelzellen, Nervenendigungen undBlutgefäßen sowie einer extrazellulären Bindege-websschicht, die für die Form und den Schutzder Muskulatur verantwortlich ist und eine ef-fektive Kontraktionsfähigkeit vermittelt (Garrettu. Best 2000).

Der Muskelbauch ist durch Faszienschläuchein Faszikel unterteilt, die verschieden starkeBündel von Muskelfasern enthalten. Die Muskel-faser stellt das strukturelle Basiselement desMuskels dar, sie besteht aus einem Zellverbund(Synzytium) mit zahlreichen randständigenZellkernen. Eine Muskelfaser erstreckt sich vonihrer Ursprungsstelle an einer Sehne oder einem

Knochen über ein oder mehrere Gelenke hinwegbis zur Ansatzstelle. Somit ist die Muskelfasereine einzige sehr lange Zelle. Da die Muskelfa-sern abhängig von der Bauart des Muskels un-terschiedliche Ausrichtungen zur Muskellängs-achse haben, sind sie nur selten so lang wie ihrMuskel. Sie inserieren im Bereich einer Sehne,die innerhalb des Muskelbauches entspringt(Shortland 2002). Man kann je nach Muskelfie-derung einfiedrige und mehrfiedrige Muskelnunterscheiden (Abb. 10).

Die Muskelfasern sind von Bindegewebssep-ten umgeben, die die kontraktilen Elemente zu-sammenfügen und die zusammenhängende Be-wegung vermitteln. Von außen nach innen un-terscheidet man folgende Bindegewebshüllen:das Epimysium (außen um den ganzen Muskel),das Perimysium (in der Mitte um den Faszikel)und das Endomysium (innen um einzelne Mus-kelfasern). Das Bindegewebe ist ebenso wie dieGefäße so angeordnet, dass es den notwendigenLängenänderungen der Muskulatur folgen kann.Die Anordnung der Muskelfasern bestimmt diefunktionellen und die kontraktilen Eigenschaf-ten des zugehörigen Muskels. Die Fiederung ge-

2.2 Normale motorische Entwicklung und Funktion z 17

Abb. 10. Aufbau eines normalen Skelettmuskels (nach Toldt1911).

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stattet die Anordnung einer größeren Zahl vonMuskelfasern in einem gegebenen Querschnitt.

Die Muskelarchitektur kann innerhalb vonanatomisch direkt benachbarten Muskeln starkvariieren. Shortland (2002) weist darauf hin,dass die Mm. semimembranosus und semitendi-nosus trotz ihres sehr ähnlichen Ursprungs undAnsatzes große Unterschiede in der Faserlänge(M. semitendinosus= lang, M. semimembrano-sus=kurz) aufweisen. Shortland sieht die Ursa-che dafür in den unterschiedlichen Moment-armen. Größere Momentarme erlauben größereMomente bei geringerer Exkursion und umge-kehrt. (Dies würde allerdings bedeuten, dassder M. semitendinosus mit größerem Moment-arm eine geringere Exkursion aufweist, was ge-gen die klinische Kenntnis spricht, da der Mus-kel eine enorme Faserlänge besitzt; Lieber 2002)(Abb. 11).

z Muskelphysiologie. Die normale Muskelfunk-tion erfordert eine intakte Propriozeption, eine

intakte motorische Innervation, eine mechani-sche Belastung und intakte, stabile und frei be-wegliche Hebelarme um die Gelenke. Die maxi-male Kraftentwicklung eines Muskels ist propor-tional zu seiner physiologischen Querschnitts-fläche, die in etwa der Anzahl der parallel ange-ordneten Sarkomere innerhalb des Muskels ent-spricht. Die Verkürzungsfähigkeit und die Verk-ürzungsgeschwindigkeit sind dagegen von derindividuellen Muskelfaserlänge abhängig. Diesbedeutet, dass Kraftmuskeln (Mm. quadriceps,soleus) durch kürzere Fasern und eine größereFiederung gekennzeichnet sind, währendGeschwindigkeitsmuskeln (M. semitendinosus)eher längere Fasern mit weniger Fiederung auf-weisen. Die Muskulatur wird durch das zentraleund periphere Nervensystem gesteuert. JedeMuskelfaser erhält dabei eine Nervenendigung,die so genannte motorische Endplatte.

Alle Endplatten mit den zugehörigen Muskel-fasern, die zu einem einzelnen Nervenaxongehören, nennt man motorische Einheit. Sowohl

z 2 Definition18

Abb. 11. Verhältnis der Muskelfaserlänge (entspricht derMuskelexkursion) zum physiologischen Querschnitt (entsprichtder Kraft) bei den wichtigsten Muskeln des Beins (mod. nachLieber 2002). GM=M. gastrocnemius medialis; VL=M. vastuslateralis; VI=M. vastus intermedius; TP=M. tibialis posterior;VM=M. vastus medialis; SM=M. semimembranosus; AM=M.adductor magnus; PL=M. peroneus longus; RF=M. rectus

femoris; BF=M. biceps femoris; POP =M. popliteus; TA=M.tibialis anterior; FDL=M. flexor digitorum longus; FHL=M.flexor hallucis longus; PB=M. peroneus brevis; EDL=M. ex-tensor digitorum longus; AL=M. adductor longus; AB=M.adductor brevis; ST=M. semitendinosus; PLT=M. plantaris;EHL=M. extensor hallucis longus; PEC=M. pectineus;GR=M. gracilis; SAR=M. sartorius.

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die Zahl der Muskelfasern einer motorischenEinheit als auch die der motorischen Einheitenim jeweiligen Muskel sind sehr variabel. Feinabgestimmte Muskelbewegungen enthalten we-niger Muskelfasern pro motorischer Einheit alsgrob wirkende Kraftmuskeln. Eine motorischeEinheit wird durch einen elektrischen Impuls(Aktionspotenzial) erregt, der vom Gehirn überdie Vorderhornzelle zum peripheren Axon gelei-tet wird. An der motorischen Endplatte wirdder elektrische Impuls in eine chemische Trans-mitterfreisetzung (Acetylcholin) umgewandelt.Die Muskelzellmembran ist dabei von der Ner-venzellmembran durch den synaptischen Spaltgetrennt. Die Freisetzung von Acetylcholin ausden präsynaptischen Nervenendigungen führtzur Freisetzung von Calcium aus dem sarko-plasmatischen Retikulum (Kanalsystem, das dieMuskelfasern umspinnt), das die Kontraktionder Muskelproteine (Actin und Myosin) triggert.Acetylcholin wird durch das Enzym Cholineste-rase, das sich im Spalt und an der Basalmemb-ran befindet, wieder inaktiviert (Abb. 12). Dasbei der Behandlung der Spastizität verwendeteBotulinumtoxin A hemmt die Acetylcholinfrei-setzung aus den präsynaptischen Nervenendi-gungen und führt damit zu einer lokalisiertenschlaffen Lähmung.

Man unterscheidet folgende Kontraktionsfor-men des quergestreiften Muskels:z isometrische Kontraktion mit Spannungsauf-

bau bei gleichbleibender Länge,z isotone Kontraktion, bei der sich der Muskel

gegen einen gleichbleibenden Widerstandverkürzt,

z isokinetische Kontraktion, bei der sich einMuskel mit gleichbleibender Geschwindigkeit

unter Anpassung des Widerstandes verkürztoder verlängert.

Abhängig von der Kraft, die der Muskel gegeneinen Widerstand aufbringt, unterscheidet mandie exzentrische Kontraktion, wenn der Wider-stand größer als die generierte Muskelkraft ist.Bei einer konzentrischen Kontraktion ist dieMuskelkraft größer als der Widerstand, bei ei-ner isometrischen Kontraktion ist er ebensogroß.

Man kann auch verschiedene Muskelfaser-typen unterscheiden, die nach Brooke und Kai-ser (1970) auf verschiedenen Energieversorgun-gen beruhen:z Typ-I-Fasern sind rot (Slow Twitch Fibers),

kontrahieren sich und relaxieren langsamerund mit weniger Kraft, sind aber eher aus-dauernd mit hoher aerober Kapazität undkleinen motorischen Einheiten.

z Typ-IIA-Muskelfasern sind weiß (Fast TwitchFibers), kontrahieren sich rasch und kräftig,sind aber weniger ausdauernd und haben ei-ne mittlere aerobe Kapazität; die motorischenEinheiten sind größer als bei den Typ-I-Fa-sern.

z Typ-IIB-Fasern sind ebenfalls rasch kontra-hierende Fasern mit hoher Kraftentwicklung,ermüden aber am schnellsten und haben diegrößten motorischen Einheiten; diese Fasernhaben das niedrigste oxidative Potenzial (Ga-ge 2004).

Muskeln mit hohem Bedarf an Stabilisierungs-funktionen (z.B. M. soleus) weisen bevorzugtTyp-I-Fasern auf, Muskeln mit hoher Kontrakti-onsgeschwindigkeit dagegen eher Typ-II-Fasern.Man weiß, dass die Muskelfasertypen durch daszugehörige Motoneuron bestimmt werden unddass der Fasertyp durch äußere Einflüsse wieTraining, Denervation und Reinnervation wech-seln kann (Alway u. Mitarb. 1988, Lieber 2002).

z Bereitstellung von Energie. Diese ist an die Zu-lieferung von Stoffwechselprodukten (Fette, Ei-weiße, Proteine) und Sauerstoff an die Muskula-tur geknüpft. Sie hat eine individuelle Ober-grenze, die als VO2max definiert wird; dies ent-spricht dem Sauerstoffverbrauch unter maxima-ler aerober Stoffwechsellage. Die Energieversor-gung der Muskulatur wird aus der Synthese vonATP (Adenosintriphosphat) gewonnen. Durchdie Abspaltung in ADP (Adenosindiphosphat)und Phosphat wird Energie zur Muskelkontrak-tion freigesetzt. Eine andere Energiequelle be-

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Abb. 12. Schematische Darstellung der motorischen Endplat-te und der Lage der Acetylcholinvesikel.

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steht in der Synthese von ATP und Creatin ausADP und Creatinphosphat.

Zur Aufrechterhaltung des Energiebedarfswerden zwei verschiedene Stoffwechselwege be-schritten (aerober und anaerober Stoffwechsel).Beide Stoffwechselformen treten stets gemein-sam, aber zu unterschiedlichen Anteilen auf.Beim aeroben Stoffwechsel werden Glucose oderFettsäuren unter Mitwirkung von Sauerstoff ver-brannt, wodurch ATP entsteht. Aus einem Mo-lekül Glucose entstehen so 38 Moleküle ATP(Gage 2004). Der aerobe Stoffwechsel wird beiAusdaueranforderungen eingesetzt. Der anaero-be Stoffwechsel beinhaltet die Umwandlung vonGlucose in Milchsäure ohne die Mitwirkung vonSauerstoff. Aus einem Molekül Glucose entste-hen 2 Moleküle ATP. Der anaerobe Stoffwechselkommt bei hohem kurzzeitigem Energiebedarfzum Einsatz. Neben der Glucose werden auchfreie Fettsäuren und Proteine zur Energieversor-gung verwendet. Ein freies Fettsäuremolekül lie-fert 129 Moleküle ATP. Proteine stellen eine Re-serveenergiequelle dar, die nur bei Mangelzu-ständen angetastet wird. Typ-I-Muskelfasernverwenden eher den aeroben Stoffwechsel, Typ-IIB-Fasern dagegen den anaeroben Stoffwechsel.

z Muskelmechanik. Die Muskelexkursion wirddurch die Faserlänge, die Kraft durch den phy-siologischen Querschnitt und den Fiederungs-winkel bestimmt (Shortland 2004). Die Kraft,die ein Muskel aufbringen kann, ist von seinerLänge, seiner Verkürzungsgeschwindigkeit, derZeit und dem Zustand der Aktivierung ab-hängig. Die Muskelkraft entspricht in etwa 2 kg/cm2 seines Querschnitts (Gage 2004). NachCavagna (1968) kann ein Muskel seine größteKraft entfalten, wenn er vorgedehnt ist. Beimnormalen Gangablauf erfahren die meistenkraftgenerierenden Muskeln (Hüftstrecker, Hüft-beuger, Wadenmuskeln) eine entsprechendeVordehnung (Gage 2004).

Ein Muskel besteht sowohl aus aktiven kon-traktilen Anteilen als auch aus passiven elasti-schen Elementen, die einer Dehnung Wider-stand (vergleichbar einer Feder) entgegensetzen(Lieber 2002). Das dynamische Verhalten wirdprimär von seinen kontraktilen Elementen undder Aponeurose bestimmt. Wenn ein Muskel ge-dehnt wird, kann sein Widerstand gemessenwerden. Ein nicht stimulierter Muskel zeigt eineanfängliche Längenzunahme, ehe ein Anstiegim Widerstand registriert werden kann. Ein sti-mulierter Muskel zeigt bei kürzeren Dehnungs-

wegen eine größere Spannung, bei längerenDehnungswegen verhält er sich dagegen ähnlichdem nicht stimulierten Muskel. Der Widerstand,den ein passiv gedehnter Muskel dem Deh-nungsreiz entgegensetzt, kann ein Mehrfachesseiner aktiven Kontraktionskraft ausmachen.Dieser Widerstand gegen die passive Dehnungwird primär durch die viskoelastischen Eigen-schaften des Muskels vermittelt. Diese entstehenin Muskelbindegewebe und in den Muskelfas-zien (Abb. 13).

Die Gelenkbewegung, die ein Muskel auslöst,resultiert aus seinem Drehmoment. Dieses be-rechnet sich aus dem Produkt von Momentarmund Kraft (Einheit Newton�Meter=Nm). DerMomentarm entspricht dem senkrechten Ab-stand zwischen dem Drehpunkt des Gelenkesund der einwirkenden Kraft (Abb. 14a,b).

Ein Drehmoment kann auf dreierlei Weise ge-ändert werden, was für operative Maßnahmenbei spastischen Lähmungen von großer Bedeu-tung ist:z durch die Änderung der Muskelkraft,z durch die Änderung des Momentarmes,z durch die Variation des Winkels, in dem der

Muskel auf das Gelenk einwirkt.

Bei normalen Bewegungen erfolgt im selben Ge-lenk ein Wechsel zwischen den einzelnen Mus-kelwirkungen in Abhängigkeit vom Gelenkwin-kel. Dies bedeutet, dass die Muskelfunktionenabhängig von der jeweiligen Gelenkstellungstark variieren können. So können Muskeln ihreFunktion auf das Gelenk und den wirksamenMomentarm ändern. Typische Beispiele sind die

z 2 Definition20

Abb. 13. Die Blix-Kurve der Muskel-Sehnen-Dehnbarkeitzeigt, dass ab der Ruhelänge des Muskels der Anteil des kon-traktilen Faktors geringer und der Anteil der gesamten Span-nung vorwiegend durch die passiven Strukturen geleistetwird.