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Persönlichkeitsstörungen Ulrich Seidl Mai 2009

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Persönlichkeitsstörungen

Ulrich SeidlMai 2009

Das triadische System

I. Körperlich begründbare (exogene, organische) Psychosen

II. Endogene PsychosenIII. „Abnorme Spielarten seelischen

Wesens“

Das triadische System

Exogene Psychose ?

Endogene Psychose ?

Erlebnisreaktiv/persönlichkeitsgebunden ?

Störungen des Bewusstseins, der Wachheit, der Orientierung;andere psychotische Symptome

weder Störungen des Bewusstseins, der Wachheit, der Orientierung;noch andere psychotische Symptome

Das triadische System

Schichtenregel: Das „psychosenächste“ Symptom ist diagnostisch führend

„zweispurige“ Diagnostik:Berücksichtigt somatische und psychopathologische Befunde---- körperliche Erkrankungen sind primär auszuschließen

Körperlich begründbare Psychosen

• Ätiologische Ordnung:– Hirnbeteiligende Erkrankungen

(Intoxikationen, Infektionen etc.)– (primäre) Hirnkrankheiten (Alzheimer,

Tumoren, entzündliche Krankheiten etc.)• Symptomatologische Ordnung:

– Akut (meist reversibel)– Chronisch (meist irreversibel)

Nach Huber, 1998

Endogene Psychosen• Schizophrenien• Affektive Psychosen (Zyklothymien)

„Abnorme Variationen seelischen Wesens“

• „Abnorme Verstandesanlage (Oligophrenien)“

• „Abnorme Persönlichkeiten (Psychopathien)“

• „Abnorme Erlebnisreaktionen und Entwicklungen (Neurosen)“

• „Abnorme Triebanlagen (sexuelle Deviationen)“

Nach Huber, 1998

1. Persönlichkeit

2. Temperament

3. Charakter

4. Charakterstörungen / -neurose / -panzerung

5. Persönlichkeitsstruktur

6. Persönlichkeitsstörungen

7. Psychopathie

8. Soziopathie

Möller / Laux / Kapfhammer (Hrsg.), Psychiatrie und Psychotherapie, Kapitel 63.1.1, S. 1523Möller / Laux / Kapfhammer (Hrsg.), Psychiatrie und Psychotherapie, Kapitel 63.1.1, S. 1523

Begrifflichkeiten

Die charakteristischen und dauerhaften inneren Erfahrungs- und Verhaltensmuster des Betroffenen weichen insgesamt deutlich von kulturell erwarteten und akzeptierten Vorgaben („Normen“) ab. Diese Abweichung äußert sich in mehr als einem der folgenden Bereiche:a) Kognitionb) Affektivitätc) zwischenmenschliche Beziehungen und die Art des Umgangs mit ihnenDie Abweichung ist so ausgeprägt, dass das daraus resultierende Verhalten in vielen persönlichen und sozialen Situationen unflexibel, unangepasst, oder auch auf andere Weise unzweckmäßig ist (nicht begrenzt auf einen speziellen „triggernden“ Stimulus oder eine bestimmte Situation).Persönlicher Leidensdruck, nachteiliger Einfluss auf die soziale Umwelt oder beides sind deutlich dem oben beschriebenen Verhalten zuzuschreiben..

Nachweis, dass die Abweichung stabil, von langer Dauer ist und im späten Kindesalter oder der Adoleszenz begonnen hat.

Die Abweichung kann nicht durch das Vorliegen oder die Folge einer anderen psychiatrischen Störung des Erwachsenenalters erklärt werden. Es können aber episodische oder chronische Zustandsbilder der Kapitel F0 bis F7 neben dieser Störung existieren oder sie überlagern.Eine organische Erkrankung, Verletzung oder deutliche Funktionsstörung des Gehirns müssen als mögliche Ursache für die Abweichung ausgeschlossen werden (falls eine solche Verursachung nachweisbar ist, soll die Kategorie F07 verwendet werden).

Möller / Laux / Kapfhammer (Hrsg.), Psychiatrie und Psychotherapie, Kapitel 63.1.1, S. 1525

Definition nach ICD-10

Cluster

DSM-IV DSM–III-R ICD-10 ICD-9 K.Schneider

A„exzen-trisch“

ParanoidePS

SchizoidePS

SchizotypischePS

ParanoidePS

SchizoidePS

SchizotypischePS

ParanoidePS

SchizoidePS

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ParanoidePS

SchizoidePS

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B„drama-tisch“

AntisozialePS

BorderlinePS

HistrionischePS

NarzisstischePS

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AntisozialePS

BorderlinePS

HistrionischePS

NarzisstischePS

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DissozialePS

EmotionalunstabilePS

Borderline-Typus

ImpulsiverTypus

HistrionischePS

(NarzisstischePS)

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Soziopathische/

antisozialePS

ExplosiblePS

HysterischePS

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Gemütsloseund

willenlosePS

ExplosiblePS

GeltungsbedürftigePS

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FanatischePS

C„ängst-lich“

SelbstunsicherePS

AbhängigePS

ZwanghaftePS

(Beiaffekt.Störungen)

(Passiv-aggressivePS)

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SelbstunsicherePS

AbhängigePS

ZwanghaftePS

(Beiaffekt.Störungen)

Passiv-aggressivePS

SelbstschädigendePS

SadistischePS

ÄngstlichePS

AbhängigePS

AnankastischePS

(Beiaffekt.Störungen)

(Passiv-aggressivePS)

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AsthenischePS

AnankastischePS

AffektivePS

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SelbstunsicherePS

AsthenischePS

AnankastischePS

(beidenselbstun-

sicherenPS)

Hypertymeu.depressive

u.stimmungslabilePS

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NOS(nichtander-weitigspezifi-ziert

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NOS

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NOS

Andere

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Andere

NOS

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Möller / Laux / Kapfhammer (Hrsg.), Psychiatrie und Psychotherapie, Kapitel 63.1.2, S. 1527Möller / Laux / Kapfhammer (Hrsg.), Psychiatrie und Psychotherapie, Kapitel 63.1.2, S. 1527Möller / Laux / Kapfhammer (Hrsg.), Psychiatrie und Psychotherapie, Kapitel 63.1.2, S. 1527Möller / Laux / Kapfhammer (Hrsg.), Psychiatrie und Psychotherapie, Kapitel 63.1.2, S. 1527Möller / Laux / Kapfhammer (Hrsg.), Psychiatrie und Psychotherapie, Kapitel 63.1.2, S. 1527Möller / Laux / Kapfhammer (Hrsg.), Psychiatrie und Psychotherapie, Kapitel 63.1.2, S. 1527

F60.0 - Paranoide PS• Diese Persönlichkeitsstörung ist durch übertriebene

Empfindlichkeit gegenüber Zurückweisung, Nachtragen von Kränkungen, durch Mißtrauen, sowie eine Neigung, Erlebtes zu verdrehen gekennzeichnet, indem neutrale oder freundliche Handlungen anderer als feindlich oder verächtlich mißgedeutet werden, wiederkehrende unberechtigte Verdächtigungen hinsichtlich der sexuellen Treue des Ehegatten oder Sexualpartners, schließlich durch streitsüchtiges und beharrliches Bestehen auf eigenen Rechten.

• Diese Personen können zu überhöhtem Selbstwertgefühl und häufiger, übertriebener Selbstbezogenheit neigen.

F60.0 - Paranoide PS• „Ich rede nicht mehr,

weil Du meinen Vorschlag nicht angenommen hast“

• „Das war doch Absicht“

• „Die betrügen mich“

F60.1 – Schizoide PS

• Eine Persönlichkeitsstörung, die durch einen Rückzug von affektiven, sozialen und anderen Kontakten mit übermäßiger Vorliebe für Phantasie, einzelgängerisches Verhalten und in sich gekehrte Zurückhaltung gekennzeichnet ist.

• Es besteht nur ein begrenztes Vermögen, Gefühle auszudrücken und Freude zu erleben.

• „Die anderen sind mir egal“

• „Warum soll ich mich freuen, wenn sich jemand anderes freut?“

• „Eine Beziehung gibt mir nichts“

F60.1 – Schizoide PS

F60.2 – Dissoziale PS• Eine Persönlichkeitsstörung, die durch eine Mißachtung

sozialer Verpflichtungen und herzloses Unbeteiligtsein an Gefühlen für andere gekennzeichnet ist.

• Zwischen dem Verhalten und den herrschenden sozialen Normen besteht eine erhebliche Diskrepanz. Das Verhalten erscheint durch nachteilige Erlebnisse, einschließlich Bestrafung, nicht änderungsfähig.

• Es besteht eine geringe Frustrationstoleranz und eine niedrige Schwelle für aggressives, auch gewalttätiges Verhalten, eine Neigung, andere zu beschuldigen oder vordergründige Rationalisierungen für das Verhalten anzubieten, durch das der betreffende Patient in einen Konflikt mit der Gesellschaft geraten ist.

• „Mir doch egal, wie es anderen dabei geht“

• „Da sehe ich gleich rot“

• „Ich bin unschuldig“• „Das ging daneben,

weil die anderen...“

F60.2 – Dissoziale PS

F60.3 – Emotional instabile PS• Eine Persönlichkeitsstörung mit deutlicher Tendenz, Impulse ohne

Berücksichtigung von Konsequenzen auszuagieren, verbunden mit unvorhersehbarer und launenhafter Stimmung.

• Es besteht eine Neigung zu emotionalen Ausbrüchen und eine Unfähigkeit, impulshaftes Verhalten zu kontrollieren. Ferner besteht eine Tendenz zu streitsüchtigem Verhalten und zu Konflikten mit anderen, insbesondere wenn impulsive Handlungen durchkreuzt oder behindert werden.

• Zwei Erscheinungsformen können unterschieden werden: – Ein impulsiver Typus, vorwiegend gekennzeichnet durch emotionale

Instabilität und mangelnde Impulskontrolle; – und ein Borderline- Typus, zusätzlich gekennzeichnet durch Störungen

des Selbstbildes, der Ziele und der inneren Präferenzen, durch ein chronisches Gefühl von Leere, durch intensive, aber unbeständige Beziehungen und eine Neigung zu selbstdestruktivem Verhalten mit parasuizidalen Handlungen und Suizidversuchen.

• „Mir ist langweilig“• „Manchmal weiß ich

nicht, wer ich bin“• „Ich hasse dich,

verlass mich nicht“• „Wenn du mich

verlässt, bringe ich mich um“

F60.3 – Emotional instabile PS

F60.4 – Histrionische PS

• Eine Persönlichkeitsstörung, die durch oberflächliche und labile Affektivität, Dramatisierung, einen theatralischen, übertriebenen Ausdruck von Gefühlen, durch Suggestibilität, Egozentrik, Genußsucht, Mangel an Rücksichtnahme, erhöhte Kränkbarkeit und ein dauerndes Verlangen nach Anerkennung, äußeren Reizen und Aufmerksamkeit gekennzeichnet ist.

• „Keiner hatte so ein Erlebnis wie ich“

• „Wie sehe ich aus?“• „Na los, Du willst es

doch auch“• „Ist das geil... So ein

riesen Mist...“• „Da habe ich mich

überreden lassen“

F60.4 – Histrionische PS

F60.5 – Anankastische PS

• Eine Persönlichkeitsstörung, die durch Gefühle von Zweifel, Perfektionismus, übertriebener Gewissenhaftigkeit, ständigen Kontrollen, Halsstarrigkeit, Vorsicht und Starrheit gekennzeichnet ist.

• Es können beharrliche und unerwünschte Gedanken oder Impulse auftreten, die nicht die Schwere einer Zwangsstörung erreichen.

• „Gehen wir noch einmal alles durch“

• „Ordnung muss sein“• „Erst die Arbeit, dann

das Vergnügen“• „Das haben wir schon

immer so gemacht“

F60.5 – Anankastische PS

F60.6 – Ängstliche (vermeidende) PS

• Eine Persönlichkeitsstörung, die durch Gefühle von Anspannung und Besorgtheit, Unsicherheit und Minderwertigkeit gekennzeichnet ist.

• Es besteht eine andauernde Sehnsucht nach Zuneigung und Akzeptiertwerden, eine Überempfindlichkeit gegenüber Zurückweisung und Kritik mit eingeschränkter Beziehungsfähigkeit.

• Die betreffende Person neigt zur Überbetonung potentieller Gefahren oder Risiken alltäglicher Situationen bis zur Vermeidung bestimmter Aktivitäten.

• „Ich mache mir Sorgen“

• „Das schaffe ich nie“• „Dir nörgeln nur an

mir rum“• „Da kann was

passieren, da bleibe ich doch lieber daheim“

F60.6 – Ängstliche (vermeidende) PS

F60.7 Abhängige (asthenische) PS

• Personen mit dieser Persönlichkeitsstörung verlassen sich bei kleineren oder größeren Lebensentscheidungen passiv auf andere Menschen.

• Die Störung ist ferner durch große Trennungsangst, Gefühle von Hilflosigkeit und Inkompetenz, durch eine Neigung, sich den Wünschen älterer und anderer unterzuordnen sowie durch ein Versagen gegenüber den Anforderungen des täglichen Lebens gekennzeichnet.

• Die Kraftlosigkeit kann sich im intellektuellen emotionalen Bereich zeigen; bei Schwierigkeiten besteht die Tendenz, die Verantwortung anderen zuzuschieben.

• „Das weiß ich nicht, das macht mein Mann“

• „Dann machen wir es eben, wie du willst“

• „Ich bin schwach und hilflos“

• „Ich kann nicht allein bleiben“

F60.7 Abhängige (asthenische) PS

F60.8 – Sonstige spezifische PS

• Persönlichkeit(sstörung):- exzentrisch- haltlos- narzißtisch- passiv-aggressiv- psychoneurotisch- unreif

F60.9 – PS, nicht näher bezeichnet

F61 – Kombinierte oder andere PS

F62.0 – Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung

• Eine andauernde, wenigstens über zwei Jahre bestehende Persönlichkeitsänderung kann einer Belastung katastrophalen Ausmaßes folgen. Die Belastung muß extrem sein, daß die Vulnerabilität der betreffenden Person als Erklärung für die tiefgreifende Auswirkung auf die Persönlichkeit nicht in Erwägung gezogen werden muß.

• Die Störung ist durch eine feindliche oder mißtrauische Haltung gegenüber der Welt, durch sozialen Rückzug, Gefühle der Leere oder Hoffnungslosigkeit, ein chronisches Gefühl der Anspannung wie bei ständigem Bedrohtsein und Entfremdungsgefühl, gekennzeichnet.

• Eine posttraumatische Belastungsstörung (F43.1) kann dieser Form der Persönlichkeitsänderung vorausgegangen sein.

• Eine auf der traumatischen Erfahrung einer schweren psychiatrischen Krankheit beruhende, wenigstens über zwei Jahre bestehende Persönlichkeitsänderung. Die Änderung kann nicht durch eine vorbestehende Persönlichkeitsstörung erklärt werden und sollte vom Residualzustand einer Schizophrenie und anderen Zustandsbildern unvollständiger Rückbildung einer vorausgegangenen psychischen Störung unterschieden werden.

• Die Störung ist gekennzeichnet durch eine hochgradige Abhängigkeit sowie Anspruchs- und Erwartungshaltung gegenüber anderen, eine Überzeugung, durch die Krankheit verändert oder stigmatisiert worden zu sein.

• Dies führt zu einer Unfähigkeit, enge und vertrauensvolle persönliche Beziehungen aufzunehmen und beizubehalten, sowie zu sozialer Isolation. Ferner finden sich Passivität, verminderte Interessen und Vernachlässigung von Freizeitbeschäftigungen, ständige Beschwerden über das Kranksein, oft verbunden mit hypochondrischen Klagen und kränkelndem Verhalten, dysphorische oder labile Stimmung, die nicht auf dem Vorliegen einer gegenwärtigen psychischen Störung oder einer vorausgegangenen psychischen Störung mit affektiven Residualsymptomen beruht.

• Schließlich bestehen seit längerer Zeit Probleme in der sozialen und beruflichen Funktionsfähigkeit.

F62.1 – Andauernde Persönlichkeitsänderung nach psychischer Krankheit