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Photochromie Organische Photochromie** Obmann und Ƞbersetzer: Heinz Dɒrr* 1. Einführung Photochromie lȨsst sich einfach als eine lichtinduzierte FarbȨnderung definieren (eine genauere Definition wird in Abschnitt 3 gegeben). Der Begriff ist sehr populȨr geworden, da viele Leute photochrome Brillen tragen, die im Sonnen- licht eindunkeln und bei diffusem Licht ihre Transparenz zurɒckgewinnen. Die ersten kommerziellen GlȨser waren Glaslinsen, die mit anorganischen Salzen (meist Silbersalzen) dotiert waren. Aber in den letzten Jahren konnten sich organische photochrome Linsen, die leichter und daher angenehmer zu tragen sind, trotz ihrer begrenzten Lebens- dauer auf dem Weltmarkt weitgehend durchsetzen. Allerdings ist die Tatsache, dass einige chemische Ver- bindungen reversible photochemische Reaktionen eingehen, nicht vorrangig wegen der variablen optischen Transmission von Bedeutung, sondern vor allem, weil diese Eigenschaft einen Zugang zu einer Reihe physikalischer PhȨnomene wie optische Speicher und Schalter, variable elektrische StrɆme, Ionentransport durch Membranen und variable Benetzbar- keit erɆffnet. Fɒr diese Zwecke werden organische photo- chrome Verbindungen oft in Polymere, flɒssigkristalline Materialien oder andere Matrices eingebaut. Der zunehmende Einsatz solcher bistabiler Systeme in den Materialwissenschaften erfordert einen Ƞberblick ɒber die grundlegenden Konzepte und das Vokabular dieses sich entwickelnden Gebietes. Dieser Beitrag bietet einen kurzen geschichtlichen Ƞber- blick sowie allgemeine Definitionen und Konzepte, stellt die Familien organischer photochromer Verbindungen, photo- chrome biologische Rezeptoren und die chemische Basis der organischen Photochromie vor, behandelt mechanistische Aspekte und Anwendungen und schließt mit einer Liste der gȨngigen Abkɒrzungen sowie einer Zusammenstellung des technischen Vokabulars fɒr photochrome BrillenglȨser und von Bɒchern ɒber die Photochromie. 2. Kurzer geschichtlicher Überblick 2.1. Von den ersten Beispielen zur Namensgebung Die ersten Beispiele photochromer Molekɒle gehen auf einen Farbwechsel von bestimmten Substanzen zwischen Tag und Nacht zurɒck. Fritsche berich- tete 1867 [1] ɒber das Ausbleichen einer orangefarbenen LɆsung von Tetracen im Tageslicht und die Rɒck- bildung der Farbe im Dunkeln. SpȨter fand ter Meer [2] einen Farb- wechsel des Kaliumsalzes von Dini- troethan im FestkɆrper von Gelb im Dunkeln nach Rot im Tageslicht. Ein anderes frɒhes Beispiel stammt von Phipson, [3] der beobachtete, dass ZaunpfȨhle am Tage schwarz, in der Nacht jedoch weiß waren. Dies rɒhrte von einem Zinkpig- ment – wahrscheinlich Lithopon – her. 1899 studierte Markwald den reversiblen Farbwechsel von 2,3,4,4- Tetrachlornaphthalin-1(4H)-on (b- TCDHN) im festen Zustand; [4] er hielt ihn fɒr ein lediglich physikali- sches PhȨnomen, das er „phototropy“ nannte. Dieser Terminus wurde damals verwendet. Er ist jedoch irrefɒhrend, da er im Deutschen identisch mit dem Begriff Phototropie (engl.: phototropism) ist, der biologische PhȨnomene beschreibt, und sollte deshalb vermieden werden. Das Interesse an der Photochromie war in der Folgezeit kontinuierlich, wenn auch begrenzt vorhanden, bis zwischen Die Angewandte Chemie verɆffentlicht Ƞbersetzungen von Recommendations und Technical Reports der IUPAC, um die chemische Fachsprache im Deutschen zu fɆrdern. Sauber definierte Begriffe und klare Nomenklaturregeln bilden die Basis fɒr eine VerstȨndigung zwischen den Wissenschaftlern einer Disziplin und sind fɒr den Austausch zwischen Wissenschafts- und Fachsprache sowie Allgemein- sprache essenziell. Alle Ƞbersetzungen werden von einem ausgewiesenen Experten (dem „Obmann“) geprɒft, korri- giert und autorisiert. Die nȨchste Ƞbersetzung („Der Begriff DimensionalitȨt in der Analytischen Chemie – Grundlagen und Anwendungen“) ist fɒr Heft 35/2004 vorgesehen. Emp- fehlungen von Themen und Obleuten sind willkommen. [*] H. Dɒrr FR 8.12 Organische Chemie, UniversitȨt des Saarlandes Postfach 151150, 66041 Saarbrɒcken (Deutschland) Fax: (+ 49) 681-818877 E-mail: [email protected] [**] Copyright# der englischen Fassung, die unter dem Titel „Organic Photochromism“ von H. Bouas-Laurent (Bordeaux, Frankreich) und H. Dɒrr (Saarbrɒcken, Deutschland) fɒr die VerɆffentlichung in Pure Appl. Chem. 2001, 73, 639–665 [50] vorbereitet wurde: International Union of Pure and Applied Chemistry, 2001. – Wir danken der IUPAC fɒr die Genehmigung zum Druck einer deutschen Fassung dieses Technical Report. H. D. dankt vor allem H. Bouas-Laurent und H. Rau fɒr die kritische Durchsicht der Ƞbersetzung sowie T. Hartmann, A. Engelke und Helga Dɒrr fɒr ihre Hilfe bei deren Abfassung. IUPAC-Empfehlungen 3404 # 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI: 10.1002/ange.200460025 Angew. Chem. 2004, 116, 3404 –3418

Organische Photochromie

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Photochromie

Organische Photochromie**

Obmann und �bersetzer: Heinz D�rr*

1. Einf hrung

Photochromie l�sst sich einfach als eine lichtinduzierteFarb�nderung definieren (eine genauere Definition wird inAbschnitt 3 gegeben). Der Begriff ist sehr popul�r geworden,da viele Leute photochrome Brillen tragen, die im Sonnen-licht eindunkeln und bei diffusem Licht ihre Transparenzzur)ckgewinnen. Die ersten kommerziellen Gl�ser warenGlaslinsen, die mit anorganischen Salzen (meist Silbersalzen)dotiert waren. Aber in den letzten Jahren konnten sichorganische photochrome Linsen, die leichter und daherangenehmer zu tragen sind, trotz ihrer begrenzten Lebens-dauer auf dem Weltmarkt weitgehend durchsetzen.

Allerdings ist die Tatsache, dass einige chemische Ver-bindungen reversible photochemische Reaktionen eingehen,nicht vorrangig wegen der variablen optischen Transmissionvon Bedeutung, sondern vor allem, weil diese Eigenschafteinen Zugang zu einer Reihe physikalischer Ph�nomene wieoptische Speicher und Schalter, variable elektrische Str2me,Ionentransport durch Membranen und variable Benetzbar-keit er2ffnet. F)r diese Zwecke werden organische photo-chrome Verbindungen oft in Polymere, fl)ssigkristallineMaterialien oder andere Matrices eingebaut.

Der zunehmende Einsatz solcher bistabiler Systeme inden Materialwissenschaften erfordert einen �berblick )berdie grundlegenden Konzepte und das Vokabular dieses sichentwickelnden Gebietes.

Dieser Beitrag bietet einen kurzen geschichtlichen �ber-blick sowie allgemeine Definitionen und Konzepte, stellt dieFamilien organischer photochromer Verbindungen, photo-chrome biologische Rezeptoren und die chemische Basis derorganischen Photochromie vor, behandelt mechanistischeAspekte und Anwendungen und schließt mit einer Liste derg�ngigen Abk)rzungen sowie einer Zusammenstellung des

technischen Vokabulars f)r photochrome Brillengl�ser undvon B)chern )ber die Photochromie.

2. Kurzer geschichtlicher �berblick

2.1. Von den ersten Beispielen zur Namensgebung

Die ersten Beispiele photochromer Molek)le gehen aufeinen Farbwechsel von bestimmten Substanzen zwischen Tagund Nacht zur)ck. Fritsche berich-tete 1867[1] )ber das Ausbleicheneiner orangefarbenen L2sung vonTetracen im Tageslicht und die R)ck-bildung der Farbe im Dunkeln.Sp�ter fand ter Meer[2] einen Farb-wechsel des Kaliumsalzes von Dini-troethan im Festk2rper von Gelb im Dunkeln nach Rot imTageslicht. Ein anderes fr)hes Beispiel stammt von Phipson,[3]

der beobachtete, dass Zaunpf�hle am Tage schwarz, in derNacht jedoch weiß waren. Dies r)hrte von einem Zinkpig-ment – wahrscheinlich Lithopon –her. 1899 studierte Markwald denreversiblen Farbwechsel von 2,3,4,4-Tetrachlornaphthalin-1(4H)-on (b-TCDHN) im festen Zustand;[4] erhielt ihn f)r ein lediglich physikali-sches Ph�nomen, das er „phototropy“nannte. Dieser Terminus wurde damals verwendet. Er istjedoch irref)hrend, da er im Deutschen identisch mit demBegriff Phototropie (engl.: phototropism) ist, der biologischePh�nomene beschreibt, und sollte deshalb vermieden werden.

Das Interesse an der Photochromie war in der Folgezeitkontinuierlich, wenn auch begrenzt vorhanden, bis zwischen

Die Angewandte Chemie ver2ffentlicht �bersetzungenvon Recommendations und Technical Reports der IUPAC,um die chemische Fachsprache im Deutschen zu f2rdern.Sauber definierte Begriffe und klare Nomenklaturregelnbilden die Basis f)r eine Verst�ndigung zwischen denWissenschaftlern einer Disziplin und sind f)r den Austauschzwischen Wissenschafts- und Fachsprache sowie Allgemein-sprache essenziell. Alle �bersetzungen werden von einemausgewiesenen Experten (dem „Obmann“) gepr)ft, korri-giert und autorisiert. Die n�chste �bersetzung („Der BegriffDimensionalit�t in der Analytischen Chemie – Grundlagenund Anwendungen“) ist f)r Heft 35/2004 vorgesehen. Emp-fehlungen von Themen und Obleuten sind willkommen.

[*] H. D�rrFR 8.12 Organische Chemie, Universit�t des SaarlandesPostfach 151150, 66041 Saarbr�cken (Deutschland)Fax: (+49)681-818877E-mail: [email protected]

[**] Copyright6 der englischen Fassung, die unter dem Titel „OrganicPhotochromism“ von H. Bouas-Laurent (Bordeaux, Frankreich) undH. D�rr (Saarbr�cken, Deutschland) f�r die Ver<ffentlichung in PureAppl. Chem. 2001, 73, 639–665[50] vorbereitet wurde: InternationalUnion of Pure and Applied Chemistry, 2001. – Wir danken derIUPAC f�r die Genehmigung zum Druck einer deutschen Fassungdieses Technical Report. H. D. dankt vor allem H. Bouas-Laurentund H. Rau f�r die kritische Durchsicht der Fbersetzung sowie T.Hartmann, A. Engelke und Helga D�rr f�r ihre Hilfe bei derenAbfassung.

IUPAC-Empfehlungen

3404 � 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI: 10.1002/ange.200460025 Angew. Chem. 2004, 116, 3404 –3418

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1940 und 1960 verst�rkt mechanistische und Synthesestudieninsbesondere in den Arbeitsgruppen von Hirshberg undFischer in Israel durchgef)hrt wurden. 1950 schlug Hirsh-berg[5] den Terminus Photochromie (aus dem Griechischenphos=Licht und chroma=Farbe) f)r das Ph�nomen vor.Dieser Name ist der heute g)ltige. Das Ph�nomen ist jedochnicht auf farbige Verbindungen beschr�nkt, sondern umfasstSysteme, die vom kurzwelligen UV bis zum langwelligen IRabsorbieren, sowie sehr schnelle ebenso wie sehr langsamethermische Prozesse.

2.2. Entwicklung des Gebietes

Das Gebiet der Photochromie entwickelte sich in den1960er Jahren parallel zu den physikalischen Methoden (wieIR-, NMR-, R2ntgen-, UV-, zeitaufgel2ste und Blitzlicht-spektroskopie) und der organischen Synthese. PhotochromeGl�ser wurden verf)gbar und stimulierten weitere For-schungsarbeiten. Anwendungen wie der photochromeMikro-bildprozess (PCMI=PhotoChromic Micro Image), mit demes m2glich war, die 1245 Seiten der gesamten Bibel auf etwa6 cm2 zu reduzieren, riefen großes Interesse hervor. Einwichtiges Buch erschien 1971.[6] Aber es schien, dass diePhotozersetzung der bekannten Familien organischer photo-chromer Verbindungen deren Potenzial f)r Anwendungenlimitierte.[7]

Eine Wiederbelebung des Gebietes begann in den 1980erJahren, im Wesentlichen dank der Entwicklung erm)dungs-freier Spirooxazin- und Chromenderivate (Abschnitt 4). Sieerm2glichten die Herstellung und die kommerzielle Anwen-dung photochromer Brillengl�ser. Von da an wurden weiterekommerzielle Systeme entwickelt und neue photochromeSysteme entdeckt und erforscht. Parallel hierzu erschienenmehrere B)cher (siehe Abschnitt 11) und eine Flut vonVer2ffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften, undes wurden internationale Tagungen abgehalten (ISOP: Inter-national Symposium on Photochromism).

3. Allgemeine Definitionen und Konzepte

3.1. Definition der Photochromie

Photochromie ist die reversible Umwandlung einer che-mischen Spezies zwischen zwei Formen A und B mitverschiedenen Absorptionsspektren,[*] die in einer oder inbeide Richtungen durch die Absorption elektromagnetischerStrahlung ausgel2st wird (Abbildung 1). Die thermodyna-misch stabilere Form Awird durch Bestrahlung in die Form B)berf)hrt. Die R)ckreaktion kann thermisch (Photochromievom T-Typ) oder photochemisch (Photochromie vom P-Typ)erfolgen.

Die vorherrschenden organischen photochromen Systemebasieren auf unimolekularen Reaktionen, wobei in den

meisten F�llen die Form A farblos oder schwach gelblichund die Form B farbig (z.B. blau oder rot) ist. In diesen F�llenspricht man von positiver Photochromie. Andere Systemesind bimolekular, z.B. die, die auf Photocycloadditionenberuhen. Ist lmax(A)< lmax(B), spricht man von negativeroder inverser Photochromie.

Unimolekulare Prozesse treten zum Beispiel bei Spiropy-ranen auf, einer Familie von Verbindungen (Abschnitt 4), dieintensiv bearbeitet wurde. Photochrome feste oder (in Ethanol,Toluol, Ether, Ketonen, Estern etc.) gel2ste Spiropyrane sindfarblos oder schwach farbig. UV-Bestrahlung erzeugt Farbe.Die farbigen L2sungen bleichen durch thermisch ausgel2steR)ckkehr zu ihrer Ausgangsform aus; in vielen F�llen wirddiese Ausbleichreaktion auch durch sichtbares Licht ausgel2st.Einige Spiropyrane zeigen negative Photochromie; sie sind imDunkeln farbig und werden durch UV-Licht ausgebleicht.Viele Spiropyrane sind dar)ber hinaus thermochrom (sieheAbschnitt 3.8), und die Spektren der Farbform sind identischmit denen der photochemisch erzeugten Form.

3.2. Ein- und Zweiphotonensysteme

Im allgemeinen beruhen photochrome Prozesse aufeinem Einphotonenmechanismus: Die Form B wird ausge-hend vom angeregten Singulett- (1A*) und/oder Triplettzu-stand (3A*) gebildet. Sie kann aber auch von einem h2heren,durch die Absorption zweier Photonen entstandenen Zustandaus erzeugt werden.

Zwei-Photonen-Photochromie

Die �bergangswahrscheinlichkeit, mit der der Endzu-stand besetzt (und so das Photoprodukt erhalten) wird, h�ngtvom Produkt der Photonendichten Ep(1) und Ep(2) der zweiAnregungsstrahlen ab. Deshalb ist es vorteilhaft, Piko- oderSub-Pikosekunden-Laser mit hoher Photonendichte einzu-setzen. Zwei Absorptionsprozesse k2nnen dabei unterschie-den werden (Abbildung 2):a) die gleichzeitige Absorption zweier Photonen )ber ein

virtuelles Niveau,b) die stufenweise (oder sequenzielle) Absorption von zwei

Photonen, wobei die Absorption des zweiten Photons voneinem realen Energieniveau ausgeht.

Der Simultanprozess (a) ist erfolgreich zur ortsspezifi-schen Anregung photochromer Molek)le im Volumen von3D-Speichersystemen genutzt worden (Schreibprozess).

Abbildung 1. Zur Definition der Photochromie.

[*] Die Unterschiede in den spektroskopischen (optischen) Eigen-schaften gehen mit Unterschieden in anderen physikalischen Eigen-schaften einher.

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Auch zur Anregung der Fluoreszenz der Farbform vonMolek)len, d.h. f)r den Leseprozess, wurde eine Zwei-Photonen-Absorption eingesetzt.[8,9]

Alternativ kann der Anregungsprozess )ber ein metasta-biles Intermediat (Prozess b) erfolgen, z.B. beim Naphtho-pyranderivat 1, das )ber das nicht isolierte Intermediat X zumBicyclohexenderivat 2 isomerisiert (Abbildung 3). Die Auto-

ren nutzten zwei 405-nm-Photonen und beobachteten, dassdie Quantenausbeute proportional zum Quadrat der Photo-nendichte ist. Die R)ckreaktion 2!1 erfolgte bei Bestrah-lung mit 334 nm.[10]

3.3. Photochrome Verbindungen

Photochrome Verbindungen sind chemische Spezies mitphotochromen Eigenschaften. Die folgenden englischenBegriffe, die manchmal als Synonyme verwendet werden,sollten vermieden werden: „photochromics“ gilt als umgangs-sprachlich, „photochromes“ sind Kontaktabz)ge der Farb-photographie, „photochromy“ ist eine alte Technik derFarbphotographie.

3.4. Phototropie

Mit Phototropie bezeichnet man ein lichtinduziertes,gerichtetes Wachstum von Pflanzen, wobei die Orientierungzum Licht hin oder vom Licht weg sein kann.

3.5. Chromie

Chromie wird als Endung verwendet und bedeutet„reversible Farb�nderung“ und im weiteren Sinne auchreversible Qnderung anderer physikalischer Eigenschaften.Das Stammwort zeigt das die Qnderung ausl2sende Ph�no-men an, z.B. bedeutet Photochromie, dass elektromagneti-sche Strahlung der Ausl2ser ist. Weitere mit der Photochro-mie verkn)pfte Ph�nomene sind in den Abschnitten 3.6–3.18erkl�rt.

3.6. Heliochromie

Dieser Begriff wurde von Heller gepr�gt[11] und kenn-zeichnet Verbindungen mit einer hohen Effizienz der Farb-bildung bei Bestrahlung mit langwelligem UV-Licht undniedriger Ausbleichgeschwindigkeit unter sichtbarem Licht,aber m�ßiger Effizienz des thermischen Ausbleichens beiRaumtemperatur. Sie werden durch nichtgefiltertes Sonnen-licht in die Farbform )berf)hrt und durch diffuses Tageslichtentf�rbt. Daher sind sie f)r Sonnenbrillen besonders geeig-net.

3.7. Elektrochromie

Bei elektrochromen Verbindungen wird die reversibleQnderung der Absorptionsspektren durch eine elektroche-mische Reaktion (Oxidation/Reduktion) ausgel2st.[12]

3.8. Thermochromie

Von Thermochromie spricht man bei einem thermischinduzierten reversiblen Farbwechsel. Eine große Gruppe vonVerbindungen weist dieses Ph�nomen auf: organische, anor-ganische und metallorganische Verbindungen sowie makro-molekulare (z.B. Polythiophen) und supramolekulareSysteme (z.B. Fl)ssigkristalle). Spiroheterocyclen (Spiropy-rane, Spirooxazine), Schiff-Basen und Bianthrone sind wohl-bekannte thermochrome organische Verbindungen. R)hrtdie Thermochromie einer Verbindung von der Assoziationmit einer anderen chemischen Spezies, wie Metallionen oderProtonen, oder von der Modifikation des Mediums durcheinen thermischen Effekt her, dann spricht man von Ther-mosolvatochromie.[13]

9,9-Bixanthenyliden, ein typisches thermochromes Mole-k)l, ist bei der Temperatur des fl)ssigen Stickstoffs farblos,bei Raumtemperatur gelbgr)n und beim Schmelzen oderErhitzen in siedendem Mesitylen tiefblau.[14]

Abbildung 3. Stufenweise Zwei-Photonen-Photochromie-Reaktion 1Q2.Im Energieniveaudiagramm ist nur die Hinreaktion wiedergegeben.

Abbildung 2. Zwei M<glichkeiten der Zwei-Photonen-Absorption.

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3.9. Piezochromie

Hiermit wird eine deutliche Farb�nderung von Kristallenbei Druck�nderung, z.B. mechanischem Mahlen, beschrie-ben. Die induzierte Farbe wandelt sich in die Ausgangsfarbeum, wenn die zerst2rten Kristalle im Dunkeln aufbewahrtoder in einem organischen L2sungsmittel gel2st werden. DasMahlen erzeugt eine metastabile Form (vgl. Tribochromie,Abschnitt 3.10). Ein Beispiel f)r eine piezochrome organi-sche Verbindung ist Diphenylflavylen.[15]

3.10. Tribochromie

Anders als bei der Piezochromie wird bei der Tribochro-mie die Farb�nderung nicht aufgehoben, wenn die Kristalleim Dunkeln gehalten oder in organischen L2sungsmittelngel2st werden. Hier befinden sich die Kristalle vor derZerst2rung in einem metastabilen Zustand.[16] A ist dieallgemeine Formel einiger tribochromer Verbindungen.

3.11. Solvatochromie

Von Solvatochromie spricht man, wenn die reversibleQnderung der elektronischen spektroskopischen Eigenschaf-ten einer chemischen Spezies (Absorption, Emission) durchdas L2sungsmittel induziert wird.[17,18]

3.12. Halosolvatochromie

In diesem Fall wird die Farb�nderung durch die zuneh-mende Ionenst�rke des Mediums bedingt, ohne dass sich dasChromophor chemisch �ndert. Ein Beispiel ist der Betain-farbstoff 2,6-Diphenyl-4-(2,4,6-triphenyl-1-pyridinio)phen-oxid. Er zeigt zum einen eine ausgepr�gte Solvatochromie,

die die Basis eines empirischen Parameters f)r die Solvens-polarit�t, des ET(30)-Wertes, ist. Zum anderen bewirkt dieZugabe von Salzen wie KI, Ca(SCN)2 oder Mg(ClO4)2 zuL2sungen dieses Farbstoffs in Acetonitril eine hypsochrome

Verschiebung im UV/Vis-Spektrum, die mit steigenderLadung des Kations zunimmt. Die Kombination beiderEffekte wird als Halosolvatochromie bezeichnet.[19]

3.13. Gated Photochromie

Bei diesem speziellen Typ der Photochromie werden eineoder beide Formen eines photochromen Systems reversibel(chemisch oder elektrochemisch) in eine nichtphotochromeForm )berf)hrt. Die Steuerung des Photochromieprozessesl�sst sich hier mit der Durchfluss-Steuerung durch ein Gatter(gate) vergleichen. Das Rffnen und Schließen des Gatterskann von externen Stimuli wie Protonierung, Oxidation/Reduktion, Solvatisierung und Temperatur abh�ngen. DieseArt der Photochromie wird durch das Beispiel in Schema 1illustriert.[20] Die konrotatorische Photocyclisierung des Di-arylethens 3 ist nur aus der antiparallelen Form 3am2glich. InCyclohexan oder Decalin tritt keine Cyclisierung ein, weildort die parallele, durch Wasserstoffbr)ckenbindungen sta-bilisierte Form 3b vorliegt. Erhitzt man die L2sung auf 100 8Coder gibt Ethanol zu, so werden die H-Br)cken aufgebrochenund die photochrome Cyclisierung zu 3c findet statt.

3.14. Dualmodus-Photochromie

Diese Photochromie findet man in komplexen Systemen.Sie kann alternativ durch zwei verschiedene externe Steuer-gr2ßen wie Licht und elektrischer Strom ausgel2st werden. Indiesem Fall regulieren sich Photochromie und Elektrochro-mie gegenseitig. Abbildung 4 zeigt ein System, das alsmolekularer elektro-optischer Dualmodus-Schalter vorge-schlagen wurde.[21] Es sollte ein reversibler Wechsel zwischenden Zust�nden 4, 5 und 6m2glich sein, die alle drei thermischstabil sind und sehr unterschiedliche Absorptionsspektrenliefern. Die farblose Verbindung 4 kann photochemischreversibel in tiefblaues 5 umgewandelt werden, wobei 4elektrochemisch inert, 5 aber aktiv ist und reversibel zwischen�1 und + 1 V zu violettem 6 oxidiert werden kann. Diechinoide Spezies 6 wiederum ist photochemisch stabil, w�h-rend 5 photochrom ist. Deshalb kann in diesem System dieInformation mit UV-Licht eingeschrieben werden, durch denelektrochemischen Prozess (5!6) gesichert und bei etwa600 nm (f)r violett) ausgelesen werden; nach elektrochemi-scher Reduktion (6!5) kann die Information mit sichtbaremLicht (> 600 nm) gel2scht werden. Ein Dualmodus-Photo-schalter, der die Lumineszenz geeigneter Molek)le nutzt,wurde ebenfalls beschrieben[22] (siehe auch Chirochromie,Abschnitt 3.18).

3.15. Acidochromie

Bei acidochromen Verbindungen unterscheiden sich dieprotonierte Form und die konjugate Base in den Absorp-tionsspektren. Dieses Ph�nomen ist bei Phenolen undAminen wohlbekannt. Die Acidochromie kann zus�tzlichzur Photochromie auftreten, z.B. bei Spirooxazinen (SO), die

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Merocyanine (MC) liefern,[23] wie inSchema 2 gezeigt ist. In manchenF�llen l�sst sich die Acidochromie f)rzerst2rungsfreie Auslesesystemenutzen, wobei eine Form zum Lesen,die andere zum Schreiben und L2schendient.[24]

3.16. Ionochromie

Damit bezeichnet man eine rever-sible Farb�nderung, die durch Zugabe

Schema 1. Beispiel f�r die gated Photochromie (aus Lit. [20]).

Abbildung 4. Potenzieller molekularer elektro-optischer Dualmodus-Schalter und die elektronischen Spektren der einzelnen Komponenten (ausLit. [21]).

Schema 2. Die Kombination von Photo- und Acidochromie im System Spirooxazin (SO), Mero-cyanin (MC).

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von Salzen ausgel2st wird. Die Ionochromie kann zus�tzlichzur Photochromie auftreten und eine Ver�nderung derLeitf�higkeit induzieren (in Schema 2 ist einfach H+ durchM+ zu ersetzen).

3.17. Halochromie

Der Begriff Halochromie wurde von Baeyer und Villigereingef)hrt,[25] um den trivialen Farbwechsel von Farbstoffenbei Zusatz einer Base oder S�ure zu bezeichnen. Ursache istdie Bildung eines neuen Chromophors, wie sie von S�ure-Base-Indikatoren bekannt ist (siehe Acidochromie,Abschnitt 3.15). Ein Beispiel ist die Reaktion Ph3C�Cl+AlCl3QPh3C++AlCl4

� , bei der das organische Chlorid farb-los und das Carbeniumion gelb ist.

3.18. Chirochromie

Im allgemeinen bezeichnet Chirochromie die reversibleQnderung der Drehung der Ebene des polarisierten Lichtsdurch zwei Diastereomere eines photochromen Systems. Esmuss betont werden, dass die Umwandlung zweier Enantio-mere, die in einem nichtchiralen Medium per definitionemidentische Absorptionspektren haben, ineinander nicht unterden Begriff Photochromie f�llt; jedoch k2nnen sich dieAbsorptionsspektren derartiger Enantiomere in chiralenMedien unterscheiden, insbesondere in festen Matrices.

Diastereoselektive Photochromie (Diastereophotochromie)

Diastereophotochromie ist das Resultat eines photoindu-zierten reversiblen Wechsels zwischen den Absorptionsspek-tren zweier Diastereomere A und B. Der Diastereomeren-)berschuss Edia in dem photostation�ren Zustand (pss), derbei Bestrahlung einer Mischung aus A und B mit nicht-polarisiertem Licht der Wellenl�nge l entsteht, h�ngt gem�ßGleichung (1) vom molaren Extinktionskoeffizienten e und

½Edia�pss ¼½A��½B�½A� þ ½B� ¼

ðeBFBA�eAFABÞlðeBFBA þ eAFABÞl

ð1Þ

von den Umwandlungsquantenausbeuten FAB (A!B) undFBA (B!A) ab.[26] Durch Bestrahlung mit l1 nimmt derAnteil von B in der Mischung aus A und B zu, durchBestrahlung mit l2 der von A (Abbildung 5). Wenn A und Bchirale Untereinheiten aufweisen, wird sich ihre Umwand-lung ineinander unterschiedlich auf die Drehung der Ebene

von linear polarisiertem Licht auswirken (was als Circulardi-chroismus (CD) gemessen werden kann). Diese reversibleUmwandlung wird als Chirochromie bezeichnet.

Die enantiomerenreinen, sterisch stark gehinderten He-terocyclen 7 (cis) und 8 (trans) weisen eine stereospezifischephotochemische Isomerisierung von 7 zu 8 und von 8 zu 7 auf(Diastereophotochromie); es konnte gezeigt werden, dass

beide Diastereomere stabil sind und keine Isomerisierung imDunkeln bei Raumtemperatur stattfindet. Die Reaktion istzudem thermisch kontrolliert (Diastereothermochromie); dieIsomerisierung geht mit einer Helizit�tsumkehr einher undkann daher anhand von CD-Spektren nachgewiesen werden.Ein solches System kann als chiroptischer molekularerSchalter fungieren.[27]

Bei verwandten chiralen photochromen Verbindungenwurde gezeigt, dass die Fluoreszenzemissionsspektren )bereine reversible Protonierung beeinflusst werden k2nnen.[28]

Dies ist ein weiterer Fall von gated Photochromie (sieheAbschnitt 3.13).

3.19. F+rbbarkeit

Mit diesemBegriff wird die F�higkeit eines farblosen oderschwach farbigen (schwach gelben) photochromen SystemsFarbe zu entwickeln beschrieben. In verd)nnten L2sungen istdie Anfangsabsorption A0(l) unmittelbar nach der Photolysemit Licht der Wellenl�nge l proportional zu Fcol (Quanten-ausbeute der Photof�rbbarkeit), eB (molarer Absorptions-koeffizient der Farbform) und cA (Konzentration der farb-losen Form) [Gl. (2), der Proportionalit�tsfaktor k enth�ltden Photonenflusss].[29]

A0ðlÞ ¼ kFcol eB cA ð2Þ

3.20. Erm dung

Die Photochromie ist ein zerst2rungsfreier Prozess, dochchemische Abbaureaktionen k2nnen als St2rung auftreten.Die dadurch verursachte Abnahme der Effizienz einesphotochromen Systems mit der Zeit wird als Erm)dungbezeichnet. Der wichtigste Prozess, durch den photochromeSubstanzen zerst2rt werden, ist die Oxidation.[30] Besonderserm)dungsresistente Verbindungen sind:a) Einkristalle methylsubstituierter Dithienylperfluorcyclo-

pentene (Sie sind bei 100 8C stabil und k2nnen mehr alsAbbildung 5. Die Beobachtung einer Diastereophotochromie.

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105 F�rbungs- und Entf�rbungszyklen durchlaufen, ohnedie Kristallform zu verlieren. Aber infolge einer physika-lischen Sch�digung als Folge der Oberfl�chenrestruktu-rierung w�hrend der Photoisomerisierung nahm dieTransmission der Einkristalle nach 104 Zyklen langsamab.[31])

b) Bacteriorhodopsin aus der Purpurmembran von Halo-bacterium halobium (Es )bersteht mehr als 105 Zyklenohne Zersetzung.[32])

3.21. Die Zyklenzahl

Wie viele F�rbungs/Entf�rbungszyklen ein System unterdefinierten Bedingungen (L2sung, Matrix, Konzentration,Temperatur, …) eingehen kann, ist ein wichtiger Parameter.In einem Zyklus wird das System A (photochemisch) in dasSystem B umgewandelt, welches zu A zur)ckreagiert (ther-misch oder photochemisch); hierf)r werden die Termini Ein-und Ausschalten verwendet. Im Idealfall sind die Ausbeutenbeider Reaktionen quantitativ, aber meist spielen Neben-oder Folgereaktionen ebenfalls eine Rolle. Betr�gt der Anteilan Zersetzung w�hrend eines Zyklus x, dann gilt f)r dennichtzerst2rten Anteil an A (y) nach n Zyklen: y= (1�x)n.F)r sehr kleine x- und sehr große n-Werte gilt n�herungs-weise: y ~ 1�nx. Mit der nichtgen�herten Gleichungergibt sich f)r einen x-Wert von 0.001 (dies entspricht einerAusbeute von 99.9%), dass die Form A nach 103 Zyklenzu 63% und nach 104 Zyklen fast vollst�ndig ver-schwunden ist.

3.22. Z50-Wert

Dieser Wert gibt an, nach wie vielen Zyklen der anf�ng-liche Absorptionswert auf die H�lfte reduziert ist.[33]

3.23. Halbwertszeit T1/2

Die Halbwertszeit ist die Zeit, nach der der Absorptions-wert aufgrund des thermischen Ausbleichens innerhalb einesZyklus auf die H�lfte zur)ckgegangen ist (vgl. Z50-Wert,Abschnitt 3.22).

3.24. Auslesewert

Ein f)r ROM-Speicher wichtiger Wert ist die Zahl derLeseprozesse, die bei kontinuierlicher Bestrahlung m2glichsind. Bei einer Auslesezeit von etwa 10 ms betr�gt derAuslesewert pro Tag etwa 8U 109.

4. Familien organischer photochromerVerbindungen[*]

Spiropyrane

Spirooxazine

Chromene

Fulgide und Fulgimide

Ihren Name erhielten die Fulgide von ihrem erstenErforscher, H. Stobbe, weil sie als feine, glitzernde Kristalleisoliert wurden (lateinisch: fulgere= glitzern); ihre photo-chromen Eigenschaften wurden von H. G. Heller ausf)hrlichuntersucht.[34]

[*] In allen F�llen gilt : hn2<hn1.

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Page 8: Organische Photochromie

Diarylethene und verwandte Verbindungen

Spirodihydroindolizine

Azoverbindungen

Polycyclische aromatische Verbindungen

Anile und verwandte Verbindungen

Aldehyde reagieren mit prim�ren Aminen zu Iminen(Schiff-Basen). Handelt es sich bei dem Amin um Anilin,wird das Imin als Anil bezeichnet. Die Photochromiebasiert hier auf einem intramolekularen Wasserstoffatom-transfer.

Polycyclische Chinone (Periaryloxy-para-chinone)

Perimidinspirocyclohexadienone

Viologene

Triarylmethane

5. Photochrome biologische Rezeptoren

Viele biologische Systeme sind photochrom, aber wenigebleiben dies auch nach der Isolierung aus der lebenden Zelle,deren Teil sie sind.[35]

Retinalproteine

In Rhodopsin ist das Chromophor Retinal )ber einenLysinrest an das Protein gebunden, wobei das Strukturele-ment einer protonierten Schiff-Base resultiert. Sein komple-xer Photochromie-Zyklus ist in Gleichung (3) vereinfachtdargestellt. Im Bacteriorhodopsin (BR) ist das ChromophorRetinal ebenfalls an einen Lysinrest eines Proteins gebunden,

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hier eines Proteins in der Purpurmembran vonHalobacteriumhalobium. Ein vereinfachtes Modell des BR-Photozykluskann durch Schema 3 mit den Formen B und M beschriebenwerden.

Phytochrom

Das Phytochrom (P) steuert die Photomorphogenese vonPflanzen (Schema 4).

6. Die chemische Basis der organischenPhotochromie

Pericyclische Reaktionen

Elektrocyclisierungen, konzertiert oder nichtkonzertiert,sind Prozesse, an denen bei Spiropyranen, Spirooxazinen,Chromenen, Hexa-1,3,5-trienen, Diheteroarylethenen undCyclohex-1,3-dienen sechs p-Elektronen und sechs Atomebeteiligt sind und bei Spirodihydroindolizinen und anderenauf Pyrazolinen basierenden Systemen sechs p-Elektronenund f)nf Atome.

Cycloadditionen finden sich als [2+2]-, [4+4]- und [4+2]-Cycloadditionen. Die ersten sind die Folge von Valenzisome-

risierungen oder treten bei Molek)len mit Mehrfachbindun-gen auf, wenn diese Teil eines aromatischen Systems sind odermit einem solchen konjugativ verbunden sind, die zweitenlaufen vorwiegend bei polycyclischen aromatischen Kohlen-wasserstoffen ab, und die dritten werden z.B. bei der Addi-tion von Singulettsauerstoff an aromatische Systeme beob-achtet.

Cis-trans(E/Z)-Isomerisierungen

Diese Ursache f)r Photochromie findet man bei Stil-benen, Azoverbindungen, Azinen, Verbindungen vomThioindigo-Typ etc., wie auch bei einigen photochromenbiologischen Rezeptoren in lebenden Systemen.

Intramolekularer Wasserstoffatomtransfer

Diese Reaktion wird bei Anilen, Benzylpyridinen, Acini-tro- und verwandten Verbindungen, Salicylaten, Triazolen,Oxazolen, Metalldithizonaten und Perimidinspirohexadieno-nen beobachtet.

Intramolekularer Gruppentransfer

Diese Ursache ist charakteristisch f)r polycyclische Chi-none (Periaryloxy-para-chinone).

Dissoziationsprozesse

Heterolytische Bindungsspaltung tritt in Triarylmethanenund verwandten Systemen auf, homolytische findet man beiTriarylimidazoldimeren, Tetrachlornaphthalinen, Perchlorto-luol, Nitrosodimeren, Hydrazinen etc.

Elektronentransfer (Redoxreaktionen)

Bei Viologenen und verwandten Systemen ist er dieUrsache der Photochromie. Diese Verbindungen k2nnenauch Elektrochromie zeigen.

7.Mechanistische Aspekte

7.1. Kinetik photochromer Verbindungen

Die Bestimmung der Photochromieparameter (Zahl, Artsowie kinetische und spektroskopische Eigenschaften) derTransienten, die bei der Bestrahlung entstehen, ist keinetriviale Aufgabe, da in vielen F�llen die Photoprodukte zulabil sind, um isoliert zu werden. Als Beispiel soll die Kinetikunimolekularer Systeme dienen (Schema 5). Zu ihnen geh2-ren Spiropyrane, Spirooxazine und Spirodihydroindolizine,die alle von großer Bedeutung f)r die praktische Anwendungin Brillengl�sern sind.

Schema 3. Vereinfachtes Modell des BR-Photozyklus.

Schema 4. Phytochrom (P).

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Am Zyklus beteiligt sind die farblose „geschlossene“Form A (siehe Abschnitt 4), ein kurzlebiger Transient M (einangeregter Singulett- oder Triplettzustand oder ein sehrlabiles Photoisomer) und die langlebige, aber nicht isolierbare„offene“ Form B. Zur Analyse k2nnen sowohl Methoden mitgepulster als auch solche mit kontinuierlicher Bestrahlunggenutzt werden:a) Pulstechnik: Unmittelbar nach dem Anregungspuls ist

ausschließlich der kurzlebige Transient M angereichert.b) Kontinuierliche Bestrahlung: Bei Verwendung eines

schwachen Photonenflusses kann sich ein Produkt, z.B.B (oft ein Photoisomer), auf einer Zeitskala von 10�2–10+6 s anreichern.

Um die relevanten Parameter des Photoisomers B(Quantenausbeute, UV/Vis-Spektrum) zu bestimmen, sindspeziell konzipierte kinetische Experimente n2tig. Unterkontinuierlicher monochromatischer Bestrahlung kann einphotochromes System als ein offenes, sich nicht im Gleich-gewicht befindliches System angesehen werden. Die Ver�n-derungen der Konzentrationen der reagierenden Spezies(Ausgangsverbindungen, Photoisomere und Abbauprodukte)k2nnen durch einen geeigneten Satz an Differentialglei-chungen beschrieben werden. Die einzige Vereinfachung, diezu ihrer Formulierung notwendig ist, ist die Annahme, dass inder gut ger)hrten L2sung das Lambert-Beersche Gesetzg)ltig ist. Die UV/Vis-Multiwellenl�ngenanalyse der Absorp-tion als Funktion der Zeit unter kontinuierlicher monochro-matischer Bestrahlung erlaubt die Bestimmung der Zeitab-h�ngigkeit der einzelnen Konzentrationen.[36] R)cksimula-tionskurven aus der numerischen Integration der Differen-tialgleichungen f)r das Kinetikschema werden mit denexperimentellen Kurven mithilfe von Kurvenanpassungsver-fahren verglichen.

Ein Beispiel f)r eine typische kinetische Analyse einesunimolekularen photochromen Systems, das durch Schema 5beschrieben wird, unter kontinuierlicher monochromatischerBestrahlung ist in Abbildung 6 wiedergegeben. KomplexereSituationen, die Photobleichung und Photoabbau oder dieGegenwart mehrerer sich ineinander umwandelnder Photo-isomere (z.B. im Fall der Chromene) einschließen, k2nnenebenfalls behandelt werden.[37]

7.2. Photochromes Verhalten und spektrokinetischeEigenschaften

Die Effizienz der F�rbbarkeit (siehe Abschnitt 3.19) istdurch die Absorption A0(l) im Absorptionsmaximum derFarbform unmittelbar nach dem Lichtblitz (t= 0) gegeben.Dieser Parameter wurde unter Standardbedingungen (Kon-

zentration der geschlossenen Form ca. 2.5 U 10�5m, in Toluol,bei 25 8C) zusammen mit lmax des sichtbaren Absorptions-spektrums f)r eine Serie farbloser photochromer Verbindun-gen wie Spiropyrane, Spirooxazine und Chromene bestimmtund ist ein guter Wert zur Charakterisierung von derenrelativem photochromem Verhalten. Andere wichtige Datensind die thermischen Abklingkurven erster Ordnung (k~) unddie photochrome Halbwertszeit t*ðA0=2Þ, d.h. die Zeit, bis dieF�rbbarkeit bei kontinuierlicher Bestrahlung auf die H�lftedes urspr)nglichen Wertes gesunken ist (Erm)dungstest).

Tabelle 1 gibt entsprechende Werte f)r eine Reihetypischer photochromer Verbindungen in Toluol wieder.[38]

Dieser Datensatz hilft bei der Auswahl f)r einen bestimmtenZweck geeigneter Substanzen, allerdings ist zu beachten, dassdie photochromen Eigenschaften in Polymeren anders sein

Schema 5. Kinetik unimolekularer photochromer Systeme.

Abbildung 6. Entwicklung der Absorption eines unimolekularen photo-chromen Systems bei zwei Wellenl�ngen unter kontinuierlicher mono-chromatischer Bestrahlung mit einer Wellenl�nge lirr. Die Kurven a1

und b1 geben die Absorptions�nderungen beim lmax-Wert der offenenForm wieder, die Kurven a0

1 und b01 die bei der Einstrahlungswellen-

l�nge lirr. Die Bestrahlung mit UV-Licht wurde zum Zeitpunkt t1 been-det. Die thermische Geschwindigkeitskonstante kAB wird aus den Rela-xationsprozessen im Dunkeln abgeleitet (Absorptions�nderungen beib1 und b0

1), FAB und eB hingegen aus den Kurven unter Bestrahlung (a1

und a01). Aus der Entwicklung der Absorption bei der Einstrahlungswel-

lenl�nge lirr l�sst sich der Anteil des einfallenden Photonenflussesberechnen, der tats�chlich von der photochromen Ausgangsverbin-dung A absorbiert wird.

Tabelle 1: Photochromieparameter einiger Verbindungen in verd�nnterToluoll<sung [2.5 J 10�5

m] .

Verbindung lmax [nm] A0(l) (t=0) k~ [s�1] t*ðA0=2Þ

615 4.6 0.02 7.5 min

594 1.08 0.54 8.5 h

432 0.84 0.09 7.5 h

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und mit der Art und dem Sauerstoffgehalt der Matrixvariieren k2nnen.

7.3.Messung von Photochromieparametern

Ein computergesteuertes Ger�t zur Bestimmung derwichtigsten Photochromieparameter F�rbbarkeit (A0), Aus-bleichgeschwindigkeit (k~) und Halbwertszeit (t*ðA0=2Þ) wurdeentwickelt,[30, 38] f)r das drei Betriebsarten m2glich sind:a) Pulsmodus: Einer Folge von Anregungspulsen folgt ein

Messpuls. Dabei ist nR gleich der Zahl der Pulse, dienotwendig sind, um den Wert A0/2 (die H�lfte der F�rb-barkeit A0(l)) zu erreichen.

b) Zyklischer Modus als Qquivalent zu Tageslichtbedingun-gen: Eine Folge von Hell- und Dunkelperioden wird solange angewendet, bis der A0/2-Wert erreicht ist.

c) Kontinuierlicher Modus: Die Folgen sind analog denendes zyklischen Modus, jedoch wird hier die Dunkelpe-riode auf eine Minute reduziert, um den Photovervielfa-cher zu stabilisieren.

8. Anwendungen

8.1. Allgemeines

Die Anwendungen der Photochromie k2nnen in zweiKategorien eingeteilt werden:a) Anwendungen, die direkt mit den Qnderungen des

Absorptions- oder Emissionsspektrums verkn)pft sind.In diese Gruppe geh2ren Materialien mit variableroptischer Transmission, optische Informationsspeicher,Kosmetika, Sicherheitssysteme gegen F�lschungen unddie Visualisierung von optischen Flussfeldern.

b) Anwendungen, die mit der (Ver)�nderung anderer physi-kalischer oder chemischer Gr2ßen verkn)pft sind. Dazugeh2ren Brechungsindex, Dielektrizit�tskonstante, elek-trische Leitf�higkeit, Phasenumwandlungen, L2slichkeit,Viskosit�t und Oberfl�chenbenetzbarkeit.

8.2. Aktinometrie

Ein Aktinometer beruht auf einem chemischen oderphysikalischen Vorgang und dient dazu, die Zahl der Pho-tonen in einem Lichtstrahl integral oder pro Zeiteinheit zubestimmen (siehe Definition in „Glossary of Terms Used inPhotochemistry“[39]).

Die chemische Aktinometrie in L2sung bieten gegen)berphysikalischen Methoden den Vorteil, dass sie unter �hnli-chen Bedingungen durchgef)hrt werden kann wie die unter-suchte Photoreaktion.[40] Dar)ber hinaus k2nnen photo-chrome Aktinometer mehrfach eingesetzt werden, sodassnicht f)r jede Messung eine neue Probe angesetzt werdenmuss. Einige thermisch stabile photochrome Verbindungenerf)llen diese Bedingungen.

Aberchrom 540 ist f)r die chemische Aktinometrie imBereich von 310–370 nm (F�rbereaktion) und von 435–545 nm (Ausbleichreaktion) gut geeignet [Gl. (4)].[41a] Ein

wichtiger Aspekt ist, dass diese Verbindung bei 365 nmeingesetzt werden kann, ein Bereich, in dem viele andereAktinometer nicht verwendet werden k2nnen. Die Quanten-ausbeute f)r die F�rbereaktion ist zwischen 5 und 55 8Ctemperaturunabh�ngig, und die Verbindung kann als 5 U10�3 moldm�3 L2sung in Toluol mehrfach eingesetzt wird.Allerdings wurde eine Abnahme der Quantenausbeute beimehrfachem Gebrauch des Aktinometers in niedrigerenKonzentrationen beobachtet.[41b–e]

Azobenzol kann in Konzentrationen von > 6 U10�4 moldm�3 in Methanol f)r den Bereich 254–344 nmgenutzt werden.[42] Die Absorptionsspektren von cis- undtrans-Form unterscheiden sich ausreichend, um zu signifikan-ten Absorptions�nderungen w�hrend der Photoisomerisie-rung zu f)hren.

Heterocoerdianthron-endoperoxid (HECDPO) ist in derRegion 248–334 nm geeignet [Gl. (5)]. Das Aktinometer

entsteht in einer luftges�ttigten L2sung von Heterocoerdian-thron (HECD) in Dichlormethan, die zun�chst Sonnenlicht inGegenwart eines Bandpasses f)r 420–480 nm ausgesetzt unddann im Dunkeln aufbewahrt wird.[43] Zwischen 253 und302 nm ist die Quantenausbeute wellenl�ngenunabh�ngig.

8.3. Substanzen zur Begrenzung der Lichtst+rke

Diese Substanzen werden eingesetzt, um das menschlicheAuge oder optische Sensoren vor Zerst2rungen durch inten-sive Lichtblitze zu sch)tzen. Die ideale Substanz wird beieinem Laserblitz schlagartig opak und nach dem Ende desPulses sofort wieder transparent. Zu den Verbindungen, diein dieser Hinsicht von Interesse sind, z�hlen Fullerene,Indanthrone, Porphyrine, gemischte Metallcluster und Phtha-locyanine (besonders Chlorindiumphthalocyanine).[44,45]

Die Ursache f)r dieses Ph�nomen ist die Anregung einesGroßteils der Molek)le aus dem Grund- in einen angeregten

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Zustand, der Photonen effektiver absorbiert als der Grund-zustand. Bei diesem Zustand kann es sich um den T1- oderden S1-Zustand handeln, f)r die dann jeweils die in Abbil-dung 7 angegebenen Bedingungen gelten m)ssen.

8.4. Lichtgesteuerte Materialien

Die reversiblen photoinduzierten Ver�nderungen physi-kalischer und chemischer Eigenschaften eines photochromenMolek)ls k2nnen von diesem an seine Mikroumgebungweitergeleitet werden (Abbildung 8). Einige Beispielehierzu sind:

* Photomechanische Effekte: Bei Monoschichten aus Poly-vinylalkohol mit Azobenzolseitenketten (PVA-AzB-De-rivaten) auf einer Wasseroberfl�che konnten reversiblephotomechanische Deformationen mithilfe der optischenMikroskopie unter dem Brewster-Winkel beobachtetwerden.[46]

* Chiroptische molekulare Schalter: In Poly(a-aminos�u-ren) mit photochromen Einheiten (z.B. Azobenzol-,Spiropyraneinheiten) kann deren Photoisomerisierungeine Umlagerung der Makromolek)le von der Kn�uel-in die a-Helix-Form ausl2sen. Die prim�re Photoisome-risierung in den Seitenketten wird durch die Qnderungenin der Kettenstruktur des Makromolek)ls verst�rkt undumgewandelt, was sich in großen und reversiblen Qnde-rungen der optischen Aktivit�t bemerkbar macht.[47]

Wegen der Reversibilit�t k2nnen solche Systeme als„chiroptische molekulare Schalter“ fungieren (sieheauch Lit. [27]).

* Sol-Gel-Umwandlungstemperatur: Einprozentige w�ss-rige L2sungen von Poly(N-isopropylacrylamid) k2nnenthermoreversible Gele bilden,[48] wobei gezeigt wurde,

dass Azobenzoleinheiten als Seitenketten (2.7 Mol-%)die Gelbildungstemperatur reversibel ver�ndern. Bei750 nm ist die L2sung transparent und das Gel opak(Abbildung 9). Die cis-Form der Azobenzoleinheitensichert eine hohe prozentuale Transmission zwischen 20und 26 8C (TSol-Gel 30 8C), w�hrend das trans-Isomer eineSol-Gel-Umwandlung bei ca. 20 8C induziert. DieseUmwandlungstemperaturen sind durch Licht gesteuert,das die cis-trans-Isomerisierung ausl2st (l1 oder l2), waszur Folge hat, dass die Transmission zwischen 80 und 0%(oder zwischen 0 und 80%) durch Bestrahlung imTemperaturbereich von 20 bis 26 8C eingestellt werdenkann.[48]

8.5. Photoschaltbare Biomaterialien

Die Kombination von Biomaterialien mit photochromenVerbindungen ist die Basis f)r den Bau optobioelektronischerSysteme. Das folgende Beispiel einer photoreversiblenImmunsensor-Elektrode (Abbildung 10) illustriert den Bei-

Abbildung 7. Voraussetzung f�r die Funktion einer Substanz als Licht-st�rkenbegrenzer.

Abbildung 8. Photoinduzierte zyklische Knderung einer physikalischenEigenschaft in einem lichtgesteuerten System.

Abbildung 9. Transmissions�nderungen einer photochromen L<sungbei 750 nm als Funktion der Temperatur (siehe Text). * im Dunkeln, *

bei Bestrahlung. Bei Bestrahlung mit 350 nm<l2<410 nm wird dasPolymer gel<st und die L<sung transparent. Bei Bestrahlung mitl1>410 nm nimmt die L<slichkeit ab und Phasentrennung tritt ein(aus Lit. [48]).

Abbildung 10. Schematische Beschreibung einer photoreversiblenImmunsensor-Elektrode (aus Lit. [49]).

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trag der Photochromie zur Entwicklung der Biomaterialwis-senschaften.[49]

Eine Goldelektrode, die durch eine Antigen(Atg)-funk-tionalisierte selbstorganisierte Monoschicht modifiziert ist(a), liefert in Gegenwart einer Redoxprobe (R+/R) einamperometrisches Signal; die Anbindung des Antik2rpers(Ab) an die Monoschicht (b) isoliert die Elektrode von dergel2sten Redox-Probe, sodass kein elektrisches Signal mehrerhalten wird. Wegen der festen Atg-Ab-Komplexierung sindsolche Elektroden nur f)r ein Experiment einsetzbar. DasAntigen kann aber durch eine photochromeKomponente (A)chemisch modifiziert werden, ohne dass der amperometrischeNachweis des Antik2rpers behindert wird; die Antigen-Monoschicht wird durch die Photoisomerisierung von A zuB gest2rt und entl�sst den Antik2rper aus der Bindung (c).Die aktive Atg-Monoschicht awird durch die Umkehrung derPhotoisomerisierung von B zu A regeneriert. Weitere Analy-sen sind so m2glich.

9. Akronyme

ARPO aromatisches EndoperoxidBIPS „Benzoindolinopyranospirane“; BIPS sind Derivate

von 1’,3’,3’-Trimethylspiro(2H-1-benzopyran-2,2’-indolin), 6-Nitro-BIPS ist eines der popul�rstenSpiropyrane.

BISO Benzoindolinospirooxazine

BR BacteriorhodopsinDHI SpirodihydroindolizinDHPP DihydropyrazolopyridinDNE DinaphthylethylenDPB 1,4-Diphenylbuta-1,3-dienDPH 1,6-Diphenylhexa-1,3,5-trienDPO 1,8-Diphenylocta-1,3,5,7-tetraenHR HalorhodopsinMC Merocyanin (offene Form von SP, SO etc.)

NISO: Naphthalinoindolino-SO

NPE: NaphthylphenylethylenPr: Phytochrom („rot“ absorbierend)Pfr : Phytochrom („langwellig rot“ absorbierend)

QISO: Chinolenylindolino-SOSO Spirooxazine (wie BISO, NISO, QISO)SP Spiropyrane

10. Technisches Vokabular f r photochrome Brillen-gl+ser

Lichtdurchl9ssigkeit

Die Eindunklungseffizienz ist durch die Durchl�ssigkeits-�nderung bei einer bestimmten Temperatur gegeben.

Aktivierungszeit

Sie ist die Zeit, die n2tig ist, um bei Bestrahlung mit UV-Licht und einer bestimmten Temperatur eine bestimmteLichtdurchl�ssigkeit zu erreichen.

Thermische Ausbleichzeit

Diese auch „Fade-back“-Zeit genannte Zeit ist die Zeit,die eine Farbform ben2tigt, um (in geschlossenen R�umen)bei einer gegebenen Temperatur auf den halben Absorp-tionswert auszubleichen.

Ausgebleichter Zustand

Das ist die farblose Form eines photochromen Systems.

Aktivierter Zustand

Das ist die Farbform eines photochromen Systems.

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11. B cher ber die Photochromie

Neben den im Literaturverzeichnis aufgef)hrten B)chern(Lit. [6,32,34]) sind noch folgende zu nennen:

Organic Photochromes (Hrsg.: A. V. El'tsov, �berset-zungs-Hrsg.: J. Whittal), Consultants Bureau, New York,1990.

Applied Photochromic Polymer Systems (Hrsg.: C. B.McArdle), Blackie, Glasgow, 1992 (in den USA: Chapmanund Hall, New York, 1992).

Handbook of Organic Photochemistry and Photobiology,Part I, II (Hrsg.: W. M. Horspool, P. S. Song), CRC, BocaRaton, FL, 1995 : H. D)rr („Photochromic nitrogen contai-ning compounds“, Teil I, Kap. 83), K. L. Poff, R. Kongevic(„Phototropism“, Teil II, Kap. 20), W. Parker, P. S. Song(„Phytochromes“, Teil II, Kap. 21), R. Needleman („Bacte-riorhodopsin and Rhodopsin“, Teil II, Kap. 28).

Organic Photochromic and Thermochromic Compounds,Vol. 1, 2 (Hrsg.: J. C. Crano, R. Guglielmetti), Plenum, NewYork, 1999.

Wir sind unseren Kollegen in der „Working Party onPhotochromism“ f�r ihre Beitr2ge und sehr n�tzlichen Vor-schl2ge zu großemDank verpflichtet. DesWeiteren danken wirden Mitgliedern der IUPAC Photochemistry Commission,besonders J. Bolton, A. U. Acuna und J. Wirz, f�r ihreErmutigungen, ihr kritisches Lesen und ihre scharfsinnigenKommentare sowie R. G. Weiss, J. L. Pozzo und J.-P. Des-vergne f�r ihre Unterst�tzung.

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[35] Handbook of Organic Photochemistry and Photobiology (Hrsg.:W. M. Horspool, P.-S. Song), CRC, Boca Raton, FL, 1995, Kap.21–33 (2. Auflage (Hrsg.: W. M. Horspool, F. Lenci): 2004) undPhotochromism Molecules and Systems (Hrsg.: H. D)rr, H.Bouas-Laurent), Elsevier, Amsterdam, 1990, Kap. 19 und 20;Neuauflage: 2003.

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AngewandteChemie

3417Angew. Chem. 2004, 116, 3404 –3418 www.angewandte.de � 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Page 15: Organische Photochromie

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Ichimura, Polym. J. 1996, 28, 613, zit. Lit.[47] A. Fissi, O. Pieroni, G. Ruggeri, F. Ciardelli, Macromolecules

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der Organic Chemistry Division der International Union of Pureand Applied Chemistry betreut. – Dieser Kommission geh2rten

w�hrend der Vorbereitung des Berichts (1996–1999) folgendePersonen an: Titularmitglieder: J. R. Bolton (Vorsitzender),R. G. Weiss (Sekret�r), H. Bouas-Laurent, J. Wirz; assoziierteMitglieder: A. U. Acuna, H. D)rr, H. Masuhara, N. Serpone;L�ndervertreter : S. J. Formosinho (Portugal), P. Hrdlovic (Slo-wakei), B. S. Martincigh (S)dafrika), U. K. Pandit (Nieder-lande), B. Pandey (Indien), F. C. De Schryver (Belgien), S. C.Shim (Korea), V. G. Toscano (Brasilien), C. H. Tung (China), C.Wentrup (Australien), I. Willner (Israel); Die Working Party forPhotochromism umfasste H. Bouas-Laurent, R. Guglielmetti,H. G. Heller, M. Irie, J. C. Micheau, J. L. Pozzo, A. Samat.

Die Angewandte Chemie ver2ffent-licht seit dem Fr)hjahr 2002 �berset-zungen von Recommendations undTechnical Reports der IUPAC, um diechemische Fachsprache im Deutschenzu f2rdern. Sauber definierte Begriffe

und klare Nomenklaturregeln bildendie Basis f)r eine gute Lehre und f)reine Verst�ndigung zwischen denWissenschaftlern einer Disziplin, undsie sind f)r den Austausch zwischenWissenschafts- und Fachsprache so-

wie Allgemeinsprache essenziell. Alle�bersetzungen werden von einemausgewiesenen Experten (dem „Ob-mann“) gepr)ft, korrigiert und auto-risiert. Folgende �bersetzungen sindbereits erschienen:

IUPAC-Empfehlungen auf Deutsch

Glossar zur Kombinatorischen Chemie Angew. Chem. 2002, 114, 893 – 906

Richtlinien f)r die Pr�sentation der Methoden bei der Publikationvon Rechenergebnissen (Teil A und B)

Angew. Chem. 2002, 114, 1497 – 1499,1500 – 1502

Nomenklatur metallorganischer Verbindungen der �bergangsmetalle Angew. Chem. 2002, 114, 2043 – 2058

Zur Benennung von Verbindungen im Si-Al-O-N-System Angew. Chem. 2002, 114, 2721 – 2723

Erweiterung und Revision des von-Baeyer-Systems zur Benennungpolycyclischer Verbindungen

Angew. Chem. 2002, 114, 3423 – 3432

Erweiterung und Revision der Nomenklatur der Spiroverbindungen Angew. Chem. 2002, 114, 4073 – 4089

Definitionen f)r Fachbegriffe im Bereich der Diffusion im festen Zustand Angew. Chem. 2002, 114, 4765 – 4776

Selektivit�t in der Analytischen Chemie Angew. Chem. 2003, 115, 125 – 128

Glossar zur Theoretischen Organischen Chemie Angew. Chem. 2003, 115, 2248 – 2294

Richtlinien f)r die Wiedergabe von Pulssequenzen f)r dieNMR-Spektroskopie in L2sung

Angew. Chem. 2003, 115, 3293 – 3301

Beschreibung der Zusammensetzung und Struktur geordnetermikro- und mesopor2ser Materialien mit anorganischen Wirtsystemen

Angew. Chem. 2003, 115, 4688 – 4696

Klassifikation der rastersondenmikroskopischen Verfahren Angew. Chem. 2003, 115, 5804 – 5820

Generische herkunftsbezogene Namen f)r Polymere Angew. Chem. 2004, 116, 652 – 656

NMR-Nomenklatur: Kernspineigenschaften und Konventionen f)r dieAngabe chemischer Verschiebungen

Angew. Chem. 2004, 116, 2070 – 2083

IUPAC-Empfehlungen

3418 � 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de Angew. Chem. 2004, 116, 3404 –3418