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Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck – auch auszugsweise – nicht gestattet. Für die Richtigkeit kann die Haufe Akademie keine Gewähr übernehmen. Personalplanung Lerneinheit 3 Fernkurs HR-Management Autorin: Prof. Dr. Silke Wickel-Kirsch Zertifiziert durch die Technische Hochschule Deggendorf Der Lehrgang wurde von der Hochschule Deggendorf hin- sichtlich der fachlichen und didaktischen Qualität geprüft und zertifiziert. Die Hochschule Deggendorf, University of Applied Sciences, wird in Hoch- schulrankings regelmäßig als innovative Hochschule ausgezeichnet. Haufe Akademie GmbH & Co. KG Munzinger Str. 9 79111 Freiburg Tel.: 0761 898-4422 [email protected] www.haufe-akademie.de Diese Lerneinheit ist Teil eines zertifizierten Lehrganges

Personalplanung - Haufe Akademie · 2019. 5. 21. · 3.2 Bestandsprognose (Ist-Bestandsentwicklung) 25 3.3 Sollbedarfsplanung (Bedarfsprognose) 28 3.4 Qualitative Personalplanung

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Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck – auch auszugsweise – nicht gestattet.

Für die Richtigkeit kann die Haufe Akademie keine Gewähr übernehmen.

Personalplanung

Lerneinheit 3

Fernkurs HR-Management

Autorin: Prof. Dr. Silke Wickel-Kirsch

Zertifiziert durch die Technische Hochschule

Deggendorf

Der Lehrgang wurde von der Hochschule Deggendorf hin-

sichtlich der fachlichen und didaktischen Qualität geprüft

und zertifiziert. Die Hochschule Deggendorf, University of Applied Sciences, wird in Hoch-

schulrankings regelmäßig als innovative Hochschule ausgezeichnet.

Haufe Akademie GmbH & Co. KG

Munzinger Str. 9

79111 Freiburg

Tel.: 0761 898-4422

[email protected]

www.haufe-akademie.de

Diese Lerneinheit ist Teil

eines zertifizierten

Lehrganges

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LERNEINHEIT 3 PERSONALPLANUNG 2

0. Personalplanung

Autorin

Prof. Dr. Silke Wickel-Kirsch

Professorin für Personalwirtschaft und Organisation an der HS RheinMain Wiesbaden.

Langjährige Leiterin Personalcontrolling und strategische Planung in Großunternehmen.

Betriebswirtschaftlerin. Fachautorin.

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LERNEINHEIT 3 PERSONALPLANUNG 3

0. Personalplanung

Inhaltsverzeichnis

Personalplanung 4

1. Grundlagen und Grundsätze der Personalplanung 5

1.1 Grundlagen zur Personalplanung 5

1.2 Rechtliche Rahmenbedingungen bzw. Mitbestimmung 6

1.3 Organisation der Personalplanung 7

1.4 Empirie zur Personalplanung in Deutschland und Österreich 9

2. Strategische Personalplanung und Szenarioplanung 12

2.1 Grundlagen zur strategischen Personalplanung 12

2.2 Szenarioplanung 14

2.3 Praxisbeispiel Szenarioplanung bei den Stadtwerken München 16 2.4 Personalportfolioanalyse und Nachfolgeplanung 20

3. Operative Personalplanung 23

3.1 Grundlagen der operativen Personalplanung 23

3.2 Bestandsprognose (Ist-Bestandsentwicklung) 25

3.3 Sollbedarfsplanung (Bedarfsprognose) 28

3.4 Qualitative Personalplanung 33

4. Personalkosten- und Personalaufwandsplanung 35

4.1 Personalkosten und -aufwand 35

4.2 Verfahren der Personalkostenplanung 36 4.3 Möglichkeiten der Beeinflussung der Personalkosten 37

5. Personal-Forecast 45

6. Personalmaßnahmenplanungen 48

6.1 Personalbeschaffungsplanung 48

6.2 Personaleinsatzplanung 49

6.3 Personalentwicklungsplanung 51

6.4 Personalfreistellungsplanung 53

7. Fazit 58

Literaturverzeichnis 59

In dieser Lerneinheit wird bei der Bezeichnung von Personen die männliche Form verwen-

det, um die Lesbarkeit zu erleichtern. Wir bitten dafür um Verständnis. Selbstverständlich

sind stets weibliche und männliche Personen gleichermaßen gemeint.

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LERNEINHEIT 3 PERSONALPLANUNG 12

2. Strategische Personalplanung und Szenarioplanung

2. Strategische Personalplanung und

Szenarioplanung

Ziel der strategischen Personalplanung ist das aktive Steuern von Personalrisiken (bzw. Chancen) und von Personalstrukturen sowie die Vernetzung der wesentlichen Einfluss-

größen der Personalarbeit unter besonderer Berücksichtigung von zukünftigen

Anforderungen an die Qualifikationsstruktur der Organisation. Ziel hierbei ist es, die

bestehenden personellen Erfolgspotenziale bestmöglich zu nutzen und neue aufzubauen

(vgl. Schmitz, 2013, S. 65 ff.). In diesem Kapitel werden zunächst die Grundlagen der

strategischen Personalplanung erläutert (2.1). Im Anschluss wird der Sonderfall der

Szenarioplanung dargestellt und schließlich in 2.3 ein Praxisbeispiel zu eben dieser

Szenarioplanung aufgeführt. In 2.4 wird die Nachfolgeplanung als Teil der strategischen

Personalplanung dargestellt.

2.1 Grundlagen zur strategischen Personalplanung

Die strategische Personalplanung legt den grundsätzlichen Orientierungsrahmen für

zentrale Unternehmensentscheidungen bezüglich der Anzahl der Mitarbeiter und der

Mitarbeiterstruktur fest. Sie definiert Ziele und Maßnahmen und trifft Festlegungen zu

wesentlichen Personalthemen. Hierbei orientiert sie sich immer an den unternehmens-

politischen Festlegungen. Gegenstände der strategischen Personalplanung sind u.a. Personalportfolios, Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt, Innovationen, Technologie,

Kernkompetenzen, Ressourcen (vgl. hierzu und dzu den folgenden Ausführungen zur

strategischen Planung Niedermayr-Kruse/Wanicek/Wickel-Kirsch, 2014, S. 26 ff., und

Wickel-Kirsch, 2016, S. 12 ff.).

Im Rahmen der strategischen Personalplanung übernimmt entweder der Controller oder

der Personalcontroller – falls diese Rolle im Unternehmen verankert ist – eine Moderato-

renrolle. Das Personalcontrolling respektive das Controlling bestimmen weder die strate-

gische Ausrichtung noch die Inhalte der strategischen Personalplanung. Vielmehr unter-

stützt der Personalcontroller die Führungskräfte indirekt, während der Business-Partner als Bindeglied als unmittelbarer Ansprechpartner der Führungskräfte fungiert. Der Perso-

nalcontroller moderiert den gesamten Prozess und kommuniziert an die Controller und an

die Unternehmensleitung.

Die strategische Personalplanung beginnt mit der Vorbereitungsphase des Prozesses, den

strategischen Analysen (vgl. bspw. IGC (Hrsg.), 2011, S. 23 f.). In dieser Vorbereitungsphase

müssen die Verantwortlichen ebenso bestimmt werden wie die Inhalte der strategischen

Planung und die unternehmensspezifischen Rahmenbedingungen. Gegebenenfalls müs-

sen die Methoden der strategischen Personalplanung und die IT, die zur Unterstützung

eingesetzt werden soll, implementiert werden. Außerdem muss der Zeithorizont der stra-

tegischen Personalplanung definiert werden.

In den meisten Fällen wird ein Zeitraum von drei bis fünf Jahren betrachtet, allerdings ist

gerade im Bereich der Kompetenz- und Qualifikationsplanung eine längere Frist von 10

oder sogar 15 Jahren sinnvoll. Eine Festlegung, für welchen Zeithorizont eine strategische

Personalplanung erfolgen soll, setzt zugleich den Rahmen für die operative Personalpla-

nung. Hier ist insbesondere darauf zu achten, dass ein Schnittstellenmanagement genau

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LERNEINHEIT 3 PERSONALPLANUNG 13

2. Strategische Personalplanung und Szenarioplanung

definiert wird, das die Verknüpfung mit der operativen Personalplanung später sicherstellt

(vgl. Wickel-Kirsch et al., 2008, S. 9 ff.).

Die langfristige Personalplanung sollte im Sinne einer Szenarioplanung durchgeführt

werden. Die Szenarioplanung wird im Detail in 2.2 erläutert.

Auf die strategische Analyse folgt die Überprüfung der Personalstrategie mit einer

eventuellen Anpassung. Wichtig sind hier vor allem eine realistische Selbsteinschätzung

bezüglich der Stärken und Schwächen des Mitarbeiterportfolios sowie Qualifikations-,

Altersstruktur- und Kapazitätsanalysen. Dabei muss zunächst abstrakt die Frage

beantwortet werden, welche Kompetenzen und Qualifikationen langfristig benötigt

werden.

Erst im nächsten Schritt ergeben sich aus der Kombination von internen Gegebenheiten

hinsichtlich der verfügbaren Mitarbeiter und den externen Rahmenbedingungen des Arbeitsmarkts sowie der geplanten strategischen Ausrichtung des Unternehmens

qualitative und quantitative strategische Lücken aus personalwirtschaftlicher Sicht (vgl.

Sattelberger/Strack, 2009, S. 54 ff.).

Auf Basis der strategischen Lücken wird der Veränderungsbedarf festgestellt. Vision, Mis-

sion, Strategie und insbesondere Personalstrategie und Geschäftsmodell müssen hinsicht-

lich der notwendigen Kernkompetenzen der Mitarbeiter, bezogen auf Realisierbarkeit und

Markterfolg, überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Aus den aktualisierten stra-

tegischen Stoßrichtungen sind Auswirkungen auf die Qualität und Quantität der Mitarbei-

ter sowie konkrete personalwirtschaftliche strategische Ziele abzuleiten und in einer Stra-tegy Map mithilfe von Ursache-Wirkungs-Ketten darzustellen. Für jedes strategische Ziel

müssen personalwirtschaftliche Messgrößen mit konkreten Zielwerten definiert werden.

Im Anschluss daran sind Maßnahmen zur Erreichung der strategischen Ziele mit konkretem

Zeitbezug zu definieren. Die geplanten Maßnahmen sind mit ihren finanziellen Auswirkun-

gen zu bewerten. Das heißt, hier ist eine Personalkostenplanung bzw. eine Bewertung der

Maßnahmen auf das Personalbudget durchzuführen.

Nach Abstimmung der Personalstrategie mit den Führungskräften und der Geschäftsfüh-

rung muss die verabschiedete Strategie dokumentiert und kommuniziert werden. Hierfür

hat sich das Konzept der Balanced Scorecard bewährt, dessen großer Vorteil in der Integra-tion verschiedener Perspektiven und der Verknüpfung personalwirtschaftlicher Ziele mit

Kennzahlen und damit in der Messbarkeit der Zielerreichung liegt (vgl. Wickel-Kirsch,

2001, S. 277 ff.).

Die Messung der Umsetzung der strategischen Planung schließlich muss laufend durchge-

führt werden und sollte mithilfe eines Performance-Measurement-Systems erfolgen. Die

Leistungsmessung gibt Aufschluss darüber, ob die strategischen Ziele erreicht werden und

die Maßnahmen erfolgreich sind. Hierfür sind Key-Performance-Indikatoren (KPIs) erfor-

derlich. Durch eine permanente Überwachung und regelmäßige Feedback-Runden mit den operativ und strategisch tätigen Führungskräften können Abweichungen frühzeitig

aufgedeckt und Gegensteuerungsmaßnahmen eingeleitet werden.

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LERNEINHEIT 3 PERSONALPLANUNG 14

2. Strategische Personalplanung und Szenarioplanung

2.2 Szenarioplanung

Ein Sonderfall der strategischen Personalplanung ist die sogenannte Szenarioplanung. Sie

gehört zu dem statistischen Prognoseverfahren und zerlegt eine Zeitreihe basierend auf

Vergangenheitswerten in Trend-, Saison- und Zufallseinflüsse. Dadurch lassen sich Aussa-

gen über die Zukunft treffen. Mehrwert einer solchen Szenarioplanung ist die Berücksich-

tigung qualitativer Elemente und die Möglichkeit, eine Auswertung nach verschiedenen

Ausprägungen durchzuführen (vgl. Armutat, 2013, S. 37).

Sie findet insbesondere im Bereich der langfristigen Personalplanung Anwendung, das

heißt, für den Zeitraum von 10 bis 20 Jahren. Sie kann EDV-gestützt oder heuristisch durch-

geführt werden, wobei eine Vielzahl von Unternehmen heute die EDV-gestützte Variante

anwenden. Als Beispiele seien RWE AG, Daimler AG, Deutsche Telekom AG, Deutsche Bank

AG und Gothaer Versicherungen genannt.

Die beiden bekanntesten EDV-Tools zur Unterstützung der Szenarioplanung stammen von

der Boston Consulting Group und von Dynaplan (mit Namen Dynaplan Smia). Unabhängig

von den eingesetzten Tools findet eine Szenarioplanung nicht auf der Ebene von Stellen statt, sondern stützt sich auf sogenannte Job Families, Jobfamilien oder Job-Funktionen.

Hierbei werden gleichartige Stellen zusammengefasst. Wie das Ergebnis einer solchen Sze-

narioplanung auf Basis von Job-Funktionen aussehen kann, zeigt die folgende Abbildung.

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LERNEINHEIT 3 PERSONALPLANUNG 15

2. Strategische Personalplanung und Szenarioplanung

Abbildung 6: Personalplanung auf Basis von Jobfamilien (Sattelberger/Strack, 2009, S. 55)

Neben der EDV-gestützten Variante kann ein Szenario auch heuristisch erstellt werden.

Dann bedarf es der Zusammenarbeit von Personalplanern und Führungskräften, die ge-

meinsam die Entwicklung des Unternehmens prognostizieren, diskutieren und „festlegen“

müssen.

Beispiel

Am besten lässt sich das Thema am Praxisbeispiel verdeutlichen. Für diese Lernein-

heit wird das Praxisbeispiel Stadtwerke München gewählt, das im Folgenden aus-führlich die Vorgehensweise bei der Szenarioplanung darstellt.

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LERNEINHEIT 3 PERSONALPLANUNG 16

2. Strategische Personalplanung und Szenarioplanung

2.3 Praxisbeispiel Szenarioplanung bei den

Stadtwerken München1

Ziele: Im Sinne eines ganzheitlichen Talentmanagements gibt die strategische Personal-

planung den Orientierungsrahmen für das Personalmanagement vor. In der Umsetzung

des Leitgedankens „Der richtige Mitarbeiter zur richtigen Zeit mit der richtigen Qualifika-

tion an der richtigen Stelle“ leistet der Personalbereich seinen Beitrag zur Wertschöpfung

im Unternehmen. Sie ermöglicht dem Personalbereich und dem Management eine zielge-

rechte Bewertung unternehmerischer bzw. strategischer Personalentscheidungen.

Mittels Szenarien und Simulationstechniken werden die (langfristige) personalwirtschaft-

liche Ausrichtung und die damit zusammenhängenden Entscheidungen unterstützt und

vorbereitet. Es werden Chancen und Risiken abgeleitet, Handlungsfelder identifiziert und

adäquate Maßnahmen festgelegt.

Zukünftige Auswirkungen personalpolitischer Entscheidungen werden dargestellt und die

Entscheidungsvarianten dadurch vergleichbar.

Qualifizierte und leistungsbereite Mitarbeiter sind ein wettbewerbsrelevanter Erfolgsfak-

tor. Es müssen langfristig die richtigen Mitarbeiter identifiziert, rekrutiert, weiterentwi-ckelt und nicht strategiekonform nutzbare Ressourcen freigesetzt werden. Die strategi-

sche Personalplanung beantwortet deshalb auch die Frage, ob ein in der Zukunft identifi-

zierter Personalbedarf kostengünstiger intern durch Ausbildung bzw. Qualifizierung oder

durch externe Beschaffung gedeckt werden kann (make or buy?). So können Rekrutie-

rungskosten minimiert, Mittel für Personalmarketing zielgerichtet eingesetzt oder die Per-

sonalentwicklung zielgruppengerechter ausgerichtet werden. Darüber hinaus liefert sie

einen Beitrag zur Risikominimierung, indem Qualifikationsdefizite frühzeitig erkannt wer-

den.

Die Betrachtung kritischer und nicht-kritischer Mitarbeitergruppen bildet die Grundlage für eine aktive Steuerung von Mengen, Kosten und Qualifizierung/Kompetenzen. Daraus

resultieren auch Vorgaben für die operative Mehrjahresplanung. Darüber hinaus dient die

strategische Personalplanung der Überprüfung der Personalstrategie in Bezug auf Ausrich-

tung und Umsetzung.

Die strategische Personalplanung orientiert die Personalarbeit also darauf, Lücken bei Be-

darfen zu schließen, die momentan noch nicht existieren, mit Qualifikationen, die erst spä-

ter benötigt werden, damit strategische Ziele erreicht werden können, die noch nicht kom-

muniziert wurden (vgl. Kannisto/Kamahele, 2011, S. 6: „Using data already in existence,

tomorrow’s staffing leader can use college recruiting to fill openings that don’t currently exist, with skills that will be important at a later time, to meet strategic objectives that

have not yet been communicated.“).

Prozess: Der Prozess besteht aus drei Phasen:

In der ersten Phase wird der strategische Rahmen konzipiert, und Planungsprämissen wer-

den festgelegt, wobei dem Strategiebereich die moderierende und koordinierende Rolle

1 von Marina Münch und Martin Gassner; komplett entnommen aus Niedermayr-Kruse et al., 2013,

S. 29-33

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LERNEINHEIT 3 PERSONALPLANUNG 17

2. Strategische Personalplanung und Szenarioplanung

zufällt. Es gilt, die zahlreichen internen und externen Einflussfaktoren zu benennen, zu

analysieren und Auswirkungen auf die Personalarbeit oder eine konkrete personalpoliti-

sche Fragestellung abzuleiten. Hierzu gehören insbesondere die Abbildung der strategi-

schen Bedarfsentwicklung der Bereiche, die Abstimmung über die strategischen Planungs-

prämissen sowie die Bewertung externer Einflussfaktoren wie Arbeitsmarkt, Politik, recht-liche Gegebenheiten, gesellschaftlicher Wertewandel usw.

In der zweiten Prozessphase werden Szenarien auf Basis der in Phase 1 bestimmten Rah-

menbedingungen simuliert und Maßnahmen bewertet. Zur weiteren Konkretisierung wer-

den verschiedene Szenarien „nebeneinandergelegt“. Dabei empfiehlt sich stets die Ermitt-

lung eines „0-Szenarios“, in dem zunächst keine Maßnahme angenommen wird. Erst da-

nach sollten weitere Szenarien mit konkreten Maßnahmen gebildet und dem „0-Szenario“

gegenübergestellt werden.

Abbildung 7: Ablauf der strategischen Personalplanung bei den Stadtwerken München (vgl. Niedermayr-

Kruse et al., 2014, S. 30)

In einer dritten Phase folgen die Maßnahmenplanungen. Auf Basis der in Phase 2 erlang-

ten Erkenntnisse werden konkrete Maßnahmen geplant. Dies sind innerhalb der strategi-

schen Personalplanung die Personalentwicklungs- und Ausbildungsplanung, die Beschaf-

fungsplanung und gegebenenfalls auch eine Abbauplanung.

Parallel sollte in allen Phasen stets auch eine kontinuierliche Rückkopplung neuer Erkennt-

nisse in den strategischen Planungsprozess gewährleistet sein, sodass strategische

Planung und Strategiefindung Hand in Hand gehen.

Im Ergebnis können so z. B. Abgangswellen sichtbar gemacht oder die Auswirkungen des

demografischen Wandels bei einer alterszentrierten Belegschaft abgemildert werden,

indem gezielt interne Personalentwicklungs- und Nachfolgeprogramme initiiert werden

oder eine Feinplanung bei der internen Ausbildungsübernahme möglich wird. Für die Per-

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LERNEINHEIT 3 PERSONALPLANUNG 18

2. Strategische Personalplanung und Szenarioplanung

sonalbeschaffung können gezielt Rekrutierungskanäle ausgebaut oder neu geöffnet wer-

den, sodass eine frühzeitige Kontaktaufnahme mit externen Fachkräften erfolgen kann.

Zudem können auch die strategischen Instrumente des Personalmarketings zielgruppen-

spezifisch etabliert werden. Darüber hinaus ermöglicht die strategische Personalplanung

über die Untersuchung von Altersstrukturen und gesundheitlichen Ausfallrisiken strategi-sche Aussagen für das Gesundheitsmanagement, sodass diese Risiken durch spezifische

längerfristige Maßnahmen reduziert werden können. Über die Abbildung der Entwick-

lungspfade und der abgeleiteten Personalentwicklungsmaßnahmen kann Erfahrungswis-

sen im Unternehmen gehalten werden, weil sich dem Talentmanagement die künftig be-

nötigten Qualifikationsprofile für einen längeren Zeitraum darstellen lassen.

Umsetzung: Auf der Basis der Unternehmensstrategie bzw. der daraus abgeleiteten Per-

sonalstrategie fokussiert die strategische Personalplanung über einen längerfristigen Zeit-

raum von mindestens zehn Jahren auf die erfolgskritischen Faktoren (Fluktuation, Alters-

struktur, Potenziale etc.) und Qualifikationen. Sie setzt auf zwei Kernelementen auf: dem (aktuellen) Personalbestand und dem (künftigen) Personalbedarf, der sich aus der in der

Unternehmensstrategie beschriebenen Geschäftsentwicklung, technologischen Entwick-

lungen, Projekten usw. unter den in Phase 1 beschriebenen Prämissen absehen lässt.

Sowohl die heutigen als auch die künftigen Personalkapazitäten werden auf relativ hoher

Aggregationsebene ermittelt und bewertet. Dabei werden neben quantitativen auch qua-

litative Aspekte erkennbar; d. h., außer Kosten und Kapazitäten werden auch Qualifikati-

ons- und Altersrisiken deutlich. Für verschiedene Bereiche oder Geschäftsfelder können

unterschiedliche Simulationen erstellt (z. B. auf Geschäftsfeldebene) und diese anschlie-

ßend in einem Konzernszenario zusammengefasst werden.

Geplant bzw. simuliert wird innerhalb von Jobfamilien. Jobfamilien sind gleichartige Funk-

tionen (gleichartige Tätigkeitsgruppen) innerhalb des Unternehmens, die über Bereichs-

grenzen hinweg zusammengefasst werden. Diese Jobfamilien sind untereinander mit

typischen Karriere- oder Entwicklungspfaden verknüpft, sodass Bewegungen zwischen

den Familien dargestellt werden können (z. B. Auszubildender → Facharbeiter → Meister).

So können neben den quantitativen Aussagen gleichzeitig auch immer qualitative Aussa-

gen innerhalb der Simulationen getätigt werden.

Hinzu kommen Simulationsprämissen innerhalb der Jobfamilien wie z. B. Fluktuations-

raten, Krankheits- oder Fortbildungsquoten. Dies dient der Präzisierung der Kapazitäten

und ermöglicht eine Simulation des Personalstands über mehrere Jahre.

Arbeitshilfe

In Ihrer Lernumgebung finden Sie eine Übersicht der unterschiedlichen Kostenarten

bei Mitarbeiterfluktuation inkl. eines Berechnungsschemas.

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LERNEINHEIT 3 PERSONALPLANUNG 19

2. Strategische Personalplanung und Szenarioplanung

Abbildung 8: Beispiel für ein Jobfamilienmodell der Stadtwerke München (vgl. Niedermayr-Kruse et al., 2014,

S. 32)

Die strategische Planung zeigt auf, ob mit den vorhandenen Personalkapazitäten (quanti-

tativ und qualitativ) die Umsetzung der Unternehmensstrategie möglich ist bzw. welche

Personalressourcen dafür (nicht mehr) notwendig sind. Dieser in die Zukunft projizierte

Personalstand stellt planerisch das „Angebot“ an Fachkräften innerhalb des Unterneh-

mens dar.

Parallel dazu muss auch die Nachfrage nach Arbeitskräften (Bruttobedarf) aus den Unter-

nehmensbereichen betrachtet werden. Diese ergibt sich aus der Unternehmensstrategie und wird ebenfalls innerhalb der Jobfamiliensystematik abgebildet.

So ergibt eine Gegenüberstellung des simulierten Personalbestands und des Bruttobe-

darfs den Nettobedarf, der die Grundlage für eine sich anschließende Personalentwick-

lungs-, Personalbeschaffungs- und Ausbildungsplanung sowie einer Personalkosten- und

Personalanpassungsplanung (auf strategischer Ebene) bildet oder Auslöser für personal-

politische Maßnahmen oder Programme, wie Nachfolgeplanung, interne Qualifikations-

maßnahmen oder Aufbau neuer externer Rekrutierungskanäle, ist. Ein integriertes Be-

richtswesen fasst alle Planungsaspekte von Bestands-, Bedarfs-, Kosten-, Entwicklungs-,

Beschaffungs-, Ausbildungs- und Anpassungsplanung zusammen.

Im Ergebnis werden z. B. auf der Basis eines Basisszenarios, eines Best-Case-Szenarios und

eines Worst-Case-Szenarios Detailplanungen wie Ausbildungsplanung, Rekrutierungspla-

nung, Personalmarketingplanung, Personalentwicklungsplanung, Nachfolgeplanung etc.

aufgesetzt und abgestimmt, damit die operative Personalarbeit flexibel auf veränderte An-

forderungen reagieren kann.

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LERNEINHEIT 3 PERSONALPLANUNG 20

2. Strategische Personalplanung und Szenarioplanung

2.4 Personalportfolioanalyse und Nachfolgeplanung

Im qualitativen Bereich der langfristigen Personalplanung bzw. der Talententwicklung

spielt die Nachfolgeplanung eine entscheidende Rolle. Da die Zuständigkeit für Personal-

planung auch unter qualitativen Aspekten häufig in der Organisationseinheit „Personal-

controlling“ verankert ist, wird das Thema hier behandelt.

Basis für eine erfolgreiche Nachfolgeplanung ist die Auswahl derjenigen, die im Unterneh-men als Talente bzw. Nachfolger angesehen werden. Um diese zu identifizieren, kommt

häufig die sogenannte Personalportfolioanalyse zum Einsatz.

Die in der Personalbeurteilung ermittelten aktuellen Leistungen und Fähigkeiten der Mit-

arbeitenden können mithilfe des Personalportfolios mit dem zukünftig zu erwartenden

Potenzial für eine Zielposition verknüpft werden (siehe Abbildung). Das Personalportfolio

gibt einerseits Auskunft über Qualität und Ausgewogenheit der Mitarbeitenden im Unter-

nehmen. Andererseits kann es (neben der Basis für Beschaffungs-, Anreiz- und Entwick-

lungsstrategien) für die Nachfolgeplanung herangezogen werden.

Das Personal-Portfolio besteht im Allgemeinen aus einer Vier-Felder-Matrix, in der die Mit-

arbeiter in den entsprechenden Feldern positioniert werden (vgl. Kosub, 2013, S. 112 f.).

Abbildung 9: Personalportfolio (nach Odiorne, 1984, S. 66)

Auf Basis dieses Portfolios lassen sich diejenigen Mitarbeiter identifizieren, die in die Nachfolgeplanung aufgenommen werden sollen bzw. können. Es handelt sich hierbei um

die Gruppe der „Stars“ bzw. Spitzenkräfte, die primär als Nachfolger für Schlüsselpositio-

nen in Frage kommen. Wichtig für das Unternehmen ist zum einen, festzustellen, ob aus-

reichend Nachfolger zur Verfügung stehen.

Hier muss die sogenannte Potenzialträgerquote (auch „Goldfischquote“ genannt) ermit-

telt werden. Sie ergibt sich aus dem Verhältnis von Potenzialträgern zum Personalbestand.

Daneben spielt die sogenannte Nachfolgerquote eine wesentliche Rolle. Hier wird das Ver-

hältnis aus Schlüsselpositionen und Potenzialträgern gebildet.

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LERNEINHEIT 3 PERSONALPLANUNG 21

2. Strategische Personalplanung und Szenarioplanung

Schließlich wird eine Nachfolgeplanung erstellt. Einer einzelnen Stelle werden mehrere

(idealerweise drei) in Frage kommende Nachfolger zugeordnet (siehe als Beispiel die Ab-

bildung, wobei hier pro Stelle nur zwei Nachfolger aufgelistet werden).

Der Vorteil liegt darin, dass bei der Notwendigkeit der Besetzung schnell klar ist, wer in Frage kommt, und dass geprüft werden kann, ob eine ausreichende Anzahl von Nachfol-

gern existiert. Zudem wirkt es aus Sicht des Mitarbeiters motivierend, wenn er weiß, dass

er als Nachfolger vorgesehen ist.

Abbildung 10: Beispiel für einen Nachfolgeplan (entnommen aus: Wegerich, 2007, S. 123 f.)

Neben der Nachfolgeplanung mit Plänen auf Einzelstellenebene, wie in dieser Abbildung

dargestellt, kann auch mit Hilfe von Organigrammen oder Stellenplänen Nachfolgepla-

nung unterstützt werden. Hier werden in einer Übersicht die Kandidaten Stellen bzw.

Positionen im Organigramm zugeordnet (siehe folgende Abbildung).

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LERNEINHEIT 3 PERSONALPLANUNG 22

2. Strategische Personalplanung und Szenarioplanung

Abbildung 11: Nachfolgeplanung mit Hilfe von Organigrammen (vgl. Binder, 2009, S. 145)

Fazit

Strategische Personalplanung erfordert eine noch engere Abstimmung mit der stra-

tegischen Planung als die operative Personalplanung. Sie wird zukünftig immer

wichtiger werden. Vor allem die Szenarioplanung mit EDV-Unterstützung ist ein hilf-reiches Instrument für die rechtzeitige Vorbereitung auf kommende Veränderun-

gen. Ebenso sollte ein Unternehmen immer in der Lage sein, über potenzielle Nach-

folger Auskunft zu geben, um das Überleben des Unternehmens sicherzustellen.

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Unternehmenskultur

Lerneinheit 7

Schriftlicher Lehrgang HR-Management

Autoren: Prof. Dr. Thomas Bartscher und

Dipl.-Kffr. Regina Nissen

Zertifiziert durch die Technische Hochschule

Deggendorf

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LERNEINHEIT 7 UNTERNEHMENSKULTUR 2

Autoren

Autoren

Prof. Dr. Thomas Bartscher

„Keine Aktion ohne Reflexion: Für mich ist es wichtig, die An-

liegen und Lernfelder der Trainingsteilnehmer zu verstehen.

Daran anknüpfend entwickle ich dann eine prozessorientierte

Lernarchitektur, die einen adäquaten Praxistransfer ermög-

licht.“

Arbeitsschwerpunkte

Strategisches Personalmanagement, Begleitung komplexer & digitaler Transformations-

Prozesse, Leadership-Programme, Großgruppen-Veranstaltungen

Berufserfahrung

· Seit 1998 Professor für Personalmanagement, Transformations- und Innovationsma-

nagement · Seit 1998 Partner einer Management- & Organisationsberatung

· 2000–2012: Vizepräsident Technische Hochschule Deggendorf

· Seit 2012 wissenschaftlicher Leiter Weiterbildungszentrum Technische Hochschule

Deggendorf

· Seit 2017 Partner eines Forschungsnetzwerkes zu Arbeit & Digitalisierung

Qualifikation

· Studium der Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre an den Universitä-

ten Mannheim, St. Gallen (CH) und Lüneburg, Diplom-Kaufmann, Dr. rer. pol. · European Curriculum on Performance Improvement, ISPI-Germany Chapter

· Systemischer Organisationsberater, Beratergruppe Neuwaldegg (BGN)

· INSIGHTS MDI®-Akkreditierung

· Regelmäßige Projekt-Supervision

Publikationen

· Bartscher, T./ Nissen, R. (2019): Changemanagement für Personaler – Die digitale Ar-

beitswelt mitgestalten, Freiburg/München. · Bartscher, T./ Nissen, R. (2018): Personalmanagement, in: G. Erdmann, P. Richard

(Hrsg.): Grundlagen der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre, München 2018.

· Bartscher, T./ Nissen, R. (2018): Digitalisierung. Industrie & Arbeit 4.0, in: G. Erd-

mann, P. Richard (Hrsg.): Grundlagen der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre,

München.

· Bartscher, T./ Nissen, R. (2017): Personalmanagement – Grundlagen, Handlungsfel-

der, Praxis, 2. Auflage, München.

· Bartscher, T./ Nissen, R. (2017): Personalanpassung – Lehrbrief. DAM, Deutsche Aka-

demie für Management GmbH, Berlin.

· Bartscher, T./ Nissen, R. (2017): Digitalisierung und Arbeit 4.0, Gabler Wirtschaftsle-

xikon, Online Version, Wiesbaden.

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LERNEINHEIT 7 UNTERNEHMENSKULTUR 3

Autoren

Regina Nissen

„Mein Ziel ist es, Menschen zu befähigen, ihre eigenen Stärken

zu erkennen und auszubauen.“

Arbeitsschwerpunkte

Personalwirtschaftliche Themenstellungen, komplexe Digitalisierungsprozesse, Vertrags-

management, strategisches Personalmanagement, virtuelle Lernkonzepte, Autorin für

Fach- und Lehrbücher

Berufserfahrung

· Seit 2017 Geschäftsführerin eines Instituts für Arbeit & Digitalisierung · Seit 2013 Geschäftsführerin eines Instituts für Management & Organisationsbera-

tung

· 2008–2018: wissenschaftliches Institut einer Krankenversicherung für Nutzen und

Effizienz im Gesundheitswesen

· Seit 1993 Fachreferentin in einer gesetzlichen Krankenversicherung

Qualifikation

· Studium der Betriebswirtschaft, Diplom-Kauffrau, Hamburg · Lerncoach-Ausbildung nlpaed – Verband für neurolinguistische Verfahren in Bildung

und Erziehung e.V.

Publikationen

· Bartscher, T./ Nissen, R. (2019): Changemanagement für Personaler – Herausforde-

rung Digitalisierung, Freiburg/München (in Druck). · Bartscher, T./ Nissen, R. (2017): Personalmanagement – Grundlagen, Handlungsfel-

der, Praxis, Pearson Deutschland GmbH, 2. Auflage, München.

· Bartscher, T./ Nissen, R. (2017): Personalanpassung – Lehrbrief. DAM, Deutsche Aka-

demie für Management GmbH, Berlin.

· Bartscher, T./ Nissen, R. (2017): Strategische Gestaltungsfelder des Personalmanage-

ments, Gabler Wirtschaftslexikon, Online Version, Gabler Verlag, Wiesbaden.

· Bartscher, T./ Nissen, R. (2017): Digitalisierung und Arbeit 4.0, Gabler Wirtschaftsle-

xikon, Online Version, Gabler Verlag, Wiesbaden.

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LERNEINHEIT 7 UNTERNEHMENSKULTUR 4

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

1. Grundlagen 5

1.1 Was also können wir unter Unternehmenskultur verstehen? 5

1.2 Unternehmenskultur: eine Haltungsfrage?! 11

2. Unternehmenskultur gibt Orientierung und Verlässlichkeit 13

2.1 Unternehmensidentitäten 13

2.2 Orientierung in sozialen Systemen – ein Führungsverständnis? 14

2.3 Beständigkeit oder notwenige Veränderung? 15

3. Unternehmenskultur braucht Anpassung 23

3.1 Teamkultur 25

3.2 Innovationskultur 28

4. Unternehmenskultur in Zeiten zunehmender Digitalisierung 30

4.1 Kommunikationskultur 31

4.2 Fehler- und Lernkultur 33

4.3 Fluide Unternehmenskultur 35

5. Unternehmenskultur und zukunftsgerichtete Personalarbeit 38

5.1 Rolle der Personalarbeit 38

5.2 Personalarbeit als Zukunftsmodell? 39

6. Management Summary 41

7. Literatur- und Quellenverzeichnis 43

In dieser Lerneinheit wird bei der Bezeichnung von Personen die männliche Form verwen-

det, um die Lesbarkeit zu erleichtern. Selbstverständlich sind stets weibliche und männliche

Personen gleichermaßen gemeint. Wir bitten dafür um Verständnis.

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LERNEINHEIT 7 UNTERNEHMENSKULTUR 5

1. Grundlagen

1. Grundlagen

Kontinuierliche Veränderungen und Anpassungen innerhalb der Unternehmen sind be-

ständige Herausforderungen und keine neuen Phänomene! Dies gilt für die strategische

Ausrichtung der Organisation ebenso wie für die Zielanpassung. Aber ganz besonders gilt

dies auch für das Selbstverständnis des Unternehmens. Es sind die grundlegenden Frage-

stellungen, die beantwortet sein wollen. Wofür steht das Unternehmen? Was ist die Hand-

lungsmaxime? Wie sieht das Menschenbild der eigenen Mitarbeiter aus? Welchen Werten

fühlt sich das Unternehmen verpflichtet? Und viele weitere Fragen, die sich in Abhängig-

keit des Unternehmenskontextes ergeben. All diese Wertebeschreibungen finden sich in

der Unternehmenskultur wieder. Häufig wird auch der Begriff Organisationskultur ver-

wendet. Wir werden diese beiden Begriffe in der Ihnen vorliegenden Lerneinheit synonym

gebrauchen und Ihnen zunächst unterschiedliche Definitionen anbieten, um auf die Viel-

schichtigkeit der Begriffe abzuzielen.

1.1 Was also können wir unter Unternehmenskultur

verstehen?

Zunächst einmal ist die Unternehmenskultur ein komplexes und damit ein überaus viel-

schichtiges Phänomen. Die Organisation wird als ein von Menschen geschaffenes, soziales

Konstrukt angesehen. Die erlebte Realität von Werten, Denk- und Verhaltensmustern in-

nerhalb des Unternehmens wird auch durch die Mitarbeiter geprägt und bestimmt. Die

Wirkbeziehungen sind dabei reziprok, das bedeutet, dass sich das Verhalten der Mitarbei-

ter in der Unternehmenskultur niederschlägt, aber auch die Unternehmenskultur, also die

Werte, Normen oder Gesinnungen, Einfluss auf den einzelnen Mitarbeiter hat.

Definition: Unternehmenskultur

„Ein Muster gemeinsamer Grundprämissen, das die Gruppe bei der Bewältigung ihrer

Probleme externer Anpassung und internen Integration erlernt hat und somit als bin-

dend gilt; und das daher an neue Mitglieder als rational und emotional korrekter An-

satz für den Umgang mit diesen Problemen weitergegeben wird.“1

Schein gilt als mit seinen Modellen als einer der wichtigsten Wegbereiter der Organisati-

onsentwicklung. Wir werden uns mit einem seiner Modelle, den Ebenen der Unterneh-

menskultur, noch näher in dieser Lerneinheit befassen.

Die strategische Positionierung, aber auch die beteiligten Akteure eines Unternehmens

bestimmen und beeinflussen mit ihren Emotionen und Haltungen die Unternehmenskul-

tur nachhaltig. Insbesondere in Veränderungsprozessen und einer damit verbundenen

1 Quelle: Edgar Schein: Unternehmenskultur. Ein Handbuch für Führungskräfte, Campus Verlag, Frankfurt

1995, S.25.

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LERNEINHEIT 7 UNTERNEHMENSKULTUR 6

1. Grundlagen

Weiterentwicklung der Unternehmenskultur kann diese einerseits Lernprozesse beför-

dern, sie kann aber auch eine Barriere2 darstellen.

Die Definitionen zu Organisationskultur sind vielfältig und zum Teil widersprüchlich3.

Definition: Organisationskultur

Die anthropologische Kulturdefinition von Edward Burnett Tylor (1871) gibt eine erste

Orientierung, nach der die Organisationskultur die komplexe Gesamtheit („complex

whole“) aller menschlicher Gewohnheiten („habits“) innerhalb einer Organisation

umfasst.

„The importance of organizational culture was first described by Elliott Jaques in his

1951book titled, The Changing Culture of a Factory. Jacques invoked culture – de-

scribed as informal social structures – as a way to explain the failure of formal policies

and procedures to resolve the unproductive dynamic between managers and employ-

ees at the Glacier Metal Company. Later, the concept was reintroduced to the field by

Andrew Pettigrew (1979), whose work pointed to culture as the “social tissue” that

contributes to collective sensemaking in organizations. Informal social structures and

collective sensemaking are still reflected in modern definitions of organizational cul-

ture, although new concepts have been integrated as well. Although there is no

widely agreed upon definition, most organizational scholars concur that the core def-

initional content includes the values, beliefs, and assumptions that are held by the

members of an organization and which facilitate shared meaning and guide behavior

at varying levels of awareness.“4

Aber kommen wir nun zu dem bereits erwähnten Modell nach Edgar Schein. Anknüpfend

an kulturanthropologische Überlegungen unterscheidet Schein (1984/1985) drei Ebenen

der Unternehmenskultur. Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht den Modell-Ansatz.

2 vgl. z.B. Sollberger (2006), S. 74 ff. 3 vgl. z.B. Rathje (2004), S. 60ff; vgl. Steinmann/Schreyögg/Koch (2013), S. 651 ff.; vgl. Kasper/Schmidt (2015),

S. 245 ff. 4 Danison (2006), S. 4

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LERNEINHEIT 7 UNTERNEHMENSKULTUR 7

1. Grundlagen

Abb. 1: Ebenen der Organisationskultur nach Schein (1984/1985) und ihre Verhaltenswirksamkeit5

Ausgehend von der sichtbaren Symbol- und Zeichenebene, den sog. Oberflächenphäno-

menen, müssen die nächsten beiden Ebenen, die der Normen und Standards und die der

Basisannahmen bzw. Glaubenssätze, sukzessive und im Rahmen fortlaufender Beobach-

tungs-, Reflexions- und Interpretationsprozesse erschlossen werden6.

Der sichtbare Teil einer Kultur sind die Symbole und Zeichen. Hierzu gehören unmittelbare

Aspekte, wie die architektonische Gestaltung von Gebäuden und Räumen, eine etwaige

spezifische Bekleidung, die Art und Weise der Begrüßung, der Firmenjargon oder die sonst

übliche Form der Sprache. Ebenso gehören zu dieser Beobachtungsebene Rituale, z.B. bei

der Aufnahme und Verabschiedung von Mitgliedern oder im täglichen Umgang, wie etwa

gemeinsame oder zeitversetzte Mittagspausen. Zu benennen an dieser Stelle sind auch

sog. Bekräftigungsriten, wenn beispielsweise der Mitarbeiter des Monats nominiert und

dann auch offiziell geehrt wird.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Symbol- und Zeichenebene sind die Legenden und

Geschichten etwa über den Firmengründer bzw. die Firmengründung und andere prä-

gende Schlüsselereignisse. Diese Geschichten werden neuen Mitgliedern und Geschäfts-

partnern meist in geselliger Runde erzählt, um auf einprägsame Weise zu vermitteln, wo-

rauf es in diesem sozialen System besonders ankommt. Symbolen und Zeichen kommt da-

mit die Aufgabe zu, „… den schwer fassbaren, wenig bewussten Komplex von Annahmen,

Interpretationsmustern und Wertvorstellungen zu repräsentieren, lebendig zu erhalten,

weiter auszubauen und, was besonders wichtig ist, an neue Mitglieder weiterzugeben“7.

Der sichtbare Teil der Organisationskultur ist in seiner Bedeutung damit nur vollumfänglich

zu verstehen, wenn man die beiden tieferliegenden Ebenen ebenfalls in die Betrachtung

mit einbezieht.

5 Bartscher (2016), S. 67, in Anlehnung an Schein (1984) S. 4 ff. 6 vgl. Schein (1984), S. 4 ff.; vgl. Schein (1985), S. 23 ff.; vgl. Denison (2006), S. 4 ff.; vgl. auch Stein-

mann/Schreyögg/Koch (2013), S. 654 ff.; vgl. Kasper/Schmidt (2015), S. 245 ff., vgl. Bartscher/Nissen (2017),

S. 335. 7 Steinmann/Schreyögg/Koch (2013), S. 654.

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LERNEINHEIT 7 UNTERNEHMENSKULTUR 8

1. Grundlagen

Die mittlere Ebene im Modell von Schein bilden die Normen und Standards. Diese bein-

halten geschriebene, aber vor allem auch ungeschriebene Verhaltensregeln, Gebote und

Verbote, die beim täglichen Handeln in der und für die Organisation Orientierung verlei-

hen. Sie helfen den Mitgliedern beim Abwägen des eigenen Handelns und bei der Erwar-

tung und Einschätzung des Handelns von anderen. Offizielle Unternehmensleitsätze und

Compliance-Regeln sind die sichtbaren Elemente dieser Ebene. Bedeutsamer, weil verhal-

tenswirksamer, sind jedoch die nicht formell kodifizierten Verhaltenserwartungen, wie

etwa die Umgangsregeln zwischen den Mitgliedern. Sie repräsentieren letztlich die unter-

schwellig in einer Organisation gültigen Wertvorstellungen und konkretisieren diese. Sie

regulieren also einerseits das Verhalten der Mitglieder untereinander, wie etwa die un-

ausgesprochene Empfehlung: „Stimme dem Chef zu und erledige die Dinge dann auf deine

Weise“. Andererseits wird auch das Verhalten gegenüber den formalen Regelungen über-

setzt. Beispielsweise kann offiziell die Norm gelten: „Wir geben immer unser Bestes“, in-

formell gilt aber: „Arbeite nicht mehr als die anderen und achte das übliche Arbeitspen-

sum“. Das Einhalten der Verhaltensstandards wird geschätzt, häufig explizit belohnt. Ab-

weichungen werden hingegen direkt oder indirekt sanktioniert.

Die tiefste Ebene einer Kultur sind deren mentale Modelle bzw. grundlegende Glaubenss-

ätze, die tiefverankerten „… Orientierungs- und Überzeugungsmuster, die die Wahrneh-

mung und das Handeln leiten. Es sind dies die selbstverständlichen Orientierungslinien

organisationalen Handelns, die gewöhnlich ganz automatisch, ohne darüber nachzuden-

ken, ja meist ohne sie benennen zu können, verfolgt werden“8.

Schein ordnet den Basisannahmen sechs Grundthemen zu, deren Beantwortung bzw. Be-

wältigung für jeden Menschen von existenzieller Bedeutung ist9:

1. Annahmen über die Umwelt: Ist diese übermächtig, bedrohlich, herausfordernd

oder bezwingbar?

2. Vorstellungen über die Wahrheit: Was soll die Grundlage für Entscheidungen bil-

den? Sind es Traditionen, sind es Autoritäten, sind es Fakten? Orientieren wir uns

an den Wissenschaften, dem Pragmatismus oder am Prinzip „Versuch und Irr-

tum“?

3. Vorstellungen über die Zeit: Welcher Zeitrhythmus wird im jeweiligen sozialen Sys-

tem gelebt? Wie wird mit Zeit umgegangen, wie wird sie bewirtschaftet? Wann ist

es etwas zu spät, wann zu früh?

4. Annahmen über die Natur des Menschen: Sind Menschen von Natur aus gut oder

schlecht, oder werden sie aufgrund der Umstände in die eine oder andere Rich-

tung geformt? Sind Menschen eher arbeitsscheu oder sind sie grundsätzlich neu-

gierig und damit auch leistungsbereit?

5. Annahmen über die Natur menschlichen Handelns: Sind Dinge tatkräftig selbst in

die Hand zu nehmen oder ist es wichtiger, abzuwarten und sich dann anzupassen?

Was wird überhaupt als Arbeit definiert? Darf man Freude dabei empfinden oder

sind lediglich Leid und Mühsal kennzeichnend? Ist beruflicher Erfolg überwiegend

Glückssache oder über individuelle Leistung erzielbar?

8 Steinmann/Schreyögg/Koch (2013), S. 658. 9 vgl. Schein (1985), S. 73 ff.; vgl. auch Kluckkohn/Strodtbeck (1961).

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LERNEINHEIT 7 UNTERNEHMENSKULTUR 9

1. Grundlagen

6. Annahmen über die Natur zwischenmenschlicher Beziehungen: Welche Ordnung

soll sozialen Beziehungen zugrunde liegen – nach Herkunft, Alter, Geschlecht oder

nach Erfolg? Sind Emotionen am Arbeitsplatz zulässig oder soll lediglich eine

sachorientierte Atmosphäre vorherrschen? Soll zwischen Dienstlichem und Pri-

vatem getrennt werden? Kann man anderen vertrauen oder muss man sich eher

in Acht nehmen? Was kennzeichnet zwischenmenschliche Beziehungen: Wettbe-

werb oder Kooperation?

Die Basisannahmen, die für das jeweilige Unternehmen prägend sind, entwickeln sich un-

bewusst und ungeplant. Sie entstehen dabei nicht isoliert nebeneinander, sondern mün-

den im Verlaufe ihrer Entwicklung in eine Gesamtheit, in ein mehr oder weniger in sich

stimmiges Muster. Sie formen zusammen dann eine Art Weltbild. Letzteres und die daraus

abgeleiteten Verhaltensstandards nehmen Einfluss auf die Prioritäten des Handelns in und

für die Organisation. Sie steuern die Wahrnehmung, selektieren Informationen und sie

ermöglichen es, eigenes und fremdes Handeln zu interpretieren.

Eine Weiterentwicklung dieses Modelles von Schein beschreibt Hatch (1993)10 in der nach-

folgend gezeigten Abbildung:

Abb. 2: Elemente der kulturellen Dynamik nach Hatch (1993).

10 Vgl. Hatch (1993), abrufbar unter https://organisationsberatung.net/unternehmenskultur-kulturwandel-in-

unternehmen-organisationen/abgerufen am 11.12.2018.

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LERNEINHEIT 7 UNTERNEHMENSKULTUR 10

1. Grundlagen

Sie ergänzt das 3-Ebenen-Modell von Schein um die zueinanderstehenden Prozesse und

erweitert ihr Modell um eine vierte Ebene. Die einzelnen Prozessschritte werden in der

nachfolgenden Übersicht dargestellt und in ihrer Merkmalausprägung skizziert.

Abb. 3: Darstellung der Prozesse und ihre Merkmalausprägung11.

Da dieses Modell auch die Prozesse beschreibt, ist es durchaus auch geeignet für die Er-

stellung von Kulturanalysen bzw. Kulturinterventionen. Egal in welcher Richtung Sie das

Modell „lesen“ – mit oder gegen den Uhrzeigersinn –, es ergibt sich in der Interpretation

so etwas wie ein historischer Kontext, der das Entstehen einer Unternehmenskultur be-

schreiben und erklären kann.

Fazit

Die dargestellten Modelle, sowohl von Schein als auch von Hatch, dienen der the-

matischen Zuordnung der eigenen Unternehmenskultur. Sie ermöglichen eine Ver-

ortung der von uns in unseren Unternehmen erlebten kulturellen Werte und Vor-

stellungen. Sie liefern darüber hinaus eine Erklärung der historisch gewachsenen

Gewohnheiten innerhalb des Unternehmens und helfen, Erlebtes zu verstehen.

11 o.V. https://organisationsberatung.net/unternehmenskultur-kulturwandel-in-unternehmen-organisatio-

nen/ abgerufen am 28.11.2018.

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LERNEINHEIT 7 UNTERNEHMENSKULTUR 30

4. Unternehmenskultur in Zeiten zunehmender Digitalisierung

4. Unternehmenskultur in Zeiten

zunehmender Digitalisierung

In der Literatur werden u.a. die nachfolgenden charakteristischen Merkmale einer Unter-

nehmenskultur benannt:

· Die Organisationskultur ist implizit. Sie repräsentiert Überzeugungen, die von

den Organisationsmitgliedern mehr oder weniger unbewusst gemeinsam geteilt

werden und so das Selbstverständnis der Organisation prägen. Diese Überzeu-

gungen liegen als selbstverständliche Annahmen dem täglichen Handeln zu

Grunde und werden so zu vertrauter Alltagspraxis. Über diese wird in der Regel

nicht explizit nachgedacht, sie werden einfach gelebt.

· Kultur ist ein kollektives Phänomen und umfasst gemeinsame Orientierungen,

Werte, Handlungsmuster usw., welche das Handeln der einzelnen Mitglieder be-

stimmen. Kultur befördert ein in Teilen kohärentes organisatorisches Handeln.

Die Organisationsmitglieder tun in Teilen das und glauben in Teilen das, was

auch andere tun und glauben.

· Die Organisationskultur repräsentiert ein konzeptionelles Grundverständnis.

Dieses vermittelt den Mitgliedern Sinn und Orientierung in einer komplexen

Welt, indem es Erklärungsmuster für die Selektion und Interpretation von Ereig-

nissen anbietet und adäquate Reaktionsweisen aufzeigt. Die Organisationsmit-

glieder können sich auf dieser Basis ein Bild von der (Arbeits-)Welt verschaffen.

· Organisationskulturen prägen emotional. Sie beeinflussen und normieren, was

in sozialen Systemen als angenehm und als unangenehm empfunden wird, was

mit Geduld ertragen und was aggressiv zurückgewiesen wird, ja sogar was ge-

hasst und was geliebt wird. Insoweit prägt Kultur ganzheitlich, nicht nur analy-

tisch und kognitiv.

· Organisationskulturen sind das Ergebnis historischer Lernprozesse. Letztere ent-

stehen aus dem Umgang mit und der Bewältigung von Herausforderungen inner-

halb und außerhalb der Organisation. Insoweit ist Kultur eine geronnene Erfah-

rung, ein kollektiver Wissensvorrat, der die Entwicklungsgeschichte der Organi-

sation widerspiegelt. Im Laufe der Zeit schälen sich bevorzugte Wege der Ana-

lyse, der Hypothesenbildung und des Problemlösens heraus, die schließlich als

kollektive Orientierungsmuster zur Grundlage organisatorischen Handelns wer-

den. Dies bedeutet allerdings auch, dass Organisationskulturen nicht statisch

sind, sondern sich in Bewegung befinden. Sie entwickeln sich aus Lernprozessen

und bewirken zukünftige Lernprozesse, wenn sich neue Herausforderungen stel-

len, die mit den bewährten Handlungsmustern nicht bewältigt werden können.

· Kulturen werden interaktiv vermittelt, also in Sozialisationsprozessen. Sie wer-

den somit von den Mitgliedern nicht bewusst erlernt. Organisationen entwickeln

Formate und Praktiken, die diesen verdeutlichen, wie im Sinne der kulturellen

Tradition zu handeln ist. Symbole sind hierbei von herausgehobener Bedeutung

bei allen Formen der verbalen und nonverbalen Kommunikation.

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LERNEINHEIT 7 UNTERNEHMENSKULTUR 31

4. Unternehmenskultur in Zeiten zunehmender Digitalisierung

Aus funktionalistischer Perspektive betrachtet, bedient die Organisationskultur damit vier

Wirkfelder, die für den Bestand und die Handlungsfähigkeit sozialer Systeme zentral sind.

Zum einen bewirkt sie eine Komplexitätsreduktion und ermöglicht somit ein zeitnahes

Routinehandeln. Grundlegende Überzeugungen dienen als Filter für die Wahrnehmung

und bewirken eine schnelle Vorsortierung der Fülle von Informationen in „relevant“ und

„nicht relevant“.

Die kollektiven Denkmuster bestimmen, wie mit den Informationen in der jeweiligen Situ-

ation umzugehen ist und stellen situationsspezifische Handlungsanweisungen bereit, die

mit Hilfe der entwickelten Verhaltensmuster rasch in Taten umgesetzt werden können.

Zum anderen erleichtert die Organisationskultur das koordinierte Handeln unter den Mit-

gliedern. Die kollektiv geteilten, grundlegenden Überzeugungen dienen als Orientierungs-

raster. Sie vermitteln ihnen eine gemeinsame Sinnbasis, erleichtern die Kommunikations-

prozesse zwischen ihnen und erhöhen so die Wahrscheinlichkeit für ein aufeinander ab-

gestimmtes (Leistungs-)Verhalten.

Des Weiteren hat die Organisationskultur Einfluss auf das Ausmaß der Identifikation der

Mitglieder mit ihrer Organisation und damit auch auf deren Motivation und Leistungsbe-

reitschaft. Je nach Ausgestaltung der grundlegenden Überzeugungen kann die Identifika-

tion hoch, mittel oder auch gering sein.

Organisationskulturen bedienen schließlich das menschliche Bedürfnis nach gradueller

Verhaltenssicherheit und Kontinuität. Die entwickelten Denk- und Verhaltensmuster sind

die Basis für routiniertes Handeln. Nicht jeder Arbeitsablauf muss neu überdacht und ent-

wickelt werden. Sie schreiben damit letztlich die in der Vergangenheit bewährten Erfolgs-

und Misserfolgsrezepte in die Gegenwart und in die nähere Zukunft fort.

Praxistipp: pp: kulturkonzeptionelle Überlegungen

Die Praxisrelevanz der kulturkonzeptionellen Überlegungen ist auch Inhalt des

nachfolgenden Beitrages: https://www.youtube.com/watch?v=pQuSEnpo7Vw.

Dieser gibt einen guten Überblick.

4.1 Kommunikationskultur

In Organisationen herrscht in der Regel eine für das Unternehmen typische Kommunikati-

onskultur vor. Diese ist häufig über einen längeren Zeitraum hinweg gewachsen und hat

einen ganz eigenen Charakter entwickelt. Was können wir also unter Kommunikationskul-

tur verstehen?

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LERNEINHEIT 7 UNTERNEHMENSKULTUR 32

4. Unternehmenskultur in Zeiten zunehmender Digitalisierung

Definition: Kommunikationskultur

„Sie bringt die gewachsenen, ungeschriebenen und auch fixierten Werte und Normen

einer Organisation zum Ausdruck, ist im besten Fall Spiegel desselben. Als solche ist

sie für das Erkennen und Geltendmachen moralischer Ansprüche von zentraler Be-

deutung.“52

Ob die im Unternehmen gelebte Kommunikationskultur, also die Art und Weise der Infor-

mationsweitergabe, des kommunikativen Miteinanders, zeitgemäß ist, muss jede Organi-

sation für sich beantworten. Klar ist aber auch, dass in Zeiten zunehmender immer schnel-

ler voranschreitender Digitalisierung dem Kommunikationsverhalten eine immer größere

Bedeutung beigemessen wird. Von allen Mitarbeitern wird ein schnelles Agieren oder Re-

agieren erwartet und dass auf Basis fundierter Informationen schnelle, zielführende Ent-

scheidungen getroffen werden. Hierbei kommt insbesondere den Führungskräften eine

entscheidende Rolle zu. Sind sie es doch, die den Mitarbeitern durch transparente und

glaubwürdige Entscheidungen Verlässlichkeit bieten und sie in ihrer Arbeit unterstützen

und befördern. Werte wie Ehrlichkeit, Offenheit und Wertschätzung dem Mitarbeiter ge-

genüber zu leben, fördert die Zusammenarbeit und steigert damit auch die Effektivität.

Viele Unternehmen wählen den Weg der flachen Hierarchien. Sie sorgen für kurze Infor-

mations- und Entscheidungswege und forcieren einen dialogorientierten Austausch. Da-

mit verbunden können Feedback-Gespräche und Mitarbeitergespräche etabliert werden,

die den gegenseitigen Austausch noch verstärken.

Eine derartige Kommunikationskultur kann Mitarbeiter binden, Motivation und Effizienz

steigern und insgesamt Hochleistung ermöglichen.

„Eine Kultur der Kommunikation bringt Mitarbeiter dazu, mehr in ihren Arbeitsplatz zu

investieren. Es gibt ihnen das Gefühl, dass sie geschätzt werden, eine wesentliche Rolle

spielen, und stärkt das Selbstbewusstsein. Das inspiriert Ihre Mitarbeiter, mehr zu geben,

schafft eine positive Einstellung, die produktive Arbeit fördert, und senkt die Mitarbeiter-

Fluktuation.“53

Praxistipp: pp: Kommunikation als Kultur etablieren

Informieren Sie die Verantwortlichen, aber auch die Mitarbeiter umfassend und

zeitnah. Geben Sie wichtige Informationen vollständig weiter, so verhindern Sie die

Lückenausfüllung durch Flurfunk und Gerüchte.

52 Dobiasch (2014), S.25. 53 Couto (2018), abrufbar unter: https://www.hausdesstiftens.org/praxistipp/instrumente-zur-foerderung-

der-kommunikationskultur/abgerufen am 01.12.2018.

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LERNEINHEIT 7 UNTERNEHMENSKULTUR 33

4. Unternehmenskultur in Zeiten zunehmender Digitalisierung

Überdenken Sie Ihr eigenes Kommunikationsverhalten. Ein dialogorientiertes Kom-

munizieren erleichtert den Umgang miteinander und bestärkt darin, mögliche Kon-

flikte erst gar nicht entstehen zu lassen.

Nutzen Sie Feedback und Nachfragen, um an sich zu arbeiten und das eigene Kom-

munikationsverhalten zu verbessern. Gehen Sie dabei auch professionell mit mög-

licher Kritik um.

Kommunizieren Sie authentisch und bleiben Sie sich selbst treu.

Couto gibt hierzu folgenden Ratschläge:

„Hier einige gute Hinweise aus der modernen Psychologie, die

Sie in Ihre Form, zu kommunizieren, einbinden können, um ei-

nerseits besser zu verstehen und andererseits besser von Ihren

Kollegen verstanden zu werden.

· Sag, was du meinst, und meine, was du sagst! Seien Sie di-

rekt und ehrlich, tanzen Sie nicht um das Thema herum und

spielen Sie keine Spielchen.

· Nicken Sie, lächeln Sie oder machen Sie gelegentlich posi-

tive Äußerungen oder geben Antworten, die Ihrem Gegen-

über signalisieren, dass Sie aufmerksam sind.

· Warten Sie – ohne zu unterbrechen – ab, bis Ihr Gesprächs-

partner einen Gedanken abgeschlossen hat, und bringen

Sie erst dann Ihre eigenen Ideen vor.

· Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Sie die Botschaft verste-

hen, stellen Sie Fragen und bemühen sich um eine Klärung.

· Beschreiben Sie in eigenen Worten, was Sie gehört haben,

damit der Absender sicher sein kann, dass Sie ihn richtig

verstanden haben.

· Bitten Sie um Feedback, um sicherzustellen, dass die von

Ihnen übermittelte Botschaft korrekt angekommen ist.“ 54

4.2 Fehler- und Lernkultur

Fehler passieren immer, immer wieder und überall. Jeder Mensch begeht Fehler, das ist

allgemein bekannt. Aber wie mit Fehlern in einem Unternehmen umgegangen wird, das

ist die Frage, mit der wir uns in diesem Abschnitt beschäftigen wollen. Um es klar vorweg-

zunehmen, wir sagen: Jeder Fehler ist eine Chance zur Verbesserung und trägt zu einer

stabilen Unternehmenskultur bei! Dies aber nur, wenn es im Unternehmen ein klares Be-

kenntnis zu einer Fehler-, und noch viel wichtiger, einer daraus resultierenden Lernkultur

gibt.

54 Couto (2018), abrufbar unter: https://www.hausdesstiftens.org/praxistipp/instrumente-zur-foerderung-

der-kommunikationskultur/abgerufen am 01.12.2018.

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LERNEINHEIT 7 UNTERNEHMENSKULTUR 34

4. Unternehmenskultur in Zeiten zunehmender Digitalisierung

Wie kommen wir nun zu dieser Haltung?

Zunächst einmal kennen wir alle die Situation noch aus unserer Schulzeit. Wir haben Feh-

ler gemacht, falsche Antworten gegeben und wurden direkt dafür bestraft. In schriftlichen

Arbeiten mit roten Markierungen, die deutlich ein „seht her, hier ist ein Fehler!“ signali-

sierten, in mündlichen Beiträgen mit häufig abwertenden oder despektierlichen Kommen-

taren. Aber in allen Fällen mit schlechten Noten. Dieses erlernte Verhalten, mit Fehlern

umzugehen, tragen wir häufig bis ins Erwachsenenalter mit uns herum. In den Unterneh-

men führt dieses Verhalten einerseits zu „Vertuschungen“ von Fehlern, anderseits zum

Anprangern von Fehlern. Beide Reaktionen auf Fehler sind im Kern dem Unternehmen

nicht dienlich.

Aber gerade in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung ist es für Unternehmen und ihre

Mitarbeiter erforderlich, mutig Entscheidungen zu treffen, auch wenn sich diese als Fehler

oder Fehlentscheidung herausstellen sollten. Unternehmen haben folglich ein großes In-

teresse daran, dass ihre Mitarbeiter innovative, ggf. sogar unkonventionelle Entscheidun-

gen treffen, und dabei den Mut aufbringen, auch Fehler machen zu dürfen. Entscheidend

dabei ist, dass aus der Fehlerkultur eine Lernkultur wird. Also jeder Fehler genutzt wird,

aus diesem zu lernen und zukünftig besser zu werden.

Praxistipp: Lernkultur etablieren

Begreifen Sie einen Fehler als Chance

Hilfreich ist es, wenn Sie den konstruktiven Umgang mit Fehlern in der Unterneh-

menskultur verankern. Verdeutlichen Sie Ihren Mitarbeitern – und sich selbst –, dass

sie Fehler als erzielte Ergebnisse ansehen dürfen, als Möglichkeit zu lernen – mit

dem Ziel, die Qualität zu verbessern, den Kunden mehr Leistung zu bieten und die

Entwicklungsfähigkeit zu steigern. Fehler weisen auf einen bestehenden Lernbedarf

hin, auf die Chance, sich weiterzuentwickeln.

Kein Fehler ohne Verbesserungsvorschlag

Konkret bedeutet dies, dass ab sofort keine Fehler mehr genannt werden, ohne ei-

nen konstruktiven Verbesserungsvorschlag zu unterbreiten. Voraussetzung dafür ist

die detaillierte Fehleranalyse – ein Beispiel: Einer Ihrer Verkäufer hat einen wichti-

gen Kundentermin verpasst.

Die Analyse ergibt: Der Innendienst hat dem Verkäufer einen falschen Termin mit-

geteilt, das wiederum ist zurückzuführen auf einen Fehler in der Terminverwal-

tungssoftware. Die Software wird überprüft – in Zukunft wird der Innendienst Kun-

dentermine mit noch mehr Sorgfalt überprüfen, also Termine nach Eintrag in die

Software dem Kunden gegenüber nochmals bestätigen. So lassen sich Terminfehler

frühzeitig erkennen.

Das heißt: Nicht der Fehler, das Symptom, wird bekämpft und ausgemerzt, sondern

die Ursache.

Etablieren Sie eine produktive Streitkultur

Fehler werden zumeist als Ausgangspunkt für die Streitfrage angesehen, wer denn

nun die Schuld trägt. Der Schuldige kann „verhaftet“, bestraft und an den Pranger

gestellt werden. An dem Streit, wer die Schuld hat, ist schon so manches Team zer-

brochen.

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4. Unternehmenskultur in Zeiten zunehmender Digitalisierung

Besser ist: Streiten Sie bei einem Fehler konstruktiv darüber, welches der beste Weg

zur Problemlösung ist. Entwickeln Sie positive, in die Zukunft gerichtete Lösungs-

energie.

Initiieren Sie ein Lernmeeting

Viele Meetings stehen unter der folgenden Fragestellung: Was ist schiefgelaufen?

Gehen Sie einmal einen anderen Weg: Veranstalten Sie ein Meeting oder ein

Brainstorming mit Ihren Mitarbeitern, in dem Sie besprechen, welche Lernchancen

Ihr Alltag am Arbeitsplatz, in der Abteilung, im Unternehmen bietet. Ein Beispiel:

Jeder Mitarbeiter benennt von sich aus einem Fehler, der ihm unterlaufen ist – und

schlägt vor, wie sich daraus ein Verbesserungsvorschlag ableiten lässt: Der Fehler

als Lernchance!

Die meisten Fehler sind Folge von Entscheidungen, die ein Mitarbeiter getroffen hat.

Es mag die falsche Entscheidung gewesen sein, aber sie geschah ohne böse Absicht.

Fehler unterlaufen und passieren, wenn man lernen und sich entwickeln will. Fehler

sind ganz offensichtlich der Preis für unsere Entwicklung.

Hat sich Ihr Team diese Einstellung erarbeitet, bewertet es Fehler anders: Er wird

als Symptom definiert, dessen Ursache das Team auf die Spur kommen will.55

„…Indem wir Reflexionsräume für die Analyse schaffen, bringen wir die Organisation vo-

ran. Wir müssen uns Zeit nehmen für das Lernen aus Fehlern, nicht für das Fehler machen.

Peter M. Senge hat hier den Begriff des Team-Learning geprägt. Überträgt man die Ge-

danken Senges, bedeuten sie vereinfacht gesagt: Wir müssen nicht nur über Fehler reden,

sondern daraus im Dialog auch ableiten, was sie für unser zukünftiges Verhalten bedeu-

ten. Dieser Dialog muss einerseits formalisiert über feste Reflexionsräume im Tagesge-

schäft gefördert werden. Gleichzeitig müssen Teams aber auch die Fähigkeit aufbauen,

diese Reflexionsschleifen aktiv und spontan einzufordern, wenn sie bemerken, dass etwas

schiefläuft. Diese Reflexion erlaubt es auch, eine positivere Haltung einzunehmen: Syste-

misch gesprochen schreiben wir dem Problem (dem erkannten Fehler) eine neue, positive

Eigenschaft zu. Wir müssen jedoch noch einen Schritt weiter gehen und auch wieder ler-

nen, Erfolge zu feiern.“56

4.3 Fluide Unternehmenskultur

Der Begriff „fluide“ beschreibt im Zusammenhand mit der Kulturdiskussion insbesondere

die stetige Anpassungsnotwendigkeit auch der Unternehmenskultur. Alles ist im Fluss, so

auch die nach innen und außen getragenen Unternehmenswerte.

Wir wollen dies einmal am Thema „Führungsverhalten“ verdeutlichen. Digitalisierung ver-

langt eine neue Art der Führung, denn Digitalisierung und Automatisierung haben unsere

Welt verändert. Entwicklungen vollziehen sich im Zuge der exponentiellen technologi-

schen Entwicklung immer schneller und Menschen reagieren unterschiedlich auf diese

Veränderungen. Die einen begrüßen sie mit Euphorie und entdecken in ihnen phantasti-

sche Chancen, den anderen bereitet sie Unbehagen oder gar Angst, eines Tages nicht mehr

55 Quelle: Claus Lorenzen und Patric P. Kutscher: http://www.lorenzen-vertrieb.de/verkauftipps/team/lernkul-

tur/2018, abgerufen am 02.12.2018. 56 vgl. Krüger (2018), S.94.

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4. Unternehmenskultur in Zeiten zunehmender Digitalisierung

gebraucht zu werden. Was muss herausragende Führung heute leisten, um Menschen Ori-

entierung zu geben? Wie sollten Manager ihr Führungsverhalten an die neue Situation

anpassen? Und warum schreit die Digitalisierung nach einer neuen Art der Führung, nach

Führung durch Reputation?

Beispiel: Digitalisierung verlangt eine neue Art der Führung

Das Industriezeitalter: Führen durch hierarchische Macht

Bedauerlicherweise erinnert Führung heutzutage vielerorts noch an das begin-

nende Industriezeitalter. Seinerzeit waren Mitarbeiter gefragt, pünktlich zu erschei-

nen, ihren Job zu machen, sich möglichst wenig mit Kollegen auszutauschen und

diszipliniert ihre Aufgaben zu erfüllen. Dementsprechend war Führung ausgerichtet

auf rigide Vorgaben, autoritären Duktus, Kontrolle voller Misstrauen und Andro-

hung von negativen Konsequenzen. Die Folge dieses Führungsstils? Angst und Un-

sicherheit.

Die Wissensgesellschaft: Führen durch Beeinflussen

Seit gut 20 Jahren hat sich herumgesprochen, dass Führen ohne emotionale Intelli-

genz nicht funktioniert. In der Wissensgesellschaft sind nicht mehr die tüchtigsten

Hände, sondern die klügsten Köpfe gefragt. Und die wollen mitgenommen und ein-

gebunden werden. Also wird beeinflusst, was das Zeug hält. Der Manager hat sich

zum Motivator – manchmal auch Manipulator – und Coach weiterentwickelt, der

dem Mitarbeiter zeigt, wie er seine Einstellungen, sein Denken und sein Handeln

mit den Unternehmenszielen bestmöglich zur Deckung bringen kann. Doch den in-

nersten Kern ihrer Mitarbeiter erreichen viele Führungskräfte dadurch nicht wirk-

lich. Diese Zeiten haben sich geändert und Umdenken ist gefragt.

Das digitale Zeitalter: Führen durch Reputation

Das Internet hat für eine schnelle, weltweite Vernetzung von Gleichgesinnten ge-

sorgt. Binnen kürzester Zeit entstehen neue Märkte jenseits traditioneller Absatz-

kanäle. Revolutionäre Geschäftsmodelle disruptieren traditionelle Player innerhalb

eines Augenaufschlags. Diese veränderte Ausgangslage erfordert ein neues Denken

und neue Formen des sozialen Umgangs: Wir brauchen eine höhere geistige Flexi-

bilität. Gleichzeitig sorgt die Digitalisierung für eine größere Sehnsucht nach zwi-

schenmenschlicher Wärme im direkten Kontakt. Willkommen im Zeitalter des Füh-

rens durch Reputation!

Die Führungskraft der digitalen Zukunft spricht neben dem Kopf der Mitarbeiter vor

allem auch deren Herz an. Doch wie soll das gehen, ohne in oberflächliches „Schi-

ckimicki“ zu verfallen? Der Manager von morgen muss mehr Ermöglicher statt All-

wissender sein. Er kann gar nicht mehr alle Lösungen selbst kennen. Vielmehr sieht

er sich in der Verantwortung, den Prozess zur Lösungsfindung unter Einbeziehung

aller bestmöglich zu organisieren. Hierbei sind echtes Interesse und exzellente Fra-

gen Kernkompetenz Nummer eins. Und Demut wird zur wichtigsten Tugend jenseits

aller Hierarchien und Positionen. So entsteht soziale Dichte, der innerste Kern der

Mitarbeiter wird endlich erreicht und die Kultur einer Organisation auf authentische

Art und Weise gestärkt.

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4. Unternehmenskultur in Zeiten zunehmender Digitalisierung

„Culture eats strategy for breakfast“, hat Peter Drucker einmal so treffend formu-

liert. Kultur wird durch vorbildhaftes Verhalten untereinander geprägt. Vertrauen

ersetzt hierbei Misstrauen oder gar Mikromanagement. Ehrlichkeit und Integrität

werden wichtiger als Sollerfüllung und Null-Fehler-Toleranz. Und plötzlich finden

sich Mitarbeiter in einer Welt wieder, in der sie sich tatsächlich verwirklichen kön-

nen. In der Querdenken nicht nur erlaubt, sondern auch gefordert ist und Spaß be-

reitet. In der persönliche Weiterentwicklung selbstverständlich wird, um eine neue

Aufgabe oder Rolle zu übernehmen, sobald der alte Job überflüssig geworden ist. In

der sich alle Beteiligten mit dem Unternehmenszweck identifizieren können, Moti-

vation von innen kommt und Sog erzeugt wird statt Druck. Und „last but not least“

in einer Welt, in der Freiheit herrscht, die in Verantwortung ausgeübt wird. In dieser

Welt entstehen die Geschäftsmodelle, die die Kunden von morgen begeistern.57

57 Quelle: Jörg Hawlitzeck, COMPUTERWOCHE, 14.09.2018 (https://www.computerwoche.de/a/digitalisie-

rung-verlangt-eine-neue-art-der-fuehrung,3330710; abgerufen am 12.11.2018).