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www.med-case.eu 1 PD. DR. MED. LAURENT C. DUKAS M.P.H. Ambulatorium Wiesendamm Wiesendamm 22 CH-4057 Basel Patientenfall 10 Ein Fall von familiärer Hypercholesterinämie mit Statinintoleranz ANAMNESE Frau HL, Jahrgang 1956, lebenslange Nichtraucherin, ist bereits eine langjährige Patientin, die seit 1988 in der Praxis (zu Beginn vom Praxisvorgänger) regel- mässig betreut wird. Dies ist erforderlich vor allem aufgrund der Einstellung und Überwachung einer oralen Antikoagulation aufgrund einer seit Geburt bestehenden arteriovenösen Missbildung im rechten Bein mit Gefahr der Thrombosierung. Familienanamnese y Der Vater erlitt im Alter von 60 Jahren einen Myokardinfarkt. y Hypercholesterinämie bei erstgradigen Verwandten ist nicht bekannt. Persönliche Anamnese/Vorerkrankungen Die Patientin weist eine Reihe von Komorbiditäten auf: y Osteonekrose des Metatarsalköpfchens DIG II und III Fuss rechts (Morbus Köhler II) y Inzidentalom der Hypophyse ohne Hinweise auf hormonelle Aktivität y Urgeinkontinenz y Chronisches zervikothorakales und v. a. sensomo- torisches radikuläres Schmerzsyndrom L5/S1 rechts y Divertikulose des unteren Colons y Chronische Obstipation y Anfangs genannte arteriovenöse Missbildung am rechten Bein seit Geburt Die Patientin war lange Zeit hypo- bzw. normoton (12/2008: 105/72 mmHg), es bestand auch kein Diabetes. WEITERER KRANKHEITSVERLAUF 2009 folgte erstmalig ein Auftreten einer Hyper- cholesterinämie mit folgenden Werten: y Gesamt-Cholesterin 7,9 mmol/l y HDL 1,7 mmol/l y LDL 5,7 mmol/l y Triglyzeride 1,6 mmol/l. Das in diesem Jahr errechnete Risiko gemäss der «Swiss Atherosclerosis Association» (AGLA-Score, siehe https://www.agla.ch/risikoberechnung/agla- risikorechner) betrug 1,5% und war damit ein niedri- ges kardiovaskuläres Risiko. Daher wurde keine cholesterinsenkende Therapie induziert. Dagegen wäre für diesen Patienten aus heutiger Sicht gemäss AGLA-Berechnung schon damals eine lipidsenkende Therapie indiziert gewesen, da bei einem einzelnen, stark erhöhten Risikofaktor (im vor- liegenden Fall der LDL-C von 5,7 mmol/l) der Patient in die Risikokategorie «hohes Risiko» fällt, ohne dass eine weitere Berechnung erforderlich ist (Tabelle 1).

Patientenfall 10 ein Fall von familiärer PD. DR. MeD. LauRent C. … · 2019-06-03 · 1destgaard BG et al. Fasting is not routinely required for determination of a lipid profile:

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www.med-case.eu 1

PD. DR. MeD. LauRent C. DuKas M.P.H. Ambulatorium WiesendammWiesendamm 22CH-4057 Basel

Patientenfall 10

ein Fall von familiärer Hypercholesterinämie mit statinintoleranz

anaMnese

Frau HL, Jahrgang 1956, lebenslange Nichtraucherin, ist bereits eine langjährige Patientin, die seit 1988 in der Praxis (zu Beginn vom Praxisvorgänger) regel-mässig betreut wird. Dies ist erforderlich vor allem aufgrund der Einstellung und Überwachung einer oralen Antikoagulation aufgrund einer seit Geburt bestehenden arteriovenösen Missbildung im rechten Bein mit Gefahr der Thrombosierung.

Familienanamnese y Der Vater erlitt im Alter von 60 Jahren einen Myokardinfarkt.

y Hypercholesterinämie bei erstgradigen Verwandten ist nicht bekannt.

Persönliche anamnese/VorerkrankungenDie Patientin weist eine Reihe von Komorbiditäten auf:

y Osteonekrose des Metatarsalköpfchens DIG II und III Fuss rechts (Morbus Köhler II)

y Inzidentalom der Hypophyse ohne Hinweise auf hormonelle Aktivität

y Urgeinkontinenz y Chronisches zervikothorakales und v. a. sensomo-torisches radikuläres Schmerzsyndrom L5/S1 rechts

y Divertikulose des unteren Colons y Chronische Obstipation y Anfangs genannte arteriovenöse Missbildung am rechten Bein seit Geburt

Die Patientin war lange Zeit hypo- bzw. normoton (12/2008: 105/72 mmHg), es bestand auch kein Diabetes.

WeiteReR KRanKHeitsVeRLauF

2009 folgte erstmalig ein Auftreten einer Hyper-cholesterinämie mit folgenden Werten:

y Gesamt-Cholesterin 7,9 mmol/l y HDL 1,7 mmol/l y LDL 5,7 mmol/l y Triglyzeride 1,6 mmol/l.

Das in diesem Jahr errechnete Risiko gemäss der «Swiss Atherosclerosis Association» (AGLA-Score, siehe https://www.agla.ch/risikoberechnung/agla- risikorechner) betrug 1,5% und war damit ein niedri-ges kardiovaskuläres Risiko. Daher wurde keine cholesterinsenkende Therapie induziert.

Dagegen wäre für diesen Patienten aus heutiger Sicht gemäss AGLA-Berechnung schon damals eine lipidsenkende Therapie indiziert gewesen, da bei einem einzelnen, stark erhöhten Risikofaktor (im vor-liegenden Fall der LDL-C von 5,7 mmol/l) der Patient in die Risikokategorie «hohes Risiko» fällt, ohne dass eine weitere Berechnung erforderlich ist (Tabelle 1).

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RISIKO-KATEGORIE «HOHES RISIKO»

y Stark erhöhte einzelne Risikofaktoren: – LDL-C > 4,9 mmol/l – BD > 160/100 mmHg

y GFR 30–59 ml/min/1,73 m2

Tabelle 1: Risikotabellen zum AGLA-Risikorechner: Bei einzelnen stark erhöhten Werten gehören Patienten ohne weitere Berechnung in die Ka-tegorie «hohes Risiko» (Quelle: https://www.agla.ch/risikoberechnung/agla-risikorechner).

2015 nahm die Patientin aus unbekannten Gründen deutlich an Gewicht zu (von 62 kg auf 68,4 kg), wodurch es auch zu einem Anstieg des Blutdrucks kam, der schlussendlich behandlungsbedürftig war, jedoch mit Perindopril gut eingestellt wurde.

Im Jahr 2017 klagte die Patientin über einen Druck und ziehenden Schmerz im rechten Unterbauch mit Ausstrahlung ins rechte Bein. Zur Abklärung wurde eine CT-Aufnahme angefordert, und infolgedessen wurde ein grosses intramuskuläres ilikales Häman-giom rechts diagnostiziert, welches im Herbst 2017 operativ saniert wurde. Im Rahmen der postoperati-ven Rehabilitation wurde ein ausgedehntes Labor veranlasst mit folgenden Befunden hinsichtlich der Lipidwerte:

Labor september 2017 y Gesamt-Cholesterin 8,7 mmol/l y HDL 1,9 mmol/l y LDL 5,8 mmol/l y Triglyzeride 2,4 mmol/l

Nach Abschluss der Rehamassnahme wurden die Lipidwerte beim Hausarzt erneut bestimmt, da nicht nachvollziehbar war, ob die Bestimmung in der Reha nüchtern erfolgte. Obwohl in den meisten Ländern gängige Praxis ist, die Patienten anzuhalten, mindes-tens acht Stunden vor der Messung keine Nahrung mehr zu sich zu nehmen, ist dies heute nicht mehr erforderlich. Zu diesem Schluss kommt eine gemein-same Konsensusempfehlung der «European

Atherosclerosis Society» (EAS) und «European Fede-ration of Clinical Chemistry and Laboratory Medi-cine» (EFLM).1

Dieser Empfehlung liegen aktuelle Daten aus Kohor-ten- und Registerstudien zugrunde, die belegen, dass eine Nahrungsaufnahme das Lipidprofil nur gering-fügig beeinflusst und die beobachteten Verände-rungen der Lipidkonzentrationen sich klinisch nicht signifikant auswirken.

WeiteReR VeRLauF

Der zu diesem Zeitpunkt errechnete AGLA-Score ergab ein intermediäres Risiko von 10,8%. Beim Zugrundelegen des AGLA-Scores wäre die Patientin jedoch wie oben angeführt allein aufgrund der sehr hohen LDL-Cholesterinwerte (> 4,9 mmol/l) direkt der Risikokategorie «Hohes Risiko» zugerechnet worden (siehe https://www.agla.ch/risikoberechnung/agla- risikorechner unter «Erläuterungen zum Risikorechner» und Tabelle 1).

Labor y Gesamt-Cholesterin 10,92 mmol/l y HDL 1,63 mmol/l y LDL 8,82 mmol/l y Triglyzeride 2,65 mmol/l

suMMaRy

Diagnose: Familiäre Hypercholesterinämie bei statinintoleranzDer hier dargestellte Fall verdeutlicht, dass eine familiäre Hypercholesterinämie (FH) in der täglichen Praxis leicht übersehen werden kann. Die Erkrankung kommt jedoch häufiger vor, als früher angenommen wurde, und wenige Fälle werden korrekt diagnosti-ziert und einer Behandlung zugeführt.14

1 Nordestgaard BG et al. Fasting is not routinely required for determination of a lipid profile: clinical and laboratory implications including flagging at desirable concentration cut-points-a joint consensus statement from the European Atherosclerosis Society and European Federation of Clinical Chemistry and Laboratory Medicine. Eur Heart J 2016; 37: 1944–58.

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uMFRageeRgebnisse unD exPeRtenMeinung

Welche Massnahmen erscheinen ihnen hier angebracht?Mehr als drei Viertel der Teilnehmer wollten eine Statinbehandlung beginnen. Je 64% dachten an eine Lebensstilberatung bzw. eine Lipidtestung bei den Kindern der Patientin. 47% optierten für eine Ernäh-rungsumstellung, auch wenn davon im Hinblick auf die Lipidwerte kein Therapienutzen zu erwarten ist. 14% präferierten zunächst, den Lifestyle zu verbes-sern und erst nach einer weiteren Laborkontrolle nach sechs Monaten über eine Medikation zu ent-scheiden (Abbildung 1).

Richtig sind die antworten 1, 2 und 4 y Hinsichtlich der Lipidsenkung gelten in der Schweiz die Empfehlungen der «Arbeitsgruppe Lipide und Atherosklerose (AGLA)» der Schweizerischen Gesell-schaft für Kardiologie (SGK).1 Diese Werte entspre-chen den gemeinsam herausgegebenen Empfeh-lungen der «European Society of Cardiology (ESC)» und der «European Atherosclerosis Society (EAS)» sowie den Empfehlungen von Europäischen kardio-logischen Gesellschaften.2, 3

y Antwort 1 ist richtig, da die Patientin mit einem LDL-C > 4,9 mmol/l unabhängig von der Berech-nung des Risikos mit dem AGLA-Risikorechner in die Risikokategoire «hohes Risiko» fällt.1

y In diesem Fall wird die Therapie mit einem hoch-wirksamen Statin in maximal tolerierbarer Dosis mit einem LDL-Zielwert von < 2,6 mmol/l empfohlen.

Die LDL-Konzentrationen sollen nach vier Wochen kontrolliert werden.

y Auch Antwort 2 ist richtig: Mit kognitiven Verhal-tenstherapien und kurzen Beratungsgesprächen sollen Patienten zu einem gesunden Lebensstil motiviert werden.

y Alle Betroffenen sollen ihre Ernährung folgender-massen umstellen:

– < 10% der gesamten Energiezufuhr gesättigte Fettsäuren – < 5 g Salz pro Tag – 30–45 g Fasern pro Tag – mindestens 200 g Obst und 200 g Gemüse pro Tag (zwei bis drei Portionen) – ein- bis zweimal Fisch pro Woche, einmal fetthaltiger Fisch – 30 g ungesalzene Nüsse pro Tag – maximal zwei Gläser alkoholische Getränke pro Tag für Männer, ein Glas für Frauen

y Zur Senkung von Cholesterin und Blutdruck rät die AGLA, Patienten zu sportlicher Betätigung zu moti-vieren: Sie sollen 40 Minuten eine moderate bis intensive aerobe Aktivität während drei oder vier Tagen pro Woche ausüben.

y Ähnliche Empfehlungen zur Ernährung und Sport finden sich in den Europäischen Behandlungsleit-linien.2, 3

y In den Schweizer Richtlinien wird empfohlen, bei ausgeprägter Dyslipidämie, wie sie bei der Patientin mit einem LDL-Wert von ≥ 5,0 mmol/l vorliegt, und damit Verdacht auf heterozygote familiäre Hypercholesterinämie (heFH) auch die Cholesterin-werte naher Angehöriger (Kinder, Geschwister, Nichten und Neffen) zu bestimmen.1 Daher ist auch Antwort 4 korrekt.

Patientenfall 10

Beginn einer Statintherapie

Ernährungsempfehlungen sowie Empfehlungen zu Sport

Zunächst nur Lifestyle-Änderungen, nach erneuter Bestimmung der Lipidwerte nach sechs Monaten medikamentöse Therapie

Bestimmung der Lipidwerte auch bei den Kindern der Patientin

Eine Ernährungsumstellung ist bei jedem Patienten sinnvoll, doch im Hinblick auf eine Normalisierung der sehr hohen Lipidwerte wird sie bei dieser Patientin keinen therapeutischen Nutzen erbringen

Abbildung 1 – Erste Frage der Fallpräsentation:«Welches Vorgehen würden Sie bei dieser Patientin empfehlen?»(Mehrfachnennungen möglich)

300

250

200

150

100

50

0

64%

n = 864/324

Die richtige Strategie78% stimmten für die Statintherapie

64%

Antwort 1 1 1 1 1 2 1 3 1 4 1 5

Anz

ahl T

eiln

ehm

er

47%

14%

78%

1 1 1 2

1 1 1 1

1 1 1 5

3

4

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y Für die korrekte Diagnose einer heFH sollte der «Dutch Lipid Network Score (DNLC)» herangezogen werden (siehe https://www.agla.ch/berechnungshilfen/ agla-fhrechner-dlcn-score). Mit diesem Score wäre auch bei der vorliegenden Patientin frühzeitiger eine korrekte Diagnosestellung erfolgt. Die Anwen-dung des Scores empfiehlt sich bei allen Patienten, deren LDL-Konzentrationen > 5 mmol/l liegen.

WeiteReR VeRLauF

Aufgrund der ausgeprägten Dyslipidämie wäre bei der Patientin schon zu diesem Zeitpunkt der Ver-dacht auf eine familiäre Hypercholesterinämie (FH) naheliegend, zumal sie bereits zu diesem Zeitpunkt einen Score-Wert von acht im Dutch Lipid Network Score (DNLC) erreicht hätte (siehe https://www.agla.ch/ berechnungshilfen/agla-fhrechner-dlcn-score).

Mithilfe der «Dutch Lipid Clinic Network (DLCN)- Kriterien» kann die Diagnose einer familiären FH leicht gestellt werden. LDL-Konzentrationen von > 8,5 mmol/l sind als einzelnes Kriterium bereits ausreichend.

Die Patientin wurde jedoch zunächst an einen Endo-krinologen überwiesen. Nach Wiederholung der Lipidwerte bestätigte er die Hyperlipidämie mit vor-wiegender Hypercholesterinämie, Triglyzeride sind grenzgradig erhöht. Hinweise für eine sekundäre Hypertriglyzeridämie ergeben sich nicht. Dieser Be-fund sei vereinbar mit einer familiären Hypercholes-terinämie. Als weiterer Risikofaktor bestehe eine ver-breiterte Intima-Media-Dicke in den extrakraniellen, hirnversorgenden Gefässen, selbst wenn

angiologisch keine arterielle Verschlusskrankheit bekannt ist. Laborchemisch zeigte sich zudem ein grenzgradiges HbA1C von 5,9%.

Angesichts der Risikokonstellation besteht die Indi-kation zu einer lipidsenkenden Behandlung mit Stati-nen. Im Weiteren empfahl der Experte eine familiäre Abklärung der (familiären) Hypercholesterinämie bei den Kindern der Patientin sowie den Therapiebeginn mit Rosuvastatinum in einer Dosis von 10 mg/die.Wir bestellen die Patientin einen Monat nach Beginn der Statintherapie erneut in die Praxis. Hier wurden die Lipidwerte bestimmt, was zu folgendem Ergebnis führt:

y Gesamt-Cholesterin 8,02 mmol/l y HDL 1,93 mmol/l y LDL 6,22 mmol/l y Triglyzeride 2,65 mmol/l.

Wir erhöhen die Tagesdosis von Rosuvastatinum auf 20 mg/die. Eine erneute Bestimmung der Lipidwerte nach vier Wochen erbringt keine wesentliche Verbesserung.

Wie wäre ihr weiteres Vorgehen?90% hätten nun eine Kombination von Atorvasta-tinum/Ezetimibe verordnet. 67% stimmten für die Überprüfung der Therapietreue, 53% für die Ermuti-gung zur Änderung von Ernährung und Sport (Abbildung 2).

Richtig sind die antworten 1, 4 und 5 y Gemäss der Empfehlungen der AGLA aus dem Jahr 2018 sollte zusätzlich zu einem Statin in maximal tolerierbarer Dosis 10 mg Ezetimibe pro Tag

Abbildung 2 – Zweite Frage der Fallpräsentation:«Wie würden Sie diese Patientin jetzt behandeln?»(Mehrfachnennungen möglich)

350

300

250

200

150

100

50

03%

n = 693/324

Der nächste Schritt89% votierten für die Kombination Atorvastatinum/Ezetimibe

67%

Antwort 1 1 1 1 1 2 1 3 1 4 1 5

Anz

ahl T

eiln

ehm

er

53%

3%

89%

Verabreichung der Kombination Atorvastatinum/Ezetimibe

Verordnung eines Fibrates

Fortführung von Rosuvastatinum 20 mg/Tag ohne Anpassung der Therapie

Überprüfung der Therapietreue der Patientin

Ermutigung zu Änderungen der Ernährung und Sport

1 1 1 2

1 1 1 1

1 1 1 5

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Patientenfall 10

Abbildung 3 – Dritte Frage der Fallpräsentation:«Wie können Sie dieser Patientin jetzt weiterhelfen und ist eine Kosten- gutsprache für einen PCSK9-Hemmers in diesem Fall möglich?»(Mehrfachnennungen möglich)250

200

150

100

50

0

50%

n = 594/324

Die therapeutischen Optionen67% wussten um die mögliche Kostengutsprache für einen PCSK9-Hemmer

19%

Antwort 1 1 1 1 1 2 1 3 1 4 1 5

Anz

ahl T

eiln

ehm

er

67%

8%

39%

Umstellung auf ein anderes Statin

Verordnung eines PCSK9-Hemmers

Fortsetzung der Therapie mit Ezetimibe und einem Fibrat

Die Voraussetzungen für eine Kostengutsprache eines PC-SK9-Hemmers sind bei der Patientin nicht erfüllt

Die Voraussetzungen für eine Kostengutsprache eines PC-SK9-Hemmers sind bei der Patientin erfüllt

1 1 1 2

1 1 1 1

1 1 1 5

3

4

verabreicht werden, wenn nach einer Kontrolle nach vier Wochen die LDL-Konzentrationen immer noch ≥ 2,6 mmol/l sind.1 Diese Empfehlung findet sich auch in den Europäischen Guidelines.2

y Die Therapietreue ist gerade bei der Behandlung mit Statinen ein Problem. Studien zufolge liegt sie unter 50% und nimmt mit zunehmender Behand-lungsdauer ab.4, 5, 6 Aus diesem Grund sollte bei mangelndem therapeutischem Erfolg stets die Adhärenz überprüft werden.

y In allen gängigen Leitlinien wird der Stellenwert von Lebensstilmodifikationen betont.1, 2, 3 Diese Massnahmen sollten auch bei der Durchführung einer lipidsenkenden Therapie weitergeführt wer-den, daher ist auch Antwort 5 korrekt. Besonders die Reduktion von Transfetten und gesättigten Fetten in der Ernährung und die Erhöhung von Ballaststoffen wirken sich positiv auf die LDL-Konzentrationen aus.2

WeiteReR KRanKHeitsVeRLauF

Wir stellen die Patientin auf die Kombination von Atorvastatinum 20 mg/Ezetimibe um. Eine erneute Bestimmung der Laborwerte nach vier Wochen ergibt folgenden Befund:

y Gesamt-Cholesterin 6,50 mmol/l y HDL 1,98 mmol/l y LDL 5,77 mmol/l y Triglyzeride 2,12 mmol/l.

Nach diesen ermutigenden Ergebnissen behalten wir die Therapie bei, erhöhen jedoch die Dosis von Ator-va statinum auf 40 mg/die. Eine Woche später sucht die Patientin die Praxis auf. Sie gibt an, unter starken Muskelschmerzen zu leiden. Ihr Sohn habe im Internet

recherchiert, dass dafür vermutlich das Atorvastati-num verantwortlich sein könnte. Zudem hätte eine Nachbarin erzählt, dass Statine zu Gedächtnisein-bussen führen. Daraufhin wurde ein Aufklärungs-gespräch mit der Patientin geführt und die Dosis auf 20 mg heruntergesetzt, welche auch vertragen wurde.

Was kann nun getan werden?67% sahen die Voraussetzungen der Kostengutspra-che für einen PCSK9-Hemmer als gegeben an. 50% planten die Rezeptierung eines PCSK9-Hemmers, während 39% auf ein anderes Statin umstellen woll-ten. 19% meinten, die Kostengutsprachevorausset-zungen für den PCSK9-Hemmer seien nicht erfüllt (Abbildung 3).

Richtig sind die antworten 2 und 5 y Das Protein PCSK9 fördert den Abbau von LDL- Rezeptoren in der Leber. Eine Hemmung dieses Pro-teins führt folglich zu einer verstärkten Expression von LDL-Rezeptoren in Leberzellen, wodurch LDL-Cholesterin verstärkt gebunden und aus dem Blut eliminiert wird. Dadurch werden im Vergleich zu einer Höchstdosis von Statinen und Ezetimibe signifikante zusätzliche Absenkungen der LDL-Kon-zentrationen erreicht, was sich im Studienprogramm mit beiden auf dem Markt befindlichen PCSK9- Hemmern zeigte.7, 8, 9, 10

y Die Vergütung von PCSK9-Hemmern unterliegt in der Schweiz einer umfassenden Limitatio, die sich von der Stellungnahme eines europäischen Exper-tengremiums ableitet.11, 12 In Tabelle 2 sind die Voraussetzungen für die Kostengutsprache zusam-men gefasst. Unsere Patientin erfüllt diese Voraus-setzungen, daher ist auch Antwort 5 korrekt.

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Wie viel einfluss hat der PCsK9-Hemmer auf den LDL-spiegel?Die meisten Teilnehmer wussten, dass eine Senkung des LDL um circa 60% im Einklang mit den Resulta-ten der Zulassungsstudien wäre. 25% rechneten mit einer LDL-Senkung von circa 40%. 14% waren der Meinung, dass die Senkung abhängig von der be-handelten Patientenpopulation sei (Abbildung 4).

Richtig ist die antwort 2 y Durch die zusätzliche Verordnung eines PCSK9-Hemmers zur maximal verträglichen Statin-therapie können die LDL-Werte um circa 60% gesenkt werden: Unter Alirocumab sank der LDLC-Spiegel innerhalb von 24 Wochen in der Stu-die ODYSSEY LONG TERM um 62%.7 Ähnlich starke Effekte wurden mit Evolocumab in der Fourier- Studie an kardiovaskulären Hochrisikopatienten beobachtet.8

y In die ODYSSEY-FH-I- und -FH-II-Studien wurden Patienten mit heFH eingeschlossen. Hier wurden in der FH1-Studie die LDL-Konzentrationen placebo -

kontrolliert um 57,9% und in der FH2-Studie in Woche 24 um 51,4% reduziert. Dieser Behandlungs-effekt blieb bis Woche 78 bestehen.9

y Das Ausmass der Cholesterinsenkung ist also unab-hängig von der Patientenpopulation.

WeiteReR VeRLauF

Nach Erhalt der Kostengutsprache beginnen wir mit der Therapie mit einem Alirocumab. Bei der nächsten Überprüfung der Lipidwerte ergibt sich folgender Befund:

y Gesamt-Cholesterin 6,00 mmol/l y HDL 2,4 mmol/l y LDL 2,33 mmol/l y Triglyzeride 2,05 mmol/l.

Die Patientin ist sehr glücklich mit diesem Ergebnis und gibt an, die Therapie gut zu vertragen.

Anamnese

PrimärpräventionHeterozygote familiäre Hypercholesterinämie

SekundärpräventionKlinisch manifeste ASCVD: MI, ACS, iAP, Schlaganfall, TIA, pAVK, Revaskularisation, Aortenaneurysma

LDL-C unter Vortherapie > 5,0 mmol/l LDL-C unter Vortherapie > 3,5 mmol/l

LDL-C unter Vortherapie > 4,5 mmol/l Bei mindestens einem zusätzlichen Risikofaktor aus:

y Diabetes mellitus y Erhöhtes Lipoprotein (a) > 50 mg/dl y Ausgeprägte arterielle Hypertonie y Vorzeitige (Männer < 55, Frauen < 60 Jahre)

klin. manifeste familiäre ASCVD

LDL-C unter Vortherapie > 2,6 mmol/l

Bei ASCVD mit rascher Progression = innert fünf Jahren nach Indexevent mind. einmal:

y ACS y MI y Schlaganfall y Ungeplante koronare Revaskularisierung

VortherapieBehandlungsbegleitende Diät

Statintherapie≥ 3 Monate mind. zwei verschiedene Statine mit maximal tolerierter Dosis, mit oder ohne Ezetimibe

Statinunverträglichkeit≥ 3 Monate Ezetimibe mit oder ohne weiteren Lipidsenker Definition Statinunverträglichkeit:

y Myalgie unter ≥ 2 Statinen oder y Anstieg CK* ≥ 5x ULN** unter einem Statin oder y Schwere Hepatopathie unter einem Statin

Weitere Risikofaktoren kontrolliertArterieller Blutdruck kontrolliert und HbA1C < 7,5% und angestrebte Nikotinabstinenz

Tabelle 2: Voraussetzungen für die Kostengutsprache eines PCSK9-Hemmers in der Schweiz.

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Patientenfall 10

Literatur 1 Empfehlungen der «Arbeitsgruppe Lipide und Atherosklerose (AGLA)»

der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie (SGK), www.agla.ch zuletzt aufgerufen am 13. Februar 2019.

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11. Swiss Medical Forum PCSK4-Hemmer, s. https://medicalforum.ch/de/article/doi/fms.2017.03102/, zuletzt aufgerufen am 13. Februar 2019.

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Abbildung 4 – Vierte Frage der Fallpräsentation:«Ausgehend von den Resultaten der Zulassungsstudien: Welche zusätzliche Abnahme der LDL-Konzentration kann durch die Therapie mit einem PCSK9-Hemmer erwartet werden?»180

160

140

120

100

80

60

40

20

0

n = 324

Voraussichtliche Senkung des LDL47% stimmten für 60%

25%

Antwort 1 1 1 1 1 2 1 3 1 4 1 5

Anz

ahl T

eiln

ehm

er

14%

6%8%

47%

Um ca. 80%

Um ca. 60%

Um ca. 20%

Um ca. 40%

Das Ausmass der Senkung ist abhängig von der behandelten Patientenpopulation

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Page 8: Patientenfall 10 ein Fall von familiärer PD. DR. MeD. LauRent C. … · 2019-06-03 · 1destgaard BG et al. Fasting is not routinely required for determination of a lipid profile:

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Key-Message

Die familiäre Hypercholesterinämie wird weltweit zu selten diagnostiziert und behandelt.13, 14

y In den meisten Ländern wird bei weniger als 1% der Patienten mit heterozygoter FH eine Diagnose gestellt.13

y Studien zeigen, dass bei einem Grossteil dieser Patienten keine empfohlenen LDL-Zielwerte erreicht werden, was das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen bis zu 13-fach erhöht.13

y Eine Auswertung aus 63 Ländern zeigt, dass vielerorts Prävalenzzahlen der FH fehlen.14

y Zur Diagnose einer heFH ist der AGLA-Rechner weniger geeignet. Bei einem Verdacht sollte der Dutch Lipid Network Score (DNLC) ausgefüllt werden.

y Der PCSK9-Hemmer Aliorcumab hat in den FH-1- und FH-II-Studien des ODYSSEY-Studienprogramms unter Beweis gestellt, dass im Vergleich zur maximal tolerierbaren Statindosis und Ezetemibe durch Alirocumab LDL-Werte bei Patienten mit heFE um mehr als 50% gesenkt werden können (Abbildung 5).9

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Placebo + statin therapy at maximum tolerated dose ± other LLT

Alirocumab + statin therapy at maximum tolerated dose ± other LLT

Wochen

LDL-

Konz

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SA

mg/dl

Abbildung 5: Senkung der LDL-Werte in den Studien ODYSSEY FH I und FH II an Patienten mit heterozygoter familiärer Hypercholesterinämie. SA = Standardabweichung. Quelle: 9.

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