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1
PETREA LINDENBAUER
DIE ENTSTEHUNG DES RUMÄNISCHEN KONSTITUTIONELLEN
DISKURSES
IM 19. JAHRHUNDERT
HABILITATIONSSCHRIFT
Wien, 2010
2
„Reformele nasc în capul teoreticilor;
ei mai întîi le discutează şi le predică,
tîrziu apoi populul le adoptează“
(M. Kogălniceanu, Scrieri, 1967)
3
INHALTSVERZEICHNIS
EINLEITUNG 5
I. DIE GESCHICHTE DER RUMÄNISCHEN LÄNDER
IM 19. JAHRHUNDERT 6
I.1. Die politische Situation der rumänischen Länder im 19. Jahrhundert 6
I.2. Die Revolutionsbewegungen von 1821, 1822 und ihre Folgen 7
I.3. Die Revolutionsbewegungen der 1830-er und 1840-er Jahre und ihr Echo 10
I.4. Der Weg der Vereinigten Fürstentümer in die Autonomie unter Cuza 13
I.5. Der Weg Rumäniens in die Souveränität unter Carol I. 17
I.6. Die Bildung des heutigen Rumänien unter Ferdinand I. 18
I.7. Die gesellschaftliche Transformation der rumänischen Länder im 19. Jahrhundert 19
II. DIE DURCHSETZUNG DES LIBERALEN GEDANKENS 24
II.1. Der Ursprung des liberalen Gedankens in den rumänischen Ländern 24
II.2. Frühe staatliche Gesetzgebung und diskursive Reformversuche 25
II.3. Meilensteine auf dem Weg zur autochthonen Verfassung: Quellen und Corpus 27
III. THEORIE UND METHODOLOGIE 32
IV. DIE TEXTE VON TUDOR VLADIMIRESCU AUS DEM JAHRE 1821 37
IV.1. Die sozialpolitische Situation in den Rumänischen Fürstentümern um 1821 37
IV.2. Die bisherige Deutung der von Tudor Vladimirescu angeführten Bewegung 38
IV.3. Teilweise Kooperation Tudor Vladimirescus mit der Häterie 39
IV.4. Historiographische Daten zur Person Tudor Vladimirescu 44
IV.5. Ideologie und Ziele des Tudor Vladimirescu 46
IV.6. Widerstandstexte und Reformideen zur Zeit Tudor Vladimirescus 48
IV.7. Die verschiedenen Reproduktionen und Versionen
der Texte des Tudor Vladimirescu 49
IV.8. Analyse der Proklamation von Padeş (verkündet am 23. Jänner / 4. Feber 1821) 52
IV.9. Analyse der Forderungen, welche das wallachische Volk in der Wallachey macht oder
Cererile norodului (verfasst über mehrere Monate bis zum Frühjahr 1821) 53
IV.10. Interpretation der Proklamation von Padeş und der Forderungen, welche das
wallachische Volk in der Wallachey macht 61
V. CERERILE CELE MAI ÎNSEMNĂTOARE CE SE FAC DIN PARTEA OBŞTIEI
MOLDOVIEI AUS DEM JAHRE 1822 (DIE SOGENANNTE „CĂRVUNARI-
VERFASSUNG”) 65
V.1. Sozial-politischer Kontext der Reformvorschläge von 1822 65
V.2. Ideologische Einflüsse der Reformvorschläge von 1822 (nach Barnovschi) 67
V.3. Sprachliche Besonderheiten des Textes der Reformvorschläge von 1822 72
V.4. Analyse der Reformvorschläge von 1822 73
V.5. Interpretation der Reformvorschläge von 1822 84
4
VI. DIE BEWEGUNG VON ION C. CÂMPINEANU:
ACTUL DE UNIRE VOM 1. NOVEMBER 1838
PROIECTUL DE CONSTITUŢIE VOM 5. NOVEMBER 1838 91
VI.1. Texte und Kontext des Wirkens des Ion Câmpineanu 91
VI.2. Analyse des Act de unire (1. November 1838) und des Proiect de constituţie
(5. November 1838) 93
VI.3. Interpretation des Act de unire und des Proiect de Constituţie 101
VII. DIE TRAGWEITE DER RUMÄNISCHEN REVOLUTIONEN VON 1848 104
VII.1. Der Revolutionstext von Blaj/Blasendorf vom 2. Mai 1848 106
VII.1.1. Die historische Motivation des Diskurses von Blaj 106
VII.1.2. Blaj – Bildungszentrum der rumänischen Aufklärung und ihr Deszendent Simion
Bărnuţiu 107
VII.1.3. Der Diskurs von Blaj – Auftakt zur großen Nationalversammlung
vom 3.-5. Mai 1848 109
VII.1.4. Analyse des Diskurses von Blaj: sprachliche und stilistische Besonderheiten 112
VII.1.5. Makrostrukturelle Analyse des Diskurses von Blaj 116
VII.1.6. Analyse der unterschiedlichen Ko-Diskurse der Rede von Blaj 129
VII.1.7. Der „Staatlichkeitsdiskurs“ in der Rede von Blaj (Analyse und Interpretation) 132
VII.2. Die Proklamation von Islaz vom 9. / 21. Juni 1848 136
VII.2.1. Der historische Kontext der Proklamation von Islaz 136
VII.2.2. Ion Heliade-Rădulescu und die aufgeklärt-liberale Ideologie
der Proklamation von Islaz 138
VII.2.3. Typologie und Ko-Diskurse der Proklamation von Islaz 139
VII.2.4. Die „Staatsreform“ der Proklamation von Islaz 141
VII.3. Dorinţele Partidei Naţionale din Moldova von Mihail Kogălniceanu
(August 1848) 145
VII.3.1. Historischer Kontext der Dorinţele Partidei Naţionale din Moldova 145
VII.3.2. Staatskonzeption, Ideologie und politische Terminologien der Dorinţe 147
VII.3.3. Die wichtigsten Isosemien oder Prioritäten der Moldau nach den Dorinţe 150
VII.3.4. Rhetorische und sprachliche Markierungen und Besonderheiten der Dorinţe 152
VII.3.5. Analyse und Interpretation des Staatlichkeitsdiskurses in den Dorinţe 155
VIII. AUF DEM WEGE ZU EINER MODERNEN VERFASSUNG:
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 161
VIII.1. Themen und Struktur moderner Verfassungen 161
VIII.2. Die Herausbildung eines rumänischen Verfassungsdiskurses 163
VIII.3. Vorprojekte zur Verfassung von 1866 167
BIBLIOGRAPHIE 172
5
EINLEITUNG
Es ist immer ein Wagnis, Geschichte retrospektiv zu erfassen und umso mehr, wenn es
sich um etwas so Komplexes handelt wie den rumänischen modernen Staat. Wann, mit
welchen Attributen und wie das moderne Rumänien entstanden ist, hängt vielfach von
der Definition von Modernität ab. Die unterschiedlichen Meinungen der verschiedenen
Experten zum Zeitpunkt des Beginns der rumänischen modernen Gesellschaft lassen
uns im Unsicheren sowohl über die Daten als auch über das (konzeptuelle) Wesen des
Staates. Der rumänische Historiker Pompiliu Eliade etwa nennt das Jahr 1821 als eines
der wichtigen Daten des Beginns der Geschichte der rumänischen renaştere und sieht
den Kontakt der rumänischen Länder mit Frankreich als ein Schlüsselereignis dafür
(2000, 306). Auch Eugen Lovinescu betont den französischen Einfluss als Auslöser
einer Veränderung und Integration der rumänischen in eine westliche Zivilisation um
1848 („Istoria civilizaţiei române moderne începe însă odată cu veacul al XIX, adică
odată cu integralizarea contactului nostru cu apusul şi cu schimbarea mediului nostru
de formaţie”, dabei ist 1848 ein symbolischer Moment (III, 187-188). Berücksichtigen
wir das erste Durchsickern neuer Impulse in die rumänische Gesellschaft, lässt sich
aber auch schon die Zeitspanne 1750 bis 1821 als beginnende moderne Phase
betrachten. Die Perspektive über den Staat hat in jedem Fall das soziale System mit im
Auge. In der rumänischen Moderne geschehen in ihr die Ablöse des Feudalsystems,
die Erstarkung der Wirtschaft, der Sichtwechsel, den Bewohner nun als Bürger zu
wahren. In Bezug auf den Beginn der rumänischen Moderne spricht man ferner oft von
einer „Verbrennung der Epochen“, dem Fehlen des eigentlichen Übergangs eines
mittelalterlichen Rumänien zu einem modern(er)en Rumänien („România
contemporană a devorat câteva secole, în câteva decenii.“; in nur zwei Jahrzehnten, so
stellt es Barnovschi der moldauischen und walachischen Gesellschaft aus, hätte sie
sich von einer mittelalterlichen zu einer modernen gewandelt; [1923], 87, 98).
Staatsgeschichte ist immer historisch, soziologisch und auch prädestiniert juristisch zu
betrachten. Die vorliegende Studie geht einen vierten Weg. Mit dem Ziel, die zeitliche
wie inhaltliche Werdung des rumänischen Staates zu erfassen, untersucht sie den
Diskurs über den Staat. Staaten entstehen nicht einfach, sie werden gemacht. Sie
werden, nach Lucian Boia und Michael Metzeltin, v.a. über Diskurse konstruiert und
damit erschaffen. Der Weg von der Vorstellung zu Wirklichkeit ist, wie es Mihail
Kogălniceanu oben treffend formuliert, dabei oft kein schneller. Aufgrund einer
ausgewählten Reihe von staatsgenerierenden Texten wird in unserer Untersuchung die
Staatswerdung nachvollzogen. Die Studie erhebt dabei nicht den Anspruch auf
Exhaustivität oder die Individualität der rumänischen historischen Provinzen zu
zeigen. Die Texte sind gewählt nach ihrer Bedeutung im Kontext einer Reihe von
markanten historischen Ereignissen innerhalb der heutigen rumänischen Staatsgrenzen
in einem Zeitabschnitt, der historisch als eine Kernzeit der nationalen Werdung
Rumäniens gilt. Sie umfasst die Ereignisse von der Revolution von Tudor
Vladimirescu (1821) über die Revolution von 1848-1849, die Vereinigung der beiden
Donaufürstentümer Moldau und Walachei (1859) und die Phase des Sturzes von Ioan
Alexandru Cuza und seine Ablöse durch Rumäniens Fürsten Carol I. Die
sprachwissenschaftliche Analyse beleuchtet die Diskurswelten, in denen sich
unterschiedliche Staatsdiskurse betten als solche, sowie primäre Kernbegriffe
6
moderner <Staatlichkeit>. Nicht primär das juridische Detail ist unser Interesse,
sondern allgemeinere Begrifflichkeiten wie <Freiheit>, <Staatsbürgerschaft>,
<Staatsterritorium> und ihre Spiegelung oder Nicht-Spiegelung in den Texten. Was
die Arbeit sehr deutlich zeigt, ist, dass sich der Staatsdiskurs in sehr unterschiedlichen
Diskurswelten generiert und sich um 1863 in den autochthonen Staatlichkeitsdiskurs
gießt, welcher seinen Abschluss und Höhepunkt in der rumänischen Verfassung vom
1. Juli 1866 hat. Auch zeigt sie, dass der diskursive Aufbau des rumänischen
modernen Staates über den Zeitraum 1821 bis 1863/1866 verlief.
7
I
DIE GESCHICHTE DER RUMÄNISCHEN LÄNDER IM 19. JAHRHUNDERT
I.1. Die politische Situation der rumänischen Länder im 19. Jahrhundert
In unserer Studie widmen wir uns den Ereignissen und Textproduktionen, die zur
Entstehung des modernen Rumänien führten. Beide datieren in einem Zeitraum
zwischen dem Jahr 1821 und der internationalen Anerkennung der politischen
Existenz „Rumäniens“ im Jahre 1856, sowie der folgenden Phase der Vereinigung der
Donaufürstentümer der Moldau und der Walachei im Jahre 1859 und dem „Vorabend“
der Entstehung der ersten landeseigenen – und für ihre Zeit sehr modernen –
Verfassung unter Fürst Carol von Hohenzollern im Jahre 1866. Insgesamt kam die
Entstehung des modernen Rumänien erst in den Jahren 1918/1919 zum Abschluss, als
nach dem Zusammenbruch der Österreichisch-Ungarischen Monarchie auch das
(Groß-) Fürstentum Siebenbürgen (Ardeal, Transsilvanien) zum alten Königtum
(Vechiul regat) kam und so Großrumänien bzw. Marea Unire entstand. Einigen
rumänischen Historikern zufolge, entspricht der Zeitschnitt 1821 dem Beginn der
modernen Epoche Rumäniens (z.B. Giurescu/Giurescu 1977, 239), auch wenn z.B. der
anglo-amerikanische Historiker Keith Hitchins dieselbe Epoche mit 1774 (-1821)
deutlich früher ansetzt (ib. 1996, Introduction). In jedem Fall fällt in den hier
genannten Zeitschnitt, 1821 – 1866, die langsam sich vollziehende Entstehung
Rumäniens als eines modernen Nationalstaates.
Rumänien ist in einem jahrhundertelangen staatspolitisch sehr schwierigen Balanceakt
entstanden, in welchem die historischen Fürstentümer ihre Autonomien entgegen den
Ansprüchen der angrenzenden Großmächte durchsetzen und verteidigen mussten. Für
die rumänischen Länder galt, was für den Balkanraum insgesamt galt. Sie waren über
Jahrhunderte hinweg und bis ins 20. Jahrhundert „Schachbrett der
Großmachtdiplomatie“ (Weithmann 1995, 182), an welcher sich Ungarn, Polen,
Habsburg, die Hohe Pforte, später auch Russland und im 19. Jahrhundert dann
kollektiv die Signatarstaaten des Dritten Pariser Friedens (1856) beteiligten, um ihre
ureigenen Interessen auszufechten. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts war die
Autonomie der Fürstentümer zwar formal gegeben, aber schwer angeschlagen
(Stan/Iosa 1996, 13-14). Für Jahrhunderte war das Osmanische Reich die Macht,
welche die höchste Hegemonie (Suzeranität) über die rumänischen Länder ausübte,
innenpolitische Strukuren konnten nur mit der Zustimmung der Pforte geändert
werden (ib.). Seit 1540, einem Jahr, in welchem die Bojaren für eine
außergewöhnliche Wahl eines Landesfürsten die Bestätigung des Sultans eingeholt
hatten, hatte dieser aus dem einmaligen Vetorecht eine Usance gemacht und bestimmte
und ernannte den Landesherrn mit, selbst gegen die Zustimmung des Landes
(Barnovschi ([1924], 168-170). Von Anfang des 18. Jahrhunderts an bis 1822
dominierte die Pforte die Donaufürstentümer durch hier von ihr eingesetzten stark
gräzisierten Landesherrscher, welche sie aus dem Stadtviertel Phanar von
Konstantinopel „rekrutierte” (Phanarioten).
8
Bis zur Entstehung Großrumäniens im Jahre 1918/1919 nützten vor allem die
Großmächte Türkei, Österreich und Russland vielfach „rumänische“ Territorien für
ihre Kriege. Für diese bedeutete dies wiederholte militärische Besetzungen, aber auch
teilweise Gebietsverluste, denn rumänische Gebiete wurden immer wieder als
Kompensationen für erlittene Verluste der Kriegsstaaten „gehandelt“. Eine Reihe von
russisch-türkischen Kriegen fand zwischen 1786 und 1812 statt und schwächte die
Türkei und deren Hegemonie zugunsten Russlands, das allmählich seine Hegemonie
über die Fürstentümer durchsetzen wird. Russland besetzte die Fürstentümer in den
Jahren 1806-1812 (1812 annektierte es Bessarabien) und 1828-1834. Erst der
Krimkrieg (1853-1856) sollte auch die Hegemonie Russlands „brechen“ und das
russische Protektorat über die Fürstentümer, unter welchem die außenpolitische
Vertretung, die Landesverteidigung und selbst Angelegenheiten des Inneren nicht
allein in den Händen der Rumänen lag, abschaffen und die rumänischen Fürstentümer
unter internationale europäische Sicherung und Kontrolle stellen.
In der Geschichte der rumänischen Länder spiegelt sich immer wieder ein brisantes
und unstabiles Mächteverhältnis der an diesen Ländern interessierten Großmächte
wider. Dies zeigt beispielsweise der historische Augenblick des Ablebens des Fürsten
der Walachei, Alexandru Suţu, im Jänner 1821. Berichte des k.k. Rates und Agenten in
Bukarest Fleischhackel von Hakenau an Metternich dokumentieren, dass die
walachischen Bojaren über den Tod des Fürsten Wien im Geheimen informierten, dass
sie Konstantinopel hingegen darüber berichten und um die baldige Ernennung eines
Nachfolgers von Alexandru Suţu bitten mussten, und dass Pini, der russische Konsul
von Bukarest, in dieser Situation versuchte, russischen Einfluss geltend zu machen und
sich angesichts der Absicht der Bojaren, gegen einen drohenden Volksaufstand
militärische Hilfe von der Pforte anzufordern, nur in der äußersten Gefährdung der
Sicherheit des „Staates” dazu bereiterklärte, dies zu gewähren (Documente privitoare
la istoria românilor, 1940, DCXXXII, 538). Dabei berief sich Pini auf den „Hatticherif
de 1802 qui guarantit aux deux Principautés l´inviolabilité de leurs frontiéres [sic]”
(ib., 537).
Im Kampf um nationale Eigenständigkeit hatten die Rumänen auf die Unterstützung
Frankreichs gehofft, jedoch wurde Napoleon I. Bonaparte (1769-1821) 1812
vernichtend von Russland geschlagen. Im Wiener Kongress (1814/15) war die
Hegemonie der west- und zentraleuropäischen Großmächte und Russlands zunächst
neu bekräftigt worden. Bis 1820 hatten diese versucht, das alte Regime wieder
einzusetzen und die von den Ideen der Französischen Revolution und dem
Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg ausgelösten nationalen Bewegungen zu
ersticken (Pop 1998, 109). Die rumänischen Länder sollten noch für Jahrzehnte in
ihren politischen Abhängigkeiten – osmanische Suzeranität für die Moldau und die
Walachei und habsburgische Dachherrschaft für Siebenbürgen (Hitchins 1994, 52-54)
– verbleiben. Erst im liberalen und romantischen Geist entstand im Westen und
Russland das Interesse für eine Befreiung des griechischen Volks und der anderen
christlichen Völker auf dem Balkan, somit auch für die rumänischen Regionen (Pop
1998, 109).
9
I.2. Die Revolutionsbewegungen von 1821, 1822 und ihre Folgen
Auf dem Hintergrund der politischen Hegemonien über die rumänischen Länder sowie
der sozialen Unterdrückung der Masse ihrer Bewohner war es Tudor Vladimirescu
(geb. um 1770, ermordert 1821), auf den ein erster Versuch zurückgeht, eine größere
politische Autonomie der Walachei sowie verschiedene soziale Reformen zu
erreichen. Tudor Vladimirescu scheint, nach der rumänischen Historiographie, am
Beginn der Häterie-Bewegungen auf „rumänischem“ Boden mindestens teilweise vom
walachischen Regierungskomitee, Comitet de oblăduire, welches den im Jänner 1821
verstorbenen Fürsten der Walachei vertrat – die Großbojaren Grigore Brâncoveanu
(1771-1832); Grigore Dimitrie Ghica, der spätere, erste autochthone Landesherrscher;
und Barbu Văcărescu – zum Aufbau eines Heeres gerufen und als dessen Anführer
eingesetzt worden zu sein. Als solcher kooperierte er bis zu einem gewissen Grad (und
Zeitpunkt) mit der griechischen Freiheitsbewegung zur Einigung aller Balkanvölker
im Kampf gegen das „osmanische Joch“. Anführer des griechischen Kampfes gegen
die Pforte war Alexander Ypsilanti (1792-1828), der Sohn des früheren Fürsten der
Walachei, Constantin Ypsilanti (1802-1807, mit Unterbrechungen), der als ehemaliger
Offizier des russischen Heeres eine gute Beziehung zum Zaren hatte. Alexander
Ypsilanti plante, sein Heer über die Moldau in den Süden zu führen und erzwang vom
moldauischen Fürsten Mihai Suţu (1818-1821) die Unterstützung der griechischen
Causa. Tudor Vladimirescu dürfte am Beginn der Ereignisse eine Art Allianz mit den
Mittelsmännern der Häterie, Iordache Olimpiotul und Farmache, im Kampf gegen die
osmanische Hegemonie, eingegangen sein. Allerdings führte er die ihm unterstellten
Pandurentruppen in einer revolutionären Bewegung gegen die (unrechtmäßig und sich
unmäßig verhaltenden) großgrundbesitzenden Bojaren und Klöster in Oltenien an.
Aufgrund dieser Aktionen wurde er von den Großbojaren und der Kirche geächtet (cf.
Kap. IV.3.). Außerdem trat er mit Ypsilanti in einen „Wettkampf“ um die Herrschaft
in Bukarest. Alexander Ypsilanti überquerte Anfang März 1821 den Pruth, besetzte die
Moldau und sollte seine Truppen bald nach Bukarest führen. Um ihm einer möglichen
Besetzung Bukarests zuvorzukommen, beeilte sich auch Tudor Vladimirescu, ca. Ende
März, mit seinen Truppen die Stadt zu erreichen. Die Großbojaren flüchteten Ende
März nach Siebenbürgen, Ypsilanti und Vladimirescu steckten Ende März/Anfang
April ihre Zonen ab, gerieten aber immer stärker in Konflikt, zumal sich auch Zar
Alexander I. von den revolutionären Bewegungen beider distanzierte und ihnen damit
die außenpolitische Rückendeckung entzog. Der Zar ging sogar soweit, das
Osmanische Reich zu ermächtigen, gegen die Erhebungen militärisch vorzugehen. In
dieser prekären Situation versuchte Tudor Vladimirescu, die Pforte seiner Treue zu
versichern und die Bewegungen als gegen die Ausbeutung der Phanarioten gerichtet
darzustellen. Er hatte damit aber keinen Erfolg. Anfang Mai 1821 begannen
osmanische Truppen moldauisches Territorium zu besetzen, Tudor Vladmirescu zog
sich zurück, versuchte mit den Häteristen zu verhandeln, wurde jedoch von den
Pandurenhauptmänner Dimitrie Macedonski und Hagi Prodan verraten und auf Befehl
von Ypsilanti gefangengenommen, nach Târgovişte gebracht und unter Anklage des
Verrats und ohne Gerichtsverfahren Ende Mai 1821 ermordet. Das Pandurenheer
konnte sich danach nur noch kurz gegen die Truppen der Pforte halten, der letzte
Widerstand wurde am 29./30. Mai bei Slobozia und am 20. Juli bei Tismana
gebrochen, die Söldner mit ihrem Anführer Bimbaşa Sava von den Osmanen in
10
Bukarest hingerichtet. Die von Vladmirescu angeführte Bewegung war damit erstickt.
Es folgte eine bis Herbst 1822 andauernde Zeit der Plünderungen, von Repressalien
und Verurteilungen der Osmanen von Personen, die am Aufstand beteiligt gewesen
waren. Dennoch hat die Bewegung von Tudor Vladimirescu zu einer
Internationalisierung der „rumänischen Frage“ geführt, der Einsatz durch den Sultan
von landesfremden Landesfürsten aus dem Phanar (Phanariotenherrschaft) wurde
beendet, die Griechen aus den Ämtern entfernt. Der Sultan begnügte sich ab jetzt
damit, die neuen, jetzt einheimischen Fürsten, Ioniţa Sandu Sturza in der Moldau und
Grigore Dimitrie Ghica in Muntenien, nur zu approbieren (und nicht mehr
vorzuschlagen).
Fast zeitgleich zu Tudor Vladimirescu kam es in der Moldau zu einer Gruppierung von
Kleinbojaren, welche eine Modernisierung der Gesellschaft und Reformen des Staates
zum Ziel hatten, hinter dem auch der Landesfürst stand. Lovinescu zufolge hatte die
Wirkungskraft des cărvunarism bzw. der cărvunari zwar nicht für eine entscheidende
soziale Revolution und somit auch nicht für die Revolution von 1848 gereicht (ib. 58,
62-63), dennoch schreibt Barnovschi dieser Bewegung eine deutlich weitergehende
Bedeutung als jene des Tudor Vladimirescu zu. Dessen Rolle, mit der Waffe zu
agieren, hätte Ionică Tăutu, Hauptverfasser des später als Constituţia cărvunarilor
genannten Reformtextes, mit Feder und Politik entsprochen (Barnovschi [1923], 68,
nach Al. Russo, FN2). Die längerfristige Um- und Durchsetzung der Reformen de
cărvunari scheiterte an der Opposition der Großbojaren und der Großmächte.
11
Trotz des russisch-türkischen Kriegs der Jahre 1806-1812 (beendet mit dem Frieden
von Bukarest), welcher die Donaufürstentümer mit beeinträchtigte, kam es nach den
landesinternen Ereignissen von 1821 auch in der außenpolitischen Lage für einige Zeit
zur Entspannung. Russland und die Pforte fanden am 25. Sep. / 7. Okt. 1826 eine
Einigung in der Konvention von Akkerman (Cetatea Albă / Weißenburg / Bilhorod-
Dnistrowskyi). Sie legte eine zumindest nominale Autonomie der Fürstentümer
(Georgescu 1992, 115), aber auch die Approbation der vom Diwan aus den
landesinternen Bojaren für sieben Jahre gewählten Landesfürsten fest. Desweiteren
bestärkte die Konvention von Akkerman die Position Russlands als Schutzmacht für
die Walachei und die Moldau. Als Mahmoud II. (Regierungszeit 1808-1839) 1827 die
Konvention aufkündigte und auch gegen die griechischen Revolutionsbewegungen
sehr hart vorging, war dies der Anlass eines weiteren russisch-türkischen Kriegs
(1828-1829), aus dem Russland siegreich hervorging. Im folgenden Friedensschluss,
dem Frieden von Adrianopel (2./14. September 1829) wurde nach dem Aufstand unter
Miloš Obrenović die Autonomie Serbiens und im sogenannten Londoner Protokoll die
Unabhängigkeit Griechenlands anerkannt.
Schon im Vertrag von Akkerman waren Prinzipien diskutiert worden, welche im
späteren, russisch oktroyierten Grundgesetz für die Walachei (1831) festgehalten
werden sollten: die Notwendigkeit des freien Außenhandels als Basis für den
Fortschritt eines Landes: „Slobozenia comerciului, fiind ştiută că este mijlocul cel mai
singuratic şi înfiinţat pentru destinderea lucrării pământului şi înnaintarea a tot felul de
meserie, care sânt izvorul cel adevărat al fericirii obşteşti, de aceia eşirea afară din
hotarul ţării a vitelor, zaharelilor, a tot felul de materii pentru comerciu, lucrate sau
nelucrate, este pentru totdauna slobodă peste tot ţinutul şi hotarul Ţării Rumâneşti …
Porturile şi schelile Dunării sânt slobode fără deosebire pentru toate corăbiile puterilor,
care sânt în pace cu Prea înnaltă Poartă.“ (Regulamentul organic al Valahiei, Art.
154.-155). Der Frieden von Adrianopel von 1829 schuf, wie im späteren Regulament
tradiert, das türkische Handelsmonopol über die Walachei und die Moldau zugunsten
eines freien Schifffahrts-Handels auf dem Schwarzen Meer, durch den Bosporus und
die Dardanellen gänzlich ab. Der Handel mit Lebendtieren, Getreide und Holz etc.
wurde damit liberalisiert und der Absatz rumänischer Erzeugnisse auf den
europäischen Märkten geöffnet. Desweiteren wurde durch den Vertrag von Adrianopel
die Position der Pforte – zugunsten Russlands – weiter geschwächt. Die unter
osmanischer Herrschaft stehenden Festungsbezirke (raiale) Turnu Măgurele (seit 1545
innerhalb des raia Turnu), Brăila (seit 1542 raia), Giurgiu (seit 1545 raia) am linken
Donauufer gingen an die Walachei zurück. Die Moldau und Walachei wurden
verwaltungsautonom (Berindei 1998, 197; Georgescu 1992, 115), sie erhielten das
Recht, zukünftig ihre Herrscher auf Lebenszeit zu wählen. Dennoch wurde auch die
Pforte gezwungen, Russland die Besetzung der Donaufürstentümer zu erlauben, bis die
großen Kriegsschäden bezahlt sein würden. Somit wurden die Moldau und Walachei
1829 russisch besetzt und die Kontrolle Russlands blieb auch nach dem Abzug der
russischen Truppen im Jahre 1834 aufrecht. Innerstaatlich brachte der Vertrag von
Adrianopel, auch wenn von außen oktroyiert, einen Reformschritt für die
Donaufürstentümer, denn er sah die Ausarbeitung von Grundgesetzen für beide vor.
General Pavel Kiseleff, bevollmächtigter Vorsitzende des moldauischen und
walachischen Staatsrates (divanuri) in den Jahren 1829-1834, setzte sich dafür ein,
12
dass diese ersten „modernen“ Grundgesetze (die sogenannten Regulamente organice)
ausgearbeitet wurden und in der Walachei am 1./13. Juli 1831 und in der Moldau am
1./13. Jänner 1832 in Kraft traten (Berindei 1998, 198). Sie werden bis zur Konvention
von Paris (1858) geltend bleiben.
Die Regulamente organice wurden unter der Präsidentschaft des russischen
Generalkonsuls M.L. Minciaki von zwei Kommissionen bestehend aus je vier
(moldauischen respektive walachischen) Bojaren ausgearbeitet. Die moldauische
Kommission bestand, Cărăbuş zufolge, aus dem vornicul Mihail Sturza, dem
vistiernicul Costache Cantacuzino-Paşcanu (beide von den russischen Autoritäten
gewählt) sowie dem vornicul Costache Conachi und dem vistiernicul Iordache
Catargiu (beide vom Diwan gewählt); Sekretär der moldauischen Kommission war
Gheorghe Asachi, auf den auch die erste Idee einer Vereinigung der
Donaufürstentümer zurückgehen soll. Die Regulamente bestärkten verschiedene
Festlegungen des Vertrags von Akkerman, so z.B. das Recht der Fürstentümer –
geäußert durch die Bojaren und die Allgemeinheit – ihren Herrscher zu wählen:
„Aşăzământul dela Akerman întărind dritul ce au boierii dinpreună cu obşteasca voinţă
a lăcuitorilor a alege pe Domnii Moldavii şi Valahii, alegerile se vor face de către
Obşteasca Adunare Ecstraordinară, care se va aduna pentru acest sfârşit în oraşul de
căpetenie al Prinţipatului.“ (Regulamentul organic al Valahiei, Art. 1; desweiteren hält
dieser Artikel den präzisen Wahlvorgang fest wie auch die genaue Zusammenstellung
der Sonderwahlversammlung (Această Adunare Ecstraordinară, Art. 2.) aus insgesamt
ca. 190 Abgeordneten; zu ihnen zählen u.a. der Metropolit, drei Bischöfe, 50 Bojaren
der ersten Ranges, 70 Bojaren des zweiten Ranges, 36 weitere, jedoch im Rang
nachstehende Bojaren, 27 Abgeordnete der Städte). Auch die Wahl des Herrschers auf
Lebenszeit wurde erneut bestätigt: „Domnul se orândueşte pentru toată viiaţă lui.“
(Art. 26). Als 1834 die zaristischen Truppen aus den Fürstentümern abzogen,
ernannten Russland und das Osmanische Reich entgegen den in den Regulamente
organice Festgehaltenem die neuen Landesfürsten: Alexandru Ghica für die Walachei
(er wurde 1842 wegen seiner Versuche, im Regulament organic einige Modifikationen
vorzunehmen abgesetzt und durch Gheorghe Bibescu ersetzt) und bis 1849 Mihail
Sturza für die Moldau (Berindei 1998, 199). Beide Landesherrscher regierten
gemeinsam mit einem Rat (sfat) von sechs Ministern sowie einer allgemeinen
Versammlung (adunare obştească) für legislative Angelegenheiten. Die Regulamente
tradierten de facto die Interessen der konservativen Großbojaren, leiteten aber dennoch
eine gewisse Modernisierung, insbesonders durch Urbanisierung, Industrialisierung,
Gründung von Schulen und neuen Bildungsstrukturen ein. So wurde beispielsweise
1832 der Unterricht am Bukarester Colegiul Sfântul Sava wiederaufgenommen,
welches im 17. Jahrhundert eine der wichtigsten Fürstenakademien des Balkans
gewesen war, sowie 1835 in Jassy die Academia Mihăileană gegründet, an der Mihail
Kogălniceanu als erster für Geschichte der Rumänen zugelassener Professor lehrte.
I.3. Die Revolutionsbewegungen der 1830-er und 1840-er Jahre und ihr Echo
In den Jahren 1838 und 1840 kam es zu weiteren revolutionären Ereignissen in den
Donaufürstentümern. Es war zunächst Oberst Ion C. Câmpineanu (1798-1863), der
13
1838 in der Walachei mehrere „revolutionäre“ Texte verfasste, die wir in Kap. VI.
analysieren, darunter einen Act de unire şi independenţă (Vereinigungs- und
Unabhängigkeitserklärung, Berindei 1998, 201) und ein Proiect de Constituţie
(Verfassungsentwurf; Bodea 1982, Text 28, 123-127). Der rumänische Historiker
Gheorghe Platon sah im Auftreten Câmpineanus die erstmalige acţiune comună a
celor două Principate und schrieb ihr auch ein program larg und naţional zu, welches
die Verhandlungen, die der Verfasser mit den europäischen Mächten – insbesonders
mit England und Frankreich – führte, unterstützen sollte (2000, 172). Die Bewegung
von Câmpineanu war vielleicht insofern radikal, als dass er durch seine guten
Kontakte ins Ausland (inklusive zur polnischen Emigration, welche die russische
Hegemonie abwerfen wollte), stark auftreten konnte. Nur so lässt sich erklären, dass
Félix Colson, bevor er Ion C. Câmpineanu auf dessen Reisen nach Paris und London
begleitete „pentru a suţine cererile naţionale (care solicitau acceptarea de către marile
puteri)“, nach Jassy reiste, um Mihai Sturza zu einer gemeinsamen Sache zu überreden
(ib.), allerdings erfolglos.
14
Schon vor der „großen“ Revolution von 1848 gab es in der Walachei noch weitere,
allerdings frühzeitig entdeckte und unterdrückte Versuche, Reformen vorzubereiten.
Ein solcher war die Bewegung der liberalen Bojaren (Georgescu 1992, 154) im Mai
des Jahres 1840 unter Dimitrie Filipescu (1808-1843, der im Kloster Snagov gefangen
gehalten wurde). Seine Ko-„Revolutionäre“ waren Eftimie Murgu (1805-1870),
Dimitrie Macedonski (ca. 1780-1843, welcher zuerst mit Tudor Vladimirescu
kooperieren, dann aber zur Häterie überlaufen sollte), Jean A. Vaillant (1804-1886,
wegen seiner Beteiligung aus dem Land verwiesen) und Nicolae Bălcescu (1819-1852,
auch er ging ins Ausland). Seine Bewegung kann, Gheorghe Platon zufolge, von jener
des Oberst Câmpineanu inspiriert worden sein (Platon 2000, 174). Die Träger der
revolutionären Ereignisse von 1840 werden erneut aktiv und tragend in der
walachischen Revolution von 1848.
Als ein Echo des cărvunarism gilt die in der Moldau 1839 durch den Kommis Leonte
Radu initiierte Verschwörung innerhalb der Kleinbojaren (Georgescu 1992, 153; Carp
2002, 25), die in der rumänischen Historiographie als Conjuraţia confederativă
bezeichnet wird. Auch sie wurde entdeckt. Sie dürfte das Ziel eines, am deutschen
Modell angelehnten, autonomeren Verbandes der Moldau, Walachei und Serbiens
unter einem domn ereditar und der Hegemonie der Hohen Pforte gehabt haben (Ioan
Murariu, Dicţionar explicativ şcolar, 22006; s.v. Conjuraţia confederativă; Scorpan
1997, s.v. Conjuraţia confederativă a Moldovei). Die Terminologie konföderativ sei
aber, so Gheorghe Platon, auf die Zusammensetzung und das Ziel der Bewegung zu
beziehen, Vertretern aller Gesellschaftsklassen gerecht zu werden, nicht der anvisierte
Länderverband (2000, 171, Fußnote 70).
Von grundlegender Bedeutung für die konzeptionelle Vorbereitung des modernen
Rumänien waren spätestens ab den 40-er Jahren des 19. Jahrhunderts Gesellschaften
junger rumänischer Intellektueller, die sich für liberale und modern-demokratische
Prinzipien des Staates interessierten und diese in den Fürstentümern durchsetzen
wollten. Einerseits wurden diese geheimen Gesellschaften zuerst im Ausland,
insbesonders in Paris gegründet, wo sich die junge rumänische Intelligentsia, oft
boieresker Herkunft, zu Studienzwecken aufhielt. Anfänglich sollen es 17 walachische
und 1 moldauischer Student und bis zum Beginn des Jahres 1847 einhundert Studenten
aus den rumänischen Ländern gewesen sein (Gheorghe Platon in: Mureşanu (et al.
Coord.) 2000, 165). Schon 1839 entstand hier z.B. die Societatea pentru Învăţătura
Poporului Român (Gesellschaft für die Bildung des rumänischen Volkes). Ebenso in
Paris entstand 1845 die Societatea studenţilor români. Durch diese kamen die liberalen
französischen Periodika in die Fürstentümer, wo sie die Ereignisse der rumänischen
Revolution von 1848, sozusagen von Frankreich aus, mitvorbereiten sollten. Auf die
erste Pariser Vereinigung folgten auch bald Gesellschaften in den Fürstentümern selbst
(in Lugoj, Bukarest, Iaşi, Sibiu). Im Jahre 1843 wurde z.B. in Bukarest die bedeutende,
von Nicolae Bălcescu initiierte Frăţia (Bruderschaft) gegründet, welche später in die
Asociaţia pentru înaintarea literaturii române (Verein für den Fortschritt der
rumänischen Literatur) mündete (1845-1846). Ihre Ziele unterschieden sich nur wenig
von denen Câmpineanus und Filipescus (Georgescu 1992, 155; Carp 2002, 25).
15
Aus tragenden Mitgliedern dieser Gesellschaft sollten die Mitglieder der
Provisorischen Regierung in der Walachei 1848 hervorgehen (Ion C. Brătianu und
Constantin A. Rosetti als ihre Sekretäre, Mihai Kogălniceanu durch seine Schriften als
wichtiger Ideologe der 1848-er Generation, Nicolae Bălcescu (1819-1852) als
Anführer der Revolution in der Walachei, Eftimie Murgu (1805-1870) als Anführer
der Revolution von 1848-1849 im Banat etc. Nach der Revolution von 1848 kämpften
diese liberal Orientierten oft mittels Presse aus dem Exil für demokratische Ziele (z.B.
Constantin A. Rosetti, Jean A. Vaillant). Sie alle standen insbesonders für den Einsatz
für die Vereinigung der Fürstentümer, für nationale Unabhängigkeit des Landes und
für die wesentlichsten Reformschritte der Aufhebung der Leibeigenschaft (desfiinţarea
iobăgiei) und Vergabe von Land an die Bauern (împroprietărirea ţăranilor).
„Paradebeispiele“ für diese Haltung sind Ion C. Câmpineanu und Nicolae Bălcescu.
Nach 1859 stellen mehrere dieser ehemaligen Revolutionäre Premierminister- und
Ministerämter (Dumitru C. Brătianu, Constantin A. Rosetti, Alexandru G. Golescu,
Mihai Kogălniceanu) und wirkten somit an der Staatsgenese weit über die 40-er Jahre
hinaus.
Aus der Sicht der europäischen Ereignisse, der Nähe Siebenbürgens zu Habsburg
sowie der Orientierung der Donaufürstentümer an Frankreich waren die
„rumänischen“ Revolutionen von 1848 sicherlich mehrfach motiviert. Die große
europäische Revolution begann am 12. Jänner in Palermo und setzte sich nach ihrem
Höhepunkt der Ausrufung der Republik Mazzinis und Garibaldis (Rom, 9. Feber
1848) am 18.-22. März in der Lombardei und Venedig fort. Schon im Feber wurde
auch in Frankreich die Republik ausgerufen (25. Feber 1848). Am 13. März begann sie
in Wien und setzte sich in einem Aufstand gegen das absolutistische Regime
Metternichs am 15. März fort, erzwang eine Verfassung (vom 17. März) und,
nachfolgend, die Promulgation des Gesetzes zur Abschaffung der Leibeigenschaft, um
ihren Höhepunkt in den Tagen 6.-31. Oktober zu erreichen. Koinzident mit der
Revolution in Wien brach die Revolution am 15. März auch in Pest aus und setzte sich
in einer Revolutionsregierung (seit Oktober 1848) und der Ausrufung der vollen
Unabhängigkeit Ungarns im Jänner 1849 unter Kossuth Lajos fort, wurde jedoch am
13. August 1849 von habsburgischen und russischen Truppen besiegt. Besonders der
Pariser Aufstand hat zur Abschaffung der Leibeigenschaft in Zentraleuropa und der
Stärkung seiner Bourgoisien beigetragen. Für die rumänischen Länder galt es aber vor
oder zeitgleich mit diesen Zielen, erst noch u.a. feudalistische Strukturen,
Privilegienwirtschaft der Bojaren, osmanische Suzeranität, habsburgische Herrschaft
zu überwinden.
Die 1848-er Revolution verbreitet sich nacheinander in allen rumänischen Ländern. So
wurden nicht nur die großen historischen Provinzen, Moldau, Walachei und
Transsilvanien von ihr erfasst, sondern auch das Banat, das seit dem Frieden von
Passarowitz (Juli 1718) unter habsburgischer Herrschaft stand, und dessen Anführer
Eftimie Murgu (1805-1870) auf den Nationalversammlungen bei Lugoj und
Temeschwar vor allem Rechtsgleichheit für die Banater Rumänen forderte. Ebenso
kämpfte und erkämpfte sich die seit dem Frieden von Şiştov (1791) zu Österreich
gehörende Bukowina 1848 mehr Autonomie. Nur Bessarabien, das seit dem Frieden
16
von Bukarest (1812) unter russischer Kontrolle stand, wurde von der Revolution nicht
erreicht.
Als erstes rumänisches Land wurde im März 1848 die Moldau von der Revolution
erfasst, die Unruhen jedoch von Fürst Mihail Sturza schnell und hart unterdrückt. Die
ins Exil flüchtenden Revolutionäre setzten ihren Einsatz oft von dort aus fort, in Form
von Reformprogrammen. So entstanden auch die wichtigen Texte Dorinţele Partidei
Naţionale din Moldova und Proiectul de constituţie pentru Moldova von Mihail
Kogălniceanu (cf. Kap. VII.3.). Am durchsetzungsstärksten waren die Revolutionäre
in der Walachei. Auch war hier die Revolution von der Bauernschaft, von Händlern
und einer größeren liberalen Bojarenschaft getragen. Ihre bedeutendsten Träger waren
Nicolae Bălcescu, Gheorghe Magheru, Alexandru G. Golescu, Ion Heliade-Rădulescu,
Constantin A. Rosetti, Christian Tell. Das Revolutionsprogramm wurde bei Ausbruch
der Aktionen am 9./21. Juni 1848 synthetisch in der Proclamaţia de la Islaz dargestellt
(cf. Kap. VII.2.). Die Revolutionsführer konnten hier die Macht ergreifen und für
einige Monate eine provisorische Regierung (später durch eine locotenenţă, bestehend
aus Ion Heliade Rădulescu, Nicolae Golescu und Christian Tell, ersetzt) in Bukarest
durchsetzten. Dafür wurde der amtierende Landesfürst Gheorghe Bibescu zur
Abdankung gezwungen. Die Revolution endete, als Russland von der Pforte erzwang,
gemeinsam ab September 1848 die Fürstentümer zu besetzen. Die beiden Großmächte
setzten erneut ihre Position als suzeräne Macht durch, und die kurzzeitig außer Kraft
gesetzten Regulamente wurden erneut geltend.
Am heftigsten und längsten wurde Siebenbürgen von der Revolution erfasst, die hier
bis Sommer 1849 dauerte (Giurescu/Giurescu 1977, 229). Unter ihren wichtigsten
Anführern waren Avram Iancu, Simion Bărnuţiu, George Bariţiu, Eftimie Murgu und
Andrei Şaguna. Die Revolution in Siebenbürgen wurde primär von den
Annexionsbestrebungen der Ungarischen Krone ausgelöst und hatte nationale sowie
soziale Ziele: die Anerkennung der Siebenbürger Rumänen als politische „Nation“ (im
Sinne von <politischer Klasse>) gegenüber den sie politisch dominierenden Ungarn
sowie gegenüber Österreich und ihre soziale Gleichberechtigung mit den anderen
„Nationen“ des Landes. Es kam zu mehreren Nationalversammlungen in Blaj, darunter
derjenigen vom 3.-15. Mai tagenden, auf der die Hauptforderungen dargelegt wurden.
Präsident dieser Versammlung war Andrei Şaguna, der im selben Jahr auch als
Bischof der orthodoxen Kirche in Siebenbürgen bestätigt wurde. Im Rahmen der
Nationalversammlungen wurde auch der wichtige argumentative Diskurs von Simion
Bărnuţiu gehalten (cf. Kap. VII.1.). Die Revolution der Siebenbürger Rumänen wurde
gemeinsam mit der ungarischen Revolution von Habsburg und Russland unterdrückt,
daraufhin in Siebenbürgen die kaiserliche Autorität Habsburgs wiederhergestellt. Nach
den Niederlagen Habsburgs gegen Frankreich und Sardinien (1859) und Preußen
(1866) und nach der Einführung der dualistischen Monarchie im Österreichisch-
Ungarischen Ausgleich von 1867 sollte die Befürchtung der Siebenbürger real und
Siebenbürgen de facto dem transleithanischen Reichsteil mit entsprechenden
Magyarisierungstendenzen unterstellt werden.
Die rumänische Historiographie schreibt den Revolutionen der rumänischen Länder
trotz aller regionaler Unterschiede Einheitlichkeit des „Programms“ und der Ziele zu
17
(z.B. Berindei 1998, 202; Iscru 21997, vol. 1, 168). Oftmals waren die Anführer de
facto überregional aktiv wie beispielsweise Nicolae Bălcescu (1819-1852), der sowohl
Träger der Revolution in der Walachei und Mitglied ihrer Provisorischen Regierung
war und sich 1848-1849 auch für die Rechte der Siebenbürger Rumänen sowie einen
Schulterschluss der revolutionären Rumänen und Ungarn einsetzte. Dass letzterer nicht
zustandekam und die Revolution besiegt wurde, ging auf die nicht einlenkende
Haltung der Ungarn zurück. Entgegen der von den Rumänen bei Blaj ausgedrückten
Wünsche, bestätigte die Dieta von Cluj am 17./29. Mai 1848 die Eingliederung
Siebenbürgens in die Ungarische Krone, was die revolutionären Kräfte beider
Nationen spaltete. So rieben sich die Bauernarmee des Craiul Munţilor (des Fürsten
des Berge), Avram Iancu (1824-1872), gegen die Soldaten des ungarischen Adels in
den Gebieten der Westkarpaten auf. Erst im Juli 1849 gelang es Nicolae Bălcescu
einen Friedensschluss zu bewirken. Im August 1849 aber gingen bereits habsburgische
und russische Truppen siegreich gegen die ungarischen und siebenbürgischen
Revolutionäre vor. Avram Iancu wird in den darauffolgenden Jahren (1849-1851) als
Delegierter in Wien versuchen, die Interessen der Siebenbürger Rumänen zu fördern.
I.4. Der Weg der Vereinigten Fürstentümer in die Autonomie unter Cuza
Die nächste bedeutende Phase in der Genese des heutigen rumänischen Staates fällt in
die Zeit des Krimkriegs und der Jahre danach. Dieser Krieg fand statt als ein weiterer
zwischen Russland und der Pforte ausgetragener, bei dem Großbritannien, Frankreich
und das Königreich Sardinien – im Wesentlichen um die Verteilung der Länder des
schwächelnden Osmanischen Reichs – an der Seite der Pforte kämpften (1853-56). Die
Einnahme der Festung Sevastopol (September 1855) durch die Alliierten schwächte
Russland, dessen politische Macht von Frankreich übernommen wurde. Auch der
Krimkrieg wurde immer wieder auf Gebieten an der Donau ausgefochten. Zudem
waren seit 1854 (bis 1857) die als Pufferstaaten gedachten Fürstentümer zuerst von
Russland, dann auch von Österreich, das in den Krieg militärisch nicht eingriff, und
der Pforte militärisch besetzt worden. Der Krimkrieg wurde durch den
Friedenskongress von Paris (Februar bis März 1856) bzw. den sogenannten Dritten
Pariser Frieden (vom 30. März 1856) beendet. Schon seit Juli 1854 waren von Paris
und London Verhandlungen initiiert, jedoch von Russland vorerst nicht akzeptiert
worden. Insgesamt zeigten sich die Verhandlungen dieses Friedenskongresses von
Paris als schwierig (24 Sitzungen, von denen die ersten 19 den orientalischen Fragen
gewidmet waren). Am 30. März 1856 fand die Unterzeichnung der
Ratifikationsurkunde durch die Signatarstaaten statt, für die speziell die Feder eines
großen Adlers aus dem Jardin des Plantes besorgt wurde.
Der Pariser Vertrag legte neben dem zukünftigen Status der Türkei auch den Status der
rumänischen Fürstentümer (unter europäischer Garantie) fest. Er schaffte das russische
Protektorat über die Moldau und Walachei ab, während aber die türkische Suzeranität
(mit Tributpflicht und Bestätigung formaler Akte durch den Sultan) weiterhin
aufrechterhalten blieb, allerdings unter der Kontrolle der sieben Signatarstaaten
Großbritannien, Österreich, Frankreich, Preußen, das Osmanische Reich, Sardinien-
Piemont und Russland. Keine dieser Mächte erhielt ein exklusives Protektionsrecht.
18
Das Eingreifen in innere Angelegenheiten sollte nur noch bei Zustimmung aller sieben
Mächte möglich sein. Süd-Bessarabien (die Festungen Cahul und Bolgrad und die
Festung Ismail und die anliegenden Donaumündungen) ging von Russland an die
Moldau zurück. Das Schwarze Meer wurde für neutral erklärt, es wurde also für alle
Kriegsschiffe geschlossen und die Donau unter der Regulierung der Europäischen
Donaukommission sowie der Kommission der Donau-Uferstaaten der freien
Schifffahrt zugänglich (1870/1871 kam es aber erneut zu einer Entneutralisation des
Schwarzen Meeres) und der Dardanellenvertrag von 1841 bestätigt. Mithilfe einer von
den Großmächten gestellten und vorort arbeitenden Kommission – sie wird ab 1857
arbeiten – sollte ein neues statut fundamental (Grundgesetz) ausgearbeitet werden.
Dazu sollten in beiden Fürstentümern die sogenannten divanuri ad-hoc (alle Klassen
der Gesellschaft repräsentierende Versammlungen) – sie wurden am 22. Sept./4. Okt.
bzw. 30. Sept./ 12. Okt. 1857 in Jassy und Bukarest gewählt – die Interessen der
Rumänen eruieren, welche in den Berichten der Sonderkommission Eingang finden
und durch eine Konvention der Großmächte bestätigt werden sollten (Dan Berindei
1998, 204-205).
Vorgesehen wurde auch ein Referendum, um die Frage der Vereinigung der
Fürstentümer zu verdeutlichen. Denn schon bis Sommer 1856 hatten sich die zwei
Lager der Union-Anhänger (zu denen Frankreich, Russland, Preussen und Piemont
sowie der neu eingesetzte caimacam Al. Ghica in der Walachei gehörten) und die
Separatisten (die von der Pforte und Österreich sowie dem neu eingesetzten caimacam
Teodor Balş in der Moldau unterstützt wurden) herausgebildet. Die Unionisten
verfochten die Gründung eines gemeinsamen Staates auf der Grundlage der
Vereinigung der Fürstentümer, die Ernennung eines ausländischen Prinzen, eine
repräsentative Regierung und eine repräsentative Legislative (ib. 205). Ebenso
forderten sie die kollektive Garantie der sieben Mächte und die Einhaltung des in den
sogenannten capitulaţii (den nicht immer authentisch schriftlich nachweisbaren
Friedensvereinbarungen von 1393 bis 1634) zwischen den Fürstentümern und der
Hohen Pforte Festgelegten (Giurescu / Giurescu 1977, 238). In der Moldau kam es zu
einem Wahlbetrug der Separatisten, der international Aufsehen erregte. Ein Treffen
Napoleons III. mit Königin Viktoria (im Château d´Osborne, August 1857) brachte die
Einigung der Pforte und Frankreichs über eine administrative Vereinigung der
Donaufürstentümer (keine Einigung unter der Führung eines ausländischen Prinzen).
Erneute Wahlen der ad-hoc Versammlungen brachten im Oktober 1857 den Sieg der
Unionisten (Berindei 1998, 206-207).
Im Sommer 1858 erarbeiteten die Signatarmächte in Paris eine Konvention und
zugleich Grundgesetz für die Donaufürstentümer, welches die Regulamente organice
ersetzen würde. Die am 7./19. August 1858 geschlossene Convenţiune pentru
organisaţia definitivă a Principatelorŭ-Unite-Române in Paris (Konvention für die
definitive Organisation der Vereinten Rumänischen Fürstentümer; kurz Convenţia de
la Paris; Giurescu 1977, 238), die im Idealfall innerhalb von fünf Wochen in Paris
ratifiziert werden sollte (Art. 50), hielt den neuen politischen sowie administrativen
Status der Donaufürstentümer fest (Berindei 1998, 204-205). Die Suzeranität der
Pforte über die Fürstentümer bleibt aufrecht: „Principatele Moldaviei şi Valahiei
constituite d‟acum înainte sub numirea de „Principatele-Unite Moldavia şi Valahia,
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remân puse sub suzeranitatea M.S. Sultanului.“ (Art. 1). Als Symbol der suzeränen
Macht geschieht die Bekleidung weiterhin durch den Sultan (Art. 8; bzw. durch einen
firman electoral wie den von Anfang 1857, Berindei 1998, 206), und er gibt die
Zustimmung, sollte sich die Zahl der Soldaten der – zum Grenzschutz und zur
Sicherung im Inneren zugesicherten – nationalen Armee um mehr als ein Drittel der in
den Regulemente festgelegten Zahl erhöhen (Art. 43). Festgelegt wird auch der
jährliche fixe – also zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr zu erhöhende – Tribut an
die Pforte (1,5 Millionen Lei für die Moldau und 2,5 Millionen Lei für die Walachei;
Art. 8). Bei Angriff von außen wird vorgesehen, dass sich der Suzeräne Hof mit den
Fürstentümern und der Zustimmung der Garantiemächte über die
Verteidigungsmaßnahmen einigt (Art. 8). Alte Privilegien und Immunitäten werden,
unter Garantie der Signatarstaaten geschützt, die Autonomie der Fürstentümer
anerkannt:
“În temeiulu capitulaţiiloru date de Sultanu Baiazetu I-iu, Mahometu II, Selim I
şi Soliman II, carii constitue a loru autonomie, regulându raporturile loru cu
Sublima Pórtă ... Principatele voru urma a se bucura sub chezăşuirea colectivă a
Puteriloru contractante, de privilegiurile şi imunităţile de care sunt în posesie.”
(Art. 2).
Staatsorganisatorisch werden folgende Regeln festgelegt: Die Administration der
Fürstentümer wird als – unter der Kontrolle der Garantiemächte – unabhängig erklärt:
“... Principatele se voru administra în libertate şi afară de ori-ce amestecu alu Sublimei
Porţi, în ţermurile stipulate prin înţelegerea Puteriloru chazaşe cu Curtea Suzerană.”
(Art. 2). Die Wahl des Herrschers (Hospodarulu) wird auf Lebenszeit (pe viéţă)
vorgesehen (Art. 9). Fürst kann jeder über 35-jährige Moldau- oder Walachei-
Gebürtige sein, der ein Einkommen aus Ländereien in der Höhe von 3,000 galbeni hat
(„va putea arăta unu venitu în pămêntu de 3,000 galbeni“), wenn er zehn Jahre
öffentliche Ämter ausgeübt hat oder Mitglied der Versammlungen war (Art. 13).
Deutliche Schritte zu einer Modernisierung zeigen sich in der Gewaltenteilung. Die
Exekutive ist in den Händen des Herrschers, legislative Gewalt hat er gemeinsam mit
einer Adunare (Versammlung) (cf. Artikel 3, 4, 5, 6, 7, 14). Der Herrscher regiert mit
Ministern. Sie zeichnen verantwortlich für die Gesetzeseinhaltung und auch für das
Budget (Art. 14 und 15). Die Zivilliste wird von der Versammlung gewählt (Art. 14).
Der Ablauf und das Ergebnis von Prozessen und Gesetzen werden zur unbedingten
Veröffentlichung vorgesehen (Art. 19 und 26). Klassenprivilegien werden abgeschafft:
„Tóte privilegiurile, scutirile sau monopoluri, de care se bucură încă unele clase, vor fi
desfiinţate“ (Art. 46). Desweiteren schützt die Convenţia de la Paris vor
Steuerwillkür: „Nici o dajdie nu va putea fi înfiinţată sau adunată dacă nu se va priimi
de Adunare.“ (Art. 25). Desweiteren werden festgelegt die Gleichheit de Moldauer und
Walachen vor dem Gesetz; die gleiche Steuer; die gleichen Möglichkeiten, öffentliche
Ämter zu übernehmen; die Freiheit der Person; die Möglichkeit der Enteignung nur für
das Gemeinwohl und gegen Entschädigung; und die gleichen politischen Rechte für
Moldauer und Walachen aller christlichen Riten:
„Moldovenii şi Românii voru fi toţi de o potrivă înaintea legei, înaintea
contribuţiei şi priimiţi de o potrivă în funcţiile publice, în unulu şi cel-l-altu
20
Principatu. Libertatea loru individuală va fi chezăşuită. Nimeni nu va putea fi
expropriatu de câtu legalu, pentru pricină de interesu publicu şi prin
despăgubire. Moldovenii şi Românii de ori-ce ritu creştinu, se voru bucura de o
potrivă de drepturile politice...”, Art. 46).
Vorgesehen werden auch Schritte zur Vereinheitlichung der Organisation und mancher
Institutionen der beiden Fürstentümer, letzteres in der Comisia centrală (cf. Art. 6,
27,-37) sowie in der „Curte Înaltă judecătoróscă şi de Casaţie, comună ambeloru
Principate. Ea va resida la Focşani.“ (Art. 38). Auch die Armee kann bei Bedarf
zusammengelegt werden (Art. 42) und die Beziehung zwischen Bodenbesitzern und
Landbestellern soll umgehend verbessert werden:
„se va proceda fără întîrdiere legiuirei care reguléză raporturile proprietariloru
pămîntului cu cultivatorii, avîndu în vedere îmbunătăţirea stărei ţeraniloru.”
(Art. 46).
Trotz der Gewährung eines gewissen Fortschritts im Sinne einer modernen
Organisation der Länder und einiger Schritte zur Vereinigung der Donaufürstentümer
erklärt Dan Berindei die Convenţia als einen act eteroclit und rezultatul
compromisului marilor puteri. Als konservativ könne gelten, dass – wie in den
Annexen zur Convenţia de la Paris festgehalten – weiterhin der Wahlkörper der
Legislativen Versammlung auf Zensus-Wahlrecht basiert (einige Tausend Wähler)
sowie die weiterhin aufrechterhaltene Trennung der Fürstentümer (Berindei 1998,
207).
Entgegen den Interessen der sieben Schutzmächte wählen die Rumänen im Jahr 1859
in der Moldau (5./17. Jänner) und in der Walachei (24. Jänner/5. Februar) denselben
Kandidaten, Oberst Alexandru Ioan Cuza (1820-1873), zu ihrem – auf Lebenszeit
gewählten – Landesoberhaupt. Durch diese geschickt realisierte Personalunion wird
zwischen 1856 und 1859 die Unirea Principatelor, die Vereinigung der beiden
Fürstentümer, de facto vollzogen. Im Herbst 1859 mussten auch Habsburg und die
Pforte – als letzte der sieben Großmächte – die Wahl anerkennen. Im Herbst 1861
anerkannte die in Istanbul tagende Konferenz der Großmächte die Vereinigung der
Länder („a fost acceptată o uniune reală“; Berindei 1998, 208), auf welche im Jahre
1862 die Bildung einer einzigen Regierung (unter Mihail Kogălniceanu) – mit acht
Ministerien (Georgescu 1992, 149) – sowie eines einzigen Parlaments (Focşeneanu
1998, 21; Giurescu / Giurescu 1977, 239; Iscru II 1998, 37; Adunarea României,
Berindei 1998, 208) folgen konnte. Die Vereinheitlichung der Verwaltung sollte erst
nachfolgend geschehen (ib.). 1862 wurde erstmals der Namen România proklamiert,
so dass Alexandru Ioan Cuza als Herrscher sowohl Herrscher der Vereinten
Fürstentümer als auch des rumänischen Staates gilt (1859-1862 und 1862-1866). Die
Großmächte, welche den Namen România nicht anerkannten, sprachen allerdings
weiterhin von den „Vereinten Fürstentümern Moldau und Walachei“ (Völkl 1995, 29).
Cuzas Regierungszeit ist gekennzeichnet durch eine Reihe von weitgehenden
Reformen zur Modernisierung des rumänischen Staates in der Verwaltung, Justiz, dem
Finanzwesen, den Bildungsstrukturen und Kulturininstituten, der Armee und Kirche.
21
Wesentlich wurde er in den Reformen von Mihail Kogălniceanu unterstützt. In den
sieben Regierungsjahren Cuzas wurden ein Rechnungshof (Iscru II 1998, 47), neue
Gesetzbücher und ein unentgeltlicher und obligatorischer Primarunterricht eingeführt
(1864) sowie die Universitäten Iaşi (1860) und Bukarest (1864) gegründet, die
Klostergründe verstaatlicht (Säkularisierung, 1863), eine Agrarreform durchgeführt
(Völkl 1995, 28-35), die Post nationalisiert etc. Allerdings gingen Cuzas Reformen –
1862 fand unter dem ehemaligen Abgeordneten des Ad-hoc Diwans des Walachei
Mircea Mălăeru ein weiterer Bauernaufstand statt – dem konservativen Flügel zu weit.
Im selben Jahr setzte dieser zwar ein (gemäßigtes) Agrarprojekt durch, Cuza aber
sanktionierte es nicht. Im Mai 1864 kam es zu einem Staatsstreich (lovitură de stat).
Ein neues, durch Plebiszit sanktioniertes Wahlgesetz entgegen den Interessen der
Konservativen, aber auch die Macht, welche dem Staatschef durch ein Statut
dezvoltător der Pariser Konvention verliehen wurde, und schließlich auch sein
Agrargesetz vom August 1864, durch welches hunderttausende Bauernfamilien in
Landbesitz kamen, führten zu großem Widerstand vor allem seitens der Bojaren. Beide
Lager, das konservative wie das radikale und ein Teil der Offiziersschaft schlossen
sich in den Jahren 1865/1866 in der wegen dieser Zusammensetzung „monstruös“
genannten Koalition („monstruoasă coaliţie”) zusammen. Diese zwang Cuza mit
Billigung der Großmächte durch einen Putsch (conjuraţie) zur Abdankung (am 11./23.
Februar 1866). Es folgte eine interimistische Statthalterei (locotenenţă domnească),
von Radikalen und Konservativen sowie einen Teil der Armee (Oberst Haralambie)
gestellt, welche Graf Philipp von Flandern den Thron anbot, welcher ihn jedoch
ablehnte. Die prekäre Situation (sowohl die Separatisten im Lande als auch die Pforte
waren an der erneuten Trennung der Fürstentümer interessiert) wurde jedoch durch
eine erneute Tagung der Pariser Konferenz diplomatisch abgefedert (Berindei 1998,
209). Die Verfassung von 1866, deren Ausarbeitung noch unter Cuza begonnen hatte,
und die die erste moderne Verfassung Rumäniens war, sollte mit verschiedenen
Veränderungen (territoriale Erweiterungen, Neufassung der Staatsbürgerschaft,
Umwandlung in ein Königreich; Revisionen von 1879 und 1884) bis 1923 in Kraft
bleiben.
I.5. Der Weg Rumäniens in die Souveränität unter Carol I.
Erneut entschieden die Rumänen über die Pariser Konferenz hinweg und wählten –
nach einem Plebiszist – entgegen dem von ihr Festgelegten (Art. 13) Karl von
Hohenzollern-Sigmaringen (1839–1914), einen Angehörigen einer ausländischen
Dynastie im April 1866 zum Landesfürsten. Der Fürst, der incognito Österreich
durchreiste, erreichte im Mai 1866 Bukarest, wo er nach einem Einzug unter
donnerndem Jubel (Aus dem Leben, I, 52-53) am 10./22. Mai vor dem Parlament
seinen Eid ablegte. In seiner gesamten Regierungszeit sollte sich Fürst Carol vehement
für die internationale Anerkennung, Lösung der rumänischen Probleme und
insbesonders auch für eine moderne Verfassung für das Land einsetzen. Diese wurde
am 29. Juni/11. Juli 1866 vom Parlament angenommen. Sie verankerte eine
konstitutionelle Monarchie mit einem Zwei-Kammern-System. Carol brachte dabei
das absolute Veto durch (Aus dem Leben, I, 80).
22
Selbst die Pforte sanktionierte im Herbst 1866 die Regentschaft von Carol und
„offizialisierte“ somit Rumänien als Staat, dennoch war Rumänien damit noch nicht
unabhängig. Auch wurde die Bezeichnung România noch immer von der Mehrheit der
Großmächte nicht anerkannt (Berindei 1998, 210). Ein weiterer Versuch in den frühen
70-er Jahren, die Unabhängigkeit zu erreichen, scheiterte am Widerstand der Pforte.
Seit 1875 aber verschärfte sich die Lage im Osmanischen Reich (Aufstände in Bosnien
und Herzegowina, 1876 auch in Bulgarien, Serbien und Montenegro), die Orientfrage
wurde brisanter. Rumänien wartete auf einen günstigen Moment, um in den
Balkankrieg einzutreten. Fürst Carol und sein Kabinett erkannten, dass Russland die
Bulgaren unterstützen und dafür über Rumänien eindringen würde. Sie bereiten bei
den Großmächten das Terrain für die Anerkennung der Nichtverletzbarkeit des
rumänischen Territoriums und – 6 Monate lang – eine Annäherung an Zar Alexander
II. vor. Am 4./16. April 1877 schlossen Rumänien und Russland einen Vertrag ab,
welcher den Russen die Überquerung des rumänischen Territoriums unter
privilegierten Bedingungen erlaubte (Benutzung der rumänischen Eisenbahn), dafür
aber Russland die territoriale Integrität Rumäniens anerkannte. Am 12./24. April 1877
brach der russisch-türkischer Krieg aus, womit auch Rumänien sich im Krieg
verwickelt sah (Ausrufung des Kriegszustands durch das Rumänische Parlament am
29. April/11. Mai). In dieser Situation wagte es M. Kogălniceanu, am 9./21. Mai im
Parlament die einseitige Proklamation der Unabhängigkeit Rumäniens auszurufen. Das
Parlament bestätigte diese mit 79 (von 81) Stimmen.
Erst nach zwei erlittenen Niederlagen bei Plevna (Bulgarien) forderte Russland die
aktive militärische Unterstützung der Rumänen gegen das Heer von Osman Pascha an.
Für diesen dritten Angriff auf die osmanische Festung Plevna setzte Carol dem Zaren
gegenüber durch, das höchste Kommando über die russisch-rumänischen Truppen
innezuhaben. Dem russisch-rumänischen Angriff auf Plevna (am 30. August/11.
September 1877) folgten zwei Monate später die Kapitulation der Festung (am 28.
November/10. Dezember 1877) und der darauf folgende Vormarsch der russischen
Truppen bis San Stefano / Yeşilköy vor Istanbul. Die einseitige Proklamation der
Unabhängigkeit wurde von Russland im Vertrag von San Stefano (vom 19. Februar/3.
März 1878) – ohne rumänische Anwesenheit und ohne die anderen Großmächte zu
fragen – anerkannt (Aus dem Leben, III). Der Berliner Kongress (13. Juni-13. Juli
1878) bestätigte diese (Art. 43), zwang aber Rumänien, die drei südlichen Kreise
Bessarabiens abzutreten, wofür es aber die Dobrudscha erhielt (Völkl 1995, 42; Iscru
II 1998, 167-170). Desweiteren wurde Rumänien gezwungen, allen seinen Bürgern
zivile und politische Rechten, unabhängig von deren Konfession, verfassungsmäßig zu
garantieren (Abänderung von Art. 7). Auch musste Rumänien die durch die
Veruntreuungen des deutschen Eisenbahnkonstrukteurs Strousberg zu Schaden
gekommenen deutschen Aktionäre entschädigen. Bis zu Beginn des Jahres 1880 hatten
alle Grossmächte die Unabhängigkeit Rumäniens anerkannt. Am 14./26. März 1881
wurde Rumänien als Königreich unter König Carol I. ausgerufen – im Parlament
bestand Einigkeit auch von republikanischer Seite – und am 10. Mai wurde Carol I. als
König gekrönt (Aus dem Leben, IV, 406). 1884 wurde die Krone dotiert. Die
Entwicklungen machten verschiedene Revisionen der Verfassung von 1866 notwendig
(1879, 1884). Für diese Daten cf. Berindei 1998, 212-214.
23
I.6. Die Bildung des heutigen Rumänien unter Ferdinand I.
Nach den Ereignissen von 1878 setzt sich Rumänien – trotz der wegen der Rumänen in
Siebenbürgen ausgelösten Spannungen mit Österreich-Ungarn – zunächst für eine
Annäherung an die Zentralmächte (Tripla Alianţă) ein, verhält sich später aber eher
Frankreich und Entente-nahe. Im Jahre 1913 nimmt Rumänien am Zweiten
Balkankrieg teil, der mit dem Frieden von Bukarest endet. Durch diesen geht die
südliche Dobrudscha, das Cadrilater, an Rumänien zurück. Im Ersten Weltkrieg blieb
Rumänien zunächst neutral (1914-1916), doch dann akzeptierte der neu eingesetzte
König Ferdinand I. (1914-1927, Neffe von König Carol I.) – entgegen der Wünsche
der Mitglieder der Familie Hohenzollern – am 14. August 1916 den Kriegseintritt
Rumäniens in den I. Weltkrieg an der Seite der Entente-Mächte, somit gegen
Österreich-Ungarn und die Zentralmächte. Diese sicherten großzügige
Territorialgewinne zu. Der Krieg verlief aber zunächst ungünstig für Rumänien, 1916
wurde die rumänische Armee geschlagen, das Land größtenteils besetzt, König
Ferdinand und seine Regierung mussten nach Jassy fliehen. Nach der Brechung der
russischen Front akzeptierte der König den aufoktroyierten Friedensvertrag von
Bukarest vom 24. April/7. Mai 1918 mit großen territorialen Verlusten und
Wirtschaftsimperialismus des Deutschen Reiches (er ratifizierte den Vertrag aber
nicht). Aufgrund des Bündnisses mit den Siegermächten und des Zusammenbruchs der
großen Vielvölkerreiche konnten die Rumänen aber ihr lange angestrebtes Ziel der
Vereinigung aller als rumänisch betrachteten Territorien erreichen. Die Vereinigung
wird in großen Versammlungen proklamiert und die Vereinigungsakten der Alteţa
Regală in Bukarest übergeben. In Bessarabien, das stark russifiziert worden war,
wurde am 2./15. Dezember 1917 die Republică Democratică Moldovenească im
Rahmen der Föderativen Russischen Republik ausgerufen, der Sfatul Ţării beschloss
allerdings am 24. Januar 1918 gegen die Bolschewisten die Unabhängikeit und am 27.
März / 9. April 1918 die Vereinigung mit Rumänien, welche der König am 9. / 22.
April 1918 durch Dekret approbierte. Ähnlich beschloss in der Bukowina eine
Adunarea Constituantă am 14./27. Oktober 1918 die Vereinigung mit Rumänien,
welche von einem Congres General mit Vertretern der Deutschen und Polen am
15./28. November 1918 und vom König am 18./31. Dezember bestätigt wurde. In
Siebenbürgen fand eine riesige Versammlung statt mi einer feierlichen Rede von
Vasile Goldiş und der Teilnahme von 1228 Abgeordneten und 100.000 Teilnehmern.
In dieser Großen Adunare Naţională von Alba Iulia (Karlsburg) am 18. November/1.
Dezember 1918 wurde die Vereinigung Siebenbürgens mit dem Altreich proklamiert,
welche der König am 11./24. Dezember 1918 bestätigte. Auch das Banat, die Kreisch
und die Maramuresch schlossen sich an. Die Bildung des neuen Großrumänien
(România Mare) wurde durch die Friedensverträge von Versailles, Saint-Germain,
Neuilly und Trianon (1919-1920) international bestätigt, die neue Verfassung 1923
erlassen.
24
I.7. Die gesellschaftliche Transformation der rumänischen Länder im 19.
Jahrhundert
Die Modernisierungsprozesse der rumänischen Länder setzten, Dan Berindei zufolge,
seit den 40-er Jahren des 19. Jahrhunderts ein und trotz massiver Probleme wie des
Steuerproblems, labile Finanzen, Antisemitismus, Parteistreitigkeiten, Aufstände
konnten vor allem die Regierungen Cuzas und Carols die Problemlösungen und die
Modernisierungsschritte intensivieren, insbesonders mit der Einführung der
Verfassung (Berindei 1998, 211). Betrachtet man die innenpolitischen und
gesellschaftlichen Reformen der rumänischen Länder fällt auf, dass sich
Transformationen in einigen Bereichen rasch, in anderen sehr langsam vollzogen.
Die Herrschaft der Phanarioten in den Donaufürstentümern, die 1822 endete, ist
sozial-politischen Neuerungen gegenüber kaum offen gewesen, sondern hat
mittelalterlich-feudale Strukturen weitergeführt (Stan/Iosa 1996, 14). Das soziale, vom
Verhältnis des Bodenbesitzes abhängende Gefälle zwischen der politischen und
geistlichen Spitze und dem Volk ist sehr groß gewesen. In allen Regionen des heutigen
Rumänien hatte, wie es die folgenden orientierenden Daten aus Adăniloaie (1956)
zeigen, die Minderheit der politischen und geistlichen „Eliten“ die größte Fläche des
Bodens in ihren Händen. Im Jahr 1820 soll allein Ban Grigore Brîncoveanu 53
Gutshöfe, die Metropolie 28, der Bischofsitz Argeş 18, logofătul Şt. Bellu 16, clucerul
N. Glogoveanu 14, banul Barbu Văcărescu 11, banul C. Creţulescu 9, logofătul
Constantin (Dinicu) Golescu 9 Gutshöfe besessen haben und die Kirche im Besitz von
ca. einem Drittel des Bodens der Walachei gewesen sein. Dahingegen haben sich die
um ca. 1820 in der Ţara Românească gezählten ca. 300.000 Bauernfamilien –
insgesamt lässt sich von einer Einwohnerzahl von 1,5 Millionen ausgehen – auf ca.
3.740 Gutshöfe verteilt. So kann man davon ausgehen, dass um 1821 in der Walachei
der größte Teil des zu nutzenden Bodens (suprafaţa arabilă) in der Hand von Bojaren,
Klöstern oder den reicheren Bauern (moşii boiereşti oder moşii mînăstireşti bzw.
moşneneşti) war. Dabei konnten Gutshöfe eine Größe erreichen, die an die 100
Familien beschäftigte. Diesen Landbestellern war es aufgebürdet, die Steuern des
Landes zu leisten. Sie hatten Abgaben sowohl an den „Staat”, also an die Pforte bzw.
ihre Mittelsmänner, wie zugleich auch an die bodenbesitzenden Bojaren oder deren
Mittelsmänner zu leisten. Der Boden war in verschiedene Steuerbezirke (liude
contribuabile), die Steuerzahler in verschiedene Steuergruppen eingeteilt. Adinăloaie
zählt unter den birnici, also jenen, welche Steuern zu leisten hatten, auf: ţărani birnici
(auch clăcaşi oder moşneni genannt), bäuerliche Steuerzahler, nach ihren drei Klassen
der fruntaşi, mişlocaşi, săraci oder de coadă; dann die companişti, also alle ein
Handwerk Ausübenden; dann negustori, Händler; dann auch die brezlaşi, welche einer
Gilde angehörten (welche ebenso meşteşugari und negustori sein konnten); sowie die
ţigani, nach ihren Klassen von robi domneşti, am Hof dienende Zigeuner; robi
boiereşti, einem Bojaren dienende Zigeuner; und robi mînăstireşti, einem Kloster
dienende Zigeuner. Die Festlegung der Abgabehöhe war oftmals arbiträr.
Diesen steuerpflichtigen Klassen standen die ebenso vielfältigen Klassen der
Steuerbefreiten gegenüber. Zu ihnen zählten die boieri, Bojaren, und die boierinaşi,
Bojarenstämmige; dazu die neamuri, „descendenţi de-ai marilor boieri”, also
25
Nachkommen von Großbojaren; die mazili, „descendenţi de-ai boierilor”, also
Nachkommen von Bojaren; die scutelnici und posluşnici „prestînd servicii boierilor”,
also jene, die gewisse Dienste für Bojaren leisteten; die postelnic(e)i, „în slujba
domnului sub direcţia marelui postelnic”, also jene, die im Dienste des Herrschers oder
dessen Hofwächter standen; aber auch andere slujitori, Diener; surugi, Hufschmiede;
vînători, Jäger; pescari, Fischer, „care serveau pe domn, pe marii dregători, sau erau
pe lîngă isprăvnicii”, die also dem Herrscher, den großen Würdenträgern oder dem
Bezirksverwaltern dienten. Steuerbefreit waren außerdem die mînăstiri, Klöster, und
clerul superior, der höhere Klerus. Priester und Diakone lieferten, wie erwähnt, nicht
dem „Staat”, sondern ihrem Bischof Steuern ab. Um 1820 sollen der Metropolit und
die drei Bischöfe von Rîmnic, Argeş und Buzău über 9.112 Priester und Diakone
verfügt haben, welche jenen gegenüber, nicht dem Staat gegenüber, tributpflichtig
waren. Die Bojaren verfügten bis zu ihrem Tode über ihre Privilegien, wie z.B. über
eine ihrem Rang und dem Wohlwollen des Fürsten entsprechende Anzahl von
scutelnici und von posluşnici, Bauern, die im Austausch von bestimmten Leistungen
ihrem Herrn gegenüber steuerbefreit waren (Busuioc 2007, s.v. scutelnic und
posluşnic), auch wenn die Bojaren aus ihren Ämtern ausgeschieden waren. Das
Privilegiensystem zugunsten der Bojaren förderte den Verkauf von Ämtern und Titeln,
von dem sowohl die Herrscher als auch die Bojaren profitierten. Für diejenigen, die
man heranzog, für die Landessteuern aufzukommen, bedeutete dies jedoch eine
schwere Last. Um 1820 scheint, so die Berechnung von Adăniloaie, in der Walachei
nur die Hälfte der Einwohner steuerpflichtig gewesen zu sein. Die Steuertragenden
mussten das „fehlende” „Staatsbudget” kompensieren und hatten mit ständig
steigenden Abgaben zu kämpfen.
Mit einer Lösung der drückenden Steuerlast der Bauern hing auch das größte
innenpolitische Problem des rumänischen 19. Jahrhunderts zusammen. Die Agrarfrage
thematisierte die Möglichkeit der Befreiung der Leibeigenen (iobagi, rumâni, vecini)
und die Vergabe von Land(besitz) an sie. Aber auch als letzteres endlich gelang, war
die Realität unbefriedigend, der vergebene Boden für den Bauern, der dagegen
Leistungen austauschen sollten, zu klein und meist unfruchtbar. Die Regulamente
verschlechterten de facto die Situation der Bauern bzw. den Frondienst (regimul
clăcii), insbesonders seit dem Zeitpunkt, als die Gutshöfe zu großen Profitproduzenten
wurden (Georgescu 1992, 142). In der Revolution von 1848 wurde dieses Problem
heftig diskutiert, 1851 kam es zu einem weiteren Verbesserungsschritt, 1864 wurde –
nach dreihundert Jahren – unter der Federführung von Mihail Kogălniceanu das
Problem des boieresc ansatzmäßig) gelöst. Dennoch verblieben auch danach 70% des
nutzbaren Bodens in den Händen der großen moşii, Gutshöfe, und nur 30% in den
Händen der Bauern. In den Jahren 1888 und 1907 revoltierten die Bauern erneut. Erst
unter Ferdinand I., der 1917 – von der Front – den Bauern (für deren Kampfeseinsatz)
eine Gesetzesänderung versprach, wurde die Enteignung der Großgrundbesitzer für die
Zeit nach dem Krieg geplant. Sie sollte im Jahr 1921 umgesetzt werden. In
Siebenbürgen war die Situation ähnlich. Zwar wurde die iobăgie 1848 von den
ungarischen Revolutionären abgeschafft, jedoch erfolgte auch hier im Zeitraum 1853-
1896 eine zu kleine împroprietărire, Landzuteilund, bis endlich auch hier das Dekret
der Enteignung der Großgrundbesitzer des Jahres 1921 wirksam wurde (Georgescu
1992, 143-145).
26
Dennoch fand im Laufe des 19. Jahrhunderts in den Donaufürstentümern der
Übergang von einer agrarisch geprägten und von Bojaren als Grundherren und
Verwaltern beherrschten Gesellschaft zu einer allmählich industriell-kapitalistisch und
stärker bürgerlich geprägten Gesellschaft statt. Diese von den Großbojaren im
Allgemeinen unerwünschte Zersetzung der feudalen Ordnung und Überwindung des
rumänischen Absolutismus begann, so Adăniloaie (1956, 33-34), um 1820. Auch
begann sich allmählich – zuungunsten der Interessen der aristokratischen Klassen –
eine Ideologie größeren Interesses für den Staat und seinen, nicht mehr nur als simpli
supuşi konzeptualisierten Menschen durchzusetzen (Stan/Iosa, 1996, 11). Um 1820
liegt auch der Beginn einer Transformation des auf dem Gewohnheitsrecht (cutume)
beruhenden Feudalismus zu einer stärker von Produktion, internem und externem
Handel sowie Geldzirkulation (camătă) und Manufakturen getragenen Gesellschaft
(Adăniloaie 1956, 33-34; Stan/Iosa 1996, 7). Mit dem Vertrag von Adrianopel (1829)
wurde das türkische Handelsmonopol abgeschafft, durch welches (um 1820) die Pforte
die Produkte aus den Fürstentümern um ¼ ihres Wertes gekauft hatte (Adăniloaie
1956, 17), und die rumänischen Produkte konnten, durch die Neutralisierung des
Schwarzen Meeres, des Bosporus und der Dardanellen international abgesetzt werden.
Vor allem die Verträge von Akkerman und Adrianopel bewirkten, dass es, nachdem
bis zum Jahre 1831 die Wirtschaft in den Fürstentümern jene des 18. Jahrhunderts
nicht überstieg, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem wirtschaftlichen
Aufschwung der Fürstentümer kam. Die Bedeutung des Viehhandels und Viehexports
wurde nun von der Bedeutung der Getreideproduktion (Giurescu/Giurescu 1977, 257-
260) ersetzt, in zwar in dem Maße, dass Rumänien bis Ende des Jahrhunderts auf dem
vierten Platz des Weltgetreideexports stand, wenn auch mit veralteten Agrarstrukturen
und auf der Basis der Großgrundbesitzungen (Noch 1860 gab es in der Moldau nur 98
mit Dampf betriebene Dreschmaschinen; Georgescu 1992, 134, 137). Der
wirtschaftliche Aufschwung der Fürstentümer wurde auch durch die unter Mihai
Sturza 1846 geschlossene (ab 1. Jänner 1848 in Kraft tretende) Zolleinheit für
Muntenien und die Moldau sowie Verbesserungen der landwirtschaftlichen
Produktion, aber auch durch eine stärkere Industrialisierung (Gründung von Fabriken
und Raffinerien für Zucker, Holz, Salz) unter Carol I. (1866-1914; Beginn der
Förderung der Großindustrie und nationalen Industrie durch Gesetze im Jahre 1887
und 1912; Georgescu 1992, 136) gestärkt. Ab 1870 wurden verstärkt Handelsverträge
mit dem Ausland, so 1875 mit Österreich-Ungarn, geschlossen (Berindei 1998, 212).
Auch die Straßennetze und vor allem die Verkehrswege wurden ausgebaut und
erneuert (erste funktionierende Eisenbahnlinie Bucureşti-Giurgiu 1869; im Banat und
der türkischen Dobrudscha früher!). In Folge der Wirksamkeit der Regulamente kam
es auch zu einem demographischen Aufschwung. Im Jahre 1866 wurde Societatea
Literară gegründet, die, ein Jahr später zur Rumänischen Akademie der
Wissenschaften umbezeichnet wurde. Unter Minister Spiru Haret (1851-1912) wurde
der höhere Unterricht reformiert, der Primarunterricht erweitert, die Situation von
Lehrern und Priestern verbessert, die Kultur insgesamt gefördert. Langsam bildete sich
ein Bürgertum heraus, das ab 1875 politisch durch den immer stärker werdenden
Partidul naţional-liberal (Nationalliberale Partei) mit Ion C. Brătianu und Constantin
27
A. Rosetti an seiner Spitze repräsentiert wird. Dieser stellt die Opposition zu dem
konservativ geprägten Club conservator, dessen erster Vorsitzender Emanoil
(Manolache) Costache Epureanu war, und aus dem 1880 der Partid conservator din
România mit Lascăr Catargiu als Präsidenten hervorging. Letztere Partei vertrat eher
die moşieri (Landbesitzer) und die alten Bojarenfamilien. Durch den Aufschwung der
Industrie insbesonders unter Carol I. entsteht in Rumänien eine Arbeiterschaft, die
1893 mit dem Partidul social democrat al muncitorilor din România
(Sozialdemokratische Arbeiterpartei Rumäniens) ihre politische Vertretung gründet
(Alexandrescu et al. 2000). Bis zur Jahrhundertwende hat sie nur ca. 100.000
Mitglieder (Berindei 1998, 210).
Nach den erfolglosen, von den Großmächten blockierten Versuchen von Mihail Sturza
(1835) und Barbu Ştirbei (1849-1856) als „atribut al suveranităţii“ auch eigene
Münzen zu prägen, setzten sich die Rumänen im Jahre 1867 dennoch mit der Prägung
einer eigenen Bronzemünze und eigenen Silber- und Goldmünzen (1870) durch
(Georgescu 1992, 138-139). Die ersten rumänischen Geldinstitute (wie z.B. Bancă
Naţională in der Moldau, 1856; Albina in Sibiu, 1871; Banca Naţională a României in
Bukarest, 1880; sie stabilisierten die Währung und die Anzahl von Bankinstituten
wuchs nach der Vereinigung; Georgescu 1992, 139; Dronca 2003). Die Bezeichnung
Lei für die nationale Währung wurde nach dem, im 16.-17. Jahrhundert in den
rumänischen Ländern zirkulierenden niederländischen Silber-Löwentaler
(Leeuwendaalder) eingeführt. 1870 wurde die Monetăria Statului gegründet (Iscru II
1998, 133).
Die Modernisierungsschritte der Fürstentümer lassen sich auch anhand des Wahlrechts
veranschaulichen. Die Regulamente fixierten de facto noch ein Wahlrecht, das nur (ca.
800) Bojaren zugänglich gewesen war. Mit den im Friedensvertrag von Paris 1856
vorgesehenen Adunări ad-hoc war zum ersten Mal in der Geschichte der Länder das
politische Monopol der Großgrundbesitzer gebrochen. Das Wahlgesetz ermöglichte
beispielsweise in der Versammlung von Bukarest die Abordnung von 34
Großeigentümern, 17 Kleineigentümern, 31 städtischen Abgeordneten, 17 bäuerlichen
Abgeordneten (Georgescu 1992, 147). Die ständische Repräsentation war bis 1858
durch ein zensitäres Wahlregime abgelöst worden. Seit 1892 drängte die liberale Partei
auf ein universelles Wahlrecht, sufragiu universal, trotz einer Bevölkerung, die zum
Großteil nicht lesen konnte (ib. 151-152). Bis zum Ersten Weltkriet durften 17,6 % der
Bevölkerung des Altreichs direkt oder indirekt wählen.
Als sich die Schwächung des „kranken Mannes am Bosporus“ deutlicher zeigte,
begannen sich die Rumänen bewusst stärker an Ländern wie Russland, Österreich und
vor allem Frankreich zu orientieren. Wenn auch die Einflüsse der und Interessen an
der westeuropäischen Welt (vor allem von und an Frankreich) schon vor der
Revolution von 1848 von Reisenden konstatiert wurde, wird die Abwendung von bzw.
Hinwendung zu Westeuropa um die Mitte des 19. Jahrhunderts besonders deutlich. Zu
diesem Zeitpunkt ersetzen die Landesfürsten erstmalig ihre orientalische Kleidung
durch eine moderne Militäruniform, und in den Städten kam zur selben Zeit die Mode
auf, sich mit deutscher Kleidung zu zeigen (Berindei 1998, 199-200). Sehr plastisch ist
28
diese Transformation beispielsweise in den Schriften von Alecu Russo dokumentiert.
So heißt es in seiner Studie moldovană aus dem Jahre 1851:
„Arma întîi şi cè mai grozavă care a bătut cetatea trecutului a fost schimbarea
portului vechi. Straiul făcea omul; feliul hainei modelează trupul şi mintea, şi
întipăreşte din părinţi în fii tradiţiile şi obiceiurile. Precuvîntarea istoriei
moderne a ţărilor române este neapărat schimbul portului; ţivilizaţia de astăzi
este fapta logică a părăsirei hainilor vechi; ideea nouă a năvălit în ţară o dată cu
pantalonii, şi mai straşnici decît năvălirile tătăreşti, în cît ai scăpăra, au pîrjolit
şacşîri, şlicuri, mestii, giubele şi toată garderoba strămoşască.“ (Die erste und
die schrecklichste Waffe, die die Festung der Vergangenheit beschossen hat,
war der Wandel der alten Tracht. Das Gewand macht den Menschen; die Art
der Kleidung formt den Körper und den Geist und prägt von den Eltern zu den
Kindern die Überlieferungen und die Bräuche ein. Die Einleitung der modernen
Geschichte der rumänischen Länder ist unabdingbar die Veränderung der
Tracht; die heutige Zivilisation ist die logische Tat des Aufgebens der alten
Kleidungen; die neue Idee ist in das Land eingefallen zusammen mit den
Beinkleidern und hat gewaltiger als die Einfälle der Tataren im Nu die
türkischen Pluderhosen, die Wollmützen, die türkischen Filzüberschuhe, die
langen Oberkleider und die ganze altererbte Garderobe versengt.).
Der rasche objektbezogene Wandel zeigte sich aber nicht nur anhand der Kleidung,
sondern auch an vielen Gegenständen des alltäglichen Lebens und dies in der Zeit
einer einzigen Generation: „În mai puţin de o generaţie, şalvarii şi işlîcul erau înlocuiţi
cu „hainele nemţeşti”, divanul oriental cu canapeaua franţuzească, narghileaua cu
havanele.“ (Georgescu 1992, 187).
29
II
DIE DURCHSETZUNG DES LIBERALEN GEDANKENS
II.1. Der Ursprung des liberalen Gedankens in den rumänischen Ländern
Wie in ganz Europa war auch in den rumänischen Ländern die Zeit der Aufklärung
eine wichtige Phase sowie „Vorläufer und Begleiter” des das 19. Jahrhundert
prägenden Liberalismus (Stan/Iosa 1996, 18). Es lassen sich aber für Rumänien noch
frühere Gruppierungen von Intellektuellen und Bojaren in Jassy und Bukarest nennen,
die als erste, in kleinen heimlichen Kreisen, über eine emancipare des politischen
Denkens diskutierten. Dabei fochten sie die politisch absolutistischen Dogmen ein und
traten für eine freiere Meinungsäußerung ein. Es sei das erste Mal, da die Idee einer
von Bojaren gestellten Partei entsteht. In diesen Gruppierungen wirkten die, in Jassy
und Bukarest zwischen 1740-1750, in Siebenbürgen nach 1750, gegründeten ersten
Logen der rumänischen Francmasoneria, Freimaurerlogen, aus der später (1833) die
bedeutende Gruppierung der Societatea Filarmonică (Stan/Iosa 1996, 8, 12, 14-15;
Popa 1996, s.v. Francmasoneria) hervorgehen sollte, wie ferner die 1843 gegründete
Frăţie (cf. Kap. VII.2.2.). Unter den aufklärerischen Autoren, die von den Rumänen
rezipiert wurden, wird immer wieder Voltaire genannt, dessen Werke beispielweise
bereits um 1777 unter den damals gräzisierten Bojaren der Donaufürstentümer
verbreitet gewesen sein dürften (Stan/Iosa 1996, 18-20). Einflussreiche
Persönlichkeiten wie Bischof Ilarion (im Amt 1819-1823 und 1828-1845) sollen
Anhänger der Voltaire´schen Ideen gewesen sein. Ab 1820 wird eine ganze Reihe von
Werken von Voltaire ins Rumänische übersetzt (Candrea/Adamescu 1926-1931, s.v.
Voltaire). In dem allgemeinen Staatsmodell, welches Costache Negruzzi 1846
konzipierte (Elemente de drept public, cf. Kap. II.2.) wiederum, sieht Paul Cornea vor
allem das ideologische Modell von Montesquieu reflektiert (1966, 77-107). Nach
Siebenbürgen gelangte aufgeklärtes Gedankengut am Ende des 18. Jahrhunderts, als
hier die Şcoala Ardeleană ihren Höhepunkt erreichte.
In die Donaufürstentümern gelangte es ferner durch diplomatische Kontakte mit
Frankreich, welche gegen Ende des 18. Jahrhunderts einsetzten. Es war die Zeit, in der
neben den phanariotischen Fürsten und russischen Konsuln zum ersten Mal auch
Agenten der Republik Frankreich in Bukarest und Jassy akkreditiert wurden. Die in
den Fürstentümern eingesetzten Konsuln, Flury 1782 in Bukarest und Parant 1784 in
Jassy (Hitchins 1994, 45-49) erreichten hier vor allem jüngere Intellektuellenkreise.
Nach 1789 wurde französisches Gedankengut auch durch französische Immigranten
vermittelt. Es war die Zeit, in der sich das Interesse der Rumänen an Frankreich und
den Napoleonischen Kriegen intensivierte sowie auch die Hoffnung auf Frankreich als
einen Verbündeten der rumänischen Länder bestand. Intellektuelle wie Gheorghe
Şincai oder Gheorghe Lazăr waren beispielsweise große Bewunderer von Napoleon I.
(Stan/Iosa 1996, 19-20). Als Napoleon Bonaparte erster Konsul geworden war (1799),
reiste eine Delegation von Intellektuellen unmittelbar nach Paris, um seine
Unterstützung für mehr Autonomie zu errreichen. Sie scheiterte, weil Napoleon sich
zu diesem Zeitpunkt mit Russland arrangieren musste (Stan/Iosa 1996, 23). Nach 1820
30
wurden junge Intellektuelle aus Bojarenkreisen aus mittleren und unteren
Gesellschaftskreisen, welche das Kollegium Sf. Sava in Bukarest absolviert hatten, in
die Hauptstädte des Westens, v.a. nach Frankreich, gesandt. Auch durch diesen
Kontakt wurden die Aufnahme von Gedankengut der französischen Aufklärung
intensiviert und der Beginn der Demokratisierung der rumänischen Gesellschaft gelegt
(Stan/Iosa 1996, 32).
31
Die Liberalen Rumäniens sollten sich erst im Jahre 1875 zu einer Partei formieren.
Stan/Iosa (1996, 26) nennen aber dennoch die Zeit um 1800 als die Zeit erster
Gruppierungen einer liberalen Ideologie, welche nach der Jahrhundertwende, zwischen
1810-1820, eine renaştere erlebt hätten. In diesem Zusammenhang nennen sie eine
Persönlichkeit wie Dionisie Lupu, den Metropoliten der Walachei in den Jahren 1819-
1821 und überzeugten Häterieanhänger, welcher Stipendiaten ins Ausland verhalf.
Eine liberale Orientierung sehen sie auch bei einigen Vertretern der Bojarenschaft,
denen es aber erst noch um eine Verbesserung des außenpolitischen Status der
Donaufürstentümer, und nur in geringerem Maße um soziale Verbesserungen für die
breite Gesellschaft ging (Stan/Iosa, 26-27). Es lassen sich in dieser Zeit bereits einige
individuelle Reformvorschläge hoher staatlicher sowie klerikaler
Gesellschaftsmitglieder erkennen. So schlagen im Jahre 1819 der moldauische
„Finanzminister“, vistiernic, Iordache Rosetti-Roznovanu (Barnovschi [1923], 154;
Diaconovich 1898-1904, s.v. Rosnovanu-Roset, Iordache) sowie Barbu Văcărescu,
Mitglied der provisorischen Regierung der Walachei im Jahre 1821, die Abschaffung
der steuerprivilegierten scutelnici vor, eine Einrichtung, welche Bojaren begünstigte
(Eliade 2000, 60) vor. Auch Bischof Ilarion schlug, möglicherweise durch die Häterie
beeinflusst, die Abschaffung einiger Privilegien vor (Stan 1996, 26-27; Diaconovich
1898-1904, s.v. Ilarion).
Während Eugen Lovinescu in seiner Istoria civilizaţiei române moderne ([1924], I, 75)
die Zeitspanne 1821-1848 als eine Zeit der Inkubation der Ideen der französischen
Revolution in einem ganz und gar unvorbereiteten Rumänien und den Beginn des
rumänischen Liberalismus in der 1848-er Revolution sah (ib. 76), sehen Stan/Iosa
(1996) den konkreteren Beginn des rumänischen Liberalismus um 1820 in Verbindung
mit der Gruppierung der Cărvunari (Predescu, 1999 s.v. „Cărvunari”), der ersten
organisierten Bewegung der rumänischen Länder mit dem Ziel, die Gesellschaft der
Moldau zu reformieren und nach dem Vorbild des Westens zu „europäisieren“
(Stan/Iosa 1996, 15, 31). Dieser Gruppierung gehörten mehrheitlich Bojaren,
allerdings des mittleren und niederen moldauischen Adels an, Personen, die durch ihre
Handelsaktivitäten in die Ränge des niederen Adels emporgestiegen waren und die
langsam entstehende Bourgoisie bildeten (ib. 1996, 30-31). Die Bewegung lehnt
mindestens namentlich an die italienischen carbonari an, und kann, auch nach
Lovinescu, als Ausgangspunkt der rumänischen demokratischen Bewegung, ihr
Reformprogramm als erster Verfassungsversuch in den Fürstentümern erachtet
werden. In diesem formulierten sie die Ideen der französischen Revolution durch das
Prisma der Moldau (([1924], I, 64, ss). Stan/Iosa (1996, 30-31) schreiben den
Reformvorschlägen der cărvunari reformerisch-progressive Tendenzen zu, wie das
darin anklingende Prinzip der Gewaltenteilung, der Gleichheit von dem Gesetz oder
eine relative Autorität der Judikatur, aber auch eine konservative Linie, z.B. die
Festlegung einer Gleichheit nur innerhalb der Bojarenschaft im Sinne der Ideologie
der späteren Phase der Französischen Revolution. In jedem Fall ist zu konstatieren,
dass sich seit Ende des 18. Jahrhunderts, unter dem Einfluss der Französischen
Revolution, anstelle von Partikularinteressen stärkere Tendenzen eines
„Staatsdenkens” entwickelten (Stan/Iosa 1996, 17, 23). Es ist die Zeit des Übergangs
vom feudalistisch-absolutistischen Herrschaftssystem zu einem beginnend
konstitutionelleren der rumänischen Länder.
32
II.2. Frühe staatliche Gesetzgebung und diskursive Reformversuche
In den rumänischen Ländern wurde Recht, und zwar individuelles wie staatliches,
nach drei unterschiedlichen Rechtslinien geregelt: erstens nach den alten nicht
verschrifteten „Bräuchen“ (obiceiul pământului), zweitens nach dem byzantinischen
Recht (wie es beispielsweise im Sintagma lui Vlastares gesammelt ist, welches über
slawische Übersetzungen in die rumänischen Länder kam) und drittens nach kirchlich-
zivilem Recht (wie es die Pravila Ritorului Lucaci aus dem Jahre 1581 oder die
Pravila de la Govora oder Pravila mică von Matei Basarab von 1640 festhalten).
Frühe staatliche Gesetzgebungen der rumänischen Länder (cf. hierzu Metzeltin 2006,
711-737) sind z.B. das Zivilrecht von Vasile Lupu (Jassy 1646) oder die Îndreptarea
legii des Matei Basarab (Târgovişte, 1652), welche dem Römischen Recht sowie
Kirchenrecht folgen und großteils Strafen kodifizieren (Diaconovich 1898-1904, s.v.
Scarlat Calimah). Die Gesetzgebungen der rumänischen Länder dokumentieren oft
schrittweise Reformen. So gehen jene des Phanariotenherrschers Constantin
Mavrocordat (mehrmaliger Herrscher in der Walachei und der Moldau zwischen 1730
und 1769), auch wenn die Privilegien der führenden Gesellschaftsschicht bewahrt
blieben, bereits stark auf Fiskus, Steuer und Verwaltung ein und legten z.B. eine leafă
stabilă a dregătorilor, eine fix geregelte Entlohnung der Beamten, fest. Auf denselben
Herrscher geht auch die Befreigung der rumâni (1746) und der vecini (1749), d.h. die
Abschaffung der iobăgie, Leibeigenschaft, zurück, und ihre Ersetzung durch die clacă,
Fronarbeit (Popa et al., 1993–2009, s.v. Mavrocordat). Ein Erlass von Constantin G.
Racoviţă (Herrscher der Moldau und der Walachei im Zeitraum 1749-1764) aus dem
Jahre 1753 wiederum, gewährte den Protestanten die volle Freiheit des Glaubens
(Stan/Iosa 1996, 14). In seiner Pravilniceasca Condică von 1780 reorganisierte
Alexandru Ipsilanti das Steuerwesen, die Verwaltung und Justiz und versuchte dem
Steuermissbrauch gesetzliche Schranken zu weisen (Popa et al., 1993-2009, s.v.
Ipsilanti). Der Codex von Scarlat Callimachi (Herrscher der Moldau 1812-1819)
wiederum, welcher 1817 in der Moldau verabschiedet wurde, und dessen Verfasser
dem österreichischen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1811 folgten, war u.a. insofern
„moderner”, als er systematischer war (cf. Diaconovich 1898-1904, s.v. Scarlat
Calimah). Er wurde bis 1856 angewandt und dürfte mindestens punktuell, konkret in
der Regelung der Bindung der Bauern an die Grundherren, progressiver als die in der
Walachei gleichzeitig gültige Legiuirea Caragea (erster Druck 1818 in Wien unter
dem Titel Nomothesia; ib. s.v. Caragea Ioan) gewesen sein.
Für eine Untersuchung der Entwicklung des liberalen Gedankenguts in Rumänien
ließen sich also auch die Gesetzgebungen in den rumänischen Ländern heranziehen
und in ihren schrittweisen Modifikationen bzw. Revisionen beleuchten. Auch die ab
1731 bestehenden calendare und almanahuri, Kalender und Almanache, dann private
Korrespondenzen, deren Verfasser sich weniger autozensurierten (Carp 2002, 26,
FN2) sowie die seit 1828 existierende rumänischen Presse (Curier Romanesc, Albina
Românească) spiegeln politische Diskurse implizit oder explizit wider (Carp 2002,
49). Für eine Rekomposition der Semanteme der liberalen Ideologie in Rumänien wäre
ferner die Untersuchung von Pamphleten über die sozial-politische Situation, wie sie
33
am Beginn des 19. Jahrhunderts in Jassy entstanden und verbreitet wurden, interessant.
So formulierte ein anonymes Pamphlet (pasquel) aus dem Jahre 1804 eine scharfe
Kritik gegen den konservativen moldauischen Fürsten Moruzi und seinen Diwan
(Barnovschi [1923], 43, 58-59; Lovinescu [1924], I, 140; auch Stan / Iosa 1996, 21).
Besonders relevant wären auch die vielen memorii, Erinnerungsschriften oder
Broschüren, deren Verfasser nicht selten gegen Übertritte seitens fremder Großmächte,
aber auch der Herrscher und ihrer Beamten und um Verbesserungen und Reformen des
Staates und der Gesellschaft bemüht waren. Ein berühmtes Beispiel einer solchen
Erinnerungsschrift ist das im Jahre 1791 dem Wiener Hof ausgehändigte Supplex
Libellus Valachorum. Es gab Zeiten in der Geschichte der rumänischen Länder, in
denen sich die memorii und petiţii, Erinnerungsschriften und Petitionen, aber auch
Protestbroschüren an die höchsten Repräsentanten der Großmächte, welche
mindestens implizit punktuelle Reformversuche und -ansätze widerspiegeln,
verdichteten. So erwähnen Stan und Iosa im Zusammenhang mit den
Friedensverhandlungen von Şiştov (24. Jul. 1791) als Echo der Ereignisse von
Versailles die Forderungen einer repräsentativen Partizipation des dritten Standes an
der Führung des Landes. Im Jahre 1796 hätten, denselben Autoren zufolge, Teile des
Kleinadels und der Bürgerschicht in der Moldau den Metropoliten gebeten, dem
Missbrauch des Großadels Einhalt zu gebieten; im März 1799 Repräsentanten der
freien Bauernschaft der Moldau den Metropoliten und die Bojaren unter Druck gesetzt,
die Administration zu verbessern; im Juli 1804 und Juni 1805 der Metropolit der
Moldau, Veniamin Costache, Briefe erhalten, welche u.a. von den Bojaren mehr
Interesse für das Land und seine Einwohner, aber auch die Abschaffung von feudalen
Beziehungen sowie der Idee einer Landzuteilung an die Bauern der Gutshöfe der
Bojaren forderten; im Jahre 1807 die Moldauer in einem memoriu Napoleon I.
Bonaparte um Hilfe für die Abschaffung des absolutistischen und autoritären Regimes
sowie für die Sicherung einer gewissen individuellen Freiheit gebeten (Stan/Iosa 1996,
20-22). Broschüren, Erinnerungs- und Petitionsschriften wurden insbesondere auch
verfasst unter französischen Einfluss zwischen 1802 und 1824, als auch das Projekt
der cărvunari entstand (Kap.V.), dann in der Zeit der Regulamente Organice sowie
wieder um das Jahr 1848. Als Beispiele hierfür seien Mihail Kogălniceanus
Întâmplările din Moldova în luna lui martie und seine Protestaţie în numele Moldovei,
a omenirei şi a lui Dumnezeu vom Mai 1848, die im Juni 1848 anonym erschienene
Broschüre Ce sunt meseriaşii, die in Wien von Ştefan Arbore gedruckte Broschüre O
scânteie de deşteptare und die in Bukarest gedruckte Broschüre Căinţa încrederii în
boieri aristocraţi şi sfânta hotărâre de a nu-i mai crede genannt.
In späteren Broschüren wie die vom Archimandriten Neofit Scriban verfasste Unirea
şi neunirea Principatelor aus dem Jahre 1856 (Carp 2002, 33-34, 46) steht eher die
Bemühung um die Vereinigung der Fürstentümer im Vordergrund. Sowohl der
Metropolit der Moldau, Sofronie Miclescu, als auch Neofit Scriban setzten sich
vehment für die Vereinigung der Fürstentümer ein, wofür letztere verschiedene
Schriften verfasste (Leb 1998, 40-60). Im Jahr 1855 wurde eine Suplique de plusierus
personnages Moldo-Valaques afin que l’Empereur appuie la reunion de la Moldavie
et de la Valachie an Napoleon III. gerichtet (Carp 2002, 47).
34
In der von uns fokussierten Zeitspanne entstanden auch Texte, die stärker das
Staatsmodell allgemein und theoretisch abhandeln. Zu diesen lässt sich beispielsweise
Costache Negruzzi„s Elemente de dreptul politic dupre mai mulţi autori de un filo-
român (zit. nach Cornea 1966, 77) aus dem Jahre 1846 zählen, in denen der Autor auf
allgemeine Rechte, ein <Gemeinwohl>, Souveränität, eine auf administrativer sowie
judikativer Gewalt basierende <Exekutive> (putere împlinitoare), die republikanische
oder monarchische Regierungsform, Tyrannei und Despotismus, <Verantwortlichkeit>
der Minister (buna-credinţă), Klassengesellschaft (clase de cetăţeni), die
Notwendigkeit, dass jeder Bürger Steuern (bir) zahle, die Art, wie Souveränität
erreicht oder verloren werden kann (Wahl, Erbe oder Raub) eingeht (ib. 81-90).
II.3. Meilensteine auf dem Weg zur autochthonen Verfassung: Quellen und
Corpus
Für die Rekonstruktion der Entstehung des liberal-demokratischen
Verfassungsdiskurses und die entsprechende Genese des rumänischen Staates bieten
sich eine Serie von bestimmten, mehr oder weniger reformbetonten Texten an. Wir
können in diesem Zusammenhang von staatsgenerierenden Texte sprechen. Allein bis
1823 soll es 86 Reformprogramme gegeben haben (Antohi 1999, 148). Da sich der
zukünftige Staat inbesondere infolge der Diskursivität dieser Texte generiert hat,
haben wir aus ihnen unser Corpus ausgewählt, das wir im Folgenden kurz vorstellen.
Wir beginnen unsere Analyse mit Texten des oltenischen Revolutionsführers Tudor
Vladimirescu, und zwar seiner am Beginn des Jahres 1821 verkündeten Proklamation
von Padeş sowie den ca. bis zum Frühjahr 1821 redigierten Cererile norodului oder
Forderungen, welche das wallachische Volk in der Wallachey macht, auch wenn bis
heute sehr unterschiedliche Bewertungen der Bedeutung von Tudor Vladimirescu und
seiner Texte bestehen. In ihrer Übersicht über die Verfassungsgeschichte der
rumänischen Länder (De la „pravilă” la „constituţie” von 2002) erwähnen die Autoren
Carp et al. diese Texte beispielsweise gar nicht, während Stan/Iosa (1996, 28) Tudor
Vladimirescu als „om familiarizat cu întregul vocabular politic inaugurat de Revoluţia
Franceză“ und die Bezeichnung „Adunarea norodului“, unter welcher der Anführer
seine Mitkämpfer formierte, als ein modernes Prinzip von Volkssouveränität
interpretieren. Selbst wenn auch für uns einige Fragen bezüglich der vollen
Autorenschaft der Texte, der Bildung und der Pragmatik der Autors offen bleiben,
erscheinen uns die Texte von oder um Tudor Vladimirescu als wichtig genug, um
darin einen Beginn der in den nachfolgenden Jahrzehnten wieder und wieder
diskutierten Bemühungen um eine neue staatlich-gesellschaftliche Ordnung skizziert
zu sehen. Wir behandeln sie in Kapitel IV.
Ein wichtiger Moment in der Entwicklung der modern-liberalen Staatlichkeit
Rumäniens ist die Bewegung der sogenannten cărvunari, die ihren Höhepunkt um
1822 in der Moldau erlebt. Aus ihr gehen verschiedene Reformprojekte hervor, auch
wenn diese zuerst noch eher Auseinandersetzungen innerhalb der Aristokratie
dokumentieren (Barnovschi [1923], 76 ss). Eines der Verfassungsprojekte aus diesem
Kreis ist Planul sau o formă de oblăduire republicană de Logofătul Dimitrie Sturza,
35
welches eine Regierungsform vorschlug, die der Verfasser als aristodimocraticească
bezeichnete (Barnovschi [1923], 77, 84). Es dürfte von englischen Modellen inspiriert
worden sein, und schlägt eine ganze Reihe von Reformen zur Entabsolutierung der
Herrschergewalt, d.h. zur Gewaltenteilung vor. Hierfür sollte ein als höchste Gewalt
regierender erster Diwan, desweiteren ein zweiter und ein dritter Diwan eingesetzt
werden. Der erste Diwan sollte die Gesetzesinitiative übernehmen, aber mit dem
zweiten Diwan über die Gesetze entscheiden, hingegen der dritte Diwan die Steuern
regeln. Auch sollten eigens vorgesehene Kommissionen des ersten Diwans für die
Bereiche Bildung, Landwirtschaft, Moral und Gesundheit (cf. Comisiunea bunelor
moravuri şi a sănătăţii publice), für die Einkommen und Ausgaben der einzelnen
Kreise, für Außenbeziehungen (Comisiunea afacerilor străine) und das Militär
(Comisiune militară) eingesetzt werden. Der zweite Diwan (Divanul judiciar) sollte in
einer neuartigen Weise legislative und (höchste) richterliche (judecătoreşti) Aufgaben
innehaben. Einige Vorschläge lassen punktuell bereits an moderne Verfassungen
denken: die Freiheit des Individuums (libertatea individuală) sollte gewährt sein, die
Inhaftierung (arestare) nur bei klarer Tat (în caz de prindere asupra faptului) sowie
Inhaftierung als präventives Mittel erlaubt sein. Noch ist auch der kirchliche Einfluss
auf höchster Ebene sehr deutlich. So sind z.B. der Metropolit und die beiden Bischöfe
der Moldau („Episcopul ţării de sus“ und „Episcopul de jos“) Mitglieder verschiedener
Kommissionen. Für öffentliche Dokumente (documente publice) war eine Art
staatliches Archiv vorgesehen (Barnovschi [1923], 77-83). Der innovativste und,
zumindest für eine kurze Zeit, wirkungsvollste Text der cărvunari aber sind die
Cererile cele mai însemnătoare ce se fac din partea obştiei Moldoviei bzw. die so
genannte „cărvunari-Verfassung”, die als einer der ersten konstitutionellen Versuche
gilt (Lovinescu [1924] I, 56). Wir behandeln sie in Kapitel V. ausführlich.
Als ein weiterer wichtiger Schritt in der Verfassungsgeschichte Rumäniens müssen die
sogenannten Regulamente Organice genannt werden, die am 1. / 13. Juli 1831 in der
Walachei und am 1. / 13. Jänner 1832 in der Moldau in Kraft traten. Eugen Lovinescu
erachtete sie als nicht viel weniger demokratisch als die cărvunari-Verfassung und ihr
größtes Verdienst darin – trotz aller Unzulänglichkeiten – Vieles legalisiert sowie den
Absolutismus beendet zu haben (ib. 64-65). Die Reformen wären so weitgehend
gewesen, dass der Zar es nicht gewagt hätte, sie auch in seinem Reich einzuführen
([1924], I, 71). Lovinescu (siehe für die folgenden zwei Paragraphen [1924], I, 68-71)
hatte den Regulamente eine Reihe von Veränderungen zugeschrieben. Der
Landesherrscher sollte, wenn auch mit Bestätigung der Pforte, von einer adunare
pământeană, also einer aus den Landesbewohnern rekrutierten Wahlversammlung,
gewählt werden. Die Wahl des einheimischen Landesherrschers sei überwiegend von
Bojaren getragen, allerdings von Bojaren verschiedener Klassen, zu einem kleineren
Teil also auch von den boieri mici, dem Kleinadel (cf. dazu auch Georgescu 1992,
145). Gemäß Lovinescu gingen die Regulamente in dieser theoretischen „Gleichheit“
aller Bojaren in der Wahl über die Reformvorschläge der cărvunari hinaus. Die
Regentschaft sollte constituţional, konstitutionell, auf oligarchischer Basis geschehen.
Vorgesehen war ihre Unterstützung durch Adunări obşteşti ordinare, Ordentliche
Allgemeine Versammlungen, deren Macht, unvergleichlich größer gewesen sei, als die
des durch sie abgelösten Diwan. Diese Versammlungen sollten über das Budget und
die Gesetze entscheiden, mit letzlicher Sanktionierung durch den Fürsten. Auch die
36
putere judiciară, die richterliche Gewalt, sollte in den Händen eines (speziellen)
Diwans sein. In Konfliktfällen hätte der Fürst mit der vorherigen Autorisierung durch
die Pforte und Russland den Diwan auflösen und dadurch zu neuen Beschlüssen und
Gesetzen kommen können.
Unter den vielen begrüßenswerten Grundsätzen des Regulaments [der Walachei] seien
z.B. die erstmalige <Dokumentation> des zivilen Standes (instituire a actelor stării
civile), das Prinzip von <Höchstgerichten> (tribunale de primă instanţă), das
<Finanzgebaren> betreffende Verfügungen (dispoziţii de ordin financiar), richterliche
Diwane (divanuri judiciare), Handelsgerichte (tribunale de comerţ) etc. Die bisherige
steuerliche Abgabe in Form von liude, einer von mehreren Bauernfamilien kollektiv zu
leistenden Steuer (Busuioc 2007, s.v. lúde), wurde durch eine neue Form der
jährlichen Besteuerung aller Bauernfamilien sowie durch ein Patentrecht für
Handwerksmeister und Händler ersetzt. Das Privileg der Bojaren, über scutelnici und
posluşnici, steuerbefreite Bauern zu verfügen, wurde abgeschafft, vom Staat
vorgesehen, die Bojaren für diese Abschaffung zu entschädigen. Allerdings wurden
Priester und Bojaren von den Steuerpflichtigen ausgenommen, die alten Privilegien für
Großgrundbesitzer beibehalten. Die Regulamente, so Lovinescu, könnten als die ersten
„rumänischen“ Verfassungen bezeichnet werden. Allerdings seien sie in den
Fürstentümern, insbesondere von der 1848-er Generation, auch als Hindernis im
nationalen Entwicklungsprozess – Lovinescu spricht hier von nationaler renaştere,
Wiedergeburt – betrachtet worden.
Einer der Hauptkritikpunkte gegen die Regulamente war, dass sie der Walachei und
Moldau durch Russland aufoktroyiert, also keine echte innere Verfassung waren. Wir
haben sie aus diesem Grund nicht in unser Corpus aufgenommen.
Nach Georgescu (1992, 145) verankerten die Regulamente ein oligarschisches
Herrschaftssystem, denn de facto beherrschten die Großbojaren die Adunări Obşteşti,
die Allgemeinen Versammlungen, und bestimmten die Entscheidungen des
Herrschers. Auf eine „vor-liberale” Staatsorganisation verweist der Umstand, dass in
den Versammlungen, inklusive der Wahlversammlung, die Bauernschaft keine
Vertretung hatte. Neue Elemente hingegen waren z.B. der Eid des Fürsten auf die
Regulamente, die stärker gesetzliche Regulierung, die Trennung der visteria ţării, der
<Staatskasse>, von der listă civilă, dem Budget des Fürsten, eine
Teilverantwortlichkeit der Zentralgewalt gegenüber den Versammlungen, eine
Gewaltentrennung, die Einführung eines sfat al miniştrilor, <Ministerrats>, aus sechs
bis acht, dem Fürsten gegenüber verantwortlichen Personen sowie die Etablierung
verschiedener <Ressorts> (ib. 145-146).
Im Jahre 1838 entstanden das Proiect de constituţie, ein Verfassungsentwurf, und der
Act de unire şi independenţă, eine Vereinigungs- und Unabhängigkeitserklärung
(Berindei 1998, 201) des Oberst und liberalen Politikers Ioan Câmpineanu (1798-
1863). In Kapitel VI werden diese beiden Texte eingehender analysiert.
Im Jahre 1839 verfasste der einer Verschwörung (cf. Kap. I.3.) gegen die
Herrschaftsspitze in der Moldau anhängende Kommis Leonte Radu ein
37
Verfassungsprojekt (Lovinescu [1924], I, 140). Auch darin wurde noch nicht die
Abschaffung von Privilegien der hohen Bojaren, sondern erst eine Gleichbehandlung
des gesamten Bojarenstandes vorgeschlagen; eine Allgemeine Versammlung und ihre
Wähler sollten nur von Bojaren gestellt und die Moldau unter Suzeranität der Pforte
autonom werden; das russische Protektorat sollte von einem Protektorat der
europäischen Mächte ersetzt und die Moldau als Mitgliedsstaat einer Konföderation
von Donaustaaten gestaltet werden; desweiteren wurde vorgeschlagen, die Moldau als
Verbund mehrerer autonomer Regionen zu regieren; ferner schlug das Projekt die
Abschaffung der Zensur sowie Presse- und Meinungsfreiheit, dann die Säkularisierung
der Kirchengüter, die Einrichtung einer Kreditbank, die Tarifregelung und Förderung
der Industrie wie auch die Befreiung der <staatlichen> und zu den Klöstern
gehörenden Zigeuner vor:
„Conjuraţia cerea autonomia sub suzeranitatea Turciei; modificarea relativă a
Regulamentului; înlocuirea protectoratului rusesc cu acela al puterilor europene;
alegerea unei confederaţii dunărene în fruntea căreia urma să fie Moldova.
Înlăuntru, ţara, în afară de judeţe, trebuia să fie împărţită şi în mici „guvernuri”
compuse din patru judeţe. Se cerea apoi „slobozenia tiparului, a gândirii, (sic) şi
scrierii care să nu fie sub ţensură” (art. 7); trecerea averilor bisericeşti pe seama
stăpânirii; să se aşeze „un banc” (o bancă) de împrumuturi; protecţionismul
industrial prin tarife pe manufactură; eliberarea Ţiganilor coroanei şi
mănăstireşti.”
Der vermutlich wichtigste historische Moment, der zur Bildung des zukünftigen
Staates führen wird, sind die rumänischen Revolution(en) von 1848 (teilweise bis
1849). In ihrem zeitlichen wie ideologischen Kontext wurden eine Reihe von
Diskursen verfasst, die auf den politischen status quo der rumänischen Länder
eingehen bzw. deutlich Reformen verlangen. In unserer Studie behandeln wir drei
Diskurse ausführlich, nämlich den Diskurs von Blaj / Blasendorf vom Mai 1848 von
Simion Bărnuţiu (Kap. VII), dann die – nach Lovinescu [1924], I, 87 die
revolutionärste Ideologie ausdrückende – Proklamation von Islaz von Juni 1848 von
Ion Heliade Rădulescu (Kap. VIII) sowie das vehemente Reformmodell, welches
Mihail Kogălniceanu unter dem Titel Dorinţele partidei naţionale din Moldova im
August 1848 im Exil in Cernăuţi / Tschernowitz verfasste (Kap. IX.).
Ein weiterer Meilenstein in der Genese des zukünftigen Staates ist die am 7./19.
August 1858 geschlossene Convenţiune pentru organisaţia definitivă a Principatelorŭ-
Unite-Române in Paris (Konvention für die definitive Organisation der Vereinten
Rumänischen Fürstentümer; kurz Convenţia de la Paris; Lovinescu [1925], II, 29-30
und Giurescu 1977, 238), auf deren Inhalt wir in den Abschnitten I.4. und VIII.3.
etwas genauer eingehen. Auch wenn noch unter der Kontrolle der Großmächte
entworfen, ist dieser Text ein wichtiger Ausgangspunkt für die die Verfassung von
1866 vorbereitenden Texte von Cuza, seinen Verfassungstext aus dem Jahre 1863 und
Statutul desvoltătoru Convenţiunei din 7./19. Augustu 1858 aus dem Jahre 1864 (cf.
Kap. VIII.3.). Die moderne rumänische Verfassungsgeschichte, in die die erwähnten
Vorversuche münden, beginnt mit der Verfassung von 1866, die mit der Anerkennung
des Fürsten Carol I. seitens der Pforte als Herrschers der Vereinten Donaufürstentümer
38
am 23. Okt. 1866 ihre Wirksamkeit erhielt (Focşeneanu 1998, 34). Nach Ioan C. Filitti
ist der Text von 1866 als Krönung eines intellektuellen Prozesses zu bewerten, der
einen Verfassungswortschatz und eine Verfassungssprache hatte entstehen lassen (cf.
producerea unui vocabular şi a unei sintaxe constituţionale in: Carp et al. 2002, 9).
Unsere Untersuchung bis zu diesem Höhepunkt soll zeigen, welcher
Verfassungswortschatz und wie sich die Texttypologie einer Verfassung allmählich
aufgebaut hat.
39
III
THEORIE UND METHODOLOGIE
Unsere in Kap. II.3. dargestellen empirischen Quellen ließen sich allein schon
sprachwissenschaftlich in unterschiedlicher Weise mit unterschiedlichen
Fragestellungen analysieren. Der rumänische Intellektuelle Sorin Antohi hat
beispielsweise darauf verwiesen, dass das 19. Jahrhundert wie Europa generell, so
auch die rumänischen Fürstentümer zutiefst sprachlich – und sein Fokus ist hierbei le
langage sociopolitique – verändert hat, und das in einer Zeit von beinahe nur einer
Generation (Antohi 1999, 135-175). Die intensivste Transformation sah der Autor in
den Jahren 1821-1849, als sich der Feudalismus aufzulösen begonnen, und sich eine
moderne rumänische Sprache auf dem Wege zu einer Verfassung konstituiert hätte (ib.
139). Vor allem die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts seien gekennzeichnet
gewesen sowohl von einer pulvérisation der Sprach- und
Kommunikationsgemeinschaft wie auch von einer „créolisation du roumain“ (ib. 142).
Und er verweist hierbei implizit auf die zu untersuchenden Felder, wenn er sagt:
„Certes, il ne s‟agit pas d‟un simple-bien qu‟estimable-enregistrement de l‟ocurrence
des fonctions imaginaires et des mutations sémantiques, syntaxiques, orthographiques
des termes définis comme „sociopolitiques“, mais de leur interprétation dans le champ
d‟entités plus englobantes: idéologies, contextes culturels et historiques etc. (ib. 135);
oder wenn er auf Roland Barthes verweisend feststellt, dass jedes Regime seine
écriture habe (ib. 136).
In De la „pravilă” la „constituţie” wiederum resümieren Carp et al. (2002, 22-53) die
Geschichte des Begriffs der <Verfassung> wie auch seiner Lexikalisierungen und
rekonstruieren die Einführung des Lexems, Synomymien und semantische Nuancen
des Begriffs sowie die endgültige Etablierung des Neologismus constituţie. Zu den
frühen Lexemen „staatlicher” Gesetzlichkeit gehörte z.B. das Wort aşezământ, das
schon im Erlass von Constantin Mavrocordat (Herrscher der Walachei 1735-1741 und
Herrscher der Moldau 1741-1743) erscheint und welches im Mercure de France des
Jahres 1742 als constitution bzw. décret und établissemens widergegeben wurde
(„formula „constitution” din Mercure de France se înscria în câmpul semantic al
instituirii legale, al reglementării formale, care era, aşa cum am arătat, un apanaj
princiar.”; ib., 15-16). Der Weg zur Etablierung des Neologismus constituţie sollte
dauern und erst der lateinische Ausdruck aşezământ oder der slawische pravilă durch
den durch das Zarenreich vermittelte französische regulament ersetzt werden, bis
dieses ab 1856, jetzt endlich politisch akzeptiert, durch den Neologismus constituţie
ersetzt werden konnte.
Mit den Lexikalisierungen des Begriffs des <staatlichen Gesetzes> gingen auch
bestimmte Konnotationen bzw. Veränderungen seiner Bedeutung einher, bzw. wurden
mit der Übernahme des Lexems constituţie auch bestimmte Bedeutungen
übernommen. In der französischen constitution waren, so Carp et al., eine im Sinne
von Montesquieu klassische und gemäßigtere Bedeutung einer zu restaurierenden
Regierung wie auch eine radikalere Bedeutung (im Sinne von Vattels Droits des gens
40
von 1758 und von Jean Jaques Rousseaus Du Contrat Social von 1762)
zusammengeflossen. Die Bedeutung des Wortes constituţie/constitution wurzelt, so die
Autoren, in jener der französischen Konterrevolution, über die diese auch in die
Fürstentümer gelangt wäre. Daher verwendet Ionică Tăutu in seinem
„Verfassungsprojekt” von 1822, welches wir in Kapitel V untersuchen, das Wort nicht,
obwohl es hingegen in seiner Privatkorrespondenz auftaucht. Während er in einem
Brief vom 17. August 1829 die Bezeichnungen regulament, constituţie, slobozenie,
liberalism alternierte, folgte er im offiziellen Reformvorschlag offentsichtlich der
damaligen Usance der politischen Termini („forma cea mai potrivită pentru ţara sa“,
Carp et al. 2002, 19).
Nach Ionică Tăutu wird constituţie sporadisch Verwendung und tritt, mindestens in
den offiziellen Dokumenten, in Konkurrenz mit dem lange verwendeten, daher
prestigevollen, aşezământ und der pravilă, welche sich bis 1840 halten sollten; sodann
nach 1831 in Konkurrenz mit dem „regimetreuen“ russischen reglement, sodass die
Verwendung des Wortes beispielsweise in den Reformprojekten von Ion Câmpineanu
und Dimitrie Filipescu, aus der Sicht der lokalen Großbojaren, noch subversiv
gewesen wäre (22-24, 33; Cornea 1966, 91). Nach wären aufgrund der starken
Propaganda der muntenischen Revolutionäre von 1848 (cf. Kap. VIII.1.1.) constituţie
und Ableitungen wie constituţional, anticonstituţional, constituantă verankert bzw. in
Umlauf gesetzt und gleichzeitig der Begriff mit christlicher Ideologie verknüpft
worden; erst als man gegen die Revolutionäre vorzugehen begann, sei die
Bezeichnung erneut mit <Ungesetzlichkeit> assoziiert worden. Erst ab 1856 wurde die
Verwendung des Lexems constituţie und seiner Derivate viel häufiger und zwar in den
diplomatischen Korrespondenzen, den von der politischen Elite der
Donaufürstentümer an Russland und die Türkei gerichtete memorii wie auch in den
Diskursen der Divanuri, sodass sich der Terminus bis 1866 verankerte (Carp et al.
2002, 39-44, 48-52).
Selbstverständlich könnten sprachwissenschaftliche Analysen historischer Diskurse
noch aus weiteren Perspektiven vorgenommen werden. Zum Beispiel würden sich
auch Untersuchungen nach den Theorien und Methoden der Kritischen Diskursanalyse
partiell dafür anbieten. Natürlich sind unsere Diskurse implizit auch eine Art von
sozialer Praxis oder sozialer Interaktion im Sinne von Norman Fairclough, Teun van
Dijk, Ruth Wodak etc. Natürlich ist desweiteren auch in unseren Texten die Sprache
ganz primär ein Mittel dazu, Ideologien zu transportieren und bei den Textempfängern
durchzusetzen. Sie ist dabei ein Medium, in welchem sich (alte) Herrschaftsansprüche
widerspiegeln und gleichzeitig neue Machtansprüche durchgesetzt werden sollen (ein
kommunikatives Handeln im Sinne von Habermas, aber auch machttranszendente oder
machtinszenierende Kommunikation im Sinne von Michel Foucault und Pierre
Bourdieu). Und auch die sozialen Aktanden und ihre im Diskurs kodifizierte
Machtkonstellation ließen sich, auch bei den übrigen unserer Quellen so dekodieren,
wie es Metzeltin / Lindenbauer / Wochele anhand des Discursul de la Blaj von Simeon
Bărnuţiu und Lindenbauer anhand eines Textbeispiels aus der frühen Revolution von
1838 (in Fellerer/Metzeltin 2003, 125-154) gemacht haben.
41
Die erste dieser beiden Analysen filterte neben den wichtigsten Thematiken und mit
ihnen verbundenen Diskurssträngen (der Freiheit, Nation, der rumänischen Sprache
etc.) und Argumentationen (historisches Unrecht, Bildung in der Muttersprache als
Grundvoraussetzung für die erblühende rumänische Nation etc.) die historischen
Aktanden des Machtkampfes in Siebenbürgen im Mai 1848 (ungarischer Adel,
Szekler, Sachsen, die ungarische liberale Regierung, der Kaiser, das österreichiche
Gubernium, das rumänische Volk etc.). Sie zeigte desweiteren, wie <Macht> im
Allgemeinen diskursiviert werden kann, und auf welchen semantisch klassifizierbaren
Parametern Macht in diesem spezifischen historischen Setting beruhte.
Die zweite der beiden Analyse zeigte ebenso den Machtkampf, der sich im März 1828
in Siebenbürgen abspielte. Der gewählte Text, die Provocaţiune von Simeon Bărnuţiu
vom 24. März 1848, ließ die Machtposition der Ungarn von jener der sich national
positionierenden Siebenbürger Rumänen deutlich unterscheiden. Dabei ließ sich eine
historisch gerne generalisierend als „die ungarische” bezeichnete Machtposition
diskursiv in die Machtpositionen verschiedener historischer Gruppen (Szekler,
Ungarn, Sachsen) auffächern. Auch steckten hinter der Bezeichnung „die Ungarn”
sehr oft nicht die Ungarn im Allgemeinen, sondern bestimmte Gruppen der Ungarn,
wie die ungarischen Adligen, die Regierung in Pest, das ungarische Volk etc.
Desgleichen verkörperten „die Rumänen” sowohl diejenigen, die bereit waren, die
Vereinigung mit Ungarn zu akzeptieren – im Text als jene Rumänen beschrieben, die
bereit waren, ihre Nation / Sprache zu verkaufen („[Românii] сarii vreu să vîndă limba
e naţionalitatea română pentru bunătăţile uniunii ungureşti”, Absatz 12) – als auch die
nationsbewussten Rumänen, die die Vereinigung mit Ungarn ablehnten. Die
Schwierigkeit der Revolutionsführer bei Ausbruch der Revolution in Siebenbürgen
hatte in der mehrfachen politischen Abhängigkeit des Landes bestanden bzw. darin,
gegenüber der neuen liberalen Regierung in Pest, gegenüber dem zentralistisch
überwachenden Wien und schließlich gegenüber den nicht-rumänischen Adelsklassen
der ungarischen, szeklerischen und sächsischen „Nationen“ und rumänischen
Adelsklassen in Siebenbürgen neu Stellung beziehen zu müssen (Lindenbauer in
Fellerer 2003, 125-154).
Es hat sich aber auch gezeigt, dass in unseren mehrheitlich reformerisch-
programmatischen Quellen die Verfasser und Empfänger in der Regel stark in den
Hintergrund treten. Im Vodergrund der Textwelt steht das Diktum der in
unterschiedlichen narrativen, argumentativen bzw. programmatischen Textstrukturen
eingebetteten Reformforderungen. Es ist uns natürlich bewusst, dass zum Zeitpunkt
der Redaktion oder Publikation der Texte, Umsetzung und Praxis in vielen Punkten
noch lange nicht gegeben sein würde bzw. wenn doch, diese auch von nur ephemerer
Dauer sein konnten. Wie desweiteren auch Pragmatismus in den Texten vermutet
werden muss, dem wir in dieser Studie jedoch nicht nachgehen können. Es geht uns
vielmehr um die Frage der Durchsetzung der Verfassungskriterien bzw. um
Mentalitätsgeschichte, die sich durch die in unseren Diskursen eingesickerten,
thematisierten oder auch (noch) inexistenten Begrifflichkeiten widerspiegelt.
Auch der hier gewählte Analyseansatz ist ein philologischer, und zwar ein
textwissenschaftlich-dikursanalytischer. An dieser Stelle sei erwähnt, dass, auch wenn
42
Diskurs und Text unterschiedliche Bedeutungen haben – einerseits im Sinne des
lateinischen DISCURRERE als <thematisches Auseinanderlaufen> sowie auch der, in der
Geschichte der rumänischen Ländern de facto gehaltenen <Reden>, und Text
andererseits im Sinne der lateinischen TEXTURA stärker auf Kohärenz und Kohäsion
verweist bzw. hier auch verwendet wird, um die in unserer Arbeit vorliegenden
konkreten „semiotischen Produkte” zu bezeichnen –, werden Diskurs und Text in
dieser Studie auch häufig synonym verwendet. Die theoretische Prämisse unserer
Studie ist, dass sich der moderne rumänische Staat auf der Basis eines, mehrere
Jahrzehnte geführten Diskurses über eine liberale Staatlichkeit generiert bzw. diese
Diskursivität zur Entstehung des konkreten Verfassungsstaates geführt hat. Im Fokus
ist demzufolge der Prozess der Durchsetzung und Ausgestaltung des liberalen
Gedankens und der „Verfassungsmäßigkeit” der, erst noch, rumänischen Länder.
Während historische, politologische und rechtswissenschaftliche Studien zu unseren
Quellen (Lovinescu, Xenopol, Barnovschi etc.) eher bestimmte aus diesen
herausgelöste Daten oder Details fokussieren, geht die vorliegende Studie wie folgt
vor:
Sie umfasst auf der Grundlage einer Reihe von ausgewälten Texten den
Untersuchungszeitraum 1821-1863, d.h. den gesamten für die Entstehung der
liberalen Verfassung von 1863/1866 relevanten Zeitraum;
Sie löst keine Einzelaspekte aus den Quellen heraus, sondern untersucht diese
als „kommunikative Einheiten” auf die auffälligsten semantischen wie
rhetorischen Text-/Diskurscharakteristiken;
Sie erfasst alle thematischen Diskurse der Texte sowie deren Texttypologien
(seien diese narrativ, argumentativ, programmatisch etc.).
Sie erfasst aufgrund der expliziten wie impliziten Thematisierungen und der
Isotopieketten in den Quellen deren wichtigste Semantik und damit die
Kernbegriffe des liberalen Gedankenguts in diesen Texten;
Um eine Vergleichbarkeit der Quellen zu gewährleisten – nicht um Gleichheit zu
finden (!) – werden diese systematisch, d.h. nach einundemselben Analysemuster
„gefiltert“. Dieses ist als orientatives, nicht absolutes, gedacht und geht von
Begrifflichkeiten, nicht von Worten aus, da Begriffe in der Zeit unterschiedlich
lexikalisiert wurden bzw. sich lexematisch veränderten. So wurde die <gesetzliche
Gleichheit> im Reformvorschlag der sogenannten cărvunari um 1822 (wie
desweiteren auch bei Ioan Câmpineanu 1838) beispielsweise noch mit der
Konstruktion <a fi deopotrivă şi fără deosebire> (bei bei Ioan Câmpineanu ohne die
zweite Definition) mit der wörtlichen Bedeutung von 'gleich zu sein' / 'ohne
Unterschied' ausgedrückt. Erst um ca. 1848 finden wir einen frühen Gebrauch des
Lexems egal(itate).
Moderne Verfassungen haben eine Reihe von Begrifflichkeiten aufgenommen, die
man als „Grundbegriffe der Erklärungen der Menschenrechte” sowie „Staatstragende
Begriffsfelder” bezeichnen kann (Metzeltin/Lindenbauer/Wochele 2005, Kap. VII.
43
Grundbegriffe einer modernen Verfassung, 69-74). Diese Felder sind: <Freiheit /
Souveränität / freie Meinungsäußerung>, <Eigentum>, <Sicherheit>, <Widerstand /
Petition>, <öffentliche Meinung>, <Gleichheit>, <Steuerbeitrag>, <Gemeinnutz>
sowie <Bevölkerung>, <Volk / Nation>, <Staatsbürgerschaft>, <Staatsgewalt>,
<Repräsentativität und Trennung der Gewalten>, <Staatsnamen>, <Vaterland>,
<Territorium>, <Hauptstadt>, <Wohnsitz>, <Grenze>. Die realisierten
Diskursanalysen dienten in besonderer Weise dazu festzustellen, ob diese Begriffe, die
sehr unterschiedlich lexikalisiert sein konnten, in den Quellen erscheinen oder nicht.
Stellenweise haben wir, wo es für den Text Relevanz hatte, dieses Minimalraster von
Begriffen der <Staatlichkeit/Verfassungsmäßigkeit> um Begriffe erweitert (Würde der
Person, Finanzgebahren etc.).
Hauptziel unserer Untersuchung war es also, Kernbegriffe zu erfassen, wenn sie
vorhanden waren. Dies war in einigen Quellen insofern schwierig, als diese aus langen
Satzgefügen – mit vielen untergeordneten Sätzen und Redundanzen – erst kondensiert
werden mussten. Aufgrund des Umfangs einiger unserer Quellen und zur besseren
Verständlichkeit haben wir, je nach Text und Passage, Zitate in Resümee
widergegeben. Dazu haben wir oftmals, wie das folgende Beispiel aus der „cărvunari-
Verfassung” (1822, Punkt 10) es illustriert, Textpassagen in mehreren Schritten zu
Resümees und dann Begriffen verdichtet:
„Tot cela ce s-ar atinge de cinstea altuia sau prin graiu sau înscris [sic] sau prin
oricare altă mijlocire în chip ocarnic [ocarnic mit der Bedeutung von bîrfitor, <
v.sl. окаряти, DLR, SN], batjocoritor sau defăimător, precum însuşi cei trimişi
cu porunci din partea zabeţilor [Tiktin, vol. III, 21989, siehe zabit „ehem.
(leitender) Staats-Beamter, zunächst bei der Pforte, dann überhaupt;
Kommandant”], a judecătorilor şi a orice dregător, dacă vor păşi din
cuprinderea poruncei [porunci < sl. porončiti] şi să vor atinge de cinstea
persoanei sau îi va face altă asemene supărare nevolnicită, să fie supuşi fără
iertare priviliceştei certări.” →
<Jeder, der die Würde einer anderen Person antastet, sei es durch Worte oder
schriftlich oder durch irgendeine andere Form, in verleumderischer oder
verhöhnender Weise, wie auch jene [Personen], die von den Kommandanten,
den Richtern oder von irgendeinem Beamten mit Befehlen ausgeschickt
wurden, sollen, wenn sie das, was der Befehl beinhaltet, überschreiten und sie
die Würde der Person antasten oder dieser eine andere ähnliche unerlaubte
Beleidigung antun, ohne Schonung der gesetzlichen Untersuchung unterstellt
werden.> →
<Verletzung der Würde von Personen zieht eine richterliche
Untersuchung/Strafe nach sich.> Die Verdichtung der Semantik zeigt uns drei
Kernbegriffe der Passage, nämlich <Würde der Person>, <Judikatur> und
<Gesetzlichkeit>.
44
In analoger Weise lässt sich, und das soll hier gezeigt werden, der Epilog des
Diskurses von Blaj in einem einzigen Kernthema / Kernbegriff festhalten: nämlich der
<Bewahrung von Sprache>:
„Aşa, fraţilor, aduceţi-vă aminte atunci că vă strigă din mormînt străbunii
noştri: „Fiilor. Noi încă am fost nu odată în împrejurări grele. Noi încă am fost
încunjuraţi de neamici în pămîntul nostru, cum sunteţi voi astăzi, şi de multe ori
am suferit doară şi mai mari rele decît voi. Fost-am cu goţii dară nu ne-m făcut
goţi. Fost-am cu hunii dar nu neam hunit. Fost-am cu avarii şi nu ne-am avarit.
Fost-am cu bulgarii şi nu ne-am bulgărit. Cu ruşii şi nu ne-am ruşit. Cu ungurii
şi nu ne-am ungurit, cu saşii şi nu ne-am nemţit. Aşa este, fiilor, nu ne-am
ungurit, nu ne-am ruşit, nu ne-am nemţit, ci ne-am luptat ca românii, pentru
pămîntul şi numele nostru, ca să vi-l lăsăm vouă deîmpreună cu limba noastră
cea dulce ca ceriul sub care s-a născut. Nu vă nemţireţi, nu vă ruşireţi, nu vă
ungurireţi nici voi. Rămîneţi credincioşi numelui şi limbii voastre. Apăraţi-vă ca
fraţii, cu puteri unite, în pace şi în răzbel. Vedeţi cum ne-am luptat noi pentru
limba şi romanitatea noastră: luptaţi-vă şi voi şi le apăraţi ca lumina ochilor
voştri, pînă ce se va restaura Capitoliul şi va trimite la voi senatul e poporul
roman pe Traian cu legiunile preste Dunăre, ca să vă încoroneze cu laurul
nemuririi pentru constanţa şi bărbăţia voastră”.
45
IV
DIE TEXTE VON TUDOR VLADIMIRESCU AUS DEM JAHRE 1821
IV.1. Die sozialpolitische Situation in den Rumänischen Fürstentümern um 1821
Eine erste modernisierende Phase der Fürstentümer charakterisiert sich durch die
allmählich sich bildende Bourgoisie sowie durch neue liberalere, in Opposition mit der
traditionellen konservativen Aristokratie stehende Gruppierungen von Bojaren. Neben
den sozialen Umgruppierungen erfolgten Änderungen auch in den institutionellen
Einrichtungen. Fast unveränderlich besteht zu Beginn der modernen Zeit jedoch auch
noch eine feudale Ordnung. Ihre Basis waren freie und unfreie Bauern, die das Land
bestellten. Die Fronarbeit oder clacă, zu der die Bauern – bis 1864 – in der Walachei
und Moldau verpflichtet waren, stieg, so wie im Dicţionar enciclopedic (vol. I, 1993,
s.v. clacă) dargestellt, bis 1821 kontinuierlich an. Allein in den Jahren 1814-1817
wuchsen die Abgaben für Schafhaltung, oierit, von 15 auf 27 Piaster, die Weinsteuer,
vinărit, von 8 auf 11 Piaster, und die Steuer für Schweine und Bienenhaltung
(dijmărit) von 10 auf 17 Piaster an (Berindei 2003, 121). In Siebenbürgen war die
Situation sehr ähnlich, die Pflichtleistungen und -abgaben gegenüber den Grundherren
(robota oder clacă in ihren verschiedenen Formen, plocoane, dijma etc.) sowie die
„staatlichen” Steuerpflichten gegenüber dem Landesfürsten waren in der Zeit von
1780 bis 1821 kontinuierlich angestiegen (Oţetea 1967, Prefaţă). Dies ist auf dem
Hintergrund zu sehen, dass seit dem Vertrag von Küçuk-Kaynarci von 1774 bis 1830
die Pforte ihre Tributforderungen kontinuierlich senken musste.
Auch in den Fürstentümern kamen zur Fronarbeit für die Aristokratie noch staatliche
Abgabenleistungen (an die Pforte) hinzu, zu denen alle über 16-Jährige verpflichtet
waren. Die Landesfürsten, domni, welche auch die höchste richterliche Gewalt
innehatten – so auch das Recht über Leben oder Tod ihrer Untertanen –, hatten dem
Sultan gegenüber, de facto auch gegenüber dem Diwan, der sie nur formal
kontrollierte (Oţetea 1971, 37-38) völlige Freiheit in der Beschaffung und Forderung
von Ressourcen an das abgaben- und steuertragende Volk. Dies führte zu einer großen
Willkür derjenigen, die Abgabenforderungen stellen konnten. Diese Situation wurde
verschärft durch die „Tradition”, dass viele Ämter erkauft wurden (das Amt des
Schatzmeisters, um Beispiele zu geben, um eine halbe Million Piaster, das Amt des
Metropoliten, um eine Million Piaster; Berindei 2003, 21). Wer sich aber ein Amt
erkauft hatte, war in der Situation, für die geleisteten Ausgaben und auch für die Zeit
nach dem Amt den größtmöglichen Gewinn aus den Steuern zu ziehen. Fleischhackel
von Hakenau, k.k. Rat und Agent in Bukarest, nahm an, dass sogar der Tod des
Landesfürsten der Walachei, der erst am 31. Jänner 1821 offiziell verkündet wurde,
mehrere Tage lang, so der Bericht, „auf wahrhaft fanariotische Weise“ verschleiert
wurde wegen noch herauszuschlagender Einkünfte (Documente privitoare la istoria
Românilor, im Folgenden DPIR, 1940, ib. DCXXVIII, 535 und DCXXX, 536). Im
Unterschied zum Bauerntum, das alle Arten von Steuern zu zahlen hatte, waren die
Bojaren und der hohe Klerus von den staatlich verpflichtenden Einzahlungen in die
Staatskasse, vistieria domnului, ausgenommen und sie genossen zusätzlich das
46
Privileg der Dienste der ihnen unterstellten, steuerbefreiten – vom Fürst gewährte –
Untergebene (Adăniloaie 1956, 16-33).
Diese Situation führte zu einer hohen sozialen Spannung in allen Schichten der
Gesellschaft und zu einer hohen Korruptionsanfälligkeit der Steuerverwalter und
Beamten, wie sie z.B. auch der bekannte rumänische Historiker Nicolae Iorga (1871
geb., 1940 von den Legionären ermordet) beschrieben hat (1921, VII-VIII). Gerade in
der Zeit Tudor Vladimirescus waren die Tributforderungen v.a. der vătafi, lokale
Bezirksverwalter, ins Unermessliche angestiegen (Oţetea 1859, 114-131). In einem
zeitgenössischen Bericht vom 16. Jänner 1821 unterrichtet der K. K. Hofagent und
Berichterstatter Fleischhackl von Hackenau Metternich in ähnlicher Weise über die
allgemeine Unzufriedenheit in der Walachei, die u.a. auf einer bevorstehenden
Erhöhung der Abgaben für „Schafe, für den Wein, für die Bienenvölker und für das
Borstenvieh auf das dreyfache“ bestünde (DPIR, 1940, DCXXIV, 531).“ Auch würden,
so sieht es der genannte k.k. Agent Fleichhackel, die phanariotischen Fürsten die
Privilegien des Landes immer mehr zu ihren Gunsten beschränken (ib. DCXXXIV,
540). Allein Fürst Suţu, letzter Phanariot der Walachei in den Jahren 1818 bis 1821
(cf. Diaconovich, s.v. Sutzu), soll, laut einem Bericht Fleichhackels, in seiner nur
zweijährigen Regierungszeit in der Walachei 13 Millionen Piaster eingenommen
haben (DPIR, DCXLIII, 554-555), und Anfang März 1821, im Laufe der
Refolutionsgeschehen, soll es den Einwohnern von Târgovişte gelungen sein, den
Bojaren in Bukarest ihre alten Besitzrechte ab- und wiederzuerringen (ib., DCXLII,
553-554). In den Forderungen des walachischen Volks (mit dem Titel der von uns
herangezogenen rumänischen Textvariante Cererile norodului romînesc), die Tudor
Vladimirescu bis März-April 1821 endgültig redigiert zu haben scheint, erscheint, wie
noch gezeigt werden wird, thematisch am dichtesten die Unmäßigkeit der
Steuerpflichten, deren Reduzierungen programmatisch vorgeschlagen wurde.
IV.2. Die bisherige Deutung der von Tudor Vladimirescu angeführten Bewegung
Im Frühjahr des Jahres 1821 kam es in der Walachei unter der Führung von Tudor
Vladimirescu (1770, exekutiert 1821) zu einer Volksbewegung. Sie wird in der
internationalen englischen wie auch nationalen rumänischen Historiographie als
Zeitpunkt des Eintritts „Rumäniens“ in die moderne Epoche angesehen (Hitchins
1996, 141; Berindei 1998, 194-201; Berindei (Coordonator) 2003, 21-54). Auch N.
Adăniloaie sieht um das Jahr 1821 einen (ersten) Beginn der, von einem Teil der
Bojaren nicht gewünschten Zersetzung der feudalen Ordnung in eine, vor allem
wirtschaftlich neue Ordnung. Basis dieser Entwicklung war die Erstarkung des
landesinternen Handels, der Geldzirkulation und der Manufakturen (1956, 33-39). Wir
kommen später nochmals auf das Wesen des „modernen“ Rumänien zurück. Diese
Deutung verlangt in jedem Fall eine differenzierende Perspektive auf die Sachverhalte
im „Rumänien“ des 19. Jahrhunderts. Texte wie die schon erwähnten Forderungen /
Cereri scheinen die Orientfrage in den Kanzleien der europäischen Großmächte
gefördert zu haben, jedoch bewirkte die Bewegung von 1821 noch keine sofortigen
Änderungen für die Selbstbestimmung der Walachei. Allerdings konnten ab 1822
wieder autochthone Landesfürsten eingesetzt werden, die bis zu diesem Zeitpunkt
47
unter griechischen oder gräzisierten Thronanwärtern von der Pforte ernannt worden
waren. Die Wiedereinsetzung autochthoner Landesfürsten stärkte den außenpolitischen
Status der rumänischen Fürstentümer Moldau und Walachei. Staatsautonom war diese
Besetzung dennoch noch nicht. Auch nach 1822 wurden die Landesherren noch vom
Sultan (und dem Zaren, Georgescu 1982, 153) ernannt, welcher noch eine Zeitlang die
volle Suzeranität über die Walachei beanspruchen sollte. Über den seit dem 15.
Jahrhundert osmanischen Militärposten Silistra (1878 an Bulgarien) versuchte die
Pforte weiterhin die Landesherren zu kontrollieren (Berindei 1998, 114).
Uneinstimmigkeit herrscht über die Klassifizierung der Bewegung von Tudor
Vladimirescu. Dieser Eindruck entsteht, vergleicht man verschiedene
historiographische und enzyklopädische Darstellungen der Geschehnisse von 1821. Im
Mic dicţionar enciclopedic von Chioreanu (21987) wird die in direkter Verbindung mit
Tudor Vladimirescu stehende Bewegung des Jahres 1821 als Revolution bezeichnet
(„Revoluţia de la 1821 condusă de V.“). Das Dicţionar enciclopedic von Popa (1993-,
s.v. Padeş) vermeidet das Wort Revolution und spricht von einer „mişcare social-
naţională de la 1821 din Ţara Românească“. In o Istorie a Românilor von 1998
verfasst der renommierte rumänische Historiker und Mitglied der Rumänischen
Akademie Dan Berindei einen Beitrag mit dem Titel Revoluţia din 1821 (ib. 194) und
behält diesen Titel in dem von ihm koordinierten Sammelband, Istoria Românilor, aus
dem Jahre 2003 (vol. VII, TOM I) bei (Revoluţia din 1821 în Principatele Române;
21-54). Der rumänische Historiker Lucian Boia wiederum umgeht es in seinem Buch
Ţară de frontieră a Europei (2002, 67) gänzlich, die Bewegung zu bezeichnen, und
schildert den historischen Auftritt Tudor Vladimirescus unter dem Kapitel Anii decisivi
/ Die entscheidenden Jahre (1821-1866). Diese Unsicherheit bzw. Unterschiedlichkeit
in der Bezeichung der Ereignisse von 1821 scheint das heutige Resultat der sich in der
Geschichte verändernden Sichtweisen und Interpretationen dieser Bewegung. Sie
wurde im Laufe der Zeit ganz unterschiedlich bewertet.
Tatsächlich erwähnt Fleichhackel in seinem Bericht vom 10. März 1821 an Metternich
das „Komplot des Thodor” (DPIR, DCXLV, 557). In der Einleitung zu Izvoarele
contemporane asupra mişcării lui Tudor Vladimirescu (Die zeitgenössischen Wurzeln
der Bewegung des Tudor Vladimirescu) von 1921, verweist Nicolae Iorga (1871-
1940) bereits daraufhin, dass diese historische Persönlichkeit aus zeitgenössischer
Sicht ungebührend und sogar negativ wahrgenommen worden war, dann bis zum
„staatlichen” Regime des Regulament Organic verschwiegen und erst von den
Teilnehmern der Revolutionsgeschehen von 1848, insbesonders dem Siebenbürger
August Treboniu Laurian (1810-1881), als historisches Vorbild und von Intellektuellen
wie Constantin A. Rosetti (1816-1885) und Cezar Bolliac (1813-1881) romantisch
verklärt worden sei (pp. III-XVI). Zu einer ähnlichen Bewertung kommt der
rumänische Historiker Andrei Oţetea in Tudor Vladimirescu şi revoluţia din 1821
(1971, 17-18) über Tudor Vladimirescu, wenn er darin meint, dass das 1821
amtierende Regierungskomitee in Bukarest wie auch intellektuelle und klerikale
Kreise Tudor Vladimirescu als einen Aufwiegler beurteilt und Almanahul Curţii,
Statului şi Principatului Valahiei (Der Almanach des Fürstentums der Walachei) des
Jahres 1837 ihn noch mit Anarchie assoziiert haben. Diese negative Sichtweise, so
meint der Autor weiter, dürfte ab den 40-er Jahren des 19. Jahrhunderts ins Positive
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verkehrt und Vladimirescus Bewegung durch die demokratische Generation der 1848-
er Revolution im Sinne eines nationalstaatlichen und sozialpolitischen Kampfes
konnotiert worden sein.
IV.3. Teilweise Kooperation Tudor Vladimirescus mit der Häterie
Tatsächlich waren die Ereignisse im Frühjahr 1821 in der Walachei mehr als turbulent,
die Situation in diesem Fürstentüm äußerst prekär und aus heutiger Sicht nur aus den
komplexen und ihrerseits unstabilen politisch-diplomatischen Beziehungen mit den
Außenmächten zu interpretieren. Die Fürstentümer befanden sich, wie schon erwähnt,
unter türkischer – durch griechische oder gräzisierte Mittelsmänner repräsentierter –
Oberhoheit, sie waren zeitgleich dem Protektorat des Zarenreichs unterstellt und
Siebenbürgen war dem Habsburger Reich eingegliedert, was bedeutete, dass mittels
Agenten des Wiener Hofes, Raab und Fleischhackel, die in Jassy und Bukarest
stationiert waren, Österreich Aufsicht und Kontrolle auf die Donaufürstentümer
ausüben konnte. Zwischen diesen drei Großmächten mussten die Rumänen aller drei
großen Provinzen ein politisch-diplomatisches Gleichgewicht bzw. die sie am ehesten
protegierende oder fördernde Macht für sich gewinnen und (später) ihre eigene
politische Autonomie aufbauen. Die Unzufriedenheit eines großen Teils der
Bevölkerung war wegen der schon genannten hohen Belastungen sehr hoch, und die
Bojaren, d.h. die eigene politische Vertretung, im Verlauf der Geschehnisse uneinig.
Eine Gruppe von jüngeren Bojaren versuchte sich, beispielsweise in den sich
überschlagenden Ereignissen im Feber 1821 ganz unter den Schutz von Pini, dem
russischen Konsul von Bukarest, zu stellen (DPIR, DCXXXIV, 540).
Zusätzlich ist, folgt man Keith Hitchins (1996, 142 ss), die Auslösung der Bewegung
in einem größeren internationalen Kontext zu sehen. Der Auslöser war der sich in den
Jahren 1810-1820 generell radikalisierende Widerstand ganz Südosteuropas gegen die
osmanische Hegemonie. Dieser internationale antiosmanische Kampf hatte sukzessiv
Erfolge. Sie spiegeln sich in der Unabhängigkeit der Griechen im Jahre 1822, der
Serben im Jahre 1878, der Bulgaren 1908 und der Albaner im Jahre 1912/1913 wider.
Außer den Verbindungen zur griechischen Widerstandsbewegung soll Tudor
Vladimirescu besondere Verbindungen auch zu der um die politische Unabhängigkeit
Serbiens kämpfenden Dynastie der Karadjordjević (Karađeorđević) gehabt haben. Der
Kampf gegen das „osmanische Joch“ wurde von griechischer Seite aus seit 1814
systematisch betrieben, als in Odessa die Häterie (Hetairia Philikon, „Gesellschaft von
Freunden“), eine Geheimgesellschaft gegen die osmanische Herrschaft in
Südosteuropa, gegründet wurde. Häteristen hatten bis ins Frühjahr 1821
Handelszentren des östlichen Mittelmeers und südöstlichen Europa unterwandert und
kleinere Stützpunkte errichtet. Die frühesten in den Fürstentümern waren in Galaţi,
Bucureşti und Iaşi. Ihren Kampf unterstellten die Hetäristen dem Motto der
Vereinigung aller Christen gegen die „Europäische Türkei“. Die entscheidenden
Kämpfe mit der Türkei sollten auf der Peloponnes stattfinden, jedoch sollten nördlich
der Donau initiierte Konflikte, so der Plan, die osmanischen Kräfte zerstreuen.
49
Die Häteristen setzten, so sieht es derselbe Historiker, in den Fürstentümern auf die
Unterstützung durch Alexandru Ipsilanti (1792-1828) und dessen Verbündete, den
General Iordache Olimpiotul und den Kommandanten der Fürstengarde in Bukarest,
Ioan Farmache. Als Sohn des ehemaligen Fürsten der Moldau (1799-1801) und der
Walachei (1802-1806, 1806-1807) war Alexandru Ipsilanti in engem Kontakt mit den
gräzisierten Herrscherfamilien im Lande. Auch hatte er als General in der russischen
Armee gedient und war Adjutant des Zaren gewesen. Letzteres schien eine
Unterstützung des Zaren der Causa der Häterie zu garantieren (ein Glaube, der sich
letztendlich nicht bewahrheiten sollte). Als im Herbst 1820 die Häteristen bei einem
Treffen ihrer Anführer im Oktober 1820 im – heute ukrainischen – Ismail beschlossen,
mit dem militärischen Kampf in den Fürstentümern noch weiter zu warten – die
Moldau und Walachei waren bereits mobilisiert –, beschloss, so Keith Hitchins,
Ipsilanti, den Kampf nördlich der Donau autonom zu beginnen.
Ebenso Keith Hitschins zufolge, wurde Ipsilanti in der Walachei vom Landesfürsten
Alexandru Alecu Suţu, aber auch von dem liberalen Großbojaren Grigore Dimitrie
Ghica (erster autochthoner Fürst der Walachei, 1822-1828), von Mitgliedern der
Bojarenfamilie Filipescu, den Bojaren Barbu Văcărescu und Ioan Sandu Sturza (erster
autochthoner Fürst der Moldau, 1822-1828), desweiteren von Führungspersonen der
Kirche wie dem moldauischen Metropoliten Costache Veniamin und den russischen
Konsuln Andrei Pisani in Jassy und Alexander Pini in Bukarest unterstützt. Letztere
hätten auf Verwaltungsebene der Häterie in der Weise zugespielt, dass sie
konservativere bzw. der osmanischen Herrschaft hörige durch jüngere liberalere
Beamte durchgesetzt hätten wie, um ein Beispiel zu nennen, den liberaleren und
finanzstarken Iordache Rosetti-Roznovanu (Diaconovich 1898-1904, s.v. Rosnovanu-
Roset). Dieser größte Unterstützer, um ein Beispiel zu geben, soll 10.000 holländische
Dukaten und 300 Pferde für die griechische Causa beigesteuert haben (Hitchins 1996,
143, 148).
Die Darstellung dieser wie auch der weiteren Ereignisse von Keith Hitchins und
anderen Autoren decken sich nicht vollständig mit jener Sicht, die man aus
zeitgenössisch-österreichischen Quellen gewinnt. So soll Tudor Vladimirescu z.B.
bereits vor dem Tode von Alexandru Suţu mehrere Monate mit den Großbojaren
verhandelt haben und vom Komitee offiziell (schriftlich) als Anführer eines zu
organisierenden Aufstandes eingesetzt worden sein (Pop/Bolovan 2006, 458 und
Oţetea 1959, 196). Diese Darstellung widerspricht punktuell jener des k.k. Agenten
Fleischhackels. In seinem Bericht vom 9. Feber 1821 an Metternich erscheinen die
Mitglieder des comitet de oblăduire, des Interimkomitees, welches nach dem Tode des
Fürsten der Walachei in Bukarest die Regierungsgeschäfte übernimmt, vom Auftreten
und Agieren des Tudor Vladimirescu durchaus überrascht. Sie informieren den k.k.
Agenten, so der Bericht, über die „Umstände hinsichtlich eines Aufrührers [mit dem
Namen Sludgiar Todor Wladimiresco]” (DPIR, 1940, DCXXXIII, 539).
Tudor wird in der Darstellung des k.k. Agenten Fleischhackels um den 4. Feber 1821
in der Kleinen Walachei erstmals als Aufrührer wahrgenommen (DPIR, DCXXXI,
538). Fast unmittelbar später verweist Fleichhackl bereits auf den gefährlichen
„Einfluss, welchen der von Stunde zu Stunde in der ganzen Wallachey riesenmäßige
50
Fortschritt machende Volksaufstand haben könnte” (Berichte vom 4. und 13. Feber
1821, DPIR, DCXXXI, DCXXXIV, 538, 540). Fleichhackl sieht die Lage so ernst, dass
er am 13. Feber 1821 nicht nur „seinen allerhöchsten Hof”, sondern auch die Behörden
der angrenzenden k.k. Erbstaaten informiert (DPIR, DCXXXIV, 540). In seinem
Bericht vom 9. Feber meldete er Wien bereits Genaueres über den genannten Aufrüher
und dessen Aktionen: „Sludgiar Todoro, der sich außer seinem gewöhnlichen Namen
Wolkoresko auch Wladimiresko zeichnet, weil er Inhaber des rußischen Wladimir-
Orden seyn soll, hat sich in dem zu Theil im Felsen gehauenen unzugänglichen Kloster
Tismana im Mehedinczer Distrikt fest gesetzt, wo er seinem Anhang von Tag zu Tag
vermehrt und von wo aus er seine Proklamationen erläßt.” (DPIR, DCXXXIII, 539).
Der gesamtbalkanische Kampf der Häterie hatte sicher eine wichtige katalysatorische
Funktion für die Entfachung der von Tudor Vladimirescu geführten Bewegung, auch
wenn sich die anfängliche Kooperation zwischem ihm und Ipsilanti – vermutlich
wegen der versprochenen und nicht zutreffenden Unterstützung des Zaren Alexander I,
des unabhängigen diplomatisch-politischen Agierens des Tudor Vladimirescu –
verschlechterte, zu einer offenen Rivalität und Misstrauen und schließlich zur
Ermordung des oltenischen Anführers führte. Der zeitgleich mit den revolutionären
Bewegungen in Laibach tagende Kongress der Heiligen Allianz hatte sich im
Endeffekt von den Bewegungen Ipsilantis und Vladimirescus distanziert und damit
beiden die außenpolitische Rückendeckung, die sich beide von Russland erhofft
hatten, entzogen. Offenbar wäre Zar Alexander I. nur dann bereit gewesen, militärisch
zugunsten der Revolutionäre zu intervenieren, wenn es ein scheinbar von den
Osmanen nicht mehr zu bewältigendes inneres Chaos gerechtfertigt hätte. Gegen Ende
Mai wurde Tudor Vladimirescu von den Häteristen gefangengenommen und in einer
der letzten Mainächte 1821 scheint Ipsilanti Tudor Vladimirescu ohne
Gerichtsverfahren ermordet haben zu lassen (Hitchins 1996, 150). Ipsilanti selbst
wurde nach seiner gegen die Türken verlorenen Schlacht bei Drăgăşani am 7. Juni
1821 im oltenischen Bezirk Vâlcea (Mic dicţionar enciclopedic 1978, s.v. Ipsilanti;
Dicţionar enciclopedic, vol II, 1996, s.v. Drăgăşani) nach Österreich abgeschoben, wo
er einige Jahre später verstarb.
Tudor Vladimirescu, so scheint es zumindest der Interpretation unserer Quellen
zufolge, dürfte schon von Fürst Alexandru Suţu (also vor Ende Jänner 1821) – wenn
auch im Geheimen – für die Sache der Häterie beauftragt worden sein. Möglich ist,
dass sich Suţu zu dieser Beauftragung des Tudor Vladimirescu gezwungen sah, denn
es gibt Indizien, dass er Briefe von Ipsilanti an die Pforte weitergeleitet hat und
nachfolgend vergiftet worden ist (DPIR, DCXLVI, 559). Auf eine Beauftragung von
Tudor Vladimirescu weisen mehrere Umstände, so z.B. eine Geldforderung, die Tudor
Vladimirescu gegenüber der Regierung in Bukarest stellte (DPIR, DCXLIII, 555), aber
auch der Umstand, dass Tudor Vladimirescu „von russischen Gefährten begleitet
werde, die im Namen Alexander des Großen dazu aufrufen, sich zu ergeben”
(Meldung Fleischhackels in einem Schreiben vom 17. Feber 1821, DPIR, DCXXXV,
545), oder auch der Befehl Ipsilantis an Pini, Tudor Vladimirescu zu schützen (in
einem Schreiben Fleischhackels vom 10. März 1821, DPIR, DCXLV, 557).
51
Vladimirescus und Ipsilantis Auftreten und ihre Aktionen überlappten sich. Ersterer
zog ca. Ende Jänner 1821 von Bukarest Richtung Westen. In Tismana bei Padeş
verbreitete er, wie schon gezeigt, Proklamationen und zog mit seiner ständig
wachsenden Zahl von Panduren –d.h. Hilfssoldaten, die aus Steuervorteilen
Wehrdienst in den türkisch-phanariotischen Gebieten leisteten – über Cerneţi weiter
Richtung Oltenien. Auf seinem Weg bemächtigte er sich verschiedener Klöster wie
Strehaia, Tâmna, Motru, Ţânţăreni. In Slatina dürfte er einen weiteren markanten Text
mit, in der Interpretation von Dan Berindei, verstärkt „nationaler“ Botschaft
veröffentlicht zu haben (2003, 33). Die Regierung von Bukarest versuchte mit ihm
über ausgeschickte Mittelsmänner, Nicolae Văcărescu, Constantin Samurcaş und Pavel
Macedonschi, zu verhandeln (ib. 29-31). Tudor Vladimirescu scheint gegen den
10./22. März 1821 mit seinem Heer von Slatina in die walachische Hauptstadt
aufgebrochen zu sein. Seine Armee schaffte die Strecke Slatina – Bukarest mit einem
für die damaligen schlechten Straßenverhältnisse durchschnittlichem Marschtempo
von 25 km pro Tag (Hitchins 1996, 148-149), jedoch außergewöhnlich schnell im
Verhältnis zu den zu dieser Zeit herrschenden Schneestürmen und er erreichte gegen
den 19./31. März 1821 Cotroceni vor Bukarest (Berindei 2003, 33, 149-152). Die
Zahlen über die Größe seiner Armee variieren (Hitchins erwähnt ca. 5.000 Mann,
Berindei nach Ilie Fotino 8.000 Mann).
Alexandru Ipsilanti seinerseits hatte gegen Ende Feber 1821 den Pruth überquert und
hatte, wie schon erwähnt, Anfang März Jassy eingenommen und versuchte weitere
Unterstützung in der Bevölkerung zu gewinnen. Schon ab Beginn dieses Monats
waren in Jassy und der Umgebung Anhänger der Häterie insgeheim und gegen
Entlohnung angeworben worden (DPIR, DCXLIV, 555; DPIR, DCXLVI, 559).
Ipsilantis explizit ausgedrückte Legitimation für den geplanten Marsch durch die
Fürstentümer waren, in den Worten von Raab: „die Abschüttelung des türkischen
Jochs der Griechen in der Türkei” und die von seinen Majestäten des Kaisers
Alexander und des Kaisers von Österreich und allen alliierten Mächten befürwortete
Wiederauferstehung Griechenlands (Meldung Raabs vom 8. März, DPIR, DCXLIV,
556), in den Worten von Fleichhackel „er [Ipsilanti] sey von den Moldauern berufen,
um selbe von der Tyranney der ottomanischen Regierung zu befreyen” (Meldung vom
10. März, DPIR, DCXLV, 557). Er hatte, obwohl er gleichzeitig vehement finanzielle
und materielle Unterstützung forderte, nicht die Absicht, die innere Sicherheit und
Regierung der Fürstentümer zu gefährden. Nach seinem Einmarsch in Jassy ließ er in
der Metroplitankirche eine Fahnen- und Säbelweihe zelebrieren. Für eine Zeitlang
gelang es ihm, so starken Druck auszuüben, dass der Moldauer Fürst und Diwan und
der, für den walachischen Thron neu ernannte Fürst, Scarlat Callimachi, sich zur
Kooperation bereiterklärten (Bericht vom 13. März, DPIR, DCXLVII, 562).
Aus unseren historischen Quellen entsteht der Eindruck, dass beide Fürstentümer von
den Ereignissen „überrannt” wurden. Beide Bewegungen lösten die Flucht von vielen
Menschen in verschiedenen Orten und eine Orientierungslosigkeit unter den
Landesspitzen sowie den Bojaren aus. Das walachische Interimskomitee, schien, wie
schon erwähnt, vom Auftritt – oder zumindest dem Handeln – des Tudor Vladimirescu
überrascht worden zu sein. Die amtierende Regierung schickte eigene Truppen gegen
ihn aus, um den Aufstand zu unterdrücken, ja sogar um ihn um den Gegenwert von
52
„170 tausend Piaster” ermorden zu lassen (Bericht vom 13. Feber, DPIR, DCXXXIV,
540; Bericht vom 17. März 1821, DPIR, DCXLVIII; cf. auch Dârzeanu, Cronica
Revoluţiei din 1821 in Iorga 1921, 15). Der Bukarester Diwan schien angesichts der
prekären Situation so ratlos, dass er den Rat des moldauischen Fürsten suchte, der
seinerseits den moldauischen Diwan tagen ließ. Die Angst des Fürsten legte nahe, für
alle Fälle die „Moldauer Gränze” gegen ein Übertreten des Aufstandes zu sichern, so
Suţus Plan. Er riet auch dazu auf, die Befehle der Pforte abzuwarten und mahnte die
geistlichen Vertreter, das Volk vor dem Rebellen zu warnen (Bericht von Raab an
Metternich, DPIR, DCXXXVII, 550).
Die koinzidierende Bedrohung, die von den Truppen sowohl des Tudor Vladimirescu
als auch des Alexandru Ipsilanti ausging, entfachte, dies ist in den erwähnten Quellen
deutlich, für viele große Angst und Bedrängnis. In der Walachei flohen insbesonders
die Kaufleute und Bojaren vor den Truppen des Tudor (DPIR, DCXXXV, 454; DPIR,
DCXXXVIII, 551), die Straßen wurden für jedermann gefährlich, und Ende März
wurde sogar für Österreich der Postlauf unsicher (Bericht von Fleischhackel vom 24.
März, DCL, 572-73). In der Moldau verübten Häteristen Greueltaten (Bericht von
Raab, DPIR, DCLIII, 578) und die Reaktionen von Russland und der Pforte auf die
Geschehnisse waren nicht vorhersehbar und abzuwarten. Die Landesspitze und die
Bojaren beider Fürstentümer waren orientierungslos. Anfänglich hatte die walachische
Regierung geplant, die Türkei um Truppen gegen Tudor Vladimirescu herbeizurufen
(DPIR, DCXXXIV, 541). Dies wurde von dem russischen Konsul Pini nicht goutiert
und deshalb vom Interimskomitee wieder verworfen. Erst gegen Mitte März, als die
Situation immer weiter eskalierte, war Russland bereit, entgegen dem von der Pforte
erlassenen Dekret (Hatti-Scherif) von 1802 „qui guarantit aux deux Principautés
l´inviolabilité de leurs frontiéres [sic]” türkische Truppen gegen Tudor Vladimirescu
in die Walachei einrücken zu lassen (Bericht vom 4. Feber 1821, DPIR, DCXXXI, 538
und vom 18.-19. März 1821; DPIR, DCXLIX, 571-572). Bittschreiben, die den
Aufstand erklären sollten und um Schutz ansuchten, wurden an beide Mächte,
Russland und die Pforte, gesendet (cf. DPIR, DCXXXIX).
Ein weiterer landesinterner Gegner war, in beiden Fällen, die Kirche, welche eine
Unterstützung der Anführer und ihrer Anhänger mit stärkstem Nachdruck ablehnte.
Nachdem Ipsilanti nach seinem Einmarsch den moldauischen Metropoliten, den
Diwan und Callimachi für die Stützung seiner Bewegung gegen „das eiserne Joch der
Osmanen” bereits gewonnen hatte (Bericht vom 8. März von Raab, DPIR, DCXLIV,
557), signalisierte das Patriarchat in Konstantinopel den Metropoliten beider
Fürstentümer die Verbannung aller derjenigen, die Ipsilanti unterstützen sollten
(Bericht von k.k. Berichterstatter Udrizky an Fleischhackel vom 6. April, DPIR,
DCLVIII, 586). Gegen Tudor Vladimirescu ging die Kirche analog vor. In einer
Kirchenversammlung verkündeten die Bischöfe der Walachei den Bannfluch gegen
ihn. In einem Ermahnungsschreiben erklärten sie ihn für einen Übeltäter, der zum
Eigenzwecke handle, sich mit schlechten Menschen umgebe, auf Reichtum aus sei,
Erpressungen, Plünderungen und Mord auf dem Gewissen habe, ein Volksverführer,
Aufwiegler, Betrüger, widerspenstig gegen die Autorität sei und gottwidrige
Spaltungen sähe. Der schwerste Vorwurf an ihn ist dabei jener, nicht den von Gott
eingesetzten Regenten untertänig und unterwürfig zu sein. Mithilfe würde mit
53
Exkommunikation bestraft werden: „Wer deren Anleitungen der Kirche und ihrer
Bischöfe nicht Gehör geben und sich unterfangen wird, denen [sic] Versprechungen
des Betrügers und Aufwieglers Glauben beyzumessen oder ihm gar, seye im Geheim
oder öffentlich, was immer für eine Hilfe in Herbeyschaffung von Victualien, Waffen
und Munition leisten sollte, der wisse, daß nach gepflogener strenger Untersuchung
die geschehen soll, im Erweisungsfalle nicht nu politisch strenge durch Temnitz und
Salzgrubenstrafe oder gar mit dem Tod geahndet wird, sondern auch wir schließen
einen solchen hiermit aus dem Schooße der Kirche Christi aus als einen
Widerspenstigen der göttlichen Befehle.” (DPIR, DCXXXV, 548-549).
Dem Tudor Vladimirescu selbst wurde folgender Fluch ausgesprochen bzw. mit der
Erlangung ewiger Ehre demjenigen gewunken, der diesen Anführer fangen würde:
„Dem Strange und dem Säbel soll er nicht entkommen. Sein Haus und sein Vermögen
soll wie Staub im Winde sich zerstreuen. Der Aussatz der Gyesie soll über ihn und
seine Familie kommen, sowie auch das Zittern des chaims. Die Erde soll ihn, sowie
den Dojan und Aviron lebendig verschlingen. Dieser Fluch soll wie das Öhl in seine
Gebein eindringen. [...]. Nach dem Tod soll er nicht verfaulen und keine Verzeihung
seiner Sünden erlangen. Hingegen jener, der unsern Ermahnungen Gehör geben ...
[und ihn gefangennehmen wird ...] der wird als ein der Kirche ergebener Sohn und für
das Vaterland Gutgesinnter nicht nur Ehre und für seine Bemühungen vom Dyvan
Bezahlung erhalten, sonder [sic] auch als der erste Vaterlandsheld angesehen werden,
dann soll sein Nahme zum ewigen Andenken in denen [sic] Büchern eingetragen
werden.” (ib.).
Das Volk jedoch, so scheint es, ließ sich von Tudor Vladimirescu überzeugen, und
viele, die gegen ihn ausgeschickt worden waren, besonders die Arnauten, traten sogar
zu ihm über (z.B. DPIR, DCXLI, 553). Die unmittelbare Auswirkung seiner Bewegung
spiegelt sich in den Worten, die Fleischhackel am 17. März an Metternich formulierte:
„Ich schließe mit dem Bemerken, daß die revolutionären Grundsätze des
Wladimiresco und Consorten hier im Fürstenthum der Wallachey so große Fortschritte
gemacht haben, daß der Landmann weder die festgesetzten Abgaben an die Regierung,
noch die üblichen Leistungen an den Grundherren entrichten will und daher nicht
einzusehen ist, wie die Regierung, sie sey welche sie wolle, die dermaligen
ungeheuren Auslagen wird decken können.” (DPIR, DCXLVIII, 570-571).
IV.4. Historiographische Daten zur Person Tudor Vladimirescu
Zur Person, die Keith Hitchins als „one of the most influential figures of early modern
Romanian history“ (1996, 141) bezeichnete, lassen sich folgende biographische Daten
– hier in Resüme – anführen, die übereinstimmen (cf. Diaconovich 1898-1904, s.v.
Vladimirescu; Iorga 1921; Oţetea 1971, 114-13; Hitchins 1996, 144; und Berindei
1998, 196 sowie 2003, 25): Aus einer Familie freier Bauern im oltenischen Bezirk
Gorj abstammend (cf. Moşneni in Oţetea 1971, 113), kämpfte Tudor Vladimirescu hart
für seinen sozialen Aufstieg, der ihm auch gelang. Sein Dienst in jungen Jahren bei
einem Bojaren namens Ioan Glogoveanu in Craiova dürfte ihm einen gewissen Grad
an Bildung und auch die Kenntnis des Griechischen vermittelt haben. Als Verwalter,
54
logofăt, der Güter des Bojaren wurde es ihm möglich, zu Handelszwecken über die
Grenzen der damaligen Walachei zu reisen wie außerdem sich ein eigenes Vermögen
anzuschaffen. Im Laufe der Zeit scheint er verschiedene lokale Ämter, insbesonders
des Bezirkverwalters, vătaf (oder subprefect bzw. vătăşia plaiului), mindestens von
Cloşani ausgeübt zu haben. Durch diese Ämter kam er in den Genuss bestimmter
Abgabenbefreiungen. Sein öffentlicher Status berechtigte ihn, von den freien Bauern
seines Verwaltungsbezirks, plai, bestimmte Leistungen wie Fronarbeit einzufordern
(Oţetea 1971, 132).
Mehrere Male scheint er die Macht seines Amtes überschritten zu haben, wofür ihn
Nicolae Glogoveanu, Bezirksverwalter von Mehedinţi, zur Verantwortung gezogen
haben soll (ib. 1971, 128). Im russisch-türkischen Krieg von 1806-1812 kommandierte
er im Dienst der russischen Armee ein Corps oltenischer Bauernsoldaten, panduri –
jene Söldner, die ihm 1821 insbesonders Folge leisten sollten – und erhielt dafür den
Vladimir-Orden. Als Offizier in russischem Dienst kämpfte er in Serbien, wo er die
Erfahrung der Revolution machte, die sein späteres Agieren prägte (Iorga 1921, XI).
Durch Exporthandel v.a. mit Tieren, aber auch durch Landverpachtung und viele
andere Unternehmungen stieg Tudor Vladimirescu in den Rang eines Angehörigen des
Kleinadels, biv vel comis bzw. sluger, auf. Für Slotser oder rumänisch sluger gibt das
DLR Seria nouă folgende Definition: „s.m. Titlu dat, în evul mediu din ţările române,
boierului care era însărcinat cu strângerea dării în vite tăiate sau cu aprovizionarea (cu
carne tăiată) a curţii domneşti şi a armatei: boier care avea (onorific) acest titlu.“
(Bucureşti 1992 s.v. sluger). Dieser Ehrentitel verlieh Tudor Vladimirescu demzufolge
die Berechtigung, Steuern einzutreiben. Zum sluger ernannt, ein Rang, demzufolge
ihm ein vom Fürst gewährter, steuerbefreiter Untergebener, posluşnic, zustand
(Adăniloaie 1956, 27), so beschreibt es Oţetea, übernahm er die standesgemäße
kaftanartige Kleidung sowie die Kopfbedeckung wie sie Fürsten und Bojaren
vorbehalten waren (Oţetea 1971, 132-133).
Welches Bildungsniveau bzw. welche politische Erfahrung Tudor Vladimirescu
verkörperte, bleibt, bis heute, kontrovers, mitunter sogar in einunddemselben Werk. So
stellte Andrei Oţetea dem Verfasser der Cereri sowohl politische Unerfahrenheit wie,
widersprüchlicherweise, auch politische Reife aus: „Revendicările acestea [Cereri]
sînt o înjghebare confuză de lucruri mari şi de altele mărunte, aşa cum puteau s-o facă
oameni fără pregătire politică necesară întocmirii unui proiect de constituţie care să
înlesnească lichidarea relaţiilor feudale.“ vs. „[Cererile] dau măsura maturităţii politice
a spiritului care le-a conceput“ (1971, 390-391). Aufgrund historiographischer
Informationen ist Tudor Vladimirescu sehr wohl eine gewisse Bildung zuzuschreiben.
Von Juni bis Dezember 1814, also über ein halbes Jahr, scheint er in Wien für den
Bojaren Nicolae Glogoveanu die Hinterlassenschaftsangelegenheiten für dessen
Gemahlin übernommen (Iorga 1921, XI; Oţetea 1971, 148-162; Berindei 2003, 25)
und mit Geschick und Rechtserfahrung sich dabei gegen die Wiener Behörden
durchgesetzt und die gestohlenen Sachen zurückgebracht zu haben. Dazu verhalfen
und befähigten ihn seine Kenntnis des Deutschen und seine Erfahrung aus vielen
eigenen Prozessen (Oţetea 1971, 148-162) oder, Dan Berindei zufolge, seine juridische
wie politische Erfahrung (Berindei 2003, 25). Gute Verbindungen zu aufgeklärten
Geistlichen und Bojaren stellte ihm N. Iorga aus (1921, XI). Lucian Boia wiederum
55
bezeichnete den Anführer des oltenischen Pandurenheeres als halb Bauer und halb
Bojare (2002, 67).
Die biographischen Daten und die Texte Tudor Vladimirescus zeigen jedenfalls, dass
er die Grenzen seines Bauerntums überwandt und als Repräsentant einer neuen Klasse
der Gesellschaft – der beginnenden Bourgoisie – am wirtschaftlichen und sozialen
Funktionieren der Gesellschaft Interesse hatte (Oţetea 1971, 158), vermutlich nicht
ganz ohne Eigenzweck. Jedoch weist ihm Fleischhackel als Motivation keine
“persönliche Bereicherung” zu, sondern dass “er höhere Ziele anstrebte” (DPIR,
DCXXXV, 547). Bereits Mitte Feber 1821 zeichnet sich eine beginnende
Mythifizierung des „Sludgier Todor” ab, welcher „wie ein Retter und Schutzgott” von
dem „Landvolk” aufgenommen wurde (Bericht vom 17. Feber 1821, DPIR, DCXXXV,
554). Eine mythifizierende Vorstellung des Tudor als eines erlösenden crăiuţ entstand
zeitgleich auch in Siebenbürgen, wo die Bauern seine Botschaft so verstanden, dass
die Bojaren nicht weiter mehr Rechte haben sollten, als andere (Oţetea 1967, Prefaţă,
insbesonders, 19-26).
Was bis hierher deutlicher geworden ist, ist, dass der oltenische Anführer zwar
teilweise mir der Häterie koinzidierte, jedoch im Laufe der Ereignisse gewissermaßen
auch von der Häterie losgelöst und selbständig agierte (Oţetea 1971, 25) und, wie es
noch zu zeigen gilt, vor allem mit einer anderen Ideologie.
IV.5. Ideologie und Ziele des Tudor Vladimirescu
Der Grad an „revolutionärem“ Denken bzw. die innersten Absichten Tudor
Vladimirescus, ihre Klassifizierung als (eher) soziale, politische, wirtschaftliche,
antifeudale, antiphanariotische, antiosmanische Pläne sind aus der existierenden
Historiographie nicht vollständig zu ergründen (cf. Diaconovich 1898-1904, s.v.
Vladimirescu; Iorga 1921, VI-III; Georgescu 1992, 109-117; Hitchins 1996, 145-150).
Auch sind mögliche Vorbilder von Tudor Vladimirescu – so sieht die Enciclopedia
Română z.B. in dem Voltaire-Kenner und Anhänger Bischof Ilarion einen solchen
(Diaconovich 1898-1904, s.v. Ilaron) –, nicht leicht zu beweisen. Wie schon gezeigt
wurde, belegen die k.k. Berichte eine eher negativ ausfallende Wahrnehmung von
Tudor Vladimirescu als eines Unruhestifters, Insurgenten-Chefs [DPIR, DCXI, 552-
553], Rebellen, Demagogen [ib., Bericht von Raab in: DCXLI, 553] etc. der
bestehenden Ordnung, also mit „revolutionärer” Bedrohung verbunden. Aber
dieselben Quellen nehmen in den Proklamationen des Anführers auch unterschiedliche
Haltungen von ihm wahr: „So sehr erstere [Proklamation] im revolutionairen und ächt
[sic] carbonarischen Teil geschrieben ist, ebenso unterwürfig ist die an den Großherren
[dem Sultan] gerichtete Bittschrift abgefaßt.” (ib. Bericht vom 13. Feber 1821 von
Fleischhackl an Metternich, in: DCXXXIV, 540). Sein Agieren lässt sich nur auf dem
Hintergrund der Verstrickung der griechischen mit der walachischen Bewegung wie
auch der Behauptung gegen die autochthonen und (neu) eingebürgerten Bojaren (Iorga
1921, VII) interpretieren. Zu einem gewissen Teil war Tudor Vladimirescu sicherlich
gezwungen, die (liberalen) Bojaren zu beachten, und daher diplomatisch und
pragmatisch zu entscheiden, aufzutreten und zu handeln. Er tat dies aber mit einem
56
nicht geringen Maß an Selbstbestimmung. So ordnete er sich weder der Häterie noch
den Bojaren je vollständig unter (Berindei 2003, 26). Seine Texte sind als
pragmatische Handlungen zu verstehen, die vom jeweiligen politischen Moment
abhingen. Sie stellen gerade auch deshalb eine wichtige Phase der diskursiven
Konstruktion des späteren Staates dar.
Aus den k.k. Berichten ist eine Vorstellung über die Motivation seines Handelns zu
entnehmen. Schon am 17. Feber 1821 warnt Fleischhackel Metternich davor, dass der
Geist des Tudor Vladimirescu von Freiheit und Unbändigkeit auf die Siebenbürger
Wallachen überspringen könne (DPIR, DCXXXV, 545). Der Anführer erlasse
schriftliche Proklamationen, in denen er das Volk auffordere, sich mit ihm zu vereinen
“worin er ihme [sic] die Befreyung der Unterwürfigkeit unter die Fürsten und Bojaren
verspricht.”, und dem Volk verspricht, es von den drückenden Abgaben der Bojaren
zukünftig zu befreien (ib.). Seinerseits berichtet Raab Wien am 2. März über die von
“diesem Wladimirescu ausposaunten Grundsätze”, und zwar die “Abschaffung
griechischer Fürsten, Wiederherstellung der alten Conventions-Stipulationen,
Beschränkung der Bojaren-Aristokratie, der Willkür, Erpressung und partheyischer
Rechtspflege” (DPIR, DCXLI, 553). Zwischen dem 31. März und dem 3. April 1821
hat der Fleischhackel untergeordnete Udrizky eine persönliche Unterredung mit Tudor
Vladimirescu und berichtet: „[es] war meine Anrede blos, daß ich ihm für das gestrige
Übersenden des Starost Salomonischen Berichtes [...] um so mehr danke als ich daraus
von seiner Seite die Beobachtung des Völkerrechts zu entnehmen Gelegenheit hatte
...” (DCLV, p, 579). Diese Berichterstattungen zeigen die Fokussierung auf Freiheit,
Selbstbestimmung des Individuums (Unbändigkeit, „Befreyung der Unterwürfigkeit
unter die Fürsten und Bojaren“, “Abschaffung griechischer Fürsten”), auf Rechtsstatus
(<Aufhören der drückenden Abgabepflichten>, “Wiederherstellung der alten
Conventions-Stipulationen, Beschränkung der Bojaren-Aristokratie, der Willkür,
Erpressung und partheyischer Rechtspflege”) und stellen dem Oltenier die Kenntnis
wie auch Wahrung des internationalen (Völker)Rechtes aus.
Am 9. Feber 1821 berichtet beispielsweise Fleischhackel: „ein gewißer Sludgia
Teodoro Wulkoresco aus dem Mehedintzer Distrikt gebürtig [...] hat nichts geringeres
zur Absicht, als seine vorigen Kriegsgefährten [Panduren, die er zur Zeit der
Anwesenheit der russischen Truppen in der kleinen Walachei befehligte], von denen
die meisten ihrer Privilegien und der Landes-Verfaßung zuwider, durch den
verstorbenen Fürsten unter Contribution gesetzt worden sind, von dieser Last zu
befreyen und den Erpreßungen der Ispravniks ein Ende zu machen. Er begab sich
daher mit seinen wenigen aber entschloßenen Gefährten nach Tyrguschyl im Gorscher
Distrikt, bemächtigte sich der dortigen Ispravnike und führte selbe mit sich nach
Czernetz, Hauptort des Mehedintzer Distriktes, wo er das nehmliche mit dem dortigen
Ispravnike that, und selbe einer Commission übergab, die ihre Rechnungen genau
untersuchen und das von den Unterthanen unrechtmäßig abgenommene zurückersetzen
machen soll.” (DCXXXIII, 539). Andere Berichte erwähnen eine auffällige und den
Häteristen nicht ausgestellte „beste Mannszucht” unter dem Gefolge des Tudor
Vladimirescu (Bericht vom 29. März von Udrizky an Metternich, DCLII, 577). Auch
am 17. Feber meldet der k.k. Agent „dass er [Tudor] noch nicht die geringste
Gewalttat verübt hätte und „alle für sich und seine Beute erforderlichen Bedürfniße
57
mit baarem Geld bezahlt.”. (DCXXXV, 544 ss). Diesen Erwähnungen zufolge, ging es
dem Anführer um eine Rechtschaffenheit für das Volk, die er zielgerichtet anstrebte.
Desweiteren fällt in den österreichischen Dokumenten auf, dass Tudor Vladimirescu
sich der Pforte gegenüber als treu zeigt. Er beteiligt sich im Unterschied zu den
Häteristen nicht an den Gemetzeln an Türken, wie sie in Jassy geschahen (Bericht von
Raab vom 8. März 1821, DCXLIV, 555-556) und mahnt dieses Vorgehen auch deutlich
ein. So schreibt er noch um den 6. April – ein Datum, an dem er Bukarest bereits
eingenommen hatte – an den Ispravnik von Mehedinţi: „Sie gingen unrechtmäßig
gegen kaiserliche Rajas vor!“; „Ich ersuche sei [Sie] … entlassen sie jene Türken die
sie von ihren Orten an sich gezogen haben, geben sie nicht dadurch Anlaß, daß die
heiligen Bündniße (Tractate) gebrochen werden, denn zuletzt wird ihnen die
Verantwortung schwer fallen.“; „Fürchten Sie das Schwert des Kaisers.“ (ib. 547-548).
Der Pforte gegenüber erklärt er schriftlich die Gründe des Geschehens. In seinem
Gesuch (Arz(i)mahzar) von ca. Mitte Feber 1821 an den Sultan (DCXXXIV, 543-545)
thematisiert er in einem – damals generell üblicheren – pathetischen Stil („Wir
unterwürfige Sklaven des allerhöchsten Throns bitten mit Tränen in den Augen...”) die
Ausbeutung des Volkes durch die Landesbojaren, Fürsten und weltliche Stände,
bezeichnet diese als Feinde des Sultans („Sie sind die Feinde des allerhöchsten
Hofes”) und klagt die Kirche der Plünderung und Stützung der Ausbeutung durch die
Fürsten an. Er führt als Grund des Aufstands die Verzweiflung des Volkes an,
bezeichnet die Ausbeuter als Ungläubige und versichert seine volle Unterstellung
unter den Sultansthron. Über seiner Treue zur Pforte wie auch jene des ganzen
walachischen Volkes versichert er auch mehrfach den k.k. Vertreter Udrizky, den er
zw. dem 31. März und 3. April und erneut um den 6. April zu einer Unterredung
gerufen hatte: „Er [Tudor Vladimirescu] betheuerte, nicht wider seine rechtmäßige
Regierung nähmlich die Pforte (so wie er es in seinem im Namen des Volkes
unterlegten Gesuche und allen seinen Proklamationen stets deutlich ausdrückte) die
durch Phanarioten mittels Einfluß einiger hiesigen Bojaren mit Füßen getrettenen [sic]
Volksrechte wieder aufleben machen und denen himmelschreyenden Erpressungen
Gränzen setze.” (ib. DCLV, 579 ss). Der Bericht über das zweite Treffen drückt seine
Treue zur Pforte durch das Wort Anhänglichkeit aus (ib. Bericht an Fleichhackel,
DCLVIII, 587). Der weitere Wortlaut des Berichts vom 31. März – 3 April drückt
desweiteren aus, dass Ipsilanti ihn kompromittiere. Die bisher erwähnten Berichte
widersprechen der Darstellung Nicolae Iorgas über das Ziel des Tudor Vladimirescu:
„Am zice [că mişcarea lui Tudor Vladimirescu a fost] o încercare hotărîtă, pe care
numai anume contingenţe au împiedecat-o, de a distruge întregul sistem fanariot, care
e turcesc pe cît şi grecesc...” (Iorga 1921, VI-VII). Der Aufstand scheint gegen die
Landesaristokratie und die Phanarioten gezielt gewesen zu sein, nicht aber gegen die
höhere Macht der Hohen Pforte.
IV.6. Widerstandstexte und Reformideen zur Zeit Tudor Vladimirescus
In dieser Studie werden zwei Texte von Tudor Vladimirescu als frühe politische Texte
der „Rumänen“ genauer untersucht. Wichtig ist hierbei zu wissen, dass gerade zum
Zeitpunkt des ausbrechenden Aufstandes in der Walachei auch weitere Aufständische
58
ihre Meinung über den status quo der Walachei und ihren Aufruf zum Kampf in
schriftlicher Form verteilten. Darüber berichtet z.B. Fleischhackel, der am 16. Jänner
1821 Metternich schreibt, an seinem [und anderen] Haustor[en] „einen versiegelten
griechischen anonymen Brief“ angebracht gefunden zu haben, den er in deutscher
Übersetzung für „Se. Exzellenz den k.k. Herrn Agenten“ beilegt: „Wehe, wehe uns!
Denn die Herrscher der Wallachey bemühen sich die christliche Religion gänzlich
umzustürzen. Ein Beweise dafür ist die Ernennung jenes berichtigten Atheisten zum
Bischof von Arzcich. Wehe, wehe uns! denn sie bemühen sich unterstützt vom
regierenden Fürsten und noch mehr vom rußischen Consul, alle Abgaben dreifach zu
vermehren und so alle Verträge, die unter der Regierung des Fürsten Caragea
festgesetzt wurden zu ihrem Vortheil umzustoßen. […]. Es erscheint daß sie [die
Regenten und Übeltäter des Landes] keine Zeitungen lesen, sonst würden sie wißen
was jetzt in Spanien, was in Neapel und in anderen Ländern geschieht und daß die
Vorrechte der Völker allgmein zu nehmen. Zu verwundern ist es wirklich, wie der
Consul Pini glauben kann, daß solche Verhältnisse in die Länge unbekannt bleiben
werden. […]. Griechenland ist zwar mein Vaterland, allein hier in der Wallachey bin
ich erzogen worden, hier habe ich meine Existenz, hier ehrenvolle chargen erhalten,
hier endlich habe ich mich mit einer Walachin verehligt und tief schmerzt es mich das
Unglück meines zweyten Vaterlands zu sehen.“. Dieser Text spiegelt eine implizite
Kritik an der „staatlichen“, an ihrer Spitze unlautere Vertreter erlaubenden Kirche und
ihrer „Politisierung“, die Ausbeutung der Walachei durch die Landesfürsten, Duldung
dieser Ausbeutung seitens Russland, die Verschlechterung der Gesetze nach Fürst
Caragea und die Hoffnung, dass das Völkerrecht auch hier einkehren werde, wieder.
Der Wortlaut des Briefs dokumentiert desweiteren, dass es in der Walachei Griechen
in höheren Funktionen gab, welche die Politik von Kirche und Landesbojaren
missbilligten.
Desweiteren könnten die Proklamationen von Ipsilanti Modellfunktion für jene des
Tudor Vladimirescu gehabt haben. In jedem Fall ist davon auszugehen, dass die
Botschaft des Häteristen stark zirkulierte: „die Ipsilantische [sic] Proclamationen
befinden sich in wallachischer und griechischer Sprache gedruckt, zu tausenden
allenthalben verbreitet und werden mit Begierde und Freude auch von den hiesigen
Einwohnern gelesen.” (DPIR, DCXLVII, 565, Bericht vom 13. März). Darauf lassen
aber auch diskursive Elemente, rhetorische wie inhaltliche, schließen, die den Texten
beider Anführer und darüber hinaus späteren „rumänischen” revolutionär-
programmatischen Texten eigen sind. Uns liegen Ipsilantis Texte hier zwar nur in
(zeitgenössischen deutschen) Übersetzungen der k.k. Dokumente vor, aber sie liefern
uns die Begrifflichkeiten, die von beiden Textsendern gleichermaßen evoziert wurden.
Dazu zählen die „helltönende Posaune des Rufes”, („[sie] hat Euren Sieg und Eure
tapferen Thaten zu Galatsch [sic] [Tötung der Türken] allenthalben verkündet.”), die
„Volkstrompete”, „das Vaterland”, die Verbrüderung („ich, alle Brüder sind vergnügt
über dieses Euer glänzendes Werk!”, ib., Bericht von Raab vom 8. März 1821 in:
DCXLIV, 560), die Garantie der Sicherheit und des Eigentums (ib., Bericht vom 13.
März in: DCXLVII, 565 und DCL, 574) sowie die Metapher der Auferstehung des
Landes etc.
59
An expliziten Vorschlägen für eine zukünftige Landesorganisation arbeiteten auch die
Bojaren beider Fürstentümer. Sowohl Raab, der in Jassy stationiert war, als auch
Fleischhackel, der in Bukarest stationiert war, machen unabhängig aber fast zeitgleich
voneinander darauf aufmerksam: „Man arbeitet wohl im Geheimen, wie ich höre an
einer neuen Constitution des Landes, an der Errichtung einer armirten [sic]
moldauischen Landmacht, so wie sie zur Zeit der Independenten Fürsten war [ohne
Punktuation] welche man dann seiner Majestät Kaiser Alexander einberichten will,
allein alles dies ist noch im beständigen Schwanken.” (ib., Bericht von Raab an
Metternich, ca. Ende März 1821 in: DCLIII, 578). Fleischhackel zufolge, waren – und
„Dies ist vollkommen gewiss.” – auch die Bojaren [der Walachei] im Geheimen daran
„eine bittliche Darstellung an den rußischen Kaiser, damit die Wallachey von dem
Joche der Türken befreit, unter seiner Oberherrschaft eine eigene, den Bedürnissen des
Landes angemeßene Verfaßung erhalten möge.” (ib. Bericht vom 3. April in: DCLVI,
584) zu verfassen.
IV.7. Die verschiedenen Reproduktionen und Versionen der Texte des Tudor
Vladimirescu
Bezüglich der Texte des Tudor Vladimirescu sind wir in der Situation, dass sie in
zeitgenössischen, also zeitgleichen und darüberhinaus oft verschiedensprachigen
Versionen existieren. Damit ergibt sich die Schwierigkeit, dass die Texte oftmals nicht
volkommen ident sind. Dies ist ein Charakteristikum insbesonders von revolutionär-
programmatischen Texten, die über längere Zeiträume hinweg modifiziert und
adaptiert wurden und deren Entstehung, Redaktion und Veröffentlichung somit auch
schwer datierbar sind. Vor einem solchen Fall stehen wir mit dem hier analysierten
zweiten Text von Tudor Vladimirescu. So divergieren die Meinungen über die
Entstehung der Cererile norodului, deutsch Forderungen, welche das wallachische
Volk in der Wallachey macht (im Weiteren kurz Forderungen genannt). Vlad
Georgescu zufolge wurde dieser Text seit Dezember 1820 redigiert (1992, 112).
Andrei Oţetea datiert die Entstehung vor dem 16. Feber 1821 („Înainte de 16 februarie
1821”, 1959, 272), während sowohl Hitchins als auch Oţetea als Zeitpunkt, an dem
Tudor Vladimirescu den Text veröffentlicht haben soll, Mitte April 1821 angeben
(Hitchins 1996, 150; Oţetea 1971, 387). Hinsichtlich dieser verschiedenen Zeitangaben
ist zu sagen, dass in der rumänischen Variante der Cereri, die uns vorliegt (Oţetea
1959, 272-274), Alexandru Suţu als der verstorbene Fürst genannt wird („Toată
familiia şi toţi oamenii răposatului domn Suţu să să rădice din ţară, ca unii ce au fost
numai nişte ucigaşi ai aceştii ţări.”, Hervorhebung durch die Autorin). Dieser Umstand
verweist auf eine Redigierung oder auch Weiterbearbeitung des Textes nach dem –
gegen Ende Jänner 1821 – anzunehmeden Todes des Landesfürsten.
Dan Berindei verweist bezüglich der Cereri auf die Existenz mehrerer Textversionen
sowie auf den Verlust einer Variante, die 48 Artikel umfasst haben sollte. Es dürfte
sich um jene Variante handeln, die von der zeitgenössischen Times des Jahres 1821 als
Verfassung bezeichnet wurde (Berindei 1998, 196 und 2003, 33-35; auch Oţetea 1971,
387). Nur Andrei Oţetea (1959) macht desweiteren auf die Existenz
verschiedensprachiger, sich voneinander unterscheidender Varianten des Textes
60
deutlich aufmerksam. In Răscoala din 1821. Documente interne (vol. I, 1959, 272-
281) editierte der Historiker drei Versionen des Textes. Die erste unter dem Titel
Cererile norodului rumînesc, eine offensichtlich kürzere und frühere rumänische
Version von 20 Artikeln (Oţetea 1959, 272-274). Die zweite zeitgenössische,
deutschsprachige und 33 Artikeln umfassende Version sind die Forderungen, welche
das wallachische Volk in der Wallachey macht (Oţetea 1959, 274-278). Sie wurde, so
Oţetea, von der agenţie austriacă in Bukarest aufbewahrt (1971, 387). Für unsere
Analyse haben wir diesen zeitgenössischen deutschen Text gewählt, weil er im
Vergleich zur rumänischen Version deutlich länger und amplifizierter, stellenweise
also detailreicher, ist. Er ist, unserer Meinung nach, auch repräsentativer für die in
dieser Studie angestrebte Rekonstruktion der modernen Staatskonzeption, gerade weil
er als Momentaufnahme in dem Prozess der kognitiv-diskursiven Staatsgenese und der
Dynamik der historischen Ereignisse interpretiert werden muss. Der in Oţetea 1959
wiedergegebene Text stimmt vollkommen mit jenem Text überein, der in den
Documente privitoare la Istoria Românilor der Rumänischen Akademie 1940 (Band
XX der Hurmuzaki-Sammlung) enthalten ist. Ein detaillierter Vergleich des
rumänischen und deutschen Textes der Cereri bzw. Forderungen erfolgt in Kapitel
IV.1.8.
Wenn wir Anthologien der Texte von Tudor Vladimirescu heranziehen, ergibt sich
selbst bei „Klassikern” wie Nicolae Iorga 1921 oder Andrei Oţetea 1967 das Problem,
dass diese leider oft ohne genaue Kontext-, Datierungs- oder auch Zitatangaben
wiedergegeben sind, noch Modernisierungsparameter der Texte dargestellt werden.
Auch orthographische Besonderheiten des Rumänischen, wie sie in der folgenden
anfänglichen Passage eines Appells von Tudor Vladimirescu auffallen, werden nicht
kommentiert (Andrei Oţetea 1967, 101): „De la szluseru Theodor. Ketre tozy lokujtory
sudezuluy Gorsy parte beszertsazke si mireany wery de tse triapte va fi ory de loc
sintezi. Frazilor omeny! Nu szintem la indojale ke vez fi aflat pentru adunarija
noroduluy tse sz-au redikat fekind sztrigare si tserere dreptezilor kelkate si akoperite
de ketre tsey may mary ay nostri…“. Die folgenden drei Zitate, die drei Versionen
einunddesselben Textes, der Proklamation von Padeş, entnommen sind, illustrieren die
unterschiedliche Textgestaltung des größtenteils analogen Inhalts mit einigen
markanten Unterschieden in manchen Passagen. So werden im ersten Text als
Ausbeuter des Volks – laut der deutschen Übersetzung in den k.k. Dokumenten
(DPIR, Bericht von Fleischhackel vom 13. Feber 1821, DCXXXIV, 543) –
„Vorgesetzte” („căpeteniile noastre, zic, atât cele bisericeşti, cât şi cele politiceşti”)
genannt, jedoch nur im zweiten Text werden diese explizit als, unter anderem, aus der
Reihe der Griechen dargestellt:
„Fraţilor locuitori ai Ţerii-Româneşti. Veri e ce neam veţi fi, nicio pravilă nu
opreşte de a întâmpina răul cu rău. Şarpele, când îţi iese înainte, dai cu
ciomagul de îl loveşti, ca să-i iei viaţa, care de multe ori ni se primejduieşte din
muşcarea lui. Dară pre balaurii cari ne înghit de vii, căpeteniile noastre, zic, atât
cele bisericeşti, cât şi cele politiceşti, până când să-i suferim a ni suge sângele
din noi ? Până când să li fim robi?” (Beginn der Proklamation von Padeş nach
der Version von Dârzeanu in Iorga 1921, 6-8)
61
„Către tot poporul român din Bucureşti şi din toate celelalte oraşe şi sate ale
Ţării-Româneşti, dragoste frăţească şi sănătate. Fraţilor lăcuitori ai aceştii ţări,
nicio pravilă nu se împotriveşte de a nu zdrobi cineva răul. Când un şarpe iese
înaintea noastră, trebuie să năvăliţi cu parii şi să-l omorâţi. Cu cât mai vârtos
când ranele şi ruperile din trupurile noastre, prin care balaorii neîncetat ziua şi
noaptea sug tot sângele din noi încă de vii, precum de faţă vedeţi. Aceştia sunt,
precum îi cunoaştem bine, Grecii şi boierii noştri, atât partea bisericească, cât şi
politicească. Până când dar vom suferi ca nişte dobitoace, când răul nu este
priimit nici de Dumnezeu?” (Beginn der Proklamation von Padeş nach der
Version von Cioranu in Iorga 1921, 234-235).
Differenzen ergeben sich in den Textüberlieferungen manchmal in der Argumentation.
Die folgenden drei Zitate desselben Textes unterscheiden sich z.B. darin, dass in
ersterem und zweiterem zur Bekämpfung nur gegen jene Bojaren aufgerufen wird,
<die ihre Güter zuunrecht angerafft haben>, während im dritten Zitat vor allem gegen
jene Bojaren aufgerufen wird, <die sich nicht Tudor Vladimirescu anschließen>:
„Wisset jedoch, daß es Niemand freystehe, in der Dauer dieser Hilfe bringenden
Versammlung nur das Mindeste des Eigenthums eines Handelsmannes der
Städte, oder eines Dorfbewohners, oder eines sonstigen Bürgers anzutasten,
sondern blos die Güter und das Vermögen jener Tyrannen Bojaren, die es mit
Unrecht zusammen scharrten, soll zu Grunde gehen, jedoch nur jener, die uns
nicht nachfolgen, so wie sie es versprochen haben; dieses soll zum Vortheil des
allgemeinen Besten weggenomen werden.” (aus Proclamţia Slugerului Tudor
din Mănăstirea Tismana (Mikrofilm 739 Neu Mik, Bd./Jg.: Vol 20)
„Şi iar să ştiţi că nimenea dintre noi nu este slobod, în vremea aceştii adunări
obştii folositoare, ca să se atingă măcar de un grăunţi, de binele sau de casa
vreunui neguţător, oroşan sau ţăran, sau de al vreunui lăcuitoriu; decît numai
binele şi averile cele rău agonisite ale tiranilor boeri să se jărtfească;” (Ende
der Proklamation von Padeş nach der Version von Bodea, I, 64)
„Vă încredinţez către aceasta că nimenea din voi nu va avea slobozenia fără de
poruncă în toată vremea, pe cât se vor face aceste adunări ale ţării, a se întinde
măcar până la un bob, şi a-l lua din casa vre unui neguţător, vre unui locuitor,
sau vre unui boier măcar, oricât de rău ar fi adunate stările acestora; ci numai
ale acelora ce nu se vor ridica dinpreună cu noi, se vor lua în obştească
folosinţă.” (Ende der Proklamation von Padeş nach der Version von Cioranu in
Iorga 1921, 234-235)
In späteren Texten, so scheint es, ist ein Teil der Information verlorengegangen bzw.
die Argumentation etwas verändert worden. Die stärksten Argumente für eine
bestimmte Interpretation des Tudor Vladimirescu liefert der Vergleich mehrerer seiner
Texte, die zudem oft, gemäß der damaligen Texttradition, gleiche Inhalte stark
redundant und repetitiv zum Ausdruck bringen. Nur der Textvergleich sichert z.B. ab,
dass der in Bodea verwendete Begriff neam („Fraţilor lăcuitorilor ai Ţării Româneşti,
veri de ce neam veţi fi!”) auch in der Bedeutung <Stand> verwendet wurde. Die
62
zeitgenössische Übersetzung enthält expressis verbis den Begriff Stand: „Dem
walachischen Volke in Bukarest, in allen übrigen Städten und Ortschaften der
Walachey, gute Gesundheit […]. Brüder und Bewohner der Walachey, aus welchem
Stande ihr immer seid!“ (DPIR, Bericht Fleischhackels an Metternich vom 13. Feb.
1821, DCXXXIV, 543). Die Anthologie von Kommentaren zu 1921, die Iorga 1821
publizierte, enthält an gleicher Stelle das Wort treaptă, [ständische] Stufe: “De la
Slugerul Teodor Vladimirescul către toţi locuitorii oareşelor şi satelor din sud..., de
orice treaptă, adecă neamuri, postelnici, mazilii, breslaşi, birnici dintr‟acest judeţ.”
(Dârzeanu in Iorga, 62-64), und ein Schreiben Tudor Vladimirescus an den Bojaren
Nicolae Văcărescu, das Syntagma „tot neamul boeresc” (Bodea, I, 64).
Die Argumente des Tudor Vladimirescu für seine Bewegung sind bis mindestens Mitte
März 1821 folgende: <Das Volk wird von den griechischen domni und ihrem Gefolge
und den Griechen, die sich in der Walachei eingebürgert haben, sowie von der
Mehrheit der Bojaren, die sich mit jenen verbunden haben ausgebeutet. Diese
Griechen wie Bojaren sind Tyrannen, Despoten, Betrüger, auch gegenüber der Pforte.
Zu ihnen zählt auch die Kirchenspitze / der Metropolit (er hat sein Amt erkauft). Der
Aufstand richtet sich ausschließlich gegen die ausbeutenden Instanzen. Er begründet
sich (einzig) auf dem Wunsch, alte Rechte wiederherzustellen, nicht auf Habgier oder
dem Versuch persönlicher Bereicherung. Die Aufständischen haben sich immer der
Pforte untergeordnet und werden das auch zukünftig tun>. Der Gehorsam ist im Text
durch die „Zahlwilligkeit“ der Walachen ausgedrückt, diese aber an die Bedingungen
gebunden, dass Rechte wieder in Kraft treten:
„Noi mulţumiţi amu plătit totdeauna, plătim, şi niciodată nu vom tăgădui de a
plăti datoria noastră de tribut către Înalta Poarta, încredinţaţi fiind că nu vom fi
lipsiţi de vechile drepturi ale ţării, la care domnii greci, dimpreună cu ticăloşii
noştri de boieri, s‟au arătat totdeauna surzi, şi în loc de a ne oblădui cu dreptate
ca nişte părinţi, ne despoaie …“ (aus dem Arzmazarul an die Pforte, Popescu in:
Iorga 1921, 240).
IV.8. Analyse der Proklamation von Padeş (verkündet am 23. Jänner / 4. Feber
1821)
Tudor Vladimirescu zog um den 18./30. Jän. 1821 (nach Pop/Bolovan 2006, 458) an
der Spitze einiger hundert Hofsoldaten, arnăuţi, von Bukarest über Piteşti, Ocnele
Mari und Târgu Jiu Richtung Oltenien. Auf eine gut durchdachte Aktion weist der
Umstand, dass die Truppe auf ihrem Weg Pferde zum Wechseln hatte. Tudor
bemächtigte sich, wie schon erwähnt, des Klosters Tismana und stationierte hier. Von
hier verkündet er am 23. Jän. / 4. Feb. 1821 auf dem Feld von Padeş seine (erste)
Proklamation (Pop/Bolovan 2006, 458), die er bereits in Bukarest vorbereitet haben
soll (Berindei 2003, 28). Diese Proklamation „erreichte” die Masse der Bauern und
löste in ganz Oltenien eine heftige und zerstörerische Reaktion gegen einen Teil der
Bojaren (tirani[lor] boieri) aus (Jelavich, 1993, 25), eine Bewegung, die das
Regierungskomitee in Bukarest gegenüber den osmanischen Autoritäten – zunächst –
als Banditentum herunterspielte (Hitchins 1996, 146-147). Tudor Vladimirescu, der in
63
Tismana eine Kanzlei eingerichtet hatte, schickte von hier aus seine Version der
Umstände in Form des schon teilweise zitierten Arzmazar (Popescu in Iorga 1921,
238-240) an die Pforte bzw. in Form verschiedener memorii an die osmanischen
Grenzbeamten, Russland und Österreich (Berindei 2003, 27-29).
Die Proklamation von Padeş ist ein kurzer Text von 33 Zeilen (nach der Ausgabe von
Bodea, vol. I, 1982, Text 8, 63-64). Sie beginnt mit einem deutlichen Appell und
umfasst zwei Teile, einen ersten argumentativen Teil, in welchem die schlechten
Lebensbedingungen der Bevölkerungsmehrheit der Walachei thematisiert werden, und
einen zweiten eher programmatischen Teil, der eine Aufforderung an diese zu
konkretem Handeln ist. Der Appell ist, wie die folgenden Zitate belegen, an alle
Einwohner der Walachei gerichtet: „Către tot norodul omenesc din Bucureşti şi din
celelalte oraşe şi sate ale Ţării Româneşti, multă sănătate!“; „Fraţilor lăcuitorilor ai
Ţării Româneşti, veri de ce neam veţi fi”. In der Anrufung der Adressaten fällt auf,
dass der Verfasser eine Verbrüderung der Aufständischen suggeriert: „Veniţi dar,
fraţilor, cu toţii”. Es fällt auch auf, dass sich der Verfasser – auf Textebene durch die
Verwendung der Personal- und Possessivpronomen „wir”, „unser” – mit dem Volk
identifiziert („pînă când să ... suferim”, „sîngele din noi”, „preaputernicul nostru
împărat” etc.).
Ziel des Textes ist es, die Masse zu einem bewaffneten Aufstand zu bewegen („veniţi
în grabă cu toţii: care veţi avea arme, cu arme; iar care nu veţi avea arme, cu furci de
fier şi cu lănci“). Der Aufstand ist, so der Text in einer Passage, gegen bestimmte
Bojaren gerichtet, welche ihr Hab und Gut unrechtmäßig und durch Ausbeutung
erworben haben, soll aber keine blinde Revolte sein: „să ştiţi că nimenea dintre noi nu
este slobod […] ca să se atingă măcar de un grăunţi, de binele sau de casa vreunui
neguţător, oroşan sau ţăran, sau de al vreunui lăcuitoriu; decît numai binele şi averile
cele rău agonisite ale tiranilor boeri să se jărtfească;”. Die Aufforderung zur Revolte
nur gegen bestimmte Bojaren („numai binele şi averile cele rău agonisite ale tiranilor
boeri să se jertfească”) steht aber im Widerspruch mit der impliziten Drohung am
Ende des Texts an alle, die sich der Bewegung nicht anschließen würden. Ihrer Güter
sollen man sich bemächtigen: „însă [binele] al cărora nu vor urma noaă ... numai al
acelora să se ia pentru folosul de obşte.”.
Der erste Teil des Textes, der den Aufruf zur Erhebung argumentiert, baut den klaren
religiös-moralischen Gegensatz von <gut> und <böse/schlecht> auf. An der
Textoberfläche entsprechen diesem Gegensatz die biblische Metapher der Schlange,
die man töten soll, sowie die fünfmalige Thematisierung Gottes, in dessen Sinne
handelt, wer gegen Böses handelt: „Dacă răul nu este priimit lui Dumnezău, stricătorii
făcătorilor de rău bun lucru fac înaintea lui Dumnezău!”. Die im Text implizit
konstatierten Missstände im Lande („Dar pre bălaurii care ne înghit de vii” etc.)
werden direkt und ausschließlich mit der kirchlichen und politischen Führung des
Landes, ihre Repräsentanten mit moralisch verdorbenen Personen identifiziert
(„bălaurii care ne înghit de vii, căpitaniile noastre, zic, atît cele bisericeşti, cît şi cele
politiceşti”; „făcători[lor] de rău”, „cei răi”). An ihrer Stelle, so der Vorschlag von
Tudor Vladimirescu, sollen andere treten (DEI, s.v. căpitănie) gewählt werden: „Şi să
se aleagă din căpiteniile noastre cei care pot să fie buni.”.
64
Als für die damalige Zeit „sozialpolitisch“ weitgehende Botschaft fordert der Text
dazu auf, die Ausbeutung der Masse durch Kirche und Staat zu stoppen. Der Aufruf ist
als rhetorische Frage formuliert: „Pînă cînd să le fim robi?” / „Wielange wollen wir für
sie [die kirchlichen und politischen Ausbeuter] noch Sklaven sein?“ Der Vergleich mit
weiteren Texten legt es nahe, das Wort rob eher in einem figurativen als
<Ausgebeutete>, denn konkretem Sinne als <Leibeigener, Sklave> zu verstehen, nicht
als impliziter Aufruf zu einer ganz neuen gesellschaftlichen Neuordnung. Der
Textsender stützt seine Aufforderung auf drei Argumente: Die Situation, welche die
Bevölkerung durch einen Teil der Bojaren erfährt, ist als moralisches Unrecht zu
bekämpfen. Gott selbst, so der Text, steht hinter denjenigen, die sich gegen das
Unrecht erheben. Und es ist im Sinne sogar des Kaisers, des Werkzeugs Gottes, dass
es seinen Untertanen gut ergeht: „Vechilul lui Dumnezău, preaputernicul nostru
împărat, voeşte ca noi, ca nişte credincioşi ai lui, să trăim bine.” (p. 63). Die Kenntnis
mehrerer Texte von Tudor Vladimirescu legt nahe, unter dem hier erwähnten împărat,
Kaiser, den Sultan zu verstehen. Zu der schon angedeuteten biblisch-religiösen
Färbung des Textes führt die Metapher der Schlange für moralisches Unrecht
(„Şarpele cînd îţi iasă înainte, dai cu ciomagul de-l loveşti ca să-ţi aperi viiaţa…“ /
Wenn man auf eine Schlange trifft, erschlägt man sie mit dem Knüppel um sein Leben
zu verteidigen.”), aber auch das versprochene Heil: „cu rău să pierdem pe cei răi, ca să
ne fie noaă bine! ... ca să le fie şi lor [den neuen Anführern] bine, precum ne sînt
făgăduiţi!“ (p. 63). Die Rhetorik des Textes ist, der Zeit ganz gemäß, pathetisch-
emotional („ne ajunge, fraţilor, atîta vreme de cînd lacrămile de pe obrazăle noastre
nu s-au mai uscat!“ / „er reicht, Brüder, so lange sind die Tränen auf unseren Wangen
nicht mehr getrocknet”), der Sender wählte außerdem, stellenweise, eine
volkstümliche Sprachverwendung: „Pînă nu vine iarna, primăvară nu să face!“, Es
kann der Winter nicht kommen, bevor es nicht Frühling wird (ib.).
IV.9. Analyse der Forderungen, welche das wallachische Volk in der Wallachey
macht oder Cererile norodului (verfasst über mehrere Monate bis zum Frühjahr
1821)
Tudor Vladimirescu übernahm für ca. zwei Monate die Herrschaft in der Walachei.
Dass dies ein sehr bewusster, durchdachter und gegenüber dem Volk begründeter Akt
war, belegt das folgende Zitat:
65
„Aşa dară, ajungând şi aicea, în politia Bucureştilor, care este Scaunul oblăduriii
norodului, şi găsind mulţi patrioţi boieri întru asemenea bune cugetări cu ale norodului
asămănaţi, am hotărât, ca un voitor de dreptate, să cunoasc vremelnica stăpânire a
ţerii, supuinde-se toţi cei ce au încins arme de izbăvire la legile şi pământeneştile
obiceiuri ce li se vor arăta de către stăpânire prin mine, şi le voiu cunoaşte că sunt
întru adevăr folositoare patriei şi de mare trebuinţă obştii norodului. Căci, fără de a
cunoaşte cineva o stăpânire, nu numai fireşte nu este prin putinţă, ci pot zice: şi de
mare vătămare la împlinirea trebuinţilor ce va avea această izbăvitoare lucrare. Şi
vestesc dară tuturor pământeni că şi cuviinţa şi trebuinţa vă îndatorează să cunoaşteţi o
stăpânire; care stăpânire, având lăstarele sale întinse prin laturile ţerii, se închipuieşte
şi într‟acest judeţ prin dumnealor ispravnicii ce se orânduiesc de aici. La cari câţi sunt
locuitori într‟acel judeţ trebuie să se supuie, şi să săvârşească poruncile ce le vor da
când vor fi asămănate cele întru obşteasca ştiută datoriei şi ajutătoare trebuinţelor ce
cer oştirile ce sunt gata a se război spre dobândirea dreptăţii norodului.” (Dârzeanu,
Cronica Revoluţiei din 1821 in Iorga 1921, 63).
Die endgültige Fassung der Forderungen, welche das wallachische Volk in der
Wallachey macht – oder Cererile norodului – dürfte zeitlich mit der Übernahme der
Herrschaft in Bukarest koinzidieren. Keith Hitchins und Dan Berindei stimmen darin
überein, dass Tudor Vladimirescu den Text im Laufe der Revolution weiterentwickelt
hat, und Dan Berindei ist der Meinung, dass Tudor Vladimirescu ihn bis zu seiner
Einkehr in Bukarest verfasst hatte. Demgegenüber schreiben Ioan-Aurel Pop und Ioan
Bolovan, dass dieser von ihnen als memorandum bezeichnete Text „was completed in
February” (2006, 459). Diese Differenzen weisen darauf hin, dass es sich um einen
Text handelt, der im Laufe einiger Wochen oder Monate immer weiterredigiert wurde.
Den Hinweis, dass Tudor Vladimirescu seinen Text gedruckt verteilen konnte, gibt uns
Udrizky in einem Bericht vom 29. März an Metternich (DPIR, DCLII, 577).
Hitchins zufolge ist das Ziel des Textes, ein Ende der politischen und wirtschaftlichen
Herrschaft der Osmanen zu erreichen. Weitere Ziele, wie die Abschaffung der auf der
Machtposition des Monarchen und der Privilegien der Aristokratie beruhenden
feudalen Strukturen (Hitchins 1996, 145, 152), entsprächen den Forderungen der
modernen Zeit. Cererile norodului rumînesc – so der Titel in Hitchins – formulierten
im Detail die folgenden Forderungen: Der Landesfürst wird von Konstantinopel
ernannt und darf von vier griechischen Ratgebern begleitet werden. Der [zukünftige]
Landesfürst soll das Programm (diploma of rights) respektieren und damit die
Reduzierung in Zahl und Höhe einer Reihe von Steuern, sowie das Ende des Verkaufs
von öffentlichen Ämtern, die Abschaffung verschiedener Abgaben (wie Zoll, Maut,
Zehentelsteuer für alkoholische Produkte etc.), desweiteren die reguläre Entlohnung
aller Beamten, die Entfernung von Griechen aus allen kirchlichen Ämtern, die
Ordinierung besser ausgebildeter Priester, die Abschaffung der Privilegien für
Ausländer, das Ende von Zöllen an Stadtgrenzen, das Ende der Zölle für Exportwaren
in das Osmanische Reich, die Errichtung einer ständigen Armee – 4 000 Panduren –
zur Grenzbewachung des Landes und die Anerkennung Tudor Vladimirescus als
„supreme chief and governor of all the Romanians“ mit Verantwortung für die Innen-
wie Außenpolitik (Hitchins 1996, 150-151).
66
Ein Vergleich der in IV.1.7. erwähnten Varianten, des rumänischen und des deutschen
Textes der Cereri / Forderungen, zeigt, dass sich die beiden in einer Reihe von
Passagen unterscheiden und letzterer deutlich mehr Absätze umfasst. Dem
rumänischen Text beispielsweise fehlen folgende Paragraphen vollständig: die
Forderung einer Zoll- und Lohnregelung für Aufseher und Hofbeamte (im deutschen
Text §.20.), die Forderung einer Steuerreduzierung für in den Städten verkaufte Waren
(im deutschen Text §.21.), die Forderung der Abschaffung der Hofbeamten (im
deutschen Text §.22.), die Forderung der Rekrutierung von Infanteriesoldaten (§.24.),
die Forderung einer Regelung für Steuerfreiheit (§.25.) etc. Insbesonders fehlt in der
rumänischen Version auch der Epilog, mit dem die die deutsche Version endet, und
welcher eine akzentuierte politische Botschaft Tudor Vladimirescus enthält. Die
rumänische Version ist aber nicht einfach nur ein kürzerer Text, dem weiter angefügte
Punkte fehlten. Die Texte variieren in gewichtigeren Details. So fällt auf, dass im
rumänischen Text z.B. eine „absolute” Räumung aller bischöflichen Sitze und aller
Klöster des Landes von Geistlichen griechischer Abstammung gefordert wird. Diese
Forderung erscheint im deutschen Text gemildert. Nur jüngere Geistliche griechischer
Abstammung sollen die rumänischen Institutionen verlassen, während es älteren damit
implizit gewährt wird, zu bleiben (cf. §.2. in beiden Textversionen). Nur die deutsche
Textversion enthält die Forderung, dass Schulen in türkischer Sprache eingerichtet
werden (§.2.) oder den indirekten Vorwurf des Missbrauchs der Landtage (§.4.). Die in
beiden Versionen enthaltene Forderung der Aufstellung von 4.200 Mann („[es] soll
dem Vaterland gestattet werden, 4 000 Panduren und 200 Arnauten mit ihren
Anführern zu unterhalten.“ §.13.) ist nur im deutschen Text begründet, im
rumänischen Text fehlt die folgende Argumentation: „Zur Vertheidigung des
Vaterlandes gegen Feinde, zum Prunke der Städte, zur Bewachung der Gränzen und
zur Hintanhaltung der öfters herrschenden Krankheiten“ (§.13.).
Die unterschiedliche Gestaltung und Präzisierung der verschiedenen Textvarianten
erweckt den Eindruck, dass sie für verschiedene Adressaten, mit pragmatisch etwas
unterschiedlichen Botschaften konzipiert wurden. Der Ton der uns vorliegenden
rumänischsprachigen Version erweist sich in einigen Passagen als radikal-
revolutionärer (so z.B. die Forderung der vollständigen Räumung der kirchlichen
Institutionen von Griechen oder die Drohung, die Dekrete des Fürsten öffentlich zu
verbrennen). An anderen Stellen ist der rumänische Text stärker programmatisch für
sofort zu vollziehende Änderungsmaßnahmen. Demgegenüber erweckt die deutsche
Textversion stellenweise den Eindruck, stärker die Außenmächte – Osmanisches Reich
und Habsburg – einzubeziehen, Staatsfragen stärker allgemein zu thematisieren und
durch den Epilog gleichzeitig einen größeren konkreten Machtanspruch zu erheben.
Da die Genese des späteren Rumänien auch stark von der weiteren Akzeptanz der
Außenmächte abhing, haben wir für unsere Analyse die deutsche Version
herangezogen.
Die Forderungen, welche das wallachische Volk in der Wallachey macht, bestehen aus
33 Absätzen. Der Text hat keinen deutlichen Prolog, jedoch einen Hauptteil, der aus
einer Reihe von Forderungen besteht, die vor allem die Steuerabgaben betreffen (§§.
1.-31.), auch einige „strafrechtliche” Maßnahmen gegen die Vergehen konkreter
Personen (§§. 28.-31.). Der Text endet mit einem aus zwei Paragraphen bestehenden
67
Epilog. Im ersten (§.32.) schlägt Tudor Vladimirescu sich selbst als zukünftiges
Oberhaupt und Regierer für das Innere und Äußere des Landes vor. Der zweite
Paragraph des Epilogs (und gleichzeitig letzter Paragraph der Proklamation) enthält
den Plan für die Versorgung des Volks in der aktuellen Situation sowie die Forderung
der Approbation bzw. Beeidigung des Programms seitens des zukünftigen
Landesfürsten wie auch dessen Kenntnisnahme durch Österreich und Russland (§.
33.). Die Prädikation des Textes ist sehr auffällig. Dieselbe implizit volitive
Verbkonstruktion <es solle geschehen, dass> (im rumänischen Text <să + Verb im
Konjunktiv>) wird in allen 33 Absätzen, inklusive dem Epilog, wiederholt:
„1. Der Fürst der Provinz soll nicht mehr, als vier Bojaren, welche Griechen sind, mit
sich bringen, ...”; ”2. Alle bischöflichen Sitze und alle Klöster der Provinz sollen von
den griechischen Mönchen geräumt werden, nur die älteren sollen für einen Theil der
Provinz bleiben, ... Der Metropolit so wie die drey Bischöfe mit allen Klöstern sollen
verpflichtet seyn Schulen in türkischer Sprache zu halten, ...”; „3. Aus den sechs von
dem Fürsten Carage [sic] eingeführten Abgaben sollen zwey gänzlich aufgehoben, vier
derselben aber beybehalten und vierteljährig einbehoben werden.”; „33. Alle Vorräthe
oder Nahrungsmittel, was immer das Volk von den Klöstern [keine Punktuation]
Bojaren und Handelsleuten zum Essen und Trinken bezieht, soll aus dem Aerarium
vergütet werden. Alle diese Punkte sollen sowohl durch ein schriftliches Diplom, als
auch durch einen Eid bekräftigt und verwahret werden, ...” (Oţetea 1959, 274-278).
Es gibt kein explizites, den modalen Verben <es geschehe, dass ... > / <es sei, dass ... >
übergeordnetes Subjekt, also keinen explizit genannten Sender des Forderns, weder als
ein <ich> noch als ein <wir>. Der Text weist auch keinen einzigen explizit
angesprochenen Adressaten auf, jedoch werden, wie aus dem nachfolgenden Zitat
hervorgeht, Österreich und Russland als indirekte Adressaten erwähnt: „Alle diese
Punkte sollen sowohl durch ein schriftliches Diplom, als auch durch einen Eid
bekräftiget und verwahret werden, wie auch mit der kaiserlichen Bestätigung, dass es
mit Vorwissen Österreichs und Russlands geschehe.” (ib.). Ebenso werden höhere
Machthaber und eine Obergewalt genannt (§.5. und §.32.).
Die semantischen Themen der Forderungen lassen sich nach der Chronologie ihrer
Erwähnung im Text folgendermaßen reihen:
• Reduzierung des griechischen Einflusses an der Landesspitze (und damit
Entgräzisierung der wichtigsten Staatsfunktionen, §.1.), starke Reduzierung der
Zahl der Geistlichen griechischer Abstammung im Lande (und damit
Entgräzisierung der kirchlichen Institutionen, §.2)
• Abgabenreduzierung (§.3.); implizit auch in der Forderung der Gültigkeit der
früheren Abgabenbestimmungen unter Caragea (§.5.); Reduzierung der
Grenzzölle (§.6.); Reduzierung der Collecten (§.7.); Reduzierung der Taxen von
Suppliken, Privilegien und allen Dokumenten auf die Höhe der unter Ipsilanti
geltenden (§.9.); Reduzierung der Abgaben am Gericht bzw. auf den Dicasterien
(§.15.); Reduzierung der Zollgebühren (§.20.); Reduzierung der Ankaufgebühren
von Waren (§.21.)
68
• Gesetzesänderung (Ersetzung der Anordnungen von Suţu durch die unter Caragea
geltenden, §.4)
• Schädigung des Landes (durch den amtierenden Landesfürsten (§.4., §.12., §.23.),
implizit – Schädigung durch Subsidien und Missbrauch (§.10.); Schädigung durch
die Repräsentanten des Landtags (§.12.); Schädigung durch die Hofbeamten
(§.22.); Schädigung durch bestimmte Personen (§§.28.-31.); (Schädigung des
Landes implizit durch) Missbrauch durch Taxen (§.19.); (implizit durch)
Missbrauch bei Zollabnahmen (§.20.); (implizit durch) Missbrauch durch
Handelstaxen (§.21.)
• Neuorganisation der Landesverwaltung (Landtagssitzungen nur alle 12 Jahre,
§.4.); Abschaffung der Provisorate samt ihrer Beamten (§.12.); Abschaffung der
Hauptmannschaften (§.16.)
• Verbindlichkeit der Verträge von 1774 (§.5.)
• Aufhebung von Zoll (für Tiere und Waren) in Städten und Dörfern (§.6.)
• das Wohl des Landes (§.6.; implizit in jeder Thematisierung von Schädigung und
Missbrauch (siehe oben)
• das Aufhören des Ämterverkaufs (politischer wie geistlicher Ämter) / Korruption
(§.7.)
• die Vergabe von Würden nach Verdienst (§.8.)
• die bedingte Befreiung von Subsidien für Unterthanen und Künstler [in der
vorliegenden Transliteration von Oţetea geschrieben Künstker, 1959, 276] sowie
unbedingte Steuerfreiheit ihrer unverheirateten Söhne (§.9.)
• Abschaffung von Subsidien (§.10.); Abschaffung der Privilegien für und
Subvention von Ausländern (§.11., §.14., §.17.)
• Aufstellung einer Ordnungstruppe (§.13. und §.24.)
• Der Wille des Volkes (§.17.; auch §.18.)
• Ersetzung des Metropoliten (§.18.)
• Regulierung der Preise für Nahrungsmittel in den Städten (§.19.); Fixierung von
Zollgebühren und Beamtensold (§.20.)
• die unveräußerbare Symbolik der Fürstenfamilie (§.26.): „Wägen mit Gold und
Silber verziert, ebenso grosse Hüte werden verbothen [keine Punktuation]
niemand ausser der Familie des Fürsten darf sich derselben bedienen.”
69
• Abschaffung der Abgabenpflicht für den Brückenbau in Bukarest (§.27.)
• Konkrete Strafmaßnahmen für Betrug und Schädigung des Landes (§.28., §.29.,
§.30., §.31.)
• die (suggerierte) Bestimmung von Tudor Vladimirescu als neuen Regenten der
Walachei, die Verteidigung des Vaterlandes:
„Slotser Theodor Vladimiresk, der von dem ganze[n – fehlt in der
transliterierten Version von Oţetea] Volke der Wallachen als ein wohlthätiger
Vater [im rumänischen Text – „părinte binefăcător”, also „guter Vater”]
gewählt und bestimmt ist, unser Oberhau[p - fehlt]t und sorgfältiger Regierer
zu seyn, soll mit allen andern Vorstehern (praepositis) die Sorge für das
innere und äussere Wohl tragen; alle die mit ihm sind, sollen dem Volke und
dem Vaterlande dienen und dafür Abgabenfrey [sic] seyn. Sie sollen von der
Obergewalt geehrt und in ihren Forderungen befriediget werden.“ (§.32.)
• die Versorgung des (aufständischen) Volkes und der Eid von Bojaren, Bischöfen
und dem zukünftigen Landesfürsten auf das Programm (sowie die Kenntnisnahme
darüber seitens Österreichs und Russlands): „Alle Vorräthe oder Nahrungsmittel,
was immer das Volk von den Klöstern [ohne Punktuation] Bojaren und
Handelsleuten zum Essen und Trinken bezieht, soll aus dem Aerarium [im
rumänischen Text vistierie, Staatskasse] vergütet werden:
„Alle diese Punkte sollen sowohl durch ein schriftliches Diplom, als auch
durch einen Eid bekräftigt und verwahret werden, wie auch mit der
kaiserlichen Bestätigung, dass es mit Vorwissen Österreichs und Russlands
geschehe. Mit dem Anfange eines jeden Fürsten-Regiments oder der neuen
Herrschaft sollen die Bojaren und Bischöfe gehalten seyn, mit diesen Punkten
an den Ufern der Donau vor dem (neuen) Herrn zu erscheinen. Der Herr soll
verhalten werden, dieselben zu unterschreiben und sonach erst in die Provinz
einziehen.“ (§.33.)
Über die Ereignisse von 1821 und die Textcharakteristik der Cereri bestehen unter den
Historikern Meinungsverschiedenheiten. Während Keith Hitschin von einer
„combination of political programme and constitution” spricht (1996, 150), spricht
Dan Berindei eher von einem Revolutionsprogramm (cf. programul revoluţiei; 2003,
33-35). Hier wollen wir deshalb die einzelnen Paragraphen kurz bezüglich ihrer
Texttypologie bestimmen. Die vorgeschlagene Besetzung für Ämter des Fürstenrats ist
konstitutionell, die implizit geforderte Reduzierung der griechischstämmigen Räte
programmatisch (§.1.); die implizit geforderte Räumung der klerikalen Stätten, die
Einrichtung von Schulen mit türkischer Sprache und die – implizit verlangte –
institutionelle sowie finanzielle Zuständigkeit der [nationalen] Kirche für die
Volkbildung (§.2.) programmatisch und konstitutionell; die Reduzierung von Taxen
(3.§.) programmatisch; die vorgeschlagene Gesetzesänderung und der Vorschlag für
eine Neuregelung der Landtage (§.4.) konstitutionell; die Rückkehr zu früheren
gemäßigteren Abgaberegelungen (§.5.) programmatisch; die Aufhebung von Zoll für
Tiere und Waren in Städten und Dörfern und die Reduzierung der Grenzzölle (§.6.)
70
programmatisch; das Abstellen des Verkaufs kirchlicher und politischer Funktionen
(§.7.) sowie das Abstellen der Titelvergabe um Geld (§.8.) programmatisch und
konstitutionell; die Reduzierung von Taxen von Suppliken, Privilegien und allen
Documenten sowie von Subsidien (§.9.) programmatisch, die Einhebung von Steuern
nach dem Bedarf des Landes (§.9.) – in späterer Terminologie – „konstitutionell”, die
geforderte Steuerbefreiung für Unterthanen und Künstler (§.10.) konstitutionell; die
Abschaffung der Provisorate samt Beamten (§.12.) programmatisch; die Aufstellung
eines eigenen Heeres (§.13.) konstitutionell; das Stoppen von Subventionen für
Ausländer (§.14.) programmatisch; die Reduzierung der Taxen auf den Dicasterien
(§.15.) programmatisch; die Abschaffung der Hauptmannschaften (§.16.)
konstitutionell; die Gewichtung des Willens des Volkes (§.17. und §.18.)
konstitutionell; die Ersetzung des Metropoliten nach dem Wunsche der Gemeinde
(§.18.) konstitutionell; die Regulierung von Zollgebühren und Beamtensold (nach den
Verordnungen des Landeszolls im Ausmaß einer Dreissigtelgebühr sowie die nicht
Überschreitung von 10 Lei täglich für Aufseher und Beamte, wie es der in den Jahren
1793-1796 und 1799-1801 in der Walachei herrschende Alexandru Moruzi festgelegt
hatte, §.20.) programmatisch; das Fortjagen des Landesfürsten samt seiner Familie
(§.23.) programmatisch; die – implizit intendierte – Aufstellung eines Berufsheeres
(§.24.) konstitutionell; die Regulierung der bedingten Steuerfreiheit für sich neu
Ansiedelnde, für Unverheiratete, Künstler und Hirten (§.25.) konstitutionell; die
Symbolik, die der Fürstenfamilie vorbehalten werden soll (§.26.) konstitutionell; die
Abschaffung der Abgabepflicht für den Brückenbau in Bukarest (§.27.) und die
konkret vorgeschlagenen Maßnahmen gegen bestimmte Personen (§§.28-31.)
programmatisch; die (suggerierte) Selbstbestimmung von Tudor Vladimirescu zum
Landeshauptmann (§.32.) programmatisch; die Versorgung der Aufständischen durch
die Staatskasse (§.33.) programmatisch und die gewünschte Beeidung des Programms
durch den zukünftigen Fürsten (§.33.) konstitutionell.
Da die Historiographie zu Rumänien immer wieder die Frage aufwirft, inwieweit
Tudor Vladimirescu sozial, für oder gegen die Bojaren, inwieweit er „national”,
(anti)phanariotisch, (anti)osmanisch etc. eingestellt war (Hitchins 1996, 141-152),
sollen die Forderungen hinsichtlich diesbezüglicher Hinweise untersucht werden. Der
erste Paragraph forderte, wie schon erwähnt, eine Reduzierung der fürstlichen
Gefolgschaft griechischer Abstammung auf höchstens vier Beamte (einen Rath, einen
Kämmerer, einen Wacheaufseher, einen Secretär). Seit 1711 in der Moldau und seit
1716 in der Walachei ernannte der Sultan die Landesherren aus byzantinischen
Familien des Istanbuler Stadtviertels Phanar (Hitchins 1996, 150). Sie kamen in
Begleitung eines eigenen Gefolges, rumänisch suită. Zu diesem gehörten
beispielsweise neben einer Leibwache, gardă de corp, auch diplomatische Agenten
(Oţetea 1971, 35-40). Die dem Text zufolge „geduldeten” Würdenträger entsprechen
in der rumänischen Version einem postelnic mare, einem cămăraş, einem
portarium/portar und einem grămătic mare und damit einem ehmaligen Wächter
(Tiktin, s.v. postelnic mare; Eliade 2000, 59: der postelnic wacht mit einem silbernen
buzdugan bewaffnet, zu Füßen des Throns), einem Verwalter der Schatzkammer
(DLR, s.v. cămără; Eliade 2000, 59: marele cămăraş ist der Schatzmeister/vistiernic
des Fürsten, sein Vertrauensmann, derjenige, der über den anderen fürstlichen slugi
steht, der der nach Russland geht, um für den Fürsten Felle/Fellbekleidung zu kaufen),
71
einem Zolleinnehmer (Oţetea 1959, 274, Fußnote 2) und dem Kanzleischreiber
(Tiktin, s.v. grămătic mare).
Der Text fordert konkret eine numerische Reduzierung der griechischen / gräzisierten
Räte und des Gefolges des Fürsten, implizit also eine generelle Reduzierung der
Einfluss- und Handlungssphäre der Phanarioten, stellt aber die grundsätzliche
Regentschaft eines griechischen Landesfürsten nicht in Frage. Eine deutlich
antigriechische Haltung spiegelt sich aber in der Forderung, den griechischen Klerus
stark einzudämmen (§.2.), und der griechischen Sprache, welche als vorrangige
Bildungssprache in der Walachei von 1821 anzunehmen ist (Völkl 1995, 19), die
türkische vorzuziehen.
Die phanariotischen Fürsten pflegten, wie schon gezeigt worden ist, in ihrer
Regentschaft möglichst viel Geld einzunehmen, um die für den Thron bezahlten
Summen zurückzugewinnen oder um die Gefolgschaft oder sich selbst in der Zeit nach
der Regentschaft gut zu erhalten (Oţetea 1971, 39-40). Erdrückend waren auch die für
das Gefolge des Fürsten abverlangten Steuern. Alexandru Suţu beispielsweise soll mit
820 Personen, darunter rund 80 Verwandte und 100 Arnauten (Wachen und Söldner
albanischer Herkunft) in die Walachei gekommen sein. Wie schon gezeigt, verwies ja
schon der k.k. Hofagent und Berichterstatter Fleischhackl in einem Bericht vom 16.
Jänner 1821 an den Wiener Hof, dass die Steuern nochmals unmäßig erhöht zu werden
drohten. Ähnlich beschreibt auch Dârzeanu die Situation für das Volk (in Iorga 1921,
62-64): Die Regentschaft von Alexandru-Suţu Voievod hätte noch schlimmere
Ausbeutung gebracht, als sie bereits unter seinem Vorgänger Ion-Vodă Caragea
(Herrscher der Walachei 1812-1818 cf. Dicţionar enciclopedic 1993 und Diaconovich
1898-1904 s.v. Caragea) geherrscht hatte. Auf letzteren geht die Condica oder
Legiuirea lui Caragea – ihrerseits von Ipsilantis Pravilnicească Condica aus dem
Jahre 1780 inspiriert – zurück, die die Bauern bereits schwer belastet hat (Dicţionar
Enciclopedic Junior, s.v. Caragea; Völkl 1995, 15-20). Die steigende steuerliche
Unterdrückung erscheint noch deutlicher, beachtet man das Resümee von Pompiliu
Eliade über die Steuerpolitik von Ion Caragea (2000, 90-92).
Die geforderte Rückkehr zu vorangehenden kleineren Abgabepflichten (§.4. und §.5.),
wie sie der zuvor gültige Kodex festlegte, ist per se als nicht im Interesse des Fürsten
oder der Bojaren zu sehen, allerdings keine grundsätzliche Abschaffung von
Steuerpflichten. Eine radikalere Forderung, die sich letzten Endes gegen die Verwalter
des „Staatsschatzes“ richtet, ist demgegenüber jene, dass „Die von allem Vieh, so wie
von Waaren [sic] seit einiger Zeit, unter dem Titel des Staatsschatzes abgeforderten
Zölle sollen in Städten und Dörfern aufgehoben werden.“ (§.6.). Kaum im Interesse
der „staatlichen Verwalter“, jedoch im Sinne des (beginnenden) „Mittelstandes“ wie
der unteren Klassen der Gesellschaft formuliert der Text das Ziel der
Abgabenreduzierung für Händler (Zoll soll nur an den Landesgrenzen einbehoben
werden), aber auch für Unterthanen, Gewerbsleuten und Künstler (§.6. und §.9. In
§.25.) und die an den Zivilstand gebundene Steuererleichterung für Hirten: „Ebenso
die Hirten nach der alten vaterländischen Gewohnheit [sollen bis zu ihrer Heirat
abgabebefreit sein].“. Das Volk sollte auch durch die Abschaffung der Abgabepflicht
für den Brückenbau in Bukarest (§.27.) eine Entlastung erfahren. Überdies wird in den
72
Forderungen eine Regulierung von Abgaben, Zöllen (§.6., §.20.) und Provisionen für
Waren verlangt (§.20.), welche der Belastung der Steuertragenden und dem Wucher,
der mehrfach im Text attestiert wird, entgegenwirken sollte.
Als eine „soziale“ Haltung, aus der Tudor Vladimirescu allen Einwohnern des Landes
gerecht werden zu wollen scheint, ist die Forderung nach „Schulen [in türkischer
Sprache]“, zu welchen „die Jugend der wallachischen Nation, reich und arm, den
Zutritt habe und auf Kosten der Kirchenschatzes [sic im Text: Kirchebschatzes]
gelehrt werde [sic im Text: werden]“ (§.2.). Eine „soziale“ Haltung spiegeln auch die
vielen geforderten Abgabereduzierungen (z.B. cf. §.3.).
Der Diskurs über die Verbesserungen für das Volk formuliert andererseits sehr
deutlich einen Missbrauchsvorwurf an die Adresse des Landesfürsten (§.23.), an den
die Sedriae stellenden Adel (§.4., cf. „Adunare a nobililor dintr-un ţinut, cf. DLR, s.v.
sédrie) bzw. an die mittels Geld aufgestiegene(n) Aristokratie bzw. Bojaren: „Alle
sowohl politische als geistliche Ämter im Reiche, vom grössten bis zum kleinsten,
sollen künftig nicht mehr ums Geld vergeben werden…“ (§.7.; dies gilt auch für
Würden in §.8.; Privilegien für Ausländer („Alle Vorrechte der Ausländer sollen
gänzlich vernichtet werden.“, §.11. und §.17.) und viele Beamte („Alle Provisorate der
Dominien mit allen Beamten sollen weggeschafft werden, da sie dem Vaterland nur
zum Schaden dienen.“, §.12.)). Diese Forderungen scheinen eine Reaktion auf
Missstände zu sein, die in der Historiographie zu Rumänien beschrieben wird: „So
wurden unter anderem die Ämter, vom Minister bis zu den unteren
Verwaltungsposten, auch der Metropoliten und Bischöfe, gegen Geld vergeben, und
deren Inhaber benutzten wiederum dieselben Methoden, um sich ihrerseits schadlos zu
halten. […] Diese Praktiken, die allerdings schon vor der Fanariotenzeit ihren Anfang
genommen hatten, fanden in der Bojarenschicht Nachahmung und wurden vielfach zu
der Gewohnheit, daß die Amtsinhaber ihr Amt als Mittel einer großzügigen
persönlichen Bereicherung verstanden.“ (Völkl 1995, 19-20). Es war Constantin
Mavrocordat, mehrmaliger Herrscher in der Walachei und der Moldau in der Zeit 1730
bis 1769, welcher diese Situation ausgelöst hatte, indem er als Kriterium für den
Bojarenstand statt der Abstammung, Funktionen und Ämter – die er selbst vergab und
die das Einkommen der Borajen garantierten – festgelegt und damit den traditionellen
Adel völlig entmachtet hatte. Insbesonders in der Zeit nach den Regulamente Organice
(1831, 1832) stieg, so schreibt Vlad Georgescu (1992, 140 ss), die Zahl der „Bojaren”
weiter an, in Siebenbürgen z.B. im Zeitraum 1832-1858 von 766 auf 3013 Titel. Erst
1858 wurden die Bojarenränge, die de facto nichts mehr bedeuteten, ganz abgeschafft
(ib.).
Der Text ruft zu unterschiedlichen konkreten Strafvorgehen auf (Verlassen der
Heimat, Wegnahme des Besitzes, Entfernung aus dem Beamtendienst) gegen
verschiedene Personen – Oţetea erwähnt („Die Herren Kaminan Bibika, Stolnik,
Winschoran“, „Hadsi Janos“, „Herr Bivelló“, „Die Herren Bevel Aga Alekak Vélara,
Divel Kiriak Stolnik“, §§.28-31.) –, die andere, unschuldige getötet haben (§.28.), in
der Funktion des Schatzmeisters Gelder genommen haben oder Landesverrat (§.30.)
bzw. Landesschädigung (§.31.) begangen bzw. verursacht haben. Auch der Metropolit,
weil er nicht mit der Zustimmung des Volkes gewählt wurde, soll das Land verlassen
73
(§.18.) wie auch die Fürstenfamilie mit ihren Dienern, weil sie dem Lande aufs
Äußerste schadeten („weil selbe die Mörder und Räuber der Provinz sind“, §.23.).
Tudor Vladimirescu fordert die Erlaubnis zur Aufstellung von 4 200 Mann (4 000
Panduren und 200 Arnauten) zum Zwecke der Verteidigung des Landes, zum Prunke
der Städte und zum Einsatz gegen Epidemien. Diese Männer sollen von Abgaben
befreit und von den Klöstern (gering) besoldet sein (§.13.). Er fordert später im Text
(§.24.), dass zukünftig die Compagnien, also militarärischen Einheiten nicht mehr aus
Provinzialen, also Bauern und Dörflern, gestellt werden. Diese Passage skizziert den
Beginn einer neuen Konzeption der Landesstreitkraft, die nicht mehr aus dem
(mittelalterlichen) Bauernheer gestellt werden soll.
Die Bezeichnung des Gebietes der Walachei gibt außerdem Aufschluss auf eine
bestimmte Ideologie des Textverfassers. Auf die Walachei und die Einwohner bezieht
dieser sich mit den Begriffen Provinz (§.1., zweimal in §.2., dann §.25.), <die
wallachische Nation> (§.2.), <das ganze Volk der Walachen> (§.32.), <das Reich>
(§.6., §.7., §.30.). Auffällig häufig wird der Begriff <Vaterland> verwendet: zweimal
in §.4., dann in §.6., §.7., §.8., §.12., §.13., §.18., §.19., §.20., §.28., §.29., §.30., §.31.,
§.32.) sowie auch in der Forderung: „Ebenso [sollen von Geldabgaben frey seyen] die
Hirten nach der alten vaterländischen Gewohnheit” (§.25.). Andere Staaten werden als
Nationen bezeichnet: „Der Zoll soll nur an der Gränze, von den ein– und ausgehenden
Waaren und Viehtriben abgefordert werden, wie es bey cultivirten Nationen üblich ist,
denn aus dieser Ursache hörte der Verkehr auf und das Vaterland gerieth in Geldnoth.“
(§.6.; cf. auch §.4.), das osmanische Reich als <türckisches Gebiet>: „die Ausfuhr
[soll] gegen das türckische Gebieth hin, frey seyn.“. Eine Textstelle spiegelt eine vage
Konzeption eines entscheidungstragenden Volkswillens wider: „Der neue Metropolit
soll von seinem Sitze gejagt werden, weil er nicht mit Zustimmung des Volkes
gewählt wurde;“ (§.18.).
IV.10. Interpretation der Proklamation von Padeş und der Forderungen, welche
das wallachische Volk in der Wallachey macht
In der rumänischen Historiographie wird, wie es das folgende Zitat belegt, die
Bedeutung von 1821 oft als Revolution mit nationalen Zielen interpretiert, die
gleichzeitig auch gegen die feudale Ordnung und osmanische Herrschaft gerichtet war:
„Mişcarea din 1821, condusă de Tudor Vladimirescu, a fost o revoluţie naţională,
îndreptată în acelaşi timp împotriva orînduirii feudale şi împotrivă dominaţiei
otomane.” (Andrei Oţetea 1971, Întroducere, 31, cf. auch die „revolutionary claims” in
Pop/Bolovan 2006, 459). Dieser Interpretation können wir nur teilweise zustimmen.
Wie die Analysen gezeigt haben, wird weder in der Proklamation von Padeş noch in
den Forderungen die politische Oberhoheit der Pforte in Frage gestellt. Tudor
Vladimirescus wesentliche Gegner sind die griechische/gräzisierte Landesspitze, die
griechische Aristokratie und die einheimischen Bojaren und die gräzisierten Bereiche
der Kirche und die einheimische Kirchenspitze.
Die Proklamation von Padeş richtet sich nur gegen zweitere, die Forderungen
hingegen gegen einen zu stark gräzisierten Hof, gegen Privilegien der Bojaren und
74
gegen die vollständige griechische Beherrschung der Kirche. Die griechische
Landesspitze wird nie in Frage gestellt, ein Endziel der politischen wie
wirtschaftlichen Herrschaft der Osmanen, wie es Keith Hitchins formulierte, nicht
deutlich. Der Ton ist in beiden Texten Tudor Vladimirescus ein deutlich
antigriechischer, nicht aber antiosmanischer. Es ist möglich, dass hier dieser dieser
Ton aus einer rein pragmatischen Haltung des Tudor Vladimirescu kam: „Obviously,
for diplomatic reasons, but also because he had reservations about the Hetairia´s
efficient organization and the possible Russian intervention in support of the
Romanians and the Greeks, Tudor tried not to offend the Ottoman Porte´s sensibilities.
Consequently, in order to forestall a quick Turkish intervention, the anti-Ottoman
national objective was not included in the official documents of the revolution.”
(Pop/Bolovan 2006, 459). Aus der Frage der staatlichen Genese des späteren
Rumänien aber ist gerade dieser Aspekt relevant. Im Moment der Redaktion bzw. der
Verkündigung der Forderungen konnte der deutliche Wille zu einem Umsturz der
osmanischen Herrschaft (noch) nicht artikuliert werden, die Autonomie und
Souveränität des Landes (der Walachei) war noch lange nicht gegeben und seine
Abhängigkeit von der Pforte bzw. vom Kräftemessen der Äußenmächte untereinander
noch sehr deutlich. Die Entstehung des späteren Staates verlief, dies wird hier sehr
deutlich, über eine Phase der Entgräzisierung (an der Landespitze, der Kirche, der
Bildung). Die Bewegung unter Tudor Vladimirescu ist in dem Sinn „national”, als dass
sie den Außenmächten staatliche Domänen schrittweise zu entziehen versuchte. Sie ist,
anders als ihr oft zugewiesen (Pop/Bolovan 2006, 460), noch keine national-staatliche
im Sinne der (späteren) Einheit der Walachei und der Moldau. Tudor Vladimirescu
formulierte seine unmittelbaren Ziele vor allem in Beziehung auf die Walachei.
Die beiden Texte haben unterschiedliche explizite und intendierte Adressaten. Die
Proklamation von Padeş ist primär an die Bauernschaft gerichtet, dokumentiert aber
auch, dass die Hohe Pforte ins Kalkül zu ziehen ist, und dies diskursiv in einem
besänftigenden Ton auch geschieht („Vechilul lui Dumnezău, preaputernicul nostru
împărat, voeşte ca noi, ca nişte credincioşi ai lui, să trăim bine.”). Das Bewusstsein,
die Schutzmächte Russland und Türkei in die Politik der Walachei miteinbeziehen zu
müssen, ist in den Forderungen noch deutlicher. Das Zaren- und das österreichische
Kaiserreich werden als Garantiemächte für das walachische Fürstentum explizit
angerufen. Die Botschaft der beiden Texte ist etwas anders akzentuiert, jedoch im
Wesentlichen analog. In der Proklamation von Padeş kritisiert Tudor Vladimirescu
explizit die Landesverwaltung und die Kirche (căpitaniile politiceşti şi bisericeşti) als
Verursacher des schweren Missstands im Land und fordert das Volk auf, sich gegen
die Ausbeutung (im Text als robie wiedergegeben) zu erheben. Der Text liefert uns im
Aufruf zur Erhebung nur gegen einen Teil der Bojaren ein textimmanentes Kriterium
dafür, dass robie hier nicht im Sinne von <Leibeigenschaft>, sondern von figurativer
<Ausbeutung> steht und daher nicht die Abschaffung des ganzen Feudalismus als
gesellschaftlicher Ordnung anvisierte, sondern nur eine Milderung des ausbeuterischen
Systems. Argumentation und Ton der Proklamation von Padeş sind religiös-
moralisierend (den späteren Texten der 1848-er Revolution auffallend ähnlich). Die
Cereri hingegen rufen zu den Einschränkungen der Ausbeutung durch die Aristokratie
auf bzw. zu den konkreten inneren Reformen dafür. Diese Reformen sind in erster
Linie Reformen der Abgabepflichten durch Privilegienabbau und Ausmärzung des
75
finanziellen Missbrauchs in Staat, Verwaltung, verschiedenen Ämtern (wie Polizei,
Zoll) und der Kirche (cf. §.7., §.19., §.20.).
Da wir auf die Rolle eingehen wollen, die der oltenische Anführer spielen wollte, ist es
uns wichtig, an dieser Stelle eine politologische Definition davon zu geben, was im
Frühjahr 1821 hypothetisch in der Walachei stattgefunden haben könnte. Es folgt ein
Zitat, welches den Staatsstreich (und implizit den Putsch und die Revolution)
politologisch definiert. Der Staatsstreich gilt als „eine plötzliche gewaltsame
Regierungsänderung, durchgeführt von Trägern staatlicher oder militärischer Macht
unter Ausnutzung der ihnen verliehenen Befehlsgewalt. Der Staatsstreich ist das
Gegenstück zu einer Revolution; von dieser unterscheidet er sich dadurch, daß er «von
oben» durchgeführt wird, während die Revolution «von unten» kommt. An einer
Revolution beteiligen sich große Volksmassen, wogegen ein Staatsstreich ohne
Volksbeteiligung erfolgt, ja bis zu seiner Durchführung vor dem Volke
geheimgehalten wird. In der Regel wird allerdings auf nachträgliche Zustimmung oder
zumindest Gleichgültigkeit des Volkes gerechnet. Der Staatsstreich wird von dem
bestehenden Staatsapparat, insbesonders dem Militär oder Teilen davon durchgeführt.
Seine Urheber sind staatliche Funktionäre oder hohe Offiziere, die ihre Befehlsgewalt
dazu benutzen, Truppen, Polizei oder sonstige Teile des Staatsapparates gegen die
bestehende Regierung einzusetzen. Diese Befehlsgewalt leitet sich von der bisherigen
Regierung her, die sie ernannt hat, benutzen sie aber, um diese Regierung zu stürzen.
Bei einer Revolution hingegen besitzen deren Führer zunächst keine Autorität; sie
verleihen sie sich im Zuge der Revolution selber bzw. lassen sie sich von den
Volksmassen verleihen. Der Staatsstreich wird oft auch Putsch genannt, worin sein
Charakter als überraschender Schlag zum Ausdruck kommen soll. Doch sind die
beiden Begriffe nicht identisch; als Putsch kann auch ein Aufstand subalterner
Offiziersgruppen oder bewaffneter politischer Gruppen bezeichnet werden, die nicht
die hohe Machtstellung besitzen, die die Voraussetzung für die Durchführung eines
wirklichen Staatsstreiches ist. Der Putsch steht seinem Wesen nach einer Revolution
näher als einem Staatsstreich, obwohl er gleichfalls ohne Massenbeteiligung erfolgt
und seine Technik meist der des Staatsstreiches ähnelt.” (Theimer 1955 s.v.
Staatsstreich).
Tudor Vladimirescu suggeriert, wie gezeigt wurde, im Epilog der Forderungen, dass
er das zukünftige, vom Volk gewählte Oberhaupt der Walachen sei, mit der
Verantwortung für das innere wie äußere Wohl. In dieser Verkündigung Tudor
Vladimirescus als gewählten Regenten der Walachei, klärte er jedoch in keiner Weise
die Beziehung zwischen ihm und dem – den Forderungen zufolge vorgesehenen –
zukünftigen Landesfürsten (Hitchins 1996, 151). Der Vertrag von Küçuk-Kaynarci
von 1774, Artikel XVI.9., sah einen Sekretär der Fürsten aus der griechischen
Gemeinschaft vor. Diese Person genoss Immunität im internationalen Rahmen und
war eine Art Kontrollinstanz über die Geschehnisse in den Fürstentümern. In
demselben Vertrag versuchte man die Macht dieses Sekretärs abzuschwächen:
„Poarta îngăduie domnitorilor acestor duoă state să aibă pe lîngă ea un
însărcinat cu afaceri, ales dintre creştinii comunităţii greceşti, care vor veghea
asupra treburilor privind numitele principate şi vor fi trataţi cu bunătate de către
76
Poartă şi, în ciuda neînsemnatei lor importanţe, vor fi consideraţi ca persoane
care se bucură de dreptul internaţional, adică vor fi la adăpost de orice violenţă.
(1774, iulie 10/21, Küçuk-Kaynarci, 227-229).
Keith Hitchins beschrieb die Forderungen als „a combination of political programm
and constitution” (1996, 150). Betrachten wir den Text genau, lässt sich erkennen, dass
seine Botschaft etwas stärker programmatisch, im weiteren Sinne also eine Revolution
tragend, ist als konstitutionell, also eine konzeptionelle Modellierung staatlicher
Organisation tragend. Gleichzeitig erhärten die Analysen eine zweite Charakteristik
des politischen Geschehens. Ob nun von Alexandru Suţu eingesetzt, von einem Teil
der Bojaren gestützt oder nicht, in jedem Fall überschritt Tudor Vladimirescu als nicht
griechischstämmiger Oltenier und Bojare niederen Ranges in der – in den Cereri –
impliziten Forderung einer Position an der Landesspitze der Walachei das politische
„Protokoll” der Zeit, sowohl gegenüber den einheimischen Bojaren, den gräzisierten
Bojaren, den Phanarioten und der Pforte. Tudor Vladimirescu erscheint diskursiv als
durch das Volk gewählt und somit legitimiert, jedoch gegenüber den politischen
Autoritäten als die Macht von sich aus ergreifend. Den Texten zufolge, erscheint die
Bewegung des Tudor Vladimirescu Revolution und Streich (eine Parallele zur
Verkündigung der CSFN, wie sie im Dezember 1989 in Rumänien stattfand).
Wenn wir Tudor Vladimirescus Forderungen auf die von uns gewählten
Begrifflichkeiten (Kap. III.) untersuchen, stellen wir fest: Die Proclamaţia de la Padeş
und die Forderungen, welche das wallachische Volk in der Wallachey macht
reflektieren in ihren konstitutionellen Passagen die Ideologie einer (ersten)
Demokratisierungswelle gemäß der Französischen Revolution und den
Menschenrechten. Erst anhand einiger Punkte wird eine vage Staatskonzeption
festgemacht. So spiegelt sich an verschiedenen Stellen z.B. eine erste Konzeption
dessen wider, was sich als Allgemeiner Wille, später opinie publică, entwickeln wird,
so in der allgemein bestätigten Wahl der Landesvertreter wie auch eines allgemeinen
Volkswohls („să se aleagă [sic] din căpeteniile noastre cei care pot să fie buni”, „ai
noştri ... vor lucra binele”, „adunarea cea orînduită pentru binele şi folosul a toată
ţara.”; Bodea I, 63). Ein anderer Begriff von Staatlichkeit ist das Gemeinwohl, binele
obştesc, dass konzeptuell mehrfach thematisiert wird, natürlich noch nicht in der
vollen Begrifflichkeit, die sich später dafür entwickeln wird. Der Diskurs der
Proklamation von Padeş sowie die Forderungen ist ein beginnender national-
populistisch ausgerichteter Diskurs, der auf das Fürstentum der Walachei fokussiert
war.
77
V
CERERILE CELE MAI ÎNSEMNĂTOARE CE SE FAC
DIN PARTEA OBŞTIEI MOLDOVIEI AUS DEM JAHRE 1822
(DIE SOGENANNTE „CĂRVUNARI-VERFASSUNG”)
V.1. Sozial-politischer Kontext der Reformvorschläge von 1822
Bevor wir unseren dritten Text, - die im Nachhinein als moldauische Verfassung der
cărvunari (Köhler) von 1822 genannten Reformvorschläge - analysieren, gehen wir
hier kurz auf die politische, v.a. aber soziale Situation ein als wesentlicher Hintergrund
für die Entstehung dieses Textes. Auf die Niederschlagung der Bewegung des Tudor
Vladimirescu folgte von 1821 bis 1822 die türkische Besetzung der Walachei und
Moldau, die von der Regentschaft des Ioniţa Sandu Sturza, des ersten autochthonen
Landesherrn der Moldau (1822-1828), und einer neuen, diesmal russischen Besetzung
der Moldau (1828 bis 1834) gefolgt wurde (Barnovschi [1923], 65). Was die
Gesellschaft der Moldau betraf, so war bis zum Ende des Phanariotenregims die
oberste Gesellschaftsschicht in zwei Klassen zerfallen. Der ersten Klasse entsprach die
aus nur wenigen, teilweise landesfremden Familien bestehende Aristokratie:
„Aristocraţia conducătoare se reducea la câteva zeci de latifundiari […], membri
numai ai câtorva familii, mai mult sau mai puţin vechi, mai mult sau mai puţin
moldoveneşti;“ (Barnovschi [1923], 23, 26). Als russophile Schicht hielt sie mit ihren
Besitzungen und den wichtigsten Ämtern die eigentliche Staatsmacht in den Händen.
Sie bildete die die oberste Adelsklasse (protipendadă), der es einzig zustand, als
Zeichen des Ranges einen Bart zu tragen (NDU, s.v.).
Die zweite, eher autochthone, antirussischgesinnte, in sich eher kohärente und
numerisch größere Klasse waren die Mittel- und Kleinbojaren. Die rumänische
Historiographie kennt für diese Gesellschaftsgruppe viele Ausdrücke, unter anderem
boieri mici, boieri de ţară, mazili, boiernaşi, boierime secundară, boierime de mijloc.
Diese waren zwar, wie die Großbojaren, von aristokratischer Herkunft, hatten jedoch
ihre moşii, Gutshofbesitzungen, und damit auch ihren politischen Einfluss verloren
(Daher auch die weitere Bezeichnung bei Barnovschi als boierimea dezmoştenită,
<Bojaren, die ihr Erbe verloren haben>, [1924], 29, 130). Diese Bojaren konnten keine
„Staatsämter” besetzen, waren aus dem Diwan ausgeschlossen und konnten auch
keinen Handel betreiben, da dieser nicht als îndeletnicire nobilă, adelswürdige
Tätigkeit, galt (Barnovschi [1923], 26). In ihrer Abstammung, wie schon erwähnt, den
mari boieri divaniţi, den Großbojaren des Diwans, gleich, waren sie in ihrem Status zu
birnici, Steuerträgern herabgefallen (Barnovschi [1923], 27-18). Als solche wurden sie
von den Städtern verächtlich mazili genannt und spezielle Gesetze sahen für sie
niedere Dienste, z.B. die Bewachung von Tierherden fremder Händler, vor (Eliade
2000, 55). Diese Spaltung der Bojaren in eine aristokratische und eine adlige Klasse
hatte bereits im 17. Jahrhundert ihren Ausgang genommen und sollte unter Ioniţă
Sandu Sturza einen Höhepunkt erreichen. Als Repräsentant der Kleinbojaren sollte
dieser Fürst – zur Unzufriedenheit der Großbojaren – verschiedenste Familien
(neamuri) und Personen des Kleinadels (mazili) in den Bojarenrang erheben, eine
78
Maßnahme, die bis zur Konvention von Akkerman hielt (Lovinescu I, [1924], 62-63,
Fußnote 2).
Neben einer Reihe von rumänischen Kaufleuten und einigen wenigen Bojaren der
protipendadă, der Bojaren ersten Ranges, wie auch Elitevertretern der iobăgime,
Bauernschaft, waren es vor allem jene mittellos gewordenen Mittel- und Kleinbojaren,
die politische und soziale Änderungen in der Moldau wünschten; sie waren gebildet,
gräzisiert und hatten v.a. das Ziel, – zuerst noch – gemeinsam mit jenen, die an der
Macht waren, an der Machtausübung bzw. Staatsleitung teilzuhaben (Barnovschi
[1923], 28-30). Aus dieser sozialen Schicht bildete sich ab ca. 1821 die von
Barnovschi genannte partida novatorilor (ib. 50-51). Diese Gruppierung verfasste
mehrere schriftliche Reformprojekte wie z.B. das von 1822 und das gegen das
Regulament gerichtete von 1839 (ib. 75 und Fußnote 1 und 21). Von der Heiligen
Allianz wurden die Mitglieder dieser neuen Partei – ciocoi genannt (Barnovschi
[1923], 50) – als subversiv und gefährlich eingestuft (Lovinescu [1924] I, 62-63) und
selbst Grigore IV. Ghica, Herrscher der Walachei in den Jahren 1822-1828, kritisierte
das neue Reformprojekt (Carp 2002, 21). Im In- wie im Ausland waren die heftigsten
Gegner die Aristokraten, die zwischen 1823 und 1825 acht Dokumente (memorii)
gegen die Einführung einer Verfassung in der Moldau verfassten.
Ihre Mitglieder dürften den Namen cărvunari später für sich aufgegriffen haben
(Barnovschi bezeichnet sie als şleahta cărvunarilor, die Gruppierung der Köhler;
[1923], 21, 60, 50 und verweist auch auf das Syntagma a fi atins de carvonarismos, ib.
p. 22). Die neue Partei, deren Agentenzahl von dem Rechtsphilosophen auf ca. 500
Personen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten geschätzt wurde (ib., 52-55),
fand in dem Landesfürsten Ioniţă Sandu Sturza einen Herrscher, der das Land mit
diesem liberalen Flügel – in Barnovschis Formulierung „cu constituţionalii sau
cărvunarii“ – zu führen versuchte (Stan/Iosa 1996, 33 ss). Einige Jahre gelang dies
auch, bis partidul carbonerist durch den Vertrag von Akkerman (Oktober 1826)
geschwächt und nach 1839 vollständig (Lovinescu [1924], I, 63) aufgelöst wurde.
Nach den Ereignissen von 1821 in der Walachei erwartete der Sultan im Frühjahr 1822
Reformvorschläge von den Muntenen (Oţetea 1971, 499) und den Moldauern. Oţetea
zufolge, war es der Pascha von Silistra (Mehmet paşa), der aktiv eine bestimmte
Delegation beider Fürstentümer zu sich berief (1971, 499-500). Barnovschi ([1923],
69-72) schildert uns die Umstände für die moldauische Delegation etwas anders und
als prekär, welche es zu überwinden galt, und welche die cărvunari riskierten, um ihre
Reformideen, die sich von jenen der muntenischen unterschieden (Oţetea 1971, 500-
501), bis vor den Sultan zu bringen. Auch sie mussten zuerst den mächtigen Vorposten
von Silistra passieren, an den sich zeitgleich auch die protipendadă, vertreten durch
Teodor Balş, wandte. Eher unerwartet begegnete der Pascha ihnen wohlgesonnen, im
Gegensatz zum Delegierten der Aristokratie. Der Sultan seinerseits argwohnte mit der
Aristokratie, weil sie der Häterie nahegestanden war. Teodor Balş unterzeichnete den
das Gesuch (arz) der cărvunari (er dürfte mit dem Verfassungsprojekt ident gewesen
sein; ib. 69), sodass der Pascha von Silistra der Pforte eine moldauische Delegation
ankündigen konnte, die von allen Bojarenklassen des Landes getragen war. Nach
diesem Erfolg im März 1822 sah sich die caimacamie gezwungen, eine Gruppe von
79
Delegierten nach Konstantinopel reisen zu lassen. Unter den Gesandten waren
vornicul Ioniţă Sandu Sturza – vor der Abreise in den Rang des mare logofăt erhoben
–, aga I. Greceanu, hatmanul Gh. Cuza und comisul, also Bojare niedrigeren Ranges,
I. Tăutu. Die Delegation blieb einige Monate in Konstantinopel und verhandelte durch
Aga Greceanu schriftlich mit dem Padişah, dem Sekretär der Pforte, über die vom
Sultan erwünschten Modifikationen des Textes: „[cererile] n-au fost acceptate aşa cum
au fost prezentate, ci s-au restituit delegaţiei ca să le modifice.” (ib. p. 72). Die
Prinzipien der Verfassung vom 13. Sep 1822 wurden vom Sultan akzeptiert (admise).
Mit Ioniţă Sandu Sturza als neuem Landesfüsten brachten die cărvunari einen ihrer
Kandidaten durch. Der Sultan ließ in seinem Schreiben (firman) vom 1. Juli 1822
festhalten, dass er den neuen Landesherrn (domn) ernannt habe. Der Rechtsexperte
Barnovschi sieht hierbei jedoch eher eine întărire, Bestätigung, als numire,
Ernennung, des neuen Landesherrn, mit dem Argument, dass man anhand der
Zusammensetzung der moldauischen Delegation sehe, dass die cărvunari den ersten
autochthonen Landesherrn (domn pământean) schon gewählt hätten, bevor der Sultan
entschied.
Die Moldauer versuchten, anders als die Muntenen, aus der alten Bojarenschaft eine
starke Elite aufzustellen (Barnovschi [1923], 67-68). Die nach Istanbul getragenen
Reformvorschäge von 1822 waren, in einer Zeit, in der es vor Reformvorschlägen
„regnete”, das bedeutendste Projekt, welches vielfach, wie oben schon erwähnt, als
Verfassung bezeichnet wurde (siehe Constituţia cărvunarilor bei Barnovschi oder die
Paraphrasierung aşezământ constituţional, Verfassungsregelung, bei Stan/Iosa 1996,
30), obwohl dieser Text, so lautet es in der Einleitung, nur die Zeit bis zur Aufstellung
einer (eigentlichen) Verfassung überbrücken sollte: „Cererile cele mai însemnătoare ce
se fac din partea obştiei Moldoviei atocmite ... ca să fie obşteşte sfinţite aceste cereri,
spre a sluji pământeştei ocârmuiri de temelie până se va putea înştiinţa pravila ţărei
într’o desăvârşită alcătuire.”. Auch sind diese Cererile, wie sie uns überliefert
wurden, nicht in dieser Form dem Sultan vorgelegt worden. Sie waren konzipiert als
eine innere Reform (Barnovschi [1923], 72).
Der Text wurde vom Landesfürsten, vermutlich um sich nicht vollständig mit den
Großbojaren zu überwerfen, nicht sanktioniert. Es gibt aber Hinweise, dass die
Vorschläge in den Jahren 1822 bis zum türkisch-russischen Friedensschluss von
Akkerman im Oktober 1826 (teilweise) angewandt wurden (Lovinescu I, [1924], 62-
63 und [1925], II, 7), bis der Text mit dem wachsenden Einfluss des Zarenreichs auf
die beiden Donaufürstentümer seine Wirksamkeit verlor, und sich die Partei der
cărvunari auflöste (Stan/Iosa 1996, 34-35). Nach dem Frieden von Akkerman sah sich
Ioniţă Sandu Sturza im Jahre 1827 dazu veranlasst, die Anafora pentru pronomiile
Moldovei / das Dekret für die Privilegien der Moldau (Tiktin, s.v. anafora und
pronomion), zu unterzeichnen. Darin hatten sich 22 Großbojaren des ersten Ranges auf
die Tradition berufen und ihre außerordentlichen Privilegien zurückverlangt (Stan/Iosa
1996, 34-35). Die Reformen der Verfassung von 1822 wuren damit annulliert.
Dem Text von 1822 wird eine, wenn auch zeitbeschränkte, weitgehende politische
Wirkung in der Moldau sowie auch eine philosophisch-intellektuelle Basis
zugeschrieben, welche als solche über die Bewegung und Erfolge von Tudor
Vladimirescu in der Walachei hinausgehen (Barnovschi [1923], 14, 58). Die
80
Bedeutung des Textes von 1822, auch wenn es mit ihm nicht einmal formal gelang,
das Vasallenverhältnis der Moldau zur Pforte zu lockern (Barnovschi [1923], 74), liegt
in zwei Aspekten. Einerseits erwirkten die cărvunari die Wiedereinsetzung einer
domnie pământească, d.h. von autochthonen Herrschern in der Moldau und, in Folge,
auch in der Walachei (ib. p. 68, nach A.D. Xenopol, Fußnote 1). Zweitens beginnt mit
der, von den cărvunari vertretenen Ideologie das politisch demokratische Denken in
Rumänien und damit, nach Lucian Predescu, die Voraussetzung für den zukünftigen
modernen rumänischen Staat: „Originile vieţii de stat modern democratic, se încheagă
la noi, în Constituţia moldovenească de la 13 Septembrie 1822.“ (1999, 11, 13). Die
Entstehung der von den cărvunari vertretenen sozial-liberale(re)n Ideologie dürfte –
wie zuvor in Frankreich – auf die große Unzufriedenheit der „nobilimea neajunsă la
aristocraţie“, also des von den Aristokraten ausgeschlossenen Adels, mit dem Hof und
seinen Ministern zurückzuführen sein (Barnovschi [1923], 28).
V.2. Ideologische Einflüsse der Reformvorschläge von 1822 (nach Barnovschi)
Barnovschi weist immer wieder auf die französisch-revolutionäre Ideologie des Textes
von 1822 hin, ja auf den Umstand, dass der (oder die Verfasser, siehe unten)
passagenweise direkt von der Declaraţia drepturilor omului şi ale cetăţeanului
übersetzt hätten. Dies scheint gesichert durch Alecu Russo, der 1855 die Handschriften
von Ionică Tăutu, dem Hauptverfasser des Textes von 1822, einsah ([1923], 175; 48,
99). Die Vermittlung und Übernahme der neuen, progressiven Ideen durch die
Moldauer wurde von Barnovschi als mehrfache geschildert. Die frühesten gingen, so
der Rechtsphilosoph, auf den seit Ende des 16. Jahrhunderts bis zur Phanariotenzeit
bestehenden Kontakt junger moldauischer Bojaren mit Polen zurück. Die polnischen
cărvunari, die in ihren politischen Ansichten das revolutionäre Frankreich imitierten,
flüchteten vor der polnischen Regierung oft in die Moldau. Sie flohen insbesonders
nach der dritten Teilung Polens (1795) vor der russischen Macht in dieses Fürstentum
und schlossen sich hier mit der boierime secundară zusammen. Aber auch die
phanariotische Aristokratie, welcher große Bibliotheken, wie die des um die Mitte des
18. Jahrhunderts regierenden Constantin Mavrocordat, mit Enzyklopädien, Originalen
und Übersetzungen zur Verfügung standen, nahmen das neue Denken in sich auf.
Desweiteren dürften das habsburgische Siebenbürgen und die Bukowina die
Aufnahme westlichen Gedankenguts verstärkt haben, wie auch das russische
Bessarabien, insbesonders die russische Offiziersschicht, die ideologischen
Strömungen aus Frankreich (Barnovschi [1923], 30-39, 44-45). Die Kunde über die
französische Revolution wurde in mehreren Wellen und zeitverschoben aber auch
direkt nach Osteuropa und in die rumänischen Fürstentümer getragen, zuerst durch
französische Königsanhänger, die auf ihrer Flucht nach Russland die Moldau
durchquerten und in Kontakt mit der russophilen protipendadă kamen. Ihnen folgten
die Propagandisten der Revolution und drittens die besiegten Revolutionäre. Auch
waren die französischen Agenten und Konsuln Vermittler der neuen Ideen. In den
Bojarenhäusern wurde über die pretenţia Statelor generale, căderea Bastiliei,
Declararea Drepturilor omului etc. diskutiert. Ein Teil der Bojaren sah in Frankreich
ein Modell. In der siegreichen Zeit Napoleons, als die russophile protipendadă an
Einfluss verlor, versuchte die boierime secundară, Frankreich für ihre Interessen zu
81
gewinnen. Frankreichs Einfluss auf die Politik der Moldau wurde so stark, dass
Napoleon, vertreten durch Talleyrand zweitweise sogar die Fürsten (Moruzi und
Calimachi) bestimmte (Barnovschi [1923], 39-48).
Barnovschi verweist in seiner Studie immer wieder auf die Modellfunktion der
Déclaration. Dies ist meistens, auch wenn nicht immer ganz wörtlich,
nachzuvollziehen. Wir geben im Folgenden, auch in Anlehnung an den
Rechtsphilosophen, einige Beispiele. Punkt 4 der Verfassung der cărvunari legt
wörtlich fest: Niemand soll abgehalten werden zu tun, was die Gesetze nicht verletzt
(„Să nu poată fi nimenea oprit de a face cele ce nu vatămă pravilele.”). Dies entspricht
sinngemäß, nicht wortwörtlich, dem Article 5 der Déclaration, die besagt: Das Gesetz
hat ausschließlich das Recht, für die Gesellschaft nützliche Handlungen zu schützen.
Alles, was nicht durch das Gesetz geschützt wird, kann nicht verhindert werden, und
niemand kann gezwungen werden, zu tun, was es nicht anordnet („La loi n‟a le droit
de défendre que les actions nuisibles à la société. Tout ce qui n‟est pas défendu par la
loi ne peut être empêché, et nul ne peut être contraint à faire ce qu‟elle n‟ordonne
pas.”). Punkt 5 des rumänischen Textes hält fest, dass niemand auch nur irgendeinen
Teil seines Vermögens ohne seinen freien Willen verlieren können soll, außer im Fall,
dass eine unbedingte, die Allgemeinheit betreffende und gesetzlich geregelte
Notwendigkeit dies verlangen wird; dann aber nachdem dieser Person eine der Sache,
die man von ihr nehmen wird, angemessene Entschädigung gemacht haben wird (“5.
Să nu poată fi nimenea lipsit de vreo parte din averea sa fără slobodă voinţa sa, afară
numai de are vreo întâmplare când o neapărată obştească trebuinţă praviliceşte
îndreptăţită o va cere aceasta; dar şi atunci după ce i se va face o despăgubire potrivită
cu lucrul ce se va cere a i se lua.)”. Der Punkt folgt dem Prinzip der <staatlichen
Eigentumsbeschlagnahmung (nur) gegen Entschädigung>, wie er im Article 17 der
Déclaration zum Ausdruck gebracht ist: „La propriété étant un droit inviolable et
sacré, nul ne peut en être privé, si ce n‟est lorsque la nécessité publique, légalement
constatée, l‟exige évidemment, et sous la condition d‟une juste et préalable
indemnité.” (Barnovschi [1923], 125). Die Punkte 6 und 7 des rumänischen
Programms (“6. Să nu poată fi nimenea învinovăţit, ridicat la închisoare sau pedepsit
decât numai întru întâmplările hotărâte prin pravilă şi după formele pravilei. 7. Tot
acela ce se va chema sau s-a rădicat din poruncă după hotărârea pravililor şi a formelor
ei să se supue îndată; iar împotrivirea să fie cunoscută de vinovăţie şi să supue
judecăţei praviliceşti.”) entsprechen semantisch vollständig dem Article 7 der
Déclaration: „Article 7 - Nul homme ne peut être accusé, arrêté ou détenu que dans les
cas déterminés par la loi et selon les formes qu‟elle a prescrites. Ceux qui sollicitent,
expédient, exécutent ou font exécuter des ordres arbitraires doivent être punis; mais
tout citoyen appelé ou saisi en vertu de la loi doit obéir à l‟instant; il se rend coupable
par la résistance.”. Auch Punkt 9 des moldauischen Textes entspricht vollständig dem
Artikel 9 der Déclaration in der formulierten Forderung des gesetzmäßigen Handelns
der Justiz sowie der Achtung / Garantie der Sicherheit inhaftierter Personen.
Neben den sicherlich festzustellenden punktuellen Analogien und Übereinstimmungen
des rumänischen und französischen Textes – v.a. in den ersten ca. 10 der insgesamt 77
Punkte –, gibt es aber auch strukturelle wie semantisch-theoretische Unterschiede.
Punkt 5 folgt, wie schon oben erwähnt, zwar im Wesentlichen dem Article 17 (Prinzip
82
der Entschädigung bei staatlicher Vermögensbeschlagnahmung), spricht aber nicht,
wie dieser von der propriété als einem droit inviolable et sacré. Nur im Article 4 des
französischen Textes, welcher, wie Punkt 4 des rumänischen Textes, die Freiheit des
Individuums (im Rahmen der Gesetze) bestätigt, wird auf die droits naturels de
chaque homme hingewiesen:
„La liberté consiste à pouvoir faire tout ce qui ne nuit pas à autrui: ainsi,
l‟exercice des droits naturels de chaque homme n‟a de bornes que celles qui
assurent aux autres membres de la société la jouissance de ces mêmes droits.
Ces bornes ne peuvent être déterminées que par la loi.”.
Analog zum französischen Text behauptet auch der rumänische Text (Punkt 8) die
Gleichheit aller vor dem Gesetz:
„Tot cela ce va cuteza vreo lucrare împotriva cuiva nevoinicită [sic;
nevolnicită?, mit der Bedeutung <unerlaubt> ?] în pravilă şi în formele pravilei
fie măcar şi judecător sau stăpân aceluia ... să fie supus vinovăţiei şi judecăţei
praviliceşti, fără alegere de obraji.”.
Die prinzipielle Gleichheit vor dem Gesetz wurde jedoch von den französischen
Revolutionären expliziter formuliert („Elle [la loi] doit être la même pour tous, soit
qu‟elle protège, soit qu‟elle punisse.”). Auch gibt der rumänische Text nicht alle
Begrifflichkeiten (siehe unten) und Lexikalisierungen des französischen Textes wider.
Ein auffälliges Beispiel ist, dass der französische citoyen im Rumänischen nicht
widergegeben ist:
„Article 6 - La loi est l‟expression de la volonté générale. Tous les citoyens ont
droit de concourir personnellement ou par leurs représentants à sa formation.
Elle doit être la même pour tous, soit qu‟elle protège, soit qu‟elle punisse. Tous
les citoyens, étant égaux à ces yeux, sont également admissibles à toutes
dignités, places et emplois publics, selon leur capacité et sans autre distinction
que celle de leurs vertus et de leurs talents.”.
Der Gesamtheit der zivilstaatlichen citoyens steht der (staats)politisch unkonnotierte
Ausdruck <ein jeder> gegenüber (“9. Pentru tot cela ce”, „fieşte-cine” (Punkt 3 und
9). E. Lovinescu definierte „Proectul Constituţiei din 13 Sept. 1822” als eine „replică
foarte revăzută a ideologiei Marei Revoluţii, din care trebue să reţinem, între altele, ca
elementele de progres, nucleul unei organizaţii constituţionale, principiul separaţiei
puterilor, sau egalitatea înaintea legii, o relativă autoritate a lucrului judecat.“ ([1924],
I, 60-61). In analoger Weise sah Barnovschi in dem Text „schema completă a unei
constituţii moderne” ([1923], 194). Er interpretiert den Text aus rechtsphilosophischer
Sicht und behandelt folgende Kernbegriffe (ib., 175-196): erstens, die suveranitate,
Souveränität, welche u.a. in der zukünftigen Exekutive von Armee und Polizei, dann
in der Vorstellung des moldauischen Volkes als Souverän konzipiert sei. Als zweites
modernes Verfassungsprinzip sieht der Rechtsphilosoph eine allgemein gültige, wenn
auch durch das Gesetz begrenzte individuelle libertate, Freiheit. Die cărvunari hätten
die Freiheit / den Freiheitswillen der robi, <Unfreien>, welche noch nicht als frei zu
83
seiende konzipiert wurden, vorbereitet. Der Autor verweist beim Thema der Freiheit
(und Gleichheit) auf die, für die carbonari des Westens wie Ostens gleich gültige
libertate înţeleaptă, „nezădărnicită de absurda şi răufăcătoarea egalitate” (Barnovschi
[1923], 51), als eine weise, von der absurden und schlechtmachenden Gleichheit
losgelöste Freiheit. Barnovschi zufolge konzipiert der Text noch weitere Freiheiten:
libertatea învăţământului, die freie Bildung(smöglichkeit); libertatea muncii, die,
selbst für den Westen unübliche Freiheit, Arbeit und Beruf zu wählen; libertatea
conştiinţei, die Freiheit des Glaubens; libertatea presei, die Freiheit des öffentlichen
Ausdrucks, welche durch die Gründung einer (nationalen) Druckerei gewährleistet
werden soll; dann die – von Barnovschi hier eingereihte – inviolabilitate a
domiciliului, die allgemeine Unverletzbarkeit des Wohnorts; die Freiheit (das Recht)
auf proprietate, Eigentum, welches – progressiver als im späteren Regulament – nur
gegen Entschädigung beschlagnahmt werden kann; dann – von Barnovschi hier
eingereihte – bestimmte, dem stat dienende monopoluri und libertatea politică, die
politische Freiheit, welche nach moderneren Theorien (Dissescu) das Wahlrecht für
weite Kreise der Bevölkerung, das allgemeine Recht auf öffentliche Ämter, eine
souveräne Nationalrepräsentanz, die Unabhängigkeit von Ämtern, die Freiheit der
Presse und die Versammlungsfreiheit miteinschließe und im Text, mit Ausnahme des
letzten Punktes gegeben wäre.
Weitere Prinzipien des Textes seien dreptul de petiţie, das Petitionsrecht, das jedoch
schon im im Gewohnheitsrecht (obiceiul pământului), vorgesehen war, dem zufolge
jeder eine jalbă, Gesuch, „la domnie sau la Divan”, also an den Fürsten oder den
Diwan, richten konnte, oder, in der als unterworfen bezeichnete Moldau (Moldova
închinată), auch an den suzeran, Sultan. Der Text sieht auch die Frage der
naţionalitate oder naturalizare vor. Um 1822 überwog eher der Wunsch, den străini,
Fremden, nicht die Möglichkeit einzuräumen, sich einzubürgern. Auffällig ist die
Terminologie. Das obicei al pământului habe eher zwischen creştini ortodocşi und
necredincioşi als zwischen naţionali und străini unterschieden. Progressiv sei auch die
Konzeptualisierung des principiul egalităţii, des Prinzips der Gleichheit vor dem
Gesetz und das Ziel der Ämterbesetzung nach Verdienst. Der Text konzipiere
desweiteren puterile statului und agenţii statului, die Staatsgewalten und
Staatstragenden. Der sfat obştesc habe die suveranitate constituantă, konstituierende
Souveränität und sei zugleich auch das gewöhnliche Parlament. Die Verfassung hänge
von der gesetzgebenden Versammlung ab, die legislative ist gleichzeitig auch die
konstistuierende Gewalt (und der sfat obştesc). Die cărvunari hätten (nur) zwei
Staatsgewalten unterschieden, die legislative, als souveräne Gewalt, vom sfat obştesc,
und die exekutive, als souveräne Gewalt, vom domn ausgeübt. Eine putere
administrativă ist als mögliche dritte Gewalt skizziert, aber nicht deutlich oder klar
fomuliert. Puterea judecătorească, die Judikative, erscheint im Text nicht als
souveräne Gewalt und eher der Exekutive oder Administration untergeordnet. In
unserem Text ließen sich als weitere Gewalten – moderne Theorien unterschieden, so
Barnovschi [1923], 185, bis zu acht Gewalten – aufgrund ihrer Funktion auch eine
putere bisericească, eine Kirchliche Gewalt, oder das Vechiul Obicei als wirkliche
souveräne Gewalt („obiceiul pământului este singura putere suverană, de la care
emană toate celela[l]te ca simple organe.“) unterscheiden. Barnovschi verweist hier
auf die Theorie von E. Durkheim, Les formes elementaires de la vie religieuse.
84
Separaţia puterilor, die Gewaltentrennung, auch wenn sie teilweise durchscheint (am
deutlichsten in Punkt 19), sei nicht klar vollzogen: „Principiul separaţiei puterilor,
desigur, există în constituţia de la 1822, dar este secundar faţă de principiul colaborării
lor şi al controlului reciproc“ (Barnovschi [1923], 187). Die Legislative obliegt dem
sfat, der domn hat dabei eher konsultative und exekutive Funktion. Hingegen obliegt
ihm formell die exekutive Gewalt, jedoch häufig mit Mitbestimmung des sfat.
Organizarea puterilor constituite, die Organisation der konstituierten Gewalten sei in
vielen Teilen modern; sie werde von einer national-souveränen Repräsentanz
ausgeübt, die eine Art parlamentarische Kontrolle ausübt (z.B. Punkt 73, u.a.). Die
nationale Repräsentanz sei die einer Art Senat der Alten und zugleich auch die einer
Volkskammer; der sfat setze sich zusammen aus gewählten Mitgliedern und
Mitgliedern de drept, die durch cooptare hinzukommen (Art. 46 und 62). Der sfat
besteht aus hohen Würdenträgern, er gleicht einem Senat aus Aristokraten. Er sei aber
auch eine Volkskammer, weil seine Abgeordneten und Gewählten auch aus den
untersten Schichten der Privilegierten kommen. Das Mandat für Abgeordnete, manche
auf Lebenszeit, manche auf Zeit, folge modernen Verfassungen. Der domn habe die
exekutive Gewalt inne, und würde die Entscheidungen des sfat bestätigen (întări),
habe aber nicht das Recht eines echten Vetos. Der sfat habe generelle Kompetenz, er
entscheidet alles, auch ist er die konstituierende Gewalt; eine skizzierte
Unverletzlichkeit der Repräsentanten (Art. 20) und die Tatsache, dass sich der sfat
selbst einberuft (Art. 20), zeige westliche Beeinflussung (ib. p. 189). Das exekutive
Organ ist der domn, dennoch ist er eher ein Instrument des sfat; aus dem noch gültigen
obiceiul pământului habe er weniger Gewalt als Prestige (ib. p. 189). Wie schon
erwähnt, seien nur die Legislative und die Exekutive souveräne Gewalten (ib. 189).
Souverän seien die administrative Gewalt (puterea administrativă) und die judikative
Gewalt (puterea judecătorească). Erstere sei dem sfat und, in geringerem Maße, dem
domn anvertraut. Die Verfasser strebten nach Demokratisierung und Unabhängigkeit
der Verwaltung. Neu im Vergleich zur türkischen Verwaltung sei, dass die
Funktionäre des Staats nicht von individuellen Auftraggebern abhängen. Weitere
Prinzipien seien die Befristung auf ein Jahr, die Wahl der Beamten, die Einsetzung
von consilii (eforii), plurale Leitungen, anstelle singulärer Personen, die persönliche
Verantwortung, die Ernennung der Beamten nach Verdienst und Kompetenz
(Barnovschi [1293, 190-191]). Die judikative Gewalt sei – der Theorie nach – insofern
gegeben, als dass sie in bestimmter Form als eigenständig, aber nicht als souveräne
Gewalt anzusehen ist; ihre Repräsentanten werden nach ihrem Ruf ernannt
(Barnovschi [1923, 190-192]). Die kirchliche Gewalt (puterea bisericească) erscheint
dem Rechtsphilosophen als starke souveräne Gewalt, bei Konflikten zwischen der
Kirche und den Gesetzen wiege jene stärker. Sie sei unabhängig und autonom. Für
Priester würden Schulen vorgesehen, Kirche und Klöster in ihrer Verwaltung
nationalisiert. Bis zu ihrem obersten Klerus können die Vertreter aus den untersten
Klassen der Bevölkerung ernannt werden (Barnovschi [1923], 193). In mehreren
Punkten folge der Text der englischen Verfassung (Barnovschi [1923], 187).
Allerdings gibt Barnovschi hierzu keine genaueren Angaben.
Die Verfassung der cărvunari sehe eine konstitutionelle Wahlmonarchie vor. Ihr domn
werde von einem speziellen Kollegium gewählt, welches die ganze Bevölkerung der
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Moldau repräsentiere. Der domn könne aus allen Schichten der Bevölkerung gewählt
werden (das spätere Regulament sei hierzu rückschrittlicher). Er sei ein souveräner
Vasalle nach außen und ein konstitutioneller Monarch mit beschränkter Macht im
Inneren, der unverletzbare Würde genießt. Die miniştri, Minister – die allerdings noch
nicht den heutigen Ministern entsprechen – seien Bojaren mit konkreten Funktionen
(boieri efectivi). Ihre Ernennung erfolge analog zur Ernennung in parlamentarischen
Ministerien, unter der Anordnung des domn und auf Vorschlag des sfat. Die
Organisation des Finanzministeriums belege, dass die Verwaltung nicht mehr als
Aufgabe des Fürsten, sondern als nationale Aufgabe angesehen wird. Rechtssprechung
könne nur auf gesetzlicher Basis gründen. Die Verfassung sehe eine einzige curte de
casaţie, einen Kassationshof, vor. Der sfat sorge für maßvolle Steuern und überwacht
die Budgets der Ministerien und die der Leitungen (eforii). Das gesammte Volk
stimme der Höhe der Steuern zu (liber consimţite de naţiune). Privilegien würden
reduziert und punktueller verliehen, das Steuersystem stärker kontrolliert, und. Gesetze
veröffentlicht werden. Missbrauch seitens der Administration (contencios
administrativ) würde gerichtlich verfolgt werden. Die Revision der Verfassung sei
implizit durch die Zuständigkeiten und generelle, konstituierende Funktion des sfat
gegeben. Nicht thematisiert sei libertatea întrunirilor, die Freiheit (das Recht), sich zu
versammeln. Die Unterdrückung der Freiheit zu emigrieren, sei ein bewusster Akt der
cărvunari. In der Freiheitsuntersagung in Straffällen folge der Text modernen
Theorien.
V.3. Sprachliche Besonderheiten des Textes der Reformvorschläge von 1822
In unserer Studie verwenden wir die Version des Textes von 1822, welche in
Barnovschi [1923], 100-120 enthalten ist. Dieser Text folgt der in der Kanzlei des
russischen Konsulats in Jassy aufbewahrten, hier von Xenopol entdeckten und von ihm
1898 veröffentlichten Variante (Barnovschi [1923], 172). Der Text ist einerseits eine
transcriere, gleichzeitig auch eine (teilweise) Übersetzung aus dem Französischen
(Barnovschi [1923], 175). Nicht nur auf diesen Umstand düfte die mitunter sehr
komplexe Syntax und Redundanz des Textes zurückgehen. Die Verfasser arbeiteten,
so scheint es, unter Zeitdruck, um ihren Vorschlag dem aus Istanbul erwarteten domn
bei dessen Ankunft vorzulegen. Manche Textstellen dürften desweiteren bewusst
unpräzise formuliert worden sein, um die Pforte nicht zu verärgern und zugleich einen
Spielraum für Interpretationen oder spätere Modifikationen einzuräumen (ib. 92-99,
175). Dies dürften die Gründe sein, warum trotz der Strukturiertheit des Textes an der
Oberfläche (cf. die Einteilung in 77 Punkte), diese Einteilung nicht immer sinnvoll ist,
manche Paragraphen vielleicht bewusst isoliert vorkommen, und die Behandlung
derselben Thematik desöfteren verstreut und daher unsystematisch ist (ib., 149, 150,
162).
Zudem war Rumänisch, konkreter das Moldauische, um 1822 als solches bzw. noch
weniger in legislativer Fachsprache gut ausgebaut. So dokumentiert der Text eine
Reihe von Umschreibungen für die, zu jener Zeit noch inexistenten Termini
legislativer Sprache. So bezeugt der Text auch, dass teilweise Begrifflichkeiten und
Konzeptionen des modernen Zivilisationswortschatzes (cf.
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Metzeltin/Lindenbauer/Wochele 2005, Kap. IX) gerade erst im Entstehen sind. So
findet sich, um ein Beispiel zu geben, in Punkt 5, schon der terminologisierte Begriff
des <Gemeinnutzens> (binele obştesc, obştescul bine, obştescul folos etc.) neben der
Paraphrasierung <im Falle / wenn es irgendein Geschehnis gibt, dass eine allgemeine
unbedingte Notwendigkeit, die gesetzlich als solche gilt, dies verlangen wird>: „Să nu
poată fi nimenea lipsit de vreo parte din averea sa fără slobodă voinţa sa, afară numai
de are vreo întâmplare când o neapărată obştească trebuinţă praviliceşte îndreptăţită
o va cere aceasta;“ (Hervorheb. durch die Autorin). Ein weiteres Beispiel ist die
obşteasca socotinţă, die in dem folgenden Verfassungsabschnitt, so Barnovschi als
eine frühe „opinie publică” gedeutet werden kann, aber eben noch mit älteren Worten
lexikalisiert ist: „Vistiernicul halè să fie ocârmuitor şi împlinitor modelelor ce atârnă
de vistierie, fără să poată însă lucra vre-o prefacere cât de puţin în vre-o modè, lucru
care atârnă de obşteasca socotinţă şi de întărirea domnului unită cu a sfatului obştesc.”.
Und auch das Beispiel der <Exekutive> zeigt, dass dieser im modernen Rumänischen
durchaus verwendete Französimus, executivă, zuvor durch ein Derivat von a împlini,
<erfüllen>, ausgedrückt wurde (cf. die Syntagmen a se duce întru împlinire, [puterea]
care plineşte şi face a se plini toate aceste legături soţialiceşti in Punkt 23 und 75 und
Barnovschi, der Ocârmuire, Împlinire, Hotărâre als die älteren Termini der drei
Gewalten <Regierung>, <Exekutive> und <Judikative> erklärt [1923], 135-136).
Der Text weist auch eine Reihe von phonetischen Archaismen auf (z.B. giurământ; să
mestece anstelle von heutigem amestece; plinire anstelle von împlinire),
morphologischen Archaismen (entiresuri [sic], anstelle von heutigem interese; a ţinea
anstelle von a ţine), lexikalisch-semantischen Archaismen (feţe, mit der Bedeutung
von <Personen>), Regionalismen / Moldovenismen (go(r)ştină, eine Abgabe für
Schweine; pravăţ, Wegweiser), desweiteren heute nicht mehr verwendeten
Pronominalformen (niscaiva, irgendein, < lat. nescio qualem, cf. DEIC, s.v. niscai) etc.
Besonders auffällig ist auch die große Anzahl von Lehnwörtern, die heute nicht mehr
oder selten im Rumänischen verwendet werden oder mit anderer Semantik
weiterexistieren. Ältere Slawismen des Textes sind z.B. oblă[n]dui, <regieren,
verwalten>; ocârmuire, ocârmuitor <Regierung, Regent> (cf. DLR SN, s.v.) oder
pravilă, „gesetzliche Bestimmung, Vorschrift, Gesetz, Gesetzbuch” (cf. Tiktin, s.v.).
Der Text enthält aber auch Lehnprägungen nach slawischem Modell wie a îndulci („in
Verwendung im altrumänischen Schrifttum in Übersetzung des kls. nasladiti „ererben,
in den Genuß von etw. kommen” (cf. Tiktin, s.v.), in Punkt 14: „Pământean al
Moldovei să se numească tot cel născut în Moldova din părinţi moldoveni slobozi şi
aşezat cu locuinţa în Moldova, care să se îndulcească şi cu driturile pământenilor celor
legiuite;”). Auch nahezu aus dem heutigen Gebrauch verschwunden sind die
Gräzismen catahris, <Missbrauch>; clironomie, <Erbe, Erbschaft> („mod. gr.
klironomía”, cf. NDU, s.v.); chiverniseală, chivernisi <Handel, handeln> („kyvernisa,
Aorist von kyvernó”, cf. NDU, s.v.); modè, <die einzelne steuerpflichtige Person>
(Tiktin, s.v.), perilips, <Übersicht, Resümee, Auszug> („Ngr. περιληψις, cf. Tiktin,
s.v.); politie, <Stadt>; protipendadă <oberste Adelsklasse> oder siguripsi mit der
Bedeutung a (se) asigura (< „Ngr. σιγούρεψα, Aorist von σιγοσρεύω”, cf. Tiktin, s.v.).
Auffällig häufig sind auch Turzismen, die heute kaum mehr gebräuchlich sind, wie
acaret, „Avere nemişcătoare” (cf. DEIC, s.v.), adet, <(eine Art von) Steuer>, alişveriş,
<Handel> (cf. Tiktin, s.v.). In unserem Text erscheint sogar das Derivat a se
87
alişverişui, welches in Tiktin, DEIC nicht verzeichnet ist. Weitere Turzismen sind
havalelile (sic), mit den Bedeutungen „Anweisung, Beauftragung, ... Kommission ...
Angeordnete Leistung in Geld, Naturalien, Arbeit etc., Last, (Fron-)Arbeit”, (cf.
Tiktin, s.v. havalea), cusur mit der Bedeutung <Unvollständigkeit, Fehler> (cf.
Tiktin), mansupuri, <Post(amt)>, me(n)zil, „Poştă (căruţa, caii, staţia)” (cf. DEIC,
s.v.); vadea, <Frist>.
V.4. Analyse der Reformvorschläge von 1822
Während es nicht völlig geklärt ist, ob der Text in adunări deliberative, Ausschüssen,
beschlossen, oder von der ganzen „Partei” der cărvunari getragen wurde (Barnovschi
[1923], 50), ob es sich also um ein kollektives Werk oder eher das eines Einzelnen
handelt, gilt als hauptsächlicher Redakteur des Textes der Ingenieur und Kommis
Ionică Tăutu (Barnovschi [1923], 84; Lovinescu [1924], I, 58; Stan/Iosa 1996, 30),
welcher, nach Carp, den Thron der Moldau besteigen wollte. Auch das Mic dicţionar
enciclopedic (1978, s.v. Tăutu) stimmt hierin überein: „I [= Ion Tăutu] se atribuie
redactarea memoriului „cărvunarilor”, prin care mica boierime revendica egalitatea în
drepturi cu marea boierime.”. Stilistische Argumente führten aber Barnovschi auch
dazu, noch weitere Personen als Mitredakteure zu vermuten, in erster Linie den marele
vornic Iordache Drăghici, dann auch den mare vornic Ion Tăutu, den paharnic Vasile
Barnoskie, den Rechtsgelehrten Andronache Donici, den mare vornic Iordache
Catargiu etc. (Barnovschi [1923], 87-97).
Der suggerierte Sender des Textes ist das moldauische Volk, welches als obştie, dann
auch norod und neam genannt wird, wie es die folgenden Zitate belegen: „Cererile
cele mai însemnătoare ce se fac din partea obştiei Moldoviei...” (siehe den Prolog);
„obştia găseşte cu cale ca ...” (Punkt 47); „Pontul 1. Norodul Moldavei, ca un norod ce
din învechime...”; „Norodul, spre a i se ocârmui treburile sale cele din lăuntru în chipul
cuviincios ... cere ca ...” (Punkt 19); cf. auch Punkt 65.
Alle 77 Punkte des Textes werden als Forderungen des Volkes dargestellt (cf. Prolog).
In wenigen Passagen enthüllt der Sprachgebrauch eine Identifizierung des oder der
faktischen Sender(s) als eine Gruppe oder Teil des moldauischen Volkes (z.B. în limba
noastră, Punkt 65). Der intendierte Textempfänger ist der neue, aus Istanbul
kommende Landesfürst, dem die Reformvorschläge vorgelegt werden sollen
(Barnovschi [1923], 92).
Der Text umfasst 77 von einem Titel eingeleitete Punkte (cf. die Bezeichnung: Pontul
1) Die einleitende Passage macht deutlich, dass Forderungen folgen, welche die Zeit
bis zur endgültigen Aufstellung eines Landesgesetzes überbrücken sollen und dass
sowohl für die Vorlage der „Petition”, als auch für das zukünftige Gesetz als solches
um die Approbation des Sultans gebeten werden muss: „Cererile cele mai
însemnătoare ce se fac din partea obştiei Moldoviei atocmite cu cele cuprinse prin
obştească jalbă sa, trimisă către prea înaltul Devlet şi în temeiul sfântului şi înaltul
împărătescului ferman ce s‟a slăbozit la ... ca să fie obşteşte sfinţite aceste cereri, spre
a sluji pământeştei ocârmuiri de temelie până se va putea înştiinţa pravila ţărei într‟o
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desăvârşită alcătuire.” (Prolog). Dass der hier analysierte Text ein Vortext zu einer
gewünschten Verfassung sein sollte, ergibt sich auch aus Punkt 75: „... dar pân se va
alcătui şi se va (sic) înfiinţa pravilele ţărei după chipul arătat, se va urma în pricinile de
giudecăţi politiceşti după împărăteştile pravile şi în pricinile de giudecăţi criminaliceşti
după (...) până când va lua sfărşit pravila ţărei.”.
Auf die Einleitung folgen 23 Punkte (Pontul 1.-23.), dann fünf weitere Abschnitte:
Pentru locurile unde să se caute dreptatea politicească şi criminalicească (Artikel 24.-
37.)
Pentru alte mansupuri şi dregători (Artikel 38.-45.)
Pentru alegerea persoanelor de slujbă (Artikel 46.-52.)
Chipurile îndreptărei cerute de obşte pentru acele mai jos însemnate (Artikel 53.-61.)
Alte cereri de obştească trebuinţă (Artikel 62.-77.)
Wie wir in der Analyse gearbeitet haben, wurde im methodologischen Teil (Kapitel
III) erläutert. Hier sei aber erwähnt, dass wir im Folgenden Zitate, wo es möglich und
sinnvoll war, anführen, dass wir aber, aus Platzgründen nicht die Wort für Wort-
Übersetzung geben, sondern „kondensierte” Resümees wiedergeben. Motiv dafür sind,
wie es das folgende Beispiel zeigen soll, die oft sehr langen Satzgefüge, mit vielen
Unterordnungen und Redundanzen:
„Pravila fiind tot temeiul în care stă stavila întregei slobozenii, hotarul puterei
celor ce plinesc trebile obşteşti, pravăţul cel povăţuitoriu spre ocrotirea acestei
(sic), a averei şi a drepturilor obşteşti sau în partea neştecăruia, şi în sfârşit
temeiul puterei care plineşte şi face a se plini toate aceste legături soţialiceşti,
cererea obştei este ca, pe temeiul cererilor sale aceste arătate şi acele următoare
de aceste, precum şi acele ce se vor mai găsi de cuviinţă afară de aceste, să
înfăţoşăze o pravilă a ţărei în deplină cuprindere a pravililor politiceşti şi acele
criminaliceşti, precum şi a tuturor orânduelilor celor sfinţite a pământului, care
pravă (sic), alcătuindu-se în limba noastră, să se întărească şi să dee în
cunoştinţă cea de obştie, spre a o avea fieşte cine de pravăţ asupra dreptăţilor şi
asupra îndatoririlor sale;” (Punkt 75)
Im Folgenden listen wir die wichtigsten semantischen Themen in der Chronologie
ihrer Erwähnung im Text auf. Dabei geben wir den Hinweis, ob die Thematiken
explizit, als direkte Forderungen (z.B. eines volitiven Senderakts wie <să se...>) oder
implizit, z.B. in Neben-, oder Relativsätzen oder Satzteilergänzungen (wir im
folgenden Beispiel die <Pflichten und Rechte des allgemeinen Volkes> als
Genitivergänzung zum Landesgesetz „Pravila ţărei în deplină cuprindere şi al (sic)
îndatoririlor şi a îndreptărilor obştiei să se dee în obşteasca cunoştinţă...”, Punkt 17,
Hervorhebung durch die Autorin) etc. vorkommen:
[1] die implizite Bestätigung der hegemonialen Herrschaft / Suzeranität der Pforte über
die Moldau in der Formulierung „ca să fie obşteşte sfinţite aceste cereri” (Prolog); in
der Forderung von autonomen Rechten unter dem Schutz der Pforte und der Gültigkeit
der geforderten historischen Privilegien in voller Wahrung der Untertänigkeit und
Treue gegenüber dem hohen Devleat, der osmanischen Regierung (Pontul 1); in der
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Forderung der Gewährung eines einheimischen Landesfürsten seitens der Pforte
(milostivnica îndurare pre puternicei noastre împărăţii), seiner Bestätigung und
Einsetzung durch diese: „Pentru domnii acestei ţări, rămăind după milostivnica
îndurare pre [sic] puternicei noastre împărăţii ca să fie din pământeni domni ...
făcându-se cunoscut pre puternicei împărăţii prin obştesc Arz-magzar pentru acel ales,
să facă şi rugăminte de a se întări şi a se orândui domn.” (Punkt 72); in der Treue des
zukünftigen Herrschers zur Pforte („alegându-se domnul ... şi pentru vrednicia cea
cuviincioasă unui domn şi pentru credinţa sa cătră pre puternica împărăţie”, Punkt 72)
[2] die implizite und explizite Forderung nach Gesetzes- und Strafgesetzwirksamkeit /
Gesetzesbeachtung in der Forderung eines konkreten Landesgesetzes (cf. Einleitung,
Punkt 1), einer (einzig geltenden) gesetzlichen Regelung der Steuer für Eigentum
(Punkt 3), eines die individuelle Freiheit begrenzenden Gesetzesrahmens (Punkt 4), in
der geforderten Befolgung der Gesetze durch die Allgemeinheit (Punkt 7), in der
geforderten gesetzlichen Steuerhöhe (Punkt 3), im geforderten gesetzmäßigen Handeln
der Justiz, insbesonders bei Anschuldigung, Inhaftierung und Bestrafung von
Personen, Punkt 4, 6, 9), in der Beschlagnahmung von Eigentum für den
Gemeinnutzen (Punkt 5), bei Gefährdung des Gemeinwohls und Antastung der Würde
des Herrschers (Punkt 11), in der geforderten gesetzlich geregelten Zollhöhe (Punkt
13); im geforderten ordnungsgemäßen Verkauf von Fleisch, Brot und anderem nach
gesetzlichen, nicht überhobenen Preisen (Punkt 42); im geforderten Charakter des
logofăt al doile, des Sekretärs von Hof, Gericht und sfat (Punkt 44)
[3] die explizite Forderung des (historischen) Rechts auf Autonomie bzw. der freien
Herrscherwahl sowie Gültigkeit eigener Gesetze im Rahmen der <Suzeranität> der
Pforte (Pontul 1), in der Gewährung oder Ablehnung der Einbürgerung von Personen
seitens der moldauischen Regierung (Punkt 15), in inneren Angelegenheiten durch
Wiedereinführung der Praxis des sfat, des Allgemeinen Rats (Punkt 19) und seiner
Zuständigkeiten (Punkt 21), in der Forderung des unbeschränkten ostchristlichen
Glaubens und Kultus bei freier Ausübung aller anderen Konfessionen, insofern diese
nicht den einheimischen Glauben verletzen (Punkt 2)
[4] die explizite Forderung des Rechts auf Eigentum, sei es beweglich oder
unbeweglich (Punkt 3)
[5] die explizite Forderung der allgemeinen Freiheit des Individuums (im Rahmen der
Gesetze) (Punkt 4)
[6] die explizite Forderung der Entschädigung bei Eigentumsbeschlagnahmung, die
nur im Sinne des Gemeinnutzens geschehen soll (Punkt 5)
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[7] die explizite Forderung der Gleichheit aller vor dem (Straf)Gesetz (Punkt 9)
[8] die explizite Forderung der Achtung der Würde der Person bzw. der
Unantastbarkeit ihrer Würde (Punkt 10)
[9] die explizite Forderung der Sorge für das Gemeinwohl und für das Heil / die
Unantastbarkeit der Würde des Herrschers (bei Strafe nach dem Gesetz für unläuteres
Vorgehen / Gefährdung der Würde des Herrschers) (Punkt 11)
[10] die explizite Forderung, bei Ämterbesetzung Missbrauch zu verhindern
(Barnovschi [1923], 130) bzw. öffentliche judikative, administrative oder andere
Ämter nicht als Erbe oder Pfründe / Bereicherungsmöglichkeit besetzen zu lassen: „12.
Nici un fel de slujbă obştească, nici de judecătorie, nici de zabetlâc, nici de orice altă
trebuinţă să nu se socotească de clironomie sau de chiverniseală, şi nici să se dee vre
odinioară sub acest fel de socotinţă.”; Entlohnung zur Zufriedenheit von Beamten soll
Missbrauch stoppen (Punkt 49)
[11] die explizite Forderung der Freiheit der Arbeit(swahl), in der Forderung der
Freiheit / Erlaubnis zu jeglicher Landarbeit sowie jeglicher Handwerkstätten, von
Fabriken oder Kunsthandwerk (Punkt 13); implizit wird diese Freiheit der Arbeit auch
in der Möglichkeit der Gründung einer Druckerei durch irgendeinen Einwohner
gefordert (siehe Zitat unten, Punkt 66)
[12] die explizite Forderung der Handelsfreiheit in der Moldau in der freien Ausfuhr
einheimischer und freien Einfuhr von fremden Waren (ohne weitere Abgaben als den
dafür gesetzlich geregelten Zoll), (Punkt 13); die explizit geforderte Handelsfreiheit
für Fremde im Land (Punkt 68)
[13] die Festlegung der Bedingungen der <Bürgerschaft> bzw. der Einbürgerung
durch die Geburt von freien moldauischen Eltern und die Ansässigkeit in der Moldau
bzw., für Fremde, die Großjährigkeit und Heirat mit einer (vermögenden,
unbewegliche Güter besitzenden) Einheimischen, sowie durch einen zehnjährigen
ununterbrochenen Aufenthalt in der Moldau und durch ein moralisch intaktes
Verhalten in dieser Zeit (mit abschließendem Behördenweg)
[14] die explizit geforderte Aberkennung des Rechts [wörtlich:] einheimisch zu sein
bzw. ein Landesamt zu besetzen im Falle des Besitzes einer anderen
<Staatsbürgerschaft>, einer begangenen Straftat oder Intrige gegen das Land (Punkt
16)
[15] die implizite Feststellung, dass die obştie, das allgemeine Volk, Pflichten und
Rechte innehat („Pravila ţărei în deplină cuprindere şi al (sic) îndatoririlor şi a
îndreptărilor obştiei să se dee în obşteasca cunoştinţă...”, Punkt 17; „Modelele ce
atârnă de vistierie, ca nişte lucruri ce se ating de cele mai simţitoare drituri şi entiresuri
(sic) obştei pământului, obştia [sic Hervorhebung im Text] cere de a aduce întru
îndreptare căzută şi întru orânduială...”, Punkt 52))
91
[16] die explizite Forderung der Gleichheit vor dem Gesetz („Înaintea pravilei să fie
socotiţi toţi deopotrivă şi fără deosebire, având a fi şi pravila una şi aceiaşi pentru toţi
...”, Punkt 18)
[17] die explizite Forderung einer [beginnenden] Gewaltenteilung, welche die
ocârmuire, Regentschaft, und die împlinire, Exekutive, in den Händen des Fürsten, die
hotărâre, Legislative, jedoch in den Händen des Fürsten und des Allgemeinen Rats
sieht (Barnovschi [1923], 134-135): „Norodul ... cere ca să i se întărească şi legiuirea
aceia a sfatului obştesc ..., legiuire după care puterea ocârmuirei şi a împlinirei să fie în
singură mână a domnilor, iar puterea hotărârei să fie pururea în mâna domnului
împreună cu sfatul obştesc.” (Punkt 20 und teilweise Punkt 23). Auch der hatman – er
repräsentiert die <Exekutive> – wird dem Befehl des Fürsten und des sfat obştesc
untergeordet (Punkt 40)
[18] die Bestimmung und Zusammenstellung der rechtssprechenden bzw.
Berufungsinstanzen, nach ihrer Wichtigkeit: Erster Diwan (divanul întâiu; Punkt 24),
Zweiter Diwan (divanul al doilea; Punkt 25), das Amt für auswärtige Angelegenheiten
(Departament al pricinelor străine; Punkt 26), das Amt für Strafangelegenheiten
(Departament criminalicesc; Punkt 27)
[19] die implizite Forderung der Beachtung von Verdienst bei der Besetzung von
Funktionen der dritten und vierten rechtssprechenden Instanz, dem Departament al
pricinelor străine und dem Departamentul criminalicesc (Punkt 26 und 27) sowie der
Besetzung des sfat obştesc: „urmându-se alegerea numai după meritul bunelor fapte”
(Punkt 46); „care boieri [der Kommission für Grenzstreitigkeiten, siehe das Zitat
unten] să fie aleşi acei mai cunoscuţi întru ştiinţă şi mai ispitiţi întru dreptate,” (Punkt
67)
[20] die explizit geforderten judikativen Zuständigkeiten von Richter (judecător) und
Präfekt (ispravnic) (Punkt 30)
[21] die explizite Forderung des Rechts auf Berufung: „Nemulţumindu-se vreo parte
cu hotărârea sau a judecătoriei, sau a isprăvniciei, aceea parte să aibă slobod dritul
apelaţiei,...” (Punkt 31)
[22] die Festlegung des Ersten Diwans als letzte / höchste Kontroll- und
Entscheidungsinstanz in gerichtlichen Untersuchungen: „Divanul întâi să nu poată
strica actul judecăţei făcute în judecătoria aceea de unde au păşit apelaţia cătră [sic]
dânsul, ce numai să cerceteze pricina după cursul actului şi după cuvintele părţei
nemulţumite ce au cerut apelaţie, şi dacă va găsi vreo greşeală, sau vreo urmare de
nedreptăţi, să întoarcă înapoi actul iară la judecătoria de unde l-au primit, ...” (Punkt
33, cf. auch Punkt 34)
[23] die explizit geforderte verpflichtende und detaillierte Dokumentation von
Untersuchungsfällen (Anlegung eines Dossiers, Punkt 35)
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[24] die explizite Forderung, bei Urteilen moralisch (bedachtsam, verantwortlich und
im Sinne der Wahrheit und des Rechts: „spre pătrunderea adevărului”, „cu păzirea
dreptăţei” etc.) vorzugehen sowie im Urteil der Mehrheit der (anwesenden)
Urteilenden zu folgen: „iscălindu-se hotărârile cu păzirea dreptăţei şi întocma, fără cea
mai mică strămutare din glasurile pravilelor şi a formelor ei, şi hotărârea să i se dea
pururea după gnomiile cele mai multe la număr şi cu fiinţa de faţă a persoanelor ce să
judecă.” (Punkt 36)
[25] die explizite Forderung der Besetzung der Gerichtskanzleien, des Büros für das
Landesvermögen, der Kanzlei der casa aşăzăturilor patriei, der geplanten Kasse für
spezifische Landeseinrichtungen (siehe unten) sowie der Priester- und Diakonstellen
nach Bedarf: „Fieşte-care din judecătoriile însemnate mai sus să-şi aibă a sa canţălerie,
alcătuită de logofeţi şi scriitori, „după trebuinţă ...” (Punkt 36); „Vistieria să aibă,
precum şi până acum, un logofăt de vistierie, un sameş de vistierie şi atâţa modèţi şi
scriitori câţi vor trebui neapărat pentru căutarea trebilor după cea mai atocmită (sic)
bună orânduială, ...” (Punkt 39); „această capsă [casa aşăzăturilor patriei, sic im Text
caspă] să-şi aibă şi canţăleria ei, alcătuită de atâţa modeţi şi scriitori câţi vor trebui
neapărat pentru căutarea trebilor.” (Punkt 45); „Pentru preuţi [sic] şi diaconi, prin
sfatul obştesc să se pue la cale ca să se aducă în starea acea după cuviinţă pentru
vremea viitoare, ca să nu fie mai mulţi de câţi va cere trebuinţa...” (Punkt 64)
[26] die explizite Forderung der Verantwortlichkeit eines <Chefs> (un povăţuitor al
canţăleriei) der Gerichtskanzlei für den korrekten und zügigen Verlauf des
Prozesses/des Urteils und die zügige Freigabe der Akten: „Fieşte-care din judecătoriile
însemnate mai sus să-şi aibă a sa canţălerie, alcătuită de logofeţi şi scriitori ... şi de un
povăţuitor al canţăleriei, care să nu se păgubească din dreptul ce li s‟ar cădea depe şi
fără păsuire de vreme, şi de a feri fieştecare de cea mai puţină greşeală, având să fie
supuşi răspunderei, fără iertare pentru urmare dimpotrivă şi mai vârtos pentru
prelungirile ce ar face în săvârşirea lucrărei hotărîrilor şi a slobozirei actelor.” (Punkt
36)
[27] die explizite Bestimmung der Steuern durch das Volk und den Fürsten gemeinsam
mit dem sfat: „Vistiernicul halè să fie ocârmuitor şi împlinitor modelelor ce atârnă de
vistierie ..., lucru [prefacerea modelelor] care atârnă de obşteasca socotinţă şi de
întărirea domnului unită cu a sfatului obştesc.” (Punkt 38)
[28] die explizite Bestimmung der (exekutiven) Zuständigkeiten des dem Befehl des
Fürsten und des sfat unterstehenden hatman – seinen damaligen Funktionen zufolge,
eine Art Innenminister / Polizeipräfekt bzw. der spätere Kriegsminister – für die
Bewachung der Landesgrenzen (paza marginilor ţărei), das Ergreifen von Übeltätern
(tâlhari), die Aufstellung von Grenzkapitänen („Căpitanii marginilor să şi-i
orânduiască hatmanul.”; Punkt 40)
[29] die explizite Bestimmung der (exekutiven und richterlichen) Zuständigkeiten des
aga – Barnovschi [1924], 149-150 zufolge, ein primar und prefect de poliţie, also
Bürgermeister und Polizeipräfekt – bestehend einerseits in der Wache über die
Sicherheit der Stadt vor allem vor Feuer, vor Diebstahl und anderen superări
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personaliceşti, Ärgernissen von Personen, über das Vermögen der Städter (de averi a
târgoveţilor), über den ordnungsgemäßen Verkauf von Fleisch, Brot und anderem
(pâne, carne şi celelalte ale îndestulărei) nach gesetzlichen, nicht überhobenen Preisen
(„ca să se facă pe mansupurile cele drepte şi cu preţuri legiuite, spre a se păzi
efinătatea”), über die Bewahrung der allgemeinen Ruhe in der Stadt (buna orânduială
în târg) sowie andererseits in seiner Funktion bei Streitfällen unter Einwohnern die
Untersuchung gemeinsam mit einem Richter zu beginnen (Punkt 42)
[30] die explizite Forderung der Zusammenlegung einer Reihe von Kassen (casa
răsurilor, casa cutiei milelor, casa datoriilor, casa podurilor din Eşi, casa cişmelor,
casa şcoalelor obşteşti, casa spitalului Sf. Spiridon und casa Epitropiei celor
nevârstnici) zu einer einzigen, casa aşăzăturilor patriei, unter der Verwaltung von 6
Bojaren und deren Zuständig- und Verantwortlichkeiten (bestmögliche Führung,
selbständige Rechnungsführung etc.) (Punkt 45)
[31] die Verfügung des Budgets der casa aşăzăturilor patriei durch den domn und den
sfat obştesc („după ponturile lor şi rânduelile aşăzate de domn şi de Sfatul obştesc”;
Punkt 45; cf. hierzu Barnovschi [1923], 151)
[32] die Wahl der Mitglieder des sfat obştesc, mit Ausnahme der 16 die Kreise
repräsentierenden Bojaren (boieri vechili a ţinuturilor), nach dem gemeinsamen
Entschluss von Fürst und sfat („să se aleagă toţi aceştia după socotinţa domnului unită
cu a [s]fatului obştesc“), mit eventuellem Vetorecht des Fürsten gegen den Entscheid
des sfat im Sinne des Gemeinwohls des Landes („rămâind slobod domnului de a face
oarecare schimbare între cei aleşi de sfatul obştesc ... iarăş numai spre binele obştesc al
pământului.“) (Punkt 46)
[33] die Wahl von 16 Bojaren aristokratischer Herkunft in den Rat (sfat) durch die
Gesamtheit [alle Ränge] der Bojaren: „Şasăsprezece boieri vechili de pe la ţinuturi, ce
au să fie de pururea în sfatul obş[t]iesc, să fie aleşi după sloboda voinţă şi socotinţa
obştiei boierilor ţinutaşi.” (Punkt 48)
[34] die explizite Forderung der Regularisierung und Angemessenheit der Einkünfte
der Richter und aller Beamten des Hofes, Landes und der Kanzleien nach Höhe,
Funktion und Zufriedenstellung dieser; Festlegung der Höhe ihrer Einkünfte (avaeturi,
pocloane und alte venituri a toate mansupurilor şi slujbelor) durch Entscheid des
domn und des sfat (Punkt 49)
[35] die explizit geforderte gerichtliche Verurteilung bei Nichterfüllung des Amtes
oder der Annahme zusätzlichen Einkommens: „cei ce se vor dovedi că au primit mită
sau ruşfert dela cineva ... să fie supus [ohne acord zu cei] sub giudecata pravilicească”
(Punkt 50)
[36] die explizit geforderte Verleihung der Bojarentitel (numirea boierilor prin
îmbrăcarea de caftan) sowie der Ranghöhe gemäß dem Verdienst für das Land („...
potrivirea cinurilor să fie pe aceste măsuri a vredniciei după orice trebuinţă a patriei.”)
und nach Entscheid des Fürsten und des sfat; (Punkt 51)
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[37] die explizit geforderte Gültigkeit der Gesetze auch für alle Beamten im Dienste
öffentlicher Angelegenheiten und Angelegenheiten der Einwohner (Punkt 51;
Barnovschi [1923], 156-157)
[38] die explizite Forderung der Steuerreduzierung und Angemessenheit der Steuer
bzw. einer, die Bauern und die Gutsbesitzer gleichermaßen zufriedenstellenden Steuer:
„Adetul lăcuitorilor ţărani cătră stăpânii moşiilor să se îndrepteze întru o potrivire, ca
nici stăpânii moşiilor să nu se păgubească din dreptul ce li s-ar cădea de pe drept
pământul lor ce‟l dau lăcuitorilor de se hrănesc dar nici lăcuitorii să nu se asuprească.”
(Punkt 53) sowie „Birul ţărei, care până acum n-au avut dreapta lui cumpănire, să să
puie întru orânduială, ca acea s‟ar socoti mai bine şi mai nimerit, pentru ca nici să se
asuptrească prin el pământenii, dar să lipsască şi toate greutăţile, ...” (Punkt 54)
[39] die explizite Forderung, die Wirtschaft für das Land zu fördern, indem man gegen
den Missbrauch in den Städten vorbeugt: „să se poată întemeia târgurile, ştiut fiind că
ticăloşia târgurilor şi a politiilor aduc (sic) neapărată ticăloşie şi lucrătorilor de pământ
şi comerţiei.” (Punkt 53)
[40] die implizite und explizite Feststellung der Ausbeutung des Volkes: adăugiri
nedreaptă şi asupritoare (Punkt 54), „să lipsască tot feliul de asuprire şi de jăcuire”
(Punkt 57), asupriri pentru lăcuitori (Punkt 61)
[41] die explizit verlangte Fortführung von Steuerprivilegien für mazili (die aus
effektiven Ämtern ausgeschiedenen Bojaren, welche Abgaben boiereşte, also in
geringerer Proportion, zahlten, cf. IFŢR, 1988, s.v. mazil), dann auch für ruptaşi (eine
Gesellschaftsklasse, welche sich ursprünglich mit der vistierie, der Kanzlei für das
Landesvermögen, eine steuerliche Sonderstellung ausverhandelt hatte, cf. IFŢR, 1988,
s.v. ruptaş, ruptoare; sie zahlte im 18./19. Jahrhundert ausschließlich die ruptă, eine
Abgabe, die der stare, dem Vermögen / Stand, angepasst war; cf. DEIC, s.v. ruptaş
und ruptă), für Händler und die Söhne von Priestern: „Dajdia mazililor şi a ruptaşilor
aducând întru îndreptarea acea cuviincioasă, să fie păzite şi pravilele ce au aceste
trepte prin vechi hrisoave, asemine urmându-se şi pentru neguţitorii hrisovoliţi ...
Feciorii de preoţi, după rânduiala de mai înainte hotărâtă, să intre tot la rânduiala
ruptaşilor...” (Punkt 55)
[42] die explizit verlangte Umverteilung der camără / camănă, einer ursprünglich für
den Fürsten und den Hof bestimmten Abgabe (cf. IFŢR, 1988, s.v. camănă), (implizit)
zu Gunsten des Landesvermögens bzw. seiner Steuerträger und zugleich zu Ungunsten
des Fürsten: „... ruptele cămărei, acei ce nu vor fi din starea orăşănească, să se dee în
birul obştesc. Feciorii de preoţi, după rânduiala de mai înainte hotărâtă, să intre tot la
rânduiala ruptaşilor, şi toţi banii dăjdiilor acestori trepte să intre în socoteala birului
legiuit al ţărei.” (Punkt 55)
[43] die explizit verlangte Fortführung von Steuerabgaben (für Beamtensold, Schafe
und Schweine, Bienenstöcke, Wein, Zoll und Salz) in der Höhe der alten Tradition:
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„Slujbele răzumaturi, goştina, desetina, vădrăritul, precum şi venitul dela vămi şi al
ocnilor, să se urmeze şi de acum după rânduiala obicinuită din vechi...” (Punkt 56)
[44] die explizit geforderte schriftliche Fixierung des Steuersolls sowie die
Dokumentation der Einnahmen seitens der Beamten, zum Schutz gegen Missbrauch:
„[Bestimmte Steuern werden in der seit jeher fixierten Höhe beibehalten:] fără a se
mai face vre-o sporire peste ceea ce este legiuit; şi aceste slujbe ... să se caute ... într-
un chip ca să lipsască tot feliul de asuprire şi de jăcuire ce se urma până acum dându-
se spre acest sfârşit şi ţidule în tipariu pe la toate satele ţărei, arătătoare lămurit cât are
să plătească la fieşte care rezumat, şi îndatorindu-se slujbaşii ca să dee şi ei neapărat
ţidule iscălite şi lămurit arătătoare de câţi bani s-au luat dela fieşte cine anume şi pe
câte bucate.” (Punkt 56)
[45] die explizite Forderung der Annulierung der Pflicht, bei jedem Herrscherwechsel,
die fürstlich erlassenen Urkunden für Privilegien (hrisoave und cărţi) und trepte,
Ränge, zu erneuern: „Înnoirea hrisoavelor şi a cărţilor treptelor, ce se obicinuesc la
toată prifacerea de domnie, ca un lucru nedrept şi pricinuitor de struncinare, să se
rădice din această obicinuinţă...” (Punkt 58)
[46] die implizite Darstellung der Suzeranität der Pforte in der Pflicht der Moldau,
Fleisch, Schafe, Bauholz, Talg etc. nach Konstantinopel zu liefern: „Pentru zaharelile,
oile de mumbaeà şi cherestelile ce din poruncă împărătească se cer a merge de aici la
Ţarigrad, cererea obştiei este de a...” (Punkt 59)
[47] die explizite Forderung der Gültigkeit eines Edikts von 1803 für die
wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Pforte und der Moldau oder eines neuen
Edikts [implizit: um den Missbrauch zu stoppen, der durch die capanlîi, griechische
Händler, die für die Türken zu einem vorher von der Pforte fixierten Preis kaufen
sollten, jedoch in Komplizenschaft mit den Beamten vorort dies häufig unterliefen;
Eliade 2000, 23 und 108]: „Pentru zaharelile, oile de mumbaeà şi cherestelile ...,
cererea obştiei este de a se urma sfântului înalt împărătesc hatişerif ce este dat la anul
1803, sau după înaltă milostivnică poruncă împărătească ce se va da pentru această
pricină, şi vitele de zalhana (sic) de tot feliul ..., afară de suma acea trebuincioasă
pentru ţară, pogorându-se la Galaţi pentru ca să meargă la împărătescu caban, să se
vânză cu rizapazar capanlâilor ...” (Punkt 59)
[48] die explizite Forderung gesetzlicher Privilegien für alle Bojaren und ihre Witwen
(pentru giupânesele văduve), darunter die Verfügung über von Steuer Befreite
Untergeordnete (scutelnicii, breslaşii, slugi) für alle Bojaren „Scutelnicii, breslaşii şi
slugile, ca un privileghiu legiuit, să se dee neapărat şi fără osăbiri fieşte căruia boier...”
(Punkt 60)
[49] die explizite Forderung der gesetzlichen Regelung und Einhaltung der
Privilegienrechte der Bojaren nach ihrem Rang (după rangul său; Punkt 60)
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[50] die explizite Forderung der gesetzlichen Regelung und Einhaltung der feudalen
Abgabeleistungen: „acei legiuiţi să nu fie supăraţi nici cu un fel de havalele sau
angării” (Punkt 60)
[51] die explizite Aberkennung von Privilegien in Form von scutelnici, meseriaşi
breslaşi und slugi (siehe [48]) für Fremde: „Străinii să fie depărtaţi cu totul de acest
privileghiu care este numai al pământenilor...” (Punkt 60)
[52] die explizit geforderte Abschaffung einer Reihe von neu verlangten Steuern für
Alkoholproduktion und Mais, Pflaumenschnaps, Wein und Fleisch, wenn diese
ausgeführt werden, sowie Abschaffung der Steuer für den Ausschank: „Dările cele din
nou scornite, precum cfitul căldărilor de velniţă, cfitul păpuşoilor ce trec peste hotar
pentru neguţitorie, vama ce se lua de perjă şi pe tiţcovină (sic) [Barnovschi verwendet
das Wort tescovină, ein alkoholhältiges Getränk], plata pentru tot felul de vin ce trece
peste hotar, afară de suma legiuită analogă a zalhanalei din ialoviţa de negoţ, banii
potirilor de pe la crâşme, banii beşlegăritului ce se lua sub orice fel de numire, toate
aceste fiind de o vătămare vederată pentru neguţitori şi asupriri pentru lăcuitori, să se
ridice ca să nu mai fie ...”. (Punkt 61)
[53] die explizit geforderte Aufstellung des obersten, führenden, Klerus, in den
Personen des Metropoliten, der beiden Bischöfe von Roman und Huş und der
Klöstervorstände, aus ausnahmslos Einheimischen: „Metropolitul ţărei şi episcopii
Romanului şi a Huşului, să se păzască legiuire de a orândui ... numai din pământeni ...
Asemine şi egumeni prin toate mănăstirile ţărei să se rânduiască numai din pământeni
moldoveni ...; iar alţi arhierei sau şi egumeni străini, aceia în ţară să nu fie primiţi.”
(Punkt 62)
[54] die explizit geforderte Zuständigkeit des sfat obştesc, die Kirchenleitung (den
Metropoliten, die beiden Bischöfe und alle Klöstervorstände des Landes) zu wählen
(Punkt 62)
[55] die explizite Forderung der selbständigen Verwaltung von Nemţu und Secu und
der Planung einer epitropie, einer für die Einkünfte und das gute Funktionieren
verantwortlichen Verwaltung aller Klöster, des Hauses der Metropolie und der
Bischofssitze; sowie das Ziel der [erstmaligen] <staatlichen> Nutzung von Überfluss
aus den Klöstern für die [sozialen] Einrichtungen des Landes („iar prisosul veniturilor
să se dee la causa aşăzăturilor patriei”) (Punkt 63)
[56] die explizite Forderung einer angemessenen Ausbildung vorort der zukünftigen
Priester und Diakone: „acei [preuţi şi diaconi] care se vor face de acum, să fie învăţaţi
la şcoalele patriei cu ştiinţa cea deplină pentru ale bisericei şi a legei şi cu acea ştiinţă
cuviincioasă pentru această vrednicie” (Punkt 64)
[57] die explizit geforderte Entgräzisierung der Kirche durch die ausschließliche Wahl
aller Priester unter den Einheimischen: „toţi preuţii bisericilor şi a mănăstirilor să fie
numa din pământeni moldoveni” (Punkt 64)
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[58] die explizit verlangte Förderung der allgemeinen Bildung des moldauischen
Volkes durch Einrichtung verschiedener Bildungsstufen, von şcoale obşteşti,
öffentlichen Schulen (in Jassy und pe la toate târgurile din ţară, allen Städten des
Landes) und höheren Schulen („Apoi dupa aceasta, să intre cei (ce) vor voi în şcoale
de limbi streine”): „Spre obştescul folos şi păşirea înainte pentru învăţătura neamului
moldovenesc, să se aşăze şcoale obşteşti în Eşi şi pe la toate târgurile din ţară ..., întru-
un chip ca acela ca să poată învăţa oricine în limba noastră: gramatică, aritmetică,
geometrie, logică şi meşteşugul alcătuitor de scris, aceste fiind cele mai de trebuinţă
pentru toată starea de obştie, pe lângă ştiinţa celor cuviincioasă a legei, a pravilei şi a
datoriei obşteşti. Apoi dupa aceasta, să intre cei (ce) vor voi în şcoale de limbi streine,
aşezându-se şi acest fel de şcoale cum se vor socoti şi unde, spre a se da învăţături
într‟nsele în limbile ce sânt mai de trebuinţă pentru acest pământ, în care limbi să se
dea şi orice altă ştiinţă de tot felul.“ (Punkt 65)
[59] die explizit verlangte Förderung der rumänischen Sprache als geplante
Unterrichtssprache in der ersten Bildungsstufe („ca să poată învăţa oricine în limba
noastră”, siehe das vorangehende Zitat) (Punkt 65) sowie durch die Gründung einer
Druckerei in dieser Landessprache (în limba patriei): „O tipografie obştească în limba
patriei, afară de acea ce o avea mitropolia, să se sloboadă a se deschide şi a se alcătui
... care de nu o va face ocârmuirea, să se sloboadă voie ori cărui din pământeni s‟ar
găsi ca să o alcătuiască cu a sa cheltuială, dând însă şi ocârmuirea tot agiutorul cel
putincios din partea ei...” (Punkt 66)
[60] das – in einem Nebensatz – implizit formulierte Prinzip der Gleichheit aller
Personen („ca să poată învăţa oricine în limba noastră”, siehe das vorangehende Zitat;
Punkt 65)
[61] die explizit geforderte Zuständigkeit des sfat, Grenzstreitigkeiten gesetzlich zu
regeln bzw. eine Kommission, bestehend aus Bojaren und Ingenieuren, aufzustellen
(Punkt 67)
[62] das expizite Verbot für străini, Fremde, (weiterhin) Gutshöfe oder andere
unbewegliche Güter im Lande zu kaufen bzw. sich im Lande niederzulassen, jedoch
das explizite Recht / die Freiheit im Land Handel zu betreiben: „Streinii, să nu poată
de acum înainte a mai cumpăra moşii şi alte acareturi [avere nemişcătoare, cf. DEIC,
s.v.] stăpânitoare de veci în pământul acesta. Iar pentru lucrarea neguţitoriei, să fie
slobozi tot felul de străini de a urma în pământul acesta, fără a putea să se
statornicească cu lăcuinţă (sic) în ţară.” (Punkt 68)
[63] das explizite Landesverbot für eine bestimmte Gruppe von Arnauten und alţii
[wörtlich andere, worunter, nach Barnovschi [1923], 167 und 183 v.a. Griechen und
Türken gemeint sein dürften]: „Strănsura acea de Arnăuţi şi alţii, ce se obicinuise a fi
în pământul acesta purtătoare de arme, ca nişte oameni ce au fost pururea turburători şi
supărători patriei, să se încontinească (sic) şi niciodată să nu se mai primească subt
nici un fel (de) chip în Moldova.” (Punkt 69)
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[64] die expliziten Verbote für Juden, weiter ins Land zu kommen, Landgüter oder
Dorfgasthäuser zu haben (a ţinea moşii cu anu sau orânzi [cf. DEIC, s.v. orândă] pe la
sate), sich in Dörfern anzusiedeln (să locuiască statorniciţi prin sate),
Alkoholproduktionen zu eröffnen (a face velniţi pre la târguri), Schlachthöfe zu haben
(a ţinea căsăpii) außer für den eigenen Bedarf („având slobozenie numai pentru dânşii
să-şi tae carnea trebuincioasă“), der christlichen Bevölkerung Fleisch zu verkaufen
(şia [sic] vinde norodului creştinesc carne), mit der expliziten Begründung, dass die
Juden aufgrund ihres Geldhandels eine Plage für das Land sind und auch keine
Landarbeit leisten: „Neamul jidovesc fiind ca o sarcină pentru lăcuitorii pământeşti,
după chipurile cu care se chivernisesc, nefiind lucrători de pământ, să nu fie îngăduiţi
de acum înainte a se înmulţi cu venirea din alte părţi...” (Punkt 70)
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[65] das explizite Verbot für die „Ţiganii lăieşi şi ligurari [sic] ce sânt robi boiereşti”,
die als Nomaden lebenden Zigeuner der Bojaren [und Klöster, cf. DEIC, s.v. lăiaş]
sowie für die Ţiganii domneşti, die Zigeuner des Hofes, herumzuwandern, mit der
Begründung, dass sie Schaden bringen: „Ţiganii lăieşi şi ligurari [sic] ce sânt robi
boiereşti şi umblă cu şătrile prin ţară din loc în loc, fiindcă pricinuesc multe supărări
de furtişaguri şi păgubiri lăcuitorilor ţărei şi stăpânilor de moşii, să fie opriţi din
obicinuinţa umblărei lor acestei nestatornici, îndatorind pe stăpânii lor de a-i statornici
pe la moşiile lor, sau şi pe la târguri, acei ce au meşteşuguri; asămine şi pentru Ţiganii
domneşti, prin sfatul de obşte să să puie la cale, ca să lipsască supărările şi păgubirile
ce pricinuiesc şi aceştia în ţară.” (Punkt 71)
[66] die explizite Forderung eines einheimischen domn, Landesherrschers. Der Fürst
wird durch die Wahl der obşteasca adunare, der Allgemeinen Versammlung, d.h.
durch den Metropoliten, die beiden Bischöfe, alle Bojaren mit Amt, und nach
Stimmenmehrheit gewählt und unter den Bedingungen, dass er einheimisch, erfahren,
verdienstvoll, mit Liebe zum Vaterland (râvnă) und der Pforte verbindlich ist: „Pentru
domnii acestei ţări, rămăind după milostivnica îndurare pre [sic] puternicei noastre
împărăţii ca să fie din pământeni Domni, atunce alegerea Domnului să fie din prin
obşteasca adunare, alcătuită de Metropolit şi de episcopii ţărei şi de toată obştia
boierilor, dela logofăt mare şi până la şatrar, alegându-se domnul numa din pământeni
şi pi (sic) acel ce va fi mai cu deplină ispitire cunoscut şi însămnat pentru faptele sale
cele bune, pentru râvna patrioticească, pentru vrednicia cea cuviincioasă unui domn şi
pentru credinţa sa cătră pre puternica împărăţie, şi făcându-se alegirea (sich) după
socotinţa şi primirea celor mai mulţi ...” (Punkt 72).
[67] die explizite Forderung, dass der domn und der sfat gemeinsam Beschlüsse ziehen
und diese als der Wille des Volkes gelten: „Legiuindu-se privileghiul acesta a sfatului
obştesc, ce l‟au avut din învechime pământul, după rugătoarea cerere a se face din
parte (sic) obştei pământului, tot ce se va hotărî de domn împreună cu sfatul obştesc să
fie şi să se cunoască de hotărâre [î: sic] şi voinţă a toată ţara.” (Punkt 73)
[68] die explizite Forderung der Gültigkeit des jeweils aktuellen Gesetzes für das
ganze Volk, den Fürsten und den sfat [der „Imperativ” wird hier als einziges Mal
durch Indikativ Präsens ausgedrückt]: „Acea hotărâre are să fie desăvârşită pravilă,
căreia toată obştia norodului este datoare neapărat a se supune.” (Punkt 73);
„Pravilelor ţărei şi hotărârilor celor săvârşite şi de domn unit cu sfatul obştesc este
supus însus domnul şi sfatul obştesc, până când nu s‟ar anerisi acea hotărâre prin altă
pravilicească hotărâre.” (Punkt 74)
[69] die explizite Forderung, ein Zivil- wie Strafgesetz zunächst als Übergang, dann
ein definitives Gesetz in der Landessprache aufzustellen: „cererea obştei este ca, pe
temeiul cererilor sale aceste arătate şi acele următoare de aceste, precum şi acele ce se
vor mai găsi de cuviinţă afară de aceste, să înfăţoşăze o pravilă a ţărei în deplină
cuprindere a pravililor politiceşti şi acele criminaliceşti, precum şi a tuturor
orânduelilor celor sfinţite a pământului, care pravă (sic), alcătuindu-se în limba
noastră, să se întărească şi să dee în cunoştinţă cea de obştie, spre a o avea fieşte cine
de pravăţ asupra dreptăţilor şi asupra îndatoririlor sale; dar pân se va alcătui şi se va
100
(sic) înfiinţa pravilele ţărei după chipul arătat, se va urma în pricinile de giudecăţi
politiceşti după împărăteştile pravile şi în pricinile de giudecăţi criminaliceşti după (...)
până când va lua sfărşit pravila ţărei.” (Punkt 75)
[70] die explizite Festlegung der Zuständigkeit des sfat gemeinsam mit der des
Herrschers, alles [Barnovschi: alle Projekte] für das Gemeinwohl des Landes in die
Wege zu leiten: „dimpreună şi cu domnu stăpânitoriu, [Sfatul obştesc] are să se facă
începutul şi pornirea a toată lucrarea privitoare cătră sfârşitul cererilor însămnate
pentru binele patriei ...” (Punkt 76)
[71] die Aufstellung / Zusammensetzung des sfat aus den ausgewählten Bojaren der
Kreise (boierii ţinuturilor) sowie jenen aus Jassy (boierii orăşeni), dem Metropoliten
und den Bischöfen des Landes: „Ocârmuirea domniei să facă adecă înadins luminată
poroncă domnească cătră boierii ţinuturilor, ca să-şi aleagă dela fieşte care ţinut câte
un boier vechil şi să trimeată aici la Eşi; să facă iarăşi înadins luminată poruncă
domnească cătră boierii orăşeni din Eşi, ca să să aleagă doisprezece boieri de toată
treapta pentru acest dintâi sfatul (sic) obştesc; şi aceasta făcându-se, apoi, prin alta
luminata (sic) poruncă către preosfinţia lor Metropolitul şi episcopii ţărei şi cătră toţi
aleşii boieri vechili de pe la ţinuturi şi acei din boieri orăşeni a Eşului ...” (Punkt 76)
[72] die explizite Bitte (cerere) der Gewährung des Petitionsrechts, welches von den
griechischen Fürsten unterdrückt worden war (Barnovschi [1923], 172-173): „Fiindcă
jalbele obştei în trebuinţele patriei cătră prea puternica şi umbritoarea noastră
împărăţie au fost oprite dela o vreme încoace de către domnii greci ... cerirea obştei
este, ca slobozindu-se de cătră împărătească milostivire pământurilor dritul acesta ce
din vechiu l-au avut, să fie slobodă şi lucrarea acestui drit în orice vreme de trebuinţă”
(Punkt 77)
V.5. Interpretation der Reformvorschläge von 1822
Barnovschi schätzte den Text von 1822 aufgrund der aufscheinenden Konzepte (siehe
V.2.) als eine modern-demokratische Verfassung für die Moldau ein ([1923], 74). Wie
die Analyse zeigt, ist der Text strukturell jedoch dafür zu unsystematisch. Er behandelt
verschiedene „Kernthematiken” nicht nur teilweise sehr verstreut, sondern auch, für
eine moderne Verfassung, zu spezifisch, insbesonders, wie wir noch sehen werden, im
Begriffsfeld der <Judikatur>. Zu diesen, zu weitgehenden Spezifizierungen gehören
beispielsweise die verschiedenen in Punkt 56 des Quellentextes genannten konkreten
Steuerleistungen für Beamtensold (im Text răzumaturi, cf. IFŢR, 1988, s.v. răsură),
für Schafe und Schweine (cf. IFŢR, 1988, s.v. goştină), für Bienenstöcke (IFŢR, 1988,
s.v. desetină), für Wein (cf. IFŢR, 1988, s.v. vădrărit), als Zoll und für Salz (venitul
dela vămi şi al ocnilor), welche nach alter Tradition weiterbestehen sollen. So auch die
geplante Neuorganisation der Einrichtung von Postkutschen (menziluri), welche
ehemals die vom obeiceiul pământului geregelte(n) Post(Kutschen) des Fürsten
darstellte, in osmanischer Zeit auf Verlangen des Sultans in seine Dienste gestellt und
deren Finanzierung von der Bevölkerung getragen wurde (cf. IFŢR, 1988, s.v. cai de
olac und menzil). Als für eine moderne Verfassung zu detailliert könnte man auch die
101
geforderte gesetzliche Regelung von Traugebühren sowie der Gehälter für Priester
(Punkt 64 des Quellentextes) anführen. Viele Absätze dokumentieren im Sinne dieser
Detailliertheit eine Vermischung von einer Art Grundgesetz mit speziellen Gesetzen.
Dies gilt vor allem für den Abschnitt Pentru locurile unde să se caute dreptatea
politicească şi criminalicească, der die Artikel 24 bis 37 umfasst und Prozeduren der
Rechtssprechung formuliert, die in modernen Verfassungstexten nicht aufgenommen,
sondern in Spezialgesetze ausgelagert sind.
Dazu formulierte der Verfasser eine Reihe von Maßnahmen für konkrete Situationen.
So interpretiert Barnovschi Punkt 16 des Quellentextes (<Ausschluss mehrfacher
Staatsangehörigkeit>) als Reaktion auf die damalige Modeerscheinung unter
russophilen Bojaren, Bürger Russlands zu werden, gleichzeitig jedoch die Privilegien
der moldauischen Bojaren zu genießen. Der Autor führt hier als Beispiel Mihai Sturza
an, dem 1823 von Nesselrode, russischer Staatskanzler, die <russische
Staatsbürgerschaft> zugesprochen worden war, und der nach dem Scheitern der
cărvunari in die Moldau zurückkehrte und dem Artikel 11 – der dann nicht mehr
gültigen „1822-Verfassung” – insgesamt zuwiderhandelte ([1924], 132). Barnovschi
interpretiert u.a. auch den Punkt 43 unseres Quellentextes – er legt fest, dass der
fürstliche Stallmeister (comis halè) und Hofverwalter ispravnic de curte ihr Amt am
Fürstenhof ausführen („Comisul halè şi ispravnicul de curte să-şi aibă sluj[b]a în
curtea domnească”) als eine Maßnahme, die möglicherweise gegen eine bestimmte
Person gerichtet war. In dieser konkreten Zweckgerichtetheit erinnert der Text von
1822 punktuell an die Forderungen des walachischen Volks des Tudor Vladimirescu.
Betrachtet man den Text von 1822 auf dem Hintergrund der von uns aufgestellten
wichtigen Begriffe (in ihren Protonymen und Antonymen, cf.
Metzeltin/Lindenbauer/Wochele 2005, Kap. VI. Semantische Komplexität und ihre
Erfassung, 64-69), zeigt eine kondensiertere Aufstellung unserer Analyse folgende
Thematiken moderner Verfassungskonzeption:
<Autonomie / Souveränität>: Forderung von Rechten [1, 3], Besetzung der höchsten
und höheren Ämter der Kirche durch Einheimische [53, 57], Wahl der Kirchenleitung
durch den sfat [54]; selbständige Verwaltung von Nemţu und Secu [55], Forderung
eines einheimischen domn [66]; diese Forderungen werden auf dem Hintergrund der
Suzeranität der Pforte [1, 3, 46, 47] gefordert
<Eigentum>: für fieşte cine [4] und Entschädigung bei Eigentumsbeschlagnahmung
[6]
<Freiheit>: allgemeine Freiheit des Individuums [5]; Freiheit der Arbeit [11]; Freiheit
sich zu bewegen / Handelsfreiheit [12, 39] vs. Unfreiheit / Verbot des Ansiedelns und
Handelns für Juden [64] / Verbot, sich frei zu bewegen / Ansiedlungszwang [65]
<Gleichheit>: vor dem Gesetz [7, 16; für das Volk, den domn und den sfat, 68],
gleiche Bildungsmöglichkeit [60] vs. Privilegien: bestimmter Gruppen [41, 48, 49, 50]
<Sicherheit>: der Person (Punkt 9 nach dem Quellentext)
102
<Gemeinwohl> [9, 70] vs. <Missbrauch / Korruption>: keine Besetzung von Ämtern
als Bereicherung [10], gegen die gesetzeswidrige Annahme zusätzlichen Einkommens
[35], Missbrauch durch Handelsbeschränkung [39], Missbrauch des Volkes [40],
Missbrauch bei der Steuereinnahme [44, 50]
<Staatsbürgerschaft>: Bedingungen [13 und 14], [nicht spezifizierte] / Pflichten und
Rechte [15], Berufungsrecht [21], Verbot für Fremde, sich niederzulassen [62],
Landesverbot für bestimmte Gruppen bzw. Juden [63, 64]
<Bevölkerung>: Moldovean (16, des Quellentextes)
<Gewalten und Gewaltenteilung> [17], JUDIKATUR [18], JUD [19], JUD /
Zuständigkeiten [20], JUD / höchste Instanz [22], JUD / obligatorisches Dossier [23],
JUD moralische Ansprüche der Richter [24] / Verantwortlichkeit [26], EX und JUD /
Zuständigkeiten des hatman [28], Zuständigkeiten des aga [29], Verfügung über ein
Budget seitens des domn mit dem sfat [31], Wahl des sfat durch ein Wahlkollegium
und Vetorecht seitens des domn [32], Wahl des sfat durch die Bojaren [33],
Bestimmung von Beamtenlöhnen durch den domn und den sfat [34], Verleihung von
Bojarentiteln durch domn und sfat [36], Wahl der Kirchenleitung durch den sfat [54],
JUD / vom sfat zu regelnde Grenzstreitigkeiten [61], LEG / Beschluss von Gesetzen
durch den domn und sfat gemeinsam [67], Zuständigkeit des sfat und domn für das
Gemeinwohl [70], die Aufstellung des sfat [71]
<Steuern>: Reduzierung [38, 42], Steuern nach alter Tradition [43], Missbrauch [44],
Abschaffung [52] vs. Privilegien (siehe oben unter Gleichheit / Privilegien)
<Wahl (des sfat)> [32, 33, 71]
<Volk>: se fac din partea obştei Moldoviei (Prolog), Norodul Moldavei ... cere... [1,
19], pământeni [51, 56, pământeni moldoveni [64], locuitori [53], neamul
moldovenesc [65], Förderung der Bildung [58], Förderung der Landessprache
Rumänisch [59], Druckerei [66]
<Petitionsrecht> [72]
<Öffentliche Meinung> (73, nach dem Quellentext)
<Vaterland>: (die folgenden Zahlen entsprechen der Nummerierung unseres
Quellentextes): împotriva binelui patriei (11), casa aşezăturilor patriei (45), eforii casei
aşezămintelor patriei (46), trebuinţă a patriei (51), săraci[lor] patrioţi (63), râvna
patrioticească (72); ţară (Prolog, 1, 3, 13, 17, 19, 20, 21, 22, 25, 40, 51, 54, 55, 56, 57,
59, 62, 65, 68, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76)
Zusätzlich werden die folgenden Begriffe konzeptualisiert:
<Gesetzeswirksamkeit>: [2], gesetzliche Regulierung von Beamtenlohn [34],
Gesetzesgültigkeit für alle Beamte [37], bei Privilegien [48, 49], der Steuerregelung
103
[50], in vom sfat zu regelnden Grenzstreitigkeiten [61], Beschluss von Gesetzen [67],
das geforderte Landesgesetz [69]
<Würde>: der Person [8], des Herrschers [9]
<Verdienst>: Ämterbesetzung aus Verdienst [19], Verleihung von Rängen nach
Verdienst [36]
<Finanzgebaren>: Bedarf [25], Bestimmung der Steuern durch Volk, domn und sfat
[27]; Zusammenlegung von Kassen [30], Verantwortlichkeit [30], Verfügung über ein
spezifisches Budget durch den domn und den sfat [31], Angemessenheit von
Beamtenlöhnen [34], Angemessenheit der Steuern [38]
Wie ersichtlich, sind von den Grundbegriffen der Erklärung der Menschrechte alle
außer der <freien Meinungsäußerung> mehr oder weniger thematisiert, von den
staatstragenden Begriffen sind <Bevölkerung>, <Volk>, <Staatsbürgerschaft>,
<Staatsgewalt>, <Repräsentativität>, <Trennung der Gewalten>, <Vaterland>, nicht
aber den (späteren) <Staatsnamen> oder Begriffsfelder wie <Territorium>,
<Hauptstadt>, <Wohnsitz>, <Grenze> konzeptualisiert worden. In diesem Sinn
spiegelt der Text eine bestimmte Aufnahme der Ideologeme moderner <Staatlichkeit>,
noch nicht jedoch die (explizite) Konzeption des modernen Staates selbst wider,
dessen Begründung noch einige Jahrzehnte dauern sollte.
Die sogenannte „cărvunari-Verfassung” wird, wie schon gezeigt wurde, mit der
Überschrift „Cererile cele mai însemnătoare ce se fac din partea obştiei Moldoviei
atocmite cu cele cuprinse prin obştească jalbă sa, trimisă către prea înaltul Devlet”
eingeleitet, zweimal erscheint in diesem Prolog der Begriff eines <Gesuchs> (Cererile
und jalbă), welches dem Sultan vorgelegt werden sollte. Wie wir am Beginn unserer
Analyse zeigten, wird die hegemoniale Herrschaft der Pforte im Text mehrfach
bestätigt [Absatz 1, 3, 46 und 47 unserer Analyse] bzw. durch pragmatische
Anredeformeln (Punkt 1 des Quellentextes), der Versicherung der Treue (Punkt 2), der
Pflicht der Moldau, Landesprodukte an Konstantinopel abzuliefern (59), oder der
Bitte, Petitionen dorthin zuzulassen (77) etc. Auch Barnovschi meinte, dass der
vorliegende Text noch in keinster Weise das Vasallenverhältnis der Moldau lockerte
([1923], 86). Denn zum Zeitpunkt der Entstehung des Textes, so ist anzunehmen,
entsprach die suggerierte Autonomie der Moldau (z.B., in Pontul 1: „Norodul
Moldavei, ca un norod ce din învechime şi până astăzi a avut şi are sfinţit privilegiul
slobozeniei şi acela al volniciei de a se oblăndui cu ocârmuitorul său ...”; cf. auch
Punkt 40, demzufolge domn und sfat über Krieg entscheiden) noch nicht der
historischen Realität ([1923], 148-149). Der oder die Verfasser versuchten allerdings,
diskursiv eine gewisse Autonomie zu suggerieren und (damit später) praktisch
durchzusetzen. Barnovschi kommentiert in Bezug auf die Praxis der souveränen
Herrscherwahl, dass diese zwischen 1512 und 1540 verlorengegangen zu sein scheint
([1923], 123, 170). Die Autonomie / Souveränität der Moldau ist, unserem Text nach,
1822 definitiv nicht gegeben, wird aber als ein primäres Ziel konzipiert.
104
Die Autonomie der Moldau wird, wie sich zeigte, in mehrfacher Weise, zuallererst
über historische Rechte und eine unabhängige Herrscherwahl, desweiteren in der
Institution des sfat obştesc, der <nationalen, alle Gesetze beschließenden
Landesvertretung> [1, 3] gefordert. Der Weg in mehr Autonomie führt auch, wie in
der Walachei, über eine Entgräzisierung bzw. Nationalisierung der Kirche, deren
Führungsschicht ausnahmslos einheimisch sein soll [53, 57]. Weitere Schritte in mehr
<staatliche> Unabhängigkeit sind auch die geplante stärkere Selbstverwaltung
kirchlicher Zentren (Nemţu und Secu [55]), aber auch die Förderung des moldauischen
Volkes durch Bildung [58] sowie die Förderung der rumänischen Sprache als
Unterrichtssprache in Bildungsstufen ([59], Punkt 65). Diese impliziten Ziele einer
<Nationalisierung> und Autonomisierung der Moldau gipfeln im Bewusstsein der
Notwendigkeit eines einheimischen domn, eines Landesherrschers [66]. Barnovschi
verweist desweiteren auf das Recht der Regierung, in Einbürgerungsfragen frei zu
entscheiden ([3], Punkt 15) als ein Kriterium von Souveränität ([1924], 131). Den Plan
zur Aufstellung einer nationalen und permanenten Armee, wie sie derselbe Autor in
Punkt 40 des Quellentextes deutet („Reînvie un fel de armată naţională, şi încă
permanentă.”, ib., 167, 183), sehen wir nicht deutlich. Zu spezifisch für eine
Verfassungsfrage ist sicherlich, wie schon erwähnt, die geforderte Neuorganisation der
Postkutschen (Punkt 57). Allerdings meinte Barnovschi hierzu, dass es eine kühne
Reform war, von den Beamten der türkischen Post zu verlangen, das Eigentum der
Einwohner zu respektieren und, beispielsweise, Pferde der Bevölkerung nicht mehr
mitten am Weg zu beschlagnahmen ([1923], 160). Der Vorschlag bezüglich der
Kutschen war, wie der Diskurs belegt, demnach auch ein Teilaspekt im Versuch der
cărvunari, die Hegemonie der Pforte punktuell auszuschalten.
Der Text von 1822 enthält keinen expliziten Diskurs über den Ländernamen. Hinweise
auf die Moldau erscheinen in Genitivergänzungen (partea obştei Moldoviei im Prolog,
Norodul Moldavei, Pământean al Moldovei in Punkt 1, 14), in Präpositionalgefügen
(în pământul Moldovei, cel născut în Moldova; Punkt 13, 19) oder in der
ethnonymischen Nennung der Bevölkerung (pământeni moldoveni, Punkt 64;
neamul[ui] moldovenesc, 65). Am häufigsten wird für die Moldau das Lexem ţară,
Land, verwendet (im Prolog und den Punkten 1, 3, 13, 17, 19, 20, 21, 22, 25, 40, 51,
54, 55, 56, 57, 59, 62, 65, 68, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76 des Quellentextes). Dennoch
zeichnet sich gleichzeitig in bestimmten Kollokationen, welche das Wohl des Landes
wie auch gewisse <nationale> Einrichtungen bezeichnen – wie im Diskurs der Texte
von Vladimirescu –, ein Bewusstsein für das eigene (Heimat)Land ab (binele patriei,
casa aşezăturilor patriei, eforii casei aşezămintelor patriei, trebuinţă a patriei; in den
Punkten 11, 45 46, 51; cf. auch săraci[lor] patrioţi und râvna patrioticească (Punkte
63 und 72)). Das Bewusstsein für eine Heimatidentität erscheint um 1822 als ein
wichtiger Aspekt in der Entwicklung der (späteren) eigenen staatlichen
Unabhängigkeit ebenso wie das Bewusstsein über die Nation / das Volk als solches.
Das Volk erscheint im gesamten Text eher als passiver Agens ohne Subjektfunktion
(pământeni [51, 57], lăcuitorii pământeşti [64], pământeni moldoveni [53],
lăcuitori[lor] ţărei [65], neamul[ui] moldovenesc [58]. Geplant wird, durch Schulen
das Volk in seiner Gesamtheit [58] und durch die Stützung der rumänischen
Landessprache [59] sowie die Einrichtung einer Druckerei für diese [66], zu fördern.
Gleichzeitig wird das Volk in die Senderfunktion der Cereri gehoben („Cererile cele
105
mai însemnătoare ce se fac din partea obştiei Moldoviei”, Prolog des Quellentextes;
„Norodul Moldavei ... cere”, Pontul 1; „Norodul ... cere ca să i se întărească şi
legiuirea aceia...”, Punkt 19 des Quellentextes). Die Verfasser des Textes suggerierten
durch diesen Diskurs eine gewisse Souveränität des Volkes der Moldau.
Die cărvunari-Verfassung spiegelt auch die mehr oder weniger weitgehende
Konzeptualisierung von Grundbegriffen der Erklärung der Menschenrechte wider.
Hier sind anzuführen das für jeden (fieşte cine) geltende (Recht auf) <Eigentum> [4]
(bei Entschädigung in Fällen der Beschlagnahmung zum allgemeinen Nutzen, [6]) wie
auch die Gleichheit aller Personen vor dem Gesetz ([7, 16, 68]) und der Anspruch
gleicher Bildungsmöglichkeiten für alle [60]. Diese Gleichheit wird jedoch in der
Regelung der Steuer annuliert. Zwar werden punktuell Steuerreduzierungen oder –
abschaffungen verlangt [38, 42, 52], teilweise aber die Steuerabgabe nach alter
Tradition vorgeschlagen [43] und die Privilegien bestimmter Gruppen der Gesellschaft
aufrechterhalten [41, 48, 49, 50]. Damit, um es mit den Worten von E. Lovinescu zu
sagen ([1924], I, 59-62), bestand das Klassenprivileg weiter. Ein ähnliches Paradox
entwirft der Text, indem er zwar neben der Freiheit der Arbeit [11] und der Freiheit
des Handels / der Freiheit, sich zu bewegen [12, 39] auch die allgemeine Freiheit des
Individuums [5] vorschlägt, jedoch diese allgemeinen Freiheiten für die, für Bojaren
und Klöster dienenden Zigeuner (Ţiganii lăieşi şi ligurari [65]) nicht gelten lassen
will, ja diese als robi boiereşti (ib.) zu Unfreien per se deklariert. Der Text belegt
deutlich, dass im September 1822 noch nicht an eine dezrobire, eine Befreiung aus der
Leibeigenschaft, der Zigeuner, wie sie Jahrzehnte später erfolgen sollte, gedacht wurde
(cf. Barnovschi [1923], 168). Punkt 9 des Quellentextes scheint desweiteren die
<Sicherheit von Personen> zu konzeptualisieren, und zwar bei Arrestierung und im
Rahmen von Strafverfolgungen („Pentru tot cela ce se va învinovăţi cu vreo faptă, şi
mai înainte de a se dovedi fapta vinovăţiei lui, trebuinţa ar cere neapărat de a se pune
la închisoare, toată asprimea acea de prisos peste trebuinţa siguranţei despre persoana
lui să fie oprită şi neiertată.”). Die Textstelle scheint sich einerseits an die französische
Vorlage der Déclaration anzulehnen. Gleichzeitig liegt aber der Fokus bei diesem
Texte auf der Sicherheit, diese Person unter Gewahrsam zu halten (cf.: Article 9 - Tout
homme étant présumé innocent jusqu‟à ce qu‟il ait été déclaré coupable, s‟il est jugé
indispensable de l‟arrêter, toute rigueur qui ne serait pas nécessaire pour s‟assurer de
sa personne doit être sévèrement réprimée par la loi.).
Aus der Perspektive der Déclaration des droits du l´homme fehlen in unserem Text die
Begriffe des modernen citoyen sowie der Staatsbürgerschaft. Die Moldauer werden im
Text von 1822, wie teilweise schon gezeigt wurde, als obşte,
Allgemeinheit/allgemeines Volk [Prolog], dann auch pământean (mit der weiblichen
Form im Text pământeancă), Einheimischer (Punkt 14 des Quellentextes oder [51, 53,
57]), dann lăcuitori, Bewohner [64]. bezeichnet. Dennoch wird eine
<Staatsbürgerschaft> skizziert und zwar in den Bedingungen, die gelten um – wörtlich
– „sich Einheimischer zu nennen” („Pământean al Moldovei să se numească tot cel
născut din părinţi moldoveni slobozi”; Punkt 19 des Quellentextes) sowie in der
Zuschreibung von îndatoriri und îndreptări, Pflichten und Rechten (driturile şi
îndatoririle unui pământean, Punkt 14 des Quellentextes), welche jedoch nicht weiter
erklärt sind. Allerdings wird innerhalb richterlicher Untersuchungen auf ein
106
<Berufungsrecht> verwiesen, das jedem zusteht [21]. Deutlich erscheint auch das
<Petitionsrechts>, welches die cărvunari gegenüber dem Sultan geltend zu machen
versuchen [72].
Eine immer wiederkehrende Forderung im Text von 1822 ist die der Gesetzlichkeit
bzw. Gesetzeswirksamkeit [2], die, wie die Analyse zeigte, für verschiedene Aufgaben
und Bereiche des <Staates> gewünscht wird (für den Beamtenlohn, für alle Beamten;
in der Gültigkeit von Privilegien; in der Steuerregelung, in gerichtlichen
Angelegenheiten und schließlich in dem geforderten Landesgesetz [34, 37; 48 und 49;
50, 61, 69]). Diese Konzeptualisierung des Gesetzes als höchste Garantie für eine
Verbesserung des politischen und gesellschaftlichen status quo der Moldau scheint
sich an das analoge Ideologem der Französischen Revolution anzulehnen. Ein weiteres
Ziel der vorliegenden Reformpläne ist das Gemeinwohl des Landes, das zweimal
explizit genannt wird [9, 70]. Deutlich häufiger jedoch erscheint sein Antonym
(Missbrauch / Korruption), insbesonders in Form von unrechtmäßiger oder
gesetzeswidriger Bereicherung, oft durch Beamte oder Händler [10, 35, 39] und in
Form des an Leistungen oder Abgaben gebundenen Missbrauchs am Volk [40, 44, 50].
Sehr deutlich geht aus unserem Text hervor, dass die Gewalten und ihre
Zuständigkeiten noch nicht klar getrennt sind. In Punkt 27 des Quellentextes liegt uns
ein gutes Beispiel dafür vor. Die darin erläuterten Zuständigkeiten des vel-armaş, des
Präfekten, sind, laut Barnovschi, zugleich die des procuror (Staatsanwalt) bzw. eines
Teils des Tribunals und des Repräsentanten der Exekutive, was völlig wider der Lehre
der Gewaltenlehre war (auch wenn es moderne Theoretiker gab, die die absolute
Trennung für nicht gut hießen; Barnovschi [1923], 142). Gleichzeitig dokumentiert der
Text Versuche der Gewaltentrennung. Der domn hat zwar die Regentschaft
(ocârmuire) inne, die ganze Exekutive (împlinire) unter sich und eine gewisse
legislative wie judikative Macht (hotărâre), doch lässt sich erkennen, dass seine Macht
durch die Machbefugnisse des sfat verringert, ja die Legislative und Judikative in die
Hände von Fürst und Allgemeinem Rat gelegt werden (ib., 134-135 sowie [17]).
Dieser Aspekt wird von Barnovschi als einer der wichtigsten Punkte des Programms
von 1822 bewertet. Innerhalb der Gewalten nimmt, unserer Analyse nach, die
Judikative eine dominante Position ein, allerdings durch viele Vorschläge zur
„juridischen Verwaltungstechnik”. De facto erscheint die Judikative auch eher als eine
Verwaltung als eine Gewalt. Die Punkte 24.-37. des Quellentextes behandeln, wie
schon erwähnt, Prozeduren und Instanzen für Zivil- und Strafrechtliches (Pentru
locurile unde să se caute dreptatea politicească şi criminalicească) und sind zu
spezifisch für eine moderne Verfassung. Sie zeigen aber auch, dass bis 1822 die
Aufteilung der Justiz noch kaum geregelt (ib., 140) und die Trennung von Verfassung
und Straf- / Zivilgesetzbuch noch nicht vollzogen war.
Als größte Dringlichkeit der Reformen von 1822 erscheint, Barnovschi zufolge
([1923], 172-173), die Wiederaufstellung und Wahl des sfat obştesc, des Allgemeinen
Rats („Norodul, spre a i se ocârmui treburile sale cele din lăuntru în chipul cuviincios
... cere ca să i se întărească şi legiuirea aceia a sfatului obştesc ce au avut-o pământul
acesta...”, Punkt 19, [32, 33, 71]). Diese neu belebte Instanz, die sich später zur
nationalen Repräsentanz entwickeln sollte (Barnovschi [1923], 134-135), wird zum
107
Zeitpunkt der Textredigierung nur von Bojaren gestellt (Lovinescu [1924], I, 60) und
repräsentiert in diesem Sinne per se die „alte Klassengesellschaft” der Moldau und ist
aus diesem Blickwinkel nicht nur progressiv. Auch können wir Barnovschi nicht Recht
geben, wenn er einem Punkt des Quellentextes wegen seiner Betonung des
<Allgemeinen Willens> (cf. voinţa întregii ţări, [1924], 170-171) größte Bedeutung
zuschreibt. Die Bedeutung der im Text vorkommenden Formulierung voinţă a toată
ţara [67], Wille des ganzen Landes, ist aus der Frage liberaler oder demokratischer
Tendenzen zu relativieren, wenn es bei genauerer Lektüre heißt, dass alles, was domn
und sfat beschließen, – wörtlich – „Beschluss und Wille des ganzen Landes ist”: „tot
ce se va hotărî de domn împreună cu sfatul obştesc să fie şi să se cunoască de hotărâre
[î: sic] şi voinţă a toată ţara.” (Punkt 73).
Wie aus der Analyse hervorgeht, ist auch das Feld <Finanzgebaren> stark präsent. Es
zeigt sich in verschiedenen Thematisierungen wie der angemessenen Vergabe von
Ämtern und von Beamtenlöhnen [25, 34], der Mitbestimmung der Steuern durch das
Volk [27], der Zusammenlegung und Verantwortlichkeit von Kassen [30], der
Verfügung über ein spezifisches Budget durch den domn und den sfat [31], die
Angemessenheit der Steuern [38]. Aus den schriftlichen Aufzeichnungen des Ioniţă-
Vodă, so Barnovschi, geht die schlechte budgetäre Situation der Moldau hervor. Der
Staat sah sich desöfteren gezwungen, von privaten Personen Summen (von einigen
Hundert Lei) auszuleihen. Diesem akuten Problem der finanziellen Lage stellten sich
die cărvunari mit verschiedenen Veränderungsvorschlägen. So sollte die Willkür des
vistiernic, des späteren Finanzministers, aufhören, indem er dem Steuerentscheid des
Volks, domn und sfat unterstellt wurde [27]. Die Verwendung der Gelder eines
bestimmten kirchlichen Bereichs soll nach vorher aufgestellten Budgets und unter der
Kontrolle des sfat geschehen [30]. Und auch der vage Versuch, eine dem
Vermögensstand angemessene / proportionale Steuer festzusetzen [38], beurteilte
Barnovschi als große Reform der cărvunari (Barnovschi [1923], 147-148, 151, 159).
Wie schon erwähnt, schätzte der Rechtsphilosoph den Text von 1822 aufgrund der
darin behandelten Konzepte (siehe V.2.) als eine modern-demokratische Verfassung
für die Moldau ein (Barnovschi [1923], 74). Auch E. Lovinescu schrieb dem Text
Verfassungsmäßigkeit zu, vor allem in der dem sfat obştesc gegebenen Bedeutung,
auch wenn, wie dieser Autor weiters meint, ihn vor allem der Kleinadel stellte und
daher der sfat insgesamt keine besonders demokratische Linie repräsentierte
(Lovinescu [1925], II, 25-27). Unsere Analyse führt uns dazu, die Betonung der
Modernität des Textes seitens Barnovschis etwas zu relativieren. Sie macht auch
sichtbarer, was der Rechtsphilosoph eher nur am Rande bemerkte. Der Text spiegelt
die Vermischung wider von altem „staatlichen” Denken (dem obiceiul pământului)
und allmählich modernisierenden Ansätzen der moldauischen Elite (Barnovschi
[1923], 87, 171-172). Dem Alten verhaftet sind, trotz Reduzierungstendenzen, die
Steuerleistungen (Barnovschi [1923], 160) und Klassenprivilegien und die nationale
Repräsentanz durch die alten Klassen. Progressiv sind aus rechtshistorischer Sicht eine
Reihe von Thematiken des liberal-demokratischen Denkens. Dennoch erweist sich der
Text von 1822 aus textwissenschaftlicher, weniger aus rechtsgeschichtlicher Sicht,
unmoderner, als ihn Barnovschi attestierte. Moderne Begrifflichkeiten sind erst zum
Teil konzeptualisiert (z.B. <Freiheit>) und erscheinen noch nicht in ihren späteren
108
Lexikalisierungen der egalitate, libertate, proprietate etc. In diesem Sinne verweisen
auch die immer wieder erwähnten pravile, Gesetze, auf die alten Gesetze des Landes
und eben noch nicht auf das moderne lege. Der Text von 1822 dokumentiert eine
Phase des Zusammentreffens der alten <staatlichen> Organisationsparameter mit einer
neuen, beginnenden nationalisierenden und liberal-demokratischen Konzeption.
109
VI
DIE BEWEGUNG VON ION C. CÂMPINEANU:
ACTUL DE UNIRE VOM 1. NOVEMBER 1838
PROIECTUL DE CONSTITUŢIE VOM 5. NOVEMBER 1838
VI.1. Texte und Kontext des Wirkens des Ion Câmpineanu
Wie schon erwähnt, brachte der russisch-türkische Vertrag von Adrianopol (2./14.
September 1829) eine deutliche Verbesserung für den „rumänischen“ Außenhandel
und somit eine Erleichterung in der Beziehung der Donaufürstentümer zur Pforte,
jedoch brachte er auch einen stärkeren Einfluss Russlands. Ein Projekt, das sich gegen
die russisch oktroyierten und weiterhin feudalistische Strukturen stützenden
Regulamente (Şotropa 1972, 265) richtete, war jenes des in der Walachei wirkenden
Generals Ion C. Câmpineanu (1798-1863, cf. zu den folgenden Angaben das DE, s.v.
Câmpineanu Ion C. und Diaconovich 1898-1904, s.v.) aus der Gruppierung der liberal
gesinnten Bourgoisie. Als aufgeklärt-progressiv denkender Rechtsgelehrter gilt
Câmpineanu als Anführer der Partida naţională in den Jahren 1835-1840 (DE und
Şotropa 1972, 265). Er setzte sich auf verschiedenen Ebenen für eine Stärkung der
staatlichen Eigenständigkeit des späteren Rumänien ein (Diaconovich spricht von
einem „om politic foarte însemnat; mare orator şi aprig aperător al drepturilor
naţionale“). Er verteidigte die Landesinteressen einerseits in seiner Funktion eines
Mitglieds der Adunare Obştească, Generalversammlung. Als solches scheint er im
Jahre 1834 die Deputierten überzeugt und geplante Modifizierungen des Regulaments
zugunsten der Pforte abgewehrt zu haben. Er musste nach Ende der
Generalversammlung ins Ausland fliehen, wo er vor allem in Paris und London
Kontakte zu Adolphe Thiers (1797-1877), Henry John Temple Palmerston (1784-
1865) u.a. suchte (Şotropa, 1972, 272. Nach seiner Rückkehr wurde er für zwei Jahre
(1839-1841) inhaftiert (Diaconovich, 1898-1904, s.v. Câmpineanu, Ion). Die
nationalen Landesinteressen vertrat er aber auch im Geheimen, an der Spitze der
Societate Filarmonică (nach Diaconovich, im Jahre 1833; nach Şotropa 1972, 270-272
im Jahre 1834). Diese 1833 von Ion Câmpineanu, Constantin Aristia und Ion Heliade
Rădulescu in Bukarest gegründete Gesellschaft, deren Gründung unter dem Patronat
des ehemaligen Fürsten der Moldau Grigore Dimitrie Ghicas geschah, hatte neben der
Förderung der Künste das Ziel, mit der Kultur auch ein nationales Bewusstsein zu
stärken. Als ein Akt der liberalen Gesinnung Ion Câmpineanus ist einzuschätzen, dass
er im Jahre 1837 die Leibeigenen (robi) seiner Landgüter (moşii) entließ bzw. seinen
clăcaşi Boden gab (Scorpan 1997, s.v. Câmpineanu) und damit (auf seinem Boden)
die clacă abschuf (Şotropa 1972, 272, nach Ion Ghica), viel früher, als dies offiziell
geschah. Denn, de facto wurde, wie Mihail Kogălniceanu es formulierte, die „weiße”
Sklaverei in Rumänien frühestens 1864 abgeschafft („ea [sclavia albă] nu a luat sfîrşit
decît în 1864“, Kogălniceanu, Scrieri, 1967, 252). Auch stand Câmpineanu für einen
sufragiu universal, das Recht auf allgemeine Wahl. Im Revolutionsjahr 1848 sollte Ion
Câmpineanu als einer der Minister der provisorischen Regierung der Walachei
amtieren.
110
Seit 1834 amtiert (bis 1841), wie erwähnt wurde, A. Ghica als der von Russland und
dem Osmanischen Reich eingesetze Herrscher der Walachei (Berindei 1998, 199),
welcher die Bewegung von Ion Câmpineanu im Jahre 1838 (sowie die revolutionäre
Bewegung von 1840; Pop/Bolovan 2006, 469) unterdrücken sollte. Ion C. Câmpineanu
ist die Autorenschaft oder mindestens Redaktion (Carp et al. 2002, 27) von drei
„staatskonzipierenden“ Texten zuzuschreiben. Sie wurden fast zeitgleich redigiert
(„redactate aproape concomitent“, Şotropa 1972, 273 und 274). Der erste, sogenannte
Act de unire şi independenţă, Vereinigungs- und Unabhängigkeitsakt – im Folgenden
Act de unire genannt – vom 1./13. November 1838 – ist, Şotropa zufolge, eine
Deklaration der nationalen Partei der Walachei (1972, 272, 265). Der zweite Text, das
sogenannte Proiect de constituţie, Verfassungsprojekt, vom 5./17. Nov. 1838, eine
Vervollständigung dazu (Şotropa 1972, 272). Hilfe in der Formulierung einiger Stellen
scheint Câmpineanu von Félix Colson, dem Sekretär des französischen Konsulats in
Bukarest, bekommen zu haben (Bodea 1982, I, Text 28, 27, Fußnote 3; Diaconovich;
Şotropa 1972, 275). Dass die zwei erwähnten Texte eine Einheit bilden, ist an ihrer
thematischen Kohärenz zu erkennen. Artikel 2 des Act de unire schlägt eine neue
Gesetzessammlung von politischen, öffentlichen und zivilen Gesetzen vor („Un nou
trup dă legi politice, publice şi civile să va alcătui pentru populu român slobod şi
independent.”), mit welcher, gemäß Şotropa, das Proiect de constituţie gemeint war
(1972, 273).
Der dritte Câmpineanu zugeschriebene Text ist Actul de numire a suveranului
rumânilor, der Ernennungsakt des Souveräns der Rumänen, erstellt ebenso am 5./17.
November 1838. Er legt das präzise Vorgehen der Ernennung fest und proklamiert die
internationale Anerkennung der Unabhängigkeit des <Staates> (Şotropa 1972, 274).
Wegen ihrer Detailiertheit und dichteren Thematik erscheinen uns die ersten beiden
Texte wichtiger. Vor allem im Proiect de constituţie kondensiert sich „în formulări
lapidare ideologia social-politică a Partidei naţionale de aici.“ (Şotropa 1972, 265).
Daher beschränken wir uns hier auf die Analyse des Act de unire und des Proiect de
constituţie, auch wenn uns der letztgenannte Text nicht vollständig erhalten ist. Das
Fehlen eines Punktes t, auf den unter Punkt r verwiesen wird, belegt, wie Valeriu
Şotropa es ausdrückte, dass ein Stück des Textes verlorengegangen sein muss (1972,
275), oder wie Cornelia Bodea es „berechnete“, von einem Gesamten von 6,5 Seiten
1,5 Seiten fehlen (1982, I, Text 28, 127-128, Fußnote 3). Beide Texte sind in einer
Parallelversion, in Rumänisch und Französisch, überliefert, welche nur geringe
Abweichungen aufweisen (Şotropa 1972, 275).
Der Vereinigungsakt und das Verfassungsprojekt selbst geben Aufschluss über den
historischen Moment in der Walachei. Artikel 7 des Act de unire weist daraufhin, dass
die Texte in einer geheimen Versammlung besprochen wurden: „Suptiscăliţii fiecare ...
să îndatorează prin giurămînt asupra capului lor că pînă va sosi ceasul izbăvirii nu vor
descoperi niciodată nimic din ceea ce s-a zis şi făcut în această adunare, nici din ceea
ce să coprinde în aceste acturi.”. Am Ende des Prologs des Act de unire, einer Art
Bestandsaufnahme des status quo des Landes (siehe unten), wird explizit von
<fremder Unterdrückung> sowie <Anarchie im Land> gesprochen: „Luînd în băgare
dă seamă că în starea dă opresie streină şi dă anarhie înlăuntru întru care să află locul
este peste putinţă rumânilor a împlini cele mai prinţipale datorii a unei naţii către
111
sineşi, ...;” (Absatz 10, Seite 119). In einem weiteren Absatz des relativ kurzen Textes
entsteht das Szenario des Zerfalls des Staates (dăsfiinţarea statului), von täglichen
Übergriffen (prăpădenii), von einer schrecklichen Not („trebuinţa este straşnică”), von
Gesetzlosigkeit, zur der die Bürger gezwungen seien; von Tyrannei, gegen die sie sich
wehren, um ihre Heimat und das Volk zu retten:
„Luînd în băgare dă seamă dăosebit dă această că, cînd dăsfiinţarea statului este
neapărată, cînd fiecare zi dăscoperă prăpădenii nouă, cînd trebuinţa este
straşnică, cetăţenii nu mai sînt datori a respecta legile aşăzate, ci că împotrivă
au datorie sfîntă dă a lua iniţiativă, dă a să apăra împotrivă tiranii, dă a izbăvi
patria, căci izbăvirea norodului este cea dintîia lege.” (Absatz 11, p. 119).
Ion Câmpineanu dachte, diese Situation nur mit einer Revolution ändern zu können.
Dies spiegelt sich im Artikel 1 des Proiect de constituţie wieder, in welchem der
Verfasser, dem Text zufolge, mit einem Krieg für die Unabhängigkeit rechnete, wie
auch für die Zeit des Krieges ein diktatorisches Regim unter einem Souverän
vorschlug: „Din zioa de astăzi şi toată vremea ce va ţinea războiul independenţii ...,
puterea suveranului va fi dictatorială.“. Das Projekt von Câmpineanu ist, so Şotropa,
das einzige seiner Zeit, das mit einem Unabhängigkeitskrieg rechnete, daher dem
zukünftigen Souverän puteri cvasiabsolute einräumte (Şotropa 1972, 275 und 280)
und – implizit, also in Nebensätzen – die Schließung von Allianzen als wichtiges Ziel
formulierte: „Îndată ce acel rumân care va fi ales a să urca pă tron va giura ... încă dă
... a face aliaţi şi prieteni locului.” (Artikel 4); „... în cîtă vreme ţara nu va avea întărită
şi întemeiată prin alianţe şi cetăţi, puterea suveranului va fi dictatorială.” (Proiect de
constituţie). Die Annahme, dass ein Krieg folgen würde, war aus der Sicht von Ion
Câmpineanu logisch. Auch wenn er es pragmatisch abschwächte, wie wir noch sehen
werden, „kündigte” er der Hohen Pforte das freundschaftliche Bündnis mit der
Walachei auf: „Prin siluirea cea dă curînd a articolelor trei şi patru din tractatul dă la
1460, legătura care era între rumâni şi Poartă să află ruptă: ...” (Artikel 1).
Konkrete, einer revolutionsähnlichen Situation entsprechende Maßnahmen und eine
gewisse Programmhaftigkeit der Texte zeichnen sich unter Artikel 5 und Artikel 6 des
Act de unire ab. Das Konzept soll in kürzest möglicher Zeit den Anführern der
Rumänen aller Länder, insbesonders der Moldau, zur Kenntnis gebracht und diese für
eine mögliche Kooperation (aderenţă) gewonnen werden: „Art. 5-lea. Acest act, în cel
mai scurt soroc, să va aduce la cunoştinţa celor mai întîi rumâni ai tutulor locurilor şi
mai ales la ai Moldavii şi suptiscăliţii să îndatorează a lucra şi a lupta din toate
puterilor lor spre a dobîndi împotrivă din parte-le acturi dă aderenţă.”. Auch werden
Schritte festgelegt, das Dokument in möglichst sichere Hände zu geben und auch
außerhalb des Landes zu sichern. Daher wurde geplant, von den vier Originalen, eines
dem Herrscher, eines einem Mitglied des Klerus, eines einem Mitglied der
Nationalversammlung (Adunare Naţională) zu übergeben sowie ein Original versiegelt
ins Ausland zu versenden bzw. allen jenen Regionen eine Kopie zu übergeben, die
sich den Revolutionären anschließen würden:
„Art. 6-lea. Acest act, însoţit dă o bucată giustificativă asupra drepturilor locului
şi dă actul numirii suveranului, să va face în patru originaluri dăosebite, dintre
112
care unul va fi în păstrarea celui chemat la tron; cel dă al doilea într-a unui
mădular al clerului; cel dă al 3-lea într-a unui mădular a Adunării Naţionale; cel
dă al 4-lea să va trimite pecetluit în străinătate şi va fi depus spre păstrare. Către
aceasta să va da cîte o copie fiecăruia loc rumânesc care va da a sa aderenţă.”.
VI. 2. Analyse des Act de unire (1. November 1838) und des Proiect de constituţie
(5. November 1838)
Im Folgenden wollen wir kurz den Aufbau des Act de unire skizzieren, der sich durch
eine gewisse eingehaltene Struktur bei gleichzeitigen semantischen Redundanzen
hervorhebt. Der Text hat einen Prolog, bestehend aus einem:
[Absatz 1]: er führt den Sender ein und thematisiert die Souveränität und Einheit der
Rumänen;
[Absatz 2]: stellt die Sender als von der Situation aufgerufen dar, den Zustand des
Landes zu prüfen; es folgt der illokutive Akt:
<[die Sender] stellen fest>, es folgen mehrere Absätze mit folgenden Themen:
1° [Absatz 3]: Gefährdung der Souveränität, der Freiheiten, der [Wirksamkeit der]
Adunare Naţională, der Sicherheit und Garantie der Individuen sowie Feststellung von
Missbrauch in der Verwaltung und auf den Gerichten;
2° [Absatz 4]: die Schutzmächte würden nach dem Vertrag von Sankt Petersburg und
gerade auch angesichts der Präsenz russischer Truppen im Fürstentum zu Unrecht (in
Bezug auf den Vertrag von Adrianopel) einen Prinzen mittels Firman stellen. Dieser
kann nicht als rechtmäßiger und nationaler Wojwode anerkannt werden;
3° [Absatz 5]: die Anordnungen des Grundgesetzes [= Regulament organic] sind von
Natur aus befristet; es folgt erneut der illokutive Akt:
<[die Sender/Unterzeichnenden] stellen fest> [ab hier keine Nummerierung]:
die Dringlichkeit eines eigenen Herrschers zum Wohle des Landes; das Gerufensein
der Sender, Reformen durchzuführen: wegen der mangelhaften Institutionen, zur
Vererbung des Throns, zum Stoppen der fremden Einflüsse, für Allianzen, für die
Erfüllung der Nation;
Es folgt ein argumentativer Absatz, der die Anarchie, Missbrauch und Tyrannei im
Land erwähnt, welche, zum dritten Mal mit einem illokutiven Akt beginnt:
<[die Sender/Unterzeichnenden] beschließen>:
Artikel 1: das Bündnis zwischen den Rumänen [rumâni] und der Pforte ist zerissen, sie
wird für den entfallenen Tribut entschädigt, diese Steuerlast tragen alle gemeinsam,
jedoch nach ihrem Vermögen;
Artikel 2: es werden neue Gesetze wirksam;
Artikel 3: der Thron wird erblich;
113
Artikel 4: der zukünftige Herrschers legt auf den Act de unire und de numire sowie auf
den Kampf für die Unabhängigkeit des Landes und Allianzen einen Eid ab;
Artikel 5: der Act de unire wird den Anführern der Rumänen, besonders auch jenen
der Moldau bekanntgemacht, die Sender bemühen sich um Allianzen;
Artikel 6: der Act de unire wird im Original im In- und im Ausland aufbewahrt;
Artikel 7: die Unterzeichnenden legen den Eid auf das Heilige Evangelium und in der
Gegenwart eines (orthodoxen) Bischofs ab für den Kampf um Unabhängigkeit und das
vorläufige Geheimhalten über das Gesagte in der Versammlung; es folgt ein vierter
illokutiver Akt: die Unterzeichnung geschieht aus freien Stücken.
Der Act de unire enthält eine Reihe von Thematiken, die wir im Folgenden, möglichst
in der Chronologie, in der sie erscheinen, zeigen:
Sehr deutlich, extrapoliert an erster Stelle und mehrfach wiederholt, erscheint im Act
de unire die Senderschaft als rumâni ai Prinţipatului Valahii, die Rumänen des
Fürstentums der Walachei, zugleich, wie der Text informiert, mădulari ai Adunării
Naţionale, Mitglieder der Nationalversammlung. Sie sind durch den Zustand des
Landes gerufen, das Funktionieren des „Staates” zu prüfen:
„Subt iscăliţii rumâni ai Prinţipatului Valahii, mădulari ai Adunării Naţionale ...
declară ... că...”; Chemaţi dă către constituţia locului a cerceta ... daca legile să
urmează, daca tractaturile sînt respectate, daca prinţul naţional este ales dă
naţie, daca scopul constituţiei este agiuns, daca orînduiala, dreptatea şi
economia domnesc în toate ramurile administraţiei, daca magistraţii au
socotinţa publică, daca sumile statului sînt întrebuinţate pentru binele statului,
într-un cuvânt daca rumânii sînt fericiţi...” (Bodea 1982, I, Text 27, Prolog).
Die Sender treten, extrapoliert am Ende des Textes, erneut als bewusst und überlegt
zum Wohle des Landes agierend auf: „Suptiscăliţii încredinţează că toate acestea sînt
adevărate şi că le-au socotit şi scris slobod spre încredinţarea cărora au pus peceţile şi
iscăliturile lor.”. Der Text nennt beide Toponyma, Valahia (Prolog und Absatz 3°) und
Moldavia (Prolog) und ihre Bewohner grenzübergreifend als rumâni: „[Die
Unterzeichnenden] Roagă pă Dumnezeu ca rumânii Moldavii ... să fie despozaţi a-i
agiuta, a să însoţi la a lor cuget“; interessant ist hier der französische Paralleltext, in
dem [offenbar noch in den 30-er Jahren des 19. Jahrhunderts] das Exonym Valaques
mit der Bedeutung <Rumänen> verwendet wird: „Ils [Les soussignés] prient Dieu pour
que les Valaques de la Moldavie ... soient disposés à s‟associer à leurs projets ...”
(Bodea 1982, I, Text 27, 118 und 121). Das Ethnonym rumâni mit der Bedeutung
<Rumäne> wird auch im Proiect de constituţie fortgeführt („Toţi rumânii sînt
deopotrivă înaintea pravilii,”; cf. frz. Tous les Valaques; Punkt b), in welchem für die
Walachei auch die Bezeichnung Ţara rumânească (Punkt a) erscheint [cf. hierzu in
der französischen Variante: Le sol des Valaques]. Für <Land> wird desweiteren, im
Act der unire und im Proiect de constituţie insgesamt 20 Mal das Lexem loc (cf. loc
vs. une terre de liberté) verwendet: „...un rumân .... va fi chemat la tron ca să
izbăvească locul;” (Absatz 3°).
114
Im Vergleich zu den bisher analysierten Quellen, fällt in den relativ kurzen Texten des
Act de unire und Proiect de constituţie die semantische Redundanz von verba
declarandi auf, wie <a proclama>, <a expune>, <a declara> zwei Mal (siehe u.a.
Absatz 8, 119)>: „Subt iscăliţii rumâni ai Prinţipatului Valahii ... adunaţi ca să
proclame drepturile locului lor şi a ecspune plîngerile, declară ... că nesfiiala cu care
Înalta Poartă şi Rusia au siluit ... cele mai sfinte libertăţi, le pune datoria dă a mîntui
suveranitatea rumână,...” (Prolog); aber auch <a încredinţa> („Suptiscăliţii
încredinţează că toate acestea sînt adevărate ...”, Epilog; „Subt iscăliţii sînt bine
încredinţaţi: Că ...”, Absatz 3°) und <a hotărî> im Proiect de constituţie und im Act de
unire, aus dem folgendes Zitat stammt: „Tari dă al lor cuget, suptiscăliţii hotărăsc cele
următoare”; Absatz 11, p. 119). Eine zweite Reihe von illokutiven Verben sind verba
sentiendi wie <a crede>, <a cunoaşte>; <a lua în băgare de seamă>, <a cugeta>.
Thematisiert wird implizit – in einer Apposition – die Adunare Naţională,
Nationalversammlung, die Verhinderung ihrer Wirksamkeit und ihrer rechtlichen
Zusammenstellung, vor allem durch das Agieren der Pforte: „Subt iscăliţii rumâni ai
Prinţipatului Valahii, mădulari ai Adunării Naţionale ... declară ... că...”; „jos iscăliţii
dăclară: 1. că ... Adunarea Naţională nu mai subzistă în faptă, pentru că deliberaţiile ei
sînt nelegiuit strîmtorate dă firmanuri, că puterea legiuitoare cu care ea este îmbrăcată
s-au entamat, că o putere streină nu numai că au deschis-o şi a închis-o după a ei bună
plăcere, ...”; auch Absatz 2° (unrechtmäßiges Abweichen vom Vertrag von
Adrianopel); „[jos iscăliţii dăclară: ...] 3. Că şi daca regulamenturile dăspre cea ce să
atinge dă legile fundamentale ... nu ar fi fost nule fiindcă s-au alcătuit în vremea unii
ocupaţii militare ruseşti dă o adunare alcătuită arbitrar, iar nu dă toate mădulările care
avea drept a o compune, fiindcă într-însele să află o concluzie şi articole dărăpănătoare
a suveranităţii naţii, trebuie să să desfiinţeze ...”.
Im Act de unire erscheint, wie schon die vorangehenden Zitate belegen, die Thematik
des <Rechts> und <Unrechts> / der <(Un)Rechtmäßigkeit> wiederholt implizit, also in
untergeordneten Sätzen oder Genitivergänzungen: „Subt iscăliţii rumâni ai
Prinţipatului Valahii, mădulari ai Adunării Naţionale, adunaţi ca să proclame
drepturile locului lor ...”. Als (gesetzlicher) „Vertragsbrecher” erscheint die Hohe
Pforte, weil sie die legale Nationalversammlung verhindere und Rumänen, die sich im
Osmanischen Reich aufhalten oder aus ihm zurückkehren, im Widerspruch zu dem
1460 zwischen Vlad V der Walachei und Sultan Muhammad II geschlossenen Vertrag,
wegen Steuer, Kleidung und Religion von türkischer Seite aus verfolgt werden:
„[Fiind subt iscăliţii] Chemaţi dă către constituţia locului a cerceta daca legile
să urmează, daca tractaturile sînt respectate, ...”; „Adunarea Naţională nu mai
subzistă în faptă, pentru că deliberaţiile ei sînt nelegiuit strîmtorate dă
firmanuri, că puterea legiuitoare cu care ea este îmbrăcată s-au entamat, că o
putere streină nu numai că au deschis-o şi a închis-o după a ei bună plăcere, ...”;
„Prin siluirea cea dă curînd a articolelor trei şi patru din tractatul dă la 1460,
legătura care era între rumâni şi Poartă să află ruptă: ...” (Artikel 1, p. 120).
Ein weiterer Bruch seitens der Pforte bestehe in der im Jänner 1834 in Sankt
Petersburg geschlossenen Konvention. Diese legte, nach dem Vertrag von Adrianopel,
115
das außerordentliche Recht fest, dass Herrscher der Moldau und Walachei erneut von
russischer und türkischer Seite aus gewählt werden:
„... curţile protectriţă şi garantă, care în tractatul dă la Adrianopol au recunoscut
netăgăduitul drept al rumânilor dă a-şi alege şeful lor, nu avea puterea dă a să
abate dă dînsul prin tractatul dă la Petersburg şi, încă mai puţin, cu prelegiul
aflării oştirilor ruseşti în prinţipat, dă a orîndui un prinţ cu firman ...”.
Das Vorgehen der Pforte und Russlands werden als moralische Dreistigkeit (nesfiială)
bewertet: „... nesfiiala cu care Înalta Poartă şi Rusia au siluit dă sînt veacuri şi încă
siluiesc pă toate zilele cele mai sfinte libertăţi”. Es sind diese fremden Mächte, die –
implizit durch die Kohärenz des Textes und explizit – für den Zustand der Walachei
und der Moldau verantwortlich gemacht werden: „[Die Unterzeichnenden] Roagă pă
Dumnezeu ca rumânii Moldavii care suferă asemenea rele şi toţi acei fraţi ai lor care
gem acum supt un giug din cele mai despotice şi cele mai bărbare să fie despozaţi a-i
agiuta, ...“; Bodea 1982, I, Text 27, Prolog; „Subt iscăliţii sînt bine încredinţaţi: Că
relele dinlăuntru dă carele este îngreoiată Valahia vor înceta îndată ce un rumân .... va
fi chemat la tron ca să izbăvească locul;”, Absatz 3°; die <tiranie [implizit: äußerer
Mächte]>, Absatz 11, p. 119; „în starea de opresie străină şi dă anarhie înlăuntru”,
Absatz 9, p. 119).
Dem semantischen Feld der Gesetz- und Morallosigkeit steht die explizit und implizit
ausgedrückte Thematik der Freiheit / Souveränität und Unabhängigkeit der Rumänen
gegenüber: „nesfiiala cu care Înalta Poartă şi Rusia aus siluit dă sînt veacuri .... cele
mai sfinte libertăţi, le pune datoria dă a mîntui suveranitatea rumână, dă a întoarce o
patrie slobodă şi independentă”, Bodea 1982, I, Text 27, Prolog); „... fiindcă într-însele
[=legile fundamentale şi constituţia] să află o concluzie şi articole dărăpănătoare a
suveranităţii naţii, [constituţia, d.h. das Regulament] trebuie să să desfiinţeze ...”,
Absatz 3°; „Un nou trup dă legi politice, publice şi civile să va alcătui pentru populu
român slobod şi independent.”, Artikel 2. Die Unabhängigkeit des Landes zu
erreichen, ist das explizite Ziel der Verfasser: „Îndată ce acel rumân care va fi ales a să
urca pă tron va giura ... încă dă ... a dobîndi independenţa ...”, Artikel 4; cf. auch
independenţa naţii in Artikel 7.
Das Land wird lexikalisch als <Heimat> (cf. o patrie slobodă şi independentă, im
Prolog; a izbăvi patria, Absatz 11, p. 119), dann auch als <Staat> mit seinen Bürgern
(„... dăsfiinţarea statului este neapărată, cînd ... cetăţenii nu mai sînt datori a respecta
legile aşăzate, ...”, Absatz 11, p. 119) und auch als <Nation> konzipiert. Die Liebe zur
Heimat ist ein wichtiges Kriterium in der zukünftigen Herrscherwahl (patriotism,
Absatz 8, siehe unten). Insgesamt kommt die Nation mit zehn Mal im Act de unire und
Proiect der constituţie nicht nur am öftesten vor, sondern ist als Vorstellung eines
Organismus, der sich erhalten und perfektionieren muss, auch am weitesten
entwickelt: „Luînd în băgare dă seamă că în starea dă opresie streină ... întru care să
află locul este peste putinţă rumânilor a împlini cele mai prinţipale datorii a unei naţii
către sineşi, că nu poate mai mult nici priveghia a să conserva, nici a să perfecţiona şi
că, cu toate acestea, că toate naţiile, au îndatorirea a fugi dă orice poate pricinui
dărăpănarea lor şi dă orice este împotrivitor perfecţiei lor;”, Absatz 10, p. 119. Als
wesentlichste Bedingung der Nation gilt ihre Erblichkeit (ereditate), diese ist, so der
116
Text, ihre erste Gewalt, wenn die Nation frei ist (cea dintîia putere a unei naţii
slobode, Absatz 8).
Als unbedingte Notwendigkeit stellt der Text die Erreichung der Einheit der Rumänen
dar, sei es als Brüder mit demselben Schicksal, sei es als zerstreute Mitglieder eines
Volkes, die unter einem einzigen Herrscher und einem einzigen Gesetz
zusammengeführt werden sollen:
„[Die Unterzeichnenden] Roagă pă Dumnezeu ca rumânii Moldavii care suferă
asemenea rele şi toţi acei fraţi ai lor care gem acum supt un giug din cele mai
despotice şi cele mai bărbare să fie despozaţi a-i agiuta, a să însoţi la a lor cuget
şi a face împreună cu ei unul şi singur norod oblăduit dă către unul şi acelaş şef
şi stăpînit dă aceleaşi legi.“ (Prolog); „a întoarce o patrie slobodă şi
independentă către toate mădulările răspîndite ale neamului lor”; „Ei cunosc ...
că, cu un loc împărţit ca al lor şi aşa răsipiţi cum sînt, va fi peste putinţă
rumânilor a să împotrivi dă sineşi puternicilor imperiuri care îi încungioară,
stăruiesc încă asupra împreunării cei neapărate a populaţiilor române [sic] supt
un singur schiptru.” (Absatz 9, p. 119).
Die Einsetzung eines Herrschers durch einen türkischen Farman, Erlass des Sultans,
wird als ungesetzlich und vehement abgelehnt: „acest prinţ [orînduit prin firman] nu să
poate cunoaşte drept voivod legiuit şi naţional. Der Herrscher soll, wie
vorangegangene Zitate belegen, ein Prinz und er soll vom Land gewählt sein (prinţul
naţional ... ales de naţie). Der Text stellt mehrere Bedingungen für seine (Aus)Wahl.
Er soll öffentliches Vertrauen genießen und sich durch seine Tugenden und, wie schon
erwähnt, auch Heimatliebe einen Namen gemacht haben („un rumân ce s-ar bucura dă
încredinţarea publică, cunoscut printr-ale sale virtuţi şi patriotism, ...”, Absatz 8, p.
119). Mit ihm soll der Thron erblich werden: „Ereditarea va rămînea în familia ce va fi
chemată la tron şi să va coborî într-însa din fiu în fiu.” (Artikel 3).
Bereits im Prolog nimmt der Act de unire im Diskurs über eine von der Verfassung
geleitete Ordnung im Land; über Ordnung, Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit in
der Verwaltung, über öffentliches Ansehen, über die Verwendung staatlicher Mittel
zum Wohle des Landes (cf. auch fericirea rumânilor in Artikel 4), über die
Nationalversammlung, welche die legislative Gewalt innehaben soll („Adunarea
Naţională nu mai subzistă în faptă, pentru .... că puterea legiuitoare cu care ea este
îmbrăcată s-au entamat...”.), über die [fehlende] Sicherheit und Garantie der
Menschen, über den Missbrauch auf Gerichten und Ämtern eher implizit eine Reihe
von Themen „moderner” Staatlichkeit vorweg:
„[Fiind subt iscăliţii] Chemaţi dă către constituţia locului a cerceta daca legile
să urmează, daca tractaturile sînt respectate, daca prinţul naţional este ales dă
naţie, daca scopul constituţiei este agiuns, daca orînduiala, dreptatea şi
economia domnesc în toate ramurile administraţiei, daca magistraţii au
socotinţa publică, daca sumile statului sînt întrebuinţate pentru binele statului,
într-un cuvânt daca rumânii sînt fericiţi...; „jos iscăliţii dăclară: 1. ... că nu-i mai
mult nici siguranţă, nici chezăşie pentru nimenea” (cf. französisch „... il n‟y a
117
plus de sûreté et de garantie pour personne”); „jos iscăliţii dăclară: 1. că ...
abuzurile giudecătoriilor aduce deznădăjduirea şi stingerea în toate familiile.”;
„jos iscăliţii dăclară: 1. că ... daca abuzurile administraţii ţine clasele cele mai
sărace întru ticăloşie, abuzurile giudecătoriilor aduce deznădăjduirea şi
stingerea în toate familiile.”.
Die Tributpflichten, die sich aus dem Ende des Vertrags zwischen Hoher Pforte und
der Walachei ergeben werden, sollen auf die gesamte Bevölkerung aufgeteilt werden,
gemäß ihres Vermögens: „... pentru ca să păstreze prietenia ei [Porţii], să va negocia
lîngă dînsa răscumpărarea birului şi dajdia ce să va prerădica la acest prilegiu va fi în
sarcina tutulor rumânilor fără dă osăbire, după starea şi puterea fiecăruia.” (Artikel 1).
Auffällig sind im Act de unire moralische, emotionale und religiös-biblische
Assoziationsketten, die sich, wie schon erwähnt, im moralischen Vorwurf gegenüber
Pforte und Russland (nesfiială), den – wörtlich – heiligsten Freiheiten des Landes (cele
mai sfinte libertăţi, Prolog), der Errettung der rumänischen Souveränität („datoria dă a
mîntui suveranitatea rumână”, ib.), der Anrufung Gottes um den Zusammenhalt der
moldauischen mit den walachischen Brüdern („[Die Unterzeichnenden] Roagă pă
Dumnezeu ca rumânii Moldavii ... să fie despozaţi a-i agiuta, a să însoţi la a lor cuget“,
Prolog), der Furchtbarkeit des Vergangenen und der herrschenden Not („o groaznică
experienţă ... le porunceşte ...”, Absatz 8; „trebuinţa este straşnică”), der heiligen
Pflicht, sich für die Errettung der Heimat, der Erlösung des Volkes als erstes –
wörtlich – Gesetz einzusetzen („cetăţenii ... datorie sfîntă dă a lua iniţiativă ... dă a
izbăvi patria, căci izbăvirea norodului este cea dintîia lege.”, Absatz 11), dem Schwur
der Unterzeichnenden auf das Heilige Evangelium und deren Opferbereitschaft für die
Errettung der Nation („Suptiscăliţii fiecare în parte giură pă Sfînta Evanghelie şi faţă
cu un episcop dă religia lor că ... dă astăzi vor jărtfi viaţa şi starea lor la independenţa
naţii lor; ... pînă va sosi ceasul izbăvirii nu vor descoperi niciodată nimic din ceea ce s-
a zis şi făcut în această adunare...”).
Das Proiect de constituţie enthält einen Prolog, welcher Regelungen, Schritte und
Maßnahmen für den angenommenen Kriegsausbruch auflistet:
[1] die Gültigkeit diktatorieller Gewalt für den Herrscher [nur] in der Zeit des
Unabhängigkeitskrieges und bis sechs Monate nach der Anerkennung der
Unabhängigkeit der Rumänen: „Din zioa de astăzi şi toată vremea ce va ţinea războiul
independenţii ... puterea suveranului va fi dictatorială.”; „Şase luni după recunoaşterea
independenţii rumânilor de către toate curţile streine, şi puterea dictatorială cu care
este îmbrăcat suveranul rumânilor legiuit încetează,”; (Artikel 1 und Artikel 6)
[2] die Erklärung aller jener zu Soldaten, die Waffen tragen können: „Tot rumânul în
stare d-a purta arme va fi ostaş.” (Artikel 2)
[3] die Erklärung der Steuerforderungen für den Staat und für die Kriegsausgaben:
„Dăjdiile să vor mărgini numai de către trebuinţele statului şi cheltuielile războiului.”
(Artikel 3)
118
[4] die Feststellung, wie begründeter Landesverrat gerichtet wird (Erschießung
innerhalb von 24 Stunden) und was als Verrat gilt (Unterlassung von Disziplin,
Ungehorsam, Unterlassung seiner Pflichten): „Orice om bănuit de vînzare să va
cerceta de către o comisie alcătuită de trei mădulari; de să va dovedi şi să va înfiinţa a
lui vină, va fi împuşcat în douăzeci şi patru de ceasuri; lipsa întru disciplină,
nesupunerea, neîngrijirea la ale sale datorii, constituază vînzare.” (Artikel 4)
[5] das Recht des Souveräns (Suveranul dictator / Le Souverain Dictateur), Strafen zu
mildern und zu erlassen: „Suveranul dictator va avea dreptul d-a micşora pedepsile şi
d-a ierta.” (Artikel 5)
[6] die Pflicht des Souveräns, sechs Monate nach der Anerkennung der
Unabhängigkeit der Rumänen, die Verfassung zu promulgieren: „Şase luni după
recunoaşterea independenţii rumânilor de către toate curţile streine ... suveranul va fi
dator a promulga Constituţia rumânilor ...”. (Artikel 6)
Es folgt die Verfassung (Constituţia rumânilor oder Constitution des Valaques),
welche die folgenden Grundsätze enthält (Artikel 7):
[a] die grundsätzliche Souveränität des Landes sowie Unveräußerbarkeit des Bodens:
„Ţara rumânească este un loc slobod pentru cîţi în ea lăcuiesc, pămîntul ei nu să va
putea înstreina.”
[b] die Gleichheit der Rumänen vor dem Gesetz, bei Ämterbesetzung und in der
Steuerleistung: „Toţi rumânii sînt deopotrivă înaintea pravilii, toţi priimiţi în posturile
civile şi militare şi toţi contribuiesc la trebuinţele statului, precum se va hotărî de către
Adunarea naţii.”
[c] die Garantie der Freiheit des Individuums (Slobozenia individuală), seiner Anklage
und Verhaftung aunahmslos nach den Bestimmungen des Gesetzes sowie der
eventuellen Bestrafung nur gemäß einem gerichtlichen Urteil: „Slobozenia individuală
este chiezăşuită; nimeni nu va putea fi pîrît şi arestuit decît în întîmplările prevăzute de
legi, şi după formele ce ele hotărăsc; nimeni nu va putea fi pedepsit făr d-a fi mai întîi
judecat.”
[d] das Recht aller Rumänen, ihre Meinung zu veröffentlichen und zu drucken bei
Verantwortlichkeit des Einzelnen für alles Geschriebene, Gesagte und Getane: „Toţi
rumânii au dreptul de a publica şi a tipări ale lor păreri; sînt toţi fără osibire
răspunzători pentru scriierile lor [kein Komma] de ale lor cuvinte şi fapte, după
pravilă.”.
[e] die Unantastbarkeit des Souveräns: „Persoana suveranului este nesiluită şi sfîntă;
...”.
[f] die Zuschreibung der höchsten exekutiven und einer gewissen legislativen Macht
für den Souverän mit den Aufgaben, die Land- und Wasserkräfte (puterile de uscat şi
de apă) zu kommandieren, Kieg zu erklären, Frieden sowie Allianz- und
119
Handelsverträge zu schließen, in öffentliche Ämter zu berufen, und die für die
Exekution der Gesetze notwendigen Reglementierungen (reglementuri) und
Beschlüsse (ordonanţe) zu machen: „a suveranului este puterea săvîrşitoare; suveranul
este şeful cel mai înalt al statului şi comandă puterile de uscat şi de apă, declară
războiul, încheie pacea, tractaturile de alianţă şi de comerţ, numeşte întru toate locurile
administraţii publice, face reglementurile şi ordonanţele trebuincioase pentru săvîrşirea
legilor.”
[f] die Kontrolle der legislativen Macht des Souveräns durch die Nationale
Repräsentanz: „Suveranul nu poate întrebuinţa puterea legiuitoare fără priimirea
reprezentaţii naţionale.”
[g] die Befugnis des Souveräns, alleine Gesetze zu veröffentlichen und zu bestätigen:
„Suveranul singur obşteşte şi întăreşte legile.”
[h] die Zuschreibung der judikativen Gewalt (Puterea judecătorească / Le pouvoir
judiciaire) für den Souverän, die Justiz (Dreptatea / justice) wird durch Beamte auf
Lebenszeit (maghistraţi neschimbaţi pe viaţă / les magistrats inamovibles) ausgeführt;
desweiteren strenge und vom Gesetz geregelte Strafverfolgung bei Verletzung der
Amtspflicht (forfetura / La forfaiture) oder Verschulden (vine) von Richtern: „Puterea
judecătorească purcede de la suveran. Dreptatea să dă întru al lui nume prin
maghistraţi neschimbaţi pe viaţă ...; forfetura sau vinele judecătorilor să vor pedepsi
straşnic şi să va regula printr-o întradins lege.”
[i] die Festsetzung diktatorischer Gewalt für den Souverän in Kriegszeiten: „În vreme
de război puterea suveranului va fi apururea dicatatorială.”
[j] die Verpflichtung der Nachfolger des Souveräns (Moştenitorii suveranului
rumânilor / Les héritiers du souverain des Valaques) bei ihrer Thronbesteigung den
Eid auf die Verfassung abzulegen bzw. diese Verfassung treu zu respektieren:
„Moştenitorii suveranului rumânilor la suirea lor pe tron vor jura faţă de reprezentanţii
naţii că vor păzi cu credinţă constituţiile rumânilor.”
[k] die Einrichtung eines zivilen und militärischen Ehrenordens: „Se va înfăţişa un
ordin de cinste civil şi militar.”
[l] die Verantwortlichkeit der Minister und aller Agenten (aghenţi / agens) des
Souveräns für ihre Verwaltungstätigkeiten (acturile administraţii / tous les actes de
leur administration) sowie die Erfüllung ihrer Aufgaben (<slujbă> / gestion);
außerdem die alleinige Gewalt der Repräsentanten der Nation, Minister anzuklagen
und sie vor Landesgerichte zu stellen: „Miniştrii şi toţi aghenţii suveranului sînt
răspunzători de toate acturile administraţii lor şi a slujbii lor. Numai reprezentanţilor
naţii singuri să dă dreptul de a aduce pîră asupra miniştrilor şi a-i trage înaintea
tribunalelor ţării.”
120
[m] die letzte Entscheidung der Nationalen Repräsentanz für die vom Souverän
bestimmten Abgaben (dajdie / impôt): „În vreme de pace nici o dajdie nu să va putea
lua dacă nu să va priimi de reprezentanţii naţii asupra cererii suveranului.”
[n] die Gründung einer Nationalgarde (neben der ständigen Armee) sowie einer
Wasserstreitkraft (o putere de apă / une marine) auf Kosten des Staates: „Deosebit de
armia cea statornică să va înfiinţa o gardă naţională; o putere de apă să va ţinea cu
cheltuiala statului.”
[o] die Verpflichtung des Souveräns, sechs Monate nach der Anerkennung der
Unabhängigkeit (independenţa / l’indépendance) der Rumänen, einen vollständigen
Kode von zivilen Gesetzen und Strafgesetzen (cf. un trup complect de legi publice
ţivile şi criminale / condici de legi vs. un corps complet de lois publiques, civiles,
commerciales, administratives et militaires / Ces codes) zu veröffentlichen, welcher
alle zehn Jahre revidiert wird (să vor revizui la fie ce zece ani / seront revues tous dix
ans): „Şase luni după ce să va recunoaşte independenţa, suveranul rumânilor să
îndatorează a publica un trup complect de legi publice ţivile şi criminale. Aceste
condici de legi întru putere prin singura promulgare a suveranului să vor revizui la fie
ce zece ani potrivit cu § f.”
[p] die Verfügung einer Ziviliste (o listă civilă / une liste civile) für den Souverän und
seine Nachfolger (moştenitorul vs. l’héritier présomptif), welche von den
Repräsentanten der Nation verabschiedet wird (o listă civilă / une liste civile):
„Suveranul şi moştenitorul său să vor bucura de o listă civilă votată de reprezentanţii
naţii.”
[q] die Feststellung „Gerichtsbarkeit” über die Mitglieder der Nationalen Repräsentanz
sowie ihre repräsentativen und kontrollierenden Funktionen in: der Vertretung aller
Rumänen, der Überprüfung aller Ministerakte (actele din lăuntru şi din afară / tous les
[actes] intérieurs et extérieurs), der Beschließung und Revision des (Jahres-)Budgets
(cf. „hotărăşte bugetul ce i să înfăţişază pe tot anul,” / „elle vote le Budget qui lui est
présenté annuellement”), der Berichterstattung über alle Fragen öffentlichen Interesses
(asupra cîtor să ating de enteresul obştesc, sic) an den Souverän, und der
Entgegennahme von Gesuchen privater Personen: „Reprezentaţia naţională. Toţi
rumâni fără osibire sînt reprezentaţi. Reprezentaţia naţională cercetează toate actele
din lăuntru şi din afară ale miniştrilor răspunzători, hotărăşte bugetul ce i să înfăţişază
pe tot anul, revizează cheltuielile hotărîte de dînsa, are dreptul a face raporturi
suveranului asupra cîtor să ating de enteresul obştesc, priimeşte jălbi de la particolari,
mădularele ei sînt nesiluite şi nu pot fi daţi supt judecată de cît după ce adunarea
volniceşte a lor arestuire.”
[r] die [zukünftige] Miteinbeziehung der <öffentlichen Meinung> – auch wenn es
nicht in diesen Worten ausgedrückt wird – zu Vorschlägen der Minister: „Şase luni
după recunoaşterea independenţii rumânilor, toţi rumânii vor avea după cum să
întăreşte prin § t. a să chibzui şi a dezbate asupra propunerilor ce i să vor face de cătră
miniştri.”
121
VI.3. Interpretation des Act de unire und des Proiect de Constituţie
Wie gezeigt wurde, korreliert Câmpineanus Verfassungsprojekt mit dem Act de unire
und ist auch durch diesen in einen übergeordneten Diskurs eingebettet, welcher auf ein
angenommenes Kriegsszenario reagiert (cf. die Bemühung um den Schulterschluss der
Moldauer, die Bemühung um Allianzen, die Absicherung zur Erhaltung des
Verfassungstextes im In- und im Ausland, der Eid auf eine vorläufige Geheimhaltung
über die Beschlüsse der Versammlung, die den Act de unire redigierte etc.). Auch das
eigentliche Verfassungprojekt enthält konkrete Regelungen für den Fall eines Krieges
(die Festsetzung eines nur für die Zeit des Krieges diktatoriell regierenden Souveräns,
Punkt i; die Würdigung derjenigen, die sich im Krieg um besondere Verdienste
geltend machen, Punkt k; das Verbindlichmachen der Verfassung für zukünftige
Herrscher, Punkt j).
Die wichtigsten Ziele des Act de unire und des Proiect de constituţie sind, wie es
deutlich wurde, die Souveränität und die Freiheit der Rumänen (a mîntui suveranitatea
rumână, suverenetatea [sic] şi libertăţile locului; Act de unire, Absatz 1, 3 sowie 5 und
7; Proiect de constituţie, Punkt a) und ein eigener, von der Nation gewählter
Landesherrscher: „... relele dinlăuntru dă carele este îngreoiată Valahia vor înceta
îndată ce un rumân ce s-ar bucura dă încredinţarea publică, cunoscut printr-ale sale
virtuţi şi patriotism, va fi chemat la tron ca să izbăvească locul;” (Act de unire, Absatz
8; cf. auch Proiect de constituţie, Punkt e). Diese Ziele werden in einem Diskurs
verteidigt, der den Außenmächten gegenüber offensiv ist – in jedem Fall offensiver als
die Diskurse von Vladimirescu und den cărvunari. Als revolutionär sind
einzuschätzen: der Vorwurf des unmoralischen Vorgehens (nesfiiala, Act de unire,
Absatz 1) der Pforte und Russlands, der Vorwurf der Einschränkung der
Nationalversammlung durch die Pforte (Act de unire, Absatz 3), der Vorwurf des
Vertragsbruchs der Schutz- und Garantiemacht (Act de unire, Absatz 4 und „Prin
siluirea ... a articolelor trei şi patru din tractatul dă la 1460”, Act de unire, Artikel 1)
und vor allem die vehemente Ablehnung eines durch einen firman gestellten
Herrschers (Act de unire, Absatz 4) sowie die Aufkündigung des Bündnisses mit der
Pforte („legătura care era între rumâni şi Poartă să află ruptă”, Act de unire, Artikel 1).
Zum offensiven Charakter der Texte von 1838 gehört desweiteren, dass die Verfasser
ihre Identität nicht nur preisgeben – es sind die Mitglieder der Nationalversammlung –
sondern dies deutlich und extrapoliert im Act de unire an erster und letzter Stelle des
Textes, und im Proiect de constituţie an erster Stelle tun (cf z.B. „Subt iscăliţii rumâni
ai Prinţipatului Valahii, mădulari ai Adunării Naţionale ... declară”, Act de unire,
Absatz 1; cf. auch Proiect de constituţie, Prolog). Die Frequenz von Verba declarandi
und sentiendi im Act de unire lässt die Sender noch stärker in deutlicher und
selbstbewusster Art erscheinen. Eventuelle Konsequenzen auf ihren offensiven Stil
scheinen die Verfasser des Act durch ein „Angebot” der Walachei abgeschwächt zu
haben, durch welches die Pforte für ihren verlorengehenden Tribut entschädigen
werden sollte: „legătura care era între rumâni şi Poartă să află ruptă: cu toate acestea,
pentru ca să păstreze prietenia ei, să va negocia lîngă dînsa răscumpărarea birului ...”.
Auch führen die Sender das Argument als allgemeingültiges an, dass Gesetze immer
zeitlich befristet sind:
122
„Că şi daca regulamenturile dăspre cea ce să atinge dă legile fundamentale şi
constituţia [gemeint ist hier das Regulament organic, Şotropa 1972, 274] nu ar
fi fost nule ... trebuie să să desfiinţeze orişicum numai pentru căci nişte
regulamenturi să fie oricît dă bune sînt orînduite printr-a lor natură numai la o
stare dă lucruri vremelnică” (cf. „ils devraient être abrogés par cela seul que des
règlemens tels bons qu‟ils soient ne sont destinés de leur nature qu‟á un état de
choses transitoires.”; Absatz 5).
Der Act enthält eine Reihe von verschiedenen Diskursen, welche den eigentlichen
Verfassungstext einleiten und als seine Kotexte fungieren. Aufgrund redundanter
Sememe in den Lexemen Unmoral, quälen, ein barbarisches Joch; schreckliche
Geschehnisse, schreckliche Not; heilige Freiheiten, die heilige Pflicht der Errettung
der Souveränität, die Errettung des Volkes, die Opferung des Lebens etc. können wir,
auch wenn nur bruchteilhaft, von einem moralisierenden, einem emotiven, einem
religiös-biblischen und einem historischen Diskurs sprechen. Sehr deutlich ist, wie
gezeigt wurde, das semantische Feld des historischen <(Un)Rechts> bzw. der
<(Un)Rechtmäßigkeit>. Neben dem Angebot einer finanziellen Entschädigung der
Pforte, scheint der Text also auch den Versuch zu zeigen, den illokutiven Sprachakt
<das Bündnis ist beendet> durch eine vielseitige Argumentation zu stützen.
Wenn wir für eine Vergleichsmöglichkeit nun nochmals die wichtigsten Grundbegriffe
heranziehen, die in den modernen Verfassungen aufgebaut wurden (<Freiheit /
Souveränität / freie Meinungsäußerung>, <Eigentum>, <Sicherheit>, <Widerstand /
Petition>, <öffentliche Meinung>, <Gleichheit>, <Steuerbeitrag>, <Gemeinnutz>
sowie <Bevölkerung>, <Volk / Nation>, <Staatsbürgerschaft>, <Staatsgewalt>,
<Repräsentativität und Trennung der Gewalten>, <Staatsnamen>, <Vaterland>,
<Territorium>, <Hauptstadt>, <Wohnsitz>, <Grenze>, ist festzustellen, dass
Câmpineanus Verfassungsprojekt bereits die Mehrheit davon thematisiert und
konzeptualisiert.
Die Souveränität (bzw. Freiheit / Unabhängigkeit) des Landes ist die Priorität des
Proiect de constituţie (Punkt a), die schon im vorangehenden Act de unire mehrfach
thematisiert wird (Absatz 1, 3, 4, 5, Artikel 4, 7). Mit ihr in Zusammenhang steht die
dringende Forderung eines eigenen Herrschers (Act de unire, insbesonders Absatz 6)
und der Vererbbarkeit seines Throns (ib. und Artikel 3). Der Herrscher soll
konstitutionell regieren (Act de unire, Şotropa 1972, 276), seine Person genießt
Unantastbarkeit (Proiect de constituţie, Punkt e), er hat die exekutive (Punkt f) und
(nur) eine geteilte legislative Macht inne (ib.). Zur Souveränität des Landes gehört die
Unveräußerbarkeit des Bodens (Punkt a). Es gelte die Gleichheit der Rumänen vor
dem Gesetz, bei Ämterbesetzung und in der Steuerleistung (Punkt b). Der Staat
garantiere die generelle Freiheit des Individuum, Anklagen, Freiheitsentzug und
Urteile bedürfen einer gesetzlichen Grundlage (Punkt c und Act de unire, Absatz 3
vorweggenommen). Alle Rumänen haben das Recht, ihre Meinung zu veröffentlichen
und zu drucken bei Verantwortlichkeit des Einzelnen für alles Geschriebene, Gesagte
und Getane (Punkt d). Der Souverän hat, wie schon gezeigt wurde, die exekutive
Gewalt inne (Punkt f) und von ihm geht die judikative Gewalt aus (Punkt h). Er
123
sanktioniert und promulgiert auch die Gesetze (Punkt g), wozu die Nationale
Repräsentanz jedoch zuerst ihre Zustimmung gibt (Punkt f; Şotropa 1972, 277). Das
Proiect de constituţie spiegelt in den Worten Şotropas (1972, 275) die Konzeption der
Machtbegrenzung des Souveräns durch ein Parlament sowie der Unabhängigkeit der
Legislative und Judikative von der Exekutive wider. Die beginnende Gewaltenteilung
wird in einer Reihe von Aufgaben der Reprezentanţia naţională, vor allem aber in der
Kontrolle der Ministertätigkeit sowie der Beschließung und Revision des (Jahres-
)Budgets (Punkt q) und der Zustimmung zu den vom Souverän vorgeschlagenen
Abgaben sichtbar.
Im Act de unire spiegelt sich die Konzeptualisierung noch weiterer
verfassungsrelevante Begriffe wider, wie eine, von allen und nach dem Vermögen
getragene Steuer (Artikel 1). Die Verwendung der verschiedenen Lexeme für das
Fürstentum Walachei, von Prinţipatul Valahii, über loc, Gebiet / Region, patrie,
Heimat, dann auch stat, Staat, zu naţie, Nation, zeigt, dass 1838 auch schon ein
Bewusstsein für die Notwendigkeit einer staatlichen Bezeichnung des <Raums>
entstanden war. Und wenn auch noch kein Name für den zukünftigen Staat erscheint,
sondern erst die Ländernamen der noch nicht vereinten Walachei (Prinţipatul Valahii
im Act de unire, Ţara rumânească im Proiect de constituţie, Punkt a) und der Moldau,
skizziert der Text die Bevölkerung dieser beiden Länder bereits als „geeinte” rumâni
(cf. hierzu insbesonders rumânii Moldavii). Im Proiect de constituţie spiegelt sich
außerdem ein Äquivalent zu einer <öffentlichen Meinung> wider, die jedoch noch
nicht mit dem späteren Terminus (voinţă publică etc.), sondern erst in ihrer
Paraphrasierung, dass zukünftig über die Vorschläge der Minister diskutiert werden
könne (Punkt r). Aus einer Schrift von Felix Colson, so Şotropa, ist desweiteren zu
entnehmen, dass Câmpineanu in dem uns fehlenden Text auch Vorschläge zur
Vergabe von Land an die ţărănime clăcaşe machte, also auch das Eigentum und die
Freiheit thematisierte. Alle Bauern sollten frei und Besitzer der pămînturi comunale,
des den Gemeinden gehörenden Bodens, nach der Bemessung des vechiul obicei
werden (Şotropa 1972, 280). Über die Kernbegriffe moderner Staatlichkeit, wie wir sie
festlegten (cf. Metzeltin/Lindenbauer/Wochele 2005, Kap. IX) hinausgehend,
thematisieren die Projekte von 1838 auch die Bedeutung der gesetzlichen Regelung,
die Würde des Herrschers, das Finanzgebaren und die Verantwortlichkeit der Minister
und aller Agenten des Souveräns. Der Act de unire und das Proiect de constituţie
haben von den grundsätzlichsten Begriffen der Menschenrechte <Freiheit /
Souveränität / freie Meinungsäußerung>, <Eigentum>, <Sicherheit>, <öffentliche
Meinung>, <Gleichheit>, <Steuerbeitrag>, sowie von den staatstragenden Begriffen
<Bevölkerung>, <Volk / Nation>, <Staatsbürgerschaft>, <Staatsgewalt>,
<Repräsentativität und Trennung der Gewalten>, <Vaterland> aufgenommen. Die
Texte weisen von den von uns zum Vergleich herangezogenen Begriffen der
Menschenrechte (zumindest in dem uns überlieferten Text) nur den <Widerstand /
Petition> und den <Gemeinnutz> nicht auf. Von den staatstragenden Begriffen weisen
sie keine Thematisierungen von <Staatsbürgerschaft>, <Staatsnamen>, <Territorium>,
<Hauptstadt>, <Wohnsitz> und <Grenze> auf. Câmpineanus Projekte sind, unserer
Analyse nach, modern demokratisch im Sinne der Konzeptualisierung der wichtigsten
Menschenrechte. Der Staat hingegen ist konzeptionell noch nicht deutlich existent, er
ist aber deutlich in Vorbereitung durch den Plan der Vereinigung der Rumänen.
124
VII
DIE TRAGWEITE DER RUMÄNISCHEN REVOLUTIONEN VON 1848
Nach dem Verfassungsprojekt von Ioan Câmpineanu lassen sich
„staatskonzeptionelle” Texte vor allem im Kontext der 1848-er Revolution ausmachen.
Zwar haben die rumänischen Revolutionen von 1848 durchaus regionalen Charakter,
dennoch schreiben ihnen rumänische Historiographen ein program unic al întregii
naţiuni, ein einheitliches Programm für die ganze Nation, wie auch obiective
unificătoare, vereinheitlichende Ziele, zu (z.B. Berindei 1998, 202; Iscru 21997, vol. 1,
168). Dieser Aspekt der rumänischen Revolutionen wird u.a. getragen von der
überregionalen Aktivität einzelner rumänischer Revolutionäre. So wirkt z.B. der aus
der Moldau stammende, die moderne Agrarwissenschaft begründende Ion Ionescu de
la Brad (1818-1891) als Exponent der Revolution in der Walachei, wo er u.a. die
Funktion des Vizepräsidenten der Kommission für die Eigentumsfrage, Comisia
proprietăţii, ausübt. Der aus der Moldau stammende Politiker, Historiker und
Schrifsteller Nicolae Bălcescu (1819-1852) ist sowohl in Siebenbürgen als auch in der
Walachei aktiv. Der aus Siebenbürgen stammende und in Blaj und Bukarest lehrende
Professor Ioan Axente Sever (1821-1906) wiederum ist an den Bewegungen in der
Walachei und in Siebenbürgen beteiligt. Unter den Siebenbürgischen Anführern der
Siebenbürgischen Revolution waren, um auch dafür Beispiele zu geben, der
bedeutende Linguist sowie Begründer der rumänischen Literaturgeschichte Aron
Pumnul (1818-1866), der Anführer der revolutionären Bauernarmee in den
Westkarpaten, Avram Iancu (1824-1872) und der spätere Metropolit Andrei Şaguna
(1809-1873), der im heutigen Ungarn geboren wurde.
Mit Ausnahme des streng russisch kontrollierten Bessarabien wurden nach und nach
im Jahre 1848 alle rumänischen Länder (Moldau, Walachei, Transsilvanien, Banat und
Bukowina) von Revolutionsbewegungen erfasst. Im März 1848 brachen auf Initiative
einiger Bojaren in der Moldau Proteste aus, die jedoch vom herrschenden Mihail
Sturza (1795-1884, regierte 1834-1849) rasch und hart unterdrückt wurden (zur
Positionierung der Bauern cf. Berindei 1998, 202). Junge Intellektuelle verfassten
daraufhin im Exil Reformprogramme für die Moldau. Unter den wichtigsten dieser
Programme sind auch Dorinţele Partidei Naţionale von Mihail Kogălniceanu, welche
wir nachfolgend als dritten Quellentext aus der rumänischen Revolution von 1848
analysieren werden (cf. Kap. IX).
Mit der ungarischen Niederlage in der Schlacht von Mohács im Jahre 1526 war das
ehemalige historische Fürstentum Siebenbürgen osmanisch geworden und ab 1541 mit
einer gewissen Autonomie organisiert worden. Ende des 17. Jahrhunderts war es
Habsburg gelungen, es erneut der osmanischen Suzeranität zu entziehen. Durch das
Leopoldinische Diplom wurde Siebenbürgen am 16. Oktober 1690 vorläufig und nach
dem Frieden von Karlowitz (1699) bei Wahrung seiner Autonomie endgültig
habsburgisch, sodass es habsburgischer Dachherrschaft unterstand, als hier ab Frühjahr
1848 revolutionäre Geschehnisse erstmals ausbrechen. Im vierten in dieser Studie
analysierten Text, der öffentlichen Rede vom 2. Mai 1848 von Simion Bărnuţiu in
125
Blaj/Blasendorf, spiegelt sich diese, auch benachteiligende Dachherrschaft punktuell
wider. Der Autor beklagt in seiner Rede, dass seit der [Kirchen-] Vereinigung [um
1700] die rumänischen [unierten] Bischöfe duldeten, dass dem rumänischen Klerus die
Nutzung guter Landstücke und Wälder entzogen würden. Eine Unterrichtung des Hofs
und Guberniums über diesen Zustand wäre umsonst gewesen, denn gerade hier säßen
jene, welche in den Landtagen diese Landwegnahme dekretierten: „Cine nu ştie că
episcopii noştri de la uniunea încoace numai cu numele au fost episcopi, iară într-
adevăr au fost notari săteşti ... pe de altă parte se pun măsură teritoriului satului şi fac
ce fac de iau locurile cele mai bune de la preoţii românilor, şi atunci iară dau de lucru
notariului episcop ca să scrie la Curte, la guberniu, unde tot aceia judecă cari şi răpesc
şi cari decretează în diete ca domnii pămînteşti să ieie toate pădurile de la comunităţile
române, dezdăunare pentru porţiunile canonice.” (Discursul de la Blaj, A29)
Siebenbürgen war das am heftigsten und, im rumänischen Vergleich, am längsten, von
der Revolution erschütterte Fürstentum. Hier dauerte die Revolution de facto bis zum
1./13. August 1849. Im Sommer 1849 begegneten sich Ungarn und Rumänen in einem
blutigen Bürgerkrieg, Österreich ließ die Auseinandersetzungen mithilfe russischer
Truppen, die seit Juni 1849 einmarschiert waren, niederschlagen. Auslöser der
Revolution war die Gefährdung der Autonomie Siebenbürgens durch die Ungarische
Krone. Ungarn brachte sein politisches Ziel der Vereinigung Siebenbürgens mit
Ungarn, trotz Proklamation und Sanktionierung durch den Kaiser, (vorerst) nicht
durch. In Siebenbürgen wurde erneut die kaiserliche Autorität hergestellt. Die seitens
der Siebenbürger Rumänen gefürchtete direkte Verwaltung Ungarns folgte allerdings
nur wenig später, im Österreichisch-Ungarischen Dualismus im Jahre 1867.
In der Walachei brach die Revolution am 9. / 21. Juni 1848 aus. Auf dem Câmpul
Regenerării, dem Freiheitsfeld bei Islaz, verlas der große rumänische Intellektuelle
und Revolutionär Ion Heliade-Rădulescu (1802-1872) im Rahmen einer
Volksversammlung das Reformprogramm der Muntenier, die sogenannte Proclamaţia
de la Islaz. Relativ gleichzeitig brach die Revolution auch in Bukarest aus. Hier wurde
um den 11. / 23. Juni 1848 der regierende Fürst Gheorghe Bibescu (1804-1873,
regierte 1843-1848) gezwungen, die Proklamation anzunehmen und eine neue
Regierung anzuerkennen. Er dankte in der Nacht vom 13. / 25. auf den 14. / 26. Juni
ab. Den Revolutionären gelang es für drei Monate eine provisorische Regierung der
Walachei zu bilden. Exponenten der muntenischen Revolution waren u.a. der schon
genannte Ion Heliade-Rădulescu, der Politiker und General Gheorghe Magheru (1802-
1880), der Politiker und General Christian Tell (1808-1884) und der große
Intellektuelle Nicolae Bălcescu. Die Revolution scheiterte am Widerstand der Bojaren
und an der Landverteilung, die zu langsam geschah. Sie wurde schließlich von den
Truppen des Osmanischen und des Russischen Reichs im September
niedergeschlagen. Am 19. / 31. Juli 1848 drangen osmanische Truppen in die
Walachei vor, welche am 15. September 1848 von zaristischen Truppen besetzt wurde.
Die Walachei sollte bis 1851 besetzt bleiben. Die Hauptexponenten der Revolution
wurden festgenommen und später exiliert bzw. flüchteten.
Im Folgenden werden wir drei Texte der „Rumänischen Revolution von 1848“, ihrer
Chronologie gemäß, analysieren. Kapitel VII.1. über die Rede von Blaj/Blasendorf
126
vom 2. Mai 1848 ist eine weiter ausgearbeitete Version des von Michael Metzeltin,
Holger Wochele und Petrea Lindenbauer verfassten Artikels Der nationalpolitische
Diskurs in Siebenbürgen im 19. Jahrhundert. Angewandte Textanalyse der
Darstellung von Macht anhand des Revolutionsdiskurses von Blaj/Blasendorf vom 2.
Mai 1848 in Neweklowsky (2007, 271-300) und stellt zu diesem eine neu akzentuierte
Untersuchung des Textes dar. Proclamaţia de la Islaz ist ebenso in einer Vorversion in
einer anders als hier akzentuierten Analyse von Petrea Lindenbauer und Wolfgang
Kreutzer (in: Papadima 2003, 13-38) erschienen.
127
VII.1. Der Revolutionstext von Blaj/Blasendorf vom 2. Mai 1848
VII.1.1. Die historische Motivation des Diskurses von Blaj
Unser vierter Text bettet sich historisch in den Beginn der 1848-er Revolution in
Siebenbürgen ein. Anlass zu dieser Revolution war, wie schon erwähnt, der Versuch
der Ungarischen Krone (seit März 1848) eine uniune, Vereinigung Ungarns mit
Siebenbürgen, zu erwirken. Diesen Anspruch publik zu machen, konnte sich Ungarn,
das nun über ein autonomes Finanz, Kriegs- und Außenministerium verfügte (Fischer
1999, 110; cf. hierzu auch Absatz 30 des Diskurses von Blaj), leisten. Die Vereinigung
Ungarns mit Siebenbürgen war nur ein Punkt des Reformprogramms der liberal-
aristokratischen Politiker des ungarischen Königreichs, zu welchen junge Intellektuelle
wie der Dichter Sándor Petöfi (1823-1849) zählten. Das vollständige Programm der
liberalen Ungarn umfasste zwölf Punkte und war am 15. März 1848 mit breiter
Zustimmung in Pest proklamiert worden. Ungarns siegreiche Liberale zielten auf die
Auflösung der feudalen Strukturen des Königtums zugunsten eines bürgerlich-
demokratischeren Nationalstaates mit verbesserten Lebensbedingungen für die Bauern.
Die konkreten Ziele der Liberalen waren die Abschaffung der Leibeigenschaft,
gesetzliche zivile und religiöse Gleichbehandlung, allgemeine Steuerpflicht, ein (mit
beschränktem Wahlrecht) gewählter jährlich tagender Landtag (in Pest), die
Einrichtung eines verantwortlichen Ministeriums, Pressefreiheit, die Freilassung der
politischen Gefangenen, die Einführung eines Geschworenengerichts, die Gründung
einer Nationalbank, die Aufstellung einer Nationalgarde, die Vereidigung des Militärs
auf die Verfassung und, schlussendlich, auch die Vereinigung – uniunea – Ungarns
mit Siebenbürgen (Fischer 1999, 109-110).
Dieses Verfassungsprogramm und die geplante Vereinigung waren als Mittel zur
Stärkung der Nation gedacht, denn die Ungarn bangten, nicht ohne Anlass, um die
Existenz ihrer Nation Johann Gottfried Herder hatte im Vormärz den Untergang
Ungarns und damit den Tod der ungarischen Nation prophezeit (Köpéczi 1990, 458
sowie Lendvai 41999, 209). De facto wurde das 12-Punkte Programm vom
Statthalterrat akzeptiert. Die Ständeversammlung bereitete in kurzer Zeit 31
Gesetzesartikel vor, zu deren Sanktionierung sich Kaiser Ferdinand am 11. April 1848
gezwungen sah (die sogenannten Aprilgesetze). Zur Union Siebenbürgens mit Ungarn
gab es unter den Rumänen Siebenbürgens unterschiedliche Meinungen. Simion
Bărnuţiu, der Siebenbürgische Pädagoge, Philosoph und Rechtsgelehrte (1808-1864)
und Verfasser des hier analysierten Textes zeichnet darin – durchaus ironisch – die
Stimmung der Siebenbürger zur proklamierten Vereinigung als überwältigend:
„Uniunea ne dă toate, pentru aceea de acest cuvînt misterios sunt pline toate gazetele.
Uniunea e materia de conversaţiune în toate cercurile societăţii, uniunea e scrisă pe toţi
păreţii, flamura uniunii e plantată pe case, pe biserici şi chiar pe carele călătorilor.”
(Discursul de la Blaj, Absatz 30).
Diese Stimmung dürfte sich aus der Hoffnung der Siebenbürger Rumänen auf liberale
Reformen erklären, deren Verwirklichung innerhalb eines neuen Großungarns realer
zu sein schienen (cf. die Stellung Timotei Ciparius 1805-1887 und George Bariţius
128
1812-1893; Chindriş 1990, 81 und Lindenbauer 2003, 135). Es gab andererseits
jedoch, sowohl unter den Rumänen als auch unter den Sachsen Siebenbürgens,
ablehnende Positionen gegenüber der Vereinigung, wie sie z.B. Stephan Ludwig Roth
(1796-1849) vertrat. Es war insbesonders Simion Bărnuţiu gewesen, der bereits seit
März 1848 versucht hatte, die öffentliche Meinung zu einer Ablehnung der geplanten
Vereinigung hin zu beeinflussen. In seiner Rede vom 2. Mai 1848, die uns als vierter
Quellentext dient, äußert er diese Haltung ganz explizit: „Io însă cu toate acestea nu
sunt mulţămit cu uniunea, nici nu mă răpesc de bucuria cea universală ...” (Discursul
de la Blaj, Absatz 31). Schon vor diesem Zeitpunkt hatte er sein äußerst kritisches
Bedenken in zwei in Handschrift zirkulierenden Texten verbreitet. Sie gelten als der
eigentliche Beginn der Siebenbürger Revolution. Sowohl in der Provocaţiune vom
24./25. März 1848, welche als Reaktion auf den 15. März gesehen werden kann, wie
auch Manifestul românilor transilvani hatte der Gelehrte versucht, den Rumänen ein
Nein zur Vereinigung zu suggerieren (cf. die Analyse der Provocaţiune in
Lindenbauer 2003, 137-153). In der am 2. Mai 1848 gehaltenen Rede sollte er dies
jedoch, auf eine lange Argumentation gestützt noch viel ausführlicher, tun. Dennoch
wurde trotz verschiedener Vorbehalte und Gegenstimmen (der sächsischen und der
drei rumänischen Landtagsmitglieder) am 30. Mai 1848 auf dem Landtag von Cluj /
Klausenburg die Union vorerst beschlossen (Köpeczi 1990, 489).
VII.1.2. Blaj – Bildungszentrum der rumänischen Aufklärung und ihr
Deszendent Simion Bărnuţiu
Seine Herkunft aus der griechisch-katholischen Priesterschaft hatte es Simion Bărnuţiu
ermöglicht, eine überdurchschnittliche Bildung zu genießen. Es war das bedeutende
geistliche Zentrum Blaj/Blasendorf, eine kleine Ortschaft in Oltenien, welche ihm dies
gewährte. Nach der Gründung der Unierten Kirche und nach der Wahl zum
Bischofssitz (1737) hatte Blaj unter Inocenţiu Micu Klein einen Aufschwung erlebt, an
der u.a. auch Bischof Petru Paul Aaron (1709-1764) weiter mitwirkte. Die um 1765
fertiggestellte Kathedrale wurde mit Bildungsräumen ausgestattet und auch eine
Druckerei wurde eingerichtet. Blaj war nach und nach zu einer Stätte höherer Bildung
geworden und gebar schlussendlich auch die sogenannte Şcoala Ardeleană, eine
Pleiade von Lehrern, Historikern, Philosophen, Grammatikern und Rechtsgelehrten,
welche als die Siebenbürgische Vertretung der europäischen Aufklärung gelten kann
(Beyrer/Bochmann/Bronsert 1987, 19). Der Siebenbürger Schule gehörten große
rumänische Intellektuelle an, wie der in Blaj Mathematik, Ethik, Philosophie und
Dogmatische Theologie lehrende Samuil Micu (1745-1806), Neffe des Bischofs
Inocenţiu Micu; dann auch der hier (seit 1773) Poetik und Rhetorik lehrende Gheorghe
Şincai (1754-1816), welcher ab 1780 zwölf Jahre lang mehrere Schulen leitete;
desweiteren zählen zur Şcoala Ardeleană der Historiker und Philologe Petru Maior
(1761-1821), der Schriftsteller und Philologe Ioan Budai-Deleanu (1760-1820), der
Politiker, Publizist, Historiker und Herausgeber einer der frühesten
Presseerscheinungen auf Rumänisch, George Bariţiu (1812-1893). Viele ihrer
Repräsentanten studierten an europäischen Universitäten und bemühten sich
insbesonders darum, die Latinität der Rumänen zu belegen und in ihr Argumente für
eine international anerkannte nationale Autonomie zu finden. Samuil Micu und
129
Gheorghe Şincai verfassten in diesem Sinne die Elementa linguae daco-romanae sive
valachicae, eines der frühesten umfassenden Lehrbücher der rumänischen Sprache,
welches 1780 von Samuil Micu in Wien und 1805 von Gheorghe Şincai in korrigierter
Fassung in Buda veröffentlicht wurde. Der Ideologie der Siebenbürger Schule zufolge,
sind die Elementa nicht nur auf Latein verfasst, sondern stellten, wie auch der
Verfasser unseres vierten Quellentextes, stark etymologisierend-latinisierende Normen
des zu dieser Zeit noch nicht standardisierten Rumänisch auf (auf diese Spezifik gehen
wir in Kap. VII.4. etwas näher ein). Trotz ihrer latinisierenden Ausrichtung ist es aber
gerade Blaj bzw. die Siebenbürger Schule, die die Verwendung des Latein als primäre
Bildungssprache zugunsten der nationalen (rumänischen) überwindet. Erstmals
entstehen Werke in rumänischer Sprache, wie die historiographischen Werke von
Samuil Micu, Gheorghe Şincai und Petru Maior.
Simion Bărnuţiu (1808-1864) studierte ab 1825 Theologie in Blaj, später auch
Philosophie und Recht in Sibiu. Er lehrte in Blaj als Professor für Philosophie und
(Natur-)Recht (ab 1829/1830, 1834, 1839) und amtierte auch als Sekretär des
Konsistoriums der Griechisch-Katholischen Kirche (1835-1838). Insbesonders wirkte
er als Didaktiker und Rechtsphilosoph. Prägende rechtstheoretische Arbeiten wie
Dereptulu Puplicu alu Romaniloru in Jassy sollten erst nach dem für unsere Textquelle
relevanten Zeitpunkt 1848, um 1867, entstehen. Als es in den frühen 40-er Jahren des
19. Jahrhunderts (1843/1844 Fischer 1999, 106 zufolge; cf. Absatz 42 des Diskurses
von Blaj) auf dem ungarischen Landtag von Pressburg zur Verabschiedung eines
Sprachengesetzes kam, dem zufolge Ungarisch innerhalb des folgenden Jahrzehnts
Rumänisch auf allen Ebenen des öffentlichen Lebens im Königreich Ungarn ersetzen
sollte, verteidigte Simion Bărnuţiu vehement die national-„rumänischen” Interessen.
Aufgrund seines Protests wurde er seines Lehrstuhls enthoben. Es folgte ein Prozess
(1843-1846), in welchem er den amtierenden Bischof gegen sich hatte, welcher sich
auch durchsetzte. Bărnuţiu verließ nach dem Prozess Blaj, um an der Academia
Săsească in Sibiu erneut, wie schon erwähnt, für drei Jahre Recht zu studieren. Neben
seinem Einsatz für nationale Interessen sind ihm Bemühungen um die Laizisierung
und Befreiung der Volksbildung aus ihrer lateinisch-klerikalen Ausrichtung zu
verdanken. Er übersetzte wichtige philosophische Werke ins Rumänische und hielt
(1839 erstmalig auf Kosten des Latein) philosophische Kurse auf Rumänisch ab.
Inspiriert von den Vorgängern der Siebenbürger Schule, insbesonders von der
Geschichtsschreibung Petru Maiors bzw. dessen Istoria pentru începutul românilor în
Dachia, und dem durch diese Schule vermittelten Rationalismus nach Kant,
entwickelte der 40-jährige Simion Bărnuţiu eine Ideologie zwischen einer Aufklärung
josephinischer Prägung und einem Liberalismus, wie er die Generation vor 1848 und
um 1848 deutlich prägte.
Bărnuţius Rede vom 2. Mai 1848 kreist um Begriffe wie Staat, Nation, Nationalität,
Individuum, Person, Besitz. Sie spiegelt dabei die Rezeption verschiedener
theoretischer Überlegungen von Friedrich Karl von Savigny (1779-1861) wider und
dokumentiert im Konkreten folgende Konzeptualisierungen zu Staatlichkeit. Der Staat
ist eine natürliche Erscheinung und dient dem Schutz der (einzelnen) Person und ihren
Gütern:
130
„dacă e statul tocma o necesitate de la natură, atunci statul fără îndoinţă numai
pentru aceea e de lipsă, ca fiind în stat oamenii, să se poată apăra mai uşor într-
însul decît afară de stat. Adecă statul e un aşezămînt omenesc spre apărarea
persoanei şi a bunurilor omenirii. ...” (A52).
Der Schutz des Individuums umfasst seine Versorgung (mîncarea, băutura,
îmbrăcămîntul, locuinţa), seine Freiheit (libertate) und seine Sprache (limba); (A14).
Dort wo Landbesitzer, domni, Landbewirtschafter, coloni, im Gegensatz zu Ländern
wie Deutschland und Preußen noch immer in Leibeigenschaft beließen, beraubten sie
diese ihrer menschlichen Würde, demnitatea personală, und ihres Besitzes (A18). Was
für das Individuum gelte, könne auf die Person der Nation übertragen werden („să
trecem de la persoana omului la persoana naţiunii, care încă are personalitate ...“,
A37). Niemand solle der Sklave eines Anderen sein, sondern jeder alle sollen frei sein
und freie Staaten bilden können; keine Nation könne / solle in Freiheit, Würde und
Macht einer anderen höhergestellt sein:
„natura nu va ca să fie un om şerb altui om, ci va să fie liber în toată viaţa sa. Ea
vrea ca mai mulţi oameni liberi să facă comunităţi, sate şi state libere, şi aceste
să se guberne de guberne aşezate cu votul tuturor liberilor, după legi puse de
universalitatea tuturor liberilor, nu cu mandate.“ (A53, A56).
Auch der Staat als solcher hat Würde:
„... noverimea română nu va apuca niciodată la valoarea ce i se cade în stat,
pentru că valoarea face cultura, cultura fără libertate şi libertate fără de existenţă
şi onoare naţională nu e cu putinţă” (A16).
Der Staat versteht sich als Organismus, der auch erkranken oder, wenn man ihm einen
Teil entfernt, sterben kann:
„Mădulariu tăiat de cătră trup nu mai poate trăi, şi trupul, tăindu-se verum
mădulariu, pătimeşte şi dacă nu piere. Acest scop l-au avut ungurii adoperindu-
se a tăia pe noverimea română de cătră trupul naţional.” (A52).
Ist die Staats-Nation einerseits Struktur und Organismus (trup), ist sie andererseits
auch natürliches Gefühl und Verbindung zu den Ahnen (naţionalitate):
„Ce este apa pentru peşti, aerul pentru zburătoare şi pentru toate vieţuitoarele,
ce este ... soarele pentru creşterea plantelor, vorba pentru cugetare, aceea e
naţionalitatea pentru vercare popor, într-însa ne-am născut, ea este mama
noastră, de suntem bărbaţi ea ne-a crescut, de suntem liberi într-însa ne miscăm,
de suntem ... supăraţi ne alină durerea cu cîntecele naţionale, prin ea vorbim şi
astăzi ca părinţii noştri carii au trăit înaintea de mii de ani, prin ea ne vor
cunoaşte strănepoţii şi posteritatea preste mii de ani.” (A61).
Bărnuţiu fordert der Theorie von Savigny gemäß, das natürliche Recht (possessio
naturalis) bzw. das unveräußerliche Recht der Siebenbürger Rumänen auf den Boden
des Ardeals:
131
„Ei [românii] se adunară cu cuget de a-şi vindeca drepturile care le uzurpă
ungurii, secuii şi saşii de cente de ani şi ca să-şi apere de perirea venitoare acel
drept neînstrăinaver” (A2).
Er unterscheidet in seiner Rede den <Besitz> vom <Eigentum>. Als Beispiel verweist
er auf die Geschichte der Spanischen Halbinsel, welche trotz 700-jähriger Herrschaft
der Mauren nicht zum rechtmäßigen Eigentum dieser wurde („din dreptul răzbelului
cuceritoriu nu se naşte proprietate ci numai posesiune“, A32). In analogerweise gehöre
Siebenbürgen rechtmäßig den Rumänen, weil es seit 1700 Jahre in ihren Händen, von
ihnen geschützt und bewirtschaftet wäre:
„Ardealul e proprietate adevărată a naţiunii române, care o a cîştigat cu bună
dreptate înainte cu vreo mie şepte sute de ani, şi de atunci pînă astăzi o ţine, o
apără şi o cultivă cu multă sudoare şi osteneală.” (A33).
VII.1.3. Der Diskurs von Blaj – Auftakt zur großen Nationalversammlung vom
3.-5. Mai 1848
In Blaj fanden im Revolutionsjahr 1848 drei Nationalversammlungen statt. Die erste
vom 18./30. April 1848 diente zur Vorbereitung der großen Nationalversammlung, die
wenig später erfolgen und zu der zehntausende Menschen erscheinen sollten. Eine
dritte Versammlung sollte später, vom 2./14. bis 16./28. September 1848 tagen. Hier
wurde erneut gegen die Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn protestiert. Die große
Blasendorfer Versammlung fand vom 3./15. Mai bis 5./17. Mai 1848 unter strenger
Überwachung des habsburgischen Guberniums und der von ihm zur Wahrung der
Ordnung aufgerufenen Komitatskommissare sowie einiger Einheiten des
österreichischen Heeres statt (Iscru 1997, 178). Simeon Bărnuţiu saß dieser zweiten
und „großen Nationalversammlung“ als Vizepräsident vor. Die Kernforderungen
dieser Versammlung waren die Anerkennung der Rumänen als vierte Nation in
Siebenbürgen, eine entsprechende Vertretung auf den Siebenbürgischen Landtagen,
das Recht auf die Wahl eigener rumänischer Beamter, die Aufhebung des Zehenten
und der Leibeigenschaft. Die zehntausende Personen, die sich einfinden sollten, kamen
aus allen Bevölkerungsschichten. Die Versammlung verlief friedlich. Diese friedliche
Weise des Protests von Blaj nachzuahmen, dazu sollten nur einen Monat später die
Anführer der Revolution in der Walachei aufrufen:
„Fraţi români! Respectaţi proprietatea şi persoanele, adunaţi-vă cât de mulţi,
armaţi-vă cu toţi, însă imitaţi pe fraţii voştri transilvani. Vedeţi cum se adunară
atâtea miriade fără să se facă cea mai mică larmă, cea mai mică neorânduială.“
(Proclamaţia de la Islaz, 9/21 iunie 1848).
Am Vorabend zur großen Versammlung vom 3.-5. Mai 1848 ergriff Simion Bărnuţiu
vor den in der Kathedrale von Blaj Versammelten – sein Text dokumentiert dies
mehrmals – das Wort. Sein Text dokumentiert auch, dass u.a. das Konsistorium von
Blaj anwesend war und zu den direkten Adressaten, das Volk hingegen zu den
indirekten Adressaten des Textes gehörte:
132
„Să jurăm că nici diavolii iadului nu vor mai putea rumpere legăturile amoarei
frăţeşti cu care e legată adunarea această, şi printr-însa toată naţiunea română!”
(Discursul de la Blaj, Absatz 25); „Să spună Venerabilele Constistoriu din Blaş,
care se află de faţă în beserică, cîtă frică ... i-au cuprins pe toţi cînd au înţeles de
acest proiect al dietei ...” (Discursul de la Blaj, Absatz 29); „Ce va răspunde
adunarea la aceste întrebări, ce va răspunde tot poporul român cînd ar fi de
faţă?” (Discursul de la Blaj, Absatz 33).
Bărnuţiu ergriff die Gelegenheit, erneut seine Meinung zur Frage der Vereinigung
Siebenbürgens mit Ungarn zu verkünden. Er war überzeugt davon, die Vereinigung
vehement ablehnen zu müssen zugunsten einer freien und unabhängigen Existenz der
rumänischen Nation: „În mîna acestei adunări e pusă viaţa şi moartea, soarta prezentă
şi venitoriul nu al unui om, ci al unei naţiuni întregi.” (Discursul de la Blaj, letzter
Absatz / A72). Daher hatte sein Diskurs das Ziel, die am nächsten Tag einsetzende
Nationalversammlung auf ein Nein zur uniune einzuschwören. Als Argumentation für
ein Nein stellte der Autor das historische Verhältnis zwischen Ungarn und Rumänen
seit ihrem ersten Kontakt – mit dem Tod des rumänischen Anführers Gelu bzw. dem
Beginn der ungarischen Herrschaft unter Tuhutum im 9.-10. Jahrhundert – bis in die
Gegenwart dar. Diese rumänisch-ungarische Beziehung wird generell als eine
Geschichte der (zunehmenden) Unterdrückung der Rumänen durch die Ungarn
gezeigt.
Tatsächlich war seit dem 15. Jahrhundert zwischen Ungarn und Rumänen ein großes
soziales und politisches Ungleichgewicht gewachsen. Es ging auf die immer stärkere
Privilegierung der nicht rumänischen Aristokratie zurück. Am 16. September 1437
hatten sich die drei nationes, die privilegierten Stände der Ungarn, Szekler und
Sachsen in Căpâlna bei Dej zur sogenannten unio trium nationum
zusammengeschlossen. Dieser Bund sollte ihre Interessen schützen und besiegelte die
Rechtlosigkeit sowie die wirtschaftliche und politische Unterdrückung der
rumänischen Leibeigenen. Der Bund der drei nationes war auf mehreren Landtagen –
so in Mediaş 1459, in Sighişoara / Schäßburg 1506 – erneuert (Chindriş 1990) und
vom ungarischen Juristen István Werböczi (1458-1541) im Decretum tripartitum aus
dem Jahre 1514 vervollständigt und kodifiziert worden. Auf dieses Decretum folgten,
so der Text von Bărnuţiu, die als Aprobate e Compilate Constitutiones aus dem 17.
Jahrhundert bekannten Gesetze, welche die rumänische Nation explizit als „scoasă din
numărul statelor ţării“, also nicht zu den anerkannten politischen Ständen zählend
definierte, noch ihre Religion anerkannte und die Rumänen vorerst nur zum Nutzen
des Landes duldete (Discursul de la Blaj, Absatz 11). Durch diese Entwicklung hatte
die rumänische Bevölkerung Siebenbürgens jegliche politische Vertretung auf den
Landtagen sowie die Möglichkeit zur Berufung in Ämter verloren (Lindenbauer 2003,
125-154). Diese Situation sollte sich übrigens über die Revolution von 1849 hinaus
erhalten, selbst nachdem sich die Rumänen mit Avram Iancu an der Spitze gegen die
Ungarn auf die Seite der Habsburger geschlagen hatten. Die Ziele der rumänischen
Revolutionäre Siebenbürgens wurden nur langsam und teilweise erreicht, wie es die
Anerkennung der orthodoxen Metropolie in Siebenbürgen erst im Jahre 1863 zeigt.
133
Die soziale und politische Rechtlosigkeit der Rumänen Siebenbürgens war umso
krasser, als dass diese um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Bevölkerungsmehrheit
des Landes stellten. Chindriş eruierte für das Jahr 1844 in Siebenbürgen die Statistik
von 1.291.000 Rumänen, 606.000 Ungarn und Szeklern sowie 241.000 Sachsen (1990,
88, Fußnote 127). Ein ähnliches Verhältnis gab der sächsische Gelehrte und Pastor
Ludwig Roth (geb. 1796, 1849 wegen seiner pro-rumänischen Haltung 1849 von den
Ungarn in Cluj exekutiert) für Siebenbürgen für dasselbe Jahr an, nämlich eine
absolute, 60,1 %-ige Bevölkerungsmehrheit von Rumänen (2003, 101). Auch Simeon
Bărnuţiu sprach in seiner Rede demographische Verhältnisse an. Er spricht von
eineinhalb Millionen Rumänen („un milon [sic] şi jumătate de români”) sowie von
einer Handvoll von unter den Rumänen lebenden Sachsen und Ungarn („o mînă de
saşi şi unguri mestecaţi printre români”, Discursul de la Blaj, Absatz 33). Zwar
revidiert Bărnuţiu zwei Absätze später die genannte „Handvoll Sachsen [und Ungarn]”
durch „zweihunderttausend Sachsen” („un milion e jumătate de români şi cu vreo două
cente mii de saşi”, Discursul de la Blaj, Absatz 35), er verschweigt aber dennoch die
Zahl der in Siebenbürgen lebenden Ungarn vollständig. In Ungarn lässt sich übrigens
zur Zeit der 1848-er Revolution von 1.300.000 Rumänen ausgehen, eine Zahl, die
sogar die Rumänen in Siebenbürgen überstieg (Hitchins 1996, 252). Erstes Ziel der
rumänischen Revolutionsführer in Siebenbürgen war es, für ihre Ethnie politische und
soziale Grundrechte (wieder) zu erlangen, desweiteren auch die politische
Unterrepräsentanz der Rumänen auf den Landtagen Siebenbürgens zu verbessern
(Lindenbauer 2003, 125-154).
Es ist schwierig festzustellen, ob der uns heute zur Verfügung stehende Text, der in
verschiedenen, jedoch relativ identen Ausgaben existiert, mit der in Blaj frei (?)
vorgetragenen oder vorgelesenen Rede ganz ident ist. Hätte Simion Bărnuţiu seinen
Text ganz vorgetragen (gelesen?), hätte dies ungefähr die Zeit von zwei Stunden in
Anspruch nehmen können. Aus dem möglichen Ablauf des historischen Geschehens
gesehen, ist dies allerdings kein Argument dagegen. Eine passagenweise stark
entwickelte Syntax – im Stile Fidel Castros – (cf. z.B. den ersten Satz in Absatz 36)
spricht eher für einen vorkonzipierten, also ursprünglich schriftlichen Text (zur
Stilistik der Rede von Blaj, cf. Kap. VII.1.4.).
Erstmals wurde der Diskurs von Blaj von Alexandru Papiu Ilarian (1828-1879) in
Wien im Jahr 1852 veröffentlicht. Eine zweite, in ihrer Orthographie eher
etymologisierende Ausgabe stammt aus dem Jahr 1885 und trägt den Titel Reporturile
Romaniloru cu Ungurii şi principiele Libertatei Nationali Desfasiurate de Simeone
Bărnutiu la 14/2 Maiu 1848 in siedint’a preliminare a adunarei natiunali, în beseric’a
Catedrale din Blasiu (Viena, cu Literele lui C. Gerold si Fiiu. 1885, B.A.R II
103.490). Simion Bărnuţiu hat die Ausgabe(n) weder betreut noch autorisiert, ein
Originalmanuskript ist nicht mehr vorhanden, dürfte jedoch Papiu-Ilarian für seine
Wiener Ausgabe zur Verfügung gestanden sein (Chindriş 1990, 78).
134
VII.1.4. Analyse des Diskurses von Blaj: sprachliche und stilistische
Besonderheiten
Wie erwähnt, lässt die Syntax des Diskurses von Blaj eher an einen vorkonzipierten
Text denken. Dies schließt aber gewisse Charakterzüge eines mündlichen Stils, z.B.
die hohe Redundanz gewisser Thematiken, nicht aus. Desweiteren enthalten eine
Reihe von Passagen Bilder aus dem landwirtschaftlichen Milieu (cf. neghina din grîu,
die Spreu aus dem Weizen, Absatz 53, cf. auch A29) sowie Anleihen aus der
Volkssprache („pe de altă parte se pun măsură teritoriului satului şi fac ce fac
[Hervorhebung durch die Autorin] de iau locurile cele mai bune de la preoţii românilor
...”; Discursul de la Blaj, Absatz 24), welche an einen (bewusst?) mündlich geprägten,
dem Volksdenken nahen Stil erinnern: „au dacă presîmţesc rîndunelele apropierea
verii şi a iernii şi animalele furtuna cea grea ..., una ginte întreagă să nu presîmtă
periclul ce i se ameninţă” (Discursul de la Blaj, Absatz 2). Die Rede weist desweiteren
eine Vielzahl von phonetischen, morphologischen, syntaktischen und lexikalischen
Archaismen und Regionalismen sowie zugleich lateinisch-etymologisierende
Neubildungen und Eigenkreationen des Autors auf.
Zu den phonetischen Archaismen zählen z.B. [Hervorhebung durch die Autorin]: mai
nainte (A2, A4, A14), preste (A4, A24 etc.), verce tip (A4), trămite (A4), fără să simţă
clerul (A24), “înainte vero nouă cente de ani” (A5, A13, A14, A35); ver să fie al
românilor, ver al ungurilor (A33); io consider” (A5), să răspunză (A5), „ori de cîtă ori
se va tîmpla ...” (A11), „veruna deregătorie” (A11) / verun ungur (A30), deregătorie
(A11), mu[l]ţămeşte (A12); beserică (u.a. A13); rîuri de lacremi (A13), cu despreţ
(A14), în întunerec (A14), „să o cercetăm mai cu deamăruntul” (A36), subt (A16,
A36), cetăţanii (A24), ca să poată plini numărul (anstelle der heutigen prothetischen
Form împlini, A17; analog o mînă de saşi şi unguri mestecaţi printre români, A33) etc.
Zu den morphologischen Archaismen zählt die Verwendung des langen Infinitivs:
„nici gotul nu cuteza a se atingere” (A2), a se uitare und a descoperire (A3, cf. auch
A5 etc.), dann die Nichtkongruenz des Prädikats mit dem Subjekt: „cum credea ei“
(anstatt von: cum credeau ei, A4, A23, und viele weitere Fälle), “Pînă acum numai
noverii şi popii catolici era liberi” (anstatt von erau liberi); die flektierenden Formen
des Pronomens care; die unflektierte Form des Genitivartikels a (A72); die veralteten
Verbformen să deie (A8), dede (A71), feceră (A9, A71), steteră (A9); die
Paradigmenbildung bestimmter Verbalinfinitiva (noch) nach der zweiten Verbklasse
(va rămînea anstelle von heutigem a rămâne der zweiten Verbklasse (A34); analog
dazu a ţinea anstelle von heutigem a ţine); die archaische Paradigmenbildung
bestimmter Verbendungen (lucră anstelle von heutigem lucrează (A28) etc. Als eine
heute veraltete morphosyntaktische Satzgliedordnung lässt sich beispielsweise die
Voranstellung des direkten Objektpronomens (im Singular femininum) vor das Verb,
auch wenn dieses im zusammengesetzten Perfekt steht, nennen: „Strigoniul o a
motivat în favoarea besericii ungureşti ... Strigoniul o a plantat în inima împăratului
Leopold ... Strigoniul o a udat prin iezuiţi, Strigoniul o a crescut, Strigoniul o va fi
smuls după aceea ...” (A21, dann auch A33). Unter den lexikalischen Archaismen
seien als Beispiel au (Absatz 2), una [ginte] (A2), acu (A6), şchiai < şchiau mit der
Bedeutung von Bulgare (A10), pămîntul aist (A33) genannt sowie die mittelalterliche
Bezeichnung Strigoniul für das heutige Toponym Esztergom (A21).
135
Als Vertreter der Blajer Pleiade stellte Simion Bărnuţiu die Sprache, die er verwendet,
in den Dienst der lateinischen Beweisführung. Neben den archaischen Sprachzügen
zählt der Text eine Vielzahl von – teilweise konstruierten oder akzentuiert gewählten –
Latinismen wie cente de ani (A2, A6, viele Beispiele) für den heute gebräuchlichen
Slawismus sute, periclul für heutiges pericol (A2, cf. auch: „pereclitînd
naţionalitatea” in A46), urbi für den heute gebräuchlichen Magyarismus oraş
(oarecîte urbi şi comunităţi in A4, cf. auch A 54), catene / catanele servituţii für den
Gräzismus zale (A6 und A7); deve für den heutigen Slawismus trebuie (cîtă mirare
deve să ne cuprindă in A7 und A47 mehrmals); noverii für den heutigen Latinismus
nobili (A7; cf. auch metalelor noveri, A35); die Wortbildung sempitern für die heutige
latinisierende sowie slawische Variante etern und veşnic (ruşine sempiternă, A11); e
[für und] in Aprobate e Compilate (A11), das sich nicht gehalten hat; seclul (la finitul
seclului al 17, in A13 und A14) für das heute phonetisch weiter entwickelte secol bzw.
für den heutigen Slawismus veac; adjutoriu (A13, A37) für das heute phonetisch
weiter entwickelte ajutor; manuducea („Strigoniul manuducea toate lucrurile uniunii
la Curte şi la Roma”, A21), das es nicht mehr gibt; rumpe (nu vor putea rumpere
legăturile amoarei frăţeşti in A25 und A72) für das heute phonetisch
weiterentwickelte rupe, paupertatea für das heutige slawische sărăcie (A35),
emolumentele [< lat. emolumentum, Vorteile] für den heutigen Französimus privilegiu,
salute (salutea statului in A38, aber auch sănătatea statului, in A54) für das heute
gebräuchliche sănătate; jureprudenţă (A47) für das heutige jurisprudenţă, matrile
(matrile române in A48, cf. auch A69), das es nicht mehr gibt; surup [< surpa < lat.
*SUBRUPARE]; căutătură („aruncăm ... o căutătură preste zilele naţiunii noastre”, A72)
für das heute gebräuchliche privire etc.
In einer sehr kreativen Sprachverwendung erschafft Bărnuţiu auch eine Reihe von
Neologismen wie neînstrăinaver, mizeraver, responsaver, nover (drept neînstrăinaver
in A2, o îngîmfare mizeraveră in A23, miniştrii cei responsaveri in A38, „Pe popor îl
împarte în noveri şi rustici“ in A8; cf. auch noveritate in A14). Desweiteren fallen
lexikalische Ad-hoc Bildungen auf wie a adoperi (A14, mehrmals, an lat. ADOPERARE
erinnernd), colon (A17) und agrii („[cei] neuniţi cari trăiesc din agrii lor, A24). Die
Sprachkreation – mit neu gebildeten Perfekt- und Imperativformen – gipfelt am Ende
des Textes in einer Allegorie, welche die Identität, Schaffenskraft, Unabhängigkeit
und Selbständigkeit der Rumänen sprachlich exemplifiziert vor Augen führt:
„Fost-am cu goţii dară nu ne-m făcut goţi. Fost-am cu hunii dar nu ne-am hunit.
Fost-am cu avarii şi nu ne-am avarit. Fost-am cu bulgarii şi nu ne-am bulgărit.
Cu ruşii şi nu ne-am ruşit. Cu ungurii şi nu ne-am ungurit, cu saşii şi nu ne-am
nemţit. Aşa este, fiilor, nu ne-am ungurit, nu ne-am ruşit, nu ne-am nemţit, ci
ne-am luptat ca românii, pentru pămîntul şi numele nostru, ca să vi-l lăsăm vouă
deîmpreună cu limba noastră cea dulce ca ceriul sub care s-a născut. Nu vă
nemţireţi, nu vă ruşireţi, nu vă ungurireţi nici voi.” (A72).
Neben diesen neuen Wortkreationen bzw. Neurumänisierungen von Wörtern (noveri
anstatt nobili) und der etymologisierend-latinisierenden Verwendung des
Rumänischen („senatu e poporul dacoroman“, A6) spiegelt der Text eine Reihe von
136
semantischen und syntaktischen Figuren wieder, welche die Argumentation tragen.
Eine Besonderheit des Textes ist die hohe Redundanz, die bestimmte Darstellungen
verstärkt. Im folgenden Beispiel sei dafür das in Absatz 23 sieben mal wiederholte
Bild einer durch die Ungarn drohenden Gefahr (Hass, Hölle, Zerstörung, Unglück,
Söhne-Väterstreit, Bruderkampf, Zwang etc.) genannt:
„Cu uniunea deodată a intrat o ură între români, care a ţinut mai bine de 80 de
ani. Iertaţi-mă, fraţilor, să trec cu vederea furiile iadului care i-au sfîşiat pe
români în aceste timpuri nefericite, nu postulareţi ca să descriu cu[m] se certa
fiii cu părinţii, cum se bătea fraţi cu fraţi fără să ştie pentru ce, cum se afurisea
preoţii noştri unii pe alţii, cum lucra marii ungureşti şi mai ales episcopului lor
înaintea curţii, ca să-i facă uniţi cu puterea pe români ...”.
Hohe Redundanz lässt sich auch im Absatz 25 erkennen, in dem der Einfluss der
Ungarn als Fessel, Seil, Schrecken, Böses (wörtlich: Schlangen) und Giftiges (laţuri,
furii, spaime, şerpi, vinin) konnotiert wird:
„Acum ce vom zice de toate uniunile acestea şi de toate bunătăţile lor, cînd
vedem că toate acestea au fost numai nişte laţuri cu cari ne-au prins, furii cu cari
ne-au încăierat, spaime cu cari ne-au înfricat, şerpi cu cari ne-au muşcat, vinin
cu care ne-au imtospectat?”.
Pathetisch-emotionalisierende Darstellungen ziehen sich durch den gesamten Text. Zu
ihnen zählen, um nur einige Beispiele zu nennen, die Erwähnung der Leiden der
Großväter, der Tränen auf Gesichtern, der Höllenteufel und der Bruderliebe; der
Blutsbrüder, die gemeinsam dem Feind der Nation widerstehen; des Fluchs der
Vorfahren und des Todesurteils der Nation etc.:
„Durerilor lor [der rumänischen Urväter] noi numai atunci le-am putea
cunoaşte, cînd s-ar scula românii din morminte cu lacrămile pe faţă ...”; „Să
jurăm că nici diavolii iadului nu vor mai putea rumpere legăturile amoarei
frăţeşti cu care e legată adunarea această, şi printr-însa toată naţiunea română!”;
„Să jurăm fraţilor, şi ca fraţi de un sînge să ieşim la luptă în contra celui duşman
al naţionalităţii noastre, ce vine către noi cu flamură de uniune nouă de la Ţara
Ungurească!”; „Aşa, posteritatea română se va mira de nesimţirea noastră şi ne
va blăstăma în morminte, căci am ascultat cu nepăsare sentinţa de moarte a
gintei noastre ...” (A7, A25, A26, A62).
Zur Pathetik des Textes gehört insbesonders auch das Verständnis einer zu
glorifizierenden Nation, für die es sich auch einzusetzen gilt. Der Mensch sei von
seinem Wesen her dazu bestimmt, das Glück / Wohl und den Ruhm der Nation
anzustreben: „Pe care nu-l trage inima a lucrare nici pentru a naţiunii sale glorie şi
fericire, acela nu e decît un egoist pierdut pentru umanitate, de care e păcat că l-a
decorat natura cu formă de om“ (Absatz 61). Als implizite Legitimation, die Nation zu
glorifizieren, erinnert der Autor, als Abschluss seines Appells, an den emblematischen
Ursprung Dakiens unter dem römischen Kaiser Traian (Mythifizierung) und damit
gleichzeitig auch an die Latinität und Romanität der Rumänen:
137
„Vedeţi cum ne-am luptat noi pentru limba şi romanitatea noastră: luptaţi-vă şi
voi şi le apăraţi ca lumina ochilor voştri, pînă ce se va restaura Capitoliul şi va
trimite la voi senatul e poporul roman pe Traian cu legiunile preste Dunăre, ca
să vă încoroneze cu laurul nemuririi pentru constanţa şi bărbăţia voastră” (A72).
Bărnuţiu geht in seiner Rede sogar soweit, der Nation menschliche Züge
zuzuschreiben (Anthropomorphisierung). Die Nation wird – durch das Ziel der
Ungarn, sie zu vereinen – vom Tode bedroht. Die hier eingearbeiteten
Gegenüberstellungen wie <für die Ungarn Leben> und <Tod für die Rumänen> sowie
<unbegrenzte Freiheit> und <ewige Sklaverei> entsprechen jeweils einer
semantischen Antithese, das erste Beispiel strukturell auch einem Chiasmus: „Aceasta
e uniunea pentru români! Pentru unguri e viaţă – moarte pentru români. Pentru unguri
libertate nemărginită, pentru români servitute eternă.” (A61, cf. auch A35). Ein
weiteres Beispiel für eine Antithese liegt in der Argumentation vor, die Vereinigung
bringe großen Nutzen für die Ungarn (Gold, Metalle, Salz, Soldaten sowie die
unbegrenzte Macht, Siebenbürgen der Gesetzlichkeit, Regierung und Verwaltung
Ungarns zu unterwerfen), hingegen großen Schaden für die Rumänen (Armut,
Wehrpflicht der Rumänen für die Ungarn, Auslöschung aus der Erinnerung –
ştergerea numelui:
„Să considerăm ... că uniunea donă ungurilor una ţară întreagă fără de nici o
osteneală, că Ardealul e patria aurului şi a metalelor noveri, care vor curge toate
în punga naţiunii ungureşti, că sarea şi toate bunătăţile patriei noastre vor
adăuge tezaurul ungurilor e paupertatea românilor, iară feciorii românilor vor
forma legiuni care se vor bate pentru gloria celor ce le-au şters numele cel
glorios ...“ (A35).
Insbesonders für die Darstellung der Ungarn zieht Simion Bărnuţiu eine Reihe von
Vergleichen bzw. Metaphern heran. Zu ihnen gehört die Dreistigkeit der Ungarn,
welche als <größer als die der Goten, des wilden Hunnen und des ungläubigen
Türken> bewertet wird (A2), aber auch die Behandlung der Rumänen gleich dem Vieh
durch das ungarische Recht: „dreptul unguresc ... pe popor ... [î]l dă în mînile
aristocraţilor, ca pe o vită!” (A10). Auch in der Bezeichnung der ungarischen Adligen
als faraonii din Ardeal, den Pharaonen des Ardeal, liegt ein Vergleich und gleichzeitig
emphatische Darstellung der Ausbeutung der rumänischen coloni, Landbewirtschafter,
vor: „Dacă nu-şi poate înţipui cineva greutăţile care le suferea oarecînd iudeii de la
faraon în Egipt, să se uită la faraonii din Ardeal ...“ (A16). Das Handeln von Lajos
Kossuth, dem Anführer der ungarischen Unabhängigkeitsbewegung von 1848/1849,
wird als Lawine dargestellt, welche Bäume, Menschen, Tiere, Äcker und Dörfer
zerstört und sich gegen alle nichtungarischen Ethnien richtet:
„În ce tip se răpede un torente din munte după frîngere de nour, desrădăcinează
arborii, ucide oameni şi vite, spală semnături şi sate, duce şi răstoarnă tot, aşa se
repezi acest bărbat [Ludovic Kossuth] în contra naţiunilor neungureşti ...“
(A29).
138
Die <Nation> wird metaphorisch zum Wasser für die Fische, Luft für Vögel und
Lebewesen, Sonne für das Pflanzenwachstum, Worte für das Denken, Mutter,
Geburtsstätte, <Raum der persönlichen Freiheit>, <Trost> und <Vergangenheit und
Zukunft>:
„Ce este apa pentru peşti, aerul pentru zburătoare şi pentru toate vieţuitoarele,
ce este ... soarele pentru creşterea plantelor, vorba pentru cugetare, aceea e
naţionalitatea pentru vercare popor, într-însa ne-am născut, ea este mama
noastră, de suntem bărbaţi ea ne-a crescut, de suntem liberi într-însa ne miscăm,
de suntem ... supăraţi ne alină durerea cu cîntecele naţionale, prin ea vorbim şi
astăzi ca părinţii noştri carii au trăit înaintea de mii de ani, prin ea ne vor
cunoaşte strănepoţii şi posteritatea preste mii de ani.” (A61).
Auch zur Exemplifizierung der Frage des Eigentumrechts greift unser Autor auf eine
Analogie und spricht den Ungarn [implizit] am Beispiel der Mauren, trotz ihrer
jeweiligen hundertjährigen Herrschaft über Siebenbürgen bzw. die Iberische Halbinsel,
das Recht auf Eigentum ab: „Ei [die Ungarn] ştiu că maurii nici în 700 de ani nu şi-au
cîştigat drept asupra Ispaniei.” (A32). Eine weitere rhetorische Figur finden wir in dem
mehrfach wiederholten Parallelismus, welcher ein zukünfiges Handeln des
dakorumänischen „Staates” nach dem Modell des Handelns des historischen
römischen Staates suggeriert. Wie die Römer (Senatus et populus Romanus), so hätten
auch die Rumänen (senatul e poporul dacoroman) – unter Abwägung von facerea de
bine (Nutzen) und nedreptate (Unrecht) – der Union mit Ungarn zuzustimmen oder
nicht. Als brillianter Pädagoge liefert uns Bărnuţiu in seiner Rede zahlreiche Daten
und Beispiele aus der Geschichte Siebenbürgens, so z.B. die Fälle von Meheşi und
Alexiu Nopcea cancelariu, die zum Katholizismus und zur ungarischen Nationalität
übergetreten sind (A14). Gegenüber der ungarischen Politik drückt der Autor
mehrfach Ironie aus, z.B. indem er, subjektiv anderer Meinung seiend, vom „großen”
Werk oder der „berühmten” Theorie der Magiarisierung spricht:
„Asta ... nu-i împiedică ca să nu zboare cu repeziunea vulturului cătră ţinta
doririlor ungureşti, cătră opul cel mare al unguririi tuturor popoarelor.”; „Acum
să vedem cît adevăr cuprinde în sine acea teorie faimoasă a politicilor din
Budapest ...” (A4, A51; cf. auch A8, A15, A28).
Häufg greift der Autor auch auf Steigerungen zurück. Insbesonders baut er, über den
gesamten Text, das ungarisch-rumänische Verhältnis als Klimax auf. Das anfänglich
nicht nur schlechte Zusammenleben zwischen Ungarn und Rumänen wird immer
negativer. Die Rede führt die Etappen dieser Entwicklung deutlich vor Augen: die
Einberufung eines Landtags, rumänisch dieta, noch unter Teilnahme aller nobilii, saşii,
secuii şi românii din părţile Transilvaniei im Jahr 1291 (Raţiu 1990, 80, Fußnote 25);
die auf sie im Jahre 1437 folgende Unio trium nationum und damit krasse
Verschlechterung des status quo der Rumänen bis zu ihrer völligen Rechtslosigkeit
und Unterjochung. Dieses Bild kulminiert in der Darstellung der Ungarischen Krone
als Unterdrücker aller Völker, christlicher wie orthodoxer (u.a. in A7). Zur rhetorisch-
ideologischen Gestaltung der Rede vom 2. Mai 1848 gehört auch noch ihr „göttlicher
Rahmen”. Es ist göttlicher Geist, der, am Beginn der Rede, das Geschehen der Zeit
139
beseelt: „Şi cine să nu se mişte acum, care popor să nu se aprindă de acest spiret
dumnezeiesc, ce anunţă căderea şerbituţii a toate popoarele, renaşterea Europei prin
libertate!” (A3). Es ist desweiteren, außer der mythifizierenden Atmosphäre eines
eingeforderten Schwurs am Schluss der Rede (cf. A68, A69) gerade diese, auch hier
gewählte biblische Sprache, welche die Ernsthaftigkeit des zu erwartenden Schicksals,
Leben oder Tod der Nation unterstreicht (cf. evangheliu dreptăţii, evangheliu de
bucurie, îngerul morţii, <a ieşi din iad>; A8).
VII.1.5. Makrostrukturelle Analyse des Diskurses von Blaj
Simion Bărnuţius Rede vom 2. Mai 1848 besteht, nach der von uns verwendeten
Textausgabe, aus 21 zweispaltigen Seiten und 72 Absätzen. Sie hat das Ziel, wie schon
mehrfach erwähnt, die Zuhörenden zu einer Ablehnung der Vereinigung
Siebenbürgens mit Ungarn zu bewegen. Der semantische Gegenpol zur Vereinigung
ist die Freiheit und Unabhängigkeit der rumänischen Nation, zu deren Proklamation
Simion Bărnuţiu in Absatz 66, II aufruft („adunarea ... să proclame libertatea şi
independenţa naţiunii române”). Das erste Mittel, um diese Freiheit und
Unabhängigkeit, im Weiteren auch den kulturellen Fortschritt der Nation sowie
Respekt und Anerkennung von anderen Nationen zu erreichen, sieht der Autor in der –
wörtlich – nationalen Einheit der Rumänen, in ihrem „Schulterschluss”: „Dacă vor
rămînea românii în această uniune naţională, atunci vor ridica cu puteri unite fonduri
naţionale, şcoale pentru comunicăţi, gimnazii, academie, universităţi, institute de arte,
societăţi de economie, de ştiinţă, şi prin acestea îşi vor cîştiga r[e]spect şi valoare în
lume.” (A70; wiederholt in A71).
Dem Ziel der nationalen Unabhängigkeit, so die Botschaft des Textes, steht die
ungarische Politik entgegen. Diesen Sachverhalt im Detail aufzuzeigen, darum geht es
Simion Bărnuţiu. Seine Rede ist ein primär argumentativer Text. In Absatz 35 wird
dies durch die Aufzählung von Motiven auf beiden Seiten für bzw. gegen eine
Ländervereinigung im Besonderen deutlich. Eine Vereinigung bringe für die Ungarn
großen Nutzen (Gold, Metalle, Salz, Soldaten, den Zuwachs um 1,5 Millionen
Rumänen und zweihunderttausend Sachsen und die unbegrenzte Macht, Siebenbürgen
ungarischer Gesetzlichkeit, Regierung und Verwaltung zu unterwerfen), für die
Rumänen hingegen existenziellen Nachteil (Armut, Wehrpflicht seitens der Rumänen
für die Ungarn, die <Auslöschung aus der Erinnerung> / ştergerea numelui). Eine
Nicht-Vereinigung würde für die Ungarn desweiteren den Nachteil eines – ohne die
natürlichen Wälle des Ardeal – für Feinde offenen (flachen, also leicht zu erobernden)
Gebietes bedeuten, sowie den Verlust der Verbindung zur Moldau und zur Walachei:
140
„Să considerăm ... că uniunea donă ungurilor una ţară întreagă fără de nici o
osteneală, că Ardealul e patria aurului şi a metalelor noveri, care vor curge toate
în punga naţiunii ungureşti, că sarea şi toate bunătăţile patriei noastre vor
adăuge tezaurul ungurilor e paupertatea românilor, iară feciorii românilor vor
forma legiuni care se vor bate pentru gloria celor ce le-au şters numele cel
glorios şi i-au botezat pe nume de barbar, că patria noastră e cetatea
încungiurată de la natură cu muri cumpliţi, fără de carii ungurii de pe cîmpii
Panoniei sunt expuşi la toate atacurile inimicilor, ca nişte iepuri de şes, că
tăindu-se Ardealul de către statul unguresc, acesta rămîne ca un om fără
picioare, ciung şi desfigurat, de nu poate să se mişte mai ales cătră Moldova şi
România ca să le cuprindă, că dacă nu se face uniunea cu Ungaria se rumpe
legătura care leagă pe ungurii din Ardeal cu cei din Panonia, şi atunci ungurii
din Ardeal fireşte că se vor stinge pe încet, fiind tăiată comunicaţiunea lor cu
crerii [sic] ungurismului din Panonia; din contră, dacă se fac uniunea, naţiunea
ungurească cea mică mai creşte cu un milion e jumătate de români şi cu vreo
două cente mii de saşi ... uniunea le dă ungurilor o putere nemărginită peste
Ardeal, de a pune legi, de a comăndare, de a administrare ţara numai în folosul
naţiunii ungureşti ...” (A35).
Adressaten der Rede in der Kathedrale von Blaj waren die hier Versammelten, welche
der Redner auch mehrmals anspricht (această adunare măreaţă, A1; cf. auch A25,
A33) und unter welchen sich auch Mitglieder des Konsistoriums von Blaj befanden:
„Să spună Venerabilele Constistoriu din Blaş, care se află de faţă în beserică, cîtă frică
... i-au cuprins pe toţi cînd au înţeles de acest proiect al dietei ...” (A29). Bărnuţiu
spricht seine Zuhörer als Brüder an (cf. das einleitende Fraţi români, cf. auch A2, A5,
A14 etc.) und stellt den Anwesenden mit den Worten legăturile amoarei frăţeşti eine
innig-brüderliches Band aus: „Să jurăm că nici diavolii iadului nu vor mai putea
rumpere legăturile amoarei frăţeşti cu care e legată adunarea această, şi printr-însa
toată naţiunea română!” (A25). Das Bild brüderlicher Verbindung wird in Absatz 26
noch weiter intensiviert. Im direkten Aufruf zum Kampf gegen die ungarische
Vereinigung spricht der Revolutionär die in der Kathedrale versammelte Gemeinschaft
als Blutsbruderschaft an, zu deren Mitglieder er sich auch selbst zählt: „ca fraţi de un
sînge să ieşim la luptă în contra celui duşman al naţionalităţii noastre”. Als indirekte
Adressaten erscheint das ganze rumänische Volk: „Ce va răspunde adunarea la aceste
întrebări, ce va răspunde tot poporul român cînd ar fi de faţă?” (A33). Durch den
ganzen Text zieht ein <wir>-Gedanke (cf. nostru, noastră, viele Male), während der
Autor sich gleichzeitig eine gewisse Legitimierung von seiner Zuhörerschaft
verschafft (vă rog, fraţilor; „Daţi-mi voie ca să arăt ce legătură este între naţionalitatea
şi libertatea ...”; A 5), jedoch gleichzeitig eine deutliche Führungsrolle im Geschehen
einnimmt: „Io zic că ...”, „Ştiu io ce zic patronii uniunii ...” (A33 und A34 etc.).
Wie in Kapitel III. erläutert, entspricht der Diskurs von Blaj keinem Programm. Als
argumentativer Text, welcher zum Ergebnis einer Abstimmung führen soll,
„funktioniert” er somit anders, als die bisher analysierten Texte. Seine Thematiken
lassen sich nicht, wie bei Programmen eher hintereinander bzw. punktuell geordnet,
finden, sondern als im ganzen Text mehrfach repräsentiert. Aus diesem Grund gehen
wir hier anders als in den vorangegangenen Analysen vor. Im Folgenden werden wir
141
alle 72 Absätze der Rede von Blaj makrostrukturell und in ihrer wichtigsten,
übergeordneten Semantik erfassen und fügen diese entsprechenden Themen in eckigen
Klammern hinzu, wie z.B. [<Freiheit>], [<das historische Verhältnis zwischen Ungarn
und Rumänen], [<Unterdrückung durch die Ungarn>]. Insgesamt gilt für den Diskurs
von Blaj, dass viele Thematiken nicht explizit / direkt, sondern indirekt / implizit / als
rhetorische Fragen / in Nebensätzen ausgedrückt werden. So sagt das folgende in eine
(rhetorische) Frage gegossene Zitat de facto aus, dass die Rumänen es bedauern
würden, ihre Söhne als der ungarischen Armee dienend zu sehen: „Însă ce bucurie vor
avea românii cînd îşi vor vedea feciorii înşiraţi în gardele naţionale şi în regimente,
cînd acestea toate vor fi ungureşti?”. Da die Zitate des Quellentextes oft sehr lange und
redundant sind und die Kernbotschaft implizit bleibt, werden wir, je nach Fall, nur
ausgewählte Zitate oder Teilzitate wiedergegeben:
(Absätze 1-3) Die ersten drei Absätze des Diskurses von Blasendorf sind ein Lob auf
die (allgemeine) Freiheit. [Thema der <Freiheit>]
(A4) Der Absatz gibt die Programmpunkte der Verfassung des liberalen Ungarns
wieder und thematisiert die Frage, was eine Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn
bringen würde, und wie zu entscheiden ist? [Entscheidungsfindung]
(A5) Für die Entscheidung soll die Beziehung der ungarischen mit der rumänischen
Nation, welche jahrhundertelang von ersterer unterdrückt wurde (cf. die umilir[ea]
românilor), von Beginn an, betrachtet werden. [<Unterdrückung der rumänischen
Nation>]
(A6) Die Rumänen (der dakoromanische Senat und das dakoromanische Volk) sollen
sich verhalten wie einst Rom gegenüber Mauretanien. Die Ungarn fielen erstmals
unter Tuhutum in die Heimat ein, ohne dass die Rumänen Anlass zu einem Krieg
gegeben hätten. [Entscheidungsfindung], [<Bedrohung durch die Ungarn>]
(A7) [Unter Tuhutum] brachen die Ungarn den Friedensschluss und unterdrücken seit
damals die Rumänen schwer; [implizit:] dies sei umso verwerflicher, als dass die
Ungarn als christliches Volk die christlichen Rumänen unterdrückten.
[<Unterdrückung der Rumänen>], [<Unmoral der Ungarn>]
(A8) Noch vor der Geburt von István Werböczi (im Text: Ştefan Verböczi) entstand zu
Ungunsten der Rumänen die uniunea der drei politischen Stände (wörtlich: naţiuni),
später auch das Tripartitul von Werböczi, welches die Persönlichkeit des Volkes
auslöschte, indem es dieses für immer zum şerb, abhängigen Fronbauern, machte;
zugleich verhindere dieses Dekretum ein normales Leben der Rumänen, es belasse das
Volk in servitute, herrsche absolut über das Volk, überlade ihm alle Steuerlast,
gewähre ihm keinerlei Rechte oder Verteidigungsmöglichkeit, auch keine unabhängige
Judikatur; das Volk existiere nicht als Volk, es ist an die Scholle, den Boden seines
Herren, gebunden und ist absolut unterworfen:
„despre o parte [Tripartitul] nimiceşte personalitatea poporului, făcîndu-l şerb
domnilor pentru totdeauna, iară. Despre altă parte-i răpeşte mijlocirea de a-şi
cîştiga cele de lipsă spre traiul vieţii ... şi aşa-i stoarce toate puterile, ca să nu se
mai poată scoate din servitute ... noverilor le dă drepturi şi putere nemărginită
142
preste popor ... dătoriile le încarcă toate în spinarea poporului. Pe popor îl
dezbracă de drepturile omeneşti şi-i ia toată puterea de a se apărare în contra
cruzimii domneşti,”; „Poporului nu-i este iertat a-şi alege judecători şi alţi
deregători, cum aleg noverii ...”; „Pentru popor nu vorbeşte nimeni nicăiri, căci
el nici nu există ca popor.”; „Nu se mu[l]ţămeşte legea numai cu atîta că să-l
leagă de locul domnului său, ci afară de această a-l supune domnilor pămînteşti
cu rusticitate absolută...”.
Der Absatz thematisiert: [<Geschichte der Unterdrückung der Rumänen>],
[<Unterdrückung der Rumänen in ihrer Identität und inneren Politik, durch
Steuerbelastung und Rechtlosigkeit (fehlende Rechte, fehlende
Verteidigungsmöglichkeiten, fehlende neutrale Judikatur)>]
(A9) Die ungarische Verfassung unterdrücke die Freiheit der Rumänen (cf. Constituţia
ungurească ... inimică libertăţii poporului) und zerstöre die Wirtschaft und den
Handel, die Künste und Wissenschaften der Rumänen; die Ungarn löschten [unter den
Rumänen] die christliche Religion der brüderlichen Barmherzigkeit aus; die hohe
katholische Kirche sei oftmals Stätte von Tortur: „Constituţia ungurească cea egoistă
şi inimică libertăţii poporului nimiceşte industria şi comerciul, stinge artele şi ştiinţele
...”; „Supt această constituţiune s-a stins pe încet şi religiunea cea creştină a carităţii
frăţeşti ...”. „Cine nu ştie că curţile epiascopilor [sic] catolici sunt locuri privilegiate de
tortură ...”. [<Verhinderung des Fortschritts der Rumänen>], [<Unterdrückung der
Rumänen>], [<höchste Unmoral der Ungarn]
(A10) Werböczi führte unterschiedliche Gesetze für Ungarn, Sachsen, Deutschen,
Böhmen und Slawen (şchiai) und, andererseits, Rumänen, Ruthenen, Serben und
Bulgaren ein; das ungarische Recht unterdrücke die Rumänen schwer: „Verböczi
numeşte şi ginţile pe care le fulgeră cu anatema rusticităţii eterne şi a acestui
despotism înfricoşat. El zice că unii sunt ungurii, saşii, germanii, bohemii e schiai de
legea creştină, alţii-s românii, rutenii, sîrbii e bulgarii de rătăcirea grecilor ş.a. ...”.
[<gesetzliche Ungleichheit>], [<Unterdrückung der Rumänen>]
(A11) Die Aprobate e Compilate verschlechterten die Situation der Rumänen, welche
das Anspruchsrecht auf das Territorium [Siebenbürgen], auf die Religion, dann auch
auf die Anerkennung seitens der herrschenden Aristokratie sowie alle
Ämterfunktionen verloren. [<Geschichte der Unterdrückung der Rumänen>],
[<Verlust des Anspruchs auf (den Siebenbürgischen) Boden>], [<Verlust der
Religion>], [<politische und soziale Rechtlosigkeit der Rumänen]
(A12) Die Ungarn beraubten die Rumänen ihrer Freiheit und attackierten ihre Würde;
[auch] die Ethnien/Nationalitäten (nici o naţiune) sowie die Aristokratie der Krone
Ungarns waren [noch] zur Zeit der Diplomă Leopoldină ungebildet: „ungurii nuse
muţămesc numai cu cît lipsesc de libertate pe naţiunea română, ci încă o şi calumniază,
zicînd chiar prin organul legelativ [sic] că e o naţiune de jos ...”; „Pe aceste timpuri
barbare nu se poate lăudare cu cultura sa nici o naţiune se supt coroana Ungariei.”.
[<Unterdrückung der nationalen Freiheit durch die Ungarn>], [<Angriff auf die Würde
der Rumänen>], [<Unkultur der Ethnien der Ungarischen Krone zu Zeit der Diplomă
Leopoldină>]
143
(A13) Die Ungarn versuchten durch ihre Gesetze zuerst auf die ganze Nation, dann auf
Kirche und Priester negativ, ja mit Verfolgung, einzuwirken: „Mai întîi legea se apucă
de bate pe toată naţiune în genere ca, fiind vulnerată toată, să nu rămîie sănătos nici un
membru, apoi se apucă de beserică şi de preoţi. Pe beserică o declară numai tolerată,
pe preoţi îi supune la toate greutăţile şi, lipsindu-i de tot adjutoriu, numai de la preoţii
români pretinde servicii pentru stat, fără salariu şi onoare. Demîndă ca la verce
presupus să-i prindă ca pe neşte lotri şi furi, căci ştia legea că nu-i va apără nimeni ...”.
[<Unterdrückung der rumänischen Nation>], [<Unterdrückung der rumänischen
Kirche>]
(A14) Mittels Adelsurkunden (cărţile de noveritate) hätten die Ungarn die rumänische
Aristokratie dazu gebracht, sich zu magyarisieren („au vărsat o sumeţie în inima
noverilor români, ca să creadă cum că sunt unguri”) bzw. die [eigene] Nation
(wörtlich: trupul naţional, den Nationalkörper) und die eigene Konfession aufzugeben
und zur ungarischen Nation und Konfession überzutreten. Gleichzeitig verhinderten
die Ungarn, dass rumänischer Adel wichtige Ämter übernahm oder in größeren Besitz
kam:
„Mădulariu tăiat de cătră trup nu mai poate trăi, şi trupul, tăindu-se verum
mădulariu, pătimeşte şi dacă nu piere. Acest scop l-au avut ungurii adoperindu-
se a tăia pe noverimea română de cătră trupul naţional. Cu cărţile de noveritate
au vărsat o sumeţie în inima noverilor români, ca să creadă cum că sunt unguri
... Pe lîngă aceasta, ungurii purta grija ca nu cumva să apuce noverii românilor
la deregătorii cardinale, să cîştige posesiuni mai mari prin donaţiune
împărătească, fie fost cît de meritaţi pentru patrie, şi aşa să apuce la vero putere
mai însemnate, temîndu-se ca să nu facă aristocraţie română. ... S-au lăpădat
unii ca aceştia [Meheşi und Alexiu Nopcea] de beserică, prin urmare şi de
naţiunea română şi au trecut la catolicism şi la naţionalitatea ungurească.”
(A14).
Themen des Absatzes sind: [<Unmoral/Falschheit der Ungarn], [<nationale und
konfessionelle Magyarisierung der Rumänen>], [<politische Unterdrückung der
Rumänen / der rumänischen Aristokratie>]
(A15) Unterwürfigkeit gegenüber den Ungarn habe die Würde des rumänischen Adels
untergraben. Dieser ist bei den Landtagen (adunări marcale) ausgeschlossen:
„Onoarea neverimei [sic] române e subordinată pre tot locul sumeţiei ungureşti,
noverii români la adunările marcale stau numi pe afară: la masa verde numai ungurii
au vorbă şi intrare ...”. [<Angriff auf die Würde der Rumänen>], [<politische
Rechtlosigkeit des rumänische Adels / der Rumänen>]
(A16) Die Würde (valoare) des rumänischen Adels ist gefährdet und damit die Kultur
und die Freiheit des Landes: „Subt atari augurii rele, noverimea română nu va apuca
niciodată la valoarea ce i se cade în stat, pentru că valoarea face cultura, cultura fără
libertate şi libertate fără de existenţă şi onoare naţională nu e cu putinţă” (A16).
[<Bedrohung der nationalen Würde der Rumänen/des rumänischen Adels>],
[<Verhinderung des kulturellen Fortschritts>], [Verhinderung der nationalen Freiheit
der Rumänen]
144
(A17) Neben der Unterdrückung der rumänischen Priester (cf. anatema această
politică) und der rumänischen Aristokratie (cf. <a-i bate pre noverii români bruma
constituţiunii ungureşti>) wird das Volk (cf. iobagi / poporul aservit) ausgebeutet
durch die vielen Pflichten – des Grabens (sapă), des Mähens (secere), des Tragens von
Getreide, Heu, Wein für den Fürsten („la cărat de grîu, de fîn, de vin domnesc”) oder
des Siebens (cernut), des Reparierens (dires), der Hanfherstellung (scos cînepă), des
Spinnens (tors) der Frauen etc. [<Unterdrückung der rumänischen Priester>],
[<Unterdrückung der rumänischen Aristokratie>], [<Ausbeutung des rumänischen
Volkes>]
(A18) Trotz vieler Jahrhunderte der Unterdrückung und der Abschaffung der servitute
in Deutschland bereits im Jahre 1688, hätten die Ungarn nicht einmal die aviticitate
(cf. Diaconovich 1898-1904, s.v. avitic) abgeschafft, hätten das Volk mit dem neuen
urbariu beschwert und hätten 1832 die Nationalität gefährdet. [<lange Unterdrückung
der Rumänen>], [<Unmoral / Habgier der Ungarn>], [<Ausbeutung der Rumänen>],
[<Bedrohung der rumänischen Nationalität>]
(A19a) Die Ungarn magiarisierten die Spitze der rumänischen Aristokratie; sie
verführten zur kirchlichen Vereinigung; viele Rumänen wurden zu Unitariern,
Reformierten und Calvinisten; der niedere Adel (cealaltă noverime română) blieb der
rumänischen Nation und Konfession treu:
„uniunea celor trei naţiuni numai pe noverii cei mai de frunte ai românilor îi
trăsese la complot, iară cealaltă noverime română era legată de naţiunea e
beserică română ... [î]i traseră pe români la uniune religosă [sic] ... de ţinură cu
unitarii mai bine de una sută de ani, iară cu reformaţii sau calvinii aproape două
cente de ani ... mulţi români de frunte se lăpădară atunci de legea şi limba
părintească şi se feceră unitari, calvini şi unguri.”.
Folgende Themen sind angesprochen: [<Magyarisierung der rumänischen
Aristokratie>], [<Unmoral der Ungarn / Verführung der Rumänen>], [<Aufgabe der
eigenen Religion und Sprache seitens der Rumänen>]
(A19b) Zum Zweck der Magyarisierung ließen die Ungarn die Kirchenbücher ins
Rumänische übersetzen, womit sie – nicht willentlich – das Rumänische stärkten:
„Cărţile bisericeşti se traduseră de pre limba şcheiască în cea română, şi le făcea
românilor şi alte cărţi cu dogmate reformate, în limba română, ca să-i poată
unguri mai uşor. Asta însă avu urmare fericită pentru români, peste voia
ungurilor, că se scoase limba şcheiască din biserică română, şi intră cea
naţională.”;
Einst hatten die Rumänen in bestimmten Bezirken (judeţele protopopeşti) und den
Synoden eine [eigene] Judikative (puterea judecătorească) und eine [eigene]
Legislative (puterea legelativă). [<von den Ungarn oktroierte Übersetzungen stärkten
das Rumänische>], [<die historische Rechtssituation>]
(20) Ende des 17. Jahrhunderts war das Volk schwer unterdrückt („poporul se
strîmbase de jugul cel greu”) und ihm war als Leibeigene (cf. şerbi und legaţi de
pămînt [im Text: pămîat]) der Zugang zur Bildung (şcoală) verwehrt; nur einigen
145
Rumänen gelang es, sich vom Fron freizukaufen, indem sie die Priesterschaft wählten
(„Abia se putea răscumpera unii pentru ca să se facă preoţii ...)“; der rumänische Adel
war von der [ungarischen] Großaristokratie enteignet worden und hatte, ohne das
Ungarische zu beherrschen, keinerlei Rechstmittel. [<Unterdrückung des rumänischen
Volkes>], [<Verhinderung des kulturellen Fortschritts der Rumänen>], [<Enteignung
des rumänischen durch den ungarischen Adel>], [<Ungarisch als Mittel zu Recht>]
(21) Man verlockte [zur Zeit von Bethlen, Fürst von Siebenbürgen 1613-1629] die
Rumänen zu einer Vereinigung mit dem Katholizismus der Westkirche und gegen den
[wörtlich:] Katholizismus oder die Orthodoxie der Ostkirche. Die Ungarn hätten mit
[leeren] Versprechungen für Verbesserungen gelockt, wären tatsächlich aber nur an
ihren eigenen Vorteilen interessiert gewesen. Unter dem Schutz von Strigoniu
[Esztergom, ältester Bischofssitz Ungarns, 1189] hätten Jesuiten, die sich falscher
Dokumente bedienten, mit den Bischofssitz von Făgăraş eingerichtet:
„[ungurii catolici ardeleni] chemară pe români la uniune nouă, legîndu-le toate
drepturile, privilegiile şi bunătăţile besericii catolice, dacă vor părăsi
catolicismul sau ortodoxismul besericii răsăritene şi vor împrăţişa catolicismul
besericii apusene ... românii, ca să scape de batjocurile cele multe, se plecară de
aceptară această uniune cu ungurii”... „Supt înalta protecţiune a acestui
Strigoniu fabrica iezuiţii diplome false, scotea rescripte de la Curte şi bule de la
Roma pentru nouă subjugare a besericii române sub titlul de episcopat al
Făgăraşului.”.
Der Autor thematisiert: [<Unmoral bzw. Egoismus der / Verlockung durch die
Ungarn>], [<Aufgabe von Konfessionen östlicher Ausrichtung>], [<Falschheit der
Jesuiten>], [<Unterdrückung der rumänischen Kirche (durch den katholischen
Bischofssitz Făgăraş)>]
(A22) Die Vereinigung [Gründung der Unierten Kirche um 1700] hätte den Rumänen
bestimmte Vorteile, insbesonders materielle, gebracht und die Entstehung der Blajer
Schulen und die Verbreitung deren Gedankenguts ermöglicht (cf. şcoalele Blaşului,
din cari au răsărit o mulţime de lumini între români) und hätte auch das Bewusstseins
und die Handlungskraft der Rumänen entfacht: „uniunea i-a înviat pe români din
leşinare, uniunea i-a deşteptat din somn şi le-a insuflat spirit de viaţă, ca să lucre la
îndreptarea soartei noastre ...”. [<die Kirchenvereinigung förderte über die Schulen
von Blaj die rumänische Kultur und das Bewusstsein und Handeln der Rumänen]
(A23) Mit der Vereinigung [der Gründung der Unierten Kirche um 1700] wäre die
Dominanz der Reformierten von jener der Jesuiten abgelöst worden, die rumänische
Kirche von letzteren mit Argwohn beobachtet und von den Katholiken, de facto dem
Bischof von Alba-Iulia, verfolgt und gedemütigt und vom Bischofssitz Esztergom der
Bischofswürde enthoben und erneut unter ungarisches Joch gestellt worden sein:
„Îndată la începutul uniunii, vedem în sinoadele noastre pe patretele rector al
iezuiţilor, prezidînd în locul superintendentelui reformat, şi pe alt iezuit îl
vedem neîncetat în coastele episcopului nostru, privegindu-l ca pe un făcătoriu
de rele. ... episcopul catolic din Alba-Iulia încalecă peste arhiepiscopul nostru e
şi-l face vicariu, îl înfruntă, îl dojeneşte, îl vizită ... iar arhiepiscopul din
146
Strigoniu îl dezbracă de demnitatea arhiepiscopească şi-l face sufragan, şi
beserica noastră o bagă în jug nou unguresc.”;
Die Vereinigung hätte unter dem rumänischen Klerus, selbst in Mînăstirea din Blaş,
einen neuen Servilismus (servilism) und einen Hochmut (o îngîmfare mizeraveră, sic)
gegenüber den Nicht-Unierten, ja Hass unter den Rumänen geschaffen: „Cu uniunea
deodată a intrat o ură între români, care a ţinut mai bine de 80 de ani.” Die Nicht-
Unierten hätten weder Priester noch Bischof, noch gesetzlichen Schutz, nicht einmal
durch Vermittlung des kaiserlichen Hofes, gehabt, bis sie unter serbische Dominanz
(wörtlich: Joch) gefallen wären: „Cei neuniţi n-avea nici preoţi, nici episcop, pînă cînd
căzură sub jugul sîrbesc, nu-i apără nici o lege în ţară, şi pe deputaţii ce-i trimitea la
Curtea Împărătească, duşmanii lor făcea de-i punea la prinsoare.” [<Dominanz
verschiedener fremder Kirchen über die rumänische Kirche>], [<Verfolgung und
Demütigung der rumänischen Kirche durch Katholiken / katholische Zentren>],
[<negativer / unmoralischer Einfluss der Union auf den rumänischen Klerus>],
[fehlende Gesetze für die Unierten]
(A24) Seit der Vereinigung würde mit Duldung der rumänischen Bischöfe dem
rumänischen Klerus die Nutzung guter Landstücke und Wälder entzogen werden:
„Cine nu ştie că episcopii noştri de la uniunea încoace numai cu numele au fost
episcopi, iară într-adevăr au fost notari săteşti ... pe de altă parte se pun măsură
teritoriului satului şi fac ce fac de iau locurile cele mai bune de la preoţii românilor, şi
atunci iară dau de lucru notariului episcop ca să scrie la Curte, la guberniu, unde tot
aceia judecă cari şi răpesc şi cari decretează în diete ca domnii pămînteşti să ieie toate
pădurile de la comunităţile române, dezdăunare pentru porţiunile canonice.” Auch
ohne die Vereinigung [von 1700] hätten die Rumänen Studien in Rom absolvieren,
wenn Priester, Adel (noveri), Bürger und das ganze Volk gleichgesinnt (cu un cuget)
und gleichbeherzt (şi [cu] o inimă) für Freiheit und Wohl der Rumänen agiert hätten,
die Rumänen auch als Nicht-Unierte Schulen aufbauen können: „Au nu-şi putea ridica
[românii] şcoale şi ca neuniţi ... dacă-şi concentra toate puterile preoţii, noverii şi
cetăţanii şi tot poporul român, şi dacă lucra cu un cuget şi cu o inima [sic] la toate
împrejurările, pentru libertatea şi fericirea românilor?”. [<die rumänische
Kirchenführung duldete unrechtmäßige Landnutzung durch die Ungarn>],
[<wirtschaftlicher Schaden der rumänischen Kirche durch die Union>], [<die
Deputierten der Landtage dekretieren Unrechtmäßiges>], [<die Rumänen hätten auch
ohne die Vereinigung (von 1700) Schulen aufbauen können>, <wenn unter den
Rumänen Einheit bestanden hätte>]
(A25) Der Absatz führt die Geschichte der Unterdrückung und politischen
Rechtlosigkeit der Rumänen – trotz des Kampfes von Bischof Inocenţiu Micul und
trotz der Petition von 1791 –und der Dominanz der katholischen Priester über die
unierten seit einem Dekret von 1816 vor Augen; die Stände hätten den Rumänen
politische Rechte mit der Argumentation verweigert, dass die Rumänen dafür zu
ungebildet seien:
„Dar cînd cerea [Inocenţiu Micul] ca să se receapă şi naţiunea română ca cele
trei naţiuni, Staturile şi Ordinile-i răspundea că se va răsturna casa ţării pe ei
dacă-i vor lăsa şi pe români să între într-însa. ...”; „A trecut mai jumătate de
seclu, cînd îşi reînnoesc românii cererea pentru naţionalitate, la 1791, dar
147
Staturile şi Ordinile ... mai adaug că românii nu sunt culţi de ajuns pentru
drepturi politice.”; „La 1816, adecă 25 de ani după dietă, a ieşit decret de la
curte în urma acelui plan [pentru cultura românilor] că unde vor fi doi preoţi
într-o comunitate, unul catolic, celălalt unit [keine Punktuation] acolo numai
celui catolic să se deie porţiunea canonică ex nexu unionis”.
Die Herrschenden verhinderten den Fortschritt der Rumänen („Care naţiune s-a
cultivat fiind subjugată?”); die Rumänen sollten sich [daher] vor einer erneuten
Vereinigung hüten und zu einer Würdigung erstens ihrer eigenen Kirche, zweitens der
eigenen Nationalität kommen:
„De ce n-au învăţat românii, din relele suferite de la cele trei naţiuni ca să se
ferească de uniunea cu calvinii şi cu unitarii? De ce nu i-au învăţat sarcinile cele
grele ale acestei uniuni ca să nu păşască la uniune cu ungurii catolici?”; „Cine
să preţuiască beserica română, dacă se ruşinează românii de ea? Cine să-i fie
stimat pe români, dacă ei nici nu-şi respectă beserica, nici pe sine?“;
Ein Schwur unter den Rumänen soll zukünftige Dominanz fremder Kirchenzentren
über die Rumänen nicht mehr ermöglichen: „Să jurăm că [im Text: cu] nu ne vom lăsa
ca să ne mai înşele, să jurăm că nu vor mai putea turbura pacea şi bunăînţelegerea
noastră nici iezuiţii, nici călugării sîrbeşti, nici misiunarii Strigoniului, nici agenţii
naţiunilor străine ...”. [<die historische Unterdrückung und politische Rechtlosigkeit
der Rumänen>], [<Dominanz katholischer Priester über unierte>], [<Verhinderung des
Fortschritts der Rumänen>], [Warnung vor einer neuen Vereinigung], [Aufruf, die
eigene Kirche wie auch Nationalität zu würdigen], [Aufruf, die Dominanz fremder
Kirchenzentren zukünftig nicht zuzulassen]
(A26) Erneut ruft Simion Bărnuţiu zum gemeinsamen Kampf der Rumänen gegen die
Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn auf. [appellativer Aufruf]
(A27) Seit 12 Jahren strebten die Ungarn nach der Schaffung einer einzigen
Großnation. [Implizit:] Allen Ethnien (toate naţiunile) der ungarischen Krone drohe
die Aufgabe ihrer Sprache, Besitzungen, Religion und Gewohnheiten. [<die drohende
Magyarisierung innerhalb eines Großreichs Ungarn>]
(A28) Die Ungarn hätten das Ziel, die şchiai, Bulgaren, und die Rumänen zu
magyarisieren. Sie anerkennen keine nationale Gleichheit (cf. ale căror egali[t]ate nu
vor să ştie nimică): „Aşadar ungurii de astăzi de oarecîţi ani încoace lucră la ungurirea
şchiailor, românilor ş.a. ...”. [<Gefahr der Magyarisierung der Bulgaren und der
Rumänen>], [<Ungleichheit der nationalen Rechte>]
(A29) Im Jahr 1836 hätte der Ungarische Landtag (Dieta Ungariei) festgelegt, die
öffentliche Verwaltung vollständig auf Ungarisch zu führen sowie Ungarisch in allen
Schulen Ungarns einzuführen („Dieta Ungariei de la 1836 puse lege ca să ducă
ungureşte toate negoaţele administraţiunii publice şi să se bage limba ungurească în
toate şcoalele din Ungaria.“). Auch die ungarische Presse, insbesonders die Gazeta de
Pesta / Pesti Hirpal, hätte in beiden Ländern (Ţara Ungurească şi Ardealul) dieses
Ziel verbreitet: „Jurnalele ungureşti din ambe patriile ungureşti – aşa numesc ei Ţara
Ungurească şi Ardealul! – lăţesc demult planul unguririi pretutindene, învaţa pe toate
naţiunile că nu e salute într-alt nume, afară de cel unguresc.“. An der Magyarisierung
148
hätten insbesonders Ludovic Kossuth, dann auch comitele Széchenyi und Wesselényi
gearbeitet, ungarische Intellektuelle versucht, die Verbreitung des Ungarischen unter
allen Bewohnern des Landes zu fördern, die Kirchenbücher auf Ungarisch zu
übersetzen oder Ungarisch als Unterrichtssprache für die ersten Jahre der rumänischen
Schulkinder gutzuheißen. Der Landtag von Cluj 1842 hätte [erneut] entschieden,
Ungarisch unter den nicht-ungarischen Ethnien (naţiuni) durchzusetzen: „Care român
nu ştie că înainte cu şase ani se acceptă planul ungurirei şi de cătră Dieta din Cluş [sic]
şi se face proiect de lege ca să se pună răstimp de 10 ani naţiunilor neungureşti, ca să
înveţe ungureşte, pentru că după aceea vor curge toate în limba ungurească?“.
[Magyarisierungsmaßnahmen in der Geschichte (1836 und 1842)]
(A30) Seit dem 15. März seien die Ungarn nicht mehr vom Kabinett in Wien
abhängig, sie verfügten über ein eigenes Ministerium und somit über die Mittel, gegen
Kroaten und Bulgaren (şchiai) vorzugehen und als erstes Ziel einer Magyarisierung
die Vereinigung zu verwirklichen. [<Gefahr einer Magyarisierung>]
(A31) Simion Bărnuţiu nennt sich in diesem Absatz unzufrieden über die Vereinigung
(„nu sunt mulţămit cu uniunea“) und plant hier, die Folgen für Rumänen und Ungarn
genauer zu betrachten: „vreau să cerc … ce este uniunea penru unguri şi ce este
uniunea pentru români?“. [Einschub des Autors, um die Thematik seiner weiteren
Rede anzukündigen]
(A32) Die Ungarn wollten aus dem Ardeal ein ungarisches Land machen („vreau să
facă ţara ungurească din pămîntul Ardealului“), aus beiden kleinen Ländern
[Siebenbürgen und Ungarn], eine große ungarische Heimat machen: „vreau ca să nu
mai fie două patrii ungureşti mici, ci să se facă din amîndouă una patrie ungurească
mare.“. Sie hätten das Ardeal, das Erbe der [rumänischen] Ahnen (wörtlich: der Väter,
<das väterliche Eigentum>) unrechtmäßig zu ihrem Besitz, nicht aber zu ihrem
Eigentum machen können („din dreptul răzbelului cuceritoriu nu se naşte proprietate ci
numai posesiune“). Werböczi, die Aprobate und die Dokumente der ungarischen
Könige seien keine Rechtsbasis für den Besitzanspruch der Ungarn auf Siebenbürgen.
[<Gefahr der Magyarisierung>], [<Unrecht/Rechtsbruch der Ungarn, das Ardeal als
Eigentum zu beanspruchen>]
(A33) Die Zahl von eineinhalb Millionen Rumänen, die Siebenbürgen beherberge,
sprächen gegen eine Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn. Siebenbürgen gehöre
rechtmäßig den Rumänen. Eine Vereinigung käme einem Verkauf des Bodens von
Siebenbürgen und der Freiheit der Rumänen an die Ungarn gleich. [<die Zahl der
Rumänen>], <das historische Besitzrecht der Rumänen an Siebenbürgen>, <der
drohende Verlust des Territoriums und der Freiheit der Rumänen> sprechen gegen
eine <Vereinigung mit Ungarn>]
(A34) Durch die Vereinigung seien – im Gegenteil zu dem von den Ungarn
Behaupteten – alle Nationalitäten und der Boden Siebenbürgens (Ardealul) in Gefahr,
von der ungarischen einverleibt zu werden. [<Gefahr der Magyarisierung>],
[<Unmoral/Falschheit der Ungarn>]
(A35) Eine Vereinigung brächte den Ungarn großen Nutzen (Gold, Metalle, Salz,
Soldaten und die unbegrenzte Macht, Siebenbürgen seiner Gesetzlichkeit, Regierung
149
und Verwaltung zu unterwerfen) und großen Schaden für die Rumänen (Armut,
Wehrpflicht der Rumänen für Ungarn, Auslöschung aus der Erinnerung / ştergerea
numelui). [<Nutzen der Vereinigung für die Ungarn>], [<Nachteil der Vereinigung für
die Rumänen>]
(A36) Die bisherigen Vereinigungen, politische wie kirchliche, zeigten, dass auch die
[neue] Vereinigung nur Unterjochung (servitute) brächte. [<die Vereinigung bringt
Unterjochung>]
(A37) Freiheit einzuschränken, bedeute Würde einzuschränken, gleichermaßen der
Person wie auch der Nation. [<Verlust von persönlicher und nationaler Würde durch
Verlust von Freiheit>]
(A38) Die – vom Zeitgeist verkündete – Freiheit impliziere [theoretisch] die Freiheit
der Sprache in den Bereichen des Staates (Schule, Theater, Buchdruck, Familie,
Öffentlichkeit, Kirche, Ämter (judeţe). Hingegen drohe [praktisch] eine vollkommene
Magyarisierung (in Ämtern, Gerichten, Schulen, Würden). [<der Geist der Zeit
verkündet Freiheit>], [<nationale Freiheit schließt die Freiheit der Sprache ein>],
[<Gefahr einer Magyarisierung>]
(A39) Die Ungarn sind nur an der Unterdrückung der Rumänen interessiert und
handeln nur in ihrem Interesse. [<Unterdrückung der Rumänen>],
[<Unmoral/Egoismus der Ungarn>]
(A40 und A41) Zivile Gleichheit impliziere den Schutz aller Bürger durch gleiche
Gesetze. Für die Rumänen hingegen bestehe keine unabhängige (neutrale)
Rechtsvertretung und kein Recht, die eigene Sprache zu verwenden. Auf den
Gerichten wäre nur Ungarisch zugelassen. [<Ungleichheit vor den Gesetzen>],
[<Dominanz des Ungarischen>]
(A42) Noch weniger als zivile Gleichheit bestehe – schon seit 1714, dann auch 1842 –
religiöse Gleichheit. Dies zeige sich an der materiellen Armut / der Baufälligkeit der
rumänischen Kirchen. [<politische Ungleichheit der Religion>]
(A43) Die Ungarn würden den Rumänen versprechen, in einem vereinten Reich die
Freiheit der Person [die Abschaffung der servitute] zu gewähren, de facto würden sie
aber die Rumänen magyarisieren. [<Unmoral/falsche Versprechungen der Ungarn>],
[<Gefahr der Magyarisierung>]
(A44) Die Rumänen würden unter den Ungarn in fremden Nationalgarden und
Regimentern dienen. [<Nachteil der Vereinigung>]
(A45) Die Vereinigung töte die Nationalität: „Aşa scoate şi uniunea sufletul din toate
libertăţile, omorînd naţionalitatea.“. [<die Vereinigung bedeutet das Ende der
nationalen Existenz>]
(A46) Gefährdung der nationalen Freiheit / der Freiheit des Volkes gefährde dessen
Kultur, Wohl und Sicherheit. [<Freiheit der Nation / des Volkes>], [<Gefährdung der
nationalen Freiheit bedeutet Gefährdung des Fortschritts des Volkes>]
150
(A47) Kultur sei das Eigentum des ganzen Volkes, ihre Basis nationale Schulen und
Institutionen für Wissenschaft und Kunst, die Basis für eine aufgeklärte
Rechtssprechung insbesonders die Universitäten. Kultur sei das stärkste Element
(puterea cea mai tare pre pămînt) der nationalen Einheit, die ganze Nation gerufen,
sich für sie einzusetzen. Der Aufbau von Kultur könne nur durch die nationale Sprache
(limba naţională), niemals durch eine fremde Sprache (limbă străină) erfolgen.
[<Kultur als wichtigstes Element der nationalen Einheit>], [<nationale Sprache als
wichtigstes Mittel, Kultur aufzubauen>]
(A48) Nur nationale Schulen und der Unterricht aller Fächer (toate ramurile
conoştinţei omeneşti) in der Nationalsprache garantierten die zukünftige Ausbildung
von Politikern, Juristen, Rechtskundigen (advocaţi), guten Rednern, Dichtern,
Abgeordneten der Landtage und Söhne, welche die eigene Nation liebten: „E lucru
cunoscut că preoţii ungurilor reformaţi sunt mai buni oratori decît ai catolicilor şi ai
românilor, pentru ca învaţă ştiinţele şi artea retorica (sic) în limba naţională din
tinereţe.“; „Cum va detuna deputatul naţiunii în contra despostismului [sic] în adunări,
dacă nu se va învăţa din tinereţe a-l cunoaşte şi a-l urîre …“). [<Bildung in der
nationalen Sprache als wichtigster Garant für Träger der Nation / eine nationale
Existenz>], [<Liebe zur Nation>]
(A49) Um Kultur aufzubauen, sollen sich die Rumänen aller von ihnen bewohnten
Länder (cf. Nistru, Tisa) vereinen, auch mit den anderen romanischen Völkern, nicht
aber mit Ungarn [<der Aufbau der Kultur verlangt die Vereinung der Rumänen aller
Gebiete>]
(A50) Die nationale Sprache ist bedeutend für Kunst, Wissen(schaft), Wirtschaft
(industria) und Handel (negoţ). [<nationale Sprache als Prämisse, damit
nationalstaatliche Bereiche funktionieren>]
(A51) Die Ungarn wünschten, nur Ungarisch zu verwenden und begründeten dies mit
der Superiorität des Ungarischen/Inferiorität der nicht ungarischen Sprachen
(„celelalte limbi … nu sînt culte de ajuns.“). [<Gefahr der Magyarisierung>], [<die
(suggerierte) Dominanz des Ungarischen>]
(A52) Der (gesunde) Staat schützt die Person als Individuum, dessen Versorgung
(mîncarea, băutura, îmbrăcămîntul, locuinţa), Freiheit (libertate) und Sprache (limba).
[<der gesunde Staat schützt die Existenz, Freiheit und Sprache der Person>]
(A53) Keine Nation könne / solle in Freiheit, Würde und Macht einer anderen
höhergestellt sein. Jede Nation habe Rechte wie Pflichten („O naţiune cu minte
recunoaşte drepturi şi obligaţiuni împrumutate …“). Niemand soll der Sklave eines
anderen sein, sondern soll frei sein; soll freie Gemeinschaften wie Staaten bilden,
deren Regierungen von allen Freien gewählt wird: „natura nu va ca să fie un om şerb
altui om, ci va să fie liber în toată viaţa sa. Ea vrea ca mai mulţi oameni liberi să facă
comunităţi, sate şi state libere, şi aceste să se guberne de guberne aşezate cu votul
tuturor liberilor, după legi puse de universalitatea tuturor liberilor, nu cu mandate.“.
[<natürliche Gleichheit der Nationen/Nationalitäten>]
(A54, cf. auch A55) Gleichheit der Nationen gewähre die Freiheit ihrer Entwicklung in
allen Bereichen des Staates. Dieser brauche [aber nicht nur] Rechtsgleichheit und
151
Sprachkonformität („nu este de lipsă nici uniformitate de drept, cu atît mai puţin
uniformitatea de limbă.“), sondern [auch] individuelle Rechte und <Sprachenrechte>
der Bürger. [<nationale Gleichheit gewährt nationalen Fortschritt>], [<Recht der
Sprachverwendung>]
(A55) ist ein Plädoyer für einen polyglotten Staat (stat poliglot), für die Freiheit der
Sprachen („deve să recunoască libertatea limbilor un stat liber …“) und für die
Respektierung des Willens des Volks, für dessen Ausdruck die eigene Sprache
notwendig sei. Auf Nationalversammlungen, Land- und Reichstagen soll, wie es die
Schweiz, Belgien und Sardinien praktizieren, die Verwendung von mehreren Sprachen
möglich sein: „deve să se svatuiască în adunările comunităţii, în adunările mai mari
naţionale şi în adunarea comună a mai multor naţiuni.“. [<Volkswille>], [<freie
Sprachverwendung im Rahmen nationaler/Reichs- Versammlungen>]
(A56) Weder das Deutsche noch das Ungarische sei reifer (cf. matur) als das
Rumänische, um für die Kodifizierung des Rechts (cf. o carte de legi ... ca Corpul
jurelui roman) verwendet zu werden. Die Rechtssprechung (jureprudenţă) solle in der
[jeweiligen] Nationalsprache geschehen. Der Sprachendespotismus (despotismul
limbistic), der Egoismus der [ungarischen] Nation (naţiunea despotică),
Landesversammlungen, die andere Nationen ausschließen, sowie die Verwendung von
Gesetzen [die auf Ungarisch geschrieben sind] und der Einsatz von nicht nationalen
Beamten (deregători străini), hätten das Ziel, kulturellen Fortschritt und Bildung
(şcoale naţionale) zu verhindern und die Freiheit zu beschränken. Der Schaden [der
Rumänen] ist dabei nicht nur, dass sie die Verwaltungsprozesse nicht verstehen
können, sondern auch für Übersetzungen aufkommen müssen. [<Rumänisch ist als
Gesetzessprache nicht weniger geeignet als das Deutsche oder Ungarische>],
[<Rechtssprechung soll in der Nationalsprache geschehen>], [durch Magyarisierung
behindern die Ungarn den Fortschritt der Rumänen], [<Nachteile der Magyarisierung
für die Rumänen>]
(A57) Der Bedarf von Ungarn und Rumänen soll den Einsatz der jeweiligen Sprache
bestimmen, wie es auf den Kirchengerichten, dicasteriile, Siebenbürgens Gewohnheit
war. Das Rumänische, nachdem es Hunderte von Jahren auf den Richterstühlen der
[orthodoxen] Kirche (limbă oficioasa de cente de ani la toate scaunele de judecata ale
protopopilor şi la constistoriile [sic] românilor din Ardeal) und in den Fürstentümern
als limbă politică verwendet worden sei, solle nun auch für Gesetze (pentru legi) und
von der Regierung (gubernare) verwendet werden. [<der Bedarf soll die
Sprachverwendung bestimmen>], [<Gesetze sollen auch auf Rumänisch geschrieben
werden>]
(A58) Die Ungarische Krone habe nicht das Recht, sich die Rumänen und Bulgaren,
şchiai, sprachlich einzuverleiben. [<Unrecht der Ungarn>], [<Gefahr der
Magyarisierung>]
(A59) Die sprachliche Einverleibung der anderen Sprachen geschehe aus keinem
anderen Grund als Despotismus. [<Unmoral/Despotismus der Ungarn>]
(A60) Die Sprachen im Allgemeinen seien, wie auch Ungarisch und Rumänisch, von
Natur aus gleich, ihre Sprecher gleichberechtigt, sie zu verwenden. Die Sprecher
152
haben dieselbe Liebe für ihre Sprache, dasselbe auf sie gerichtete Gefühl und Ziel: „O
natură le-a născut pe toate naţiunile, o amoare le-a vărsat în inima spre limba lor, un
sentiment de onoare bate în inimile tuturor şi un scop le-a prefipt tuturor, şi acest scop
nu se poate ajunge dacă va domni una peste alta, ci numai domnind drept egal peste
tot.”. [<Gleichwertigkeit der Sprachen>], [<gleiches Recht der Sprecher, ihre Sprache
zu verwenden>], [<Liebe zur eigenen Sprache>]
(A61) Die stärkste Kraft eines Volkes sei seine Nationalität („Naţionalitatea e
îndemnul cel mai potent spre lucrare pentru fericirea geniului omenesc.”). Ohne sie
bestehe keine Freiheit („Naţionalitatea e libertatea noastră cea din urmă şi limanul
salutei noastre venitoare.”). Eine Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn bedeute den
Tod der Siebenbürgischen Nation:
„Aceasta e uniunea pentru români! Pentru unguri e viaţă – moarte pentru
români. Pentru unguri libertate nemărginită, pentru români servitute eternă.
Unindu-se naţiunea română cu Ungaria, nu va avea nici şcoale, nici deregători
naţionali cari să poarte grije de şcoale şi de interesele naţionale, nici chiar
beserică naţională.”.
Thematiken sind: [<Nationalität / die nationale Existenz eines Volkes ist Bedingung
für seine Freiheit>], [<Gefahr der Vereinigung>]
(A62) Es drohe die Magyarisierung aller Kultur, von Literatur und Sprache. Es gelte,
diese Gefahr jetzt zu erkennen, um dieses unwürdige Schicksal (această infamie
nemeritată) für die Nachfahren abzuwenden. [<Gefahr der kulturellen und
sprachlichen Magyarisierung>], [<eine Magyarisierung entwürdigt die Nation>],
[<Verantwortung gegenüber den Nachfahren>] [Apell zur Abwendung der
Vereinigung]
(A63) Man solle das schlechte Verhältnis von Rumänen und Ungarn in der Geschichte
betrachten. Sie suggeriere, die Vereinigung abzulehnen. [nochmaliger Appell, die
Geschichte als Lehrmeister zu betrachten], [Entscheidungsfindung]
(A64, I) Bedingung für eine Vereinigung der Rumänen mit den Ungarn sei die
Schaffung und Organisation eines in Freiheit dem Ungarischen Reich gleichenden
Siebenbürgens: „Numai după ce va fi constituită şi organizată şi naţiunea română pe
temeiul libertăţii egale, atunci să facă federaţiune cu ungurii pentru apărare comună,
cum face o naţiune liberă cu altă naţiune liberă.”. [<die Freiheit Siebenbürgens ist
Bedingung für die Vereinigung>]
(A65) Die Rumänen sollen ihre Bewusstheit bezeugen darüber, dass, im Falle einer
Vereinigung, sie zum Wohle der rumänischen Nation nichts mehr selbständig
beitragen können: „Dacă s-ar declara românii pentru uniune, ar fi constrînşi a merge
orbeşte încotro i-ar duce ungurii, de sine n-ar putea lucra nimic pentru binele naţiunii
române.”. [Aufruf zur Wachheit], [<Wohl der Nation>], [<Gefahr der Unfreiheit /
Verlust der Autonomie der Rumänen>]
(A66, II) Die versammelte Gemeinschaft solle in diesem feierlichen Augenblick die
Freiheit und Unabhängigkeit der rumänischen Nation proklamieren („adunarea ... să
proclame libertatea şi independenţa naţiunii române”) [Aufruf zur Proklamation der
153
Freiheit und Unabhängigkeit der Rumänen], [<Freiheit und Unabhängigkeit der
Nation>]
(A67) In dem Absatz ruft Simion Bărnuţiu die rumänische Nation dazu auf, sich als
zukünftig autonom regierend zu proklamieren und deklarieren [wörtlich: schüttelt das
Joch der ungarischen Verfassung ab und proklamiert/deklariert sich als selbst
bestimmend]: „naţiunea română scutură jugul constituţiunii ungureşti, care de o parte
îi nimicea naţionalitatea, de alta călca în picioare libertatea poporului. Naţiunea
română, proclamîndu-se, declară sarbătoreşte că de aci înainte nu se va cunoaşte
obligată decît prin legile care se vor pune în dieta ţării, unde va fi reprezentată şi ea
după dreptate şi cuviinţă, şi se va ţinea dătoare cu ascultare numai deregătorilor aleşi
din sînul său.” [illokutive Proklamation der Autonomie der rumänischen Nation]
(A68, III) Die Versammelten sollen beeiden, die Nationalität zu respektieren, zu
schützen und für sie zu kämpfen. [Aufruf zu einem Schwur], [<Respekt, Schutz und
Kampf für die Nationalität>]
(A69) Der Schwur soll die Einheit der Rumänen fördern. Die Einheit sei das erste
Mittel der Wiedererlangung und Bewahrung der nationalen Freiheit: „unirea încă deve
să înflorească totdeauna între români ca mijlocul cel de întîi al revendicării şi
conservării libertăţii naţionale ...”. [<Vereinigung der Rumänen>], [<die Einheit der
Rumänen als Prämisse für die nationale Einheit der Rumänen>]
(A70) Die nationale Einheit sei Garant für die (kulturelle) Entwicklung der Rumänen.
Die nationale Freiheit ist die Bedingung für Fortschritt und Wohl: „naţiunea română
nu s-a adunat aici ca să se facă unită sau neunită, ci ca să se facă liberă înai[n]te de
toate, apoi cultă şi fericită.” [Aufruf zur Vereinigung der Rumänen], [<nationale
Einheit der Rumänen als Garant für den Fortschritt, das Wohl der Nation>]
(A71) Seit 1744 verzeichneten die rumänischen Bischöfe, von Inocenţiu beginnend,
über Arone, Rednic, Gregoriu Maior, Ioane Bob nicht nur keine Erfolge für die
Nationalität der Rumänen, sondern handelten, insbesonders Ioane Bob, zu ihrem
Schaden. Die Causa der Nationalität dürfe nicht, wie es das Beispiel von I. Bob
gezeigt habe, vom Kampf von nur einer oder weniger Personen abhängen, sondern von
einer, von der Nation bevollmächtigten Delegation, von [National-]Versammlungen,
politischen und kirchlichen Versammlungen, von nationalen Fonds und Instituten, wie
dies auch bei anderen Nationen geschähe:
„Un om înţelept, fie episcop au seculariu, nici îmbiat nuva lua sigur asupră-şi
cauza naţională, cu atît mai puţin se va duce la Viena fără plenipotenţă de la
naţiune, cum s-au dus I. Bob cu sîrbul Adamovici, ci ca spiritul nevîndut, va
învăţa pe naţiune cum să urmeze exemplul altor naţiuni luminate şi fericite,
folosindu-se de toate mijloacele, de însoţiri, adunări politice şi bisericeşti,
ridicînd fonduri şi institute naţionale, de care se servesc şi alte naţiuni pentru
fericirea lor.”.
Themen sind: [<Erfolglosigkeit der rumänischen Bischöfe, die Nationalität der
Rumänen zu schützen>], [<Einheit und Gleichheit der Stimmen der Rumänen, um für
die nationale Existenz zu kämpfen>]
154
(A72) Mit Blick auf die ein Jahrtausend währende (cf. această mie de ani)
Unterdrückung und Unfreiheit der Rumänen durch die Ungarn sowie auf das
Standhalten der Rumänen gegen Einfälle verschiedener Völker soll, zu Ehren der
rumänischen und romanischen Vorfahren, des Bodens, des Namens und der Sprache
der Rumänen („Rămîneţi credincioşi numelui şi limbii voastre.”), allen Versuchen der
Einverleibung durch Fremde („Nu vă nemţireţi, nu vă ruşireţi”) wie insbesonders der
Magyarisierung („nu vă ungurireţi”) geeint standgehalten werden: „Apăraţi-vă ca
fraţii, cu puteri unite, în pace şi în răzbel.”. [<Unterdrückung der Rumänen in der
Geschichte>], [<Würde der Rumänen>], [<Vereinigung der Rumänen als Garant, der
Magyarisierung zu widerstehen>]
VII.1.6. Analyse der unterschiedlichen Ko-Diskurse der Rede von Blaj
Wie schon mehrfach erwähnt, ist der Diskurs von Blaj vorwiegend argumentativ (und
dabei durchaus auch auf Narration und Beschreibungen gestützt). Die Thematiken
bilden insgesamt eine reduzierte Reihe von Isosemie-Ketten. Die wichtigste Thematik
des Textes ist die Frage der Vereinigung (Entscheidungsfindung), das oberste Ziel die
Suggestion einer Ablehnung des Plans der Ungarn (cf. den letzten Absatz der Rede /
A72). Für dieses Ziel entwickelt Simion Bărnuţiu ein sehr redundantes Bild der
Ungarn als Unterjocher per se. Ihre vor allem negative Darstellung zieht sich in vielen
Passagen durch den gesamten Text und kreiert Assoziationen mit ausbeuterischen und
schrecklichen Beherrschern (A2, cf. anatema in A12, A17), Landräubern (cf.
<ungurii/secuii/saşii uzurpă drepturi>; cf. auch die Absätze 14 und 17),
Vetragsbrechern (A6, A7), politisch Dominierenden („la masa verde numai ungurii au
vorbă şi intrare, ca să proiecte legi şi măsuri contra românilor.”, A15), Barbaren bzw.
moralisch skrupellosen, ja seelenlosen Menschen (A9, A21), welche selbst die Würde,
Religion und den Kirchenbesitz der Rumänen antasten („ungurii nuse muţămesc numai
cu cît lipsesc de libertate pe naţiunea română, ci încă o şi calumniază, zicînd chiar prin
organul legelativ că e o naţiune de jos ...”, A12; „Onoarea neverimei [sic] române e
subordinată pre tot locul sumeţiei ungureşti ...”, A15; „Pe acest timp îi făcea pe popii
româneşti să ierneze cîinii domnilor, şi protopopii purta pe umeri pe superintendentele
calvinesc”, A19 aber auch 20; A21, A22, A23 etc.) Die Ungarn sind die Feinde per se
(A23), welche Hass (cf. A1), Gefahr (A2) und den nationalen Tod bringen (cf.
“sentinţa de moarte care i [românului] se prepară în adunările ungureşti”, A1;
campana de moarte, A2; „acea nălucă ce ne ameninţă moarte naţională ...”, A5;
„proprietatea naţiunilor omorîte prin lege va servi ungurilor de spese pentru
îngropăciunea acestor naţiuni.”, A34; cf. metaphorisch auch veninul uniunii, A63 etc.).
Von der ungarischen Nationalität geht – im Falle der Vereinigung – die große Gefahr
der Magyarisierung (cf. ungurire, A4, A28; cf. auch das Bild „vor fi îndreptate asupra
ei [literaturii] tunurile ungurismului”, torentele ungurismului, A62), der nationalen
Einverleibung (contopire, A4; <Erschaffung einer vereinheitlichenden, alle
Nationalitäten nivellierenden Großnation / una naţiune mare şi tare şi un regn tare şi
mare unguresc”, A27), der politischen Beherrschung (domnirea ungurească A5), der
schweren Unterdrückung der Rumänen und der rumänischen Kirche (cf. împilatori de
155
popor A9, cf. A13, A17, A20) und der Rechtlosigkeit der Rumänen (A20; cf.
drepturile răpite, A25) aus.
Dem Ziel, die ungarische Gefahr aufzuzeigen, unterstellt Simion Bărnuţiu die gesamte
Argumentation seiner Rede. Sie besteht unter anderem, aus einem rechtshistorischen
Diskurs, in dem der Autor die von der ungarischen Aristokratie zuungunsten der
Rumänen festgelegten Gesetze diskutiert. So werden die Unio trium nationum von
1437, das Opus tripartitum von 1514, die Approbatae constitutiones und Compilatae
constitutiones von 1540-1669 (Absätze 5-7) in Erinnerung gerufen, welche die
Rumänen um die Rechtsgleichheit mit den anderen nationes Siebenbürgens, aber auch
um Privilegien, Freiheit und Würde gebracht hätten (Absätze 8-12, 16, 17, 18, 19).
Immer wieder führt der Autor konkrete Fälle des Scheiterns der Rumänen vor Augen.
So hätte sich Bischof Inocenţiu Micul ohne Erfolg um die Anerkennung der
rumänischen Nation (naţiune română) seitens der drei anderen Stände (Staturile şi
Ordinile) bemüht: „Dar cînd cerea ca să se receapă şi naţiunea română ca cele trei
naţiuni, Staturile şi Ordinile-i răspundea că se va răsturna casa ţării pe ei dacă-i vor
lăsa şi pe români să între într-însa. ...” (A25). Ein neuer Appell der Rumänen für
nationale Anerkennung, hätte erneut nichts und zudem noch Schmach gebracht: „A
trecut mai jumătate de seclu, cînd îşi reînnoesc românii cererea pentru naţionalitate, la
1791, dar Staturile şi Ordinile ... mai adaug că românii nu sunt culţi de ajuns pentru
drepturi politice.”. (ib.). In dieser Weise zeigt Simeon Bărnuţiu exemplarisch, wie
entlang der Geschichte die Rumänen von Ungarn unterdrückt wurden. Semantisch sehr
redundant und politisch hoch sensibel wird diese Unterdrückung vor allem anhand
jener der rumänischen Kirche gezeigt, ihre rechtliche Ungleichheit vom Redner an
schlechter baulicher Substanz gemessen (Absatz 43).
Der Text Simion Bărnuţius spiegelt desweiteren ein im historischen Augenblick
fallendes feudales System wider. Das rumänische Volk trug generell, vom Adel
abgesehen, die ganze wirtschaftliche und landwirtschaftliche Last und Abgabenpflicht;
es war der Sklave der herrschenden Schicht und war in Hörigkeit an den Boden
gebunden: „Pe popor îl împarte [Tripartitul] în noveri şi rustici, noverilor le dă
drepturi şi putere nemărginită preste popor, fără de nici o dătorie cătră acesta, iară
dătoriile le încarcă toate în spinarea poporului.“ (A8, cf. auch A20 und A24); „despre
o parte [Tripartitul] nimiceşte personalitatea poporului, făcîndu-l şerb domnilor pentru
totdeauna, iară. Despre altă parte-i răpeşte mijlocirea de a-şi cîştiga cele de lipsă spre
traiul vieţii ... şi aşa-i stoarce toate puterile, ca să nu se mai poată scoate din servitute”
(A8); „legea l-a legat [pe popor] de glie ...” (A8).
Fast einer Antithese entsprechend, erscheint als semantischer Gegenpol zur
Vereinigung und damit angenommenen Unterjochung der Rumänen, nach der Devise
der Zeit (cf. epoca frăţiei şi a libertăţii, A2) die <Freiheit> aller Menschen. Bărnuţiu
beginnt seine Rede mit einem Lob auf die Freiheit im Allgemeinen und, im Speziellen,
der Siebenbürger Rumänen (cf. A1-A3; „Inima românilor a bătut totdeauna pentru
libertate...”, A2). Thematisiert und erläutert wird diese im Verständnis sowohl einer
Freiheit der Nation als auch einer Freiheit der Person. Letztere hänge von der ersten ab
(cf. z.B. A46 und A61). Der Anspruch Ungarns, die nationale Identität der Rumänen
zu untergraben, Siebenbürgen ethnisch oder über die Konfession zu magyarisieren
156
(z.B. die Absätze 14, 19, 29, 43), gefährde die Existenz der Nation (cf. Absätze 3, 46,
65 etc.) und drohe mit dem Verlust der nationalen Freiheit und dem Verlust der von ihr
abhängigen Freiheit der Person. Das Ziel der persönlichen Freiheit ist daher die
Überwindung der Unfreiheit des rumänischen şerb, des abhängigen Fronbauern, den
die ungarischen Dekrete noch immer in servitute und rusticitate absolută halten (cf.
insbesonders A8).
Die Devise der Zeit verlange nach Freiheiten der Person, des „Staates” und seiner
Regierung: „natura nu va ca să fie un om şerb altui om, ci va să fie liber în toată viaţa
sa. Ea vrea ca mai mulţi oameni liberi să facă comunităţi, sate şi state libere, şi aceste
să se guberne de guberne aşezate cu votul tuturor liberilor, după legi puse de
universalitatea tuturor liberilor, nu cu mandate.“ (A53). Freiheit wird aber auch als
erste Prämisse für die Kultur eines Volkes genannt. Wird die Freiheit eines Volkes
unterjocht, ist auch Kultur nicht möglich: „Dacă e nimicită libertatea poporului …, e
nimicită totdeodată şi cultura şi fericirea aceluia, fiindcă fără de libertate nu e cu
putinţă cultura.“ (A46). Diesen Weg zu gehen, nämlich als erste Prämisse für eine
persönliche und nationale Freiheit und für das Wohl der Nation Bildung aus der
inneren Kraft aufzubauen (A24, A47, A49), dazu bedürfe es, wie Simion Bărnuţiu es
fordert, der Einheit des Geistes und Herzens der Rumänen: „Au nu-şi putea ridica
[românii] şcoale şi ca neuniţi ... dacă-şi concentra toate puterile preoţii, noverii şi
cetăţanii şi tot poporul român, şi dacă lucra cu un cuget şi cu o inima [sic] la toate
împrejurările, pentru libertatea şi fericirea românilor?” (A24); „naţiunea întreagă deve
şă-şi împreune puterile ... să facă negoţ comun din cultură ...” (A47). Die Rumänen
aller Gebiete werden zur Vereinigung unter sich aufgerufen: „... dacă-şi vrea cultura
oarecar naţiune, să se unească, ce e drept, nu cu alte naţiuni ... ci să se unească mai
întîi cu sine însăşi, ca să se apuce de cultura naţională cu puteri unite. ... Aşadară
românii mai întîi să se unească între sine spre acest scop, de la Nistru pîn‟ la Em e de
la Em pîn‟ la Tisa, apoi să se unească cu celelalte familii romane, pentru identitate
limbii şi cumnăţia cea firească a cugetelor e a simţămintelor.” (A49). Ein vom Autor
geforderter Schwur soll diese symbolisch noch verstärken (A68, A69).
Simion Bărnuţiu ruft aber nicht allein zur Einheit der Rumänen auf. Er baut im Laufe
seiner Rede eine Identität der Rumänen auf. Die Gemeinschaft der Rumänen trägt sich
aus fraţi, Brüdern (cf. die Anrede, dann viele Beispiele im Text). Diese stellen
charakterlich, im Gegensatz zu den (wenigen) „Landesverrätern“, welche durch die
Union das Land verkaufen würden, den român bun, den guten Rumänen, dar (A1).
Dieser stellt – implizit – die Antifigur des Barbaren dar (cf. A62). Der Rumäne trägt
einen glorreichen Namen: „feciorii românilor vor forma legiuni care se vor bate pentru
gloria celor ce le-au şters numele cel glorios şi i-au botezat pe nume de barbar ...”
(A35, cf. auch nachfolgend gloria strănepoţii in A62). Rumänen besiedeln Gebiete
zwischen dem Nistru, Em, Olt, Mureş und der Tisa (A62). Sie sprechen einunddieselbe
Sprache (cf. aceeaşi limbă, A69), welche ihnen ein – in der Rede dreimal erwähnter –
inniger Wert ist (A60; cf. sunetele cele dulci ale limbii noastre, A62; cf. auch A72).
Die Wurzeln der Rumänen verweisen auf Rom (cf. die Legionäre des Traian, A62).
Rumänen stellen 1,5 Millionen Einwohner in Siebenbürgen (A33, A35).
157
Im Widerstand gegen eine politische Einverleibung und sprachlich-konfessionelle
Magyarisierung der Siebenbürger Rumänen durch die ungarische Krone entwickelt
unser Autor, zu einem Zeitpunkt, zu dem die Rumänen in Siebenbürgen noch nicht
einmal zu den politischen Ständen zählten, das Konzept der Nation (cf. hierzu auch
Kap. VII.1.2.). Er verwendet dafür die Wortfamilie um die Basis naţi(un)e (cf.
naţiunea română, A11; viaţă / onoare naţională, A19, A16; naţionalitate (A18), aber
auch, auffälligerweise das überregional sich auf den Rumänen beziehende Adjektiv
român / românesc (cf. metropolia românilor, biserică românească, biserică română;
A21, A25). Wie aus einem vorangehenden Zitat hervorgeht, schreibt er der Nation
auch Würde zu. Diese sei so gewichtig wie die nationale Existenz selbst, denn ohne
Würde sei keine Kultur möglich: „Subt atari augurii rele, noverimea română nu va
apuca niciodată la valoarea ce i se cade în stat, pentru că valoarea face cultura, cultura
fără libertate şi libertate fără de existenţă şi onoare naţională nu e cu putinţă” (A16).
Als wichtiges Thema fokussiert unser Text die Bedeutung der nationalen Sprache für
Identität und Nation/Nationalität. Kultur und Bildung der Nation könne nicht über
fremde Sprache erreicht werden: „Însă io vă asigurez că naţiunile aceste luminate
niciodată nu vor limbă străină pentru învăţătură, ci vor demustra totdeauna cu consens
universal că natura pentru [aceea] i-a dat limbă fiecărei naţiuni, ca să se folosească cu
aceeaşi în toate negoaţele vieţii...”; „Vai şi de naţiunea care nu îmblă pe picoarele sale
sau nu vede decît cu ochii altei naţiuni! Niciodată nu va patrunde rază de cultură la
creierii acestei naţiuni, ci va rămînea purure întunecată ca orbul şi servă naţiunilor
răpitoare.” (A47 und 48). Nationale Sprache sei Prämisse für den Aufbau von Kultur,
selbständigem (nationalen) Handeln und für die Wirtschaft der Nation: „numai în
braţele ei creşte arta şi ştiinţa, numai cu aripile artei şi ale ştiinţei zboară industria şi
negoţul, numai în aceste grădini înfloreşte fericirea naţiunilor.” (A50). Auch der
Sprache gebührt Würde, sie ist das Symbol (nationaler) Beständigkeit: „fiecare naţiune
numai atîta onoare şi valoare are înaintea statului, cîtă onoare şi valoare are limba ei.”
(cf. A62 und A72, letzter Absatz der Rede). Nur die Muttersprache garantiere
Generationen, die die eigene Nation liebten / Heimatliebe haben (A48). Alle
demokratischen Rechte und Freiheiten (Parlament, Pressefreiheit, Verantwortlichkeit
der Minister, Absatz 40) sind, aus der Sicht unseres Autors, allein über das Recht auf
die eigene Muttersprache erreichbar (Absatz 40). So entwickelt Simion Bărnuţiu auf
dem Hintergrund der drohenden Magyarisierung in einer langen Reihe von Absätzen
die Bedeutung der nationalen Sprache für Bildung und kulturelle Entwicklung
überhaupt (Absätze 39, 42, 53, 55, 57, 58, 59, 60, 61, 63 – als Lob auf die eigene
Sprache – und die Absätze 48, 49, 51).
Der Autor unterstellt sich ideologisch der Devise der Zeit (epoca frăţiei şi a libertăţii,
A2): „să ne convingem că subt larva libertăţii şi a frăţiei, cu care ni se înfăţişează
uniunea, ea nu acopere pentru noi libertate, nici frăţie, ...” (A36). Sie bezeugt eine
Orientierung des Autors nach der Aufklärung (lumina ştiinţelor, popoarele luminate,
jureprudinţă luminată, naţiuni luminate; A47, A48). Aufklärerische Ideologie liefert
auch eine letzte wichtige Isosemie unseres Textes, welche aus einer Reihe von
primären Konzepte und Grundbegriffen der Menschenrechte (drepturile omeneşti, A8)
und der Französischen Revolution (libertate egalitate, binele public, frăţie, proprietate
etc., A9, A10, A57) besteht. Der primär argumentative Text über die Vereinigung
158
enthält damit neben dem identitätsstiftenden Nationen-/ Nationalitätsdiskurs auch eine
Isosemie / einen (impliziten) Diskurs über den abstrakteren Begriff des Staates und der
Staatsorganisation. In Kap. VII.1.7. gehen wir darauf ein.
VII.1.7. Der „Staatlichkeitsdiskurs“ in der Rede von Blaj (Analyse und
Interpretation)
Als argumentativer Text gegen die drohende politische Vereinnahmung durch Ungarn
hat die Rede von Blaj ein primär anderes Ziel, als die Aufstellung von Kriterien einer
(zukünftigen, inneren) Staatlichkeit. Dennoch formuliert und konzeptualisert sie diese
in vielen Passagen, wenn auch weniger explizit (als direkte Forderungen), als implizit
(in Attributen, Nebensätzen, Erläuterungen etc.). Betrachten wir den Text auf dem
Hintergrund der wichtigsten Begriffe moderner Staatlichkeit, wie es <Freiheit /
Souveränität / freie Meinungsäußerung>, <Eigentum>, <Sicherheit>, <Widerstand /
Petition>, <öffentliche Meinung>, <Gleichheit>, <Steuerbeitrag>, <Gemeinnutz>
sowie <Bevölkerung>, <Volk / Nation>, <Staatsbürgerschaft>, <Staatsgewalt>,
<Repräsentativität und Trennung der Gewalten>, <Staatsnamen>, <Vaterland>,
<Territorium>, <Hauptstadt>, <Wohnsitz>, <Grenze> sind, wird deutlich, dass unser
Autor die nachfolgend behandelten Begriffe integrierte.
Von der semantischen Dichte des Textes ausgehend, ist die Freiheit im Sinne der
Unabhängigkeit und Autonomie der Rumänen das wichtigste Kriterium für die
zukünftige Existenz der Nation (A1, A2, A3, A12, A16, A38, A46, A61, A64, A65,
A66, A67, A70), „staatliche” Unfreiheit hingegen bedrohe das nationale Leben der
Rumänen (A18 , A38, A45, A46, A68, A69). Was für den Staat, die Nation gilt, gilt
auch für die Person. Sie solle frei sein (A54). Der Text bezeugt im Weiteren ein
Bewusstsein darüber, dass die Zensur im habsburgischen Kaiserreich gefallen sei. Er
thematisiert damit das Antonym zu <Pressefreiheit> ganz allgemein und ohne diese für
Siebenbürgen explizit einzufordern: „Acum nu mai e cenzură: a pierit amica
întunericului de înaintea razelor libertăţii şi patroana despotismului s-a stins cu ruşine
din împărăţie.” (A3). Anstelle eines Konzepts des Eigentums der Person entwickelt der
Text das Konzept des Bodens als Eigentum der Nation (A11, dann auch A33) bzw. des
Rechtsanspruchs der Nation auf Territorium: „Ardealul e proprietate adevărată a
naţiunii române, care o a cîştigat cu bună-dreptate înainte cu vreo mie şepte sute de
ani, şi de atunci pînă astăzi o ţine, o apără şi o cultivă cu multă sudoare şi osteneală.”
(A3).
Die Thematisierung des Konzepts der <Sicherheit> der Person spiegelt sich in Simion
Bărnuţius Text in nicht relevanter Weise wider, das Konzept von <Widerstand /
Petition> nur implizit in der Diskussion um Rechte und Rechtlosigkeit, v.a. in der
Situation des Volks, seine Richter und Verwalter nicht wählen zu können: „Poporului
nu-i este iertat a-şi alege judecători şi alţi deregători, cum aleg noverii ...” (A8). Mit
Bezug auf die Sprachpraxis formuliert Bărnuţiu das Desiderat, dass das Volk die
Macht haben solle, Gesetze nach seinem Willen mitzubestimmen, desweiteren auch
am Staatsgeschehen teilzuhaben sowie, als freie Bürger, die Regierung zu votieren. In
diesen Worten lassen sich die Vorstellungen von <Volkswillen> (cf. dazu auch A55),
159
<Allgemeiner Meinung>, <Souveränität des Volks> und <Wahl der Regierung durch
alle Freien> als Kriterien des Funktionierens des Staates erkennen: „în stat liber nu
poate fi lege aceea ce voieşte numai un om sau o naţiune, ci deve să fie lege aceea ce
voieşte şi ce doreşte tot poporul, toate naţiunile”; „Însă amoare adevărată numai cătră
un stat ca acela pot să aibă cetăţenii, în care toţi iau parte la toate negoaţele statului”;
„natura nu va ca să fie un om şerb altui om, ci va să fie liber în toată viaţa sa. Ea vrea
ca mai mulţi oameni liberi să facă comunităţi, sate şi state libere, şi aceste să se
guberne de guberne aşezate cu votul tuturor liberilor, după legi puse de universalitatea
tuturor liberilor, nu cu mandate.“ (A54).
Zentral ist auch die Vorstellung über die Bedeutung von Gesetzen im Allgemeinen wie
auch der Gleichheit vor dem Gesetz. Bărnuţiu exemplifiziert dies anhand der
historischen Situation und argumentiert, dass, bis zur Unterstellung der Unierten
Kirche unter serbische Dominanz, weder Priester noch Bischof gesetzlichen Schutz
genossen hätten; und er lässt weiter bedenken, dass, wenn unter der ungarischen
Verfassung nicht einmal Prister noch Adel gesetzlich geschützt werden würde, auch
das Volk von keinerlei Gesetz geschützt werden wird:
„Cei neuniţi n-avea nici preoţi, nici episcop, pînă cînd căzură sub jugul sîrbesc,
nu-i apără nici o lege în ţară, şi pe deputaţii ce-i trimitea la Curtea Împărătească,
duşmanii lor făcea de-i punea la prinsoare.”; „Dacă-i bate anatema această
politică şi pe preoţi româneşti ... dacă-i bate bruma constituţiuni ungureşti chiar
şi pre noverii români ... ce vor face aceşti aristocraţi cu poporul, pe care nu-l
apără nici o lege, după ce l-a dezbrăcat de demnitatea personală şi de proprietate
însăşi legea, ceea ce i-ar fi datoare cu apărare?” (A23, A17; A28).
Die Verwendung einer rhetorischen Frage sowie des Modus Konditional im folgenden
Zitat, drückt aus, dass es in Siebenbürgen keine Gleichheit der Bürger gäbe:
„Egalitatea civilă?” Aceasta atunci ar avea loc în stat, cînd ar apăra legile
statului într-o formă pe toţi cetăţenii şi le-ar face dreptate fără să-i întrebe dacă
sunt noveri sau plebei, mizeri s[au] (sic) avuţi, creştini s[au] păgîni, albi s[au]
negri, barbari s[au] romani, şi cînd le-ar deschide calea spre cîştigarea
mijloacelor vieţii şi spre cultura tuturor într-o formă ...” (A40).
Der Text beweist das Bewusstsein des Autors über die, den Rumänen in der
Geschichte so unterdrückende Steuerlast („Pe popor îl împarte în noveri şi rustici,
noverilor le dă drepturi şi putere nemărginită preste popor, fără de nici o dătorie cătră
acesta, iară dătoriile le încarcă toate în spinarea poporului.“, A8), welche nach den
Reformvorschlägen der Ungarn auch den Rumänen entlasten kann, indem sie auf alle
verteilt wird: „de aci înainte greutăţile ţării le vor purta toţi oamenii, vor da dare toţi şi
oştari şi vor lua parte la făcutul căilor” (A4). Der Text spiegelt zwar einerseits keine
Vorstellung von <Gemeinnutz>, jedoch, auch wenn implizit – in Nebensätzen – jene
des Wohls der Nation wieder. Der Begriff kommt in mehreren Syntagmen vor (o stare
mai fericită, ora fericirii, fericirea gintei, fericirea românilor, binele naţiunii) und
belegt, dass das Wohl das Ziel des Staates ist:
160
„Dacă s-ar declara românii pentru uniune, ar fi constrînşi a merge orbeşte
încotro i-ar duce ungurii, de sine n-ar putea lucra nimic pentru binele naţiunii
române.” (A65); Cf. auch o stare mai fericită, ora fericirii in A1, A2; „ca să
punem fundament sigur la fericirea gintei noastre pe venitoriu”, A5; „Au nu-şi
putea ridica [românii] şcoale şi ca neuniţi ... preoţii, noverii şi cetăţanii şi tot
poporul român ... lucra cu un cuget şi cu o inima [sic] la toate împrejurările,
pentru libertatea şi fericirea românilor?”, A24; „Cine va putea zice că uniunea a
muiat inima ungurilor ca să voiască binele naţiuni [sic] noastre şi să deie
îndărăpt drepturile răpite?” (A25, A46).
Simion Bărnuţiu bezeichnet die rumänischen Einwohner Siebenbürgens als Rumänen
(român(i), A1, A6, viele weitere Beispiele), Landesbewohner (locuitorii ţării, A4), mit
Verweis auf die Ungarische Verfassung auch (mögliche zukünftige) Bürger (cetăţani,
A4, A24), als das dakoromanische Volk (poporul dacoroman, A4, A8) und als
<Nachkommen> der alten Römer (A71), dann auch als Siebenbürger (ardeleni, A6),
die sich in die zwei extremen Klassen („toate clăşile naţiunii române”, A12, A13) des
şerb, des völlig rechtlosen Fronbauern (A3, A8) bzw. der coloni, der
Landbewirtschafter (A17) und des rumänischen Adels (noverime română, A19) teilen.
Die Bezeichnung popor, Volk, bezeichnet Landesbewohner, nicht aber ein mit
Rechten ausgestattetes, also National- oder Staatsvolk: „Pentru popor nu vorbeşte
nimeni nicăiri, căci el nici nu există ca popor.” (A8); „În puterea constituţiunii
ungureşti numai noverimea are drept de a pune legi ... Poporul e scos afară cu totul, el
e dătoriu numai cu asculatare [sic] oarbă, cu supunere pasivă.” (A9). In Absatz 67
erhebt Bărnuţiu allerdings dieses Volk in die Autonomie/Souveränität. Zusätzlich
verwendet er für die rumänische Ethnie in Siebenbürgen häufig die Bezeichnung
Nation (naţiunea noastră din Ardeal, z.B. A11). Außerdem nennt er die rumänischen
Landesbewohner als durch die ungarische Gesetzgebung Entheimatete (expatriaţi de
Aprobate, A19), obwohl, wie er angibt, sie eineinhalb Millionen zählen (un milon [sic]
şi jumătate de români, A33; dann auch A35).
Das Land Siebenbürgen seinerseits wird viele Male als Land ([ţară], z.B. A4)
bezeichnet, aber auch als der Boden des Ardeal, der Boden der Rumänen oder der
Boden Dakiens (pe pămîntul Ardealului, A4 etc.; pămîntul Daciei, A6; pămîntul
românilor, A7; uniunea Ardealului cu Ţara Ungurească”, A19 etc.), dann sehr oft
auch als unsere Heimat (A6; patria noastră, A14; A29, A30; A35) und einige Male
mit dem historischen Namen Dakien (descălecarea ungurilor pe pămîntul Daciei, A6;
A28). Siebenbürgen ist, wie der Text besagt, die Heimat des Goldes, der Erze und des
Salzes: „... Ardealul e patria aurului şi a metalelor noveri, care vor curge toate în
punga naţiunii ungureşti, că sarea şi toate bunătăţile patriei noastre vor adăuge tezaurul
ungurilor e paupertatea românilor ...” (A35). Schon gezeigt wurde, das Simion
Bărnuţiu in redundanter Weise die <Nation> konzeptualisiert und im Laufe des Textes
diskursiv entstehen lässt.
161
Einerseits zeigt Simion Bărnuţiu desweiteren, dass der rumänische Adel von den
Landtagen ausgeschlossen sei: „noverii români la adunările marcale stau numi pe
afară: la masa verde numai ungurii au vorbă şi intrare ... (A15); andererseits zeichnet
er – in einem Nebensatz – die zukünftige Situation bereits in der Weise, dass die
rumänische Nation auf den Landtagen rechtmäßig und gebührend – wörtlich –
repräsentiert sein werde:
„Naţiunea română, proclamîndu-se, declară sarbătoreşte că de aci înainte nu se
va cunoaşte obligată decît prin legile care se vor pune în dieta ţării, unde va fi
reprezentată şi ea după dreptate şi cuviinţă, şi se va ţinea dătoare cu ascultare
numai deregătorilor aleşi din sînul său.” (A67, A44).
Simion Bărnuţiu geht damit implizit von einer zukünftigen nationalen Repräsentanz
der Siebenbürger Rumänen aus.
Der Text fordert Rechte im Allgemeinen (A2, A24 sowie: „să deie îndărăpt [ungurii]
drepturile răpite?”, A25) und konzeptualisiert verschiedene Rechtsansprüche der
Rumänen, z.B. auf die öffentliche Transparenz von administrativem oder juridischem
Procedere („nici poporului nu-i va mai fi oprit a se uitare în cărţile deregătorilor”;
„legile şi judecăţile se vor face de aleşii popoarelor, dar nu întru ascuns, ci la vederea
tuturora.”; A33), sowie – implizit – auch auf Bildung (A20, A25). Auch reflektiert die
Rede die Vorstellung der Prämisse des Verdienstes für Ämterbesetzung und
Besitzanspruch. In der Geschichte hätte größerer Verdienst von Adeligen ein
(größeres) Besitzrecht legitimiert: „Pe lîngă aceasta, ungurii purta grija ca nu cumva să
apuce noverii românilor la deregătorii cardinale, să cîştige posesiuni mai mari prin
donaţiune împărătească, fie fost cît de meritaţi pentru patrie, şi aşa să apuce la vero
putere mai însemnate, temîndu-se ca să nu facă aristocraţie română.” (A14). Mit Blick
auf die Vergangenheit bestätigt der Autor die Bedeutung einer judikativen und
legislativen Gewalt für den Staat („Ce minune că românii şi expatriaţii de Aprobate şi
în astă formă asupriţi, îşi ţinură încă pe aceste timpuri puterea judecătorească în
judeţele protopopeşti şi puterea legelativă în sinoade, document că au avut odată
existenţă şi viaţă naţională!”, A19), aber auch die aktuelle Bedeutung einer integeren
Judikatur / integrer Richter für Siebenbürgen:
„dreptatea nu depinde numai de la legi bune, ci şi de la judecători buni şi drepţi
... În deşert vorbesc de independenţa judeţelor, pentru că fiecare judeţ va judeca
totdeauna după plăcere şi în folosul celui ce l-a aşezat, temîndu-se ca să nu-l
răstoarne. În deşert se zice că judecătoriul se cade a fi mai presus de toate
respectele de confesiune, de naţionalitate, de naştere şi alte asemene ...”, A40).
Nicht selten wurde das Fehlen der erwähnten Kriterien der Staatlichkeit thematisiert,
die Staatlichkeit ex negativo abgezeichnet. Im prekären Augenblick der drohenden
politischen Einverleibung durch Ungarn wurden allgemeinere Menschenrechte, allen
voran die Freiheit der Nation, des „Staates“ und der Person, weniger jedoch
staatstragende Begriffe wie <Staatsbürgerschaft>, <Staatsgewalt>, <Repräsentativität
und Trennung der Gewalten>, <Staatsnamen>, <Territorium>, <Hauptstadt>,
<Wohnsitz> und <Grenze> thematisiert. Die breite Palette der Bezeichnungen der
162
<Rumänen> und ihres Raums dokumentiert in exemplarischer Weise die
Legitimationssuche der nationalen Existenz mit Blick auf die (dakisch-römische)
Vergangenheit, einer (möglichen) gemeinsamen Identität der Rumänen in einem
zukünftig freien, noch nicht gesicherten staatlichen Raum.
163
VII.2. Die Proklamation von Islaz vom 9. / 21. Juni 1848
VII.2.1. Der historische Kontext der Proklamation von Islaz
Die Revolution in der Walachei wurde von verschiedenen Bewegungen und
Aktivitäten vorbereitet. Eine wesentliche Rolle spielten hierbei die verschiedenen
geheimen Gesellschaften, in deren Rahmen die späteren Revolutionäre Reformideen
diskutierten. Dies geschah z.B. innerhalb der im Jahre 1833 von Heliade-Rădulescu,
Ion Câmpineanu und Constantin Aristia gegründeten Societatea Filarmonică, deren
heimlicher Zweck die colportare von politischen und sozialen Konzepten und Fragen
wie der Vereinigung der Principate, der Einführung des universellen Wahlrechts
(votul universal), der Gleichheit vor dem Gesetz, der Befreiung der Bauern aus der
Leibeigenschaft (dezrobirea ţiganilor) war. Im Jahre 1843 wurde die von Nicolae
Bălcescu, Christian Tell, Ion Ghica, Constantin A. Rosetti geführte, weitere geheime
Gesellschaft Frăţia gegründet, welche in Paris eine Filiale hatte – ihr Sekretär war
Constantin A. Rosetti (cf. DR s.v. Heliade-Rădulescu). Viele der späteren
Revolutionäre studierten, wie Ion und Dumitru Brătianu, Ion Heliade-Rădulescu,
Nicolae Bălcescu, Dimitrie Bolintineanu, Constantin Aristia, Cezar Bolliac, Christian
Tell, in Paris. Sie alle nahmen in Paris Ideen des französischen Liberalismus auf oder
kamen zumindest in Kontakt mit ihnen. Durch diese engen Beziehungen der Walachei
mit dem Westen – welche die Moldau nicht hatte – wurde die Reformen, um es im
Sinne Lovinescus zu sagen, in Frankreich (mit)vorbereitet (Lovinescu I [1924], 117).
Ab März 1848 kehrten die rumänischen Intellektuellen aus Frankreich zurück und
setzten in den Monaten April bis Juni 1848 revolutionäre Aktionen um. Die
walachische Revolution brach von Bukarest und von Islaz aus. Am 9. Juni 1848 kam
es hier auf dem Câmpul regenerării zur Versammlung einer großen Anzahl von
Bauern sowie eines Teils des Heeres unter dem Braşover, später als „sabia revoluţiei”
bekannt gewordenen Major Christian Tell, welcher sich für die Gründung und
Finanzierung (înzestrare) einer Nationalgarde einsetzte. Bei dieser Versammlung
konstituierte sich eine provisorische Regierung. Ihre Mitglieder, Ion Heliade-
Rădulescu, Nicolae Golescu und Christian Tell wurden, nachdem sich die
provisorische Regierung auch in Bukarest etablieren konnte, auch Mitglieder der
dortigen Statthalterschaft (Locotenenţa domnească; für die Zusammensetzung der
provisorischen Regierung und des Ministerrates cf. Lovinescu [1924], I, 152 ss). Die
bei Islaz gestellten Forderungen wurden teilweise realisiert, so z.B. die (theoretische)
Abschaffung der Leibeigenschaft (iobăgie) am 8. Juli 1848, der Einsatz eines
rumänischen Diplomaten in Konstantinopel (cf. „Reprezentant al ţării la
Constantinopole dintre români”, A27, Punkt 15, welcher Ion Ghică werden sollte), die
Aufstellung einer gvardie naţională (Georgescu 1982, 156-157) und die Realisierung
einer konstituierenden Wahl aller freien Einwohner; die bereits am 9./22. Juli
einberufene, aus Eigentümern und Bauern gestellten Kommission für die Bodenfrage
einigte sich allerdings nur grundsätzlich für eine Enteignung bzw. Landvergabe an die
Bauern, nicht aber in der Größe der Flächen, weshalb die Lösung dieser Frage auf
später verschoben wurde (ib.). Ab Mai 1849 wurde die russisch-türkische
Fremdherrschaft erneut verstärkt. Nach der Zerschlagung der Revolution sahen sich
164
viele der Revolutionäre gezwungen, das Land zu verlassen. Ion Heliade-Rădulescu
ging, wie Nicolae Golescu und Christian Tell – zusammen hatten sie den gemäßigten
Flügel der Revolution gebildet – auf die Insel Chios ins Exil und kehrten, wie
Christian Tell und Ion Ghica, später in Funktionen des Landes zurück, Ion Heliade-
Rădulescu allerdies gelang dies nicht. Viele der ehemaligen Revolutionäre widmeten
sich nach 1849 publizistischer Aktivität. So schrieb auch Heliade-Rădulescu im Exil,
jedoch manchmal uninformiert und subjektiv über die Ereignisse von 1848 und über
die Meinung darüber im Ausland, zog damit aber die Beachtung der europäischen
Mächte auf die Ţări Române. Nach seinem Exil vor allem in Paris, dann auf der Insel
Chios und erneut in Paris, kehrte er 1859 definitiv nach Rumänien zurück.
Die Revolution der Walachei sollte, indem das Volk, die Jugend, die kleinen Beamten
(funcţionari) und insbesonders auch die Handelsleute (negustorime) gewonnen werden
konnten (Lovinescu [1924], I, 169-171), aber auch die Militäreinheiten unter
Gheorghe Magheru und N. Pleşioanu (Georgescu 1982, 156), die heftigste und,
zumindest für eine Periode von drei Monaten, auch die erfolgreichste der rumänischen
Revolutionen von 1848 sein. Der Ausbruch der Revolution begann mit der
sogenannten Proklamation von Islaz am 9./22. Juni, deren Text im Monitorul Român
veröffentlicht wurde (Carp et al. 2002, 37). Zwei Tage nach dem Ausbruch der
Revolution bei Islaz revoltierte auch Bukarest (Georgescu 1982, 156). Die
Revolutionäre in der Walachei handelten sehr propagandistisch, nicht nur in der
diskursiven Evozierung einer Reihe von „Schlagwörtern“ wie constituţie, revoluţie,
împroprietărire und der symbolische Unterstellung des Textes wie Aktes unter die
traditionelle Autorität der Kirche wie auch der symbolischen Verbrennung des
Regulament Organic, sondern auch durch Maßnahmen wir dem Druck des Textes in
8.000 Exemplaren. Eine Gruppe von (105) Kommissaren wurde aufgestellt wurde, die
den Inhalt der Constituţie der Landbevölkerung näher bringen sollten. Der Text wurde
außerdem im Monitorul Român veröffentlicht (Carp 2002, 37-42).
Unmittelbares Ziel der Revolution war die Abschaffung des russischen Protektorats
über die Walachei (und Moldau), welche sowohl unter türkischer Suzeranität als auch
unter russischem Protektorat stand(en) und damit auch des russisch oktroyierten
Landesgesetzes (cf. „[Popolul român] ... decretă contribuţia generală după venitul
fiecăruia. ... Aceasta cheamă pe toţi la aceleaşi drepturi şi datorii într-o patrie dreaptă,
înfloritoare şi care cu tot dreptul nu va mai putea suferi control străin.”; A9) sowie die
Proklamation als eine Grundlage von Reformpunkten zu legitimieren, auf welcher dem
Land eine neue Verfassung gegeben werden sollte: „Convocarea îndată a unei
Adunanţe generale estraordinare constituante, alese spre a reprenzenta toate interesele
sau meseriile naţiei, care va fi datoare a face Constituţia ţării pe temeiul acestor 21
articole, decretate de popolul român. (A27 Punkt 22).
Generell dürften die unterschiedlichen Lager der Revolutionäre, das gemäßigt-
konservativere um den Intellekuellen Ion Heliade Rădulescu – den Sender der
Proklamation von Islaz – sowie das radikalere Lager um Nicolae Bălcescu besonders
in der Frage des Verhältnisses der Donaufürstentümer zu den für diese entscheidenden
Großmächte auch unterschiedliche Haltungen eingenommen haben, von der
Befürwortung der suzeranitate des Osmanischen Reichs bis zu einer Republik im
165
Bündnis der europäischen Republiken (Lovinescu [1924], I, XII, 154-172). Die Anexe
zur Proklamation von Islaz, welche im Jahre 1850 in Paris veröffentlicht wurden (cf.
die rumänische Übersetzung dieser Fassung in: Opere II, 2002, 701-714), spiegeln
jedenfalls, zumindest aus der Sicht ihres Autors Ion Heliade Rădulescu, einen tiefen
Hass auf den starken Einfluss der Russen und auf das von ihnen der Walachei
oktroyierte Regulament wider. In diesen Anexe drückt Heliade-Rădulescu (Opere II,
2002, 705) diesen Hass so aus: „Regulamentul ... nu e legea ţărei, este expresia
forţei.”. Andererseits wurde Heliade Rădulescu eine atitutine slugarnică faţă de Turci,
also eine der Pforte hörige Position vorgeworfen (Lovinescu [1924], I, 155). Das DL
(s.v. Heliade) zumindest wiederholt diese Darstellung des Sprechers von Islaz: „Adept
al acţiunilor moderate, în opoziţie cu aripa radicală a revoluţionarilor, s-a pronunţat
împotriva împroprietăririi clăcaşilor, pentru o înţelegere cu Turcia şi pentru o
desprindere totală de sub protectoratul Rusiei.”.
Auf den Ton der Proklamation trifft auch zu, was Lovinescu der 1848-er Generation
generell zuschrieb, nämlich in der Bodenfrage eher sanft agiert (Lovinescu [1924], I,
138) und auf guten Willen gesetzt zu haben, um die Landeigentümer nicht zu
schockieren (ib., 169-170). Die Bauern sollten zukünftig zwar Boden erhalten, jedoch
nur soviel, um ihre Familien und Tiere ernähren zu können: „[românii] au drept
înaintea generozităţii proprietarilor, înaintea dreptăţii patriei, îşi cer o părticică de
pămînt îndestulă pentru hrana familiei şi vitelor sale” (Proklamation von Islaz, A15).
Andererseits weist Heliade-Rădulescus Text den traditionellen Usus huldigender
Adressierformeln für die regierende Bojarenklasse (preaînălţat, prealuminat) scharf
zurück („Popolul român leapădă de la sine orice titlu ce i s-a introdus prin corupţie de
la străini în protiva vechilor sale datine.”; „Vorba de prinţ e cunoscută numai de cei ce
ştiu din limbile Europei. Vorbele de preaînălţat, prealuminat sînt nişte traducţii din
limbagiul fanarioţilor, iubitori de titluri.“, A17, A18). In den Anexe verweist er auch
auf, aus der Phanariotenzeit stammende Titel nicht mehr existierender Funktionen -
wie pitar, paharnic, sărdar, temnicer (clucer), dvornic etc., welche das Regulament
tradierte (Opere II, 2002, 711-712, ad Punct 17). Ferner fordert der Text eine
Reduktion des „Haushaltsbudgets” des Herrschers (împuţinarea listei civile, A27,
Punkt 6) zugunsten des Volkes: „La multe trebuinţe ce are patria acum pentru
despăgubire şi atîtea cheltuieli spre înaintarea patriei, popolul român nu mai poate da
domnului o listă civilă atît de mare şi mai vîrtos că, şi fără aceasta, vede că este de
neapărată nevoie ca domnul să dea esemplu mai întîi de simplitate şi de vieaţă
cumpătată.“ (A19).
Die Zahl der auf dem Câmpul libertăţii teilnehmenden Menschen wurde mit 30.000-
40.000 angegeben (Lovinescu [1924], I, 171; Georgescu 1982, 156). Im Rahmen der
Versammlung wurde die Proklamation, deren Programm im Text als Constituţia ţării
bezeichnet wird (cf. A27, Punkt 22; Carp et al. 2002, 37), von Ion Heliade-Rădulescu
vorgetragen und später auch mit Flugblättern in Bukarest verteilt. Der Text wurde von
den Gegnern als liberal und kommunistisch, die Forderung der Abschaffung der
Leibeigenschaft (servitute) der Zigeuner (Absatz 27, Punkt 14) als, Heliade zufolge,
nach „Sozialismus riechend” („acest articol miroase a soţialism) kritisiert (cf. die
Anexe zur Proklamation von Islaz in Heliade-Rădulescu Opere II, 2002, 707, 710-711,
714).
166
VII.2.2. Ion Heliade-Rădulescu und die aufgeklärt-liberale Ideologie der
Proklamation von Islaz
Ion – oder Eliad(e) – Heliade-Rădulescu (6.1.1802 Târgovişte – 27.4.1872 Bucureşti)
gilt allgemein als Sender der Proklamation von Islaz und – mindestens – als einer der
Hauptredakteure des Textes, den Lovinescu an dessen „biblischen Stil” erkannt haben
will, wobei aber Ion Ghica und Constantin A. Rosetti den Text Bălcescu zuschrieben
und Lovinescu auch eine kollektive Autorenschaft nicht ausschloss (Lovinescu [1924],
I, 126 und FN1). Auch scheint es plausibel, dass im April 1848 die Mitglieder der
Frăţie (siehe unten) eine Liste revolutionärer Prinzipien aufstellten, welche die Basis
der Proklamation von Islaz werden konnte. Sein Bildungsweg und seine Aktivitäten
bis 1848 hatten Heliade-Rădulescu jedenfalls für die „Rolle” des Redakteurs und des
Sprechers der Revolution vorbereitet. Heliade-Rădulescu hatte (den Daten im DL, s.v.
Heliade-Rădulescu, zufolge) an der Academia Domnească de la Schitu Măgureanu
über den griechischen Lehrer Constantin Vardalah anhand der Schriften Montesquieus,
Voltaires, Condillacs, Rousseaus, Destutts de Tracy die illuministische Philosophie im
Ansatz kennengelernt. An der Bukarester Lehranstalt Sf. Sava hatte er seinen Lehrer
und zugleich Begründer der Schule, Gheorghe Lazăr (1818-1821), welcher als ein
rumänischer Aufklärer gilt (Popa et al., 1993–2009, s.v. Lazăr), abgelöst. Als einer der
bedeutendsten Verfechter der Entwicklung der rumänischen nationalen Kultur als
Basis für eine staatliche Unabhängigkeit und als eine Schlüsselfigur in der Schaffung
der rumänischen Standardsprache, hatte er im Laufe von 8 Jahren (Heliade-Rădulescu,
Scrieri alese, 1984, 157, Fußnote 1) an einer Grammatik des Rumänischen (erschienen
1828) und bis 1848 (und nach der Revolution) an den Fragen der Orthographie des
Rumänischen gearbeitet.
Von Dinicu Golescu gerufen, hatte sich Ion Heliade-Rădulescu, wie auch Ion Ghica,
an der Gründung der Societatea Literară (1827) beteiligt, dessen Statuten er redigierte.
Sie formulierten das Ziel einer breiten Förderung der allgemeinen Kultur. Im Jahre
1833 war es ihm gelungen, die erste Druckerei der Walachei – „Tipografia lui Eliad” –
zu gründen, die bis in die 70-er Jahre produzierte. Im Jahr 1833 hatte der ferner
gemeinsam mit Ion Câmpineanu und Constantin Aristia in Bukarest die, bis 1838
existierende, Societatea Filarmonică (Popa et al., 1993–2009, s.v.) gegründet, deren
heimliches Ziel es u.a. war, antifeudale Reformen umzusetzen (cf. DL, s.v. Heliade-
Rădulescu). Er war auch Mitglied der 1843 gegründeten Frăţie gewesen, welche 1844
die Zeitschrift Propăşire hervorbrachte, und die eine Filiale in Paris hatte. Studien und
intellektuelle Zirkel, unter letzteren auch eine Freimaurerloge der Republikaner (loja
masonică l’Athénée des Etrangers), vermittelten ihm und der gesamten 1848-er
Generation das aufklärerisch-liberale Gedankengut der Französischen Revolution von
1789, das in den französischen programmatischen Schriften des 18. Jahrhunderts
wurzelt. Die Forderungen der Proklamation von Islaz erinnern mindestens punktuell
z.B. an die von Jean-Jaques Rousseau in Du contrat social (1762) formulierten
Prinzipien der grundsätzlichen Freiheit der Person (Livre I, Chapitre I), der Ablehnung
des Rechts des Stärkeren (I, Chapitre III), der Ablehnung der Sklaverei (I, Chapitre
IV), der Konzeption des Individuums als Bürgers (citoyen) und der souveränen
167
Autorität der Bürgergemeinschaft (I, Chapitre VII), des Rechts auf Eigentum (I,
Chapitre IX), der Unveräußerbarkeit (Que la souveraineté est inaliénable) und
Unteilbarkeit der Souveränität (Que la souveraineté est indivisible; Livre II, Chapitre
I, II), des Allgemeinen Willens (volonté générale, II, Chapitre III) und der Bedeutung
der persönlichen Entwicklung und der natürlichen Fähigkeiten jedes Menschen (in
Émile. Innere Modelle der Proklamation für Islaz waren aber sicherlich auch die der
Revolution vorangehenden Reformtexte der 30-er und 40-er. Heliade-Rădulescu war
außerdem vom illuministischen Ansatz der lange vor Michelets (Le peuble, 1846) oder
Edgar Quinets L’Enseignement du peuple (Paris 1850) wirkenden Siebenbürger Schule
inspiriert, da er wie diese die Chancen einer unabhängigen Nation nur in der
Förderung der Bildung und Kultur der Rumänen sah.
VII.2.3. Typologie und Ko-Diskurse der Proklamation von Islaz
Die insgesamt 43 Absätze umfassende Proklamation von Islaz lässt sehr deutliche
Teile erkennen, einen eher argumentativen, welcher den ersten und letzten Teil des
Textes umfasst (respektive A1-A26 und A29-A40), einen eher programmatisch-
informativen (A27-A28) und einen appellativ-perlokutiven Abschnitt (A41-A43). Der
argumentative Teil enthält viele deklarativ-illokutive Sprachakte, welche das
sprachlich Ausgesagte als synchron zur Aussage vollzogen darstellen (das rumänische
Volk erwacht, anerkennt seine Rechte, bewaffnet sich, erhebt sich, dekretiert,
beschließt, vergibt etc.). Diese sprachliche und textuelle Typologie (Argumentation +
Information + Appell / Mobilisierung) verweist auf eine echte Proklamation. Sie weist
vorwiegend eine <Wir>-Senderschaft gegenüber dem Ihr der Anwesenden, manchmal
aber auch die Spaltung in ein <Ihr> auf: „Nu ascultaţi însă cînd voitorii noştri şi ai
voştri de rău vă vor porunci a da în fraţii voştri ...” (A32). Diskursiv zeigt sich eine
direkt angesprochene landesinterne Adressatenschaft (das Volk) und eine indirekt
angesprochene landesexterne Adressatenschaft (die Außenmächte). Sprachlich fallen
ältere Lexikalisierungen auf wie în cele din întru ale sale (A27, Punkt 1) für <innere
Angelegenheiten> oder independinţa ... din întru (A39) für <Autonomie>. Wie im
Beitrag zu Der politische Diskurs in Rumänien (Papadima, 2003) insbesonders gezeigt
wurde, spiegelt die Proklamation von Islaz verschiedene Diskurse wider. Der
übergeordnete ideologische Rahmen des Textes ist eine religiöser. Die Ereignisse des
Moments sind als von Gott gesegnete (z.B. „Misiunea boierilor este a statornici
dreptatea cerului, dreptatea Evangheliei într-însa; misiunea lor de astăzi are şi mai
mare preţ înaintea lui Dumnezeu”, A30), die diskursiv dargestellte Handlung des
rumänischen Volkes als göttliche Mission (mîntuire, A1; „hotărîrea popolului e sfîntă”
A6) gezeigt. Liturgisch-rituelle Formeln unterstreichen den, wie Lovinescu es
ausdrückte, biblischen bzw. mystifizierenden Ton des Textes („Pace vouă, pentru că vi
se vesteşte libertatea vouă!”, A2; wiederholt in A3). In diese Thematik ordnet sich
auch der im Text aufgebaute Kontrast des bösen – sich nicht an der Revolution
beteiligenden – und des guten und frommen Rumänen ein (A1, A8, A11, A14; ad
Referenz Gottes bzw. Jesu Christi und des Satans, des Evangeliums und der Mission
des Volkes A1, A30, A33, A34, A35, A38, A37 A39, A42 und A43).
168
Eine andere, das Geschehen und das Ziel des Textes motivierende, aber nur in
wenigen Stellen ausmachbare Ideologie ist aufklärerischer Natur (luminile veacului,
A4; reformele cerute de spiritul epohei, A28). Zu ihr lässt sich die, wie es Lovinescu
ausdrückte, frazeologie aus der Französischen Revolution zählen ([1924], I, 128). Sehr
deutlich lassen sich Prinzipien des in der Aufklärung wurzelnden französischen
Liberalismus, dem Volkswillen und der Volkssouveränität erkennen, welche der Text
erstellt (Popolul român hotăreşte / popolul român voieşte / popolul român împarte) und
welche – erneut – von Gott gegeben ist („Puterea suverană purcede de la Dumnezeu şi
în toată ţara se află undeva”). Zu den Ideologemen, welche den französischen,
republikanisch-liberalen entsprechen, lassen sich semantisch auch die
Argumentationspole <Glück / Gemeinwohl> (fericire, 7 mal und binele 2 mal) und
<Schaden> (paguba, insgesamt 12 mal), aber auch die angezielte Erlangung einer
<nationalen Freiheit>/<staatlichen Freiheit> (cf. nächster Abschnitt) zählen.
Im Kontrast zu dieser zeichnet der Text die Reste eines schwindenden Feudalsystems
ab („Popolul român decretă ... desfiinţarea tutulor rangurilor titulare ce nu au foncţii şi
al căror nume nu aduc aminte decît nişte timpi de barbarie şi de servilitate.”; „vergele
de pe spatele voastre cu cari eraţi socotiţi în starea vitelor”; „Cînd veţi lăsa puşca din
mînă, de azi înainte vă aşteaptă o patrie, iar nu claca şi biciul dorobanţului”; A20, A31,
A32, A39).
Die Forderungen von Islaz werden mit der Argumentation alter historischer Rechte
ausgerufen (z.B. A9; dann auch vechile sale drepturi, A16 und A18; tractatel[e] lui
Mircea şi Vlad V[oievod], A27). In seinen Anexe zur Proklamation von Islaz erklärt
Heliade-Rădulescu die Forderungen 1. (administrative und legislative
Unabhängigkeit), 2. (Gleichheit der politischen und zivilen Rechte [der Bojaren]), 3.
(allgemeine [auch für die Bojaren geltende] Steuerpflicht), 4. (eine aus allen
Gesellschaftsschichten gewählte Versammlung), 5. (einen auf fünf Jahre,
verantwortlichen und aus allen Gesellschaftsschichten gewählten Herrscher), 7.
(Verringerung der listă civilă, Reduktion der Möglichkeiten von Korruption), 8.
(absolute Pressefreiheit), 10. (Rekompensationen, die vom Land, nicht vom Herrscher
vergeben werden), 13. (Landschenkung an besitzlose Bauern), 16. (gleiche, für beide
Geschlechter mögliche und kostenlose Bildung) der insgesamt 22 Forderungen als
ehemals oder bis zum Einsatz der Phanariotenherrschaft existierende Rechte und
Landespraktiken, als ein „novum” nur die abolirea servituţii ţiganilor, wie auch die
öffentliche Dekretierung der Abschaffung der Strafe durch Schläge sowie der
Todesstrafe (Punkte 18 und 19), die Rechtsgleichstellung aller Religionen (Punkt 21)
und Aufstellung einer Verfassungsgebenden Versammlung (Punkt 22; Opere II, 2002,
701-714, insbesonders 710, 713-714).
169
Sehr auffällig ist das Paradoxon des Textes, zugleich zu Ordnung / Frieden
(„priveghiaţi a ţine bună orînduială, pentru că datoria voastră această este. Nu ascultaţi
însă cînd voitorii noştri şi ai voştri de rău vă vor porunci a da în fraţii voştri ...”,
„Ţineţi numai buna orîndueală în întru.” (A32 und A39) und Bewaffnung / Kampf
aufzurufen („vrednica de plîns nevoie de a se cere reforme cu mîna armată”, „Cînd
veţi lăsa puşca din mînă, de azi înainte vă aşteaptă o patrie, iar nu claca şi biciul
dorobanţului”, „La arme, români! la armele mîntuirii!” (A28, A32 und letzter Absatz,
A43). Es ist eine gemäßigte Revolution, die sich diskursiv zeigt und das historische
Geschehen begleitete, in welchem die Revolutionäre Kommissäre in die Dörfer
aussandten, um dem Volk die Forderungen zu erklären, aber auch um dieses
aufzurufen, nicht Eigentum zu zerstören oder die Landarbeit nicht zu verrichten (cf.
Opere II, 2002, 710). Desweiteren konstruiert der Text eine Identität der Rumänen,
welche aus ihrer Verbrüderung (cf. die Adressierung am Beginn des Textes: Fraţilor
români sowie A2, A7, A32, A39, A41, A42 etc.), dann auch aus dem gemeinsamen
Namen (nume (glorios) de român in A2, A15, A3), den alten Bräuchen (vechile sale
datine, A7), der gemeinsamen guten Moral (A10 und A15) erwächst und zu einer aus
verschiedenen Gesellschaftsschichten bestehenden Nation / Heimat führt, die, so der
Text, 8 milioane suflete (A40) zählt.
VII.2.4. Die „Staatsreform“ der Proklamation von Islaz
Die Bewertung Ion Heliade-Rădulescus der Proklamation von Islaz widerspricht
derjenigen des rumänischen Verfassungsexperten Eleodor Focşeneanu, welcher sie als
für ihre Zeit sehr progressiv ansah (Papadima 2003). Tatsächlich schlägt sie nicht nur
in ihrem programmatischen Teil Veränderungen zentraler staatlicher Fragen vor,
sondern erläutert diese – oft argumentativ – im Laufe des gesamten Texts. Am Beginn
des Textes wird, nicht mit diesem Wort, jedoch semantisch, die Sicherheit von
Eigentum und Personen eingefordert (Respect către proprietate. Respect către
persoane – (cf. die Überschrift des, dann die als einer proprietate universală
gegenüberstehende proprietatea particulară in A11 und A41). In Absatz 12 wird dies
mit der Forderung der Garantie wiederholt: „Popolul român voieşte pace, voieşte tărie,
voieşte garanţia averilor sale materiale, morale şi politice;” (A12).
Der Text nennt viele Male das <Volk>, welches in den 9 Seiten und 43 Absätzen des
Textes (der Ausgabe Bodea 1982, vol. I, 533-541) insgesamt 34 mal in der
Verbindung mit român erscheint. Das Volk, welches zu allererst als brüderliche
Gemeinschaft konstruiert wird, wird als popolul român in der Bedeutung
<rumänisches Volk> verwendet. Darauf weist Punkt 5 der 1850 in Paris auf
Französisch veröffentlichten Anexe zur Proklamation von Islaz, in denen Ion Heliade-
Rădulescu die Prinzipien der Verfassung von 1848 erläuterte („dând analiza şi
justificaţia principelor Constituţiunii ce românii din autonomia lor şi-au propus în
anul.”; Heliade-Rădulescu Opere II, 2002, 701-714). In der Proklamation wird das
Volk als souveräne Macht dargestellt, welche diskursiv durch seine oftmalige
Subjektfunktion hervorgehoben wird: „[Popolul român] ... decretă contribuţia generală
după venitul fiecăruia. ... Aceasta cheamă pe toţi la aceleaşi drepturi şi datorii într-o
patrie dreaptă, înfloritoare şi care cu tot dreptul nu va mai putea suferi control străin.”
170
(A9; cf. auch suveranit[atea] popolului, A2). Das Volk wird allgemein als
Gemeinschaft von Bürgern dargestellt (cetăţeni/cetăţean, A17, A18, A22, A36),
welche dieselben Rechte und Pflichten und als Bürger auch Würde haben: „Popolul,
decretînd odată drepturile civile şi politice ce le-a avut totdeauna tot cetăţeanul,
declară că tot românul e liber, tot românul e nobil, tot românul e un domn.” (A24; cf.
demnitatea cetăţeanului, A24). Cf. hierzu auch A27, Punkt 18. Nur einmal stehen
pămînteni, Einwohner, als solche den boieri, Bojaren, gegenüber (A35).
Sehr häufig ist die Erwähnung des Landes Walachei. Es wird am häufigsten mit dem
Wort patrie, Heimat (A2, A7, A9, A11, A12, A15, A17, A18, A19, A21, A22, A23,
A32, A33, A35, A36, A40), am zweithäufigsten mit ţară, Land (A9, A17, A18, A20;
cf. Constituţia ţării, A27; A29), am dritthäufigsten mit naţia, Nation (A16; cf. auch
meseriile naţiei, A27, A35, A40) und einmal mit dem Ländernamen Ţeara română
(A17) genannt. Im nicht programmatischen Teil des Textes ist außerdem die
Errichtung einer Nationalbank vorgesehen: „[Popolul român] Decretă dar o bancă
naţională, însă cu fonduri naţionale.” (A12). Und auch auf die Nationalfarben wird –
einmalig - verwiesen: „Cele trei colori naţionale vă sînt curcubeul speranţelor.” (A39).
Das Lexem Nationalität erscheint kollokational im Kontext der Forderung, die
autochthone Sprache im Bildungswesen zu verwenden, diese zu fördern und im
weltlichen wie geistlichen Bereich sowie in der Verwaltung des „Staates” auch als
Schriftsprache zu verwenden: „Popolul ... protestînd asupra relei cugetări de a degrada
şi a ucide naţionalitatea prin scoaterea limbii naţionale din şcoale, decretă o învăţătură
pentru toţi egală, progresivă, integrală pe cît va fi cu putinţă, după facultăţile fiecăruia
şi fără nici o plată; ... decretă ştiinţele, ca şi pînă acum, în limba patriei şi cultura şi
înflorirea acestei limbi după natură şi după originea ei, cu literele sale, atît în cărţile
profane, cît şi în cele sacre, cum şi introducerea literelor în toate cancelariile.” (A23).
Das im Text kreierte Bild ist das der Heimat als guter und gerechter Mutter, deren
Söhne Brüder sind.
Der Text thematisiert implizit verschiedene Stufen von staatlicher und individueller
Freiheit. Zum einen zählt der – diskursiv sehr vorsichtig formulierte – Versuch, die
Kontrolle der Außenmächte über die Walachei abzuschütteln. Die Ablehnung der
äußeren Kontrolle ist insofern vorsichtig formuliert, als dass sie als Aussage eines
untergeordneten Satzes steht: „[Popolul român] ... decretă contribuţia generală după
venitul fiecăruia. ... Aceasta cheamă pe toţi la aceleaşi drepturi şi datorii într-o patrie ...
care cu tot dreptul nu va mai putea suferi control străin.” (A9; Hervorhebung durch
die Autorin). Zur staatlichen Freiheit / Souveränität lässt sich desweiteren die
allgemein behauptete Souveränität des Volkes wie auch diejenige, den
Landesherrscher und die Dauer seiner Regentschaft (auf 5 Jahre) bestimmen zu
können, zählen: „popolul român se deşteaptă la glasul trîmbiţei îngerul mîntuirii şi îşi
cunoaşte dreptul său de suveran.” (A1, cf. auch popolul suveran in A33); „Popolul
român ... voieşte ca Domnul, în care este personificată suveranitatea acestui popol, să
fie tare prin dragostea publică ... şi ca să-l poată afla la alegere astfel, decretă ... a-l
căuta în toate stările soţietăţii, în toată naţia, iar nu într-un număr mărginit de oameni.
Domnia nu e drept de moştenire a nici unei familii, domnia este a patriei.” (A16);
„Puterea suverană purcede de la Dumnezeu şi în toată ţeara se află undeva. În Ţeara
română este în popolul român, ce are dreptul de a numi pe capul cel mai înalt al
171
patriei. Prin urmare, popolul, avînd dreptul suveran, poate revesti cu dînsul pe oricine
va socoti de cuvinţă şi pe cîţi ani i se va părea că-i este mai de folos. Aşadar, decretă
ca domnia să se dea celui ales numai pe cinci ani ...” (A17). Gemäß Lovinescu
([1924], I, 132) sollte die Proklamation von Islaz die Praktik der bis zu diesem
Zeitpunkt so häufig wechselnden Fürsten abschaffen und eine Republik vorschlagen.
Die Selbstbestimmung der Walachei sollte in einem „reprezentant (al ţării) la
Constantinopole, (ales) dintre români” (A27, Punkt 15 und Heliade Rădulescu, Opere
II, 2002, 711) symbolisiert werden.
Andere Textstellen thematisieren hingegen nur eine Autonomie der Walachei in ihrer
Verwaltung, Gesetzgebung und inneren Organisation: „Popolul român voieşte cu o
voinţă tare a-şi păstra neatîrnarea administraţiei sale, neatîrnarea legiuirii sale, dreptul
său suveran în cele din năuntru şi rămîne în aceleaşi legături, şi mai strînse prin
luminile veacului, cu Î. Poartă.” (A4). „Popolul român leapădă un Regulament care
este în protiva drepturilor sale legislative şi în protiva tractatelor ce-i recunosc
autonomia.” (A5); „... popolul român ... decretă: 1. Independenţa sa administrativă şi
legislativă pe temeiul tractatelor lui Mircea şi Vlad V, şi neamestec al nici unei puteri
din afară în cele din întru ale sale.” (A27, Punkt 1; cf. auch A39 und A40).
Als eine Freiheit, welche, so könnte man sagen, die staatliche und die des Individuums
verbindet, dekretiert der Text desweiteren auch öffentliche Freiheit: „[Popolul român]
decretă ... gvardie naţională, în care tot românul ... e ... un garant al libertăţilor
publice.” (A12). Als eine, sozusagen „wirtschaftliche Befreiung” der Fronbauern
deklariert der Text die Emanzipation der Fronbauern, indem sie ein Stück Land
erhalten, für das die Landbesitzer entschädigt werden: „Emancipaţia clăcaşilor, ce se
fac proprietar prin despăgubire” (A27, Punkt 13). In den Anexe erklärt Heliade-
Rădulescu ([Academia Română], Opere, II, 2002, 708) die clacă als ehemals zur
Unterstützung der ökonomisch schwächeren Bauern ohne Besitz durch die
wirtschaftlich stärkeren landbesitzenden eingerichtet; erst die Condica von Caragea
(1818) und das Regulament (der Walachei, 1831) hätten aus dem ehemals freien
Bauern einen serv, vasal oder corvee gemacht; der vorgesehene kleine Landteil sei
zum Zwecke erdacht gewesen die Gemeinde zu stärken („spre a forma comuna”).
Dazu schafft der Text, zumindest diskursiv, unter Punk 14 des Programms die
Leibeigenschaft der Zigeuner ab („Desrobirea ţiganilor prin despăgubire” A27). In den
Anexe erklärt Heliade-Rădulescu diesen Punkt („Abolirea servituţii ţiganilor printr-o
indemnitate.” ([Academia Română], Opere, II, 2002, 710, Punkt 14) als progressiv
und nicht in den alten Gesetzen vorhanden. Es fällt auf, dass an anderer Textstelle die
Befreiung präzisiert und auf die – von Privaten abhängigen – Zigeuner eingeschränkt
wird (also nicht für Herrscherhäusern oder Klöstern dienende Zigeuner gilt): „Popolul
român leapădă de pe sine neomenia şi ruşinea de a ţine robi şi declară libertatea
ţiganilor celor particulari.” (A22, Hervorhebung durch die Autorin). Desweiteren
deklariert der Text, erneut sehr vorsichtig, eine gewisse (neue) Selbstverwaltung der
Klöster des Landes bzw. ihren teilweisen Entzug von ihrer Bestimmung durch die
Klöster der Heiligen Orte sowie, den Anexe gemäß ([Academia Română], Opere, II,
200, 708) russischem Einfluss: „Emancipaţia mînăstirilor închinate“ (A27, Punkt 12):
Auch hier wird pragmatisch zunächst in einem ersten Teil eines langen Satzgefüges
die volle Huldigung der Heiligen Orte und ihrer Belieferung mit Produkten versichert,
172
im zweiten Teil jedoch, gestützt durch eine Argumentation, der
Einkommensüberschuss der Klöster als von der Walachei „autonom” verfügbar
beansprucht:
„Popolul român, în generozitatea şi evlavia sa, se închină locurilor sfinte şi va
trimite de acum înainte la Sfîntul Mormînt şi la alte aşezăminte religioase
untdelemn, tămîie, făclii şi însuşi bani spre ţinerea de şcoale, de preoţi, spre
lauda lui Dumnezeu; şi tot spre adevărata laudă a celui ce s-a răstignit spre
desrobirea celor săraci decretă ca prisosul veniturilor mînăstireşti să fie al ţării,
spre desrobirea şi ajutorul celor săraci, şi reclamă moşiile mînăstirilor închinate
a le scoate de sub orice mîncătorie.” (A14).
Klar formuliert drückt der Text auch die Forderung der Meinungsfreiheit aus: „Popolul
român decretă tipar liber, cuvîntare liberă, adunări libere, spre a vorbi, a scrie cele de
folos, spre a arăta adevărul.” (A11; cf. auch „Libertatea absolută a tiparului.”, A27,
Punkt 8). Heliade-Rădulescu meinte dazu, dass es niemals in der Moldo-Valahia, nicht
einmal durch das Regulament, eine Zensur gegeben hätte und diese nur im mündlichen
Befehl des russischen Konsuls [Kiseleff] begründet gewesen sei ([Academia Română],
Opere, II, 2002, 706-707).
Ein weiteres Konzept demokratischer <Staatlichkeit> ist der <allgemeine Wille> oder
die <öffentliche Anerkennung>, der/die sich im <Wollen>, in der gemeinsamen
<Zustimmung> zur Herrscherwahl sowie in dem <Vertrauen> des Volkes
widerspiegelt: „Popolul român voieşte cu o voinţă tare a-şi păstra neatîrnarea
administraţiei sale, neatîrnarea legiuirii sale, dreptul său suveran în cele din năuntru şi
rămîne în aceleaşi legături, şi mai strînse prin luminile veacului, cu Î. Poartă.” (A4, cf.
auch <a voi> in A7, in A12 dreimal; cf. auch „ ... Domnul ... să fie tare prin dragostea
publică ...”, „... domnia să se dea celui ales numai pe cinci ani ... spre a pune o
emulaţie între cetăţeni a fi buni, întregi şi folositori patriei ca să tragă încrederea
publică.” (A6, A17). Auch lässt sich – wenn auch bei Lovinescu ganz anders und im
Sinne seiner Zeit marxistisch-leninistisch als Aussöhnung im Sinne eines
Klassenkampfes interpretiert ([1924], I, 128) – ein frühes und noch archaischer
lexikalisiertes Konzept <staatlichen Gemeinwohls> skizzieren (in voitorii de rău ai
fericirii publice, A2; binele / fericirea tutulor stărilor soţietăţii, A2, A3, A8; binele,
A2 und A32; Hervorhebung durch die Autorin).
In einer Serie von Textstellen werden verschiedene Bereiche von <Gleichheit>
thematisiert. Zumindest diskursiv stellt der Text dem rumänischen Volk gleiche zivile
und politische Rechte aus: „Popolul român ... decretă, după vechile sale datine,
aceleaşi drepturi civile şi politice pentru tot românul.” (A7; cf. auch „Egalitatea
drepturilor politice”, A27, Punkt 2). In den Anexe allerdings präzisierte sich Heliade-
Rădulescu, dass hierbei die zivilen, militärischen, richterlichen und priesterlichen
Laufbahnen gemeint gewesen seien, welche auch für die einheimischen Bojaren
erreichbar sein sollten und nicht nur die landesfremden (([Academia Română], Opere
II, 2002, 701 ss). Eine gewisse – gerechterweise angezielte – Gleichheit unter der
Bevölkerung wird in der Aufhebung der Fronarbeit und Leibeigenschaft suggeriert:
„Popolul român împarte dreptatea deopotrivă la toţi şi dreptatea o dă pentru toţi, şi mai
173
vîrtos pentru cei săraci. ... Claca dar şi acea infamă iobăgia se desfiinţează ... săteanul
fără pămînt se face proprietar ...; vistieria va despăgubi pe toţi.” (A15). Auch
verlangte, wie oben schon gezeigt wurde, der Text, dass die ehemals von Fremden
eingeführten Titel [für die Landesherrscher und Beamten am Hof und der Verwaltung]
abgeschafft werden (A17). Auch wird Gleichheit für alle, in der Möglichkeit, sich
nach den Fähigkeiten eines jeden zu bilden, verlangt: „Popolul ... protestînd asupra
relei cugetări de a degrada şi a ucide naţionalitatea prin scoaterea limbii naţionale din
şcoale, decretă o învăţătură pentru toţi egală, progresivă, integrală pe cît va fi cu
putinţă, după facultăţile fiecăruia şi fără nici o plată;” (A21; A27, Punkt 16). Zudem
wird die Abschaffung der Bestrafung mit Schlägen ausgerufen („Desfiinţarea pedepsei
degrădătoare cu bătaia.”, A27, Punkt 18) und somit eine Angleichung in der
Bestrafung / Züchtigung angezielt, denn das Regulament hatte erst die Strafe mit
Schlägen für Bojaren und Offiziere abgeschafft und erst die „Verfassung”, wie es
Heliade-Rădulescu ausdrückte, schuf diese Strafe auch für săteni, Bauern, und
Soldaten ab ([Academia Română], Opere, II, 2002, 713). Auch in der Frage der Steuer
verkündet der Text grundsätzliche Gleichheit und Proportionalität: „[Popolul român]
... decretă contribuţia generală după venitul fiecăruia.” (A9; Contribuţia generală,
A27, Punkt 3). Dieser Grundsatz war gegen die Steuerbefreiung der autochthonen
titeltragenden Bojaren gerichtet. Unter Nicolae Mavrocordat (mehrmalige Herrscher
der Moldau und der Walachei im Zeitraum 1709-1730) waren auch sie, wie
ursprünglich die landesfremden bei, privilegiert geworden ([Academia Română],
Opere, II, 2002, 702-703). Als letzten Punkt fordert das Revolutionsprogramm von
Islaz die politische Gleichheit aller Konfessionen: „Emancipaţia israeliţilor şi drepturi
politice [egalitatea politică] pentru orice compatrioţi de altă credinţă [pentru toţi
pământenii de orice religie].” (A27, Punkt 21; ib., 714]).
Die Revolutionäre der Versammlung bei Islaz forderten außerdem die Mitbestimmung
des Volkes in Staatsangelegenheiten. Hierzu zählt eine aus allen stări,
Gesellschaftsschichten gewählte Generalversammlung („Adunare generală compusă
de reprezentanţii aleşi din toate stările soţietăţii.”, A27, Punkt 4), das allgemeine freie
Wahlrecht und ein, aufgrund von Moral und Meriten aus allen Klassen der
Gesellschaft gewählter und – im Gegensatz zu der im Regulament festgelegten
lebenslangen Herrschaft ([Academia Română], Opere, II, 2002, 705) – einen für fünf
Jahre bestimmten Landesherrscher: „Popolul român … decretă de azi înainte alegerea
largă, liberă, dreaptă, unde tot românul are dreptul de a fi chemat şi unde numai
capacitatea, purtarea, virtuţile şi încrederea publică să-i dea dreptul de a fi ales.“;
„Popolul român, după vechile sale drepturi, voieşte ca Domnul, în care este
personificată suveranitatea acestui popol, să fie tare prin dragostea publică, drept,
luminat, voitor de bine patriei, bărbat întreg şi ca să-l poată afla la alegere astfel,
decretă, după vechile sale drepturi, a-l căuta în toate stările soţietăţii, în toată naţia, iar
nu într-un număr mărginit de oameni. Domnia nu e drept de moştenire a nici unei
familii, domnia este a patriei.” (A10, A16, cf. auch Punkt 5 der Proklamation). Auch
nach Lovinescu ist, nach dem oligarchischen System des Regulaments, der große
Fortschritt der Proklamation von Islaz der vot universal gewesen ([1925], II, 27).
Im programmatischen Teil, Punkt 22, wird in der Institution der Adunanţe generale
estraordinare constituante, und in Punkt 9 („recompensă să vie de la patrie…“;
174
[Academia Română], Opere, II, 2002, 707) implizit eine Gewaltenteilung vorgesehen.
Andererseits zeichnen sich durch das Ziel stärkerer Gesetzlichkeit und
Kontrollierbarkeit auch noch Phasen der Überwindung von willkürlicheren Funktionen
im „Staate” wider. Hierzu zählt die Vorsehung einer gardie naţională (sic), welche, so
präzisierte Heliade-Rădulescu in den Anexe zur Kontrolle der Einnahmen von
Lebensmitteln wie Brot (pitărei), alkoholischen Getränken (căminărei), oder für den
Ausschank (păhărnicei) und für am Hof mit verschiedenen Diensten Beauftragte
(postelnicei) hätte dienen sollen (ib., 707-708): „[Popolul român] decretă ... gvardie
naţională, în care tot românul se naşte al ei soldat, tot românul e un gvardian al fericirii
publice, un garant al libertăţilor publice.” (A12; cf. Gvardie naţională in A27, Punkt
11). Hierzu zählt auch die Forderung der Verantwortlichkeit der Minister: „Popolul
român decretă şi hotărăşte responsabilitatea miniştrilor şi cu un cuvînt a tutulor
foncţionarilor publici.” ([înaintea Adunării generali a reprezentanţilor naţiunii, ib.,
706]; A6 und A27, Punkt 7.).
Resümierend stellen wir fest, dass die Proklamation von Islaz in verschiedener
Intensität folgende Grundbegriffe der Erklärung der Menschenrechte thematisiert:
<Freiheit / Souveränität / freie Meinungsäußerung>, <Eigentum>, <Sicherheit>,
<öffentliche Meinung>, <Gleichheit>, <Steuerbeitrag>, <Gemeinnutz>. Der Begriff
von <Widerstand / Petition> fehlt, möglicherweise aufgrund des – trotz revolutionärer
Proklamation – dennoch relativ pragmatischen Tons der Revolutionäre. Anders als die
in unserer Studie behandelten Texte vor ihr, konzeptualisiert sie auch, skizzierend oder
eingehender, einige der staatstragenden Begriffe wie <Bevölkerung>, <Volk /
Nation>, <Staatsbürgerschaft>, <Trennung der Gewalten>, <Staatsnamen>,
<Vaterland>. Auch wenn die Proklamation von Islaz die weiteren staatstragenden
Grundbegriffe wie <Staatsgewalt>, <Repräsentativität der Gewalten>, <Territorium>,
<Hauptstadt>, <Wohnsitz>, <Grenze> noch nicht widerspiegelt, zeigt der Text
dennoch einen deutlichen konzeptionellen Fortschritt des sich formierenden „Staates”
der Walachei und somit des zukünftigen Staates Rumänien.
VII.3. Dorinţele Partidei Naţionale din Moldova von Mihail Kogălniceanu (August
1848)
VII.3.1. Historischer Kontext der Dorinţele Partidei Naţionale din Moldova
Die Revolution in Jassy, welche von Lovinescu als keine wirkliche Revolution
eingestuft wurde ([1924], I, 84), dauerte nur ein paar Tage (Georgescu 1982, 156). Sie
begann, dem hier analysierten Text zufolge, am 28. März 1848 (am 27. März / 8. April
1848 nach Georgescu 1982, 155), als sich in Jassy einige hundert Personen beim
„Otelul de Petersburg” zu einer friedlichen Manifestation (cf. „Pacinica manifestaţie
din 28 mart avu loc.”, A86) versammelten und eine an bzw. gegen Fürst Mihail Sturza
gerichtete Petition verabschiedeten (A1, A7; Lovinescu [1924], I, 85). Unter den
Petitionspunkten dürften, nach Georgescu (ib.), insbesonders die Forderungen, die
bestehende adunare obştească durch eine, die Nation de facto repräsentierende zu
ersetzen, wie auch eine gardă cetăţenească aufzustellen, den Fürsten erzürnt haben.
Jedenfalls reagierte dieser mit heftigen Repressionen (Crudele şi nelegiuite pedepse,
<închidere în mănăstiri>, <aruncare peste hotar>, spaima, pedepsele, lovirea libertăţii
175
şi a intereselor materiale, pâri mincinoase, calomnia etc. in A1 und A4; auch A5),
welche vom 1. April bis zur Redaktion des Textes, Ende August 1848, andauerten
(Dorinţele, A1, A2). Dreihundert Revolutionäre wurden gefangengenommen
(Georgescu 1982, 156), viele flohen oder wurden gezwungen, ins Exil zu gehen. Bis
zum 19. Juli 1848 hatte sich die Haltung der Schutzmacht Russland zu den Ereignissen
derart verschlechtert, dass eine russische Depesche des Grafen Nesselrode diese als
revolutionär und scharf verurteilte (A21, A87).
Von den Außenmächten war in erster Linie Russland konsterniert, insbesonders gegen
die vorgeschlagene Vereinigung der Fürstentümer, welche Mihail Kogălniceanu aber
im Reglement [Organic] selbst als vorgesehen verstand (A68). Konstantinopel und
Sankt-Petersburg setzten zur Untersuchung der Situation in den Fürstentümern je einen
Kommissar, namentlich Talaat Efendi und Duhamel ein (Dorinţele, A2, A86) und die
Moldau wurde besetzt (A3, A5, A86). Der Text zeigt, dass sich Mihail Kogălniceanu
bezüglich der Geschehnisse in der Moldau der Kontrollinstanz und Gunst Europas für
die Moldau sicher war oder sich als dieser sicher darstellen wollte (A6; „în fiinţa
Europei, care simpatizează cu noi“, A7; auch A88) und auch, dass er versuchte, die
Bulgaren und Rhomäer (rumelioţi) auf die Seite der Moldau zu ziehen (A88).
Argumente für die Legimität der Geschehnisse in der Moldau entnimmt der Autor der
(pro-unionistischen) Argumentation des jurnalul din Constantinopol vom 26. Juni
sowie, sehr lapidar, der Ideologie von Emmerich de Vattel. Die Hohe Pforte wird als
Bündnispartner angepeilt und die geplante Vereinigung der Fürstentümer als im
Interesse dieser dargestellt:
„Reglementul organic … este contrariul spiritului tuturor tratatelor şi loveşte şi
driturile Turciei şi Moldovei“; „Unirea Principatelor ... ar întări însă şi legăturile
care se lipesc către puterea suzerană;”, „Turcia, prin mai multe dovezi, ne-a
arătat că nu ne este contrarie: în adevăr, ea simţeşte că este atât interesul său cât
şi al nostru, ca România să fie tare şi neatârnată în cele din lăuntru ..” (A19,
A68, A69, A94, A95).
Mihail Kogălniceanu unterstreicht im Weiteren auch, dass eine Vereinigung der
Fürstentümer die Rumänen nicht aus dem Verband mit der Türkei lösen würde („o
despărţire la care românii nici nu gândesc”, A88). Auch zeigt der Text den Versuch,
Russland gegen die Pforte auszuspielen. Der Nachtrag zum Reglement, durch welchen
jede Änderung des Gesetzes durch Russland und die Pforte bestätigen werden musste,
würde die Rechte der Pforte übertreten (A82). Dass Russland damit die Bedeutung der
Pforte untergrabe, kommt mehrfach zum Ausdruck (punerea trimişilor turcesti într-o
poziţie cu totul secundară şi nebăgată în seamă, A91, auch A92). Die im Text
verwendete Bezeichnung des Sultans entspricht der Kogălniceanus Zeit gemäßen
Anrede augustul nostru suzeran (A67).
Mihail Kogălniceanu, der sich der dringenden Notwendigkeit von Reformen sehr
bewusst ist (A67), redigierte in seinem Exil in Chişinău mehrere Reformtexte im
Auftrag des moldauischen Revolutionskomitees. Unter diesen ist vor allem auch sein
Verfassungsprojekt, Proiectul de constituţie pentru Moldova zu nennen.
Vorgeschlagen werden darin eine aus Vertretern aller stări zusammengesetzte
176
Adunarea obştească; dann auch Wahlorgane (cadrele electorale), die sich aus
Bodenbesitzern, dann den Vertretungen der Zünfte (slujbaji starostii corporaţiilor),
bestimmten Kaufleuten (negustorii patentaţi de clasa I) und einer Vertretung aus den
Landregionen (dem vornic und întâiul paznic der sate) etc. bestehen; desweiteren eine
Wahlversammlung, welche den Landesherrscher, aber auch den Metropoliten und die
Bischöfe wählt („Adunarea alege pe domn, pe Metropolit, pe episcopii”), eine
legislative und über Budget und Steuern entscheidende Allgemeine Versammlung („ea
votează legile, bugetul, creditele, dările”); eine konstitutionelle Gewaltenteilung
(„domnul... are toate prerogativele unui principe constituţional; sancţionează legile...
Puterea judecătorească e ... despărţită de puterea legiuitoare şi executivă”), die
politische Gleichheit der Bewohner, bei gleichzeitiger Abschaffung aller Titel und
Privilegien („odată cu egalitatea politică şi civilă, se suprimă pe viitor toate titlurile
nobiliare, privilegiile de naştere sau personale”), Abschaffung des Frondienstes und
die Landvergabe von einem bestimmten Maß Land an die Bauern („se suprimă
boerescul, dijmele”; „se împroprietăresc gospodarii satelor cu câte 2 ½ fălci fiecare”),
die Säkularisierung der Klösterbesitze („se secularizează averile mănăstireşti), die
Abschaffung der Zensur („se suprimă censura”), die Respektierung der Freiheit der
Person („se proclamă libertatea individuală”) etc. Dieses Verfassungsprojekt
begründet auf den Dorinţe, die insbesonders, wie auch die Analyse zeigen wird,
historische Rechte geltend machen wollen (Lovinescu [1924], 88-114; auch Carp
2002, 34). Für unsere Analyse wählten wir die Dorinţele, weil sie wegen der
umfassenderen Argumentation ihres Verfassers eine breitere Basis für unsere spätere
Synthese geben (Kap. XI).
VII.3.2. Staatskonzeption, Ideologie und politische Terminologien der Dorinţe
Auf die große Bedeutung des aus Jassy stammenden Intellektuellen, Historikers und
Politikers Mihail Kogălniceanu (1817-1891) und seiner Funktion als einer der
wichtigsten Träger und Verbreiter der – programmatischen – Ideologie der 1848-er
Generation und einer der bedeutendsten Staatsmänner des zwischen 1848 und 1877
enstehenden Nationalstaates haben wir mehrfach hingewiesen. Sie ist nicht zuletzt der
Monographie von Zub zu entnehmen. In seiner theoretischen Konzeption des Staates
folgte Mihail Kogălniceanu, so Lovinescu, dem klassischen deutsch-englischen
Staatsmodell ([1924], I, 92-98), welches von einer, einem Organismus gleich,
allmählichen Evolution des Staates ausgeht. Dieser Ansatz spiegelt sich im Text
punktuell wider, z.B. im Kontrast zwischen einer zum Tode der Nation führenden
Reformlosigkeit und Stagnation sowie, andererseits, einem Wachstum der Gesetze,
von Fortschritt und Perfektion, für welche die Völker gemacht seien:
„Reglementul ... ce este mau rău şi mai nenorocit, că ... loveşte cu imobilitate în
contra legilor progresului şi a perfectibilităţi pentru care toate popoarele sunt
făcute. Când o naţie nu înaintează, ea dă înapoi, şi aceasta în veacul nostru este
mai adevărat decât orişicând … „Reglementul … ne osândeşte a fi staţionari; şi
starea de pe loc, imobilitatea este moartea unei naţii.“; „O lege fundamentală a
Ţării trebuie însă să fie o plantă indigenă, expresia năravurilor şi nevoinţelor
177
naţiei.“; „Reglementul dar nefiind nicidecum expresia voinţei moldovenilor...“
(A20, A21).
Der Text unterscheidet deutlich die einzelne Person (individ) vom Staat (A90) und
drängt vehement darauf, die missliche Lebensbedingung der locuitori săteni, der
breiten Bevölkerung, zu sehen: „Locuitorii săteni sunt, mai ales, în cea mai ticăloasă
stare, nefiind decât nişte instrumente de muncă în mâinile guvernului, ale
proprietărilor şi ale posesorilor de moşii, în practică lipiţi încă pământului, pe care de
sute de ani îl lucrează în folosul altora, şi prin urmare întorşi la vecinătate.” (A67). Der
Autor drängt auf eine Landzuteilung an diese, denn sie stellten die größte Gewalt im
Staate dar (puterea cea mai mare a unui Stat). Die Stärke und der Wohlstand eines
Landes müsse sich auf der Stärke und dem Wohlstand der Mehrheit begründen
(„Puterea şi fericirea unui stat se află în puterea şi fericirea mulţimii, adică a naţiei.”,
A67), sowie auf dem materiellen, moralischen und intellektuellen Wohlstand aller
(„Fericirea unui popor este însă numai în bunăstarea sa materială, morală şi
intelectuală”, u.a. A93). Die große Mehrheit der Moldauer seien aber keine Bürger, da
sie vollkommen rechtlos seien und sie allein die Pflichten des Landes tragen würden:
„Moldova ... n-are mai mulţi cetăţeni; căci toţi ceilalţi care peste aceşti trei mii
de privilegiaţi şi până la un milion şi jumătate formează populaţia ţării, sunt
numai nişte locuitori dezbrăcaţi de toate driturile, de toată buna stare materială
şi intelectuală şi supuşi numai dărilor şi greutăţilor ţării.” (A67).
Hingegen sei die Entwicklung des Landes nur auf der Verleihung von Rechten
(Bodenbesitz) an die niedere Bevölkerung zu begründen, nur diese garantiere eine
Liebe zur Heimat und damit ein zukünftig starkes Land:
„dacă vroim serios să ne civilizăm ţara, trebuie să avem mulţi proprietari.
Numai o ţară ce are mulţi proprietari este tare; căci numai acolo unde este
răspândită iubirea pământului, este răspândită şi iubirea patriei.” (A67).
Als Argument für die Abschaffung der Leibeigenschaft zieht Mihail Kogălniceanu den
Vergleich der <(in diesem Punkt) rückständigen> Moldau mit dem <moderneren>
Siebenbürgen, der Bukowina, der Walachei und mit der Rechtslage in Europa (A89)
und im Osmanischen Reich heran:
„Astăzi mai toată Europa au oborât munca silită, numită robotă, clacă, boieresc,
sau cu orice altă numire. Chiar în Turcia, şi anume în Bosnia, augustul nostru
suzeran a desfiinţat-o.” (A67; auch A88).
Mihail Kogălniceanu unterstellt, wie einige der Verfasser unserer anderen Quellen,
seine Forderungen für Staatsreformen immer wieder der Legitimität der Zeit / der
Bewegungen in Europa (A94, 95), welche Recht vor Stärke/Gewalt walten ließen:
„[moldovenii] cer ca şi driturile lor să fie respectate dacă este ca dreptatea, iar nu
puterea să prezideze la soarta lor“ (A8). Präziser gesagt, folgten die Reformpläne dem
Zeitgeist der Aufklärung (după luminile şi trebuinţele epocii; A21) und entsprächen
den constituţiile altor popoare (A21). Nur an dieser Stelle des Textes werden die
178
Forderungspunkte wörtlich mit Verfassungsmäßigkeit assoziiert, allerdings wird an
anderer Stelle dem Fürsten – gerade in der Ablegung seiner direkten judikativen Macht
– ein souveräner Aspekt zugeschrieben: „Domnul prin însăşi fiinţa sa de domnitor
trebuie să se ţină departe de luptele judecătoreşti ale particularilor; căci prin
amestecarea sa în ele nu face decât a-şi comprometa influenţa suverană“ (A43).
Weitere Argumente für die Reformforderungen sind <im Inneren der Länder
gewachsene Bedürfnisse> und <Rechtmäßigkeit>. Dabei betont Mihail Kogălniceanu,
dass die Reformen die hohen Gesellschaftsklassen nicht beschränken, sondern nur eine
Verbesserung der niederen mit sich bringen sollen:
„Reformele însă, ce atât Valahia cât şi Moldavia doresc ... sunt curat
pământeşti, pentru că au originea lor în pământul nostru, şi mântuitoare, pentru
că sunt drepte pentru toţi. Ele nu jignesc pe nime, nici în cele din afară, nici în
cele dinlăuntru. În cele din afară, românii, chiar să vrea, n-ar putea să fie
apăsători. În cele dinlăuntru, prin aceste instituţii, ei nu pretind nicidecum de a
înjosi clasele cele înalte – precum oareşicari duşmani ai binelui ar vroi să înşele
opinia publică, – ci numai de a ridica clasele cele apăsate.” (A93).
Dorinţele äußern auch einen illokutiven Sprachakt, der, zumindest diskursiv, eine
Gleichheit der Gesellschaft erschafft: „intitulaţii aristocraţi, de la sine şi cu bucurie se
lepădă de privilegiile de le au, sau prin moştenire, sau prin legile înfiinţate.“ (A58).
Das Vereinigungsziel der Fürstentümer (A95) argumentiert Mihail Kogălniceanu
wirtschaftlich und aus dem Staatswohl heraus, und er stellt es in gewisser Weise als
organisch motiviert dar („spre a scăpa de îndoitele şi însărcinătoarele cheltuieli ale
ţinerii a doi domni, a două ministere, a două administraţii şi a două ştaburi ale oştirii,
şi totodată a scăpa , poate, ... şi de două izvoare de corupţie ...; o Unire, care este
dictată atât de vederat prin aceeaşi origine, limbă, obiceiuri şi interese”, A95, auch
A96).
Eugen Lovinescu schätzte Mihail Kogălniceanu als demokratisch, nicht jedoch als
liberal – im Sinne der muntenischen Revolutionäre – ein. Die traditionalistisch-
konservative Linie zeige sich insbesonders in der Frage der Juden, die in Islaz viel
weitreichender, von Kogălniceanu restriktiver, gedacht worden wäre. Auch hätte sich
Kogălniceanu später gegen die Rechte der Juden ausgesprochen (Lovinescu [1924], I,
92-98). Ein Vergleich zeigt de facto, dass die muntenischen Revolutionäre politische
Rechtsgleichheit für israelitische Einwohner, Mihail Kogălniceanus Text nur eine –
vager bleibende – Verbesserung ihrer Situation forderte: „Emancipaţia israeliţilor şi
drepturi politice [egalitatea politică] pentru orice compatrioţi de altă credinţă.”
(Proclamaţia de la Islaz, A27, Punkt 21) vs. măsuri umane şi progresive für einen
verbesserten status quo der Israeliten (Dorinţele, A49, Punkt 27).
In Hinblick auf die politischen Terminologien im Text fällt auf, dass Mihail
Kogălniceanu die Petition als nicht radical (A7), die Moldauer als keine rebeli (A8)
und die revolutionäre Gruppierung um ihn, partida naţională, als moderată bezeichnet
(A3, A4), das Agieren von Mihail Sturza hingegen als purtare scandaloasă, urgia
domnească, Terorismul (A3, A4). Die russische Depesche vom 19. Juli habe die
gestellten Forderungen als „plagiat al propagandei democratice şi socialiste“ (A21)
179
dargestellt. Es erscheinen aber nicht nur die Lexeme demokratisch und sozialistisch als
negativ konnotiert, sondern auch der Begriff <aristokratisch>: „Clerul cu Metropolitul
în cap ... boierii cei mai însemnaţi, bătrâni şi tineri, toţi bărbaţi vrednici, amploiaţi,
profesori, avocaţi, literaţi, clasa neguţitorească, toţi aceştia, care constituează adevărata
Moldovă, înaintea ochilor Măriei Sale ... sunt aristocraţi.” (A4). Das – im Munde des
Fürsten als Schimpfwort verwendete – Wort aristocraţi (A4) evaluierte Mihail
Kogălniceanu jedoch mit der positiven Bedeutung guvernul celor buni positiv (A4)
und nahm es als Bezeichnung seiner politischen Gruppierung auf: „intitulaţii
aristocraţi, de la sine şi cu bucurie se lepădă de privilegiile de le au, sau prin
moştenire, sau prin legile înfiinţate.“ (A58).
Dem Fürsten wiederum spricht unser Autor die Eigendarstellung als liberal ab. Mihail
Kogălniceanu selbst schlägt im Text măsuri progresive für die Israeliten vor. Er nennt
die Verwendung der Einkommen mancher Klöster einen scandal public (A50) und er
betont immer wieder, dass die Forderungen nicht außerhalb der bestehenden Gesetze –
des Reglement – sind, sondern aus historischer Legitimation erfolgten (auch Lovinescu
[1924], I, 84), während es der Landesfürst ist, welchem er gesetzloses Handeln
vorwirft. Fürst und partida naţională werfen sich gegenseitig plecări retrograde,
Tendenzen vor, die für die Entwicklung des Landes hindernd sind (A6). In einigen
Passagen erinnert der Diskurs an die Rhetorik der Proklamation von Islaz, so in der
Ausnützung <von Vielen zugunsten einiger Weniger> (A67, A96), in der
Formulierung, dass das rumänische Volk zu Wohlstand gerufen sei; in der Verwenung
des Verbs a lepăda in der Kollokationa a se lepăda de o protecţie (A91), dann auch in
der Versicherung, dass niemand im Äußeren sich von den Reformen beschnitten sehen
müsse („Ele [Reformele] nu jignesc pe nime, nici în cele din afară, nici în cele
dinlăuntru. În cele din afară, românii, chiar să vrea, n-ar putea să fie apăsători.”, A93),
desweiteren in den nicht häufigen biblischen Assoziationen (în contra principiilor
evanghelice şi ale adevăratei libertăţi, A67; „Reformele însă, ce atât Valahia cât şi
Moldavia doresc ... sunt curat pământeşti, pentru că au originea lor în pământul nostru,
şi mântuitoare...”, A93).
VII.3.3. Die wichtigsten Isosemien oder Prioritäten der Moldau nach den Dorinţe
Die Dorinţe thematisieren eng miteineinander verbundene Probleme der Moldau, auf
deren Hintergrund Mihail Kogălniceanu seine Reformvorschläge macht. Der Text baut
erstens eine bipolare Isosemie auf von <Willkür/Missbrauch> (regeneraţia Moldovei
îngenuncheată sub Mihail Sturza, A7; asupriri und arbitrarul, A67), <Repression>
(siehe IX.1.), <Gesetzlosigkeit / Nichteinhaltung des im Reglement Fixierten>,
<absoluter Herrschaft/Feudalismus> (z.B. A59) durch den regierenden Mihail Sturza
oder generelle <Gewalt des Stärkeren> (z.B. „Şi chiar în zilele de astăzi, câte moşii
răzăşeşti s-au desfiinţat prin silă şi strâmbătate?”, A67; auch A68) , <Illegalität> (in
A3, A4, A7) sowie andererseits von <Recht(mäßigkeit)>. Diese Felder stehen
außerdem in enger Verbindung mit der Thematisierung des <Wohls des Landes>,
fericirea ţării („Reglementul organic nu poate nici într-un chip să facă fericirea ţării“,
A19, auch A7, A62, A67) sowie dem <Gemeinnutzen des Landes> (folosul ţării,
A64). Auch baut der Text ein Feld auf von <Rückschritt> und <Fortschritt> und
180
legitimiert die Moldauer aus göttlicher Sicht, für ihre Bedürfnisse, konkret für die
verlangten Reformen, einzustehen: „moldovenii ar fi vinovaţi înaintea lui Dumnezeu, a
popoarelor şi a lor însuşi, dacă nu şi-ar declara făţiş, fără sfială, şi în adevăr; Care sunt
dorinţele si nevoinţele lor, care sunt instituţiile ce le socot neapărate pentru fericirea
lor, şi fără care nu poate să fie în ţară nici pace, nici propăşire.“ (A7, A67).
Die Semantik der <Gesetzlosigkeit (seitens des Fürsten)> kommt in einer Reihe von
Vorwürfen an diesen zum Ausdruck. Hierzu zählen die schlecht funktionierenden,
vom Herrscher direkt abhängigen und nicht auf dreptate ausgerichteten Gerichte (A42,
A43), die ungesetzlichen, nicht von der Obştească Adunare approbierten
Modifikationen des Zivilkodex durch den Fürsten (A53), die dem Reglement gemäß
ungesetzlichen Sondergerichte und Sonderkommissionen, derer sich die Regierung
bediene; die Artikel 65 des Reglement zufolge ungesetzliche Einnahme der poşlina,
einer Exportsteuer für Getreide, als einer „o a doua listă civilă” (A52); die durch die
Regierung betriebene Korruption im Lande (A56); der ungesetzliche Berufung von
Vogoridi, Schwiegersohn von Mihail Sturza, als Vertreter in Konstantinopel (A34) etc.
Während der Text einerseits die Respektierung des Reglement durch den Fürsten
fordert, lehnt er dieses als oktroyiert und Mittel der russischen Beherrschung zugleich
vehement ab: „Reglementul organic ... se redigă după instrucţii străine de funcţionari
ruşi, sau de oameni aleşi de guvernul rusesc, şi revizia sa de către Adunările Obşteşti
se făcu sub auspiciile baionetelor.” (A82). Diese Ablehnung wird mehrfach begründet,
semantisch primär durch den <Vertragsbruch>, welcher in Absatz 19 nicht mit diesem
Wort, sondern etwas vorsichtiger ausgedrückt wird (das Reglement sei entgegen dem
Sinne aller Verträge und Rechte der Moldau und der Türkei): „Reglementul organic
… este contrariul spiritului tuturor tratatelor şi loveşte şi driturile Turciei şi
Moldovei.“. Auch sei das Reglement durch keine echte Nationalversammlung redigiert
noch [1837] modifiziert worden und entspräche dem [allgemeinen] Wunsche der
Moldauer nicht („el [Reglementul] este redigat în timpul ocupaţiei armielor rosieneşti,
după instrucţii străine, sub prezidenţia consilierului de taină rosienesc Minţiaki, de
către doi boieri numiţi de prezidentul plenipotent al Principatelor şi numai de către alţi
doi boieri numiţi de divanul ţării, adică de vreo câteva persoane, iar nu de adevărata
Adunare naţională a ţării.“; „Reglementul dar nefiind nicidecum expresia voinţei
moldovenilor...“, A20, A21). Der Zwang, jede Änderung der inneren Verwaltung und
Gesetzgebung durch die Pforte und Russland bestätigen lassen zu müssen (A82),
hindere den Fortschritt des Landes (A20). Das Reglement habe die traditionelle
Gesetzgebung des Landes abgeschafft (a dărâmat şi a desfiinţat toate legiuirile ţării,
A21).
Einer der redundantesten und amplifiziertesten Diskursstränge des Textes ist ein
rechtshistorischer. Dieser wiederholt den Anspruch der Rumänen auf neatârnarea
noastră dinlăuntru, şi prin urmare autonomia, also auf innere Autonomie, mit der
Begründung, dass diese – nach der Verteidigung und den Opfern der Vorfahren – über
Jahrhunderte gegeben gewesen sei (A9; wiederholt in A10, cf. die <traditionelle
Unabhängigkeit> bzw. drit de neatârnare din lăuntru bzw. autonomie in A19; implizit
auch in A20). Mihail Kogălniceanu nennt in diesem Zusammenhang detailliert den
Inhalt der frühesten capitulaţie (A11, A10) – aus dem Jahre 1512, welche Bogdan,
181
Sohn von Ştefan cel Mare, mit der Türkei geschlossen habe –, um die gegenseitigen
Vertragspflichten bzw. die Autonomie der Moldau zu belegen, welche dann in
späteren Verträgen weiter garantiert worden seien.
Die Bedingungen bzw. Argumente einer <historischen Autonomie> der Moldau sind,
Mihail Kogălniceanus Auflistung nach, die folgenden: die <Freiheit der Moldau>,
wörtlich des Bodens der Moldau („Poarta recunoaşte pe Moldova de pământ slobod şi
nesupus.“), die <Freiheit der christlichen Kirchen und Religion> (slobode bisericile),
die alleinige <Wirksamkeit der moldauischen Gesetze ohne Einmischung der Pforte>;
die <Wahl eines lebenslangen Herrschers durch das Volk>, wenn auch bei Bestätigung
der Pforte; die <Regentschaft eines Fürsten über die Moldau>, das Recht zur
<Aufstellung eines Heeres> (ostaşi … până la 20 000 pământeni sau oameni străini),
ein <Sitz der Moldauer in Konstantinopel> der diplomatischen Agenten (capichihaeli)
der rumänischen Fürstentümer in Konstantinopel]), das <Verbot für Haus- und
Bodenankauf> sowie für <Ansiedlung oder Moscheenerrichtung> für Türken in der
Moldau, wenn auch die Moldau zum Zeichen ihres Vasallentums (pentru semn de
supunere) jährlich einen peşcheş/dar, Abgabe, im Umfang von 4 000 bani roşii, 40
Falken und 40 Zuchtstuten, iepe fătătoare, an die Pforte zu entrichten gehabt hätte wie
auch die Pflicht, der Pforte in Kriegszeiten mit ihren Heeren beizustehen (Absatz 9,
Punkte 1-10).
Dieser Vertrag sei 1530 von Soliman cel Mare und allen weiteren hatişerifuri /
firmane, Befehle / Dekrete, der Pforte sowie von allen Verträgen zwischen der Türkei
und der Schutzmacht Russland (ocrotitoarea driturilor noastre, A10) in späteren
Zeiten bestätigt worden. Desweiteren belege der Vertrag zwischen Peter dem Großen
und Dimitrie Cantemir vom 13. April 1711, dass die Moldau als souveräner Staat (stat
suveran deşi tributar) und dieser als autonom („reformatorul Rusiei cunoştea … ţării o
deplină neatârnare“, A11) angesehen worden wäre. Auch der Vertrag von Kainargi aus
dem Jahre 1774 hätte die Herrscher der Moldau und der Walachei (stăpânitorii
Moldovei şi Valahiei) als suverani, die Länder als staturi suverane anerkannt (A11).
Das im Vertrag von Kainargi Festgehaltene sei im Vertrag von Jassy vom 29.
Dezember 1791 und – mit Ausnahme der ungesetzlichen Aneignung des Gebietes zur
Linken des Pruth – im Vertrag von Bukarest vom 16. Mai 1812 respektiert worden
(A13, A14). Danach habe die Konvention von Akkerman das alte Recht der Rumänen
anerkannt, ihren Fürsten nach dem allgemeinen Wunsch der Bewohner zu wählen
(A15). Desweiteren habe Artikel 5 des Vertrags von Adrianopel von 1829 freien
Kultus (o slobodă lucrare a credinţei), höchste Sicherheit (o desăvârşită siguranţie),
eine unabhängige nationale Verwaltung (o administraţie naţională neatârnată), volle
Handelsfreiheit (o întreagă slobozenie de comerţ; A17) und eine ausschließlich innere
Verwaltung wie Gesetzgebung vorgesehen (A18). Seit jeher, so betont der Text in
weiteren Absätzen, sei die Freiheit des Kultus (Punkt 22) und die Rechtsgleichheit
aller christlichen Konfessionen (Punkt 26) tradiert worden, welche das Reglement aber
nicht respektiere: „Reglementul ridică deodată Moldovei toate driturile ce le păstrase
de la capitularea sa şi care ni-sau fost închezăşluit de toate tratatele vechi şi nouă …“
(A20). Auch habe seit frühesten Zeiten jeder Rumäne ein Stück Land besessen: „Este
istoriceşte dovedit că, în timpurile din început, mai fieştecare român era proprietar …“
(A67).
182
In wenigen, jedoch aussagekräftigen Textstellen zeichnet der Diskurs eine Identität der
Rumänen ab, welche rekurriert auf die Parameter <Brüderlichkeit der Rumänen aller
Provinzen> (A67), gemeinsamen Vorfahren bzw. eine <gemeinsame (große)
Geschichte> (u.a. A96), <göttliche Bestimmung>, <numerische Größe> (opt milioane
de români, A88; A96), die historische Rolle der Rumänen als <Schutzwall für das
Christentum/für die Zivilisation Europas gegen den Islam>, <christliche Konfession>
(„noi, popor creştin şi asuprit“), <Blutsverbindung>, aber auch auf gemeinsame
Sprache, gemeinsamen Ursprung, gemeinsame Bräuche (A88, A96):
„Rusia … ne contestă driturile care le avem de la strămoşii noştri, ne contestă
naţionalitatea, care o avem de la Dumnezeu, o naţionalitatea, care o avem de la
Dumnezeu, o naţionalitatea de opt milioane de români, pe care o avem de 18
veacuri, şi care a rezistat tuturor viforelor ce au trecut preste ţările noastre, într-
această lungime de timp. … am fost valul creştinătăţii în contra islamismului …
cu sângele nostru am contribuit la păstrarea civilizaţiei europene.“ (A87 und
A88).
Auf dem Hintergrund vor allem des Agierens des Landesfürsten ersteht außerdem ein
duldsamer, leidgeprüfter und moralisch guter sowie auch tapferer Charakter des
Moldauers (nevinovate petiţii, <a suferi>, A1, A2; moalea şi moderata noastră
purtare, A3; lacrimile pe obraz; proscripţii; închişi; aruncaţi peste hotar; osândiţi a
vedea …, A4; „noi, popor ... asuprit“, A88; A91; cf. prin bărbăţia noastră în
nenorocire, A99).
In der Forderung der Abschaffung von Titeln und Rängen spiegelt sich der Wunsch
der vollen Überwindung feudaler Strukturen wider. Auch hier ist die Argumentation
eine historische: De facto habe, so der Text, traditionell keine Aristokratie existiert,
welche erst durch Constantin N. Mavrocordat eingeführt worden sei; nur das Eigentum
und der Familienname seien erblich, nicht so der Titel, gewesen:
„Boieria de abia în timpurile nouă a luat mersul unei nobleţe, nepotrivite şi
contrare cu toate instituţiile ţării.”; „Ca în toate staturile Orientului, nobleţa este
necunoscută: căci boieria nu însemnează decât funcţie publică, la care
fieştecare român poate ajunge după chiar legile de astăzi.” (A61; A59).
VII.3.4. Rhetorische und sprachliche Markierungen und Besonderheiten der
Dorinţe
Mihail Kogălniceanu erweist sich als brillianter Rhetoriker, der, insbesonders in der
Darstellung des Agierens Russlands auf eine Reihe von rhetorischen Figuren
zurückgreift. So formuliert er (und betont damit) seine deklarative Botschaft <die
Rumänen haben aus der Geschichte heraus das Recht auf Autonomie> in Form von
rhetorischen Fragen und redundant wiederholter Ironie:
183
„Astăzi, în epoca învierii celor mai slabe naţionalităţi, noi n-avem drit să
proclamăm naţionalitatea noastră de români cu care ne-au cunoscut veacurile
trecute. Noi n-am fost nimica, noi n-avem istorie, noi n-avem ţară, noi n-avem
drituri; căci tot ce suntem, şi mai mare parte a folosurilor asigurate patriei
noastre le suntem datori protecţiei binevoitoare a Rusiei; ca când înaintea celei
întâi veniri a ruşilor în ţările noastre, înaintea tratatului de la Kainargi şi a celor
următoare, noi n-am fi avut capitulaţiile noastre, noi n-am fi avut drituri
respectate de Turcia, noi n-am fi avut domni mult mai naţionali decât acei de
astăzi, guberne mult mai neatârnate decât acele de acum – libere numai cu
numele, - ca când religia noastră ar fi fost prigonită, ca când moşiile noastre nu
le-ar fi stăpânit strămoşii noştri, şi legile noastre nu s-ar fi făcut în pământul
nostru. Toate aceste, dovedite prin istorie, toate aceste de o cunoştinţe
obştească, n-au fost, şi Rusia singură ne-a dat tot. Ea a izgonit paşii din ţările
noastre, ea a risipit geamiile înălţate în locul bisericilor noastre, ea ne-a dat
dritul să ne stăpânim moşiile, până atunci în mâinile turcilor, ca în Serbia şi
Grecia, ea a izgonit alcoranul din legislaţia nostră; ea ne-a dat, în sfârşit, o
patrie şi un guvern naţional, şi de aceea Ruasi ne declarează astăzi că: Moldova
şi Valahia sunt numai nişte curate şi simple provincii, care au de împlinit atât
către puterea suzerană, cât şi către puterea protectriţă, îndatoriri pozitive, de la
care ele nu pot a se sustrage fără mai înainte învoire a ambelor curţi.“ (A88, cf.
auch den rhetorischen indirekten Fragesatz am Ende des Absatzes 89 bzw.
A92).
Es fällt auf, dass Mihail Kogălniceanu in dieser Textstelle zu impliziten –
präsupponierten, jedoch – ungerechtfertigten Behauptungen greift. Außer in der
Dobruscha waren auf rumänischem Boden keine Moscheen errichtet noch war
irgendwann der Koran verankert worden.
Die verhindernde und negative Rolle Russlands für die Entwicklung und Vereinigung
der rumänischen Länder wird in einer Klimax dargestellt. Kulminierender Höhepunkt
ist dabei der russisch-türkische Krieg und das russische Protektorat der Jahre 1828-
1834 (A77). Das Verhältnis zwischen Rumänen einerseits und Russen bzw. Türken
andererseits wird gleichzeitig in einer Gegenüberstellung (Antithese) dargestellt. Die
Rumänen hätten sich jahrhundertelang de bunăvoie, also feiwillig, der suzeranitate der
Hohen Pforte unterstellt. Sie hätten in russisch-türkischen Kriegen – von 1711, 1736-
1740, 1769-1774, 1787-1791, dann 1806-1812 und 1828-1834 auf der Seite Russlands
gekämpft und seien – nach den jeweils folgenden Friedensschlüssen – vor allem von
Russland im Stich gelassen, ja sogar den zerstörerischen Rückzügen der russischen
Truppen, aber auch den Repressalien der Pforte überlassen worden (A71, A72). Im
Frieden von Bukarest habe Russland sogar die Bukowina entrissen und dem alliierten
Österreich zugeteilt (A72) wie auch Bessarabien an Russland selbst ging (A76). Die
bedeutendsten Bojaren der Moldau und der Walachei seien für ihre Sympathien für
Sankt-Petersburg ihres Besitzes beraubt, vom Sultan verfolgt und an verschiedenen
Orten gefangengehalten, versprochene Garantien und Verträge von den Grossmächten,
allen voran der Schutzmacht Russland (sub auspiciile protecţiei rosieneşti) nie
eingehalten worden (A74, A76, A77). Erst der Frieden von Adrianopel habe die alten
capitulaţii und damit eine Reihe von alten Rechten, Freiheiten, Autonomien etc.
184
anerkannt (A78). Die Russen hätten jedoch die Verträge von Akkerman und
Adrianopel nicht eingehalten, konkret in der Wahl der Fürsten der Moldau und
Walachei im Jahre 1834 durch die Curţi (A83). Seit dem Abzug der Russen 1834
würde Russland de facto ungesetzlich die inneren Angelegenheiten der rumänischen
Länder (trebile noastre dinlăuntru) regieren („Rusia ... este adevărata ocârmuitoare a
Principatelor”, cf. auch această influenţie extralegală a Rusiei, în ocârmuirea noastră
dinlăuntru, A84). Durch eine sehr redundante Thematisierung wird hier also die
jahrhundertelange Unrechtmäßigkeit und Verhinderung der Entwicklung der
rumänischen Länder und ihrer Vereinigung („intrigile străinilor până acum au stăvilat
această unire.” A68) fokussiert.
Eine redundante negative Beschreibung soll die Brutalität, Repression, Gesetzlosigkeit
und Übertretung von individuellen Rechten durch das Vorgehen des amtierenden
Landesfürsten Mihail Sturza gegen die petiţionari, Bittsteller, aufzeigen (Crudele şi
nelegiuitele pedepse, săvârşite fără nici o judecată; „Cruda cârmuire a domnului,
ridicarea tuturor garanţiilor legii, răpirea libertăţii şi a averilor; „a închide, a pedepsi, a
jăcui … fără vină, fără dreptate.“, A1, A2; „urgia domnească; fără cea mai mică
judecată în contra art. 358 şi 433 din Organicescul Reglement; Terorismul; pofta
răzbunării; Spaima, pedepsele, lovirea libertăţii şi a intereselor materiale, pâri
mincinoase, şi chiar calomnia, chiar pamfletul”, A4; Mihail Sturza verfolge seine
politischen Gegner wie proscriptii, ca în timpurile lui Marius und Sylla, A4; der Fürst
entfache Hass zwischen den Klassen der Moldau, A4; er zwingt die Moldau in die
Knie / ([Moldova] îngenuncheată sub Mihail Sturza, A7).
Die am Beginn des Textes aufgezeigte Charakterlosigkeit des Fürsten bzw. die
vehemente Ablehnung dieses von Russland unter dem Mantel der „Schutzmacht”
gestützten Landesherrn (A85) wird im Schlussteil wieder aufgenommen und weiter
amplifiziert („acest zaraf învelit în haine domneşti, o lipitoare care a supt toată avuţia
ţării, un stârv care a corupt tot ce a avut nenorocire de a-l apropia ... un şerpe care cu
balele sale a otrăvit pe moldovenii cei mai vrednici, un crocodil ale cărui lacrimi
vroiesc a înşela pe Dumnezeu ... o fiinţă a cărui inimă, dacă mai are, nu bate decât la
sunetul aurului, nesimţitor la orice ocară publică, surd la plângerile compatrioţilor săi,
orb la nenorocirea ţării sale, pe care a sărăcit-o şi a vândut-o.”; mârşav, spion [al
Rusiei], A84; auch die auf Sturza bezogene Semantik von vampir, corupţia, spioneria,
intriga, ura, abuzuri bzw. die Zuschreibung an den Fürsten, selbst gegen die orthodoxe
Kirche vorzugehen, A84 und A86; weitere negative Konnotierungen in A90 und A95).
Mihail Kogălniceanu untermauert seine Argumentation mit präzise ausgewählten
Beispielen. So evoziert die Erwähnung, Petru Rareş sei als Fischer, Constantin
Cantemir als Serdar zum Fürsten gewählt worden (A26), die historische Tradition der
Moldau, einst den Landesherrscher aus allen Schichten der Bevölkerung gewählt zu
haben. Die Angaben zu Mihail Sturza wiederum, welcher ein Sechstel des öffentlichen
Geldes verbrauchen würde und für dessen alleinigen Unterhalt 250.000 Moldauer
lebten und arbeiteten, dessen lista civilă also jene der höchsten Souveräne (suverani)
Europas weit überschreiten würden (A27, Punkt 5), zeichnet das Bild eines
unmäßigen, vollkommen in feudalen Strukturen verhafteten Landesfürsten. Der Text
lässt auch viel Pathos erkennen. Die unire, Vereinigung, sei dorită de veacuri, seit
185
Jahrhunderten gewünscht, und mit Blut und Opfer verteidigt worden (A89, A90). Die
Erwähnung von Ştefan cel Mare, Mihail Viteazu, dann auch Mirceas [cel Bătrân],
Huniad [Ioan de Hunedoara], im Kontext des bewaffneten Kampfes für dieses Ziel
(A68) erinnert an die wichtigsten emblematischen Persönlichkeiten in der Geschichte
der rumänischen Länder und den ersten Versuchen ihrer Vereinigung bzw. den Kampf
gegen einen gemeinsamen äußeren Feind. In Absatz 96 greift der Autor zu der
Metapher einer durch den Schnee zum ersten Sonnenlicht durchbrechenden Pflanze,
um das Erwachen der Nationalstaaten [Europas] zu symbolisieren, und in Absatz 97
lässt er die Botschaft der russischen Depesche vom 19. Juli 1848 im Sinne des Beginns
der Divina Commedia von Dante Alighieri als eine <zu fürchtende> lesen.
Auch der Entwicklungszustand des Rumänischen des vorliegenden Textes bedürfte
einer eigenen Studie, wir wollen aber hier nur einige Beispiele geben. Einerseits
enthält der Text eine Reihe von phonologischen Archaismen (limbagiul, A98), von
morphologisch-grammatikalischen Archaismen (wie acestaşi [tratat/princip], A10,
A24; fieştecare [român], A26, A58; a contribua, A79; a reconstitua, A88; ea simţeşte,
A68; timpurile nouă, A58; într-o / în o / Prin o etc.), von lexikalischen Archaismen
(wie mădulările divanului, A38, A43; glasul, A98; cliros, A85; ginte z.B. in A69 und
A89; una sută ani, A87; au, A84; a oborât, A67; solanel, A78 und A80; zuletzt auch
von semantischen Archaismen (wie „toate clasele înstărite au mijlocit a se folosi de
…“, A60). Auch sind historische Realien sprachlich dokumentiert wie fetva (A72),
sened / hatişerif (A76) oder eptaetia domnilor (A76 und A92). Auffällig ist durch
seine hohe Frequenz der Italianismus drit(uri) (A1, A8, A9, A10, A14, A15, A16,
A19, A20, A25, A26, A33, A35; A40; A59, A67, 13 x in A68, A69, 2 x in A70, 2x in
A71, A72, A76, A78, A80, A82, A87, A88, A89 etc., auch das Adjektiv îndrituit in
A96), der – noch – viel häufiger erscheint als das sich später durchsetzende drept (z.B.
in A18, A23, A24) oder Dreptate/drepăţi (A8, A9, A76, A88). Zugleich dokumentiert
der Text in einigen Bereichen eine parallele Sprachverwendung mit neuen Formen.
Beispielsweise enthält er neben dem erwähnten mădular auch amploiat (A68) oder das
Verb a vroi (als substantivisches Derivat auch in A55), das viel häufiger erscheint als
a voi. Die Verbklassen sind nicht stabil, neben a ţinea erscheint – seltener – das heute
alleinige a ţine (z.B. in A68). Verschiedene Substantive treten mit unterschiedlichen
Genusdesinenzen auf wie trataturi und tratate (A68), Principaturi und Principate
(A68), Verben in verschiedenen Konjugationstypen wie declarează und declară (in
A88).
Auch wenn der Text punktuell bereits moderne Terminologien verwendet, wie
beispielsweise das – heutige – opinia publică (A6, A93), voinţa [moldovenilor] (A21),
paşaporturi naţionale (A78) oder securitate (mit dem Synonym siguranţă, A68, A78),
erscheint eine Reihe von Begrifflichkeiten der Staatlichkeit in älteren, nicht selten
mehrfachen Lexikalisierungen. So kommt die <Freiheit des Staates> sowohl in
neatârnare, Unabhängigkeit, als auch in autonomia (A68) zum Ausdruck. Der Begriff
des <Gemeinwohls> wird als fericirea [moldovenilor] (A7, A19, A20, A37, A93 etc.),
binele ţării (A67), bunăstarea (dinlăuntru) (A76, A91), aber auch buna stare
materială şi intelectuală [a ţării] (A68) lexikalisiert. Das Syntagma a <fi> deopotrivă
(das Beispiel: “În vechea Moldovă, toţi moldovenii luau deopotrivă parte la
însărcinările statului;“, A60; auch die adjektivische Bildung libera şi deopotrivă
186
dezvoltare) kann als eine Lexikalisierung der – späteren – egalitate, <Gleichheit>,
trebile dinlăuntru ale Principatelor (A91) als <innere Angelegenheiten /
(Staats)Inneres> interpretiert werden. Für die Zuteilung von Land, die împroprietare /
împroprietărire, an die Bauern verwendet Mihail Kogălniceanu ein eigenes Lexem:
apropriaţia ţăranilor (A67, zweimal).
VII.3.5. Analyse und Interpretation des Staatlichkeitsdiskurses in den Dorinţe
Dorinţele Partidei Naţionale din Moldova, ein langer Text mit 99 Absätzen, bestehen
– wie die Proklamation von Islaz – aus drei Abschnitten. Die Präambel geht auf die
Formierung der Liberalen vom 28. März 1848 in Jassy ein, welche als unmäßig
repressiv vom Landesfürsten unterdrückt worden wäre, und erklärt die Reformpunkte
als aus der Geschichte legitimiert (A1-A22). Es folgt ein Abschnitt, in dem diese,
ebenso mittels historischer Argumente legitimiert, dargestellt werden (A23-57), und
ein dritter, noch weiter argumentativ amplifizierter Teil, welcher die wichtigste
Botschaft unterstreicht (A58-A99). Ihre Essenz ist, dass Russland seine Funktion einer
putere ocrotitoare nur formell, de facto aber gar nicht ausübe, ja sogar selbst die
gesetzliche Rechtmäßigkeit der Verträge – die Autonomie der Fürstentümer zu
respektieren – überschreite (A92). Am Ende seines Diskurses wird Mihail
Kogălniceanu am explizitesten, direktesten und fordert Russland auf, sein Agieren zu
ändern: „... Rusia ... [ohne să-Partikel] contenească apăsătoarea şi machivelica politică
ce, de la 1832 mai ales, păzeşte către noi;”; „prin arbitrara amestecare a generalilor şi
consulilor ruseşti în toate trebile dinlăuntru ale Principatelor ... românii au toată
dreptatea a se lepăda de o protecţie, a căreia Rusia este cea dintâi care i-a denaturat
prinţipul;” (A91, auch die Assoziation des <russischen Despotismus>, ib.); „Ei bine,
ce pînă acum Cabinetul din Sankt-Petersburg a făcut numai oficial, numai pe hârtie,
facă-o astăzi şi în fapte, fie adevărat protector. ... când Turcia s-ar refuza ... să
recunoască românilor dritul de a-şi da aceste instituţii, Rusia împlinească-şi datoria de
ocrotitoare, puie la mijloc puternica sa mijlocire, şi silească pe curtea suzerană să
respecteze driturile de autonomie ale românilor.” (A92).
Im Schlussteil des Textes thematisiert Mihail Kogălniceanu noch einmal die
wichtigsten Reformpunkte, indem er das Jurnal de Constantinopol zitiert. Es sind die
<Freiheit des Individuums>, <Verbesserung der Situation der Bauern>, <Abschaffung
der Fronarbeit>, <Volksbildung>, <Moralisierung des Klerus>,
<Gewaltenteilung/Verantwortung> (durch größere Handlungsfreiheit der Minister),
<Abschaffung der Zensur>, <Verbesserungen im Strafsystem>, <Eindämmung der
Korruption der Beamten>, eine <Nationalbank>. Die Dorinţe enden mit einem
appellativen Teil („să avem credinţă în viitorul nostru”) und evozieren – erneut – die
emblematische Figur Ştefans des Großen, dessen beispielhaftem Mut und dessen
Prinzipientreue zu folgen wäre (A99).
Die fast durchgängige Verwendung von Verben in der ersten Person Plural wie in
„toate aceste le-am suferit cu durere“ (A3) oder des Possessivpronomens unser (A62,
A9, A20, A45 etc.) dokumentieren die Federführung Mihail Kogălniceanus für die
(gemäßigt-)liberale Partei der Moldau, mit der er sich vollständig identifiziert:
187
„Aceşti aristocraţi, adică partida naţională … văzându-şi ţara ocupată cu armii
străine … se văd dar siliţi a arăta prin lumina tiparului care sunt planurile lor,
care sunt reformele ce le socot mai neapărate pentru ţară. Prin aceasta, noi
nădăjduim că vom împlini un îndoit scop.“ (A5-A6).
Das oberste Ziel des Textes ist die (Wieder-)Erreichung der Autonomie der Moldau
und Walachei, welche als historische und als seit dem Vertrag zwischen Bogdan, Sohn
von Ştefan cel Mare, und der Pforte im Jahre 1512 legitimiert dargestellt wird, sowie
die Vereinigung dieser Fürstentümer (A9, A68 und A95). Diese im Schlussteil des
Textes nochmals aufgegriffenen Forderungen („a depărta din ocârmuirea dinlăuntru
orice influenţă străină, primejdioasă şi ilegală,”; „a uni amândouă Principatele”; A95),
werden über die Nicht-Respektierung des Reglements auf russischer Seite (A7, A86),
zugleich aber auch über die – redundante – implizite und explizite Erwähnung des
Landeswohls („Locuitorii săteni sunt, mai ales, în cea mai ticăloasă stare ...”, A67) und
des <allgemeinen Willens> der Moldauer (starea opiniei publice în Moldova, A6;
„Reglementul dar nefiind nicidecum expresia voinţei moldovenilor, “, A21) und dem
in Europa herrschenden Zeitgeist für Erneuerungen im Sinne der Nationalstaaten (A7)
thematisiert.
Die Bezeichnungen für die rumänischen Länder sowie für den zukünftigen vereinten
Staat der Moldau und Walachei sind folgende: Moldova (A1, A4, A6, A7, A15, A68,
A86 etc.; auch vechea Moldovă in A60 sowie Moldavia z.B. in A75), [Ţara
Românească] (A16, A41, A68, A77 etc.), Principate (A2, A7, A18, A68, A72, A75
etc.), Principatele / Principaturi [Româneşti] (A68, A70, A71 etc.), provincii (A77),
locuitorii Ţării Româneşti şi Moldovei (A15), Valahia şi Moldova / Moldova şi
Valahia / Moldo-Valahia (A71, A88 / A72, A74, A77, A84, A86), sowie einmaliges
Moldo-România (A95). Sehr häufig erscheint für die Moldau auch ţară (A3, A5, A4,
A19, 3x in A21, A45, A68, A71, A74, A80, A81, A84, A85, A86; auch ţări in A88
und die Verwedung insbesonders in Kollokationen wie nevoinţele ţării, A5;
bunăstarea ţării, A51; interesele ţării, A67; un folos [al ţării] (A64), etwas weniger
häufig pământ (A21, A45, A65, A71). Das ethnonymische Adjektiv românesc
erscheint in den Verbindungen ţările româneşti (A30) und pământul românesc (A45,
A65, A71; auch cu muncă românească, A71; bisericile româneşti, sânge românesc
A72). In Verbindung von Begriffen wie <Bürger>, <Nutzen> und <Angelegenheiten>
erscheint desweiteren auch das Lexem stat (Un stat constituţional [die Moldau], A65;
prefacerea [israeliţilor] într-o stare de cetăţeni folositori ai statului, A49; trebi ale
statului, A85; folosul statului, A64 – neben folosul naţiei (A50, A58). Auch erscheinen
die Begriffe <Nation> und <Heimat> und ihre Derivate (z.B. in păcat naţional / naţie /
nevoinţele naţii in A50, A59, A83, A87, A21; „voim a fi o naţie liberă”, A66; edificiul
naţional, A68; naţii – auf beide Fürstentümer bezogen, A68; <a avea datoria
naţională>, A89; patrie / iubire ... către patrie / interesul bine înţeles al patriei;
puterea patriei, a regenera patria, <a-şi părăsi patria>, înjumătăţirea patriei;
renaşterea patriei, viitorul patriei (A25, A59, A62, A67, A68, A71, A72, A74, A75,
A79, A80; auch patriotism und patrie in Verbindung mit fiii, dreptate und dragoste in
A63). Das höchste Ziel der Reformen, so besagt es Absatz 68, sei die Vereinigung der
Moldau mit der Walachei als nationale Formation: „ca cununa tuturor [reformelor], ca
188
cheia bolţii, fără care s-ar prăbuşi tot edificiul naţional: aceasta este Unirea Moldovei
cu Ţara Românească, pe temeiul puncturilor de mai sus...” (A68, A95).
Diskursanalytisch zeigen diese Länderbezeichnungen einen Übergang der
„ehemaligen” (getrennten) Fürstentümer zu einer staatlichen, wenn auch konzeptionell
noch nicht ganz klar besetzten politischen Einheit, welche auf der Basis von <Nation>
und <Heimat> aufgebaut wird.
Die Einwohner / das Volk – wir sehen hier von den z.B. in Absatz 4 erwähnten
Klassen der Gesellschaft ab – werden tendenziell als moldoveni (A3, A4, A7, A9, A24,
A27, A87, A88 etc.; auch israeliţi moldoveni, A49) und pământeni (vs. străini, A9),
die Bauern als locuitori (săteni) (A15, A37, A67 mehrmals etc.) bezeichnet. Am
häufigsten aber erscheint, vor allem in den argumentativen Abschnitten und im letzten
Teil des Textes immer frequenter das Ethnonym român(i) (A15, A16, A17, A21, A25,
A26, A34, A38, A46, A48, 8 x in A68, A72, A75, A76, A77, A79, A80, A81, A82,
A84, A87, A88 etc.). Das Syntagma românul din Moldova, das wir in Absatz 67
dokumentiert haben, scheint zu bestätigen, dass das Adjektiv român in dem Text in
seiner überregionalen Bedeutung <rumänisch> verwendet wird. In wenigen Passagen
finden wir auch den Begriff für Volk (popor, A46) und des <Bürgers> (libertatea
cetăţenilor, A38), dessen Fehlen in der Moldau Mihail Kogălniceanu kritisch aufwirft:
„Moldova ... n-are mai mulţi cetăţeni; căci toţi ceilalţi care peste aceşti trei mii
de privilegiaţi şi până la un milion şi jumătate formează populaţia ţării, sunt
numai nişte locuitori dezbrăcaţi de toate driturile, de toată buna stare materială
şi intelectuală şi supuşi numai dărilor şi greutăţilor ţării.” (A67).
Mihail Kogălniceanus Text entspricht mit seinem strukturellen Aufbau aus
<Argumentation + Information + Appell> einem echten Proklamationstext. Die
vorgeschlagenen Reformpunkte werden in einem eigenen Abschnitt explizit
aufgelistet. Dennoch spiegelt sich ein modernes Staatlichkeitsdenken nicht nur in den
34 expliziten Reformpunkten wider, sondern diese werden in den argumentativeren
Teilen des Textes noch einmal hierarchisiert. Auf dem Hintergrund der wichtigsten
Begriffe moderner Staatlichkeit (<Freiheit / Souveränität / freie Meinungsäußerung>,
<Eigentum>, <Sicherheit>, <Widerstand / Petition>, <öffentliche Meinung>,
<Gleichheit>, <Steuerbeitrag>, <Gemeinnutz> sowie <Bevölkerung>, <Volk /
Nation>, <Staatsbürgerschaft>, <Staatsgewalt>, <Repräsentativität und Trennung der
Gewalten>, <Staatsnamen>, <Vaterland>, <Territorium>, <Hauptstadt>, <Wohnsitz>,
<Grenze>) sind die Forderungen – im Text als instituţii bezeichnet –, welche der
Autor und die partida naţională als unerlässlich für die Zukunft der Moldau halten, die
folgenden:
Mihail Kogălniceanu geht in drei Feststellungen implizit von einer öffentlichen
Meinung in der Moldau aus: „vom arăta ambelor curţi şi Europei starea opiniei publice
în Moldova …“; „Reglementul dar nefiind nicidecum expresia voinţei moldovenilor“;
“Tiparul şi orice organ al opiniei publice l-a ţinut înăduşit [Mihail Sturza]” (A6, A21,
A85). Die erste explizite Forderung ist die der Unabhängigkeit im Landesinneren / die
Autonomie (A20). Sie wird etwas später im Text präzisiert als <absolute
Unabhängigkeit der inneren Administration> (Neatârnarea administrativă … în toate
189
cele din lăuntru, fără amestec a orice puteri străine, A23), aber auch <Unabhängigkeit
der Gesetzgebung> (Neatârnarea … legislativă … în toate cele din lăuntru, fără
amestec a orice puteri străine, A23). Die moldauischen Liberalen fordern desweiteren
die Einführung von für das Land angemessene Gesetze (A21; o bună legislaţie, A93)
und, präziser, die Aufstellung von Gesetzen für die Polizei (Întemeierea legilor de
poliţie sowie von zeitgemäßen Bußanstalten / aşezăminte penitenciare potrivite cu
veacul; A55), desweiteren die <Einhaltung der Gesetze/Gesetzmäßigkeit> (z.B. seitens
der Klöster, A56) sowie die <Eindämmung der staatlichen Korruption> im Lande
(A31, A56). Gefordert wird auch die <Souveränität des Volkes> und zwar in der
Forderung einer – wie einst – alle Stände repräsentierenden Nationalversammlung
(Adunarea obştească de reprezentanţii tuturor stărilor societăţii, A25), dann auch in
der Forderung eines von der Allgemeinen Versammlung gewählten autochthonen
Repräsentanten der Moldau in Konstantinopel (A34), sowie einen – wie einst – aus
allen Klassen der Gesellschaft gewählten Landesherrn (Domnul ales din toate stările
societăţii după vechiul obicei, A26).
Explizit gefordert wird die – traditionelle – Pressefreiheit (Libertatea tiparului, A29)
sowie die <Freiheit des Kultus> (Libertatea culturilor, A45). Die thematisch
wichtigste Forderung ist die einer (gewissen) <gesellschaftlichen und politischen
Gleichheit> der Moldauer. Diese wird außer in der direkten Forderung (Egalitatea
drepturilor civile şi politice, A24) auch über den Hinweis auf die traditionelle und –
durch die, wie es heißt, nur von außen verursachte Einführung der vecinătate
abgeschaffte – Gleichheit der Moldauer thematisiert: „În Principate nici una din stările
sociale nu era privilegiată; toţi românii puteau ajunge la boierie, adică la funcţii
publice,“ (A24, wiederholt in A59; „În vechea Moldovă, toţi erau deopotrivă”, A61).
Die postulierte Gleichheit umfasst auch eine gleiche (und kostenlose) Bildung für alle
(Instrucţia egală şi gratuită pentru toţi românii, A36) sowie <politische
Rechtsgleichheit aller christlichen Konfessionen> (A48). Im Sinne der thematisierten
Gleichheit der Gesellschaft verkündet der Text die Ablegung aller Ränge sowie
persönlicher oder durch Geburt verliehener Privilegien („intitulaţii aristocraţi, de la
sine şi cu bucurie se lepădă de privilegiile de le au, sau prin moştenire, sau prin legile
înfiinţate“, A58; auch A59) und fordert zugleich <Bürger gleicher Rechte und
Pflichten>: „Obştesc şi adevărat partriotism însă poate să fie numai acolo unde patria
îşi tratează fiii cu o deopotrivă dreptate şi dragoste, supuindu-i la acelaşi îndatoriri şi
drituri“ (A63). Zudem soll das durch die Abschaffung der Ränge gewonnene Geld
dem Staat allgemein Nutzen bringen, also dem <Gemeinnutzen> dienen (A64).
Über die Forderungen der Proklamation von Islaz hinausgehend, in welcher die
dezrobirea ţiganilor statului şi a mănăstirilor gefordert wurde, nicht aber die der
ţigani particulari, plädiert Mihail Kogălniceanu für die vollständige Abschaffung der
Leibeigenschaft (vecinătate / robie), der bodengebundenen Fronarbeit (boieresc) und
der Freilassung auch der zum Besitz von Privaten zählenden Zigeunern (ţigani
particular) und somit für prinzipielle <Freiheit der Person>: „Dezrobirea ţiganilor
statului şi a mănăstirilor rostită de Obştească Adunare, în anii trecuţi, trage de la sine şi
dezrobirea ţiganilor particulari;“ (A65).
190
Ferner thematisiert der Autor durch den Verweis auf das Reglement (Art. 57) und auf
das, nach alter Tradition, dem obiceiul vechi, bestehende Dritul iniţiativ şi de petiţie
pentru Adunare (A33), sowie in der Forderung der Aufstellung einer
Staatsanwaltschaft („Întemeierea ministeriului public. – Aşezarea avocaţilor cere
neapărat şi a procurorilor, care şi există în Ţara Românească.”, A41), der Forderung
der Nichteinmischung des Herrschers in Urteile der Gerichte (Neamestecarea
domnului în ramul judecătoresc şi aducerea în împlinire a sentintelor fără întărirea
sa.”, A43; A42) und der Forderung der Auflösung von allen – gemäß dem Reglement
ungesetzlichen – Sondergerichten und Sonderkommissionen (A44) konkrete Schritte
zu einer <Gewaltenteilung>.
Die Forderung einer <Garantie der individuellen Freiheit und des Wohnorts>
(Închizăşluirea libertăţii individuale şi a domiciliului), welche 1828 und im Reglement
(Art. 358 und 433) festgehalten worden sei, ist in erster Linie auf die Bojarenklasse
bezogen (A35, auch A4). Eine generelle <Freiheit der Arbeit> soll die Entwicklung
des Landes fördern (A57). Zumindest theoretisch auf die Allgemeinheit bezogen ist
auch die Forderung einer <allgemeinen, proportionalen Steuerleistung> (A face parte
la îndatoririle, sarcinile şi dările statului, prin urmare a se supune la contribuţie
generală, fieştecare în proporţia facultăţilor şi a averii sale; A60). Lapidar
angesprochen werden desweiteren eine öffentliche Sicherheit („apropriaţia ţăranilor
este o chestie de siguranţie publică”, A67) sowie die Verwandlung der locuitori săteni
in proprietari und ein – abstrakteres – Eigentum („ce respect către persoane şi către
proprietate s-a păzit? [in Zeiten russischer Besetzung], A86).
Mihail Kogălniceanus Dorinţe enthalten noch eine weitere Reihe von konkreteren und
detaillierteren Vorschlägen für die zukünftige Staatsorganisation. Zu diesen zählen die
<Förderung des Handels> (u.a. durch Abschaffung aller Exportsteuern auf nationale
Produkte, A52; A57), <neues Finanzgebaren> (mit Promulgarea legilor de credit spre
a asigura datoriilor fără excepţie de persoane sowie der Gründung unterschiedlicher
Banken, A57), die Gründung von Berufsschulen (Aşezarea de şcoli profesionale,
A57), <Ausbau von Verkehrswegen> (A57), Regulierung von Tarifen und
<Aufhebung von Zusatzabgaben> (desfiinţarea a orice beilicuri, cărături şi havalele
precum la drumuri publice etc., A57), die <Abgeltung jeder öffentlichen Arbeit nur
mittels Geld> (A57), die Verantwortlichkeit von Ministern und Beamten
(Responsabilitatea miniştrilor şi a tuturor funcţionarilor, A28), die ehemals
gepflogene <Öffentlichkeit> von Sitzungen der Nationalversammlung und Gerichten
(A32), die Aufstellung einer Stadt- und Landgendarmerie (Întemeierea unei garde
urbane şi rurale, A37), die Abschaffung der Todesstrafe und physischer Schläge
(Desfiinţarea pedepsei de moarte şi a bătăilor trupeşti, A39), <Erhöhung des
moralischen und sozialen Status des orthodoxen, insbesonders des niederen Klerus>
(A46), <staatliche Organisation und Finanzierung des katholischen Klerus>,
<Verstaatlichung der den Heiligen Orten unterstellten Klöster> (Înturnarea către stat
a averilor mănăstirilor închinate la locuri străine, A50), die Vereinigung der Moldau
und der Walachei (Unirea Moldovei cu Ţara Românescă, A68), <Dezentralisierung
von Verwaltungskontrolle für Bezirke, Städte, Gemeinden> (A51), <Förderung der
Städte> („Aceste sfaturi ar învia din nou viaţa municipală şi interesul pentru lucrul
public;”, A51), gute Verwaltung (o bună administraţie, A93), <Reform der Justiz>
191
(präziser des Zivil-, Handels- und Strafkodex sowie der Gebahren, A53; sowie der
<Entabsolutierung des richterlichen Urteils>, A38).
Der Diskurs von Mihail Kogălniceanu zielt primär auf eine Stabilisierung des
Staatsinneren als Schutz gegen ein arbiträr-feudales Regime. Der Text erwähnt eine
öffentliche Sicherheit, deren Bestand Mihail Kogălniceanu als wesentlich für den Staat
präsupponiert. Die <Staatsgewalt>, so der (implizite) Diskurs, muss entmachtet
werden, eine <Trennung der Gewalten> wird anhand von konkreten Schritten
vorgeschlagen. Der Autor geht auch von einer öffentlichen Meinung der Moldauer aus.
Desweiteren plädiert er für einen <gleichen Steuerbeitrag> sowie einen
<Gemeinnutzen> für das Land. Die Förderung des Handels, so der Text, forden die
Interessen des Landes.
Mihail Kogălniceanus Dorinţe thematisieren eine ganze Reihe von Allgemeinen
Menschenrechten, so z.B. die <Freiheit>, die als <Handlungsfreiheit und
Bewegungsfreiheit [allerdings der Bojaren]> sowie in einer <generellen Freiheit>
jedes Menschen in der Forderung der Abschaffung der Fronarbeit konzeptualisiert
wird. Der Autor fordert eine prinzipielle <freie Meinungsäußerung>. Er erwähnt auch
das <Eigentum>, das mit dem Bojarenstand assoziiert wird, spricht aber auch von der
Landbevölkerung als Eigentümer. Deutlich erscheint die Forderung von
Reformschritten im juridischen <Widerstand / Petitionsrecht>, insbesonders gegen
absolutistische Herrschaft bzw. staatlich arbiträre Machtausübung. Als staatstragende
Begriffe werden thematisiert die Bevölkerung der Moldauer bzw. der Rumänen,
welche über den Begriff der <Heimat> (patrie) zu einem <Volk / einer Nation>
werden können und sollen. Wenn auch in der Feststellung, dass diese für die Mehrheit
der Moldauer nicht existierte, wird ex negativo die Bedeutung einer
<Staatsbürgerschaft> auch der niederen Gesellschaftsschichten impliziert. Diese wird
in gewisser Weise proklammiert und über die Ebenen Bildung, Konfession, das Recht
auf politische Ämter umzusetzen angedacht. Auch in der <Unverletzbarkeit des
Wohnorts>, welche sich auf Bojarensitze bezieht, und besonders in der Forderung der
<Bildung für alle> und damit einer gewissen impliziten Gleichheit der Gesellschaft,
bezeugt der Text die Bewusstheit des Autors über die Allgemeinen Menschrechte,
allerdings werden diese aber teilweise der hohen Schicht der Gesellschaft vorbehalten.
Der Text thematisiert sehr deutlich die Frage der Autonomie der Moldau, jedoch
(noch) nicht deren Souveränität. Der <Staatsname> und das <Territorium> der Moldau
und Walachei erscheinen durch die Redundanz und Vielfältigkeit ihrer
Bezeichnungsvarianten von größter Bedeutung, aber eben noch nicht gefestigt.
Deutlich stärker, als es z.B. der Diskurs von Simion Bărnuţiu tut, thematisieren
Dorinţele staatstragende Begriffe, von denen nur die Begriffe <Hauptstadt> und
<Grenze> nicht erscheinen. Die Analyse zeigt, dass die Moldau, zum Zeitpunkt der
Verfassung der Dorinţe noch immer in außenpolitischen Abhängigkeiten und
innenpolitisch feudalen, machtarbiträren Strukturen ist, dass allerdings der Diskurs –
aus dem Exil – deutlichen Widerstand dagegen formuliert. Das Hauptaugenmerk des
Textes liegt auf der außenpolitischen Befreiung von der Abhängigkeit von Russland
und der zu realisierenden Durchsetzung eines vereinten Staates auf der Basis von
Moldau und Walachei.
192
VIII
AUF DEM WEGE ZU EINER MODERNEN VERFASSUNG:
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
VIII.1. Themen und Struktur moderner Verfassungen
In mehreren Publikationen haben Gardani, Lindenbauer, Metzeltin und Wochele
aufgrund des Vergleiches vieler Verfassungen und verfassungsähnlicher Texte eine
allgemeine Typologie moderner Verfassungen aufgestellt
(Metzeltin/Lindenbauer/Wochele, 2005, passim; Metzeltin 2007;
Metzeltin/Gardani/Lindenbauer 2008).
Hauptthemen von modernen Verfassungen dürften die Bestimmung der Gemeinschaft,
des Territoriums und der Staatsführung sein, denn Staatsgebilde bestehen aus einem
Staatsgebiet mit bestimmten Grenzen und bedingten für die Gemeinschaft
auszuschöpfenden Mitteln, einer sich notwendigerweise organisierenden Bevölkerung
und einer für die Organisation verantwortlichen Leitung. Die Gemeinschaft besteht auf
Bürgerinnen und Bürgern, denen bestimmte Rechte (wie Freiheit, Gleichheit,
Eigentum, Sicherheit) und bestimmte Pflichten (wie Steuerleistungen) zugeschrieben
werden. Der Staat wird als souverän betrachtet. Im Inneren bedeutet dies, dass
grundsätzlich die Gesamtheit von Bürgerinnen und Bürgern das staatliche Gebaren
tragen. Im Äußeren muss der Staat von der internationalen Staatengemeinschaft
anerkannt werden, sodass Einmischungen von außen in innere Angelegenheiten
ausgeschlossen werden. Diese Souveränität ist allerdings im Allgemeinen
repräsentativ, sie wird in der Praxis von gewählten Vertretern wahrgenommen.
Regelmäßige Wahlen und Petitionsmöglichkeiten erlauben, die gewählten Vertreter zu
legitimieren oder abzusetzen. Bei der Staatsführung werden die Aufgaben auf die
sogenannten Gewalten (Legislative, Exekutive, Judikative) verteilt, welche einander
ergänzen und zugleich kontrollieren. Vorgesehen wird meistens auch ein selbständiger
Rechnungshof.
Berücksichtigen wir die Verfassungen des 19. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des
20. Jahrhunderts, lassen sich folgende Begriffe als zentral betrachten:
<Freiheit / Souveränität / freie Meinungsäußerung>
<Eigentum>
<Sicherheit>
<Widerstand / Petition>
<öffentliche Meinung>
<Gleichheit>
<Steuerbeitrag>
<Gemeinnutz>
<Bevölkerung>
<Volk / Nation>
<Staatsbürgerschaft>
<Staatsgewalt>
193
<Repräsentativität und Trennung der Gewalten>
<Staatsnamen>
<Vaterland>
<Territorium>
<Hauptstadt>
<Wohnsitz>
<Grenze>
Fokussiert man das Territorium, die Bürger/Bürgerinnen und die Repräsentanz
ergeben sich bei einer Untersuchung von Verfassungsdiskursen des 19. Jahrhunderts
folgende Fragestellungen:
Wie wird der Staat definiert (Territorium, Grenzen, politisches System)?
Wie wird der Staat gekennzeichnet (Bezeichnung, staatliche Insignien, Kirche /
Konfessionen, Sprachen)?
Wer ist Staatsbürger (Voraussetzungen)?
Worin besteht die Staatsbürgerschaft (Bürgerrechte und Bürgerpflichten)?
Wer ist der Souverän?
Wer repräsentiert den Souverän (Parlament, Staatsoberhaupt)?
Wer hat Zugang zur Repräsentanz und zu den Ämtern?
Wie wird die Repräsentanz des Souveräns gewählt (Legitimierung der
Repräsentanz)?
Wer macht die Gesetze (nur die Legislative oder die Legislative und die
Exekutive)?
Soll die Legislative monokameral oder bikameral sein (einfache oder doppelte
Repräsentanz)?
Wer soll wie die Exekutive ausüben (Präsident/König, Ministerpräsident/Kanzler
mit Richtlinienkompetenz, Regierung)?
Wem gegenüber sollen die Vertreter der Exekutive verantwortlich sein (dem
Parlament, dem Präsidenten/König)?
Welche Ämter sollen wie limitiert werden (alle; alle, aber nicht der König und
nicht die Richter)?
Wer soll die Judikative wie ausüben?
Wie sollen die Vertreter der Judikative bestellt werden (durch Wahl oder durch
Ernennung)?
Wie soll die öffentliche Verwaltung gestaltet werden (Ämter, territoriale
Einteilungen)?
Wem gegenüber ist die öffentliche Verwaltung verantwortlich?
Wie soll die innere und äußere Sicherheit organisiert werden?
Wer hat den Oberbefehl über die Sicherheitskräfte (Polizei, Armee)?
Wie soll die Organisation des Staates finanziert werden?
Wer ratifiziert das Grundgesetz (Volk, Parlament)?
Die Urheber der modernen Verfassungen, die auf den französischen Erklärungen der
Menschenrechte gründen, dürften als oberstes Ziel, die Verwirklichung der
Bürgerrechte innerhalb eines repräsentativen Nationalstaates haben. Daher definieren
194
sie das Territorium, beschreiben ausführlich die Rechte, aber kaum die Pflichten der
Bürger, bestimmen ausführlich die Befugnisse der verschiedenen Staatsgewalten,
geben einige Angaben über den Staatshaushalt, sagen jedoch noch nichts zur
Landesökonomie. Unter Berücksichtigung dieser Thematiken und ihrer Vertextungen
im 19. Jahrhundert lässt sich für den typischen Aufbau von traditionellen
Verfassungen das nachstehende Schema postulieren:
Allgemeine Bestimmungen (insbesondere das Territorium, die Eigenarten, die
Insignien)
Die Bürger (insbesondere ihre Rechte, später auch ihre Pflichten)
Die Staatsgewalten (allgemein)
Die Legislative: die Abgeordnetenkammer
Die Legislative: der Senat
Die Exekutive: Das Staatsoberhaupt
Die Exekutive: Die Regierung
Die Judikative
Das Finanzwesen
Die Armee
Revisionsbestimmungen
An der Textoberfläche werden in einer Präambel häufig Grundzweck und
Grundprinzipien dargestellt, während die einzelnen Themen in Titel und Artikel
stukturiert werden.
Im folgenden zusammenfassenden Abschnitt (VIII.2.) wird die allmähliche
Entwicklung des konstitutionellen Diskurses unter Berücksichtigung dieser Typologie
synthetisch und vergleichend nachgezeichnet.
VIII.2. Die Herausbildung eines rumänischen Verfassungsdiskurses
Die in unserer Studie analysierten Texte aus der Zeitspanne zwischen Tudor
Vladimirescu und Mihail Kogălniceanu stellen merhheitlich noch keine Verfassungen
im eigentlichen Sinne bzw. Verfassungen in nuce dar, lassen sich aber als Diskurse
über Verfassungsthemen interpretieren. Dabei kodieren sie unterschiedliche
Diskurswelten und Etappen in der Genese der modernen rumänischen
Staatsauffassung und entwickeln die verschiedenen Themen der <Staatlichkeit>
unterschiedlich stark. So charakterisieren sich die Texte Tudor Vladimirescus (cf. Kap.
IV.8-10.) texttypologisch wie inhaltlich als programmatisch-revolutionär und
argumentativ (cf. den religiös-moralisierenden Ton von Padeş). In ihnen wird bereits
eine Modifizierung der gesellschaftlichen wie staatlichen Organisation des Landes (der
Walachei) vorgeschlagen. Vladimirescus Texte zeigen allerdings deutlich die noch
sehr starke Abhängigkeit in erster Linie von der Pforte, aber auch vom Zarenreich und
dem österreichischen Kaiserreich, welche als Garantiemächte angerufen werden. Man
kann bei den Texten noch nicht von Souveränität, aber doch von einer inneren
Autonomie sprechen, die über eine Entgräzisierung der Landespitze, der Aristokratie
und der Kirche führen soll. Als soziale Reform ließe sich der Versuch deuten, die
Unterdrückung der Bevölkerungsmasse durch Leibeigenschaft und durch zu hohen
195
Steuern zu mildern, allerdings ohne das feudalistische System als solches in Frage zu
stellen. Hinzu kommen erste bruchteilhafte vage „demokratischere” Vorstellungen wie
die eines Allgemeinen Willens (opinie publică), eines Gemeinwohls (binele obştesc)
oder der Wahl nach Meriten, und nicht nach Ämterkauf. Die Proklamation von Padeş
ist ein eher pathetisch gehaltener Aufruf, während die Cereri eine punktuelle
Auflistung von Forderungen ohne deutliche thematische Aufteilung sind.
Viel entwickelter als die Texte von Tudor Vladimirescu erweist sich die sogenannte
und in der Moldau redigierte Cărvunari-Verfassung aus dem Jahre 1822 (cf. Kap. V.).
Der Text ist in Punkten eingeteilt, allerdings werden verschiedene Kernthematiken
sehr verstreut und teilweise zu spezifisch behandelt, sodass wir aus heutiger Sicht von
einer Art Vermischung von Grundgesetz und spezifischer Judikatur sprechen können.
Unsere Analyse hat gezeigt, dass von den grundsätzlichen Menschenrechten außer der
<freien Meinungsäußerung> alle, also <Freiheit>, <Gleichheit>, <Eigentum>,
<Sicherheit>, <Petitionsrecht> mehr oder weniger thematisiert, von den
staatstragenden Begriffen <Bevölkerung>, <Volk>, <Staatsbürgerschaft>,
<Staatsgewalt>, <Repräsentativität>, <Trennung der Gewalten>, <Vaterland>, nicht
aber der (spätere) <Staatsnamen> oder Begriffsfelder wie <Territorium>,
<Hauptstadt>, <Wohnsitz>, <Grenze> konzeptualisiert worden sind. Ferner wird auch
das Gemeinwohl des Landes thematisiert. Von einer Souveränität der Moldau ist noch
keine Rede, es wird aber diskursiv eine gewisse Autonomie suggeriert, z.B. durch die
behauptete Erlaubnis, einen autochthonen Landesherrscher zu haben (volnicia de a se
oblăndui cu ocârmuitorul său). Wie schon bei Vladimirescu führt der Weg in mehr
Autonomie auch über eine Entgräzisierung der Kirche, deren Führungsschicht
einheimisch sein soll. Auffällig ist auch der Hinweis auf die Förderung der
Landessprache. Eine Trennung der Gewalten wird versucht, aber ihre Zuständigkeiten
sind noch nicht klar getrennt. Neu aufgewertet werden soll gegenüber dem domn der
Allgemeine Rat (sfat obştesc), der sich später zu einer nationalen Repräsentanz
entwickeln könnte.
Die Sekundärliteratur spricht zwar von einer Verfassung, und im Text ist einmalig von
„pravila ţărei“, Landesgesetz, die Rede, jedoch beginnt der Text mit dem Wort Cereri,
Forderungen, und spricht auch im Weiteren von einer jalbă, eines Gesuchs, das dem
Sultan vorgelegt werden soll. Konzeptionell kann man also noch nicht rein von einer
Verfassung sprechen. In einem Verfassungstext würde man auch nicht die immer
wiederkehrende <Gesetzeswirksamkeit> erwarten. Ebenso unüblich für eine moderne
Verfassung ist die starke Präsenz von einzelnen Formen des Finanzgebarens.
Als deutlich verfassungsartig in Struktur und Inhalt erweist sich das, mit dem
sogenannten Vereinigungsakt (Act de unire) zusammenhängende Verfassungsprojekt
aus dem Jahre 1838, von I.C. Câmpineanu (cf. Kap. VI.). Erst wenn man beide Texte
zusammen betrachtet, entwerfen sie ein vollständigeres Bild einer modernen
Verfassungskonzeptualisierung. Während der Act, der eine mögliche Reaktion der
Pforte auf eine Vereinigung der Rumänen auszuschalten versucht, stärker
argumentativ ist, behandelt das Proiect de constituţie in sachlich-knapper Auflistung
bereits die Mehrheit der von uns untersuchten Menschenrechte (ausgenommen
<Widerstand / Petition) und die staatstragenden Begriffe <Bevölkerung>, <Volk /
196
Nation>, <Staatsbürgerschaft>, <Staatsgewalt>, <Repräsentativität und Trennung der
Gewalten>, <Vaterland>; ferner auch <Armee> und <Nationalgarde>. Diese
Prinzipien sind nach Punkten ([a] – [r]) gereiht. In der Konzisheit einer Verfassung
entwirft das Proiect de constituţie einen schon deutlich präzisierten Staat mit
unveräußerbarem Territorium (einem bewusst in Anspruch genommenen Raum, cf.
hierzu auch den Act de unire) und mit einem konstitutionell herrschenden Regenten
mit den Attributen eines modernen Staatsoberhauptes (Unantastbarkeit). Der Staat
gewährt allgemeine Rechte (Gleichheit vor dem Gesetz, insbesonders bei
Ämterbesetzung, Freiheit des Individuums, Freiheit der gesprochenen und gedruckten
Meinungsäußerung; cf. auch das allgemeine Recht auf Sicherheit und Garantie des
Individuums im Act de unire) und verlangt von den Bürgern eine gleiche
Steuerleistung. Es zeichnet sich eine beginnende Gewaltenteilung ab: dem
Staatsoberhaupt obliegt die Exekutive und eine mit der Nationalen Repräsentanz zu
teilende legislativen Macht, Legislative und Judikative genießen Unabhängigkeit von
der Exekutive, die Ministertätigkeit wird v.a. im Finanzgebaren durch eine
Reprezentanţia naţională kontrolliert. Die Bedeutung von Revision wird im Act de
unire in Bezug auf das Regulament organic angesprochen.
Auch wenn das Proiect de constituţie einige, für eine moderne Verfassung sehr
weitgehende Vorschläge enthält (Einrichtung eines Ehrenordens, Gründung einer
Nationalgarde), lässt sich behaupten, dass I.C. Câmpineanu den ersten moderneren
Verfassungstext redigierte (cf. auch die Bezeichnung rum. Constituţie / frz.
Constitution im Text selbst). In diesem Text werden neben den erwähnten wichtigen
Menschenrechten auch die Herrschaft eines von außen unabhängig regierenden
suveran (cf. das implizite Ziel der Souveränität der Rumänen im Act de unire) sowie
eine skizzierte zukünftige (Mit)Bestimmung des Volkes bei Ministervorschlägen
(Proiect de constituţie, Punkt r) vorgeschlagen. Andere Staatseigenschaften
(Staatsname, Hauptstadt, Wohnsitz, Grenzen) scheinen noch ausgeblendet zu sein. Der
Staat ist aber durch den Plan der Vereinigung der Rumänen in deutlicher
konzeptioneller Vorbereitung. Sie verläuft über die namentliche Vereinheitlichung der
Bevölkerung der Walachei und Moldau als rumâni, mit der Bedeutung von
<Bewohnern der Moldau bzw. der Walachei>.
Eine ganz andere Textwelt als die bisherigen führt uns die Rede von Blaj vor Augen
(cf. Kap. VII. 1.). Primäres Ziel des Autors Simion Bărnuţiu war es, die Vereinigung
der Siebenbürger Rumänen mit Ungarn zu verhindern. Dazu redigierte er eine
Beweisführung dafür, dass die Ungarn die Siebenbürger Rumänen national
auszulöschen drohten und ein Ja zur Vereinigung den Tod der rumänischen Nation
bedeutete. Diese Botschaft ist argumentativ und rhetorisch stark amplifiziert. Der
Diskurs von Blaj hat, im historischen Augenblick Siebenbürgens, nicht die Priorität,
Kriterien einer zukünftigen Staatsorganisation oder Staatlichkeit aufzustellen. So
gesehen, ist die Rede von Blaj weder eine Verfassung noch verfassungsartig. Dennoch
hat sie wichtige Kernkonzepte der (späteren) Verfassungen auf- und
vorweggenommen. In der drohenden Gefahr der politischen Einverleibung
Siebenbürgens durch Ungarn und einer ausführlichen Thematisierung der, im
Vergleich zu den historischen Rechten der ungarischen Aristokratie weitgehenden
Rechtlosigkeit der Rumänen werden implizit und explizit die notwendigerweise zu
197
erzielenden Rechte der rumänischen Nation angesprochen, in deutlich geringerem
Maße auch jene staatstragenden Begriffe, die wir untersuchen. Es fällt auf, dass als
wichtigste Semantik die <Souveränität> der rumänischen Nation aufscheint. Sie wird
aber kaum mit diesem Lexem, sondern mit Begriffen wie <Freiheit>,
<Unabhängigkeit> oder <Autonomie> von oder gegenüber den Ungarn thematisiert.
Zugleich erscheint die Freiheit der Nation als Garant für die Freiheit der Person.
Freiheit des Staates (Souveränität) und Freiheit der Person sind hier enger ineinander
verflochten als dies in den anderen untersuchten Texten der Fall ist. In einigen
Passagen schreibt Simion Bărnuţiu dem Volk Souveränität (A67) sowie eine
zukünftige nationale Repräsentanz zu. Es werden mehrere allgemeine Menschenrechte
thematisiert, primär, wie schon gezeigt, die (allgemeine) Freiheit der Person, nur
punktuell auch die <freie Meinungsäußerung>. Das Feld <Gleichheit> wird im
Anspruch auf Rechtsgleichheit mit den Ungarn, auf das Recht der Benützung der
eigenen Sprache, auf dieselbe Bildung sowie als Gleichheit in der Steuerleistung
konzeptualisiert. Es fehlen die Grundbegriffe <Eigentum>, <Sicherheit> und
<Widerstand / Petition>.
Als staatstragende Begriffe erscheinen v.a. die <Bevölkerung>, sehr oft als Synonym
zu <Nation>, dann auch die (alte) <Heimat> und implizit das <Territorium>. So wird
der Rechtsanspruch der ungarischen Nation auf den Raum in metaphorischer Weise
negiert. Der Wechsel der Bezeichnungen für die Siebenbürger Rumänen zwischen
Ethnonymen (români, <dacoromani>, ardeleni), Gattungsnamen (locuitori, popor,
naţie) und Gesellschaftsklasse (şerb, coloni) wie auch die häufige Bezeichnung des
Landes mit einem Gattungsnamen oder Abstraktum (ţară, pământ al..., patrie, naţie)
zeigen die Siebenbürger Rumänen auf ihrem Wege zu einem Staatsvolk, welcher
zunächst über die Schaffung einer Nation verläuft, um deren Wohl es geht. Ein
Staatlichkeitsdiskurs ex negativo blendet Begriffe wie <Staatsbürgerschaft>,
<Staatsgewalt>, <Repräsentativität und Trennung der Gewalten>, <Staatsnamen>,
<Hauptstadt>, <Wohnsitz>, <Grenze> vollständig aus.
Die Proklamation von Islaz vom 9./21. Juni 1848 wiederum enthält einen Abschnitt,
der inhaltlich wie strukturell (cf. die in Punkten gereihten Forderungen)
verfassungsartig ist (cf. Kap. VII.2.). Und auch wenn dieser Abschnitt punktuell auch
nicht Verfassungsprogrammatisches thematisiert (z.B. die vorgesehene Reduktion des
Haushaltsbudgets des Regenten zugunsten des Volkes), sprechen die Revolutionäre
der Walachei deutlich und selbstbewusst von einer Verfassung (Constituţia). Auch ist
eine Verfassungsgebende Versammlung (Adunanţe generale estraordinare
constituante vorgesehen, Punkt 22 des Verfassungsteils). Es fällt auf, dass der
„Verfassungstext“ stark ko-textualisiert, d.h. in vorangehende und nachfolgende
argumentativ-narrativ-appelative Abschnitte eingebettet ist (cf. die Rethorik der
göttlichen Legitimation, den impliziten Diskurs über historische Rechte etc.). Das
primäre Ziel der Revolutionäre ist es, das russische Protektorat abzuschaffen. Wie
auch im Blajer Text wird dabei als wichtigstes Thema die Souveränität der Walachei
zum Ausdruck gebracht und zwar v.a. über die Lexeme der Unabhängigkeit und
Autonomie, in der Herrscherwahl usd nd in einem erweiterten Wahlrecht. In der
Argumentation gegenüber den Außenmächten ist nicht das Land oder der zukünftige
Herrscher, sondern das Volk souverän, sein Wille gilt (Popolul român hotăreşte /
198
popolul român voieşte / popolul român împarte). Die Ansprüche der national-
staatlichen Selbstbestimmung der bisherigen Texte überschreitend, werden im Islazer
„Verfassungstext” eine stärkere diplomatische Symbolik nach außen (cf. den Einsatz
eines eigenen Diplomaten in Konstantinopel) und eine Nationalbank vorgesehen, im
argumentativen Teil der Proklamation zudem die Nationalfarben erwähnt und eine
Nationalgarde wie auch tiefgreifendere Verbesserung des Status der autochthonen
Sprache anvisiert. Ähnlich wie im Diskurs von Tudor Vladimirescu, verläuft der Weg
in die national-staatliche Unabhängigkeit über die weitere Entgräzisierung im Inneren
(cf. die geforderte Selbstverwaltung der Klöster des Landes). Mit den Isosemien
<Bevölkerung>, <Volk / Nation>, <Staatsbürgerschaft>, <Vaterland>, nicht jedoch
<Trennung der Gewalten>, <Staatsnamen>, <Staatsgewalt>, <Repräsentativität der
Gewalten>, <Territorium>, <Hauptstadt>, <Wohnsitz>, <Grenze> werden nicht viel
mehr staatstragende Begriffe als in Blaj thematisiert, allerdings hat das Volk, popolul
român, wie schon gezeigt, souveräne Attribute. Und auch hier ist die patrie wichtigster
Identitätsfaktor für Volk und Motivation für die Staatswerdung. Die Vorstellung von
Bürgern, welche (dieselben) Rechte und Pflichten genießen und ihre Würde haben, ist
deutlicher explizit.
Unter Ausblendung der Konzeption von <Widerstand / Petition>) sind alle von uns
untersuchten Kernbegriffe der Erklärung der Menschenrechte aufgegriffen und, im
Verfassungsteil oder im argumentativen Teil der Proklamation, thematisiert. Die
allgemeine Freiheit der Person ist u.a. in der expliziten Souveränität und im Willen des
Volks / der Bürger implizit. Diese sollen absolute Meinungsfreiheit und materielle wie
persönliche Sicherheit genießen. In verschiedenen Passagen und verschiedenen
Kollokationen ist, viel weitgehender als in den bisher untersuchten Texten, das Feld
der <Gleichheit> thematisiert. Zumindest spricht unser Text von politischer und ziviler
Gleichheit, auch wenn damit erst noch eine Angleichung der Bojarenklassen bzw. die
aller freien Personen gemeint ist. Eine theoretische Gleichheit der Rumänen ergibt sich
aus dem Konzept einer aus allen freien Gesellschaftsschichten gewählten nationalen
Repräsentanz, aber auch aus der diskursiven Angleichung der Gesellschaftsklassen
(Abschaffung der Titel), der Strafausmaße, des Steuerbeitrags, der Bildungschancen,
der Konfessionen. Selbst in der Bodenfrage wird eine (gewisse) Angleichung
zwischen alten Bodenbesitzern und den Bauern angezielt. Letztere sollen zukünftig
soviel Boden erhalten, dass sie Familien und Tiere erhalten können. Der Anspruch der
Naturrechte, dass alle Menschen gleich sind, wird im Verfassungsabschnitt auch für
die Zigeuner vorgesehen, die Leibeigenschaft (robie) allerdings nur bedingt
abgeschafft. In der Propagierung von staatlicher Unabhängigkeit, Volkssouveränität
und einer weitgehenderen sozialen Gleichheit spiegeln sich wichtige Ansätze
moderner Verfassungsmäßigkeit.
Auch Dorinţele Partidei Naţionale din Moldova vom August 1848 sind keine
Verfassung in formal-struktureller Hinsicht (cf. Kap. VII.3.). Sie sind ein Plädoyer
Mihail Kogălniceanus für die von ihm als notwendig erachtete Erneuerung der
Moldau, die er vielfach aus den historischen Institutionen der Moldau legitimiert.
Auch sein Text ist stark argumentativ (cf. die Betonung der historischen Rechte der
Rumänen) und rhetorisch amplifiziert, greift aber viele der modernen
Verfassungsthematiken auf. Inhaltlich und strukturell ist dieser Text der Proklamation
199
von Islaz sehr ähnlich. Oberstes Ziel ist die (Wieder-)Erlangung der vorerst inneren
Autonomie der Moldau (und Walachei), die sich in außenpolitischen Abhängigkeiten
befinden, sowie die Vereinigung dieser beiden Fürstentümer als Kern einer national-
staatlichen Bildung. Wie in Islaz werden die absolute Unabhängigkeit des Inneren und
die <Souveränität des Volkes> postuliert. Beide werden in einer, alle Stände
repräsentierenden Nationalversammlung (Adunarea obştească de reprezentanţii
tuturor stărilor societăţii) und der Wahl eines aus allen Klassen der Gesellschaft
gewählten Landesherrn (Domnul ales din toate stările societăţii după vechiul obicei)
konkretisiert. Ein ebenso gewählter autochthoner Repräsentant soll im Äußeren die
Moldau in Konstantinopel stärker symbolisch vertreten, eine Nationalbank dem
Aufbau des Staates im Inneren verhelfen. Auch hier soll die Kirche dem griechischen
Einfluss entzogen werden (cf. die <Verstaatlichung der den Heiligen Orten
unterstellten Klöster>).
In den Begrifflichkeiten der Menschenrechtserklärung ist der Text der Proklamation
von Islaz sehr ähnlich. Dabei thematisieren Mihail Kogălniceanus Dorinţe die längste
und vollständigste Reihe der von uns untersuchten Begriffe der Allgemeinen
Menschenrechte und geben zusätzliche Konzeptualisierungen an. So erscheint die
<Freiheit> nicht nur als <allgemeine / generelle Feiheit> [aller Menschen], sondern
auch als <Handlungsfreiheit und Bewegungsfreiheit [der Bojaren]>,
<Meinungsfreiheit>, <Freiheit der Konfession>, <Freiheit der Arbeit>, <Freiheit des
Wohnorts [für Bojaren]>. Auch die hier erwähnte <Gleichheit> umfasst alle Felder der
Gleichheit von Islaz (die individuelle, politische, zivile Gleichheit mit den gleichen
Rechten auf Bildung, Konfession, Ämter, proportionaler Steuerleistung etc.). Der Text
überwindet auch die – noch in Islaz – beschränkte Gleichheit der Zigeuner. Ferner
werden erwähnt oder argumentiert die Frage des <Eigentums> der Bojaren und die
Verwandlung der Bauern (locuitori săteni) in Bodenbesitzer (proprietari), die
<Sicherheit> und punktuell auch <Widerstand / Petition> und <öffentliche Meinung>
in der Moldau. Der Text enthält noch eine weitere Reihe von Vorschlägen für die
zukünftige Staatsorganisation, die jedoch nicht unmittelbar verfassungsrelevant sind,
sondern konkrete Reformschritte (<Förderung des Handels>, Gründung von
Berufsschulen, Aufstellung einer Stadt- und Landgendarmerie, <Erhöhung der Moral>
etc.).
Deutlich stärker als die bisherigen Diskurse thematisieren Dorinţele, im Diskurs
präzisierte, staatstragende Begriffe, von denen nur die Begriffe <Hauptstadt> und
<Grenze> nicht aufscheinen. Deutlich wird auch das Bewusstsein der Notwendigkeit,
die <Staatsgewalt> in Gewalten zu trennen, so soll z.B. der Herrscher keine
richterliche Letztentscheidung haben („Neamestecarea domnului în ramul judecătoresc
şi aducerea în împlinire a sentintelor fără întărirea sa.”, A43; auch A42), jedoch der
Staat über die Instanz einer Staatsanwaltschaft (ministeriul public) verfügen können.
Die redundante und mannigfaltige Thematisierung des <Staatsnamens>, des
<Territoriums> der Moldau und Walachei und der <Bevölkerung> spiegeln, mehr als
in den anderen Texten, die Dringlichkeit einer namentlichen Staatsgründung wider.
Wie in Islaz verläuft die Konstruktion des Staates über die Begriffe <Nation> +
<Heimat>, aber verstärkt auch über das Ethnonym Rumäne.
200
VIII.3. Vorprojekte zur Verfassung von 1866
Schon bei den Friedensverhandlungen von Paris wurde es deutlich geworden, dass die
Staatlichkeit der rumänischen Fürstentümer weiter entwickelt werden sollte. Die Ad-
hoc Versammlungen beider Fürstentümer sollten den Garantiemächten ihre Wünsche
vorlegen, und diese als Basis für die 1858 in Paris von den Signatarstaaten erarbeite
Konvention für die Organisation der Fürstentümer (kurz Convenţia de la Paris)
herangezogen werden. Der Konvention wurde auch eine Wahlordnung (Stipulaţiuni
electorale anexate la Convenţiunea din 19 august 1858) hinzugefügt. Die Prinzipien
dieser Konvention zeugen schon deutlich von einer Verfassungsmäßigkeit (cf.
Abschnitt I.4.), allerdings einer eben noch von außen gewährten. Vorgesehen waren
gewisse Schritte für die Vereinheitlichung der Organisation der beiden Fürstentümer
durch die Institution der Comisia centrală sowie eines, ebenso für Walachei und
Moldau zuständigen <Obersten Gerichtshofs>, für beide mit Sitz in Focşani (cf. Art.
27. und 35. der Konvention). Die Comisia Centrală, deren Zuständigkeiten primär
legislative waren, bestand von 1859 bis 1862. Sie sollte auch ein Grundgesetz
ausarbeiten. Doch dieses von ihr 1859 ausgearbeitete Verfassungsprojekt wurde von
Cuza nicht approbiert. Dennoch wollte der Regent die Reformen, die in der Convenţia
de la Paris angelegt waren, umsetzen und er wollte zu einer (inneren) Verfassung
kommen (Filitti 1929, 366).
Am 30. Juli/11. Aug. 1863 ließ Cuza seinem Ratgeber Costache Negri ein
Verfassungsprojekt zukommen (Filitti 1929, 367). In der Außenpolitik führte dies
zunächst zu einer Spannung. Ali Pascha, welcher die Pforte vertrat, kontaktierte die
Botschafter der Signatarmächte der Convenţia und verlangte, die Verfassungsänderung
von diesen Staaten approbieren zu lassen. Der rumänische Herrscher war verärgert,
sah dies als Einmischung, weil aus seiner Sicht die Änderungen nur die Innere
Organisation des Landes betroffen hätten. Konfliktuell kam hinzu, dass am 12./24.
Nov. 1863 Djemil Paşa die (unmodifizierte) Verfassung der Convenţia von der Pariser
La Nation in extenso abdrucken ließ. Dennoch scheint im selben Monat das Projekt
von Ali Pascha und von den neben der Pforte akkreditierten Botschaftern approbiert
worden zu sein. Cuza hatte auch im Inneren Schwierigkeiten, denn er hatte die
Adunare (Versammlung) nicht informiert (Filitti, 1929, 378-382). Die Lage im Inneren
scheint sich überstürzt, der Herrscher keinen anderen Ausweg gesehen zu haben als
die Adunare am 2./14. Mai 1864 per Dekret aufzulösen und mit einem Staatsstreich
bestimmte Reformen durchzusetzen. In einem Plebiszit ließ er über ein neues
Agrargesetz, ein neues Wahlgesetz (Aşezământ) sowie über ein Dokument, das als
Statutul desvoltătoru Convenţiunei din 7./19. Augustu 1858 bzw. Statutul lui Cuza
bekannt wurde, abstimmen. Die Interpretationen dieses Statut sind unterschiedlich. Im
Text selbst wird es eher als Annex zur Konvention erklärt (cf. das Wort act adiţional),
auch blieb die Konvention von Paris de facto bis zum 1. Juli 1866 in Kraft. Für einige
gilt das Statut von Cuza aber als die erste wirkliche Verfassung. Auch Filitti
argumentiert in diese Richtung. Die Bezeichnung Statutul desvoltătoru Convenţiunei
din 7./19. Augustu 1858 hätte Cuza außerdem gewählt, um die Außenmächte nicht zu
verärgern.
201
Die 1863-er Verfassung konnte nicht zu Ende gebracht werden, doch dürfte sie den
Text von 1864 mitbeeinflusst haben (Filitti 1929, 382). Im Juni 1864 anerkannten die
Großmächte die Modifizierung der Convenţiei und das Recht der Fürstentümer, interne
Gesetze zu modifizieren. Allein bis Ende des Jahres habe es an die 40 Gesetzesdekrete
gegeben.
Um die Texte von 1863 und 1864 hier kurz in ihrer Bedeutung zu erfassen, gehen wir
noch einmal auf die Bestimmungen der Convenţia de la Paris ein (cf. auch Kap. I.4.).
Hier wird eine erste Gewaltenteilung skizziert. Walachei und Moldau werden, trotz
des Plans einer gewissen Vereinheitlichung noch als eigenständige Fürstentümer
konzeptualisiert, die Öffentlichen Gewalten (Puterile publice) von den jeweiligen
Herrschern der beiden Fürstentümer und den Wahlversammlungen ausgeübt: “Puterile
publice voru fi încredinţate, în fie-care Principatu, unui Hospodaru şi unei Adunări
elective ce voru lucra în casurile prevedute de acéstă convenţie cu concursulu unei
comisii centrale, comună ambeloru Principate” (Art. 3.). Dabei obliegt dem
Landesherrscher die Exekutve (“Puterea esecutivă va fi esersată de Hospodaru.”, Art.
4.), dem Landesherrscher, der Wahlversammlung und der Zentralen Kommission,
einer Art zweiten Versammlung gemeinsam die Legislative (Puterea legiuitóre).
Letztere überwacht die Einhaltung der konstitutiven Gesetze: „Disposiţiile constitutive
nouei organisaţii a Principateloru sunt puse sub paza Comisiei centrale.“ (Art. 32. und
35.). Sie kann Verbesserungen für die Administration vorschlagen (Art. 32.), bereitet
Gesetze allgemeinen Interesses für beide Fürstentümer vor (Art. 6. und 33.) und
unterbreitet diese zur Debattierung den Adunări (Art. 33.). Ihr fällt auch die
Zuständigkeit für die Revision der Regulamente Organice und der allgemeinen
Gesetzgebung:
„Ea va revidui regulamentele organice precumu şi codicile Civile, Criminale, de
Comerţu şi de Procedură, ast-fel încât, afară din legile curatu de interesu localu,
să nu mai fie în viitoru de câtu unului şi acelaşi trupu de legislaţie, care să se
esecute în ambele Principate, după ce va fi votatu de către respectivele Adunări,
întăritu şi promulgatu de fie-care Hospodaru.“ (Art. 35).
Die Wahlversammlung (Adunarea alegătóre), zu deren Mitgliedern der Metropolit
und die Erzbischöfe (Art. 16.) zählen, debattiert und votiert außer den
Gesetzesinitiativen, auch das Budget (Art. 22.) und alle einhebbaren Steuern (Art. 25.).
Die Judikative (Puterea judecătoréscă) wird im Namen des Landesherrschers und de
facto von Beamten seiner Wahl ausgeübt (cf. Art. 7. und die Einrichtung einer Înaltă
Curte Judecătorească şi de Casaţie in Art. 15. und 38.). Noch stellt die Konvention
die klare Suzeranität der Pforte fest (cf. die Regelung des Tributs und die
„Gegenleistung” der Pforte in Form von Schutz im Äußeren sowie Ordnung im
Inneren, Art. 8.). Die Hospodarii werden aber eigene, autochthone Repräsentanten
(agenţi oder Capu-Chehaia) bei der Pforte haben (Art. 9.). Der Hospodar regiert mit
von ihm ernannten Ministern, er bestätigt und promugiert die Gesetze, er bereitet das
Budget vor und unterbreitet es der Adunare (Art. 14.). In einem der letzten Artikel
(46.) werden die Allgemeinen Rechte des Menschen, die Freiheit der Person im
Rahmen der Gesetzekonformität, Enteignung nur für den Gemeinnutzen und gegen
202
Entschädigung, Gleichheit der politischen Rechte, aller Konfessionen östlichen Ritus,
prinzipielle gesellschaftliche Gleicheit festgehalten.
Was den Verfassungstext Cuzas aus dem Jahre 1863 betrifft, lässt sich aufgrund der
Artikel 6 und 24 (Vorsehung der Institution einer Inaltă Curte de Justiţie ohne
weiteres Eingehen auf eine <Judikative>) vermuten, dass der Text noch nicht
fertiggestellt, zur Ausformulierung im ursprünglichen Sinne keine Zeit mehr war. Die
Tatsache dass trotz des starken französischen Einflusses Artikel 1 der Französischen
Verfassung über die Allgemeinen Menschenrechte fehlt, führt Filitti (1929, 368-369)
auf eventuelle persönliche Erwägnisse Cuzas zurück. Trotz dieses Fehlens geht der
Text, der primär die Staatsform aufbaut, über die bisherigen Verfassungskonzepte
hinaus. Auch lässt sich argumentieren, dass schon der faktische Anspruch auf
Nichteinmischung, den Cuza im Kontext des historischen Geschehens gegenüber der
Pforte zeigte, die zukünftige Staatssouveränität vorwegnimmt. Zwar nur mit wenigen
semantischen Feldern, hauptsächlich zur <Staatsgewalt> und <Trennung der
Gewalten>, baut dieses Verfassungsprojekt an der Textoberfläche eine moderne
Verfassungsstruktur auf, die sich in größere Abschnitte und diese wiederum in 67
Artikel gliedern. Sie nimmt dabei die typische Aufstellung und Reihenfolge der
Thematik <Staatsgewalt> der modernen Verfassungen vorweg. Dem Domnitor oder
şeful de stat obliegt mit der Hilfe von Ministern die Regierung ([Abschnitt 1] Despre
ocârmuire, Art. 1.-7.). Die im Titel nicht mit diesem Lexem benannte <Legislative>
besteht aus zwei <Kammern>, einem Senat (cf. ([Abschnitt 2] Despre Senat, Art. 8.-
24.) und einer Wahlversammlung ([Abschnitt 3] Despre Adunarea electivă, Art. 25.-
53.). Filitti gemäß ist die Konzeption von zwei Kammern eine der großen Neuerungen,
die erstmalig seit den Reformprogrammen der 20-er Jahre die einzig bestehende
Adunare obştească ablösen sollte (1929, 369). Noch sind auch in diesem Text die
Gewalten nicht deutlich getrennt, sondern die Legislative vom Regenten, Senat und
der Wahlversammlung getragen (“Puterea Legiuitoare se exercită împreună de
Domnitor, de Senat şi de Adunarea electivă.”, Art. 3.). Zugleich werden zwei
Kontrollorgane vorgesehen (Consiliul de Stat şi Curtea de compturi, [Abschnitt 4] Art.
54-65.), die aber provisorisch durch ein Comitet de legislaţiune und ein Comitet de
finanţe vertreten werden (Art. 54., 55.). Sie bereiten Gesetzesprojekte vor bzw. sie
kontrollieren das Budget (Art. 60.). Damit sind Vorstufen eines heuten
Verfassungsgerichtshofes und Rechnungshofes angedacht. In der Wahlordnung der
Abgeordneten überwand Cuza, Filitti zufolge (1929, 375), das System der
Repräsentation von Ständen, wie es 1848, dann im Ad-hoc Diwan und auch von der
Comisia centrală von Focşani verlangt worden war. Er führte stattdessen ein einziges
Wahlkollegium, mit der Unterscheidung zwischen zwei Klassen von Wählern
(alegători primari und alegători direcţi) ein. Zwar führte auch die Verfassung von
1863 ein zensitäres Wahlsystem weiter, jedoch, so könnte man sagten, ein
gemäßigteres (statt der jährlichen Mindeststeuer von 96 Lei, nun 48 Lei; Filitti, 1929,
375). Ein neuer Staatsname bleibt noch ausgeblendet (Ocârmuirea Principatelor
Unite, Art. 1). Laut Filitti ist der Text von der französischen Verfassung vom 14.
Jänner 1852, die bis 1863 in Kraft war, stark beeinflusst (1929, 368).
Vergleicht man den Text von 1863 mit dem Statut von Cuza aus dem Jahre 1864,
welches aus 18 Artikeln und einem Anhang (Modificaţiuni îndeplinitóre Statului în
203
Preambulul Statutului) besteht, entsteht der Eindruck, dass, obwohl im Statut die
Konvention von Paris als Grundgesetz anerkannt und das Statut als actu adiţionalu alu
Convenţiunei erklärt wird, beide Texte sehr Ähnliches und in sehr ähnlicher Weise
formulieren. Die öffentlichen Gewalten (Puterile publice) werden festgelegt, sie
unterstehen dem Domn, einer Adunare ponderatrice [in den Modificaţiuni als Senatu
bezeichnet] und einer Adunare electivă (Art. 1.). Auch hier ist eine noch nicht ganz
deutliche Gewaltenteilung abgezeichnet. Das zukünftige Parlament wird als eines aus
zwei Kammern bestehendes konzipiert. Der Regent alleine hat das Recht,
Gesetzesinitiativen vorzulegen, diese werden von den zwei Versammlungen, der
Adunare ponderatrice / Corpului ponderatoriu (bestehend aus dem Metropoliten,
Erzbischöfen, dem ersten Präsidenten des Kassationshofes, dem ältesten dienenden
General und weiteren 64 Mitgliedern) und der Adunare electivă, debattiert und votiert
(„Puterea Legiuitóre se esercită colectivu de Domnu, de Adunarea ponderatrice şi de
Adunarea electivă.”, Art. 2.; „Domnulu are singuru iniţiativa legiloru; elu le pregătesce
cu concursulu Consiliului de Statu şi le supune Adunărei elective şi Corpului
ponderatoriu, spre votare.”, Art. 3.; cf. auch Artikel 13 des Statut sowie die
Verstärkung im Anhang: „Ori ce lege cere învoirea tustreleloru Puteri.” (Modificaţiuni,
La Art. III.). Unterstützung für die legislativen Agenden bekommt der Regent durch
einen von ihm delegierten Staatsrat (Art. 5.): „Domnulu are singuru iniţiativa legiloru;
elu le pregătesce cu concursulu Consiliului de Statu şi le supune Adunărei elective şi
Corpului ponderatoriu, spre votare.” (Art. 3., cf. auch Art. 12.). Die Exekutive
(Puterea esecutivă) bereitet das Budget vor, die Wahlversammlung votiert dieses (Art.
6.) wie auch die Gesetze (Art. 5.). Ein Corpul ponderatoriu [ihm entspricht in der
Konvention in dieser Aufgabe die Zentralkommission] überwacht, wie in den
zukünftigen modernen Verfassungen der Verfassungsgerichtshof, die Einhaltung der
konstitutiven Gesetze und darf Änderungsvorschläge vorlegen. Das Wahlsystem
scheint von 1863 primär übernommen worden zu sein. Zum ersten Mal kommt sowohl
in der Einleitung wie im Text selbst der neue Staatsname România vor (Art. 12). Die
Abhängigkeit von der Pforte wird explizit beibehalten:
„Principatele-Unite potu în viitoru a modifica şi a schimba legile care privescu
administraţiunea loru din lăuntru, cu concursulu legalu alu tutuloru puteriloru
stabilite, şi fără nici o intervenţiune; se înţelege însă că acéstă facultate nu se
póte întinde la legăturile care unescu Principatele cu Imperiului Otomanu, nici
la tratatele între Înalta Pórtă şi cele-l-alte Puteri, care sunt şi remânu obligatorii
pentru aceste Principate.” (cf. die Einleitung zum Statut)
204
Der Verfassungstext von Cuza wie das Statut desvoltatoriu können als Vorarbeiten
zum Verfassungsprojekt des Consiliu de stat von 1866 betrachtet werden. Letzteres
mündet ziemlich direkt in die erste typologisch moderne Verfassung Rumäniens von
1866 (cf. Filitti 1934) und Metzeltin (2006, 721-725).
205
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