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PAUL HARDING Tinkers

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Paul Har dingTin kers

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Paul Har ding

Tin kersro man

Aus dem Ame ri ka ni schen von Sil via Mora wetz

luch ter hand

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die Ori gi nal aus ga be er schien 2009 un ter dem Ti tel Tin kers bei Belle vue lite rary Press, new York.

die Über set ze rin dankt uhr ma cher meis ter Bernd Kö nig, Cel le, sehr herz lich für sei ne fach li che Be ra tung.

die ar beit der Über set ze rin am vor lie gen den Text wur de vom deut schen Ü ber set zer fonds ge för dert.

Ver lags grup pe ran dom House fsc-deu-0100das für die ses Buch ver wen de te

fsc-zer tifi zier te Pa pier Mun ken Pre mium Creamlie fert arc tic Pa per Mun ked als aB, Schwe den.

1. auf a geCo py right © der Ori gi nal aus ga be 2009 Paul Har ding

Co py right © der deutsch spra chi gen aus ga be 2011 luch ter hand li te ra tur ver lag, Mün chen, in der Ver lags grup pe ran dom House gmbH

Satz: Buch-Werk statt gmbH, Bad aib lingdruck und Ein band: ggP Me dia gmbH, Pöß neck

Prin ted in germ anyiSBn 978-3-630-87367-1

www.luch ter hand-li te ra tur ver lag.deBe su chen Sie un se ren li te ra turB log www.trans at lan tik.de

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Für Meg, Sa mu el und Ben ja min

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acht Tage be vor er starb, be gann george Wa shing ton Cros-by zu hal lu zi nie ren. Von dem Kran ken haus bett aus, das ge-mie tet und mit ten in sei nem Wohn zim mer auf ge stellt war, sah er ris se im Ver putz der Zim mer de cke, und in sek ten krab-bel ten dort ein und aus. die Fens ter schei ben, einst dicht ver-fugt und ver kit tet, hin gen lose in den rah men. die nächs te stei fe Bri se wür de sie alle aus he beln und auf sei ne ver sam mel-te Fa mi lie nie der ge hen las sen, die bei ihm saß, auf der Couch und dem Zwei sit zer und den Kü chen stüh len, die sei ne Frau noch her ein ge tra gen hat te, da mit alle un ter ge bracht wa ren. die glä ser ne Sturz fut wür de alle aus dem Zim mer ja gen, sei-ne En kel aus Kan sas und atl anta und Se at tle, sei ne Schwes-ter aus Flo ri da, und er trie be in sei nem Bett auf ei nem tie fen gra ben aus glas scher ben. Pol len und Spat zen, re gen und die dreis ten Eich hörn chen, die er sein hal bes le ben lang von den Vo gel häus chen fern zu hal ten ver sucht hat te, wür den ins Haus ein fal len.

Er hat te das Haus selbst ge baut: das Fun da ment ge gos sen, das Holz ge rüst auf ge rich tet, die roh re an ge schlos sen, die E lekt ro lei tun gen ge legt, die Wän de ver putzt und die räu me ge stri chen. Ein mal – er stand ge ra de auf dem of fe nen Fun da-

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ment und schweiß te den letz ten an schluss an den Warm was-ser kes sel – schlug der Blitz ein. Er wur de an die ge gen ü ber-lie gen de Wand ge schleu dert. george stand auf und schweiß te die naht fer tig. Bei ihm blie ben ris se im Ver putz kei ne ris-se, ver stopf te roh re wur den wie der frei ge macht, blät tern de Schin deln wur den ab ge schlif fen und mit ei nem fri schen an-strich ver se hen.

ihr müsst gips be sor gen, sag te er, auf die Kis sen in sei nem Bett ge stützt, das sich son der bar und kalt aus nahm zwi schen den Per ser tep pi chen, den Ko lo ni al mö beln und den dut zen-den al ten uh ren. ihr müsst gips kau fen. Herr gott, gips und draht und ein paar Ha ken. un ge fähr fünf dol lar, mehr kos-tet das nicht.

Ja, groß va ter, sag ten sie.Ja, Va ter. Ein leich ter Wind stoß kam durch das of fe ne Fens-

ter hin ter ihm he rein und pus te te er schöpf te Köp fe durch. Boc ci a ku geln klack ten drau ßen auf der Wie se.

um die Mit tags zeit war er al lein, wäh rend die Fa mi lie in der Kü che das Es sen zu be rei te te. die ris se in der de cke wur den zu klaf fen den Spal ten. die ar re tier ten rä der sei nes Betts san-ken in brei te rit zen, die sich in den Ei chen die len un ter dem Tep pich auf ta ten. der Bo den wür de je den Mo ment nach ge-ben. ihm wür de sich der so wie so nutz lo se Ma gen um dre hen, als füh re er auf der Hand werks mes se in Tops field Ka rus sell, und mit ei nem hals bre che ri schen Satz wür den er und das Bett im Kel ler lan den, auf den zer trüm mer ten Über bleib seln sei-ner Werk statt. als wäre der Ein sturz be reits ge sche hen, stell-te george sich vor, was er dann sähe: die Wohn zim mer de cke, nun zwei Stock wer ke hoch, ei nen scharf kan ti gen Schacht aus

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zer split ter ten die len bret tern, ver bo ge ne Kup fer roh re und E lekt ro dräh te, die wie durch trenn te adern aus dem Mau er-werk hin gen und in mit ten der plötz li chen Zer stö rung auf ihn zeig ten. Stim men ge mur mel drang aus der Kü che.

george dreh te den Kopf in der Hoff nung, au ßer halb sei nes Blick felds säße viel leicht je mand, ei nen Papp tel ler mit Kar-tof fel sa lat und roast beef-röll chen auf dem Schoß und ei nen Plas tik be cher mit gin ger ale in der Hand. aber die Zer stö-rung hielt an. Hat te er denn nicht auf ge schrien? die Frau en-stim men in der Kü che und die Män ner stim men hin ter dem Haus mur mel ten un ge rührt wei ter. Er lag auf sei nem Trüm-mer hau fen und sah nach oben.

der ers te Stock stürz te auf ihn he rab, die un fer ti ge Wand-ver klei dung aus Kie fer und die im nichts en den den lei tun-gen (die mit de ckeln ver se he nen roh re nie an das Wasch be-cken und die Toi let te an ge schlos sen, die er da oben ein mal hat te ein bau en wol len) und die Klei der stän der mit den al ten Ja cken und die Kis ten mit den ver ges se nen Brett spie len und Puz zles und dem ka put ten Spiel zeug und den Tü ten vol ler Fa-mi li en fo tos – man che so alt, dass sie auf Zinn plat ten be lich tet wa ren –, das al les lan de te kra chend im Kel ler, und er konn-te nicht ein mal die Hand he ben und sein ge sicht schüt zen.

aber er war schon bei na he ein geist, fast aus nichts ge-macht, und so fie len Holz und Me tall und Bün del bunt be-druck ter Pap pe und Pa pier (Sechs Fel der vor rü cken bis zur Easy Street!, ur groß mut ter nod din, um schlag tuch um die Schul ter, steif und fins ter in die Ka me ra bli ckend, lä-cher lich mit die sem Hut, der wie der Hü gel ei nes See manns-gra bes aus sah, be la den mit Blu men und Schlei er), die ihm sonst die Kno chen zer schmet tert hät ten, nur wie Film re qui-

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si ten auf ihn und kipp ten wie der weg, er oder sie Fak si mi les frü he rer, wirk li cher din ge.

da lag er zwi schen den Fo tos vom uni-ab schluss und al ten Tweed ja cketts und ver ros te tem Werk zeug und Zei tungs aus-schnit ten über sei ne Be för de rung zum lei ter der ab tei lung Tech ni sches Zeich nen an der hie si gen High School, dann über sei ne Er nen nung zum Stu di en be ra ter und dann über sei ne Pen si o nie rung und sein spä te res le ben als Ver käu fer und res tau ra tor al ter uh ren. die zer stör ten Mes sing wer ke der uh ren, an de nen er ge ar bei tet hat te, wa ren über all in dem durch ei nan der ver streut. george sah drei Stock wer ke hi nauf zu den frei lie gen den Stütz bal ken des dachs und den sil ber nen rück sei ten der däm mung, die da zwi schen an ge-bracht war. Ei ner sei ner En kel (wel cher?) hat te die Fas er mat-ten schon vor Jah ren an get a ckert, und jetzt hat ten sich zwei oder drei Bah nen ge löst und hin gen he raus wie fau schi ge rosa Zun gen.

das dach stürz te ein, und eine neue la wi ne aus Holz und nä geln, dach pap pe und Schin deln und iso lie rung pol ter te he run ter. da war der Him mel, vol ler platt ge drück ter Wol-ken, die wie eine Flot te aus am bos sen durch das Blau zo gen. george hat te das feuch te, wun de ge fühl ei nes Kran ken, der sich im Frei en auf hält. die Wol ken ka men zum Ste hen, hiel-ten kurz inne und don ner ten auf sei nen Kopf.

das Him mels blau selbst kam hin ter her, si cker te aus der Höhe in den voll ge stopf ten Be ton so ckel. als nächs tes fie-len die Ster ne, klim per ten rings um ihn he rum, als hät te der Him mel sei nen Schmuck ab ge schüt telt. und schließ lich riss sich die schwar ze Wüs te nei selbst los und brei te te sich über den gan zen Hau fen, deck te georges wir re Ver nich tung zu.

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Fast sieb zig Jah re be vor george starb, fuhr sein Va ter Ho-ward aaron Cros by mit ei nem Kar ren über land. Es war ein Holz kar ren. Es war eine Kom mo de, auf zwei ach sen und rä der mit Holz spei chen mon tiert. Sie hat te dut zen de von Schub fä chern, alle mit ei nem ver senk ten Mes sing ring ver-se hen und nur mit ge krümm tem Zei ge fin ger auf zu zie hen. Sie ent hiel ten Bürs ten und Hol zöl, Zahn pul ver und ny lon-strümp fe, ra sier sei fe und ra sier klin gen. Es gab Schub fä-cher mit Schuh wich se und Schnür sen keln, Be sen stie len und Schrub ber köp fen. Es gab ein ge heim fach, in dem be wahr te er vier Fla schen gin auf. Sei ne run de führ te meist über ab-ge le ge ne land stra ßen, un be fes tig te Wege durch dich te Wäl-der zu ver steck ten lich tun gen, wo zwi schen Sä ge mehl und Baum stümp fen ein Block haus lag und eine Frau in ei nem schmuck lo sen Kleid, das Haar so straff zu rück ge bun den, dass es aus sah, als lä chel te sie (was sie nicht tat), mit ge spann ter Flin te vor ei ner schie fen Tür stand. ach, Sie sind’s, Ho ward. Ja, ich glaub, ich brauch ei nen von ih ren Blech ei mern. im Som mer hat te er den Hei de kraut duft in der nase, sang some­one’s roc king my dream boat und be ob ach te te die Mo narch fal-ter (Wan der ge sell, Feu er füg ler; in sei ner Vor stel lung war er ein hal ber dich ter), die von Me xi ko he rauf ge kom men wa-ren. das Früh jahr und der Herbst wa ren sei ne ein träg lichs-ten Zei ten; der Herbst, weil die fern ab im Wald Hau sen den sich für den Win ter ein deck ten (er lud die Wa ren vom Kar-ren auf fam mend ro te ahorn blät ter), das Früh jahr, weil sie ihre Vor rä te auf ge braucht hat ten, oft schon Wo chen be vor die Stra ßen wie der pas sier bar wa ren und er sei ne ers ten run-den ma chen konn te. Wie Schlaf wand ler tau mel ten sie dann zu sei nem Kar ren: mit glanz in den au gen und aus ge hun-

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gert. Manch mal brach te er Be stel lun gen für ei nen Sarg aus dem Wald mit – ein Kind, eine Frau, in Sack lei nen ge wi ckelt, steif ge fro ren im Holz schup pen.

Er fick te al les. Töp fe, Kes sel, Schmie de ei ser nes. löt-me tall ge schmol zen und die lö cher aus ge gos sen. Queck-sil ber fickwerk. ab und zu ei nen ver beul ten Topf wie der glatt gehäm mert, das Klin geln des Blechs hell und sin gend, win zig un ter dem dach des bo re a len Wal des. Tin ker, Kes sel-fi cker, Kup fer schmied, haupt säch lich aber Be sen- und Bürs-ten höker.

george konn te das Fun da ment für ein Haus aus schach ten und mit Be ton aus gie ßen. Er konn te das Holz sä gen und das ge rüst zu sam men na geln. Konn te die elekt ri schen und die Was ser lei tun gen ver le gen. Konn te die Tro cken mau er ein set-zen. Konn te die Bö den le gen und das dach de cken. Konn te die Back stein trep pe bau en. Konn te die Fens ter ver fu gen und die Fens ter rah men strei chen. aber ei nen Ball wer fen oder eine Mei le ge hen, das konn te er nicht; er hass te Sport und tat, nach dem er mit sech zig vor zei tig in den ru he stand ge gan gen war, aus frei en Stü cken nichts mehr, was sei nen Herz schlag hät te be schleu ni gen kön nen – sich durch dich tes ge büsch schla gen, um an eine gute Stel le für Fo rel len zu kom men, war das Äu ßers te. Be we gungs man gel war viel leicht auch der grund, wa rum sei ne Bei ne bei der ers ten Be strah lung, die er ge gen den Krebs in sei nem un ter leib be kam, an schwol len wie zwei tote See hun de am Strand und dann so hart wur den wie Holz. Be vor er bett lä ge rig wur de, ging er, als wäre er ein Kriegs ver sehr ter aus den Zei ten vor der mo der nen Pro the tik, stark schwan kend, als hät te man ihm zwei Hart holz bei ne, die

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Schen kel mit Ei sen schar nie ren ver bun den, an den leib ge-schnallt. Wenn sei ne Frau nachts im Bett durch den Schlaf-an zug hin durch sei ne Bei ne be rühr te, fie len ihr Ei che oder ahorn ein, und sie muss te ge gen die Vor stel lung an kämp fen, dass sie in sei ne Werk statt hi nun ter stieg, Sand pa pier und Bei-ze hol te, ihm die Bei ne ab schmir gel te und sie mit ei nem Pin-sel bestrich, als ge hör ten sie zu ei nem Mö bel stück. Ein mal prus te te sie, als sie das la chen ge ra de un ter drü cken woll te, laut he raus bei dem ge dan ken: Mein Mann, der Tisch. Hin-ter her war ihr so elend, dass sie wein te.

die Stur heit man cher Frau en, mit de nen Ho ward auf sei-nen täg li chen run den über land zu tun hat te, kul ti vier te in ihm, wie er glaub te oder ge glaubt hät te, hät te er je wis sent-lich da rü ber nach ge dacht, eine un er schüt ter li che Be son nen-heit und ge duld. Er setz te bei spiels wei se die Sei fen fab rik ihr al tes Wasch mit tel durch eine neue re zep tur und ver än der te et was an der Ver pa ckung der Sei fe, muss te Ho ward de bat-ten über sich er ge hen las sen, bei de nen er schnel ler ein ge-lenkt hät te, wä ren sei ne Wi der sa cher nicht zah len de Kun-den ge we sen.

Wo ist die Sei fe?das ist die Sei fe.die Schach tel ist an ders.Ja, sie ha ben sie ver än dert.Was war denn ver kehrt an der al ten?nichts.Wa rum ha ben sie sie dann ver än dert?Weil die Sei fe bes ser ist.

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die Sei fe ist an ders?Bes ser.War nichts ver kehrt an der al ten.na tür lich nicht, aber die hier ist bes ser.War nichts ver kehrt an der al ten Sei fe. Wie kann die da

bes ser sein?die rei nigt eben bes ser.Hat vor her pri ma ge rei nigt.die hier rei nigt bes ser – und schnel ler.ach, ich nehm eine Schach tel von der nor ma len Sei fe.das ist jetzt die nor ma le Sei fe.ich kann mei ne nor ma le Sei fe nicht ha ben?das ist die nor ma le Sei fe, ich ga ran tie re es.ich will aber kei ne neue Sei fe aus pro bie ren.die ist nicht neu.Wenn Sie es sa gen, Mr. Cros by. Wenn Sie es sa gen.Ma’am, ich brau che noch ei nen Penny.noch ei nen Penny? Wo für?die Sei fe ist ei nen Penny teu rer, weil sie jetzt bes ser ist.ich muss ei nen Penny mehr zah len für eine an de re Sei fe

in ei ner blau en Schach tel? ich nehm eine Schach tel von mei-ner nor ma len Sei fe.

Bei ei ner Haus halts auf ö sung kauf te george eine de fek te uhr. der Be sit zer gab ihm den re print ei nes re pa ra tur hand buchs aus dem acht zehn ten Jahr hun dert kos ten los dazu. george be-gann im Bauch al ter uh ren he rum zu sto chern. als in ge ni eur wa ren ihm Über set zun gen, Kol ben und an trie be, die Phy sik und die Fes tig keit von Werk stof fen ver traut. als Yan kee in north Shore, dem land strich nörd lich von Bos ton, in dem

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die leu te Pfer de hiel ten, wuss te er, wo das alte geld steck-te und von Sä ge wer ken, Schie fer brü chen, Bör sen kur sen und Fuchs jag den träum te. Ban ken chefs, stell te er fest, lie ßen es sich et was kos ten, wenn ihre stör ri schen Erb stü cke auch wei-ter die Zeit ma ßen. den ver schlis se nen Zahn ei nes an schlag-rads konn te er von Hand re pa rie ren. die uhr mit dem Zif-fer blatt nach un ten hin le gen. die Schrau ben lö sen, viel leicht auch nur aus dem Ze dern- oder Wal nuss ge häu se he raus zie-hen, soll ten die ge win de gän ge längst zu Holz staub zer fal-len sein, beim ab wi schen der Ka min auf sät ze ver schwun den. die rück sei te des uh ren ge häu ses ab he ben wie den de ckel von ei ner Schatz kis te. die lang ar mi ge Ju we lier lam pe he ran-zie hen, so dicht, dass das licht di rekt über die Schul ter fällt. das dunk le Mes sing in au gen schein neh men. die Trie be von Schmutz und Öl ver klebt vor fin den. die blau en, grü nen und lila Wel len se hen, die ge häm mer tes, ver bo ge nes, ge lö te-tes Me tall auf weist. den Zei ge fin ger in die uhr ste cken, am an ker rad pfrie meln (wie voll kom men stim mig doch die Be-zeich nun gen für die ein zel nen Tei le wa ren – Hem mung: der letz te Teil im Me cha nis mus, die Stel le, an der die Kraft frei-ge setzt, wei ter ge ge ben wird, wel che die Zeit re gelt). nä her mit der nase he ran ge hen; das Me tall riecht nach Tan nin. die ins uhr werk ein ge ätz ten na men le sen: Ezra Flox ham – 1794. Geo. E. Tiggs – 1832. Thos. Flat chb ard – 1912. die nach ge dun-kel ten Wer ke aus dem ge häu se he ben. Sie in am mo ni ak tau-chen. Sie mit bren nen der nase und wäss ri gen au gen wie der he raus he ben und un ter Trä nen se hen, wie sie glän zen und fun keln. die Zäh ne ab fei len. die la ger zu sam men stau chen. die Fe dern auf zie hen. die uhr fer tig ma chen. den ei ge nen na men hin zu set zen.

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Tin ker. Flic ker. Kling-klang. Klopf, klopf, klopf. Plingp ling-plingp ling. da war das Klin gen von Töp fen und Blech ei mern. da war au ßer dem das ge klin gel in Ho ward Cros bys Oh-ren, ein schril ler Ton, der in ei ni ger Ent fer nung an hob und sich nä her te, bis er ihm ins ge hör drang und sich da rin fest-setz te. Ho ward dröhn te der Kopf, als wäre er der Klöp pel in ei ner glo cke. die Käl te sprang ihm auf die Ze hen spit-zen und kurvte auf den Wel len des ge klin gels durch sei nen leib, bis ihm die Zäh ne klap per ten und die Knie nach ga ben und er die arme um sich le gen muss te, da mit er nicht in Stü-cke ging. das war sei ne Aura, ein kal ter Hof aus che mi scher Elek tri zi tät, der ihn wie ein Hei li gen schein um kreis te, kurz be vor ein grand mal ihn fäll te. Ho ward hat te Epi lep sie. Sei-ne Frau Kath leen, ehe mals Kath leen Black von den Quebe-cer Blacks, aber aus ei nem ver arm ten ab sei ti gen Zweig der Fa mi lie, schob Ti sche und Stüh le bei sei te und bug sier te ihn auf den lee ren Kü chen fuß bo den. Sie wi ckel te ei nen tro cke-nen Kie fern zweig in ein ge schirr tuch, da mit er et was zum drauf bei ßen hat te und sich nicht an sei ner Zun ge ver schluck-te oder ein Stück ab biss. Kam der an fall schnell, zwäng te sie ihm den blan ken Stock zwi schen die Zäh ne, und er hat te beim Er wa chen lau ter Holz split ter und den ge schmack von Saft im Mund, und sein Kopf fühl te sich an wie ein glas krug vol ler al ter Schlüs sel und ros ti ger Schrau ben.

Für den Zu sam men bau der zer leg ten uhr wird die hin-te re Pla ti ne auf eine un ter la ge aus wei chem Ma te ri al ge-legt, vor zugs wei se auf mehr mals ge fal te tes di ckes Sä misch-le der. Je des rad wird mit sei ner Wel le in das rich ti ge loch ein ge setzt, be gin nend mit dem gro ßen rad und der lo-

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cker sit zen den Schne cke, je nem Wun der ei nes mit spi ral-för mi ger nut ver se he nen Ke gel stumpfs, der ein ge schenk Herrn da Vin cis an die Mensch heit ist, und bis zum kleins-ten vo ran schrei tend, wo bei die Zäh ne des ei nen rads in das Trieb des nächs ten ein grei fen und so im mer fort, bis das Schwung rad des Schlag werks und das Hem mungs rad des geh werks an ih ren an ge stamm ten Plät zen sit zen. Ein mär chen haf ter ap pa rat liegt nun vor dem uhr ma cher of-fen zu ta ge; rä der grei fen vorn und hin ten in ei nan der wie eine trä ge Ma schi ne im Traum. die Zeit des uni ver sums lässt sich so al ler dings nicht an zei gen. Eine Vor rich tung, so krumm und schief und zart, könn te nur die un wirk li chen Stun den un ge bär di ger ge spens ter mes sen. die vor de re Pla ti ne des Werks wird zur Hand ge nom men und zu erst auf die nach oben zei gen den ach sen der Zug- und Sperr-fe dern auf ge setzt, der größ ten und hand lichs ten Tei le aus dem gan zen ge meng sel. dies ge tan, hebt der uhr ma cher das la bi le Sand wich lo ser Ein ge wei de auf au gen hö he und hält es ei ni ger ma ßen bei sam men, in dem er bei de Plati nen au fein and er drückt und da rauf acht gibt, dass er we der zu viel druck aus übt (und der art die fei ne ren, nicht in ge ra-der li nie ste hen den Wel len am obe ren Ende be schä digt) noch zu we nig (und der art den schon halb wie der zu sam-men ge setz ten Me cha nis mus dazu pro vo ziert, sich aber-mals in sei ne di ver sen Ein zel tei le auf zu lö sen, die sich oft-mals ja ge ra de in die ver bor gen sten Win kel der stau bi gen uhr ma cher werk statt füch ten und so an lass zu viel läs ter-li chem Flu chen ge ben). Wenn die uhr, so der ge dul di ge uhr ma cher Er folg hat te mit sei nem Mü hen und das gro ße rad mit dem dau men an stupst, rat tert und quietscht, statt

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mit mes sing ner lo gik zu sur ren und zu schnur ren, muss die ge ta ne ar beit rück gän gig ge macht und mit kal ter Ver-nunft neu in an griff ge nom men wer den, bis die Ko bol de der un ord nung ver scheucht sind. Bei uh ren mit nur ei-nem geh werk ist die Wie der be le bung der Me cha nik ein-fach. Komp li zier te re Me cha nis men, etwa sol che, die zu-sätz lich die dar stel lung des Mon des oder ei nes mit Obst jong lie ren den nar ren er lau ben, er for dern fast un end lich viel ge schick und Be harr lich keit. (der Ver fas ser hat von ei ner uhr ge hört, an geb lich in Ost böh men zu be sich ti gen ge we sen, de ren Zif fer blatt die nach bil dung ei ner gro ßen Ei che aus Ei sen und Mes sing zier te. im Wech sel der Jah-res zei ten in ih rem Hei mat lan de färb ten sich an den Äs ten des Bau mes tau send win zi ge Kup fer blät ter, ein je des auf eine haar fei ne Spin del auf ge fä delt, von Email grün bis zu Kup fer rot. Ver mit tels ver blüf fen der Vor rich tun gen im in-ne rn des ge häu ses – das in sei ner ge stal tung ei ner der my-thi schen Säu len äh nel te, die nach al tem glau ben die Erde tru gen – lös ten sich die Blät ter schließ lich von den Äs ten, schweb ten an ih ren Fä den hi nab und ver streu ten sich über den un te ren Teil des Zif fer blatts. Falls es die sen ap pa rat wirk lich gab, saß Herr new ton höchst selbst wohl un ter kei nem er staun li che ren Baume.)

– aus: Der ver stän di ge Uhr ma chervon rev. Ken ner daven port, 1783

george Cros by er in ner te sich an vie le din ge, als er starb, die rei hen fol ge je doch konn te er nicht be ein fus sen. Sein le ben zu be trach ten, jene in ven tur zu ma chen, wie sie ein Mann, so hat te er im mer ge dacht, am Ende vor nahm, hieß, ei ner be-

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weg li chen Mas se an sich tig zu wer den, Stein chen ei nes Mo-sa iks, krei send, wir belnd, die zwar – und stets in er kenn ba ren Farb fel dern – be kann te Ele men te, win zi ge Teil stü cke, ver-trau te ab läu fe wie der ga ben, jetzt aber un ab hän gig von sei-nem Wil len wa ren und ihm je des Mal ein an de res ich zeig-ten, wenn er zu ei nem ab schlie ßen den ur teil ge lan gen woll te.

Ein hun dert ach tund sech zig Stun den be vor er starb, stieg er durchs Kel ler fens ter in die me tho dis ti sche Kir che in West Cove ein und läu te te am Hal lo ween abend die glo cke. Er war te te im Kel ler da rauf, dass sein Va ter ihm da für was mit dem Och sen zie mer gab. Sein Va ter lach te laut und klatsch-te sich auf die Schen kel, weil george sich die Hose am Hin-tern mit al ten Sa tur day Even ing Posts aus ge stopft hat te. Er saß stumm beim abend brot, hat te angst, sei ne Mut ter an zu se-hen, denn es war schon elf, und sein Va ter war noch nicht zu Hau se, aber trotz dem muss ten alle vor dem kal ten Es sen sit-zen blei ben. Er hei ra te te. Zog weg. War Me tho dist, Kong re-ga ti ona list und schließ lich unit a ri er. Er zeich ne te Ma schi nen und un ter rich te te tech ni sches Zeich nen und hat te Herz an fäl-le und über leb te sie, ras te mit sei nen Freun den von der in ge-ni eur hoch schu le über den neu en High way, be vor er er öff net wur de, un ter rich te te Ma the ma tik, mach te sei nen Mas ter in Pä da go gik, war Stu di en be ra ter an der High School, fuhr je-den Som mer mit sei nen Po ker kum pels – Ärz ten, Po li zis ten, Mu sik leh rern – zum Flie gen fi schen in den nor den, kauf te bei ei ner Haus halts auf ö sung eine de fek te uhr und den re-print ei nes rep ara tur hand buchs aus dem acht zehn ten Jahr-hun dert, ging in den ru he stand, un ter nahm grup pen rei sen nach asi en, Eu ro pa und af ri ka, re pa rier te drei ßig Jah re lang

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uh ren, ver wöhn te sei ne En kel kin der, be kam Par kin son, be-kam di a be tes, be kam Krebs und wur de in ei nem Kran ken-haus bett mit ten in sei nem ei ge nen Wohn zim mer auf ge bahrt, ge nau an der Stel le, wo sonst der Ess zim mer tisch stand, den sie an Fest ta gen mit zwei an steck ba ren Platten ver län ger ten.

george ge stat te te sich nie, an sei nen Va ter zu den ken. ge-le gent lich aber, wenn er eine uhr re pa rier te und sich eine neue Fe der, die er in ihr Fe der haus zu lo cken ver such te, von der Wel le lös te und riss und ihm in die Hän de schnitt, manch mal das gan ze Werk be schä dig te, sah er im geis te sei-nen Va ter, wie er auf dem Bo den lag, beim Stram peln ge gen Stüh le trat, läu fer zu sam men schob, lam pen ins Schwan ken brach te, mit dem Kopf auf die die len häm mer te, die Zäh ne in ei nen Stock oder in georges Fin ger schlug.

Sei ne Mut ter hat te bis zu ih rem Tod bei george und sei-ner Fa mi lie ge lebt. Wenn es sich er gab, meist bei den Mahl-zei ten, viel leicht weil ihr in eben die ser Si tu a ti on ihr frü he rer Ehe mann zu vor ge kom men war, sie rein ge legt hat te und sie mit ih rem Plan, ihn fort schaf fen zu las sen, al lein am Tisch zu rück ge blie ben war, be klag te sie sich, was für ein Hal lod ri sein Va ter ge we sen sei. Es konn te sein, dass sie sich Ha fer fo-cken in den Mund schau fel te und den löf fel un ter enor mem Klap pern und Schmat zen aus den Klau en ih res ge bis ses be-frei te und schließ lich sag te: dich ter, ha! Ein Spat zen hirn war er, ein Schwät zer, ein ver rück ter Vo gel, wie er bei sei nen an-fäl len im mer he rum fat ter te und al les.

aber george sah sei ner Mut ter ih ren groll nach. Je des Mal, wenn er da ran dach te, was sie mit ih ren bit te ren Kla gen ein däm men woll te, ka men ihm die Trä nen, und er hielt inne, sah auf von den Schlag zei len der Mor gen zei tung, beug te sich

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vor und küss te sie auf die mit Kamp fer ein ge rie be ne Stirn. Wo rauf hin sie pol ter te: du brauchst mich gar nicht zu trös-ten! die ser Mann ist der Schat ten auf mei nem See len frie den. der ver damm te narr! das mun ter te george dann so gar wie-der auf; ihre stän di gen li ta nei en be ru hig ten sie und er in ner-ten sie da ran, dass die ses le ben vor bei war.

als er auf sei nem Ster be bett lag, woll te george sei nen Va-ter noch ein mal se hen. Woll te das Bild sei nes Va ters wach ru-fen. Je des Mal, wenn er sich zu kon zent rie ren und, weit von der ge gen wart ent fernt, noch tie fer zu schür fen ver such te, spül ten ihn ein Schmerz, ein ge räusch, je mand, der ihn auf die Sei te dreh te und sei ne la ken wech sel te, oder die gif te, die aus sei nen krebs ver kleb ten nie ren in sein ver klum pen des und dunk ler wer den des Blut si cker ten, wie der in sei nen er-schöpf ten leib und sei nen ver wor re nen geist zu rück.

Ei nes nach mit tags im Früh jahr vor sei nem Tod, als georges Krank heit sich kon so li dier te, be schloss er, Er in ne run gen und anek do ten aus sei nem le ben auf Ton band zu spre chen. Sei-ne Frau war au ßer Haus, ein kau fen, und so ging er mit dem Kas set ten re cor der an sei nen ar beits tisch im Kel ler. Er öff ne-te die Tür zwi schen Werk statt und Werk zeug raum. im Werk-zeug raum stand ein Hol zo fen zwi schen Stän der bohr ma schi-ne und dreh bank. george knüll te ein paar alte Zei tun gen zu sam men und steck te sie in den Ofen, dazu drei Schei te Holz von dem hal ben Klaf ter, das er in der Ecke ne ben der Tür in der Trenn wand la ger te. Er zün de te ein Feu er an und rück te das Ofen rohr zu recht, hoff te, dass sich der be ton küh-le Kel ler ein biss chen er wärm te. Kehr te an sei nen Tisch im an de ren Kel ler raum zu rück. in das Band ge rät ein ge stöp selt

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war ein bil li ges Mik ro fon, das auf dem Clip, der als Stand fuß dien te, nicht auf recht blieb. der Clip war so leicht, dass die Krüm mung des vom Mik ro fon zum re cor der ver lau fen den Ka bels ihn im mer wie der um warf. george ver such te das Ka-bel zu rich ten, aber das Mik ro fon woll te par tout nicht ste hen blei ben, und so leg te er es ein fach oben auf den re cor der. die Tas ten des Band ge räts wa ren schwer gän gig und ver lang ten ihm Kraft ab, be vor sie ein ras te ten. Sie wa ren mit kryp ti schen ab kür zun gen be schrif tet, und george muss te erst ein biss-chen he rum pro bie ren, be vor er si cher war, dass er die rich ti ge Kom bi na ti on für die auf zeich nung sei ner Stim me ge fun den hat te. in dem ge rät steck te ein Band mit ei nem ver blass ten rosa Eti kett, da rauf in Schreib ma schi ne die Wor te Early Blues Compi lat ion, Co py right Hal Bro ugh ton, Jaw Creek, Penn sy lva­nia. die Kas set te, fiel george ein, hat ten er und sei ne Frau mal bei ir gend ei nem der Elde rho stel-Som mer kur se ge kauft, die sie vor Jah ren an ver schie de nen Col le ges be such ten. als george zu erst die Play-Tas te drück te, kräh te eine Män ner-stim me, dünn und wie von fer ne klin gend, et was über ei nen Höl len hund, der ihm auf den Fer sen sei. So eine Kla ge, fand george, war eine gute Ein füh rung in sei ne rede, und er spul-te des halb das Band nicht zu rück, son dern fing gleich mit sei ner auf nah me an. die ver schränk ten arme auf die Kan-te sei ner Werk bank ge stützt, beug te er sich nach vorn zum Mik ro, so als be ant wor te er Fra gen bei ei ner Ver neh mung. Er be gann förm lich: Mein name ist george Wa shing ton Cros by. ge bo ren wur de ich 1915 in West Cove, Maine. 1936 bin ich nach Enon, Mas sa chu setts, ge zo gen. und so wei ter. als er sich nach die sen all ge mei nen daten ans Er zäh len ma-chen woll te, fie len ihm nur Schnick schnack und leicht obs-

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zö ne anek do ten ein, meist im Zu sam men hang mit tö rich ten aben teu ern, zu de nen er sich nach zu viel Whis key bei ei nem an gel aus fug hat te hin rei ßen las sen; oft ge nug ging es da rum, dass er mit ei nem Korb vol ler Fi sche, aber ohne an gel schein ei nem Wäch ter in die arme ge lau fen war, oder um eine Pis to-le, die ein arzt in den Wald mit ge bracht hat te: Wenn das eine neun mil li me ter ist, küs se ich dir noch hier drau ßen auf dem Eis den blan ken kal ten arsch; oder um den Text ei nes Songs mit dem Ti tel »Komm zu dir, Mut ter, ’s is bes ser, wenn du wach bist«. und so wei ter. nach ein paar sol chen ge schich-ten aber sprach er über sei nen Va ter und sei ne Mut ter, über sei nen Bru der Joe und sei ne Schwes tern, über die abend kur-se, die er be sucht hat te, um das Col lege ab zu schlie ßen, und über das Va ter wer den. Er spach über blau en Schnee und Fäs-ser vol ler Äp fel und über ge fro re nes Holz, so sprö de, dass es beim Spal ten klirr te. Er sprach da von, wie es ist, wenn man zum ers ten Mal groß va ter wird und über legt, was von ei nem bleibt, wenn man stirbt. als das Band an dert halb Stun den spä-ter zu Ende war (nach dem er es um ge dreht hat te, ohne groß da rü ber nach zu den ken) und die re cord-Tas te ge räusch voll hoch sprang, wein te er bitterlich und be klag te den Ver lust die-ser Welt aus licht und Hoff nung. Tief be wegt zog er die Kas-set te aus dem ge rät, dreh te sie um, schob sie wie der in das schma le Fach mit der Cap stan wel le und den Füh rungs stif ten und drück te Play, weil er dach te, die Stim mung rei ner, un-ver stell ter Trau er lie ße sich viel leicht be wah ren, wenn er sich sei ne Schil de rung noch ein mal an hör te. Sei ne Er in ne run gen, hoff te er, nah men sich wo mög lich aus wie die ei nes be wun de-rungs wür di gen Frem den, ei nes Men schen, den er zwar nicht kann te, aber auf an hieb ver stand und in nig lieb te. doch die

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Paul Harding

TinkersRoman

DEUTSCHE ERSTAUSGABE

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 192 Seiten, 13,5 x 21,5 cmISBN: 978-3-630-87367-1

Luchterhand Literaturverlag

Erscheinungstermin: August 2011

Ein Roman voll poetischer Kraft und Zärtlichkeit Der Uhrmacher George Washington Crosby liegt, umgeben von seiner Familie, in seinem Hausin dem Städtchen Enon im Sterben. Paul Hardings Roman begleitet ihn durch seine letztenTage, reist aber auch zurück durch die Zeit und spürt den Erinnerungen nach, beschwört dieLandschaft von Maine herauf, Georges ärmliche Kindheit, das Leben seines Vaters Howard, dernoch als »Tinker«, als Kesselflicker und fahrender Händler, mit dem Maultierkarren über Landzog. Am Ende seines Lebens beginnt George Washington Crosby zu halluzinieren: Er sieht dieWände, die Decke, den Himmel, ja sogar die Sterne auf sich herabstürzen, sieht sich unteralten Fotos, rostigen Werkzeugen, tickenden Uhren begraben. Gleichzeitig versucht er, seinLeben an sich vorüberziehen zu lassen, was gar nicht so einfach ist, wie er feststellt, denn dieErinnerungen kommen ungebeten und unchronologisch. Da ist seine Leidenschaft für Uhren,die er erst spät entdeckte und die ihm nicht nur Geld einbrachte, sondern auch ganz neueErkenntnisse über das Universum erschloss. Da ist seine ärmliche, aber abenteuerliche Kindheitund die geheimnisvolle Landschaft im Norden von Maine. Da ist sein Vater Howard, der als»Tinker«, als Kesselflicker und fahrender Händler, mit dem Maultierkarren über Land zog undimmer wieder epileptische Anfälle hatte, was nicht nur die Kinder, sondern auch seine FrauKathleen ängstigte – so sehr, dass sie ihm nahelegte, sich in eine psychiatrische Heilanstalteinweisen zu lassen. Darauf verließ Howard seine Familie; George war gerade mal zehn Jahrealt. All diese Erinnerungen und Geschichten fügen sich in Paul Hardings unglaublich poetischemRoman zu dem Porträt eines außergewöhnlichen Menschen und seiner Zeit, zu einemsprachlichen Meisterwerk über Mensch und Natur, über Zeit und Erinnerung und die Hoffnungauf eine Ordnung aller Dinge.