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Forschungsarbeit Optical Multimode Online Probe: Erfassung und Analyse von Partikelkollektiven Matthias Mickler und Hans-Jörg Bart* DOI: 10.1002/cite.201200139 Die vorgestellte Optical Multimode Online Probe verwendet telezentrische Beleuchtung mittels Hochleistungs-Mikro-LED (493 lm) und ein objektseitig-telezentrisches Objektiv zur Online-Analyse von Tropfenkollektiven. Es entstehen relative Messfehler von < 2 – 5 % (Durchlicht) bzw. < 12 % (Auflicht) bezogen auf die Partikeldurchmesser. Aufbauend auf der Distanztransformation zur Analyse der Durchlichtabbildungen wird ein adaptiver Vorsegmentierungsansatz auf Basis des Random Forest Classifiers vorgestellt. Die Abweichungen bezogen auf die Pixelzahl liegen bei 1 bis 6 %, nach Auswertung der Kreise bei 12,9 % bezogen auf den mittleren Partikeldurchmesser. Schlagwörter: Online-Bildanalyse, Optische Messtechnik, Tropfenschwarmanalytik Eingegangen: 08. August 2012; revidiert: 03. Dezember 2012; akzeptiert: 02. April 2013 Optical Multimode Online Probe: Detection and Analysis of Particle Collectives The presented optical multimode online probe uses telecentric illumination with a high performance micro LED (493 lm) and objectspace-telecentric objective to analyze particles online and in situ. The relative measurement errors are between < 2 – 5 % (transmitted light) and below 12 % (incident light, with regard to the particle diameter). The distance transform approach for transmitted-light images is extended for the analysis of diffuse incident-light images by an adaptive pre-seg- mentation approach based on the random forest classifier algorithm. The error with regard to the pixel number is typically between 1 to 6 %, while the evaluation of particle diameters gives deviations up to 12.9 %. Keywords: Image analysis, Online particle analysis, Random forest classifier 1 Einleitung Die Eigenschaften partikulärer Systeme, wie z. B. Größe, Verteilung, Form, Farbe etc., sind essentiell für die Produkt- qualität in einem weiten Bereich industrieller Anwendun- gen, darunter die Extraktion, Kristallisation, Reaktionstech- nik, Flockung, Fällung und Trocknung. Die jeweiligen partikulären Systeme basieren dabei auf festen Partikeln, le- benden Zellen, Flocken, Blasen oder Tropfen. Um diese vielfältigen Systeme analytisch zu beschreiben, können verschiedene Messtechniken eingesetzt werden. Die meisten der nicht intrusiven, d. h. nicht die Fluiddyna- mik beeinflussenden Methoden besitzen eine limitierte Auf- lösung der Partikelgröße und Grenzen bei der Partikelkon- zentrationen (Hold-up). Im Falle intrusiver Methoden weisen die optischen Verfahren den generellen Vorteil phy- sikalisch eindeutiger Ergebnisse auf. Optische Messungen, speziell mit Durchlichtbeleuchtung, kombinieren relativ kompakte Außenmaße mit In-situ- und Online-Fähigkeiten sowie der Zugänglichkeit zu einer vollen Partikelgrößenver- teilung innerhalb eines definierten Messvolumens bei einfa- cher Kalibrierung. Im Folgenden liegt der Fokus daher auf optischen Messmethoden von Tropfenkollektiven. 2 Optische Messmethoden Optische Messtechniken können anhand mehrerer Krite- rien klassifiziert werden. Aus Sicht der Verfahrenstechnik sind Auswertbarkeit, Flexibilität und Einsetzbarkeit in höhe- ren Konzentrationen die wichtigsten Kriterien (s. Abb. 1). Chemie Ingenieur Technik Chemie Ingenieur Technik 2013, 85, No. 6, 901–906 © 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.cit-journal.com Matthias Mickler, Prof. Hans-Jörg Bart ([email protected]), Techni- sche Universität Kaiserslautern, Lehrstuhl für Thermische Verfah- renstechnik, Center for Mathematical and Computational Modeling (CM) 2 , Postfach 3046, 67653 Kaiserslautern, Deutschland. Dieser Beitrag wurde im Rahmen des DECHEMA-Fachausschus- ses Mischvorgänge in Weimar am 15.03.2012 vorgestellt. Online-Bildanalyse 901

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Forschungsarbeit

Optical Multimode Online Probe: Erfassung undAnalyse von Partikelkollektiven‡

Matthias Mickler und Hans-Jörg Bart*

DOI: 10.1002/cite.201200139

Die vorgestellte Optical Multimode Online Probe verwendet telezentrische Beleuchtung mittels Hochleistungs-Mikro-LED

(493 lm) und ein objektseitig-telezentrisches Objektiv zur Online-Analyse von Tropfenkollektiven. Es entstehen relative

Messfehler von < 2 – 5 % (Durchlicht) bzw. < 12 % (Auflicht) bezogen auf die Partikeldurchmesser. Aufbauend auf der

Distanztransformation zur Analyse der Durchlichtabbildungen wird ein adaptiver Vorsegmentierungsansatz auf Basis des

Random Forest Classifiers vorgestellt. Die Abweichungen bezogen auf die Pixelzahl liegen bei 1 bis 6 %, nach Auswertung

der Kreise bei 12,9 % bezogen auf den mittleren Partikeldurchmesser.

Schlagwörter: Online-Bildanalyse, Optische Messtechnik, Tropfenschwarmanalytik

Eingegangen: 08. August 2012; revidiert: 03. Dezember 2012; akzeptiert: 02. April 2013

Optical Multimode Online Probe: Detection and Analysis of Particle Collectives

The presented optical multimode online probe uses telecentric illumination with a high performance micro LED (493 lm)

and objectspace-telecentric objective to analyze particles online and in situ. The relative measurement errors are between

< 2 – 5 % (transmitted light) and below 12 % (incident light, with regard to the particle diameter). The distance transform

approach for transmitted-light images is extended for the analysis of diffuse incident-light images by an adaptive pre-seg-

mentation approach based on the random forest classifier algorithm. The error with regard to the pixel number is typically

between 1 to 6 %, while the evaluation of particle diameters gives deviations up to 12.9 %.

Keywords: Image analysis, Online particle analysis, Random forest classifier

1 Einleitung

Die Eigenschaften partikulärer Systeme, wie z. B. Größe,Verteilung, Form, Farbe etc., sind essentiell für die Produkt-qualität in einem weiten Bereich industrieller Anwendun-gen, darunter die Extraktion, Kristallisation, Reaktionstech-nik, Flockung, Fällung und Trocknung. Die jeweiligenpartikulären Systeme basieren dabei auf festen Partikeln, le-benden Zellen, Flocken, Blasen oder Tropfen.

Um diese vielfältigen Systeme analytisch zu beschreiben,können verschiedene Messtechniken eingesetzt werden.

Die meisten der nicht intrusiven, d. h. nicht die Fluiddyna-mik beeinflussenden Methoden besitzen eine limitierte Auf-lösung der Partikelgröße und Grenzen bei der Partikelkon-zentrationen (Hold-up). Im Falle intrusiver Methodenweisen die optischen Verfahren den generellen Vorteil phy-sikalisch eindeutiger Ergebnisse auf. Optische Messungen,speziell mit Durchlichtbeleuchtung, kombinieren relativkompakte Außenmaße mit In-situ- und Online-Fähigkeitensowie der Zugänglichkeit zu einer vollen Partikelgrößenver-teilung innerhalb eines definierten Messvolumens bei einfa-cher Kalibrierung. Im Folgenden liegt der Fokus daher aufoptischen Messmethoden von Tropfenkollektiven.

2 Optische Messmethoden

Optische Messtechniken können anhand mehrerer Krite-rien klassifiziert werden. Aus Sicht der Verfahrenstechniksind Auswertbarkeit, Flexibilität und Einsetzbarkeit in höhe-ren Konzentrationen die wichtigsten Kriterien (s. Abb. 1).

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Chemie Ingenieur Technik 2013, 85, No. 6, 901–906 © 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.cit-journal.com

–Matthias Mickler, Prof. Hans-Jörg Bart ([email protected]), Techni-sche Universität Kaiserslautern, Lehrstuhl für Thermische Verfah-renstechnik, Center for Mathematical and Computational Modeling(CM)2, Postfach 3046, 67653 Kaiserslautern, Deutschland.

‡Dieser Beitrag wurde im Rahmen des DECHEMA-Fachausschus-ses Mischvorgänge in Weimar am 15.03.2012 vorgestellt.

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Am verbreitetsten und flexibelsten sind konventionelle en-tozentrische Methoden, die vor allem in hohen Konzentra-tionen Vorteile besitzen, allerdings aufwendigere Algorith-men zur automatischen Auswertung benötigen. ImGegensatz dazu bieten telezentrische Methoden eindeutigeGrößeninformationen bei schneller Auswertbarkeit bis inBereiche mittlerer Konzentration, bei hohen Konzentratio-nen sind sie allerdings durch ihre bevorzugte Durchlichtbe-leuchtung limitierter als entozentrische Methoden. BeidenMessmethoden ist gemein, dass eine der zu untersuchen-den Phasen notwendigerweise transparent ist, zumindestaber einen sich deutlich unterscheidenden Brechungsindexaufweist. Die Vorteile der beiden genannten Methoden wer-den in der Optical Multimode Online Probe (OMOP) kombi-niert und in Abschn. 3 vorgestellt.

3 Optical Multimode Online Probe

Beide Prinzipien, die der Durch- und Auf-lichtbeleuchtung mit objektseitiger Telezen-trie oder Entozentrie, können in einer Son-de, der Optical Multimode Online Probe(OMOP), kombiniert werden. Die Sonde ent-hält telezentrische optische Elemente um Po-sitionsunabhängigkeit in beiden Fällen zu er-halten. Zu diesem Zweck besteht die Sondeaus zwei Teilen. Die Beleuchtungssonde ent-hält alle optischen Bauteile um die telezentri-sche Durchlichtbeleuchtung zu ermöglichen.Die Kamerasonde beinhaltet das Objektivsowie die Kamera. Eingesetzt werden kön-nen entweder telezentrische Objektive fürbildseitige bzw. beidseitige Telezentrie undentozentrische Objektive für die Beleuch-tung nach Köhler [1]. Entsprechend ergebensich zwei mögliche Modi: Das Durchlichtver-fahren für niedrige bis mittlere Konzentra-tionen und das Auflichtverfahren für hohe

Konzentrationen in dem die Beleuch-tung diffus erfolgt. Im Falle einesobjektseitig-telezentrischen Objektivslassen sich auch bei diffuser Beleuch-tung objektpositionsunabhängige Bil-der gewinnen, die allerdings imVergleich zu rein telezentrisch ge-wonnen Bildern vor allem aufgrunddes niedrigeren Kontrasts schwieri-ger auszuwerten sind. Ein Ansatz zurAuswertung wird in Abschn. 4 vorge-stellt. Mit der vorgestellten Sonde las-sen sich Partikel bzw. Tropfen miteiner für Extraktionskolonnen rele-vanten Größe von 20 lm bis 5 mmanalysieren. Kleinere Tropfen erfor-dern vergrößernde Optiken, wobei

grundsätzlich ein ungefähres Verhältnis von unterem undoberem Limit von 1:250 beibehalten werden kann. Das un-tere Limit liegt bei < 5 lm. Aufgrund der parallelen Strahl-führung im Messvolumen kann im telezentrischen Fall deraufgenommene Bereich höchstens so groß sein wie dasBildfeld der eingebauten Kamera, deren Maße wiederumvorgegeben werden durch den inneren Durchmesser desumgebenden Messsondengehäuses. Dieses wird seinerseitsmaßgeblich limitiert durch die verfahrenstechnische Rah-menbedingungen. Wesentlich größere Tropfen als 5 mm er-fordern daher auch größere Sondendurchmesser, wodurchallerdings die Strömungsbeeinflussung stark zunimmt. Miteinem äußeren Durchmesser von 38 mm ist die vorgestellteSonde ausgelegt für den Einsatz in Extraktionskolonnenmit einem Durchmesser ab 100 mm. Die Sonde ist strö-mungsoptimiert mit abgerundeten Kanten und nahtlosenVerbindungen zwischen den Komponenten. Der Beleuch-tungsteil der Sonde (s. Abb. 2 links) besteht aus speziellenspherischen Konvexlinsen und einer Hochleistungs-LED

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Abbildung 1. Klassifizierung optischer Methoden nach Beleuchtung, Auswertbarkeit, Flexibi-lität und Einsetzbarkeit in verschiedenen Konzentrationen.

Abbildung 2. Optical Multimode Online Probe (schematische Darstellung).

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zur Beleuchtung. Der Kamerateil der Sonde (s. Abb. 2 rechts)enthält eine kompakte Farbkamera mit einem rauscharmen1/2″ CCD-Chip und das entsprechende Objektiv. Die Sondensind verschiebbar montiert, um sowohl die Tiefe als auchdie Position des Messvolumens – abhängig von der zu ver-messenden Partikeldichte – variieren zu können.

In Tab. 1 sind die wichtigsten Spezifikationen der Mess-sonde gegeben. Der objektseitig telezentrische Modus er-zeugt positionsunabhängige Informationen im Durchlichtund Auflicht. Aufgrund einer Geschwindigkeitsoptimie-rung der Bildanalysealgorithmen und der technischen Limi-tierung der verwendeten Kameraserie, die ihrerseits maß-geblich limitiert ist durch den zur Verfügung stehendenPlatz in der Sonde, ist die Größe der Abbildung zur Zeitbeschränkt auf 720 × 480 (345 600) Pixel.

4 Bildanalyse

Die zur Auswertung der Bilder notwendigen Algorithmenmüssen hohen Anforderungen hinsichtlich Robustheit ge-nügen. Besonders kritisch ist im vorliegenden Fall einemangelnde Beleuchtungsinvarianz [1], da vor allem im Auf-lichtbetrieb unterschiedliche Kontraste vorzufinden sind.Darum wird mit einer adaptiven zweistufigen Auswertunggearbeitet, die aus einem Random Forest Classifier (RFC) zurVorsegmentierung und der Distanztransfor-mation zur Auswertung bereits hochgradig(vor-)segmentierter Bilder besteht.

Der RFC basiert auf einer Ensemble-Classifier-Methode, die ihrerseits aus vielenEntscheidungsbäumen besteht und die Klas-sen ergeben, die die vielen individuellenunabhängigen Entscheidungsbäume erge-ben [2, 3]. Jeder dieser {h(x,Hk), k = 1,...}Bäume mit {Hk} unabhängigen gleichmäßigverteilten Zufallsvektoren charakterisierteinen Classifier. Jeder der Entscheidungs-bäume wählt eine Klasse für jedes Objekt.Am Ende wird ein Objekt jener Klasse zuge-wiesen, die am häufigsten gewählt wurde.

Im Falle ähnlich häufig gewählter Klassen werden Bewer-tungs- bzw. Schätzmethoden verwendet. Die prinzipielleVorgehensweise wird in Abb. 3 näher erläutert.

In dieser Arbeit wird das Offline-Tool Ilastik [1, 4] zur Vor-segmentierung verwendet. Ursprünglich für die Analysevon biomedizinischen Abbildungen von Nervenzellen ent-wickelt [4], lässt es sich auch auf Partikelabbildungenoptischer Messsonden einsetzen. Zunächst werden nicht li-neare Merkmale als Startpunkt ausgewählt. Für das Trai-ning des Klassifizier-Algorithmus muss der Benutzer diegewünschten Merkmale markieren. Der sog. bootstrapapproach wird verwendet um die Entscheidungsbäume zuerstellen. Der Ansatz profitiert vom Bootstrap-aggregation-Algorithmus bei Trainingsdaten mit erhöhter Unsicherheit.Um die Qualität des Trainings weiter zu verbessern wirdein interaktiver Layer für die Unsicherheit verwendet, mitdessen Hilfe Bereiche markiert werden, die mit erhöhterWahrscheinlichkeit eine falscher Klassifizierung aufweisenund ggf. nochmal detaillierter betrachtet werden sollten.Während des Training-Vorgangs wird die Zahl der Entschei-dungsbäume nicht verringert, der Standardwert liegt hierbei NT = 100. Eine höhere Anzahl bzw. Tiefe von Entschei-dungsbäumen führt zur asymptotischen Verbesserung derKlassifizierung bis zu einem Limit, das von den Bildeigen-schaften abhängt. Eine niedrigere Anzahl von Entschei-dungsbäumen erhöht die Berechnungsgeschwindigkeit,

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Tabelle 1. Spezifikationen der OMOP.

Arbeitsmodi Durchlicht oder Auflicht mit objektseitig telezentrischem oder entozentrischem (Köhler-Beleuchtung)Objektiv

Optische Güte Telezentrie < 0,2° bei 2437 mm (telezentr.) bzw. 6238 mm (Köhler) virtuellem Pupillenabstand

Typisches Einsatzspektrum Konzentrationen bis 25 % (Durchlicht, Tiefe des Messvolumens kleiner 5 mm) bzw. 40 % (diffuses Auflicht)

Schnelle Sprungdetektion Bis zu 120 Partikel pro Messpunkt, weniger als 40 ms zeitliche Auflösung

Sondendurchmesser kleiner 38 mm, strömungsoptimierte Geometrie

Unabhängigkeit der Partikelgröße innerhalb von 20 mm, Tiefe des Fokus 5 – 8 mm

Spezifikationen der Beleuchtung Hochleistungs-LED: 1,96 mm2, 493 lm, 251,53 lm mm–2, Winkelabweichung 0,37°

Online-Bildanalyse bis zu 5 Bilder pro Kern und Sekunde (Durchlichtbeleuchtung); Referenz Intel Xeon E5440/2,83 GHz:bis zu 24 Bilder pro Sekunde (abhängig von der Auflösung)

Abbildung 3. Schema der Klassifizierung eines Pixels anhand eines Entscheidungs-baums und der Kriterien Var. 2 und Var. 3, die beispielsweise als Helligkeitsgradientan einer Kante aufgefasst werden können.

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senkt allerdings auch die Qualität der Klassifizierung. Dieverwendete Anzahl von Entscheidungsbäumen stellt daherein klassisches Optimierungsproblem dar.

Der Random-forest-Algorithmus zur Vorsegmentierungist kompatibel mit dem Distanztransformationsansatz, derin [5] vorgestellt und diskutiert wurde. In Abb. 4 ist das ma-thematische Prozessschema dargestellt für typische Auf-lichtabbildungen und den kombinierten Algorithmus. Un-ter Berücksichtigung der Tatsache, dass lediglich 5 bis 10Abbildungen für das Training verwendet wurden, ohnehoch präzise Auswahl, arbeitet der Algorithmus robust underkennt fast alle Tropfen, wobei ähnliche Tropfen fast voll-ständig detektiert werden (Diskussion s. Abschn. 5).

Um aus den erhaltenen Daten die tatsächliche Tropfen-größe berechnen zu können, ist im Fall der entozentrischenBetrachtung eine mathematische Korrektur notwendig [6].In hohen Konzentrationen befindet sich die Position desObjekts meist in unmittelbarer Umgebung der Naheinstell-grenze bzw. unmittelbar an der Frontlinse. In allen anderenFällen muss die Position anhand von Randkriterien (Schär-feverlauf der Kante, Überlappungen etc.) berechnet werden.Dies ist bei telezentrischer Aufnahme nicht notwendig, dahier die projizierte Größe in Transmission unabhängig vonder Position ist. Dadurch wird eine wesentlich höhere Präzi-sion erreicht, wenn auch höhere Anforderungen an die Be-leuchtung gestellt werden müssen. Das erhaltene Bild kanndann allerdings direkt der Vorsegmentierung (im Fall derdiffusen Auflichtbeleuchtung) bzw. dem Auswertealgorith-mus (im Fall einer quasi-telezentrischen Durchlichtbeleuch-tung) zugeführt werden.

Um vorsegmentierte Bilder auszuwerten, wird der Dis-tanztransformations-Algorithmus analog zu [5] verwendet.Eine anschließende Wasserscheiden-Segmentierung trenntüberlappende Partikel (s. Abb. 4). Nach einem Vorverarbei-tungsschritt und einer Schwellwertoperation wird die eukli-dische Distanztransformation [7 – 9] auf die Abbildung an-gewendet. Die sich ergebende Distanzabbildung enthält die

quadrierte euklidische Distanz zum Referenzpixel. Jedeslokale Maximum kann den Mittelpunkt eines gefundenenObjekts darstellen, lokale Minima entsprechend den Rand.Die anschließende Wasserscheiden-Segmentierung [10, 11]trennt gefundene Objekte voneinander und berücksichtigdabei auch Position und Überlappung des Partikels. Das Er-gebnis gleicht räumlich gesehen einer gefluteten topografi-schen Landschaft, wobei die Höhe jeder Erhebung durchden Grauwert des Pixels auf der Distanzabbildung dar-gestellt wird.

5 Ergebnisse und Diskussion

Durchlichtbilder mit hoher Segmentierungsrate könnenmit hoher Genauigkeit online analysiert werden. Der dazunotwendige grundlegende Ansatz wurde in [5, 11] vorge-stellt und in dieser Arbeit um Vorsegmentierungsschritteerweitert. Mit unter 5 % falsch erkannten Tropfen imschwierigsten Fall und mit unter 2 % im häufigsten Fallwerden für vorsegmentierte Bilder gute Ergebnisse erzielt.Der Fehler durch falschpositive Funde liegt typischerweiseunter 5 %, während der Radienfehler unter 1 % in 90 % deruntersuchten Tropfen und unter 5 % beim Rest liegt.

Während dieser Ansatz für Durchlichtbilder mit hohemKontrast sehr gute Ergebnisse liefert, ist die Auswertungvon Auflichtbildern immer noch eine Herausforderung.Aufbauend auf den hier vorgestellten RFC-Ansatz ist esnun auch möglich, eine Vorsegmentierung von Auflichtbil-dern durchzuführen. Die erhaltenen Abbildungen lassensich dann in einem weiteren Schritt mittels Durchlichtalgo-rithmus analysieren (vgl. Abschn. 4). Die dabei entstehen-den Ungenauigkeiten (nach Subtraktion einer manuellenSelektion) für ein zufällig gewähltes Beispielbild sind inAbb. 5 gezeigt. Die grauen Bereiche zeigen die Unsicher-heitsgebiete um die jeweiligen Partikel an. Konkret betrifftdiese Unsicherheit im Beispielbild 6 % (47 368 px) aller

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Abbildung 4. Prozessschema zur Verarbeitung von Auflichtabbildungen mittels Random Forest Classifier und Distanztransformation.

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Pixel. Während im Beispielbild die Mehrzahl der Pixel von5,3 % (43 644 px) zu nicht exakt segmentierten Rändern ge-hört, sind 0,7 % (3724 px) eigentlich zum Hintergrund ge-hörende Pixel falsch detektiert worden. Dieses Ergebniseiner Auswertung ist beispielhaft für diesen Typus Bilderund wurde bei 20 weiteren Bildern verifiziert.

Wendet man den Distanztransformations-Algorithmus auf die automatisch segmen-tierten Tropfen an, erhält man die in Abb. 5gezeigten Ergebnisse für die vorgestellteAuswertung im Low-concentration-Modus[5] (weiße Kreise im Overlay). Vergleichtman die gefunden Kreise erhält man für denLow-concentration-Modus sehr gute Ergeb-nisse. Verglichen mit einer manuellen Aus-wertung des Quellbildes mit 20 gefundenenKreisen und 112 733 detektieren Pixeln,ergibt die Low-concentration-Auswertung119 415 Pixel bei 25 gefundenen Kreisen.

Nach Auswertung von 20 unterschied-lichen Auflicht-Abbildungen von Hand undvergleichsweise mittels des automatischenAnsatzes ergeben sich bei bis zu 100 Partikelnpro Abbildung Abweichungen von bis zu12,9 % bezogen auf den mittleren Partikel-durchmesser. Unterhalb einer Partikelgrößevon ca. 50 Pixeln überschätzt der kombinierteAlgorithmus die tatsächliche Tropfenzahl auf-grund des relativ sensitiven euklidischen Dis-tanztransformations-Ansatzes. Wendet man

einen Schwellwert von 3 – 6 Pixeln an, wer-den diese Art der Artefakte auf 10 – 20 % be-zogen auf den ursprünglichen Wert redu-ziert.

Die Güte der Auswertung hängt folglichentscheidend von der Qualität des Trainings,der generellen Vergleichbarkeit der Trai-ningsbilder und den auszuwertenden Bil-dern ab. Sind die Unterschiede zu groß,steigt die Wahrscheinlichkeit von fehlerhaf-ten Segmentierungen des RFC-Ansatzes.Während die Positions- wie auch die Rota-tionsinvarianz in allen untersuchten Fällensehr gut sind, ist die Forminvarianz hochgra-dig abhängig von der Qualität des Trainings,stellt aber grundsätzlich ebenfalls kein Pro-blem dar. Die Skaleninvarianz kann eben-falls durch die Art des Trainings verbessertwerden, hier können aber untypisch großeTropfen zu Fehler führen, da der Algorith-mus nicht mehr in der Lage ist zwischenTropfeninnerem und Hintergrund zu unter-scheiden (s. Abb. 6 links unten). Bei diesenTropfen wird der Rand ebenfalls erkannt, dasInnere aber als Hintergrund gewertet unddarum nicht korrekt selektiert. In diesen Fäl-

len steigt die Unsicherheit und der Segmentierungsvorgangbenötigt eine höhere Zahl von Trainingsbildern, die dieseSpezialfälle abdecken. Alternativ kann auch ein Füllschrittangewandt werden solange eine geschlossene, konvexeKontur vorliegt.

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Abbildung 5. Overlay bestehend aus Hintergrund (weiß), zum Training markierterTropfen (schwarz), Unsicherheit der Segmentierung nach RFC verglichen mit manuel-ler Selektion (grau), nach RFC-Segmentierung und angewandtem Distanztransforma-tions-Algorithmus im Low-concentration-Modus gefundene Tropfen (weiße Kreise).

Abbildung 6. Beispielbild für die Vorsegmentierung (schwarz) eines Quellbildes mitsehr unterschiedlichen, von dem Trainingsbild abweichenden Charakteristik. Links un-ten: unvollständig erkanntes Tropfeninneres; rechts unten: nicht erkannte Reflexion.Darstellung als Overlay.

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6 Fazit

Die vorgestellte Methode zur Tropfenschwarmanalyse kannkomplexe partikelbeladene Mehrphasenströmungen mithoher Genauigkeit beschreiben und analysieren. Die Opti-cal Multimode Online Probe dient dabei der Aufnahme vonkontrastreichen, positionsunabhängigen Partikelabbildun-gen entweder im Durchlicht (trans-Beleuchtung) oderAuflicht (epi-Beleuchtung). Die Tropfengröße kann auf-grund der objektseitig telezentrischen Optik oder demKöhler’schen Strahlführungsprinzip eindeutig innerhalbeines definierten Messvolumens bestimmt werden.

Mit einer typischen Tiefe von 3 – 8 mm des Messvolu-mens kann im telezentrischen Messprinzip eine hohe Posi-tionsunabhängigkeit erreicht werden. Aufgrund der verwen-deten Kamera sind die Partikelabbildungen allerdings nochmit einer relativ geringen Auflösung versehen. ZukünftigeArbeiten müssen daher weitere geometrische Optimierun-gen wie auch optische Modifikationen zum Ziel haben, umbei verbesserter Auflösung noch schnellere Bildfrequenzenzu ermöglichen.

Im Bereich der Bildanalyse konnte gezeigt werden, dassder modulare zweiteilige Ansatz zur Auswertung vonTropfenabbildungen im Durch- und im Auflicht geeignet istund mit 2 – 5 % (Durchlicht) bzw. ca. 13 % (Auflicht), relativbezogen auf die Partikelgröße, gute Ergebnisse liefert. ImFall der Durchlichtaufnahme limitiert die Partikelkonzen-tration in der untersuchten Mehrphasenströmung (aktuellca. 25 %), bei der Auflichtaufnahme limitiert die zu ver-bessernde Skaleninvarianz bei stark bivariaten Verteilun-gen. Die Analyse von Durchlichtabbildungen ist bereitsheute mit sehr hoher Frequenz möglich [5]. Abbildungenim Auflicht erfordern allerdings mehr Zeit bei der Analyse,

weshalb hier Optimierungen hinsichtlich Implementierungund Parallelisierung notwendig sind.

Wir danken dem Center for Mathematical and Com-putational Modeling (CM)2 für die finanzielle Unter-stützung.

Literatur

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