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1 PETREA LINDENBAUER DIE ENTSTEHUNG DES RUMÄNISCHEN KONSTITUTIONELLEN DISKURSES IM 19. JAHRHUNDERT HABILITATIONSSCHRIFT Wien, 2010

PETREA LINDENBAUER DIE ENTSTEHUNG DES RUMÄNISCHEN ... · THEORIE UND METHODOLOGIE 32 IV. DIE TEXTE VON TUDOR VLADIMIRESCU AUS DEM JAHRE 1821 37 IV.1. Die sozialpolitische Situation

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1

PETREA LINDENBAUER

DIE ENTSTEHUNG DES RUMÄNISCHEN KONSTITUTIONELLEN

DISKURSES

IM 19. JAHRHUNDERT

HABILITATIONSSCHRIFT

Wien, 2010

2

„Reformele nasc în capul teoreticilor;

ei mai întîi le discutează şi le predică,

tîrziu apoi populul le adoptează“

(M. Kogălniceanu, Scrieri, 1967)

3

INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG 5

I. DIE GESCHICHTE DER RUMÄNISCHEN LÄNDER

IM 19. JAHRHUNDERT 6

I.1. Die politische Situation der rumänischen Länder im 19. Jahrhundert 6

I.2. Die Revolutionsbewegungen von 1821, 1822 und ihre Folgen 7

I.3. Die Revolutionsbewegungen der 1830-er und 1840-er Jahre und ihr Echo 10

I.4. Der Weg der Vereinigten Fürstentümer in die Autonomie unter Cuza 13

I.5. Der Weg Rumäniens in die Souveränität unter Carol I. 17

I.6. Die Bildung des heutigen Rumänien unter Ferdinand I. 18

I.7. Die gesellschaftliche Transformation der rumänischen Länder im 19. Jahrhundert 19

II. DIE DURCHSETZUNG DES LIBERALEN GEDANKENS 24

II.1. Der Ursprung des liberalen Gedankens in den rumänischen Ländern 24

II.2. Frühe staatliche Gesetzgebung und diskursive Reformversuche 25

II.3. Meilensteine auf dem Weg zur autochthonen Verfassung: Quellen und Corpus 27

III. THEORIE UND METHODOLOGIE 32

IV. DIE TEXTE VON TUDOR VLADIMIRESCU AUS DEM JAHRE 1821 37

IV.1. Die sozialpolitische Situation in den Rumänischen Fürstentümern um 1821 37

IV.2. Die bisherige Deutung der von Tudor Vladimirescu angeführten Bewegung 38

IV.3. Teilweise Kooperation Tudor Vladimirescus mit der Häterie 39

IV.4. Historiographische Daten zur Person Tudor Vladimirescu 44

IV.5. Ideologie und Ziele des Tudor Vladimirescu 46

IV.6. Widerstandstexte und Reformideen zur Zeit Tudor Vladimirescus 48

IV.7. Die verschiedenen Reproduktionen und Versionen

der Texte des Tudor Vladimirescu 49

IV.8. Analyse der Proklamation von Padeş (verkündet am 23. Jänner / 4. Feber 1821) 52

IV.9. Analyse der Forderungen, welche das wallachische Volk in der Wallachey macht oder

Cererile norodului (verfasst über mehrere Monate bis zum Frühjahr 1821) 53

IV.10. Interpretation der Proklamation von Padeş und der Forderungen, welche das

wallachische Volk in der Wallachey macht 61

V. CERERILE CELE MAI ÎNSEMNĂTOARE CE SE FAC DIN PARTEA OBŞTIEI

MOLDOVIEI AUS DEM JAHRE 1822 (DIE SOGENANNTE „CĂRVUNARI-

VERFASSUNG”) 65

V.1. Sozial-politischer Kontext der Reformvorschläge von 1822 65

V.2. Ideologische Einflüsse der Reformvorschläge von 1822 (nach Barnovschi) 67

V.3. Sprachliche Besonderheiten des Textes der Reformvorschläge von 1822 72

V.4. Analyse der Reformvorschläge von 1822 73

V.5. Interpretation der Reformvorschläge von 1822 84

4

VI. DIE BEWEGUNG VON ION C. CÂMPINEANU:

ACTUL DE UNIRE VOM 1. NOVEMBER 1838

PROIECTUL DE CONSTITUŢIE VOM 5. NOVEMBER 1838 91

VI.1. Texte und Kontext des Wirkens des Ion Câmpineanu 91

VI.2. Analyse des Act de unire (1. November 1838) und des Proiect de constituţie

(5. November 1838) 93

VI.3. Interpretation des Act de unire und des Proiect de Constituţie 101

VII. DIE TRAGWEITE DER RUMÄNISCHEN REVOLUTIONEN VON 1848 104

VII.1. Der Revolutionstext von Blaj/Blasendorf vom 2. Mai 1848 106

VII.1.1. Die historische Motivation des Diskurses von Blaj 106

VII.1.2. Blaj – Bildungszentrum der rumänischen Aufklärung und ihr Deszendent Simion

Bărnuţiu 107

VII.1.3. Der Diskurs von Blaj – Auftakt zur großen Nationalversammlung

vom 3.-5. Mai 1848 109

VII.1.4. Analyse des Diskurses von Blaj: sprachliche und stilistische Besonderheiten 112

VII.1.5. Makrostrukturelle Analyse des Diskurses von Blaj 116

VII.1.6. Analyse der unterschiedlichen Ko-Diskurse der Rede von Blaj 129

VII.1.7. Der „Staatlichkeitsdiskurs“ in der Rede von Blaj (Analyse und Interpretation) 132

VII.2. Die Proklamation von Islaz vom 9. / 21. Juni 1848 136

VII.2.1. Der historische Kontext der Proklamation von Islaz 136

VII.2.2. Ion Heliade-Rădulescu und die aufgeklärt-liberale Ideologie

der Proklamation von Islaz 138

VII.2.3. Typologie und Ko-Diskurse der Proklamation von Islaz 139

VII.2.4. Die „Staatsreform“ der Proklamation von Islaz 141

VII.3. Dorinţele Partidei Naţionale din Moldova von Mihail Kogălniceanu

(August 1848) 145

VII.3.1. Historischer Kontext der Dorinţele Partidei Naţionale din Moldova 145

VII.3.2. Staatskonzeption, Ideologie und politische Terminologien der Dorinţe 147

VII.3.3. Die wichtigsten Isosemien oder Prioritäten der Moldau nach den Dorinţe 150

VII.3.4. Rhetorische und sprachliche Markierungen und Besonderheiten der Dorinţe 152

VII.3.5. Analyse und Interpretation des Staatlichkeitsdiskurses in den Dorinţe 155

VIII. AUF DEM WEGE ZU EINER MODERNEN VERFASSUNG:

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 161

VIII.1. Themen und Struktur moderner Verfassungen 161

VIII.2. Die Herausbildung eines rumänischen Verfassungsdiskurses 163

VIII.3. Vorprojekte zur Verfassung von 1866 167

BIBLIOGRAPHIE 172

5

EINLEITUNG

Es ist immer ein Wagnis, Geschichte retrospektiv zu erfassen und umso mehr, wenn es

sich um etwas so Komplexes handelt wie den rumänischen modernen Staat. Wann, mit

welchen Attributen und wie das moderne Rumänien entstanden ist, hängt vielfach von

der Definition von Modernität ab. Die unterschiedlichen Meinungen der verschiedenen

Experten zum Zeitpunkt des Beginns der rumänischen modernen Gesellschaft lassen

uns im Unsicheren sowohl über die Daten als auch über das (konzeptuelle) Wesen des

Staates. Der rumänische Historiker Pompiliu Eliade etwa nennt das Jahr 1821 als eines

der wichtigen Daten des Beginns der Geschichte der rumänischen renaştere und sieht

den Kontakt der rumänischen Länder mit Frankreich als ein Schlüsselereignis dafür

(2000, 306). Auch Eugen Lovinescu betont den französischen Einfluss als Auslöser

einer Veränderung und Integration der rumänischen in eine westliche Zivilisation um

1848 („Istoria civilizaţiei române moderne începe însă odată cu veacul al XIX, adică

odată cu integralizarea contactului nostru cu apusul şi cu schimbarea mediului nostru

de formaţie”, dabei ist 1848 ein symbolischer Moment (III, 187-188). Berücksichtigen

wir das erste Durchsickern neuer Impulse in die rumänische Gesellschaft, lässt sich

aber auch schon die Zeitspanne 1750 bis 1821 als beginnende moderne Phase

betrachten. Die Perspektive über den Staat hat in jedem Fall das soziale System mit im

Auge. In der rumänischen Moderne geschehen in ihr die Ablöse des Feudalsystems,

die Erstarkung der Wirtschaft, der Sichtwechsel, den Bewohner nun als Bürger zu

wahren. In Bezug auf den Beginn der rumänischen Moderne spricht man ferner oft von

einer „Verbrennung der Epochen“, dem Fehlen des eigentlichen Übergangs eines

mittelalterlichen Rumänien zu einem modern(er)en Rumänien („România

contemporană a devorat câteva secole, în câteva decenii.“; in nur zwei Jahrzehnten, so

stellt es Barnovschi der moldauischen und walachischen Gesellschaft aus, hätte sie

sich von einer mittelalterlichen zu einer modernen gewandelt; [1923], 87, 98).

Staatsgeschichte ist immer historisch, soziologisch und auch prädestiniert juristisch zu

betrachten. Die vorliegende Studie geht einen vierten Weg. Mit dem Ziel, die zeitliche

wie inhaltliche Werdung des rumänischen Staates zu erfassen, untersucht sie den

Diskurs über den Staat. Staaten entstehen nicht einfach, sie werden gemacht. Sie

werden, nach Lucian Boia und Michael Metzeltin, v.a. über Diskurse konstruiert und

damit erschaffen. Der Weg von der Vorstellung zu Wirklichkeit ist, wie es Mihail

Kogălniceanu oben treffend formuliert, dabei oft kein schneller. Aufgrund einer

ausgewählten Reihe von staatsgenerierenden Texten wird in unserer Untersuchung die

Staatswerdung nachvollzogen. Die Studie erhebt dabei nicht den Anspruch auf

Exhaustivität oder die Individualität der rumänischen historischen Provinzen zu

zeigen. Die Texte sind gewählt nach ihrer Bedeutung im Kontext einer Reihe von

markanten historischen Ereignissen innerhalb der heutigen rumänischen Staatsgrenzen

in einem Zeitabschnitt, der historisch als eine Kernzeit der nationalen Werdung

Rumäniens gilt. Sie umfasst die Ereignisse von der Revolution von Tudor

Vladimirescu (1821) über die Revolution von 1848-1849, die Vereinigung der beiden

Donaufürstentümer Moldau und Walachei (1859) und die Phase des Sturzes von Ioan

Alexandru Cuza und seine Ablöse durch Rumäniens Fürsten Carol I. Die

sprachwissenschaftliche Analyse beleuchtet die Diskurswelten, in denen sich

unterschiedliche Staatsdiskurse betten als solche, sowie primäre Kernbegriffe

6

moderner <Staatlichkeit>. Nicht primär das juridische Detail ist unser Interesse,

sondern allgemeinere Begrifflichkeiten wie <Freiheit>, <Staatsbürgerschaft>,

<Staatsterritorium> und ihre Spiegelung oder Nicht-Spiegelung in den Texten. Was

die Arbeit sehr deutlich zeigt, ist, dass sich der Staatsdiskurs in sehr unterschiedlichen

Diskurswelten generiert und sich um 1863 in den autochthonen Staatlichkeitsdiskurs

gießt, welcher seinen Abschluss und Höhepunkt in der rumänischen Verfassung vom

1. Juli 1866 hat. Auch zeigt sie, dass der diskursive Aufbau des rumänischen

modernen Staates über den Zeitraum 1821 bis 1863/1866 verlief.

7

I

DIE GESCHICHTE DER RUMÄNISCHEN LÄNDER IM 19. JAHRHUNDERT

I.1. Die politische Situation der rumänischen Länder im 19. Jahrhundert

In unserer Studie widmen wir uns den Ereignissen und Textproduktionen, die zur

Entstehung des modernen Rumänien führten. Beide datieren in einem Zeitraum

zwischen dem Jahr 1821 und der internationalen Anerkennung der politischen

Existenz „Rumäniens“ im Jahre 1856, sowie der folgenden Phase der Vereinigung der

Donaufürstentümer der Moldau und der Walachei im Jahre 1859 und dem „Vorabend“

der Entstehung der ersten landeseigenen – und für ihre Zeit sehr modernen –

Verfassung unter Fürst Carol von Hohenzollern im Jahre 1866. Insgesamt kam die

Entstehung des modernen Rumänien erst in den Jahren 1918/1919 zum Abschluss, als

nach dem Zusammenbruch der Österreichisch-Ungarischen Monarchie auch das

(Groß-) Fürstentum Siebenbürgen (Ardeal, Transsilvanien) zum alten Königtum

(Vechiul regat) kam und so Großrumänien bzw. Marea Unire entstand. Einigen

rumänischen Historikern zufolge, entspricht der Zeitschnitt 1821 dem Beginn der

modernen Epoche Rumäniens (z.B. Giurescu/Giurescu 1977, 239), auch wenn z.B. der

anglo-amerikanische Historiker Keith Hitchins dieselbe Epoche mit 1774 (-1821)

deutlich früher ansetzt (ib. 1996, Introduction). In jedem Fall fällt in den hier

genannten Zeitschnitt, 1821 – 1866, die langsam sich vollziehende Entstehung

Rumäniens als eines modernen Nationalstaates.

Rumänien ist in einem jahrhundertelangen staatspolitisch sehr schwierigen Balanceakt

entstanden, in welchem die historischen Fürstentümer ihre Autonomien entgegen den

Ansprüchen der angrenzenden Großmächte durchsetzen und verteidigen mussten. Für

die rumänischen Länder galt, was für den Balkanraum insgesamt galt. Sie waren über

Jahrhunderte hinweg und bis ins 20. Jahrhundert „Schachbrett der

Großmachtdiplomatie“ (Weithmann 1995, 182), an welcher sich Ungarn, Polen,

Habsburg, die Hohe Pforte, später auch Russland und im 19. Jahrhundert dann

kollektiv die Signatarstaaten des Dritten Pariser Friedens (1856) beteiligten, um ihre

ureigenen Interessen auszufechten. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts war die

Autonomie der Fürstentümer zwar formal gegeben, aber schwer angeschlagen

(Stan/Iosa 1996, 13-14). Für Jahrhunderte war das Osmanische Reich die Macht,

welche die höchste Hegemonie (Suzeranität) über die rumänischen Länder ausübte,

innenpolitische Strukuren konnten nur mit der Zustimmung der Pforte geändert

werden (ib.). Seit 1540, einem Jahr, in welchem die Bojaren für eine

außergewöhnliche Wahl eines Landesfürsten die Bestätigung des Sultans eingeholt

hatten, hatte dieser aus dem einmaligen Vetorecht eine Usance gemacht und bestimmte

und ernannte den Landesherrn mit, selbst gegen die Zustimmung des Landes

(Barnovschi ([1924], 168-170). Von Anfang des 18. Jahrhunderts an bis 1822

dominierte die Pforte die Donaufürstentümer durch hier von ihr eingesetzten stark

gräzisierten Landesherrscher, welche sie aus dem Stadtviertel Phanar von

Konstantinopel „rekrutierte” (Phanarioten).

8

Bis zur Entstehung Großrumäniens im Jahre 1918/1919 nützten vor allem die

Großmächte Türkei, Österreich und Russland vielfach „rumänische“ Territorien für

ihre Kriege. Für diese bedeutete dies wiederholte militärische Besetzungen, aber auch

teilweise Gebietsverluste, denn rumänische Gebiete wurden immer wieder als

Kompensationen für erlittene Verluste der Kriegsstaaten „gehandelt“. Eine Reihe von

russisch-türkischen Kriegen fand zwischen 1786 und 1812 statt und schwächte die

Türkei und deren Hegemonie zugunsten Russlands, das allmählich seine Hegemonie

über die Fürstentümer durchsetzen wird. Russland besetzte die Fürstentümer in den

Jahren 1806-1812 (1812 annektierte es Bessarabien) und 1828-1834. Erst der

Krimkrieg (1853-1856) sollte auch die Hegemonie Russlands „brechen“ und das

russische Protektorat über die Fürstentümer, unter welchem die außenpolitische

Vertretung, die Landesverteidigung und selbst Angelegenheiten des Inneren nicht

allein in den Händen der Rumänen lag, abschaffen und die rumänischen Fürstentümer

unter internationale europäische Sicherung und Kontrolle stellen.

In der Geschichte der rumänischen Länder spiegelt sich immer wieder ein brisantes

und unstabiles Mächteverhältnis der an diesen Ländern interessierten Großmächte

wider. Dies zeigt beispielsweise der historische Augenblick des Ablebens des Fürsten

der Walachei, Alexandru Suţu, im Jänner 1821. Berichte des k.k. Rates und Agenten in

Bukarest Fleischhackel von Hakenau an Metternich dokumentieren, dass die

walachischen Bojaren über den Tod des Fürsten Wien im Geheimen informierten, dass

sie Konstantinopel hingegen darüber berichten und um die baldige Ernennung eines

Nachfolgers von Alexandru Suţu bitten mussten, und dass Pini, der russische Konsul

von Bukarest, in dieser Situation versuchte, russischen Einfluss geltend zu machen und

sich angesichts der Absicht der Bojaren, gegen einen drohenden Volksaufstand

militärische Hilfe von der Pforte anzufordern, nur in der äußersten Gefährdung der

Sicherheit des „Staates” dazu bereiterklärte, dies zu gewähren (Documente privitoare

la istoria românilor, 1940, DCXXXII, 538). Dabei berief sich Pini auf den „Hatticherif

de 1802 qui guarantit aux deux Principautés l´inviolabilité de leurs frontiéres [sic]”

(ib., 537).

Im Kampf um nationale Eigenständigkeit hatten die Rumänen auf die Unterstützung

Frankreichs gehofft, jedoch wurde Napoleon I. Bonaparte (1769-1821) 1812

vernichtend von Russland geschlagen. Im Wiener Kongress (1814/15) war die

Hegemonie der west- und zentraleuropäischen Großmächte und Russlands zunächst

neu bekräftigt worden. Bis 1820 hatten diese versucht, das alte Regime wieder

einzusetzen und die von den Ideen der Französischen Revolution und dem

Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg ausgelösten nationalen Bewegungen zu

ersticken (Pop 1998, 109). Die rumänischen Länder sollten noch für Jahrzehnte in

ihren politischen Abhängigkeiten – osmanische Suzeranität für die Moldau und die

Walachei und habsburgische Dachherrschaft für Siebenbürgen (Hitchins 1994, 52-54)

– verbleiben. Erst im liberalen und romantischen Geist entstand im Westen und

Russland das Interesse für eine Befreiung des griechischen Volks und der anderen

christlichen Völker auf dem Balkan, somit auch für die rumänischen Regionen (Pop

1998, 109).

9

I.2. Die Revolutionsbewegungen von 1821, 1822 und ihre Folgen

Auf dem Hintergrund der politischen Hegemonien über die rumänischen Länder sowie

der sozialen Unterdrückung der Masse ihrer Bewohner war es Tudor Vladimirescu

(geb. um 1770, ermordert 1821), auf den ein erster Versuch zurückgeht, eine größere

politische Autonomie der Walachei sowie verschiedene soziale Reformen zu

erreichen. Tudor Vladimirescu scheint, nach der rumänischen Historiographie, am

Beginn der Häterie-Bewegungen auf „rumänischem“ Boden mindestens teilweise vom

walachischen Regierungskomitee, Comitet de oblăduire, welches den im Jänner 1821

verstorbenen Fürsten der Walachei vertrat – die Großbojaren Grigore Brâncoveanu

(1771-1832); Grigore Dimitrie Ghica, der spätere, erste autochthone Landesherrscher;

und Barbu Văcărescu – zum Aufbau eines Heeres gerufen und als dessen Anführer

eingesetzt worden zu sein. Als solcher kooperierte er bis zu einem gewissen Grad (und

Zeitpunkt) mit der griechischen Freiheitsbewegung zur Einigung aller Balkanvölker

im Kampf gegen das „osmanische Joch“. Anführer des griechischen Kampfes gegen

die Pforte war Alexander Ypsilanti (1792-1828), der Sohn des früheren Fürsten der

Walachei, Constantin Ypsilanti (1802-1807, mit Unterbrechungen), der als ehemaliger

Offizier des russischen Heeres eine gute Beziehung zum Zaren hatte. Alexander

Ypsilanti plante, sein Heer über die Moldau in den Süden zu führen und erzwang vom

moldauischen Fürsten Mihai Suţu (1818-1821) die Unterstützung der griechischen

Causa. Tudor Vladimirescu dürfte am Beginn der Ereignisse eine Art Allianz mit den

Mittelsmännern der Häterie, Iordache Olimpiotul und Farmache, im Kampf gegen die

osmanische Hegemonie, eingegangen sein. Allerdings führte er die ihm unterstellten

Pandurentruppen in einer revolutionären Bewegung gegen die (unrechtmäßig und sich

unmäßig verhaltenden) großgrundbesitzenden Bojaren und Klöster in Oltenien an.

Aufgrund dieser Aktionen wurde er von den Großbojaren und der Kirche geächtet (cf.

Kap. IV.3.). Außerdem trat er mit Ypsilanti in einen „Wettkampf“ um die Herrschaft

in Bukarest. Alexander Ypsilanti überquerte Anfang März 1821 den Pruth, besetzte die

Moldau und sollte seine Truppen bald nach Bukarest führen. Um ihm einer möglichen

Besetzung Bukarests zuvorzukommen, beeilte sich auch Tudor Vladimirescu, ca. Ende

März, mit seinen Truppen die Stadt zu erreichen. Die Großbojaren flüchteten Ende

März nach Siebenbürgen, Ypsilanti und Vladimirescu steckten Ende März/Anfang

April ihre Zonen ab, gerieten aber immer stärker in Konflikt, zumal sich auch Zar

Alexander I. von den revolutionären Bewegungen beider distanzierte und ihnen damit

die außenpolitische Rückendeckung entzog. Der Zar ging sogar soweit, das

Osmanische Reich zu ermächtigen, gegen die Erhebungen militärisch vorzugehen. In

dieser prekären Situation versuchte Tudor Vladimirescu, die Pforte seiner Treue zu

versichern und die Bewegungen als gegen die Ausbeutung der Phanarioten gerichtet

darzustellen. Er hatte damit aber keinen Erfolg. Anfang Mai 1821 begannen

osmanische Truppen moldauisches Territorium zu besetzen, Tudor Vladmirescu zog

sich zurück, versuchte mit den Häteristen zu verhandeln, wurde jedoch von den

Pandurenhauptmänner Dimitrie Macedonski und Hagi Prodan verraten und auf Befehl

von Ypsilanti gefangengenommen, nach Târgovişte gebracht und unter Anklage des

Verrats und ohne Gerichtsverfahren Ende Mai 1821 ermordet. Das Pandurenheer

konnte sich danach nur noch kurz gegen die Truppen der Pforte halten, der letzte

Widerstand wurde am 29./30. Mai bei Slobozia und am 20. Juli bei Tismana

gebrochen, die Söldner mit ihrem Anführer Bimbaşa Sava von den Osmanen in

10

Bukarest hingerichtet. Die von Vladmirescu angeführte Bewegung war damit erstickt.

Es folgte eine bis Herbst 1822 andauernde Zeit der Plünderungen, von Repressalien

und Verurteilungen der Osmanen von Personen, die am Aufstand beteiligt gewesen

waren. Dennoch hat die Bewegung von Tudor Vladimirescu zu einer

Internationalisierung der „rumänischen Frage“ geführt, der Einsatz durch den Sultan

von landesfremden Landesfürsten aus dem Phanar (Phanariotenherrschaft) wurde

beendet, die Griechen aus den Ämtern entfernt. Der Sultan begnügte sich ab jetzt

damit, die neuen, jetzt einheimischen Fürsten, Ioniţa Sandu Sturza in der Moldau und

Grigore Dimitrie Ghica in Muntenien, nur zu approbieren (und nicht mehr

vorzuschlagen).

Fast zeitgleich zu Tudor Vladimirescu kam es in der Moldau zu einer Gruppierung von

Kleinbojaren, welche eine Modernisierung der Gesellschaft und Reformen des Staates

zum Ziel hatten, hinter dem auch der Landesfürst stand. Lovinescu zufolge hatte die

Wirkungskraft des cărvunarism bzw. der cărvunari zwar nicht für eine entscheidende

soziale Revolution und somit auch nicht für die Revolution von 1848 gereicht (ib. 58,

62-63), dennoch schreibt Barnovschi dieser Bewegung eine deutlich weitergehende

Bedeutung als jene des Tudor Vladimirescu zu. Dessen Rolle, mit der Waffe zu

agieren, hätte Ionică Tăutu, Hauptverfasser des später als Constituţia cărvunarilor

genannten Reformtextes, mit Feder und Politik entsprochen (Barnovschi [1923], 68,

nach Al. Russo, FN2). Die längerfristige Um- und Durchsetzung der Reformen de

cărvunari scheiterte an der Opposition der Großbojaren und der Großmächte.

11

Trotz des russisch-türkischen Kriegs der Jahre 1806-1812 (beendet mit dem Frieden

von Bukarest), welcher die Donaufürstentümer mit beeinträchtigte, kam es nach den

landesinternen Ereignissen von 1821 auch in der außenpolitischen Lage für einige Zeit

zur Entspannung. Russland und die Pforte fanden am 25. Sep. / 7. Okt. 1826 eine

Einigung in der Konvention von Akkerman (Cetatea Albă / Weißenburg / Bilhorod-

Dnistrowskyi). Sie legte eine zumindest nominale Autonomie der Fürstentümer

(Georgescu 1992, 115), aber auch die Approbation der vom Diwan aus den

landesinternen Bojaren für sieben Jahre gewählten Landesfürsten fest. Desweiteren

bestärkte die Konvention von Akkerman die Position Russlands als Schutzmacht für

die Walachei und die Moldau. Als Mahmoud II. (Regierungszeit 1808-1839) 1827 die

Konvention aufkündigte und auch gegen die griechischen Revolutionsbewegungen

sehr hart vorging, war dies der Anlass eines weiteren russisch-türkischen Kriegs

(1828-1829), aus dem Russland siegreich hervorging. Im folgenden Friedensschluss,

dem Frieden von Adrianopel (2./14. September 1829) wurde nach dem Aufstand unter

Miloš Obrenović die Autonomie Serbiens und im sogenannten Londoner Protokoll die

Unabhängigkeit Griechenlands anerkannt.

Schon im Vertrag von Akkerman waren Prinzipien diskutiert worden, welche im

späteren, russisch oktroyierten Grundgesetz für die Walachei (1831) festgehalten

werden sollten: die Notwendigkeit des freien Außenhandels als Basis für den

Fortschritt eines Landes: „Slobozenia comerciului, fiind ştiută că este mijlocul cel mai

singuratic şi înfiinţat pentru destinderea lucrării pământului şi înnaintarea a tot felul de

meserie, care sânt izvorul cel adevărat al fericirii obşteşti, de aceia eşirea afară din

hotarul ţării a vitelor, zaharelilor, a tot felul de materii pentru comerciu, lucrate sau

nelucrate, este pentru totdauna slobodă peste tot ţinutul şi hotarul Ţării Rumâneşti …

Porturile şi schelile Dunării sânt slobode fără deosebire pentru toate corăbiile puterilor,

care sânt în pace cu Prea înnaltă Poartă.“ (Regulamentul organic al Valahiei, Art.

154.-155). Der Frieden von Adrianopel von 1829 schuf, wie im späteren Regulament

tradiert, das türkische Handelsmonopol über die Walachei und die Moldau zugunsten

eines freien Schifffahrts-Handels auf dem Schwarzen Meer, durch den Bosporus und

die Dardanellen gänzlich ab. Der Handel mit Lebendtieren, Getreide und Holz etc.

wurde damit liberalisiert und der Absatz rumänischer Erzeugnisse auf den

europäischen Märkten geöffnet. Desweiteren wurde durch den Vertrag von Adrianopel

die Position der Pforte – zugunsten Russlands – weiter geschwächt. Die unter

osmanischer Herrschaft stehenden Festungsbezirke (raiale) Turnu Măgurele (seit 1545

innerhalb des raia Turnu), Brăila (seit 1542 raia), Giurgiu (seit 1545 raia) am linken

Donauufer gingen an die Walachei zurück. Die Moldau und Walachei wurden

verwaltungsautonom (Berindei 1998, 197; Georgescu 1992, 115), sie erhielten das

Recht, zukünftig ihre Herrscher auf Lebenszeit zu wählen. Dennoch wurde auch die

Pforte gezwungen, Russland die Besetzung der Donaufürstentümer zu erlauben, bis die

großen Kriegsschäden bezahlt sein würden. Somit wurden die Moldau und Walachei

1829 russisch besetzt und die Kontrolle Russlands blieb auch nach dem Abzug der

russischen Truppen im Jahre 1834 aufrecht. Innerstaatlich brachte der Vertrag von

Adrianopel, auch wenn von außen oktroyiert, einen Reformschritt für die

Donaufürstentümer, denn er sah die Ausarbeitung von Grundgesetzen für beide vor.

General Pavel Kiseleff, bevollmächtigter Vorsitzende des moldauischen und

walachischen Staatsrates (divanuri) in den Jahren 1829-1834, setzte sich dafür ein,

12

dass diese ersten „modernen“ Grundgesetze (die sogenannten Regulamente organice)

ausgearbeitet wurden und in der Walachei am 1./13. Juli 1831 und in der Moldau am

1./13. Jänner 1832 in Kraft traten (Berindei 1998, 198). Sie werden bis zur Konvention

von Paris (1858) geltend bleiben.

Die Regulamente organice wurden unter der Präsidentschaft des russischen

Generalkonsuls M.L. Minciaki von zwei Kommissionen bestehend aus je vier

(moldauischen respektive walachischen) Bojaren ausgearbeitet. Die moldauische

Kommission bestand, Cărăbuş zufolge, aus dem vornicul Mihail Sturza, dem

vistiernicul Costache Cantacuzino-Paşcanu (beide von den russischen Autoritäten

gewählt) sowie dem vornicul Costache Conachi und dem vistiernicul Iordache

Catargiu (beide vom Diwan gewählt); Sekretär der moldauischen Kommission war

Gheorghe Asachi, auf den auch die erste Idee einer Vereinigung der

Donaufürstentümer zurückgehen soll. Die Regulamente bestärkten verschiedene

Festlegungen des Vertrags von Akkerman, so z.B. das Recht der Fürstentümer –

geäußert durch die Bojaren und die Allgemeinheit – ihren Herrscher zu wählen:

„Aşăzământul dela Akerman întărind dritul ce au boierii dinpreună cu obşteasca voinţă

a lăcuitorilor a alege pe Domnii Moldavii şi Valahii, alegerile se vor face de către

Obşteasca Adunare Ecstraordinară, care se va aduna pentru acest sfârşit în oraşul de

căpetenie al Prinţipatului.“ (Regulamentul organic al Valahiei, Art. 1; desweiteren hält

dieser Artikel den präzisen Wahlvorgang fest wie auch die genaue Zusammenstellung

der Sonderwahlversammlung (Această Adunare Ecstraordinară, Art. 2.) aus insgesamt

ca. 190 Abgeordneten; zu ihnen zählen u.a. der Metropolit, drei Bischöfe, 50 Bojaren

der ersten Ranges, 70 Bojaren des zweiten Ranges, 36 weitere, jedoch im Rang

nachstehende Bojaren, 27 Abgeordnete der Städte). Auch die Wahl des Herrschers auf

Lebenszeit wurde erneut bestätigt: „Domnul se orândueşte pentru toată viiaţă lui.“

(Art. 26). Als 1834 die zaristischen Truppen aus den Fürstentümern abzogen,

ernannten Russland und das Osmanische Reich entgegen den in den Regulamente

organice Festgehaltenem die neuen Landesfürsten: Alexandru Ghica für die Walachei

(er wurde 1842 wegen seiner Versuche, im Regulament organic einige Modifikationen

vorzunehmen abgesetzt und durch Gheorghe Bibescu ersetzt) und bis 1849 Mihail

Sturza für die Moldau (Berindei 1998, 199). Beide Landesherrscher regierten

gemeinsam mit einem Rat (sfat) von sechs Ministern sowie einer allgemeinen

Versammlung (adunare obştească) für legislative Angelegenheiten. Die Regulamente

tradierten de facto die Interessen der konservativen Großbojaren, leiteten aber dennoch

eine gewisse Modernisierung, insbesonders durch Urbanisierung, Industrialisierung,

Gründung von Schulen und neuen Bildungsstrukturen ein. So wurde beispielsweise

1832 der Unterricht am Bukarester Colegiul Sfântul Sava wiederaufgenommen,

welches im 17. Jahrhundert eine der wichtigsten Fürstenakademien des Balkans

gewesen war, sowie 1835 in Jassy die Academia Mihăileană gegründet, an der Mihail

Kogălniceanu als erster für Geschichte der Rumänen zugelassener Professor lehrte.

I.3. Die Revolutionsbewegungen der 1830-er und 1840-er Jahre und ihr Echo

In den Jahren 1838 und 1840 kam es zu weiteren revolutionären Ereignissen in den

Donaufürstentümern. Es war zunächst Oberst Ion C. Câmpineanu (1798-1863), der

13

1838 in der Walachei mehrere „revolutionäre“ Texte verfasste, die wir in Kap. VI.

analysieren, darunter einen Act de unire şi independenţă (Vereinigungs- und

Unabhängigkeitserklärung, Berindei 1998, 201) und ein Proiect de Constituţie

(Verfassungsentwurf; Bodea 1982, Text 28, 123-127). Der rumänische Historiker

Gheorghe Platon sah im Auftreten Câmpineanus die erstmalige acţiune comună a

celor două Principate und schrieb ihr auch ein program larg und naţional zu, welches

die Verhandlungen, die der Verfasser mit den europäischen Mächten – insbesonders

mit England und Frankreich – führte, unterstützen sollte (2000, 172). Die Bewegung

von Câmpineanu war vielleicht insofern radikal, als dass er durch seine guten

Kontakte ins Ausland (inklusive zur polnischen Emigration, welche die russische

Hegemonie abwerfen wollte), stark auftreten konnte. Nur so lässt sich erklären, dass

Félix Colson, bevor er Ion C. Câmpineanu auf dessen Reisen nach Paris und London

begleitete „pentru a suţine cererile naţionale (care solicitau acceptarea de către marile

puteri)“, nach Jassy reiste, um Mihai Sturza zu einer gemeinsamen Sache zu überreden

(ib.), allerdings erfolglos.

14

Schon vor der „großen“ Revolution von 1848 gab es in der Walachei noch weitere,

allerdings frühzeitig entdeckte und unterdrückte Versuche, Reformen vorzubereiten.

Ein solcher war die Bewegung der liberalen Bojaren (Georgescu 1992, 154) im Mai

des Jahres 1840 unter Dimitrie Filipescu (1808-1843, der im Kloster Snagov gefangen

gehalten wurde). Seine Ko-„Revolutionäre“ waren Eftimie Murgu (1805-1870),

Dimitrie Macedonski (ca. 1780-1843, welcher zuerst mit Tudor Vladimirescu

kooperieren, dann aber zur Häterie überlaufen sollte), Jean A. Vaillant (1804-1886,

wegen seiner Beteiligung aus dem Land verwiesen) und Nicolae Bălcescu (1819-1852,

auch er ging ins Ausland). Seine Bewegung kann, Gheorghe Platon zufolge, von jener

des Oberst Câmpineanu inspiriert worden sein (Platon 2000, 174). Die Träger der

revolutionären Ereignisse von 1840 werden erneut aktiv und tragend in der

walachischen Revolution von 1848.

Als ein Echo des cărvunarism gilt die in der Moldau 1839 durch den Kommis Leonte

Radu initiierte Verschwörung innerhalb der Kleinbojaren (Georgescu 1992, 153; Carp

2002, 25), die in der rumänischen Historiographie als Conjuraţia confederativă

bezeichnet wird. Auch sie wurde entdeckt. Sie dürfte das Ziel eines, am deutschen

Modell angelehnten, autonomeren Verbandes der Moldau, Walachei und Serbiens

unter einem domn ereditar und der Hegemonie der Hohen Pforte gehabt haben (Ioan

Murariu, Dicţionar explicativ şcolar, 22006; s.v. Conjuraţia confederativă; Scorpan

1997, s.v. Conjuraţia confederativă a Moldovei). Die Terminologie konföderativ sei

aber, so Gheorghe Platon, auf die Zusammensetzung und das Ziel der Bewegung zu

beziehen, Vertretern aller Gesellschaftsklassen gerecht zu werden, nicht der anvisierte

Länderverband (2000, 171, Fußnote 70).

Von grundlegender Bedeutung für die konzeptionelle Vorbereitung des modernen

Rumänien waren spätestens ab den 40-er Jahren des 19. Jahrhunderts Gesellschaften

junger rumänischer Intellektueller, die sich für liberale und modern-demokratische

Prinzipien des Staates interessierten und diese in den Fürstentümern durchsetzen

wollten. Einerseits wurden diese geheimen Gesellschaften zuerst im Ausland,

insbesonders in Paris gegründet, wo sich die junge rumänische Intelligentsia, oft

boieresker Herkunft, zu Studienzwecken aufhielt. Anfänglich sollen es 17 walachische

und 1 moldauischer Student und bis zum Beginn des Jahres 1847 einhundert Studenten

aus den rumänischen Ländern gewesen sein (Gheorghe Platon in: Mureşanu (et al.

Coord.) 2000, 165). Schon 1839 entstand hier z.B. die Societatea pentru Învăţătura

Poporului Român (Gesellschaft für die Bildung des rumänischen Volkes). Ebenso in

Paris entstand 1845 die Societatea studenţilor români. Durch diese kamen die liberalen

französischen Periodika in die Fürstentümer, wo sie die Ereignisse der rumänischen

Revolution von 1848, sozusagen von Frankreich aus, mitvorbereiten sollten. Auf die

erste Pariser Vereinigung folgten auch bald Gesellschaften in den Fürstentümern selbst

(in Lugoj, Bukarest, Iaşi, Sibiu). Im Jahre 1843 wurde z.B. in Bukarest die bedeutende,

von Nicolae Bălcescu initiierte Frăţia (Bruderschaft) gegründet, welche später in die

Asociaţia pentru înaintarea literaturii române (Verein für den Fortschritt der

rumänischen Literatur) mündete (1845-1846). Ihre Ziele unterschieden sich nur wenig

von denen Câmpineanus und Filipescus (Georgescu 1992, 155; Carp 2002, 25).

15

Aus tragenden Mitgliedern dieser Gesellschaft sollten die Mitglieder der

Provisorischen Regierung in der Walachei 1848 hervorgehen (Ion C. Brătianu und

Constantin A. Rosetti als ihre Sekretäre, Mihai Kogălniceanu durch seine Schriften als

wichtiger Ideologe der 1848-er Generation, Nicolae Bălcescu (1819-1852) als

Anführer der Revolution in der Walachei, Eftimie Murgu (1805-1870) als Anführer

der Revolution von 1848-1849 im Banat etc. Nach der Revolution von 1848 kämpften

diese liberal Orientierten oft mittels Presse aus dem Exil für demokratische Ziele (z.B.

Constantin A. Rosetti, Jean A. Vaillant). Sie alle standen insbesonders für den Einsatz

für die Vereinigung der Fürstentümer, für nationale Unabhängigkeit des Landes und

für die wesentlichsten Reformschritte der Aufhebung der Leibeigenschaft (desfiinţarea

iobăgiei) und Vergabe von Land an die Bauern (împroprietărirea ţăranilor).

„Paradebeispiele“ für diese Haltung sind Ion C. Câmpineanu und Nicolae Bălcescu.

Nach 1859 stellen mehrere dieser ehemaligen Revolutionäre Premierminister- und

Ministerämter (Dumitru C. Brătianu, Constantin A. Rosetti, Alexandru G. Golescu,

Mihai Kogălniceanu) und wirkten somit an der Staatsgenese weit über die 40-er Jahre

hinaus.

Aus der Sicht der europäischen Ereignisse, der Nähe Siebenbürgens zu Habsburg

sowie der Orientierung der Donaufürstentümer an Frankreich waren die

„rumänischen“ Revolutionen von 1848 sicherlich mehrfach motiviert. Die große

europäische Revolution begann am 12. Jänner in Palermo und setzte sich nach ihrem

Höhepunkt der Ausrufung der Republik Mazzinis und Garibaldis (Rom, 9. Feber

1848) am 18.-22. März in der Lombardei und Venedig fort. Schon im Feber wurde

auch in Frankreich die Republik ausgerufen (25. Feber 1848). Am 13. März begann sie

in Wien und setzte sich in einem Aufstand gegen das absolutistische Regime

Metternichs am 15. März fort, erzwang eine Verfassung (vom 17. März) und,

nachfolgend, die Promulgation des Gesetzes zur Abschaffung der Leibeigenschaft, um

ihren Höhepunkt in den Tagen 6.-31. Oktober zu erreichen. Koinzident mit der

Revolution in Wien brach die Revolution am 15. März auch in Pest aus und setzte sich

in einer Revolutionsregierung (seit Oktober 1848) und der Ausrufung der vollen

Unabhängigkeit Ungarns im Jänner 1849 unter Kossuth Lajos fort, wurde jedoch am

13. August 1849 von habsburgischen und russischen Truppen besiegt. Besonders der

Pariser Aufstand hat zur Abschaffung der Leibeigenschaft in Zentraleuropa und der

Stärkung seiner Bourgoisien beigetragen. Für die rumänischen Länder galt es aber vor

oder zeitgleich mit diesen Zielen, erst noch u.a. feudalistische Strukturen,

Privilegienwirtschaft der Bojaren, osmanische Suzeranität, habsburgische Herrschaft

zu überwinden.

Die 1848-er Revolution verbreitet sich nacheinander in allen rumänischen Ländern. So

wurden nicht nur die großen historischen Provinzen, Moldau, Walachei und

Transsilvanien von ihr erfasst, sondern auch das Banat, das seit dem Frieden von

Passarowitz (Juli 1718) unter habsburgischer Herrschaft stand, und dessen Anführer

Eftimie Murgu (1805-1870) auf den Nationalversammlungen bei Lugoj und

Temeschwar vor allem Rechtsgleichheit für die Banater Rumänen forderte. Ebenso

kämpfte und erkämpfte sich die seit dem Frieden von Şiştov (1791) zu Österreich

gehörende Bukowina 1848 mehr Autonomie. Nur Bessarabien, das seit dem Frieden

16

von Bukarest (1812) unter russischer Kontrolle stand, wurde von der Revolution nicht

erreicht.

Als erstes rumänisches Land wurde im März 1848 die Moldau von der Revolution

erfasst, die Unruhen jedoch von Fürst Mihail Sturza schnell und hart unterdrückt. Die

ins Exil flüchtenden Revolutionäre setzten ihren Einsatz oft von dort aus fort, in Form

von Reformprogrammen. So entstanden auch die wichtigen Texte Dorinţele Partidei

Naţionale din Moldova und Proiectul de constituţie pentru Moldova von Mihail

Kogălniceanu (cf. Kap. VII.3.). Am durchsetzungsstärksten waren die Revolutionäre

in der Walachei. Auch war hier die Revolution von der Bauernschaft, von Händlern

und einer größeren liberalen Bojarenschaft getragen. Ihre bedeutendsten Träger waren

Nicolae Bălcescu, Gheorghe Magheru, Alexandru G. Golescu, Ion Heliade-Rădulescu,

Constantin A. Rosetti, Christian Tell. Das Revolutionsprogramm wurde bei Ausbruch

der Aktionen am 9./21. Juni 1848 synthetisch in der Proclamaţia de la Islaz dargestellt

(cf. Kap. VII.2.). Die Revolutionsführer konnten hier die Macht ergreifen und für

einige Monate eine provisorische Regierung (später durch eine locotenenţă, bestehend

aus Ion Heliade Rădulescu, Nicolae Golescu und Christian Tell, ersetzt) in Bukarest

durchsetzten. Dafür wurde der amtierende Landesfürst Gheorghe Bibescu zur

Abdankung gezwungen. Die Revolution endete, als Russland von der Pforte erzwang,

gemeinsam ab September 1848 die Fürstentümer zu besetzen. Die beiden Großmächte

setzten erneut ihre Position als suzeräne Macht durch, und die kurzzeitig außer Kraft

gesetzten Regulamente wurden erneut geltend.

Am heftigsten und längsten wurde Siebenbürgen von der Revolution erfasst, die hier

bis Sommer 1849 dauerte (Giurescu/Giurescu 1977, 229). Unter ihren wichtigsten

Anführern waren Avram Iancu, Simion Bărnuţiu, George Bariţiu, Eftimie Murgu und

Andrei Şaguna. Die Revolution in Siebenbürgen wurde primär von den

Annexionsbestrebungen der Ungarischen Krone ausgelöst und hatte nationale sowie

soziale Ziele: die Anerkennung der Siebenbürger Rumänen als politische „Nation“ (im

Sinne von <politischer Klasse>) gegenüber den sie politisch dominierenden Ungarn

sowie gegenüber Österreich und ihre soziale Gleichberechtigung mit den anderen

„Nationen“ des Landes. Es kam zu mehreren Nationalversammlungen in Blaj, darunter

derjenigen vom 3.-15. Mai tagenden, auf der die Hauptforderungen dargelegt wurden.

Präsident dieser Versammlung war Andrei Şaguna, der im selben Jahr auch als

Bischof der orthodoxen Kirche in Siebenbürgen bestätigt wurde. Im Rahmen der

Nationalversammlungen wurde auch der wichtige argumentative Diskurs von Simion

Bărnuţiu gehalten (cf. Kap. VII.1.). Die Revolution der Siebenbürger Rumänen wurde

gemeinsam mit der ungarischen Revolution von Habsburg und Russland unterdrückt,

daraufhin in Siebenbürgen die kaiserliche Autorität Habsburgs wiederhergestellt. Nach

den Niederlagen Habsburgs gegen Frankreich und Sardinien (1859) und Preußen

(1866) und nach der Einführung der dualistischen Monarchie im Österreichisch-

Ungarischen Ausgleich von 1867 sollte die Befürchtung der Siebenbürger real und

Siebenbürgen de facto dem transleithanischen Reichsteil mit entsprechenden

Magyarisierungstendenzen unterstellt werden.

Die rumänische Historiographie schreibt den Revolutionen der rumänischen Länder

trotz aller regionaler Unterschiede Einheitlichkeit des „Programms“ und der Ziele zu

17

(z.B. Berindei 1998, 202; Iscru 21997, vol. 1, 168). Oftmals waren die Anführer de

facto überregional aktiv wie beispielsweise Nicolae Bălcescu (1819-1852), der sowohl

Träger der Revolution in der Walachei und Mitglied ihrer Provisorischen Regierung

war und sich 1848-1849 auch für die Rechte der Siebenbürger Rumänen sowie einen

Schulterschluss der revolutionären Rumänen und Ungarn einsetzte. Dass letzterer nicht

zustandekam und die Revolution besiegt wurde, ging auf die nicht einlenkende

Haltung der Ungarn zurück. Entgegen der von den Rumänen bei Blaj ausgedrückten

Wünsche, bestätigte die Dieta von Cluj am 17./29. Mai 1848 die Eingliederung

Siebenbürgens in die Ungarische Krone, was die revolutionären Kräfte beider

Nationen spaltete. So rieben sich die Bauernarmee des Craiul Munţilor (des Fürsten

des Berge), Avram Iancu (1824-1872), gegen die Soldaten des ungarischen Adels in

den Gebieten der Westkarpaten auf. Erst im Juli 1849 gelang es Nicolae Bălcescu

einen Friedensschluss zu bewirken. Im August 1849 aber gingen bereits habsburgische

und russische Truppen siegreich gegen die ungarischen und siebenbürgischen

Revolutionäre vor. Avram Iancu wird in den darauffolgenden Jahren (1849-1851) als

Delegierter in Wien versuchen, die Interessen der Siebenbürger Rumänen zu fördern.

I.4. Der Weg der Vereinigten Fürstentümer in die Autonomie unter Cuza

Die nächste bedeutende Phase in der Genese des heutigen rumänischen Staates fällt in

die Zeit des Krimkriegs und der Jahre danach. Dieser Krieg fand statt als ein weiterer

zwischen Russland und der Pforte ausgetragener, bei dem Großbritannien, Frankreich

und das Königreich Sardinien – im Wesentlichen um die Verteilung der Länder des

schwächelnden Osmanischen Reichs – an der Seite der Pforte kämpften (1853-56). Die

Einnahme der Festung Sevastopol (September 1855) durch die Alliierten schwächte

Russland, dessen politische Macht von Frankreich übernommen wurde. Auch der

Krimkrieg wurde immer wieder auf Gebieten an der Donau ausgefochten. Zudem

waren seit 1854 (bis 1857) die als Pufferstaaten gedachten Fürstentümer zuerst von

Russland, dann auch von Österreich, das in den Krieg militärisch nicht eingriff, und

der Pforte militärisch besetzt worden. Der Krimkrieg wurde durch den

Friedenskongress von Paris (Februar bis März 1856) bzw. den sogenannten Dritten

Pariser Frieden (vom 30. März 1856) beendet. Schon seit Juli 1854 waren von Paris

und London Verhandlungen initiiert, jedoch von Russland vorerst nicht akzeptiert

worden. Insgesamt zeigten sich die Verhandlungen dieses Friedenskongresses von

Paris als schwierig (24 Sitzungen, von denen die ersten 19 den orientalischen Fragen

gewidmet waren). Am 30. März 1856 fand die Unterzeichnung der

Ratifikationsurkunde durch die Signatarstaaten statt, für die speziell die Feder eines

großen Adlers aus dem Jardin des Plantes besorgt wurde.

Der Pariser Vertrag legte neben dem zukünftigen Status der Türkei auch den Status der

rumänischen Fürstentümer (unter europäischer Garantie) fest. Er schaffte das russische

Protektorat über die Moldau und Walachei ab, während aber die türkische Suzeranität

(mit Tributpflicht und Bestätigung formaler Akte durch den Sultan) weiterhin

aufrechterhalten blieb, allerdings unter der Kontrolle der sieben Signatarstaaten

Großbritannien, Österreich, Frankreich, Preußen, das Osmanische Reich, Sardinien-

Piemont und Russland. Keine dieser Mächte erhielt ein exklusives Protektionsrecht.

18

Das Eingreifen in innere Angelegenheiten sollte nur noch bei Zustimmung aller sieben

Mächte möglich sein. Süd-Bessarabien (die Festungen Cahul und Bolgrad und die

Festung Ismail und die anliegenden Donaumündungen) ging von Russland an die

Moldau zurück. Das Schwarze Meer wurde für neutral erklärt, es wurde also für alle

Kriegsschiffe geschlossen und die Donau unter der Regulierung der Europäischen

Donaukommission sowie der Kommission der Donau-Uferstaaten der freien

Schifffahrt zugänglich (1870/1871 kam es aber erneut zu einer Entneutralisation des

Schwarzen Meeres) und der Dardanellenvertrag von 1841 bestätigt. Mithilfe einer von

den Großmächten gestellten und vorort arbeitenden Kommission – sie wird ab 1857

arbeiten – sollte ein neues statut fundamental (Grundgesetz) ausgearbeitet werden.

Dazu sollten in beiden Fürstentümern die sogenannten divanuri ad-hoc (alle Klassen

der Gesellschaft repräsentierende Versammlungen) – sie wurden am 22. Sept./4. Okt.

bzw. 30. Sept./ 12. Okt. 1857 in Jassy und Bukarest gewählt – die Interessen der

Rumänen eruieren, welche in den Berichten der Sonderkommission Eingang finden

und durch eine Konvention der Großmächte bestätigt werden sollten (Dan Berindei

1998, 204-205).

Vorgesehen wurde auch ein Referendum, um die Frage der Vereinigung der

Fürstentümer zu verdeutlichen. Denn schon bis Sommer 1856 hatten sich die zwei

Lager der Union-Anhänger (zu denen Frankreich, Russland, Preussen und Piemont

sowie der neu eingesetzte caimacam Al. Ghica in der Walachei gehörten) und die

Separatisten (die von der Pforte und Österreich sowie dem neu eingesetzten caimacam

Teodor Balş in der Moldau unterstützt wurden) herausgebildet. Die Unionisten

verfochten die Gründung eines gemeinsamen Staates auf der Grundlage der

Vereinigung der Fürstentümer, die Ernennung eines ausländischen Prinzen, eine

repräsentative Regierung und eine repräsentative Legislative (ib. 205). Ebenso

forderten sie die kollektive Garantie der sieben Mächte und die Einhaltung des in den

sogenannten capitulaţii (den nicht immer authentisch schriftlich nachweisbaren

Friedensvereinbarungen von 1393 bis 1634) zwischen den Fürstentümern und der

Hohen Pforte Festgelegten (Giurescu / Giurescu 1977, 238). In der Moldau kam es zu

einem Wahlbetrug der Separatisten, der international Aufsehen erregte. Ein Treffen

Napoleons III. mit Königin Viktoria (im Château d´Osborne, August 1857) brachte die

Einigung der Pforte und Frankreichs über eine administrative Vereinigung der

Donaufürstentümer (keine Einigung unter der Führung eines ausländischen Prinzen).

Erneute Wahlen der ad-hoc Versammlungen brachten im Oktober 1857 den Sieg der

Unionisten (Berindei 1998, 206-207).

Im Sommer 1858 erarbeiteten die Signatarmächte in Paris eine Konvention und

zugleich Grundgesetz für die Donaufürstentümer, welches die Regulamente organice

ersetzen würde. Die am 7./19. August 1858 geschlossene Convenţiune pentru

organisaţia definitivă a Principatelorŭ-Unite-Române in Paris (Konvention für die

definitive Organisation der Vereinten Rumänischen Fürstentümer; kurz Convenţia de

la Paris; Giurescu 1977, 238), die im Idealfall innerhalb von fünf Wochen in Paris

ratifiziert werden sollte (Art. 50), hielt den neuen politischen sowie administrativen

Status der Donaufürstentümer fest (Berindei 1998, 204-205). Die Suzeranität der

Pforte über die Fürstentümer bleibt aufrecht: „Principatele Moldaviei şi Valahiei

constituite d‟acum înainte sub numirea de „Principatele-Unite Moldavia şi Valahia,

19

remân puse sub suzeranitatea M.S. Sultanului.“ (Art. 1). Als Symbol der suzeränen

Macht geschieht die Bekleidung weiterhin durch den Sultan (Art. 8; bzw. durch einen

firman electoral wie den von Anfang 1857, Berindei 1998, 206), und er gibt die

Zustimmung, sollte sich die Zahl der Soldaten der – zum Grenzschutz und zur

Sicherung im Inneren zugesicherten – nationalen Armee um mehr als ein Drittel der in

den Regulemente festgelegten Zahl erhöhen (Art. 43). Festgelegt wird auch der

jährliche fixe – also zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr zu erhöhende – Tribut an

die Pforte (1,5 Millionen Lei für die Moldau und 2,5 Millionen Lei für die Walachei;

Art. 8). Bei Angriff von außen wird vorgesehen, dass sich der Suzeräne Hof mit den

Fürstentümern und der Zustimmung der Garantiemächte über die

Verteidigungsmaßnahmen einigt (Art. 8). Alte Privilegien und Immunitäten werden,

unter Garantie der Signatarstaaten geschützt, die Autonomie der Fürstentümer

anerkannt:

“În temeiulu capitulaţiiloru date de Sultanu Baiazetu I-iu, Mahometu II, Selim I

şi Soliman II, carii constitue a loru autonomie, regulându raporturile loru cu

Sublima Pórtă ... Principatele voru urma a se bucura sub chezăşuirea colectivă a

Puteriloru contractante, de privilegiurile şi imunităţile de care sunt în posesie.”

(Art. 2).

Staatsorganisatorisch werden folgende Regeln festgelegt: Die Administration der

Fürstentümer wird als – unter der Kontrolle der Garantiemächte – unabhängig erklärt:

“... Principatele se voru administra în libertate şi afară de ori-ce amestecu alu Sublimei

Porţi, în ţermurile stipulate prin înţelegerea Puteriloru chazaşe cu Curtea Suzerană.”

(Art. 2). Die Wahl des Herrschers (Hospodarulu) wird auf Lebenszeit (pe viéţă)

vorgesehen (Art. 9). Fürst kann jeder über 35-jährige Moldau- oder Walachei-

Gebürtige sein, der ein Einkommen aus Ländereien in der Höhe von 3,000 galbeni hat

(„va putea arăta unu venitu în pămêntu de 3,000 galbeni“), wenn er zehn Jahre

öffentliche Ämter ausgeübt hat oder Mitglied der Versammlungen war (Art. 13).

Deutliche Schritte zu einer Modernisierung zeigen sich in der Gewaltenteilung. Die

Exekutive ist in den Händen des Herrschers, legislative Gewalt hat er gemeinsam mit

einer Adunare (Versammlung) (cf. Artikel 3, 4, 5, 6, 7, 14). Der Herrscher regiert mit

Ministern. Sie zeichnen verantwortlich für die Gesetzeseinhaltung und auch für das

Budget (Art. 14 und 15). Die Zivilliste wird von der Versammlung gewählt (Art. 14).

Der Ablauf und das Ergebnis von Prozessen und Gesetzen werden zur unbedingten

Veröffentlichung vorgesehen (Art. 19 und 26). Klassenprivilegien werden abgeschafft:

„Tóte privilegiurile, scutirile sau monopoluri, de care se bucură încă unele clase, vor fi

desfiinţate“ (Art. 46). Desweiteren schützt die Convenţia de la Paris vor

Steuerwillkür: „Nici o dajdie nu va putea fi înfiinţată sau adunată dacă nu se va priimi

de Adunare.“ (Art. 25). Desweiteren werden festgelegt die Gleichheit de Moldauer und

Walachen vor dem Gesetz; die gleiche Steuer; die gleichen Möglichkeiten, öffentliche

Ämter zu übernehmen; die Freiheit der Person; die Möglichkeit der Enteignung nur für

das Gemeinwohl und gegen Entschädigung; und die gleichen politischen Rechte für

Moldauer und Walachen aller christlichen Riten:

„Moldovenii şi Românii voru fi toţi de o potrivă înaintea legei, înaintea

contribuţiei şi priimiţi de o potrivă în funcţiile publice, în unulu şi cel-l-altu

20

Principatu. Libertatea loru individuală va fi chezăşuită. Nimeni nu va putea fi

expropriatu de câtu legalu, pentru pricină de interesu publicu şi prin

despăgubire. Moldovenii şi Românii de ori-ce ritu creştinu, se voru bucura de o

potrivă de drepturile politice...”, Art. 46).

Vorgesehen werden auch Schritte zur Vereinheitlichung der Organisation und mancher

Institutionen der beiden Fürstentümer, letzteres in der Comisia centrală (cf. Art. 6,

27,-37) sowie in der „Curte Înaltă judecătoróscă şi de Casaţie, comună ambeloru

Principate. Ea va resida la Focşani.“ (Art. 38). Auch die Armee kann bei Bedarf

zusammengelegt werden (Art. 42) und die Beziehung zwischen Bodenbesitzern und

Landbestellern soll umgehend verbessert werden:

„se va proceda fără întîrdiere legiuirei care reguléză raporturile proprietariloru

pămîntului cu cultivatorii, avîndu în vedere îmbunătăţirea stărei ţeraniloru.”

(Art. 46).

Trotz der Gewährung eines gewissen Fortschritts im Sinne einer modernen

Organisation der Länder und einiger Schritte zur Vereinigung der Donaufürstentümer

erklärt Dan Berindei die Convenţia als einen act eteroclit und rezultatul

compromisului marilor puteri. Als konservativ könne gelten, dass – wie in den

Annexen zur Convenţia de la Paris festgehalten – weiterhin der Wahlkörper der

Legislativen Versammlung auf Zensus-Wahlrecht basiert (einige Tausend Wähler)

sowie die weiterhin aufrechterhaltene Trennung der Fürstentümer (Berindei 1998,

207).

Entgegen den Interessen der sieben Schutzmächte wählen die Rumänen im Jahr 1859

in der Moldau (5./17. Jänner) und in der Walachei (24. Jänner/5. Februar) denselben

Kandidaten, Oberst Alexandru Ioan Cuza (1820-1873), zu ihrem – auf Lebenszeit

gewählten – Landesoberhaupt. Durch diese geschickt realisierte Personalunion wird

zwischen 1856 und 1859 die Unirea Principatelor, die Vereinigung der beiden

Fürstentümer, de facto vollzogen. Im Herbst 1859 mussten auch Habsburg und die

Pforte – als letzte der sieben Großmächte – die Wahl anerkennen. Im Herbst 1861

anerkannte die in Istanbul tagende Konferenz der Großmächte die Vereinigung der

Länder („a fost acceptată o uniune reală“; Berindei 1998, 208), auf welche im Jahre

1862 die Bildung einer einzigen Regierung (unter Mihail Kogălniceanu) – mit acht

Ministerien (Georgescu 1992, 149) – sowie eines einzigen Parlaments (Focşeneanu

1998, 21; Giurescu / Giurescu 1977, 239; Iscru II 1998, 37; Adunarea României,

Berindei 1998, 208) folgen konnte. Die Vereinheitlichung der Verwaltung sollte erst

nachfolgend geschehen (ib.). 1862 wurde erstmals der Namen România proklamiert,

so dass Alexandru Ioan Cuza als Herrscher sowohl Herrscher der Vereinten

Fürstentümer als auch des rumänischen Staates gilt (1859-1862 und 1862-1866). Die

Großmächte, welche den Namen România nicht anerkannten, sprachen allerdings

weiterhin von den „Vereinten Fürstentümern Moldau und Walachei“ (Völkl 1995, 29).

Cuzas Regierungszeit ist gekennzeichnet durch eine Reihe von weitgehenden

Reformen zur Modernisierung des rumänischen Staates in der Verwaltung, Justiz, dem

Finanzwesen, den Bildungsstrukturen und Kulturininstituten, der Armee und Kirche.

21

Wesentlich wurde er in den Reformen von Mihail Kogălniceanu unterstützt. In den

sieben Regierungsjahren Cuzas wurden ein Rechnungshof (Iscru II 1998, 47), neue

Gesetzbücher und ein unentgeltlicher und obligatorischer Primarunterricht eingeführt

(1864) sowie die Universitäten Iaşi (1860) und Bukarest (1864) gegründet, die

Klostergründe verstaatlicht (Säkularisierung, 1863), eine Agrarreform durchgeführt

(Völkl 1995, 28-35), die Post nationalisiert etc. Allerdings gingen Cuzas Reformen –

1862 fand unter dem ehemaligen Abgeordneten des Ad-hoc Diwans des Walachei

Mircea Mălăeru ein weiterer Bauernaufstand statt – dem konservativen Flügel zu weit.

Im selben Jahr setzte dieser zwar ein (gemäßigtes) Agrarprojekt durch, Cuza aber

sanktionierte es nicht. Im Mai 1864 kam es zu einem Staatsstreich (lovitură de stat).

Ein neues, durch Plebiszit sanktioniertes Wahlgesetz entgegen den Interessen der

Konservativen, aber auch die Macht, welche dem Staatschef durch ein Statut

dezvoltător der Pariser Konvention verliehen wurde, und schließlich auch sein

Agrargesetz vom August 1864, durch welches hunderttausende Bauernfamilien in

Landbesitz kamen, führten zu großem Widerstand vor allem seitens der Bojaren. Beide

Lager, das konservative wie das radikale und ein Teil der Offiziersschaft schlossen

sich in den Jahren 1865/1866 in der wegen dieser Zusammensetzung „monstruös“

genannten Koalition („monstruoasă coaliţie”) zusammen. Diese zwang Cuza mit

Billigung der Großmächte durch einen Putsch (conjuraţie) zur Abdankung (am 11./23.

Februar 1866). Es folgte eine interimistische Statthalterei (locotenenţă domnească),

von Radikalen und Konservativen sowie einen Teil der Armee (Oberst Haralambie)

gestellt, welche Graf Philipp von Flandern den Thron anbot, welcher ihn jedoch

ablehnte. Die prekäre Situation (sowohl die Separatisten im Lande als auch die Pforte

waren an der erneuten Trennung der Fürstentümer interessiert) wurde jedoch durch

eine erneute Tagung der Pariser Konferenz diplomatisch abgefedert (Berindei 1998,

209). Die Verfassung von 1866, deren Ausarbeitung noch unter Cuza begonnen hatte,

und die die erste moderne Verfassung Rumäniens war, sollte mit verschiedenen

Veränderungen (territoriale Erweiterungen, Neufassung der Staatsbürgerschaft,

Umwandlung in ein Königreich; Revisionen von 1879 und 1884) bis 1923 in Kraft

bleiben.

I.5. Der Weg Rumäniens in die Souveränität unter Carol I.

Erneut entschieden die Rumänen über die Pariser Konferenz hinweg und wählten –

nach einem Plebiszist – entgegen dem von ihr Festgelegten (Art. 13) Karl von

Hohenzollern-Sigmaringen (1839–1914), einen Angehörigen einer ausländischen

Dynastie im April 1866 zum Landesfürsten. Der Fürst, der incognito Österreich

durchreiste, erreichte im Mai 1866 Bukarest, wo er nach einem Einzug unter

donnerndem Jubel (Aus dem Leben, I, 52-53) am 10./22. Mai vor dem Parlament

seinen Eid ablegte. In seiner gesamten Regierungszeit sollte sich Fürst Carol vehement

für die internationale Anerkennung, Lösung der rumänischen Probleme und

insbesonders auch für eine moderne Verfassung für das Land einsetzen. Diese wurde

am 29. Juni/11. Juli 1866 vom Parlament angenommen. Sie verankerte eine

konstitutionelle Monarchie mit einem Zwei-Kammern-System. Carol brachte dabei

das absolute Veto durch (Aus dem Leben, I, 80).

22

Selbst die Pforte sanktionierte im Herbst 1866 die Regentschaft von Carol und

„offizialisierte“ somit Rumänien als Staat, dennoch war Rumänien damit noch nicht

unabhängig. Auch wurde die Bezeichnung România noch immer von der Mehrheit der

Großmächte nicht anerkannt (Berindei 1998, 210). Ein weiterer Versuch in den frühen

70-er Jahren, die Unabhängigkeit zu erreichen, scheiterte am Widerstand der Pforte.

Seit 1875 aber verschärfte sich die Lage im Osmanischen Reich (Aufstände in Bosnien

und Herzegowina, 1876 auch in Bulgarien, Serbien und Montenegro), die Orientfrage

wurde brisanter. Rumänien wartete auf einen günstigen Moment, um in den

Balkankrieg einzutreten. Fürst Carol und sein Kabinett erkannten, dass Russland die

Bulgaren unterstützen und dafür über Rumänien eindringen würde. Sie bereiten bei

den Großmächten das Terrain für die Anerkennung der Nichtverletzbarkeit des

rumänischen Territoriums und – 6 Monate lang – eine Annäherung an Zar Alexander

II. vor. Am 4./16. April 1877 schlossen Rumänien und Russland einen Vertrag ab,

welcher den Russen die Überquerung des rumänischen Territoriums unter

privilegierten Bedingungen erlaubte (Benutzung der rumänischen Eisenbahn), dafür

aber Russland die territoriale Integrität Rumäniens anerkannte. Am 12./24. April 1877

brach der russisch-türkischer Krieg aus, womit auch Rumänien sich im Krieg

verwickelt sah (Ausrufung des Kriegszustands durch das Rumänische Parlament am

29. April/11. Mai). In dieser Situation wagte es M. Kogălniceanu, am 9./21. Mai im

Parlament die einseitige Proklamation der Unabhängigkeit Rumäniens auszurufen. Das

Parlament bestätigte diese mit 79 (von 81) Stimmen.

Erst nach zwei erlittenen Niederlagen bei Plevna (Bulgarien) forderte Russland die

aktive militärische Unterstützung der Rumänen gegen das Heer von Osman Pascha an.

Für diesen dritten Angriff auf die osmanische Festung Plevna setzte Carol dem Zaren

gegenüber durch, das höchste Kommando über die russisch-rumänischen Truppen

innezuhaben. Dem russisch-rumänischen Angriff auf Plevna (am 30. August/11.

September 1877) folgten zwei Monate später die Kapitulation der Festung (am 28.

November/10. Dezember 1877) und der darauf folgende Vormarsch der russischen

Truppen bis San Stefano / Yeşilköy vor Istanbul. Die einseitige Proklamation der

Unabhängigkeit wurde von Russland im Vertrag von San Stefano (vom 19. Februar/3.

März 1878) – ohne rumänische Anwesenheit und ohne die anderen Großmächte zu

fragen – anerkannt (Aus dem Leben, III). Der Berliner Kongress (13. Juni-13. Juli

1878) bestätigte diese (Art. 43), zwang aber Rumänien, die drei südlichen Kreise

Bessarabiens abzutreten, wofür es aber die Dobrudscha erhielt (Völkl 1995, 42; Iscru

II 1998, 167-170). Desweiteren wurde Rumänien gezwungen, allen seinen Bürgern

zivile und politische Rechten, unabhängig von deren Konfession, verfassungsmäßig zu

garantieren (Abänderung von Art. 7). Auch musste Rumänien die durch die

Veruntreuungen des deutschen Eisenbahnkonstrukteurs Strousberg zu Schaden

gekommenen deutschen Aktionäre entschädigen. Bis zu Beginn des Jahres 1880 hatten

alle Grossmächte die Unabhängigkeit Rumäniens anerkannt. Am 14./26. März 1881

wurde Rumänien als Königreich unter König Carol I. ausgerufen – im Parlament

bestand Einigkeit auch von republikanischer Seite – und am 10. Mai wurde Carol I. als

König gekrönt (Aus dem Leben, IV, 406). 1884 wurde die Krone dotiert. Die

Entwicklungen machten verschiedene Revisionen der Verfassung von 1866 notwendig

(1879, 1884). Für diese Daten cf. Berindei 1998, 212-214.

23

I.6. Die Bildung des heutigen Rumänien unter Ferdinand I.

Nach den Ereignissen von 1878 setzt sich Rumänien – trotz der wegen der Rumänen in

Siebenbürgen ausgelösten Spannungen mit Österreich-Ungarn – zunächst für eine

Annäherung an die Zentralmächte (Tripla Alianţă) ein, verhält sich später aber eher

Frankreich und Entente-nahe. Im Jahre 1913 nimmt Rumänien am Zweiten

Balkankrieg teil, der mit dem Frieden von Bukarest endet. Durch diesen geht die

südliche Dobrudscha, das Cadrilater, an Rumänien zurück. Im Ersten Weltkrieg blieb

Rumänien zunächst neutral (1914-1916), doch dann akzeptierte der neu eingesetzte

König Ferdinand I. (1914-1927, Neffe von König Carol I.) – entgegen der Wünsche

der Mitglieder der Familie Hohenzollern – am 14. August 1916 den Kriegseintritt

Rumäniens in den I. Weltkrieg an der Seite der Entente-Mächte, somit gegen

Österreich-Ungarn und die Zentralmächte. Diese sicherten großzügige

Territorialgewinne zu. Der Krieg verlief aber zunächst ungünstig für Rumänien, 1916

wurde die rumänische Armee geschlagen, das Land größtenteils besetzt, König

Ferdinand und seine Regierung mussten nach Jassy fliehen. Nach der Brechung der

russischen Front akzeptierte der König den aufoktroyierten Friedensvertrag von

Bukarest vom 24. April/7. Mai 1918 mit großen territorialen Verlusten und

Wirtschaftsimperialismus des Deutschen Reiches (er ratifizierte den Vertrag aber

nicht). Aufgrund des Bündnisses mit den Siegermächten und des Zusammenbruchs der

großen Vielvölkerreiche konnten die Rumänen aber ihr lange angestrebtes Ziel der

Vereinigung aller als rumänisch betrachteten Territorien erreichen. Die Vereinigung

wird in großen Versammlungen proklamiert und die Vereinigungsakten der Alteţa

Regală in Bukarest übergeben. In Bessarabien, das stark russifiziert worden war,

wurde am 2./15. Dezember 1917 die Republică Democratică Moldovenească im

Rahmen der Föderativen Russischen Republik ausgerufen, der Sfatul Ţării beschloss

allerdings am 24. Januar 1918 gegen die Bolschewisten die Unabhängikeit und am 27.

März / 9. April 1918 die Vereinigung mit Rumänien, welche der König am 9. / 22.

April 1918 durch Dekret approbierte. Ähnlich beschloss in der Bukowina eine

Adunarea Constituantă am 14./27. Oktober 1918 die Vereinigung mit Rumänien,

welche von einem Congres General mit Vertretern der Deutschen und Polen am

15./28. November 1918 und vom König am 18./31. Dezember bestätigt wurde. In

Siebenbürgen fand eine riesige Versammlung statt mi einer feierlichen Rede von

Vasile Goldiş und der Teilnahme von 1228 Abgeordneten und 100.000 Teilnehmern.

In dieser Großen Adunare Naţională von Alba Iulia (Karlsburg) am 18. November/1.

Dezember 1918 wurde die Vereinigung Siebenbürgens mit dem Altreich proklamiert,

welche der König am 11./24. Dezember 1918 bestätigte. Auch das Banat, die Kreisch

und die Maramuresch schlossen sich an. Die Bildung des neuen Großrumänien

(România Mare) wurde durch die Friedensverträge von Versailles, Saint-Germain,

Neuilly und Trianon (1919-1920) international bestätigt, die neue Verfassung 1923

erlassen.

24

I.7. Die gesellschaftliche Transformation der rumänischen Länder im 19.

Jahrhundert

Die Modernisierungsprozesse der rumänischen Länder setzten, Dan Berindei zufolge,

seit den 40-er Jahren des 19. Jahrhunderts ein und trotz massiver Probleme wie des

Steuerproblems, labile Finanzen, Antisemitismus, Parteistreitigkeiten, Aufstände

konnten vor allem die Regierungen Cuzas und Carols die Problemlösungen und die

Modernisierungsschritte intensivieren, insbesonders mit der Einführung der

Verfassung (Berindei 1998, 211). Betrachtet man die innenpolitischen und

gesellschaftlichen Reformen der rumänischen Länder fällt auf, dass sich

Transformationen in einigen Bereichen rasch, in anderen sehr langsam vollzogen.

Die Herrschaft der Phanarioten in den Donaufürstentümern, die 1822 endete, ist

sozial-politischen Neuerungen gegenüber kaum offen gewesen, sondern hat

mittelalterlich-feudale Strukturen weitergeführt (Stan/Iosa 1996, 14). Das soziale, vom

Verhältnis des Bodenbesitzes abhängende Gefälle zwischen der politischen und

geistlichen Spitze und dem Volk ist sehr groß gewesen. In allen Regionen des heutigen

Rumänien hatte, wie es die folgenden orientierenden Daten aus Adăniloaie (1956)

zeigen, die Minderheit der politischen und geistlichen „Eliten“ die größte Fläche des

Bodens in ihren Händen. Im Jahr 1820 soll allein Ban Grigore Brîncoveanu 53

Gutshöfe, die Metropolie 28, der Bischofsitz Argeş 18, logofătul Şt. Bellu 16, clucerul

N. Glogoveanu 14, banul Barbu Văcărescu 11, banul C. Creţulescu 9, logofătul

Constantin (Dinicu) Golescu 9 Gutshöfe besessen haben und die Kirche im Besitz von

ca. einem Drittel des Bodens der Walachei gewesen sein. Dahingegen haben sich die

um ca. 1820 in der Ţara Românească gezählten ca. 300.000 Bauernfamilien –

insgesamt lässt sich von einer Einwohnerzahl von 1,5 Millionen ausgehen – auf ca.

3.740 Gutshöfe verteilt. So kann man davon ausgehen, dass um 1821 in der Walachei

der größte Teil des zu nutzenden Bodens (suprafaţa arabilă) in der Hand von Bojaren,

Klöstern oder den reicheren Bauern (moşii boiereşti oder moşii mînăstireşti bzw.

moşneneşti) war. Dabei konnten Gutshöfe eine Größe erreichen, die an die 100

Familien beschäftigte. Diesen Landbestellern war es aufgebürdet, die Steuern des

Landes zu leisten. Sie hatten Abgaben sowohl an den „Staat”, also an die Pforte bzw.

ihre Mittelsmänner, wie zugleich auch an die bodenbesitzenden Bojaren oder deren

Mittelsmänner zu leisten. Der Boden war in verschiedene Steuerbezirke (liude

contribuabile), die Steuerzahler in verschiedene Steuergruppen eingeteilt. Adinăloaie

zählt unter den birnici, also jenen, welche Steuern zu leisten hatten, auf: ţărani birnici

(auch clăcaşi oder moşneni genannt), bäuerliche Steuerzahler, nach ihren drei Klassen

der fruntaşi, mişlocaşi, săraci oder de coadă; dann die companişti, also alle ein

Handwerk Ausübenden; dann negustori, Händler; dann auch die brezlaşi, welche einer

Gilde angehörten (welche ebenso meşteşugari und negustori sein konnten); sowie die

ţigani, nach ihren Klassen von robi domneşti, am Hof dienende Zigeuner; robi

boiereşti, einem Bojaren dienende Zigeuner; und robi mînăstireşti, einem Kloster

dienende Zigeuner. Die Festlegung der Abgabehöhe war oftmals arbiträr.

Diesen steuerpflichtigen Klassen standen die ebenso vielfältigen Klassen der

Steuerbefreiten gegenüber. Zu ihnen zählten die boieri, Bojaren, und die boierinaşi,

Bojarenstämmige; dazu die neamuri, „descendenţi de-ai marilor boieri”, also

25

Nachkommen von Großbojaren; die mazili, „descendenţi de-ai boierilor”, also

Nachkommen von Bojaren; die scutelnici und posluşnici „prestînd servicii boierilor”,

also jene, die gewisse Dienste für Bojaren leisteten; die postelnic(e)i, „în slujba

domnului sub direcţia marelui postelnic”, also jene, die im Dienste des Herrschers oder

dessen Hofwächter standen; aber auch andere slujitori, Diener; surugi, Hufschmiede;

vînători, Jäger; pescari, Fischer, „care serveau pe domn, pe marii dregători, sau erau

pe lîngă isprăvnicii”, die also dem Herrscher, den großen Würdenträgern oder dem

Bezirksverwaltern dienten. Steuerbefreit waren außerdem die mînăstiri, Klöster, und

clerul superior, der höhere Klerus. Priester und Diakone lieferten, wie erwähnt, nicht

dem „Staat”, sondern ihrem Bischof Steuern ab. Um 1820 sollen der Metropolit und

die drei Bischöfe von Rîmnic, Argeş und Buzău über 9.112 Priester und Diakone

verfügt haben, welche jenen gegenüber, nicht dem Staat gegenüber, tributpflichtig

waren. Die Bojaren verfügten bis zu ihrem Tode über ihre Privilegien, wie z.B. über

eine ihrem Rang und dem Wohlwollen des Fürsten entsprechende Anzahl von

scutelnici und von posluşnici, Bauern, die im Austausch von bestimmten Leistungen

ihrem Herrn gegenüber steuerbefreit waren (Busuioc 2007, s.v. scutelnic und

posluşnic), auch wenn die Bojaren aus ihren Ämtern ausgeschieden waren. Das

Privilegiensystem zugunsten der Bojaren förderte den Verkauf von Ämtern und Titeln,

von dem sowohl die Herrscher als auch die Bojaren profitierten. Für diejenigen, die

man heranzog, für die Landessteuern aufzukommen, bedeutete dies jedoch eine

schwere Last. Um 1820 scheint, so die Berechnung von Adăniloaie, in der Walachei

nur die Hälfte der Einwohner steuerpflichtig gewesen zu sein. Die Steuertragenden

mussten das „fehlende” „Staatsbudget” kompensieren und hatten mit ständig

steigenden Abgaben zu kämpfen.

Mit einer Lösung der drückenden Steuerlast der Bauern hing auch das größte

innenpolitische Problem des rumänischen 19. Jahrhunderts zusammen. Die Agrarfrage

thematisierte die Möglichkeit der Befreiung der Leibeigenen (iobagi, rumâni, vecini)

und die Vergabe von Land(besitz) an sie. Aber auch als letzteres endlich gelang, war

die Realität unbefriedigend, der vergebene Boden für den Bauern, der dagegen

Leistungen austauschen sollten, zu klein und meist unfruchtbar. Die Regulamente

verschlechterten de facto die Situation der Bauern bzw. den Frondienst (regimul

clăcii), insbesonders seit dem Zeitpunkt, als die Gutshöfe zu großen Profitproduzenten

wurden (Georgescu 1992, 142). In der Revolution von 1848 wurde dieses Problem

heftig diskutiert, 1851 kam es zu einem weiteren Verbesserungsschritt, 1864 wurde –

nach dreihundert Jahren – unter der Federführung von Mihail Kogălniceanu das

Problem des boieresc ansatzmäßig) gelöst. Dennoch verblieben auch danach 70% des

nutzbaren Bodens in den Händen der großen moşii, Gutshöfe, und nur 30% in den

Händen der Bauern. In den Jahren 1888 und 1907 revoltierten die Bauern erneut. Erst

unter Ferdinand I., der 1917 – von der Front – den Bauern (für deren Kampfeseinsatz)

eine Gesetzesänderung versprach, wurde die Enteignung der Großgrundbesitzer für die

Zeit nach dem Krieg geplant. Sie sollte im Jahr 1921 umgesetzt werden. In

Siebenbürgen war die Situation ähnlich. Zwar wurde die iobăgie 1848 von den

ungarischen Revolutionären abgeschafft, jedoch erfolgte auch hier im Zeitraum 1853-

1896 eine zu kleine împroprietărire, Landzuteilund, bis endlich auch hier das Dekret

der Enteignung der Großgrundbesitzer des Jahres 1921 wirksam wurde (Georgescu

1992, 143-145).

26

Dennoch fand im Laufe des 19. Jahrhunderts in den Donaufürstentümern der

Übergang von einer agrarisch geprägten und von Bojaren als Grundherren und

Verwaltern beherrschten Gesellschaft zu einer allmählich industriell-kapitalistisch und

stärker bürgerlich geprägten Gesellschaft statt. Diese von den Großbojaren im

Allgemeinen unerwünschte Zersetzung der feudalen Ordnung und Überwindung des

rumänischen Absolutismus begann, so Adăniloaie (1956, 33-34), um 1820. Auch

begann sich allmählich – zuungunsten der Interessen der aristokratischen Klassen –

eine Ideologie größeren Interesses für den Staat und seinen, nicht mehr nur als simpli

supuşi konzeptualisierten Menschen durchzusetzen (Stan/Iosa, 1996, 11). Um 1820

liegt auch der Beginn einer Transformation des auf dem Gewohnheitsrecht (cutume)

beruhenden Feudalismus zu einer stärker von Produktion, internem und externem

Handel sowie Geldzirkulation (camătă) und Manufakturen getragenen Gesellschaft

(Adăniloaie 1956, 33-34; Stan/Iosa 1996, 7). Mit dem Vertrag von Adrianopel (1829)

wurde das türkische Handelsmonopol abgeschafft, durch welches (um 1820) die Pforte

die Produkte aus den Fürstentümern um ¼ ihres Wertes gekauft hatte (Adăniloaie

1956, 17), und die rumänischen Produkte konnten, durch die Neutralisierung des

Schwarzen Meeres, des Bosporus und der Dardanellen international abgesetzt werden.

Vor allem die Verträge von Akkerman und Adrianopel bewirkten, dass es, nachdem

bis zum Jahre 1831 die Wirtschaft in den Fürstentümern jene des 18. Jahrhunderts

nicht überstieg, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem wirtschaftlichen

Aufschwung der Fürstentümer kam. Die Bedeutung des Viehhandels und Viehexports

wurde nun von der Bedeutung der Getreideproduktion (Giurescu/Giurescu 1977, 257-

260) ersetzt, in zwar in dem Maße, dass Rumänien bis Ende des Jahrhunderts auf dem

vierten Platz des Weltgetreideexports stand, wenn auch mit veralteten Agrarstrukturen

und auf der Basis der Großgrundbesitzungen (Noch 1860 gab es in der Moldau nur 98

mit Dampf betriebene Dreschmaschinen; Georgescu 1992, 134, 137). Der

wirtschaftliche Aufschwung der Fürstentümer wurde auch durch die unter Mihai

Sturza 1846 geschlossene (ab 1. Jänner 1848 in Kraft tretende) Zolleinheit für

Muntenien und die Moldau sowie Verbesserungen der landwirtschaftlichen

Produktion, aber auch durch eine stärkere Industrialisierung (Gründung von Fabriken

und Raffinerien für Zucker, Holz, Salz) unter Carol I. (1866-1914; Beginn der

Förderung der Großindustrie und nationalen Industrie durch Gesetze im Jahre 1887

und 1912; Georgescu 1992, 136) gestärkt. Ab 1870 wurden verstärkt Handelsverträge

mit dem Ausland, so 1875 mit Österreich-Ungarn, geschlossen (Berindei 1998, 212).

Auch die Straßennetze und vor allem die Verkehrswege wurden ausgebaut und

erneuert (erste funktionierende Eisenbahnlinie Bucureşti-Giurgiu 1869; im Banat und

der türkischen Dobrudscha früher!). In Folge der Wirksamkeit der Regulamente kam

es auch zu einem demographischen Aufschwung. Im Jahre 1866 wurde Societatea

Literară gegründet, die, ein Jahr später zur Rumänischen Akademie der

Wissenschaften umbezeichnet wurde. Unter Minister Spiru Haret (1851-1912) wurde

der höhere Unterricht reformiert, der Primarunterricht erweitert, die Situation von

Lehrern und Priestern verbessert, die Kultur insgesamt gefördert. Langsam bildete sich

ein Bürgertum heraus, das ab 1875 politisch durch den immer stärker werdenden

Partidul naţional-liberal (Nationalliberale Partei) mit Ion C. Brătianu und Constantin

27

A. Rosetti an seiner Spitze repräsentiert wird. Dieser stellt die Opposition zu dem

konservativ geprägten Club conservator, dessen erster Vorsitzender Emanoil

(Manolache) Costache Epureanu war, und aus dem 1880 der Partid conservator din

România mit Lascăr Catargiu als Präsidenten hervorging. Letztere Partei vertrat eher

die moşieri (Landbesitzer) und die alten Bojarenfamilien. Durch den Aufschwung der

Industrie insbesonders unter Carol I. entsteht in Rumänien eine Arbeiterschaft, die

1893 mit dem Partidul social democrat al muncitorilor din România

(Sozialdemokratische Arbeiterpartei Rumäniens) ihre politische Vertretung gründet

(Alexandrescu et al. 2000). Bis zur Jahrhundertwende hat sie nur ca. 100.000

Mitglieder (Berindei 1998, 210).

Nach den erfolglosen, von den Großmächten blockierten Versuchen von Mihail Sturza

(1835) und Barbu Ştirbei (1849-1856) als „atribut al suveranităţii“ auch eigene

Münzen zu prägen, setzten sich die Rumänen im Jahre 1867 dennoch mit der Prägung

einer eigenen Bronzemünze und eigenen Silber- und Goldmünzen (1870) durch

(Georgescu 1992, 138-139). Die ersten rumänischen Geldinstitute (wie z.B. Bancă

Naţională in der Moldau, 1856; Albina in Sibiu, 1871; Banca Naţională a României in

Bukarest, 1880; sie stabilisierten die Währung und die Anzahl von Bankinstituten

wuchs nach der Vereinigung; Georgescu 1992, 139; Dronca 2003). Die Bezeichnung

Lei für die nationale Währung wurde nach dem, im 16.-17. Jahrhundert in den

rumänischen Ländern zirkulierenden niederländischen Silber-Löwentaler

(Leeuwendaalder) eingeführt. 1870 wurde die Monetăria Statului gegründet (Iscru II

1998, 133).

Die Modernisierungsschritte der Fürstentümer lassen sich auch anhand des Wahlrechts

veranschaulichen. Die Regulamente fixierten de facto noch ein Wahlrecht, das nur (ca.

800) Bojaren zugänglich gewesen war. Mit den im Friedensvertrag von Paris 1856

vorgesehenen Adunări ad-hoc war zum ersten Mal in der Geschichte der Länder das

politische Monopol der Großgrundbesitzer gebrochen. Das Wahlgesetz ermöglichte

beispielsweise in der Versammlung von Bukarest die Abordnung von 34

Großeigentümern, 17 Kleineigentümern, 31 städtischen Abgeordneten, 17 bäuerlichen

Abgeordneten (Georgescu 1992, 147). Die ständische Repräsentation war bis 1858

durch ein zensitäres Wahlregime abgelöst worden. Seit 1892 drängte die liberale Partei

auf ein universelles Wahlrecht, sufragiu universal, trotz einer Bevölkerung, die zum

Großteil nicht lesen konnte (ib. 151-152). Bis zum Ersten Weltkriet durften 17,6 % der

Bevölkerung des Altreichs direkt oder indirekt wählen.

Als sich die Schwächung des „kranken Mannes am Bosporus“ deutlicher zeigte,

begannen sich die Rumänen bewusst stärker an Ländern wie Russland, Österreich und

vor allem Frankreich zu orientieren. Wenn auch die Einflüsse der und Interessen an

der westeuropäischen Welt (vor allem von und an Frankreich) schon vor der

Revolution von 1848 von Reisenden konstatiert wurde, wird die Abwendung von bzw.

Hinwendung zu Westeuropa um die Mitte des 19. Jahrhunderts besonders deutlich. Zu

diesem Zeitpunkt ersetzen die Landesfürsten erstmalig ihre orientalische Kleidung

durch eine moderne Militäruniform, und in den Städten kam zur selben Zeit die Mode

auf, sich mit deutscher Kleidung zu zeigen (Berindei 1998, 199-200). Sehr plastisch ist

28

diese Transformation beispielsweise in den Schriften von Alecu Russo dokumentiert.

So heißt es in seiner Studie moldovană aus dem Jahre 1851:

„Arma întîi şi cè mai grozavă care a bătut cetatea trecutului a fost schimbarea

portului vechi. Straiul făcea omul; feliul hainei modelează trupul şi mintea, şi

întipăreşte din părinţi în fii tradiţiile şi obiceiurile. Precuvîntarea istoriei

moderne a ţărilor române este neapărat schimbul portului; ţivilizaţia de astăzi

este fapta logică a părăsirei hainilor vechi; ideea nouă a năvălit în ţară o dată cu

pantalonii, şi mai straşnici decît năvălirile tătăreşti, în cît ai scăpăra, au pîrjolit

şacşîri, şlicuri, mestii, giubele şi toată garderoba strămoşască.“ (Die erste und

die schrecklichste Waffe, die die Festung der Vergangenheit beschossen hat,

war der Wandel der alten Tracht. Das Gewand macht den Menschen; die Art

der Kleidung formt den Körper und den Geist und prägt von den Eltern zu den

Kindern die Überlieferungen und die Bräuche ein. Die Einleitung der modernen

Geschichte der rumänischen Länder ist unabdingbar die Veränderung der

Tracht; die heutige Zivilisation ist die logische Tat des Aufgebens der alten

Kleidungen; die neue Idee ist in das Land eingefallen zusammen mit den

Beinkleidern und hat gewaltiger als die Einfälle der Tataren im Nu die

türkischen Pluderhosen, die Wollmützen, die türkischen Filzüberschuhe, die

langen Oberkleider und die ganze altererbte Garderobe versengt.).

Der rasche objektbezogene Wandel zeigte sich aber nicht nur anhand der Kleidung,

sondern auch an vielen Gegenständen des alltäglichen Lebens und dies in der Zeit

einer einzigen Generation: „În mai puţin de o generaţie, şalvarii şi işlîcul erau înlocuiţi

cu „hainele nemţeşti”, divanul oriental cu canapeaua franţuzească, narghileaua cu

havanele.“ (Georgescu 1992, 187).

29

II

DIE DURCHSETZUNG DES LIBERALEN GEDANKENS

II.1. Der Ursprung des liberalen Gedankens in den rumänischen Ländern

Wie in ganz Europa war auch in den rumänischen Ländern die Zeit der Aufklärung

eine wichtige Phase sowie „Vorläufer und Begleiter” des das 19. Jahrhundert

prägenden Liberalismus (Stan/Iosa 1996, 18). Es lassen sich aber für Rumänien noch

frühere Gruppierungen von Intellektuellen und Bojaren in Jassy und Bukarest nennen,

die als erste, in kleinen heimlichen Kreisen, über eine emancipare des politischen

Denkens diskutierten. Dabei fochten sie die politisch absolutistischen Dogmen ein und

traten für eine freiere Meinungsäußerung ein. Es sei das erste Mal, da die Idee einer

von Bojaren gestellten Partei entsteht. In diesen Gruppierungen wirkten die, in Jassy

und Bukarest zwischen 1740-1750, in Siebenbürgen nach 1750, gegründeten ersten

Logen der rumänischen Francmasoneria, Freimaurerlogen, aus der später (1833) die

bedeutende Gruppierung der Societatea Filarmonică (Stan/Iosa 1996, 8, 12, 14-15;

Popa 1996, s.v. Francmasoneria) hervorgehen sollte, wie ferner die 1843 gegründete

Frăţie (cf. Kap. VII.2.2.). Unter den aufklärerischen Autoren, die von den Rumänen

rezipiert wurden, wird immer wieder Voltaire genannt, dessen Werke beispielweise

bereits um 1777 unter den damals gräzisierten Bojaren der Donaufürstentümer

verbreitet gewesen sein dürften (Stan/Iosa 1996, 18-20). Einflussreiche

Persönlichkeiten wie Bischof Ilarion (im Amt 1819-1823 und 1828-1845) sollen

Anhänger der Voltaire´schen Ideen gewesen sein. Ab 1820 wird eine ganze Reihe von

Werken von Voltaire ins Rumänische übersetzt (Candrea/Adamescu 1926-1931, s.v.

Voltaire). In dem allgemeinen Staatsmodell, welches Costache Negruzzi 1846

konzipierte (Elemente de drept public, cf. Kap. II.2.) wiederum, sieht Paul Cornea vor

allem das ideologische Modell von Montesquieu reflektiert (1966, 77-107). Nach

Siebenbürgen gelangte aufgeklärtes Gedankengut am Ende des 18. Jahrhunderts, als

hier die Şcoala Ardeleană ihren Höhepunkt erreichte.

In die Donaufürstentümern gelangte es ferner durch diplomatische Kontakte mit

Frankreich, welche gegen Ende des 18. Jahrhunderts einsetzten. Es war die Zeit, in der

neben den phanariotischen Fürsten und russischen Konsuln zum ersten Mal auch

Agenten der Republik Frankreich in Bukarest und Jassy akkreditiert wurden. Die in

den Fürstentümern eingesetzten Konsuln, Flury 1782 in Bukarest und Parant 1784 in

Jassy (Hitchins 1994, 45-49) erreichten hier vor allem jüngere Intellektuellenkreise.

Nach 1789 wurde französisches Gedankengut auch durch französische Immigranten

vermittelt. Es war die Zeit, in der sich das Interesse der Rumänen an Frankreich und

den Napoleonischen Kriegen intensivierte sowie auch die Hoffnung auf Frankreich als

einen Verbündeten der rumänischen Länder bestand. Intellektuelle wie Gheorghe

Şincai oder Gheorghe Lazăr waren beispielsweise große Bewunderer von Napoleon I.

(Stan/Iosa 1996, 19-20). Als Napoleon Bonaparte erster Konsul geworden war (1799),

reiste eine Delegation von Intellektuellen unmittelbar nach Paris, um seine

Unterstützung für mehr Autonomie zu errreichen. Sie scheiterte, weil Napoleon sich

zu diesem Zeitpunkt mit Russland arrangieren musste (Stan/Iosa 1996, 23). Nach 1820

30

wurden junge Intellektuelle aus Bojarenkreisen aus mittleren und unteren

Gesellschaftskreisen, welche das Kollegium Sf. Sava in Bukarest absolviert hatten, in

die Hauptstädte des Westens, v.a. nach Frankreich, gesandt. Auch durch diesen

Kontakt wurden die Aufnahme von Gedankengut der französischen Aufklärung

intensiviert und der Beginn der Demokratisierung der rumänischen Gesellschaft gelegt

(Stan/Iosa 1996, 32).

31

Die Liberalen Rumäniens sollten sich erst im Jahre 1875 zu einer Partei formieren.

Stan/Iosa (1996, 26) nennen aber dennoch die Zeit um 1800 als die Zeit erster

Gruppierungen einer liberalen Ideologie, welche nach der Jahrhundertwende, zwischen

1810-1820, eine renaştere erlebt hätten. In diesem Zusammenhang nennen sie eine

Persönlichkeit wie Dionisie Lupu, den Metropoliten der Walachei in den Jahren 1819-

1821 und überzeugten Häterieanhänger, welcher Stipendiaten ins Ausland verhalf.

Eine liberale Orientierung sehen sie auch bei einigen Vertretern der Bojarenschaft,

denen es aber erst noch um eine Verbesserung des außenpolitischen Status der

Donaufürstentümer, und nur in geringerem Maße um soziale Verbesserungen für die

breite Gesellschaft ging (Stan/Iosa, 26-27). Es lassen sich in dieser Zeit bereits einige

individuelle Reformvorschläge hoher staatlicher sowie klerikaler

Gesellschaftsmitglieder erkennen. So schlagen im Jahre 1819 der moldauische

„Finanzminister“, vistiernic, Iordache Rosetti-Roznovanu (Barnovschi [1923], 154;

Diaconovich 1898-1904, s.v. Rosnovanu-Roset, Iordache) sowie Barbu Văcărescu,

Mitglied der provisorischen Regierung der Walachei im Jahre 1821, die Abschaffung

der steuerprivilegierten scutelnici vor, eine Einrichtung, welche Bojaren begünstigte

(Eliade 2000, 60) vor. Auch Bischof Ilarion schlug, möglicherweise durch die Häterie

beeinflusst, die Abschaffung einiger Privilegien vor (Stan 1996, 26-27; Diaconovich

1898-1904, s.v. Ilarion).

Während Eugen Lovinescu in seiner Istoria civilizaţiei române moderne ([1924], I, 75)

die Zeitspanne 1821-1848 als eine Zeit der Inkubation der Ideen der französischen

Revolution in einem ganz und gar unvorbereiteten Rumänien und den Beginn des

rumänischen Liberalismus in der 1848-er Revolution sah (ib. 76), sehen Stan/Iosa

(1996) den konkreteren Beginn des rumänischen Liberalismus um 1820 in Verbindung

mit der Gruppierung der Cărvunari (Predescu, 1999 s.v. „Cărvunari”), der ersten

organisierten Bewegung der rumänischen Länder mit dem Ziel, die Gesellschaft der

Moldau zu reformieren und nach dem Vorbild des Westens zu „europäisieren“

(Stan/Iosa 1996, 15, 31). Dieser Gruppierung gehörten mehrheitlich Bojaren,

allerdings des mittleren und niederen moldauischen Adels an, Personen, die durch ihre

Handelsaktivitäten in die Ränge des niederen Adels emporgestiegen waren und die

langsam entstehende Bourgoisie bildeten (ib. 1996, 30-31). Die Bewegung lehnt

mindestens namentlich an die italienischen carbonari an, und kann, auch nach

Lovinescu, als Ausgangspunkt der rumänischen demokratischen Bewegung, ihr

Reformprogramm als erster Verfassungsversuch in den Fürstentümern erachtet

werden. In diesem formulierten sie die Ideen der französischen Revolution durch das

Prisma der Moldau (([1924], I, 64, ss). Stan/Iosa (1996, 30-31) schreiben den

Reformvorschlägen der cărvunari reformerisch-progressive Tendenzen zu, wie das

darin anklingende Prinzip der Gewaltenteilung, der Gleichheit von dem Gesetz oder

eine relative Autorität der Judikatur, aber auch eine konservative Linie, z.B. die

Festlegung einer Gleichheit nur innerhalb der Bojarenschaft im Sinne der Ideologie

der späteren Phase der Französischen Revolution. In jedem Fall ist zu konstatieren,

dass sich seit Ende des 18. Jahrhunderts, unter dem Einfluss der Französischen

Revolution, anstelle von Partikularinteressen stärkere Tendenzen eines

„Staatsdenkens” entwickelten (Stan/Iosa 1996, 17, 23). Es ist die Zeit des Übergangs

vom feudalistisch-absolutistischen Herrschaftssystem zu einem beginnend

konstitutionelleren der rumänischen Länder.

32

II.2. Frühe staatliche Gesetzgebung und diskursive Reformversuche

In den rumänischen Ländern wurde Recht, und zwar individuelles wie staatliches,

nach drei unterschiedlichen Rechtslinien geregelt: erstens nach den alten nicht

verschrifteten „Bräuchen“ (obiceiul pământului), zweitens nach dem byzantinischen

Recht (wie es beispielsweise im Sintagma lui Vlastares gesammelt ist, welches über

slawische Übersetzungen in die rumänischen Länder kam) und drittens nach kirchlich-

zivilem Recht (wie es die Pravila Ritorului Lucaci aus dem Jahre 1581 oder die

Pravila de la Govora oder Pravila mică von Matei Basarab von 1640 festhalten).

Frühe staatliche Gesetzgebungen der rumänischen Länder (cf. hierzu Metzeltin 2006,

711-737) sind z.B. das Zivilrecht von Vasile Lupu (Jassy 1646) oder die Îndreptarea

legii des Matei Basarab (Târgovişte, 1652), welche dem Römischen Recht sowie

Kirchenrecht folgen und großteils Strafen kodifizieren (Diaconovich 1898-1904, s.v.

Scarlat Calimah). Die Gesetzgebungen der rumänischen Länder dokumentieren oft

schrittweise Reformen. So gehen jene des Phanariotenherrschers Constantin

Mavrocordat (mehrmaliger Herrscher in der Walachei und der Moldau zwischen 1730

und 1769), auch wenn die Privilegien der führenden Gesellschaftsschicht bewahrt

blieben, bereits stark auf Fiskus, Steuer und Verwaltung ein und legten z.B. eine leafă

stabilă a dregătorilor, eine fix geregelte Entlohnung der Beamten, fest. Auf denselben

Herrscher geht auch die Befreigung der rumâni (1746) und der vecini (1749), d.h. die

Abschaffung der iobăgie, Leibeigenschaft, zurück, und ihre Ersetzung durch die clacă,

Fronarbeit (Popa et al., 1993–2009, s.v. Mavrocordat). Ein Erlass von Constantin G.

Racoviţă (Herrscher der Moldau und der Walachei im Zeitraum 1749-1764) aus dem

Jahre 1753 wiederum, gewährte den Protestanten die volle Freiheit des Glaubens

(Stan/Iosa 1996, 14). In seiner Pravilniceasca Condică von 1780 reorganisierte

Alexandru Ipsilanti das Steuerwesen, die Verwaltung und Justiz und versuchte dem

Steuermissbrauch gesetzliche Schranken zu weisen (Popa et al., 1993-2009, s.v.

Ipsilanti). Der Codex von Scarlat Callimachi (Herrscher der Moldau 1812-1819)

wiederum, welcher 1817 in der Moldau verabschiedet wurde, und dessen Verfasser

dem österreichischen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1811 folgten, war u.a. insofern

„moderner”, als er systematischer war (cf. Diaconovich 1898-1904, s.v. Scarlat

Calimah). Er wurde bis 1856 angewandt und dürfte mindestens punktuell, konkret in

der Regelung der Bindung der Bauern an die Grundherren, progressiver als die in der

Walachei gleichzeitig gültige Legiuirea Caragea (erster Druck 1818 in Wien unter

dem Titel Nomothesia; ib. s.v. Caragea Ioan) gewesen sein.

Für eine Untersuchung der Entwicklung des liberalen Gedankenguts in Rumänien

ließen sich also auch die Gesetzgebungen in den rumänischen Ländern heranziehen

und in ihren schrittweisen Modifikationen bzw. Revisionen beleuchten. Auch die ab

1731 bestehenden calendare und almanahuri, Kalender und Almanache, dann private

Korrespondenzen, deren Verfasser sich weniger autozensurierten (Carp 2002, 26,

FN2) sowie die seit 1828 existierende rumänischen Presse (Curier Romanesc, Albina

Românească) spiegeln politische Diskurse implizit oder explizit wider (Carp 2002,

49). Für eine Rekomposition der Semanteme der liberalen Ideologie in Rumänien wäre

ferner die Untersuchung von Pamphleten über die sozial-politische Situation, wie sie

33

am Beginn des 19. Jahrhunderts in Jassy entstanden und verbreitet wurden, interessant.

So formulierte ein anonymes Pamphlet (pasquel) aus dem Jahre 1804 eine scharfe

Kritik gegen den konservativen moldauischen Fürsten Moruzi und seinen Diwan

(Barnovschi [1923], 43, 58-59; Lovinescu [1924], I, 140; auch Stan / Iosa 1996, 21).

Besonders relevant wären auch die vielen memorii, Erinnerungsschriften oder

Broschüren, deren Verfasser nicht selten gegen Übertritte seitens fremder Großmächte,

aber auch der Herrscher und ihrer Beamten und um Verbesserungen und Reformen des

Staates und der Gesellschaft bemüht waren. Ein berühmtes Beispiel einer solchen

Erinnerungsschrift ist das im Jahre 1791 dem Wiener Hof ausgehändigte Supplex

Libellus Valachorum. Es gab Zeiten in der Geschichte der rumänischen Länder, in

denen sich die memorii und petiţii, Erinnerungsschriften und Petitionen, aber auch

Protestbroschüren an die höchsten Repräsentanten der Großmächte, welche

mindestens implizit punktuelle Reformversuche und -ansätze widerspiegeln,

verdichteten. So erwähnen Stan und Iosa im Zusammenhang mit den

Friedensverhandlungen von Şiştov (24. Jul. 1791) als Echo der Ereignisse von

Versailles die Forderungen einer repräsentativen Partizipation des dritten Standes an

der Führung des Landes. Im Jahre 1796 hätten, denselben Autoren zufolge, Teile des

Kleinadels und der Bürgerschicht in der Moldau den Metropoliten gebeten, dem

Missbrauch des Großadels Einhalt zu gebieten; im März 1799 Repräsentanten der

freien Bauernschaft der Moldau den Metropoliten und die Bojaren unter Druck gesetzt,

die Administration zu verbessern; im Juli 1804 und Juni 1805 der Metropolit der

Moldau, Veniamin Costache, Briefe erhalten, welche u.a. von den Bojaren mehr

Interesse für das Land und seine Einwohner, aber auch die Abschaffung von feudalen

Beziehungen sowie der Idee einer Landzuteilung an die Bauern der Gutshöfe der

Bojaren forderten; im Jahre 1807 die Moldauer in einem memoriu Napoleon I.

Bonaparte um Hilfe für die Abschaffung des absolutistischen und autoritären Regimes

sowie für die Sicherung einer gewissen individuellen Freiheit gebeten (Stan/Iosa 1996,

20-22). Broschüren, Erinnerungs- und Petitionsschriften wurden insbesondere auch

verfasst unter französischen Einfluss zwischen 1802 und 1824, als auch das Projekt

der cărvunari entstand (Kap.V.), dann in der Zeit der Regulamente Organice sowie

wieder um das Jahr 1848. Als Beispiele hierfür seien Mihail Kogălniceanus

Întâmplările din Moldova în luna lui martie und seine Protestaţie în numele Moldovei,

a omenirei şi a lui Dumnezeu vom Mai 1848, die im Juni 1848 anonym erschienene

Broschüre Ce sunt meseriaşii, die in Wien von Ştefan Arbore gedruckte Broschüre O

scânteie de deşteptare und die in Bukarest gedruckte Broschüre Căinţa încrederii în

boieri aristocraţi şi sfânta hotărâre de a nu-i mai crede genannt.

In späteren Broschüren wie die vom Archimandriten Neofit Scriban verfasste Unirea

şi neunirea Principatelor aus dem Jahre 1856 (Carp 2002, 33-34, 46) steht eher die

Bemühung um die Vereinigung der Fürstentümer im Vordergrund. Sowohl der

Metropolit der Moldau, Sofronie Miclescu, als auch Neofit Scriban setzten sich

vehment für die Vereinigung der Fürstentümer ein, wofür letztere verschiedene

Schriften verfasste (Leb 1998, 40-60). Im Jahr 1855 wurde eine Suplique de plusierus

personnages Moldo-Valaques afin que l’Empereur appuie la reunion de la Moldavie

et de la Valachie an Napoleon III. gerichtet (Carp 2002, 47).

34

In der von uns fokussierten Zeitspanne entstanden auch Texte, die stärker das

Staatsmodell allgemein und theoretisch abhandeln. Zu diesen lässt sich beispielsweise

Costache Negruzzi„s Elemente de dreptul politic dupre mai mulţi autori de un filo-

român (zit. nach Cornea 1966, 77) aus dem Jahre 1846 zählen, in denen der Autor auf

allgemeine Rechte, ein <Gemeinwohl>, Souveränität, eine auf administrativer sowie

judikativer Gewalt basierende <Exekutive> (putere împlinitoare), die republikanische

oder monarchische Regierungsform, Tyrannei und Despotismus, <Verantwortlichkeit>

der Minister (buna-credinţă), Klassengesellschaft (clase de cetăţeni), die

Notwendigkeit, dass jeder Bürger Steuern (bir) zahle, die Art, wie Souveränität

erreicht oder verloren werden kann (Wahl, Erbe oder Raub) eingeht (ib. 81-90).

II.3. Meilensteine auf dem Weg zur autochthonen Verfassung: Quellen und

Corpus

Für die Rekonstruktion der Entstehung des liberal-demokratischen

Verfassungsdiskurses und die entsprechende Genese des rumänischen Staates bieten

sich eine Serie von bestimmten, mehr oder weniger reformbetonten Texten an. Wir

können in diesem Zusammenhang von staatsgenerierenden Texte sprechen. Allein bis

1823 soll es 86 Reformprogramme gegeben haben (Antohi 1999, 148). Da sich der

zukünftige Staat inbesondere infolge der Diskursivität dieser Texte generiert hat,

haben wir aus ihnen unser Corpus ausgewählt, das wir im Folgenden kurz vorstellen.

Wir beginnen unsere Analyse mit Texten des oltenischen Revolutionsführers Tudor

Vladimirescu, und zwar seiner am Beginn des Jahres 1821 verkündeten Proklamation

von Padeş sowie den ca. bis zum Frühjahr 1821 redigierten Cererile norodului oder

Forderungen, welche das wallachische Volk in der Wallachey macht, auch wenn bis

heute sehr unterschiedliche Bewertungen der Bedeutung von Tudor Vladimirescu und

seiner Texte bestehen. In ihrer Übersicht über die Verfassungsgeschichte der

rumänischen Länder (De la „pravilă” la „constituţie” von 2002) erwähnen die Autoren

Carp et al. diese Texte beispielsweise gar nicht, während Stan/Iosa (1996, 28) Tudor

Vladimirescu als „om familiarizat cu întregul vocabular politic inaugurat de Revoluţia

Franceză“ und die Bezeichnung „Adunarea norodului“, unter welcher der Anführer

seine Mitkämpfer formierte, als ein modernes Prinzip von Volkssouveränität

interpretieren. Selbst wenn auch für uns einige Fragen bezüglich der vollen

Autorenschaft der Texte, der Bildung und der Pragmatik der Autors offen bleiben,

erscheinen uns die Texte von oder um Tudor Vladimirescu als wichtig genug, um

darin einen Beginn der in den nachfolgenden Jahrzehnten wieder und wieder

diskutierten Bemühungen um eine neue staatlich-gesellschaftliche Ordnung skizziert

zu sehen. Wir behandeln sie in Kapitel IV.

Ein wichtiger Moment in der Entwicklung der modern-liberalen Staatlichkeit

Rumäniens ist die Bewegung der sogenannten cărvunari, die ihren Höhepunkt um

1822 in der Moldau erlebt. Aus ihr gehen verschiedene Reformprojekte hervor, auch

wenn diese zuerst noch eher Auseinandersetzungen innerhalb der Aristokratie

dokumentieren (Barnovschi [1923], 76 ss). Eines der Verfassungsprojekte aus diesem

Kreis ist Planul sau o formă de oblăduire republicană de Logofătul Dimitrie Sturza,

35

welches eine Regierungsform vorschlug, die der Verfasser als aristodimocraticească

bezeichnete (Barnovschi [1923], 77, 84). Es dürfte von englischen Modellen inspiriert

worden sein, und schlägt eine ganze Reihe von Reformen zur Entabsolutierung der

Herrschergewalt, d.h. zur Gewaltenteilung vor. Hierfür sollte ein als höchste Gewalt

regierender erster Diwan, desweiteren ein zweiter und ein dritter Diwan eingesetzt

werden. Der erste Diwan sollte die Gesetzesinitiative übernehmen, aber mit dem

zweiten Diwan über die Gesetze entscheiden, hingegen der dritte Diwan die Steuern

regeln. Auch sollten eigens vorgesehene Kommissionen des ersten Diwans für die

Bereiche Bildung, Landwirtschaft, Moral und Gesundheit (cf. Comisiunea bunelor

moravuri şi a sănătăţii publice), für die Einkommen und Ausgaben der einzelnen

Kreise, für Außenbeziehungen (Comisiunea afacerilor străine) und das Militär

(Comisiune militară) eingesetzt werden. Der zweite Diwan (Divanul judiciar) sollte in

einer neuartigen Weise legislative und (höchste) richterliche (judecătoreşti) Aufgaben

innehaben. Einige Vorschläge lassen punktuell bereits an moderne Verfassungen

denken: die Freiheit des Individuums (libertatea individuală) sollte gewährt sein, die

Inhaftierung (arestare) nur bei klarer Tat (în caz de prindere asupra faptului) sowie

Inhaftierung als präventives Mittel erlaubt sein. Noch ist auch der kirchliche Einfluss

auf höchster Ebene sehr deutlich. So sind z.B. der Metropolit und die beiden Bischöfe

der Moldau („Episcopul ţării de sus“ und „Episcopul de jos“) Mitglieder verschiedener

Kommissionen. Für öffentliche Dokumente (documente publice) war eine Art

staatliches Archiv vorgesehen (Barnovschi [1923], 77-83). Der innovativste und,

zumindest für eine kurze Zeit, wirkungsvollste Text der cărvunari aber sind die

Cererile cele mai însemnătoare ce se fac din partea obştiei Moldoviei bzw. die so

genannte „cărvunari-Verfassung”, die als einer der ersten konstitutionellen Versuche

gilt (Lovinescu [1924] I, 56). Wir behandeln sie in Kapitel V. ausführlich.

Als ein weiterer wichtiger Schritt in der Verfassungsgeschichte Rumäniens müssen die

sogenannten Regulamente Organice genannt werden, die am 1. / 13. Juli 1831 in der

Walachei und am 1. / 13. Jänner 1832 in der Moldau in Kraft traten. Eugen Lovinescu

erachtete sie als nicht viel weniger demokratisch als die cărvunari-Verfassung und ihr

größtes Verdienst darin – trotz aller Unzulänglichkeiten – Vieles legalisiert sowie den

Absolutismus beendet zu haben (ib. 64-65). Die Reformen wären so weitgehend

gewesen, dass der Zar es nicht gewagt hätte, sie auch in seinem Reich einzuführen

([1924], I, 71). Lovinescu (siehe für die folgenden zwei Paragraphen [1924], I, 68-71)

hatte den Regulamente eine Reihe von Veränderungen zugeschrieben. Der

Landesherrscher sollte, wenn auch mit Bestätigung der Pforte, von einer adunare

pământeană, also einer aus den Landesbewohnern rekrutierten Wahlversammlung,

gewählt werden. Die Wahl des einheimischen Landesherrschers sei überwiegend von

Bojaren getragen, allerdings von Bojaren verschiedener Klassen, zu einem kleineren

Teil also auch von den boieri mici, dem Kleinadel (cf. dazu auch Georgescu 1992,

145). Gemäß Lovinescu gingen die Regulamente in dieser theoretischen „Gleichheit“

aller Bojaren in der Wahl über die Reformvorschläge der cărvunari hinaus. Die

Regentschaft sollte constituţional, konstitutionell, auf oligarchischer Basis geschehen.

Vorgesehen war ihre Unterstützung durch Adunări obşteşti ordinare, Ordentliche

Allgemeine Versammlungen, deren Macht, unvergleichlich größer gewesen sei, als die

des durch sie abgelösten Diwan. Diese Versammlungen sollten über das Budget und

die Gesetze entscheiden, mit letzlicher Sanktionierung durch den Fürsten. Auch die

36

putere judiciară, die richterliche Gewalt, sollte in den Händen eines (speziellen)

Diwans sein. In Konfliktfällen hätte der Fürst mit der vorherigen Autorisierung durch

die Pforte und Russland den Diwan auflösen und dadurch zu neuen Beschlüssen und

Gesetzen kommen können.

Unter den vielen begrüßenswerten Grundsätzen des Regulaments [der Walachei] seien

z.B. die erstmalige <Dokumentation> des zivilen Standes (instituire a actelor stării

civile), das Prinzip von <Höchstgerichten> (tribunale de primă instanţă), das

<Finanzgebaren> betreffende Verfügungen (dispoziţii de ordin financiar), richterliche

Diwane (divanuri judiciare), Handelsgerichte (tribunale de comerţ) etc. Die bisherige

steuerliche Abgabe in Form von liude, einer von mehreren Bauernfamilien kollektiv zu

leistenden Steuer (Busuioc 2007, s.v. lúde), wurde durch eine neue Form der

jährlichen Besteuerung aller Bauernfamilien sowie durch ein Patentrecht für

Handwerksmeister und Händler ersetzt. Das Privileg der Bojaren, über scutelnici und

posluşnici, steuerbefreite Bauern zu verfügen, wurde abgeschafft, vom Staat

vorgesehen, die Bojaren für diese Abschaffung zu entschädigen. Allerdings wurden

Priester und Bojaren von den Steuerpflichtigen ausgenommen, die alten Privilegien für

Großgrundbesitzer beibehalten. Die Regulamente, so Lovinescu, könnten als die ersten

„rumänischen“ Verfassungen bezeichnet werden. Allerdings seien sie in den

Fürstentümern, insbesondere von der 1848-er Generation, auch als Hindernis im

nationalen Entwicklungsprozess – Lovinescu spricht hier von nationaler renaştere,

Wiedergeburt – betrachtet worden.

Einer der Hauptkritikpunkte gegen die Regulamente war, dass sie der Walachei und

Moldau durch Russland aufoktroyiert, also keine echte innere Verfassung waren. Wir

haben sie aus diesem Grund nicht in unser Corpus aufgenommen.

Nach Georgescu (1992, 145) verankerten die Regulamente ein oligarschisches

Herrschaftssystem, denn de facto beherrschten die Großbojaren die Adunări Obşteşti,

die Allgemeinen Versammlungen, und bestimmten die Entscheidungen des

Herrschers. Auf eine „vor-liberale” Staatsorganisation verweist der Umstand, dass in

den Versammlungen, inklusive der Wahlversammlung, die Bauernschaft keine

Vertretung hatte. Neue Elemente hingegen waren z.B. der Eid des Fürsten auf die

Regulamente, die stärker gesetzliche Regulierung, die Trennung der visteria ţării, der

<Staatskasse>, von der listă civilă, dem Budget des Fürsten, eine

Teilverantwortlichkeit der Zentralgewalt gegenüber den Versammlungen, eine

Gewaltentrennung, die Einführung eines sfat al miniştrilor, <Ministerrats>, aus sechs

bis acht, dem Fürsten gegenüber verantwortlichen Personen sowie die Etablierung

verschiedener <Ressorts> (ib. 145-146).

Im Jahre 1838 entstanden das Proiect de constituţie, ein Verfassungsentwurf, und der

Act de unire şi independenţă, eine Vereinigungs- und Unabhängigkeitserklärung

(Berindei 1998, 201) des Oberst und liberalen Politikers Ioan Câmpineanu (1798-

1863). In Kapitel VI werden diese beiden Texte eingehender analysiert.

Im Jahre 1839 verfasste der einer Verschwörung (cf. Kap. I.3.) gegen die

Herrschaftsspitze in der Moldau anhängende Kommis Leonte Radu ein

37

Verfassungsprojekt (Lovinescu [1924], I, 140). Auch darin wurde noch nicht die

Abschaffung von Privilegien der hohen Bojaren, sondern erst eine Gleichbehandlung

des gesamten Bojarenstandes vorgeschlagen; eine Allgemeine Versammlung und ihre

Wähler sollten nur von Bojaren gestellt und die Moldau unter Suzeranität der Pforte

autonom werden; das russische Protektorat sollte von einem Protektorat der

europäischen Mächte ersetzt und die Moldau als Mitgliedsstaat einer Konföderation

von Donaustaaten gestaltet werden; desweiteren wurde vorgeschlagen, die Moldau als

Verbund mehrerer autonomer Regionen zu regieren; ferner schlug das Projekt die

Abschaffung der Zensur sowie Presse- und Meinungsfreiheit, dann die Säkularisierung

der Kirchengüter, die Einrichtung einer Kreditbank, die Tarifregelung und Förderung

der Industrie wie auch die Befreiung der <staatlichen> und zu den Klöstern

gehörenden Zigeuner vor:

„Conjuraţia cerea autonomia sub suzeranitatea Turciei; modificarea relativă a

Regulamentului; înlocuirea protectoratului rusesc cu acela al puterilor europene;

alegerea unei confederaţii dunărene în fruntea căreia urma să fie Moldova.

Înlăuntru, ţara, în afară de judeţe, trebuia să fie împărţită şi în mici „guvernuri”

compuse din patru judeţe. Se cerea apoi „slobozenia tiparului, a gândirii, (sic) şi

scrierii care să nu fie sub ţensură” (art. 7); trecerea averilor bisericeşti pe seama

stăpânirii; să se aşeze „un banc” (o bancă) de împrumuturi; protecţionismul

industrial prin tarife pe manufactură; eliberarea Ţiganilor coroanei şi

mănăstireşti.”

Der vermutlich wichtigste historische Moment, der zur Bildung des zukünftigen

Staates führen wird, sind die rumänischen Revolution(en) von 1848 (teilweise bis

1849). In ihrem zeitlichen wie ideologischen Kontext wurden eine Reihe von

Diskursen verfasst, die auf den politischen status quo der rumänischen Länder

eingehen bzw. deutlich Reformen verlangen. In unserer Studie behandeln wir drei

Diskurse ausführlich, nämlich den Diskurs von Blaj / Blasendorf vom Mai 1848 von

Simion Bărnuţiu (Kap. VII), dann die – nach Lovinescu [1924], I, 87 die

revolutionärste Ideologie ausdrückende – Proklamation von Islaz von Juni 1848 von

Ion Heliade Rădulescu (Kap. VIII) sowie das vehemente Reformmodell, welches

Mihail Kogălniceanu unter dem Titel Dorinţele partidei naţionale din Moldova im

August 1848 im Exil in Cernăuţi / Tschernowitz verfasste (Kap. IX.).

Ein weiterer Meilenstein in der Genese des zukünftigen Staates ist die am 7./19.

August 1858 geschlossene Convenţiune pentru organisaţia definitivă a Principatelorŭ-

Unite-Române in Paris (Konvention für die definitive Organisation der Vereinten

Rumänischen Fürstentümer; kurz Convenţia de la Paris; Lovinescu [1925], II, 29-30

und Giurescu 1977, 238), auf deren Inhalt wir in den Abschnitten I.4. und VIII.3.

etwas genauer eingehen. Auch wenn noch unter der Kontrolle der Großmächte

entworfen, ist dieser Text ein wichtiger Ausgangspunkt für die die Verfassung von

1866 vorbereitenden Texte von Cuza, seinen Verfassungstext aus dem Jahre 1863 und

Statutul desvoltătoru Convenţiunei din 7./19. Augustu 1858 aus dem Jahre 1864 (cf.

Kap. VIII.3.). Die moderne rumänische Verfassungsgeschichte, in die die erwähnten

Vorversuche münden, beginnt mit der Verfassung von 1866, die mit der Anerkennung

des Fürsten Carol I. seitens der Pforte als Herrschers der Vereinten Donaufürstentümer

38

am 23. Okt. 1866 ihre Wirksamkeit erhielt (Focşeneanu 1998, 34). Nach Ioan C. Filitti

ist der Text von 1866 als Krönung eines intellektuellen Prozesses zu bewerten, der

einen Verfassungswortschatz und eine Verfassungssprache hatte entstehen lassen (cf.

producerea unui vocabular şi a unei sintaxe constituţionale in: Carp et al. 2002, 9).

Unsere Untersuchung bis zu diesem Höhepunkt soll zeigen, welcher

Verfassungswortschatz und wie sich die Texttypologie einer Verfassung allmählich

aufgebaut hat.

39

III

THEORIE UND METHODOLOGIE

Unsere in Kap. II.3. dargestellen empirischen Quellen ließen sich allein schon

sprachwissenschaftlich in unterschiedlicher Weise mit unterschiedlichen

Fragestellungen analysieren. Der rumänische Intellektuelle Sorin Antohi hat

beispielsweise darauf verwiesen, dass das 19. Jahrhundert wie Europa generell, so

auch die rumänischen Fürstentümer zutiefst sprachlich – und sein Fokus ist hierbei le

langage sociopolitique – verändert hat, und das in einer Zeit von beinahe nur einer

Generation (Antohi 1999, 135-175). Die intensivste Transformation sah der Autor in

den Jahren 1821-1849, als sich der Feudalismus aufzulösen begonnen, und sich eine

moderne rumänische Sprache auf dem Wege zu einer Verfassung konstituiert hätte (ib.

139). Vor allem die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts seien gekennzeichnet

gewesen sowohl von einer pulvérisation der Sprach- und

Kommunikationsgemeinschaft wie auch von einer „créolisation du roumain“ (ib. 142).

Und er verweist hierbei implizit auf die zu untersuchenden Felder, wenn er sagt:

„Certes, il ne s‟agit pas d‟un simple-bien qu‟estimable-enregistrement de l‟ocurrence

des fonctions imaginaires et des mutations sémantiques, syntaxiques, orthographiques

des termes définis comme „sociopolitiques“, mais de leur interprétation dans le champ

d‟entités plus englobantes: idéologies, contextes culturels et historiques etc. (ib. 135);

oder wenn er auf Roland Barthes verweisend feststellt, dass jedes Regime seine

écriture habe (ib. 136).

In De la „pravilă” la „constituţie” wiederum resümieren Carp et al. (2002, 22-53) die

Geschichte des Begriffs der <Verfassung> wie auch seiner Lexikalisierungen und

rekonstruieren die Einführung des Lexems, Synomymien und semantische Nuancen

des Begriffs sowie die endgültige Etablierung des Neologismus constituţie. Zu den

frühen Lexemen „staatlicher” Gesetzlichkeit gehörte z.B. das Wort aşezământ, das

schon im Erlass von Constantin Mavrocordat (Herrscher der Walachei 1735-1741 und

Herrscher der Moldau 1741-1743) erscheint und welches im Mercure de France des

Jahres 1742 als constitution bzw. décret und établissemens widergegeben wurde

(„formula „constitution” din Mercure de France se înscria în câmpul semantic al

instituirii legale, al reglementării formale, care era, aşa cum am arătat, un apanaj

princiar.”; ib., 15-16). Der Weg zur Etablierung des Neologismus constituţie sollte

dauern und erst der lateinische Ausdruck aşezământ oder der slawische pravilă durch

den durch das Zarenreich vermittelte französische regulament ersetzt werden, bis

dieses ab 1856, jetzt endlich politisch akzeptiert, durch den Neologismus constituţie

ersetzt werden konnte.

Mit den Lexikalisierungen des Begriffs des <staatlichen Gesetzes> gingen auch

bestimmte Konnotationen bzw. Veränderungen seiner Bedeutung einher, bzw. wurden

mit der Übernahme des Lexems constituţie auch bestimmte Bedeutungen

übernommen. In der französischen constitution waren, so Carp et al., eine im Sinne

von Montesquieu klassische und gemäßigtere Bedeutung einer zu restaurierenden

Regierung wie auch eine radikalere Bedeutung (im Sinne von Vattels Droits des gens

40

von 1758 und von Jean Jaques Rousseaus Du Contrat Social von 1762)

zusammengeflossen. Die Bedeutung des Wortes constituţie/constitution wurzelt, so die

Autoren, in jener der französischen Konterrevolution, über die diese auch in die

Fürstentümer gelangt wäre. Daher verwendet Ionică Tăutu in seinem

„Verfassungsprojekt” von 1822, welches wir in Kapitel V untersuchen, das Wort nicht,

obwohl es hingegen in seiner Privatkorrespondenz auftaucht. Während er in einem

Brief vom 17. August 1829 die Bezeichnungen regulament, constituţie, slobozenie,

liberalism alternierte, folgte er im offiziellen Reformvorschlag offentsichtlich der

damaligen Usance der politischen Termini („forma cea mai potrivită pentru ţara sa“,

Carp et al. 2002, 19).

Nach Ionică Tăutu wird constituţie sporadisch Verwendung und tritt, mindestens in

den offiziellen Dokumenten, in Konkurrenz mit dem lange verwendeten, daher

prestigevollen, aşezământ und der pravilă, welche sich bis 1840 halten sollten; sodann

nach 1831 in Konkurrenz mit dem „regimetreuen“ russischen reglement, sodass die

Verwendung des Wortes beispielsweise in den Reformprojekten von Ion Câmpineanu

und Dimitrie Filipescu, aus der Sicht der lokalen Großbojaren, noch subversiv

gewesen wäre (22-24, 33; Cornea 1966, 91). Nach wären aufgrund der starken

Propaganda der muntenischen Revolutionäre von 1848 (cf. Kap. VIII.1.1.) constituţie

und Ableitungen wie constituţional, anticonstituţional, constituantă verankert bzw. in

Umlauf gesetzt und gleichzeitig der Begriff mit christlicher Ideologie verknüpft

worden; erst als man gegen die Revolutionäre vorzugehen begann, sei die

Bezeichnung erneut mit <Ungesetzlichkeit> assoziiert worden. Erst ab 1856 wurde die

Verwendung des Lexems constituţie und seiner Derivate viel häufiger und zwar in den

diplomatischen Korrespondenzen, den von der politischen Elite der

Donaufürstentümer an Russland und die Türkei gerichtete memorii wie auch in den

Diskursen der Divanuri, sodass sich der Terminus bis 1866 verankerte (Carp et al.

2002, 39-44, 48-52).

Selbstverständlich könnten sprachwissenschaftliche Analysen historischer Diskurse

noch aus weiteren Perspektiven vorgenommen werden. Zum Beispiel würden sich

auch Untersuchungen nach den Theorien und Methoden der Kritischen Diskursanalyse

partiell dafür anbieten. Natürlich sind unsere Diskurse implizit auch eine Art von

sozialer Praxis oder sozialer Interaktion im Sinne von Norman Fairclough, Teun van

Dijk, Ruth Wodak etc. Natürlich ist desweiteren auch in unseren Texten die Sprache

ganz primär ein Mittel dazu, Ideologien zu transportieren und bei den Textempfängern

durchzusetzen. Sie ist dabei ein Medium, in welchem sich (alte) Herrschaftsansprüche

widerspiegeln und gleichzeitig neue Machtansprüche durchgesetzt werden sollen (ein

kommunikatives Handeln im Sinne von Habermas, aber auch machttranszendente oder

machtinszenierende Kommunikation im Sinne von Michel Foucault und Pierre

Bourdieu). Und auch die sozialen Aktanden und ihre im Diskurs kodifizierte

Machtkonstellation ließen sich, auch bei den übrigen unserer Quellen so dekodieren,

wie es Metzeltin / Lindenbauer / Wochele anhand des Discursul de la Blaj von Simeon

Bărnuţiu und Lindenbauer anhand eines Textbeispiels aus der frühen Revolution von

1838 (in Fellerer/Metzeltin 2003, 125-154) gemacht haben.

41

Die erste dieser beiden Analysen filterte neben den wichtigsten Thematiken und mit

ihnen verbundenen Diskurssträngen (der Freiheit, Nation, der rumänischen Sprache

etc.) und Argumentationen (historisches Unrecht, Bildung in der Muttersprache als

Grundvoraussetzung für die erblühende rumänische Nation etc.) die historischen

Aktanden des Machtkampfes in Siebenbürgen im Mai 1848 (ungarischer Adel,

Szekler, Sachsen, die ungarische liberale Regierung, der Kaiser, das österreichiche

Gubernium, das rumänische Volk etc.). Sie zeigte desweiteren, wie <Macht> im

Allgemeinen diskursiviert werden kann, und auf welchen semantisch klassifizierbaren

Parametern Macht in diesem spezifischen historischen Setting beruhte.

Die zweite der beiden Analyse zeigte ebenso den Machtkampf, der sich im März 1828

in Siebenbürgen abspielte. Der gewählte Text, die Provocaţiune von Simeon Bărnuţiu

vom 24. März 1848, ließ die Machtposition der Ungarn von jener der sich national

positionierenden Siebenbürger Rumänen deutlich unterscheiden. Dabei ließ sich eine

historisch gerne generalisierend als „die ungarische” bezeichnete Machtposition

diskursiv in die Machtpositionen verschiedener historischer Gruppen (Szekler,

Ungarn, Sachsen) auffächern. Auch steckten hinter der Bezeichnung „die Ungarn”

sehr oft nicht die Ungarn im Allgemeinen, sondern bestimmte Gruppen der Ungarn,

wie die ungarischen Adligen, die Regierung in Pest, das ungarische Volk etc.

Desgleichen verkörperten „die Rumänen” sowohl diejenigen, die bereit waren, die

Vereinigung mit Ungarn zu akzeptieren – im Text als jene Rumänen beschrieben, die

bereit waren, ihre Nation / Sprache zu verkaufen („[Românii] сarii vreu să vîndă limba

e naţionalitatea română pentru bunătăţile uniunii ungureşti”, Absatz 12) – als auch die

nationsbewussten Rumänen, die die Vereinigung mit Ungarn ablehnten. Die

Schwierigkeit der Revolutionsführer bei Ausbruch der Revolution in Siebenbürgen

hatte in der mehrfachen politischen Abhängigkeit des Landes bestanden bzw. darin,

gegenüber der neuen liberalen Regierung in Pest, gegenüber dem zentralistisch

überwachenden Wien und schließlich gegenüber den nicht-rumänischen Adelsklassen

der ungarischen, szeklerischen und sächsischen „Nationen“ und rumänischen

Adelsklassen in Siebenbürgen neu Stellung beziehen zu müssen (Lindenbauer in

Fellerer 2003, 125-154).

Es hat sich aber auch gezeigt, dass in unseren mehrheitlich reformerisch-

programmatischen Quellen die Verfasser und Empfänger in der Regel stark in den

Hintergrund treten. Im Vodergrund der Textwelt steht das Diktum der in

unterschiedlichen narrativen, argumentativen bzw. programmatischen Textstrukturen

eingebetteten Reformforderungen. Es ist uns natürlich bewusst, dass zum Zeitpunkt

der Redaktion oder Publikation der Texte, Umsetzung und Praxis in vielen Punkten

noch lange nicht gegeben sein würde bzw. wenn doch, diese auch von nur ephemerer

Dauer sein konnten. Wie desweiteren auch Pragmatismus in den Texten vermutet

werden muss, dem wir in dieser Studie jedoch nicht nachgehen können. Es geht uns

vielmehr um die Frage der Durchsetzung der Verfassungskriterien bzw. um

Mentalitätsgeschichte, die sich durch die in unseren Diskursen eingesickerten,

thematisierten oder auch (noch) inexistenten Begrifflichkeiten widerspiegelt.

Auch der hier gewählte Analyseansatz ist ein philologischer, und zwar ein

textwissenschaftlich-dikursanalytischer. An dieser Stelle sei erwähnt, dass, auch wenn

42

Diskurs und Text unterschiedliche Bedeutungen haben – einerseits im Sinne des

lateinischen DISCURRERE als <thematisches Auseinanderlaufen> sowie auch der, in der

Geschichte der rumänischen Ländern de facto gehaltenen <Reden>, und Text

andererseits im Sinne der lateinischen TEXTURA stärker auf Kohärenz und Kohäsion

verweist bzw. hier auch verwendet wird, um die in unserer Arbeit vorliegenden

konkreten „semiotischen Produkte” zu bezeichnen –, werden Diskurs und Text in

dieser Studie auch häufig synonym verwendet. Die theoretische Prämisse unserer

Studie ist, dass sich der moderne rumänische Staat auf der Basis eines, mehrere

Jahrzehnte geführten Diskurses über eine liberale Staatlichkeit generiert bzw. diese

Diskursivität zur Entstehung des konkreten Verfassungsstaates geführt hat. Im Fokus

ist demzufolge der Prozess der Durchsetzung und Ausgestaltung des liberalen

Gedankens und der „Verfassungsmäßigkeit” der, erst noch, rumänischen Länder.

Während historische, politologische und rechtswissenschaftliche Studien zu unseren

Quellen (Lovinescu, Xenopol, Barnovschi etc.) eher bestimmte aus diesen

herausgelöste Daten oder Details fokussieren, geht die vorliegende Studie wie folgt

vor:

Sie umfasst auf der Grundlage einer Reihe von ausgewälten Texten den

Untersuchungszeitraum 1821-1863, d.h. den gesamten für die Entstehung der

liberalen Verfassung von 1863/1866 relevanten Zeitraum;

Sie löst keine Einzelaspekte aus den Quellen heraus, sondern untersucht diese

als „kommunikative Einheiten” auf die auffälligsten semantischen wie

rhetorischen Text-/Diskurscharakteristiken;

Sie erfasst alle thematischen Diskurse der Texte sowie deren Texttypologien

(seien diese narrativ, argumentativ, programmatisch etc.).

Sie erfasst aufgrund der expliziten wie impliziten Thematisierungen und der

Isotopieketten in den Quellen deren wichtigste Semantik und damit die

Kernbegriffe des liberalen Gedankenguts in diesen Texten;

Um eine Vergleichbarkeit der Quellen zu gewährleisten – nicht um Gleichheit zu

finden (!) – werden diese systematisch, d.h. nach einundemselben Analysemuster

„gefiltert“. Dieses ist als orientatives, nicht absolutes, gedacht und geht von

Begrifflichkeiten, nicht von Worten aus, da Begriffe in der Zeit unterschiedlich

lexikalisiert wurden bzw. sich lexematisch veränderten. So wurde die <gesetzliche

Gleichheit> im Reformvorschlag der sogenannten cărvunari um 1822 (wie

desweiteren auch bei Ioan Câmpineanu 1838) beispielsweise noch mit der

Konstruktion <a fi deopotrivă şi fără deosebire> (bei bei Ioan Câmpineanu ohne die

zweite Definition) mit der wörtlichen Bedeutung von 'gleich zu sein' / 'ohne

Unterschied' ausgedrückt. Erst um ca. 1848 finden wir einen frühen Gebrauch des

Lexems egal(itate).

Moderne Verfassungen haben eine Reihe von Begrifflichkeiten aufgenommen, die

man als „Grundbegriffe der Erklärungen der Menschenrechte” sowie „Staatstragende

Begriffsfelder” bezeichnen kann (Metzeltin/Lindenbauer/Wochele 2005, Kap. VII.

43

Grundbegriffe einer modernen Verfassung, 69-74). Diese Felder sind: <Freiheit /

Souveränität / freie Meinungsäußerung>, <Eigentum>, <Sicherheit>, <Widerstand /

Petition>, <öffentliche Meinung>, <Gleichheit>, <Steuerbeitrag>, <Gemeinnutz>

sowie <Bevölkerung>, <Volk / Nation>, <Staatsbürgerschaft>, <Staatsgewalt>,

<Repräsentativität und Trennung der Gewalten>, <Staatsnamen>, <Vaterland>,

<Territorium>, <Hauptstadt>, <Wohnsitz>, <Grenze>. Die realisierten

Diskursanalysen dienten in besonderer Weise dazu festzustellen, ob diese Begriffe, die

sehr unterschiedlich lexikalisiert sein konnten, in den Quellen erscheinen oder nicht.

Stellenweise haben wir, wo es für den Text Relevanz hatte, dieses Minimalraster von

Begriffen der <Staatlichkeit/Verfassungsmäßigkeit> um Begriffe erweitert (Würde der

Person, Finanzgebahren etc.).

Hauptziel unserer Untersuchung war es also, Kernbegriffe zu erfassen, wenn sie

vorhanden waren. Dies war in einigen Quellen insofern schwierig, als diese aus langen

Satzgefügen – mit vielen untergeordneten Sätzen und Redundanzen – erst kondensiert

werden mussten. Aufgrund des Umfangs einiger unserer Quellen und zur besseren

Verständlichkeit haben wir, je nach Text und Passage, Zitate in Resümee

widergegeben. Dazu haben wir oftmals, wie das folgende Beispiel aus der „cărvunari-

Verfassung” (1822, Punkt 10) es illustriert, Textpassagen in mehreren Schritten zu

Resümees und dann Begriffen verdichtet:

„Tot cela ce s-ar atinge de cinstea altuia sau prin graiu sau înscris [sic] sau prin

oricare altă mijlocire în chip ocarnic [ocarnic mit der Bedeutung von bîrfitor, <

v.sl. окаряти, DLR, SN], batjocoritor sau defăimător, precum însuşi cei trimişi

cu porunci din partea zabeţilor [Tiktin, vol. III, 21989, siehe zabit „ehem.

(leitender) Staats-Beamter, zunächst bei der Pforte, dann überhaupt;

Kommandant”], a judecătorilor şi a orice dregător, dacă vor păşi din

cuprinderea poruncei [porunci < sl. porončiti] şi să vor atinge de cinstea

persoanei sau îi va face altă asemene supărare nevolnicită, să fie supuşi fără

iertare priviliceştei certări.” →

<Jeder, der die Würde einer anderen Person antastet, sei es durch Worte oder

schriftlich oder durch irgendeine andere Form, in verleumderischer oder

verhöhnender Weise, wie auch jene [Personen], die von den Kommandanten,

den Richtern oder von irgendeinem Beamten mit Befehlen ausgeschickt

wurden, sollen, wenn sie das, was der Befehl beinhaltet, überschreiten und sie

die Würde der Person antasten oder dieser eine andere ähnliche unerlaubte

Beleidigung antun, ohne Schonung der gesetzlichen Untersuchung unterstellt

werden.> →

<Verletzung der Würde von Personen zieht eine richterliche

Untersuchung/Strafe nach sich.> Die Verdichtung der Semantik zeigt uns drei

Kernbegriffe der Passage, nämlich <Würde der Person>, <Judikatur> und

<Gesetzlichkeit>.

44

In analoger Weise lässt sich, und das soll hier gezeigt werden, der Epilog des

Diskurses von Blaj in einem einzigen Kernthema / Kernbegriff festhalten: nämlich der

<Bewahrung von Sprache>:

„Aşa, fraţilor, aduceţi-vă aminte atunci că vă strigă din mormînt străbunii

noştri: „Fiilor. Noi încă am fost nu odată în împrejurări grele. Noi încă am fost

încunjuraţi de neamici în pămîntul nostru, cum sunteţi voi astăzi, şi de multe ori

am suferit doară şi mai mari rele decît voi. Fost-am cu goţii dară nu ne-m făcut

goţi. Fost-am cu hunii dar nu neam hunit. Fost-am cu avarii şi nu ne-am avarit.

Fost-am cu bulgarii şi nu ne-am bulgărit. Cu ruşii şi nu ne-am ruşit. Cu ungurii

şi nu ne-am ungurit, cu saşii şi nu ne-am nemţit. Aşa este, fiilor, nu ne-am

ungurit, nu ne-am ruşit, nu ne-am nemţit, ci ne-am luptat ca românii, pentru

pămîntul şi numele nostru, ca să vi-l lăsăm vouă deîmpreună cu limba noastră

cea dulce ca ceriul sub care s-a născut. Nu vă nemţireţi, nu vă ruşireţi, nu vă

ungurireţi nici voi. Rămîneţi credincioşi numelui şi limbii voastre. Apăraţi-vă ca

fraţii, cu puteri unite, în pace şi în răzbel. Vedeţi cum ne-am luptat noi pentru

limba şi romanitatea noastră: luptaţi-vă şi voi şi le apăraţi ca lumina ochilor

voştri, pînă ce se va restaura Capitoliul şi va trimite la voi senatul e poporul

roman pe Traian cu legiunile preste Dunăre, ca să vă încoroneze cu laurul

nemuririi pentru constanţa şi bărbăţia voastră”.

45

IV

DIE TEXTE VON TUDOR VLADIMIRESCU AUS DEM JAHRE 1821

IV.1. Die sozialpolitische Situation in den Rumänischen Fürstentümern um 1821

Eine erste modernisierende Phase der Fürstentümer charakterisiert sich durch die

allmählich sich bildende Bourgoisie sowie durch neue liberalere, in Opposition mit der

traditionellen konservativen Aristokratie stehende Gruppierungen von Bojaren. Neben

den sozialen Umgruppierungen erfolgten Änderungen auch in den institutionellen

Einrichtungen. Fast unveränderlich besteht zu Beginn der modernen Zeit jedoch auch

noch eine feudale Ordnung. Ihre Basis waren freie und unfreie Bauern, die das Land

bestellten. Die Fronarbeit oder clacă, zu der die Bauern – bis 1864 – in der Walachei

und Moldau verpflichtet waren, stieg, so wie im Dicţionar enciclopedic (vol. I, 1993,

s.v. clacă) dargestellt, bis 1821 kontinuierlich an. Allein in den Jahren 1814-1817

wuchsen die Abgaben für Schafhaltung, oierit, von 15 auf 27 Piaster, die Weinsteuer,

vinărit, von 8 auf 11 Piaster, und die Steuer für Schweine und Bienenhaltung

(dijmărit) von 10 auf 17 Piaster an (Berindei 2003, 121). In Siebenbürgen war die

Situation sehr ähnlich, die Pflichtleistungen und -abgaben gegenüber den Grundherren

(robota oder clacă in ihren verschiedenen Formen, plocoane, dijma etc.) sowie die

„staatlichen” Steuerpflichten gegenüber dem Landesfürsten waren in der Zeit von

1780 bis 1821 kontinuierlich angestiegen (Oţetea 1967, Prefaţă). Dies ist auf dem

Hintergrund zu sehen, dass seit dem Vertrag von Küçuk-Kaynarci von 1774 bis 1830

die Pforte ihre Tributforderungen kontinuierlich senken musste.

Auch in den Fürstentümern kamen zur Fronarbeit für die Aristokratie noch staatliche

Abgabenleistungen (an die Pforte) hinzu, zu denen alle über 16-Jährige verpflichtet

waren. Die Landesfürsten, domni, welche auch die höchste richterliche Gewalt

innehatten – so auch das Recht über Leben oder Tod ihrer Untertanen –, hatten dem

Sultan gegenüber, de facto auch gegenüber dem Diwan, der sie nur formal

kontrollierte (Oţetea 1971, 37-38) völlige Freiheit in der Beschaffung und Forderung

von Ressourcen an das abgaben- und steuertragende Volk. Dies führte zu einer großen

Willkür derjenigen, die Abgabenforderungen stellen konnten. Diese Situation wurde

verschärft durch die „Tradition”, dass viele Ämter erkauft wurden (das Amt des

Schatzmeisters, um Beispiele zu geben, um eine halbe Million Piaster, das Amt des

Metropoliten, um eine Million Piaster; Berindei 2003, 21). Wer sich aber ein Amt

erkauft hatte, war in der Situation, für die geleisteten Ausgaben und auch für die Zeit

nach dem Amt den größtmöglichen Gewinn aus den Steuern zu ziehen. Fleischhackel

von Hakenau, k.k. Rat und Agent in Bukarest, nahm an, dass sogar der Tod des

Landesfürsten der Walachei, der erst am 31. Jänner 1821 offiziell verkündet wurde,

mehrere Tage lang, so der Bericht, „auf wahrhaft fanariotische Weise“ verschleiert

wurde wegen noch herauszuschlagender Einkünfte (Documente privitoare la istoria

Românilor, im Folgenden DPIR, 1940, ib. DCXXVIII, 535 und DCXXX, 536). Im

Unterschied zum Bauerntum, das alle Arten von Steuern zu zahlen hatte, waren die

Bojaren und der hohe Klerus von den staatlich verpflichtenden Einzahlungen in die

Staatskasse, vistieria domnului, ausgenommen und sie genossen zusätzlich das

46

Privileg der Dienste der ihnen unterstellten, steuerbefreiten – vom Fürst gewährte –

Untergebene (Adăniloaie 1956, 16-33).

Diese Situation führte zu einer hohen sozialen Spannung in allen Schichten der

Gesellschaft und zu einer hohen Korruptionsanfälligkeit der Steuerverwalter und

Beamten, wie sie z.B. auch der bekannte rumänische Historiker Nicolae Iorga (1871

geb., 1940 von den Legionären ermordet) beschrieben hat (1921, VII-VIII). Gerade in

der Zeit Tudor Vladimirescus waren die Tributforderungen v.a. der vătafi, lokale

Bezirksverwalter, ins Unermessliche angestiegen (Oţetea 1859, 114-131). In einem

zeitgenössischen Bericht vom 16. Jänner 1821 unterrichtet der K. K. Hofagent und

Berichterstatter Fleischhackl von Hackenau Metternich in ähnlicher Weise über die

allgemeine Unzufriedenheit in der Walachei, die u.a. auf einer bevorstehenden

Erhöhung der Abgaben für „Schafe, für den Wein, für die Bienenvölker und für das

Borstenvieh auf das dreyfache“ bestünde (DPIR, 1940, DCXXIV, 531).“ Auch würden,

so sieht es der genannte k.k. Agent Fleichhackel, die phanariotischen Fürsten die

Privilegien des Landes immer mehr zu ihren Gunsten beschränken (ib. DCXXXIV,

540). Allein Fürst Suţu, letzter Phanariot der Walachei in den Jahren 1818 bis 1821

(cf. Diaconovich, s.v. Sutzu), soll, laut einem Bericht Fleichhackels, in seiner nur

zweijährigen Regierungszeit in der Walachei 13 Millionen Piaster eingenommen

haben (DPIR, DCXLIII, 554-555), und Anfang März 1821, im Laufe der

Refolutionsgeschehen, soll es den Einwohnern von Târgovişte gelungen sein, den

Bojaren in Bukarest ihre alten Besitzrechte ab- und wiederzuerringen (ib., DCXLII,

553-554). In den Forderungen des walachischen Volks (mit dem Titel der von uns

herangezogenen rumänischen Textvariante Cererile norodului romînesc), die Tudor

Vladimirescu bis März-April 1821 endgültig redigiert zu haben scheint, erscheint, wie

noch gezeigt werden wird, thematisch am dichtesten die Unmäßigkeit der

Steuerpflichten, deren Reduzierungen programmatisch vorgeschlagen wurde.

IV.2. Die bisherige Deutung der von Tudor Vladimirescu angeführten Bewegung

Im Frühjahr des Jahres 1821 kam es in der Walachei unter der Führung von Tudor

Vladimirescu (1770, exekutiert 1821) zu einer Volksbewegung. Sie wird in der

internationalen englischen wie auch nationalen rumänischen Historiographie als

Zeitpunkt des Eintritts „Rumäniens“ in die moderne Epoche angesehen (Hitchins

1996, 141; Berindei 1998, 194-201; Berindei (Coordonator) 2003, 21-54). Auch N.

Adăniloaie sieht um das Jahr 1821 einen (ersten) Beginn der, von einem Teil der

Bojaren nicht gewünschten Zersetzung der feudalen Ordnung in eine, vor allem

wirtschaftlich neue Ordnung. Basis dieser Entwicklung war die Erstarkung des

landesinternen Handels, der Geldzirkulation und der Manufakturen (1956, 33-39). Wir

kommen später nochmals auf das Wesen des „modernen“ Rumänien zurück. Diese

Deutung verlangt in jedem Fall eine differenzierende Perspektive auf die Sachverhalte

im „Rumänien“ des 19. Jahrhunderts. Texte wie die schon erwähnten Forderungen /

Cereri scheinen die Orientfrage in den Kanzleien der europäischen Großmächte

gefördert zu haben, jedoch bewirkte die Bewegung von 1821 noch keine sofortigen

Änderungen für die Selbstbestimmung der Walachei. Allerdings konnten ab 1822

wieder autochthone Landesfürsten eingesetzt werden, die bis zu diesem Zeitpunkt

47

unter griechischen oder gräzisierten Thronanwärtern von der Pforte ernannt worden

waren. Die Wiedereinsetzung autochthoner Landesfürsten stärkte den außenpolitischen

Status der rumänischen Fürstentümer Moldau und Walachei. Staatsautonom war diese

Besetzung dennoch noch nicht. Auch nach 1822 wurden die Landesherren noch vom

Sultan (und dem Zaren, Georgescu 1982, 153) ernannt, welcher noch eine Zeitlang die

volle Suzeranität über die Walachei beanspruchen sollte. Über den seit dem 15.

Jahrhundert osmanischen Militärposten Silistra (1878 an Bulgarien) versuchte die

Pforte weiterhin die Landesherren zu kontrollieren (Berindei 1998, 114).

Uneinstimmigkeit herrscht über die Klassifizierung der Bewegung von Tudor

Vladimirescu. Dieser Eindruck entsteht, vergleicht man verschiedene

historiographische und enzyklopädische Darstellungen der Geschehnisse von 1821. Im

Mic dicţionar enciclopedic von Chioreanu (21987) wird die in direkter Verbindung mit

Tudor Vladimirescu stehende Bewegung des Jahres 1821 als Revolution bezeichnet

(„Revoluţia de la 1821 condusă de V.“). Das Dicţionar enciclopedic von Popa (1993-,

s.v. Padeş) vermeidet das Wort Revolution und spricht von einer „mişcare social-

naţională de la 1821 din Ţara Românească“. In o Istorie a Românilor von 1998

verfasst der renommierte rumänische Historiker und Mitglied der Rumänischen

Akademie Dan Berindei einen Beitrag mit dem Titel Revoluţia din 1821 (ib. 194) und

behält diesen Titel in dem von ihm koordinierten Sammelband, Istoria Românilor, aus

dem Jahre 2003 (vol. VII, TOM I) bei (Revoluţia din 1821 în Principatele Române;

21-54). Der rumänische Historiker Lucian Boia wiederum umgeht es in seinem Buch

Ţară de frontieră a Europei (2002, 67) gänzlich, die Bewegung zu bezeichnen, und

schildert den historischen Auftritt Tudor Vladimirescus unter dem Kapitel Anii decisivi

/ Die entscheidenden Jahre (1821-1866). Diese Unsicherheit bzw. Unterschiedlichkeit

in der Bezeichung der Ereignisse von 1821 scheint das heutige Resultat der sich in der

Geschichte verändernden Sichtweisen und Interpretationen dieser Bewegung. Sie

wurde im Laufe der Zeit ganz unterschiedlich bewertet.

Tatsächlich erwähnt Fleichhackel in seinem Bericht vom 10. März 1821 an Metternich

das „Komplot des Thodor” (DPIR, DCXLV, 557). In der Einleitung zu Izvoarele

contemporane asupra mişcării lui Tudor Vladimirescu (Die zeitgenössischen Wurzeln

der Bewegung des Tudor Vladimirescu) von 1921, verweist Nicolae Iorga (1871-

1940) bereits daraufhin, dass diese historische Persönlichkeit aus zeitgenössischer

Sicht ungebührend und sogar negativ wahrgenommen worden war, dann bis zum

„staatlichen” Regime des Regulament Organic verschwiegen und erst von den

Teilnehmern der Revolutionsgeschehen von 1848, insbesonders dem Siebenbürger

August Treboniu Laurian (1810-1881), als historisches Vorbild und von Intellektuellen

wie Constantin A. Rosetti (1816-1885) und Cezar Bolliac (1813-1881) romantisch

verklärt worden sei (pp. III-XVI). Zu einer ähnlichen Bewertung kommt der

rumänische Historiker Andrei Oţetea in Tudor Vladimirescu şi revoluţia din 1821

(1971, 17-18) über Tudor Vladimirescu, wenn er darin meint, dass das 1821

amtierende Regierungskomitee in Bukarest wie auch intellektuelle und klerikale

Kreise Tudor Vladimirescu als einen Aufwiegler beurteilt und Almanahul Curţii,

Statului şi Principatului Valahiei (Der Almanach des Fürstentums der Walachei) des

Jahres 1837 ihn noch mit Anarchie assoziiert haben. Diese negative Sichtweise, so

meint der Autor weiter, dürfte ab den 40-er Jahren des 19. Jahrhunderts ins Positive

48

verkehrt und Vladimirescus Bewegung durch die demokratische Generation der 1848-

er Revolution im Sinne eines nationalstaatlichen und sozialpolitischen Kampfes

konnotiert worden sein.

IV.3. Teilweise Kooperation Tudor Vladimirescus mit der Häterie

Tatsächlich waren die Ereignisse im Frühjahr 1821 in der Walachei mehr als turbulent,

die Situation in diesem Fürstentüm äußerst prekär und aus heutiger Sicht nur aus den

komplexen und ihrerseits unstabilen politisch-diplomatischen Beziehungen mit den

Außenmächten zu interpretieren. Die Fürstentümer befanden sich, wie schon erwähnt,

unter türkischer – durch griechische oder gräzisierte Mittelsmänner repräsentierter –

Oberhoheit, sie waren zeitgleich dem Protektorat des Zarenreichs unterstellt und

Siebenbürgen war dem Habsburger Reich eingegliedert, was bedeutete, dass mittels

Agenten des Wiener Hofes, Raab und Fleischhackel, die in Jassy und Bukarest

stationiert waren, Österreich Aufsicht und Kontrolle auf die Donaufürstentümer

ausüben konnte. Zwischen diesen drei Großmächten mussten die Rumänen aller drei

großen Provinzen ein politisch-diplomatisches Gleichgewicht bzw. die sie am ehesten

protegierende oder fördernde Macht für sich gewinnen und (später) ihre eigene

politische Autonomie aufbauen. Die Unzufriedenheit eines großen Teils der

Bevölkerung war wegen der schon genannten hohen Belastungen sehr hoch, und die

Bojaren, d.h. die eigene politische Vertretung, im Verlauf der Geschehnisse uneinig.

Eine Gruppe von jüngeren Bojaren versuchte sich, beispielsweise in den sich

überschlagenden Ereignissen im Feber 1821 ganz unter den Schutz von Pini, dem

russischen Konsul von Bukarest, zu stellen (DPIR, DCXXXIV, 540).

Zusätzlich ist, folgt man Keith Hitchins (1996, 142 ss), die Auslösung der Bewegung

in einem größeren internationalen Kontext zu sehen. Der Auslöser war der sich in den

Jahren 1810-1820 generell radikalisierende Widerstand ganz Südosteuropas gegen die

osmanische Hegemonie. Dieser internationale antiosmanische Kampf hatte sukzessiv

Erfolge. Sie spiegeln sich in der Unabhängigkeit der Griechen im Jahre 1822, der

Serben im Jahre 1878, der Bulgaren 1908 und der Albaner im Jahre 1912/1913 wider.

Außer den Verbindungen zur griechischen Widerstandsbewegung soll Tudor

Vladimirescu besondere Verbindungen auch zu der um die politische Unabhängigkeit

Serbiens kämpfenden Dynastie der Karadjordjević (Karađeorđević) gehabt haben. Der

Kampf gegen das „osmanische Joch“ wurde von griechischer Seite aus seit 1814

systematisch betrieben, als in Odessa die Häterie (Hetairia Philikon, „Gesellschaft von

Freunden“), eine Geheimgesellschaft gegen die osmanische Herrschaft in

Südosteuropa, gegründet wurde. Häteristen hatten bis ins Frühjahr 1821

Handelszentren des östlichen Mittelmeers und südöstlichen Europa unterwandert und

kleinere Stützpunkte errichtet. Die frühesten in den Fürstentümern waren in Galaţi,

Bucureşti und Iaşi. Ihren Kampf unterstellten die Hetäristen dem Motto der

Vereinigung aller Christen gegen die „Europäische Türkei“. Die entscheidenden

Kämpfe mit der Türkei sollten auf der Peloponnes stattfinden, jedoch sollten nördlich

der Donau initiierte Konflikte, so der Plan, die osmanischen Kräfte zerstreuen.

49

Die Häteristen setzten, so sieht es derselbe Historiker, in den Fürstentümern auf die

Unterstützung durch Alexandru Ipsilanti (1792-1828) und dessen Verbündete, den

General Iordache Olimpiotul und den Kommandanten der Fürstengarde in Bukarest,

Ioan Farmache. Als Sohn des ehemaligen Fürsten der Moldau (1799-1801) und der

Walachei (1802-1806, 1806-1807) war Alexandru Ipsilanti in engem Kontakt mit den

gräzisierten Herrscherfamilien im Lande. Auch hatte er als General in der russischen

Armee gedient und war Adjutant des Zaren gewesen. Letzteres schien eine

Unterstützung des Zaren der Causa der Häterie zu garantieren (ein Glaube, der sich

letztendlich nicht bewahrheiten sollte). Als im Herbst 1820 die Häteristen bei einem

Treffen ihrer Anführer im Oktober 1820 im – heute ukrainischen – Ismail beschlossen,

mit dem militärischen Kampf in den Fürstentümern noch weiter zu warten – die

Moldau und Walachei waren bereits mobilisiert –, beschloss, so Keith Hitchins,

Ipsilanti, den Kampf nördlich der Donau autonom zu beginnen.

Ebenso Keith Hitschins zufolge, wurde Ipsilanti in der Walachei vom Landesfürsten

Alexandru Alecu Suţu, aber auch von dem liberalen Großbojaren Grigore Dimitrie

Ghica (erster autochthoner Fürst der Walachei, 1822-1828), von Mitgliedern der

Bojarenfamilie Filipescu, den Bojaren Barbu Văcărescu und Ioan Sandu Sturza (erster

autochthoner Fürst der Moldau, 1822-1828), desweiteren von Führungspersonen der

Kirche wie dem moldauischen Metropoliten Costache Veniamin und den russischen

Konsuln Andrei Pisani in Jassy und Alexander Pini in Bukarest unterstützt. Letztere

hätten auf Verwaltungsebene der Häterie in der Weise zugespielt, dass sie

konservativere bzw. der osmanischen Herrschaft hörige durch jüngere liberalere

Beamte durchgesetzt hätten wie, um ein Beispiel zu nennen, den liberaleren und

finanzstarken Iordache Rosetti-Roznovanu (Diaconovich 1898-1904, s.v. Rosnovanu-

Roset). Dieser größte Unterstützer, um ein Beispiel zu geben, soll 10.000 holländische

Dukaten und 300 Pferde für die griechische Causa beigesteuert haben (Hitchins 1996,

143, 148).

Die Darstellung dieser wie auch der weiteren Ereignisse von Keith Hitchins und

anderen Autoren decken sich nicht vollständig mit jener Sicht, die man aus

zeitgenössisch-österreichischen Quellen gewinnt. So soll Tudor Vladimirescu z.B.

bereits vor dem Tode von Alexandru Suţu mehrere Monate mit den Großbojaren

verhandelt haben und vom Komitee offiziell (schriftlich) als Anführer eines zu

organisierenden Aufstandes eingesetzt worden sein (Pop/Bolovan 2006, 458 und

Oţetea 1959, 196). Diese Darstellung widerspricht punktuell jener des k.k. Agenten

Fleischhackels. In seinem Bericht vom 9. Feber 1821 an Metternich erscheinen die

Mitglieder des comitet de oblăduire, des Interimkomitees, welches nach dem Tode des

Fürsten der Walachei in Bukarest die Regierungsgeschäfte übernimmt, vom Auftreten

und Agieren des Tudor Vladimirescu durchaus überrascht. Sie informieren den k.k.

Agenten, so der Bericht, über die „Umstände hinsichtlich eines Aufrührers [mit dem

Namen Sludgiar Todor Wladimiresco]” (DPIR, 1940, DCXXXIII, 539).

Tudor wird in der Darstellung des k.k. Agenten Fleischhackels um den 4. Feber 1821

in der Kleinen Walachei erstmals als Aufrührer wahrgenommen (DPIR, DCXXXI,

538). Fast unmittelbar später verweist Fleichhackl bereits auf den gefährlichen

„Einfluss, welchen der von Stunde zu Stunde in der ganzen Wallachey riesenmäßige

50

Fortschritt machende Volksaufstand haben könnte” (Berichte vom 4. und 13. Feber

1821, DPIR, DCXXXI, DCXXXIV, 538, 540). Fleichhackl sieht die Lage so ernst, dass

er am 13. Feber 1821 nicht nur „seinen allerhöchsten Hof”, sondern auch die Behörden

der angrenzenden k.k. Erbstaaten informiert (DPIR, DCXXXIV, 540). In seinem

Bericht vom 9. Feber meldete er Wien bereits Genaueres über den genannten Aufrüher

und dessen Aktionen: „Sludgiar Todoro, der sich außer seinem gewöhnlichen Namen

Wolkoresko auch Wladimiresko zeichnet, weil er Inhaber des rußischen Wladimir-

Orden seyn soll, hat sich in dem zu Theil im Felsen gehauenen unzugänglichen Kloster

Tismana im Mehedinczer Distrikt fest gesetzt, wo er seinem Anhang von Tag zu Tag

vermehrt und von wo aus er seine Proklamationen erläßt.” (DPIR, DCXXXIII, 539).

Der gesamtbalkanische Kampf der Häterie hatte sicher eine wichtige katalysatorische

Funktion für die Entfachung der von Tudor Vladimirescu geführten Bewegung, auch

wenn sich die anfängliche Kooperation zwischem ihm und Ipsilanti – vermutlich

wegen der versprochenen und nicht zutreffenden Unterstützung des Zaren Alexander I,

des unabhängigen diplomatisch-politischen Agierens des Tudor Vladimirescu –

verschlechterte, zu einer offenen Rivalität und Misstrauen und schließlich zur

Ermordung des oltenischen Anführers führte. Der zeitgleich mit den revolutionären

Bewegungen in Laibach tagende Kongress der Heiligen Allianz hatte sich im

Endeffekt von den Bewegungen Ipsilantis und Vladimirescus distanziert und damit

beiden die außenpolitische Rückendeckung, die sich beide von Russland erhofft

hatten, entzogen. Offenbar wäre Zar Alexander I. nur dann bereit gewesen, militärisch

zugunsten der Revolutionäre zu intervenieren, wenn es ein scheinbar von den

Osmanen nicht mehr zu bewältigendes inneres Chaos gerechtfertigt hätte. Gegen Ende

Mai wurde Tudor Vladimirescu von den Häteristen gefangengenommen und in einer

der letzten Mainächte 1821 scheint Ipsilanti Tudor Vladimirescu ohne

Gerichtsverfahren ermordet haben zu lassen (Hitchins 1996, 150). Ipsilanti selbst

wurde nach seiner gegen die Türken verlorenen Schlacht bei Drăgăşani am 7. Juni

1821 im oltenischen Bezirk Vâlcea (Mic dicţionar enciclopedic 1978, s.v. Ipsilanti;

Dicţionar enciclopedic, vol II, 1996, s.v. Drăgăşani) nach Österreich abgeschoben, wo

er einige Jahre später verstarb.

Tudor Vladimirescu, so scheint es zumindest der Interpretation unserer Quellen

zufolge, dürfte schon von Fürst Alexandru Suţu (also vor Ende Jänner 1821) – wenn

auch im Geheimen – für die Sache der Häterie beauftragt worden sein. Möglich ist,

dass sich Suţu zu dieser Beauftragung des Tudor Vladimirescu gezwungen sah, denn

es gibt Indizien, dass er Briefe von Ipsilanti an die Pforte weitergeleitet hat und

nachfolgend vergiftet worden ist (DPIR, DCXLVI, 559). Auf eine Beauftragung von

Tudor Vladimirescu weisen mehrere Umstände, so z.B. eine Geldforderung, die Tudor

Vladimirescu gegenüber der Regierung in Bukarest stellte (DPIR, DCXLIII, 555), aber

auch der Umstand, dass Tudor Vladimirescu „von russischen Gefährten begleitet

werde, die im Namen Alexander des Großen dazu aufrufen, sich zu ergeben”

(Meldung Fleischhackels in einem Schreiben vom 17. Feber 1821, DPIR, DCXXXV,

545), oder auch der Befehl Ipsilantis an Pini, Tudor Vladimirescu zu schützen (in

einem Schreiben Fleischhackels vom 10. März 1821, DPIR, DCXLV, 557).

51

Vladimirescus und Ipsilantis Auftreten und ihre Aktionen überlappten sich. Ersterer

zog ca. Ende Jänner 1821 von Bukarest Richtung Westen. In Tismana bei Padeş

verbreitete er, wie schon gezeigt, Proklamationen und zog mit seiner ständig

wachsenden Zahl von Panduren –d.h. Hilfssoldaten, die aus Steuervorteilen

Wehrdienst in den türkisch-phanariotischen Gebieten leisteten – über Cerneţi weiter

Richtung Oltenien. Auf seinem Weg bemächtigte er sich verschiedener Klöster wie

Strehaia, Tâmna, Motru, Ţânţăreni. In Slatina dürfte er einen weiteren markanten Text

mit, in der Interpretation von Dan Berindei, verstärkt „nationaler“ Botschaft

veröffentlicht zu haben (2003, 33). Die Regierung von Bukarest versuchte mit ihm

über ausgeschickte Mittelsmänner, Nicolae Văcărescu, Constantin Samurcaş und Pavel

Macedonschi, zu verhandeln (ib. 29-31). Tudor Vladimirescu scheint gegen den

10./22. März 1821 mit seinem Heer von Slatina in die walachische Hauptstadt

aufgebrochen zu sein. Seine Armee schaffte die Strecke Slatina – Bukarest mit einem

für die damaligen schlechten Straßenverhältnisse durchschnittlichem Marschtempo

von 25 km pro Tag (Hitchins 1996, 148-149), jedoch außergewöhnlich schnell im

Verhältnis zu den zu dieser Zeit herrschenden Schneestürmen und er erreichte gegen

den 19./31. März 1821 Cotroceni vor Bukarest (Berindei 2003, 33, 149-152). Die

Zahlen über die Größe seiner Armee variieren (Hitchins erwähnt ca. 5.000 Mann,

Berindei nach Ilie Fotino 8.000 Mann).

Alexandru Ipsilanti seinerseits hatte gegen Ende Feber 1821 den Pruth überquert und

hatte, wie schon erwähnt, Anfang März Jassy eingenommen und versuchte weitere

Unterstützung in der Bevölkerung zu gewinnen. Schon ab Beginn dieses Monats

waren in Jassy und der Umgebung Anhänger der Häterie insgeheim und gegen

Entlohnung angeworben worden (DPIR, DCXLIV, 555; DPIR, DCXLVI, 559).

Ipsilantis explizit ausgedrückte Legitimation für den geplanten Marsch durch die

Fürstentümer waren, in den Worten von Raab: „die Abschüttelung des türkischen

Jochs der Griechen in der Türkei” und die von seinen Majestäten des Kaisers

Alexander und des Kaisers von Österreich und allen alliierten Mächten befürwortete

Wiederauferstehung Griechenlands (Meldung Raabs vom 8. März, DPIR, DCXLIV,

556), in den Worten von Fleichhackel „er [Ipsilanti] sey von den Moldauern berufen,

um selbe von der Tyranney der ottomanischen Regierung zu befreyen” (Meldung vom

10. März, DPIR, DCXLV, 557). Er hatte, obwohl er gleichzeitig vehement finanzielle

und materielle Unterstützung forderte, nicht die Absicht, die innere Sicherheit und

Regierung der Fürstentümer zu gefährden. Nach seinem Einmarsch in Jassy ließ er in

der Metroplitankirche eine Fahnen- und Säbelweihe zelebrieren. Für eine Zeitlang

gelang es ihm, so starken Druck auszuüben, dass der Moldauer Fürst und Diwan und

der, für den walachischen Thron neu ernannte Fürst, Scarlat Callimachi, sich zur

Kooperation bereiterklärten (Bericht vom 13. März, DPIR, DCXLVII, 562).

Aus unseren historischen Quellen entsteht der Eindruck, dass beide Fürstentümer von

den Ereignissen „überrannt” wurden. Beide Bewegungen lösten die Flucht von vielen

Menschen in verschiedenen Orten und eine Orientierungslosigkeit unter den

Landesspitzen sowie den Bojaren aus. Das walachische Interimskomitee, schien, wie

schon erwähnt, vom Auftritt – oder zumindest dem Handeln – des Tudor Vladimirescu

überrascht worden zu sein. Die amtierende Regierung schickte eigene Truppen gegen

ihn aus, um den Aufstand zu unterdrücken, ja sogar um ihn um den Gegenwert von

52

„170 tausend Piaster” ermorden zu lassen (Bericht vom 13. Feber, DPIR, DCXXXIV,

540; Bericht vom 17. März 1821, DPIR, DCXLVIII; cf. auch Dârzeanu, Cronica

Revoluţiei din 1821 in Iorga 1921, 15). Der Bukarester Diwan schien angesichts der

prekären Situation so ratlos, dass er den Rat des moldauischen Fürsten suchte, der

seinerseits den moldauischen Diwan tagen ließ. Die Angst des Fürsten legte nahe, für

alle Fälle die „Moldauer Gränze” gegen ein Übertreten des Aufstandes zu sichern, so

Suţus Plan. Er riet auch dazu auf, die Befehle der Pforte abzuwarten und mahnte die

geistlichen Vertreter, das Volk vor dem Rebellen zu warnen (Bericht von Raab an

Metternich, DPIR, DCXXXVII, 550).

Die koinzidierende Bedrohung, die von den Truppen sowohl des Tudor Vladimirescu

als auch des Alexandru Ipsilanti ausging, entfachte, dies ist in den erwähnten Quellen

deutlich, für viele große Angst und Bedrängnis. In der Walachei flohen insbesonders

die Kaufleute und Bojaren vor den Truppen des Tudor (DPIR, DCXXXV, 454; DPIR,

DCXXXVIII, 551), die Straßen wurden für jedermann gefährlich, und Ende März

wurde sogar für Österreich der Postlauf unsicher (Bericht von Fleischhackel vom 24.

März, DCL, 572-73). In der Moldau verübten Häteristen Greueltaten (Bericht von

Raab, DPIR, DCLIII, 578) und die Reaktionen von Russland und der Pforte auf die

Geschehnisse waren nicht vorhersehbar und abzuwarten. Die Landesspitze und die

Bojaren beider Fürstentümer waren orientierungslos. Anfänglich hatte die walachische

Regierung geplant, die Türkei um Truppen gegen Tudor Vladimirescu herbeizurufen

(DPIR, DCXXXIV, 541). Dies wurde von dem russischen Konsul Pini nicht goutiert

und deshalb vom Interimskomitee wieder verworfen. Erst gegen Mitte März, als die

Situation immer weiter eskalierte, war Russland bereit, entgegen dem von der Pforte

erlassenen Dekret (Hatti-Scherif) von 1802 „qui guarantit aux deux Principautés

l´inviolabilité de leurs frontiéres [sic]” türkische Truppen gegen Tudor Vladimirescu

in die Walachei einrücken zu lassen (Bericht vom 4. Feber 1821, DPIR, DCXXXI, 538

und vom 18.-19. März 1821; DPIR, DCXLIX, 571-572). Bittschreiben, die den

Aufstand erklären sollten und um Schutz ansuchten, wurden an beide Mächte,

Russland und die Pforte, gesendet (cf. DPIR, DCXXXIX).

Ein weiterer landesinterner Gegner war, in beiden Fällen, die Kirche, welche eine

Unterstützung der Anführer und ihrer Anhänger mit stärkstem Nachdruck ablehnte.

Nachdem Ipsilanti nach seinem Einmarsch den moldauischen Metropoliten, den

Diwan und Callimachi für die Stützung seiner Bewegung gegen „das eiserne Joch der

Osmanen” bereits gewonnen hatte (Bericht vom 8. März von Raab, DPIR, DCXLIV,

557), signalisierte das Patriarchat in Konstantinopel den Metropoliten beider

Fürstentümer die Verbannung aller derjenigen, die Ipsilanti unterstützen sollten

(Bericht von k.k. Berichterstatter Udrizky an Fleischhackel vom 6. April, DPIR,

DCLVIII, 586). Gegen Tudor Vladimirescu ging die Kirche analog vor. In einer

Kirchenversammlung verkündeten die Bischöfe der Walachei den Bannfluch gegen

ihn. In einem Ermahnungsschreiben erklärten sie ihn für einen Übeltäter, der zum

Eigenzwecke handle, sich mit schlechten Menschen umgebe, auf Reichtum aus sei,

Erpressungen, Plünderungen und Mord auf dem Gewissen habe, ein Volksverführer,

Aufwiegler, Betrüger, widerspenstig gegen die Autorität sei und gottwidrige

Spaltungen sähe. Der schwerste Vorwurf an ihn ist dabei jener, nicht den von Gott

eingesetzten Regenten untertänig und unterwürfig zu sein. Mithilfe würde mit

53

Exkommunikation bestraft werden: „Wer deren Anleitungen der Kirche und ihrer

Bischöfe nicht Gehör geben und sich unterfangen wird, denen [sic] Versprechungen

des Betrügers und Aufwieglers Glauben beyzumessen oder ihm gar, seye im Geheim

oder öffentlich, was immer für eine Hilfe in Herbeyschaffung von Victualien, Waffen

und Munition leisten sollte, der wisse, daß nach gepflogener strenger Untersuchung

die geschehen soll, im Erweisungsfalle nicht nu politisch strenge durch Temnitz und

Salzgrubenstrafe oder gar mit dem Tod geahndet wird, sondern auch wir schließen

einen solchen hiermit aus dem Schooße der Kirche Christi aus als einen

Widerspenstigen der göttlichen Befehle.” (DPIR, DCXXXV, 548-549).

Dem Tudor Vladimirescu selbst wurde folgender Fluch ausgesprochen bzw. mit der

Erlangung ewiger Ehre demjenigen gewunken, der diesen Anführer fangen würde:

„Dem Strange und dem Säbel soll er nicht entkommen. Sein Haus und sein Vermögen

soll wie Staub im Winde sich zerstreuen. Der Aussatz der Gyesie soll über ihn und

seine Familie kommen, sowie auch das Zittern des chaims. Die Erde soll ihn, sowie

den Dojan und Aviron lebendig verschlingen. Dieser Fluch soll wie das Öhl in seine

Gebein eindringen. [...]. Nach dem Tod soll er nicht verfaulen und keine Verzeihung

seiner Sünden erlangen. Hingegen jener, der unsern Ermahnungen Gehör geben ...

[und ihn gefangennehmen wird ...] der wird als ein der Kirche ergebener Sohn und für

das Vaterland Gutgesinnter nicht nur Ehre und für seine Bemühungen vom Dyvan

Bezahlung erhalten, sonder [sic] auch als der erste Vaterlandsheld angesehen werden,

dann soll sein Nahme zum ewigen Andenken in denen [sic] Büchern eingetragen

werden.” (ib.).

Das Volk jedoch, so scheint es, ließ sich von Tudor Vladimirescu überzeugen, und

viele, die gegen ihn ausgeschickt worden waren, besonders die Arnauten, traten sogar

zu ihm über (z.B. DPIR, DCXLI, 553). Die unmittelbare Auswirkung seiner Bewegung

spiegelt sich in den Worten, die Fleischhackel am 17. März an Metternich formulierte:

„Ich schließe mit dem Bemerken, daß die revolutionären Grundsätze des

Wladimiresco und Consorten hier im Fürstenthum der Wallachey so große Fortschritte

gemacht haben, daß der Landmann weder die festgesetzten Abgaben an die Regierung,

noch die üblichen Leistungen an den Grundherren entrichten will und daher nicht

einzusehen ist, wie die Regierung, sie sey welche sie wolle, die dermaligen

ungeheuren Auslagen wird decken können.” (DPIR, DCXLVIII, 570-571).

IV.4. Historiographische Daten zur Person Tudor Vladimirescu

Zur Person, die Keith Hitchins als „one of the most influential figures of early modern

Romanian history“ (1996, 141) bezeichnete, lassen sich folgende biographische Daten

– hier in Resüme – anführen, die übereinstimmen (cf. Diaconovich 1898-1904, s.v.

Vladimirescu; Iorga 1921; Oţetea 1971, 114-13; Hitchins 1996, 144; und Berindei

1998, 196 sowie 2003, 25): Aus einer Familie freier Bauern im oltenischen Bezirk

Gorj abstammend (cf. Moşneni in Oţetea 1971, 113), kämpfte Tudor Vladimirescu hart

für seinen sozialen Aufstieg, der ihm auch gelang. Sein Dienst in jungen Jahren bei

einem Bojaren namens Ioan Glogoveanu in Craiova dürfte ihm einen gewissen Grad

an Bildung und auch die Kenntnis des Griechischen vermittelt haben. Als Verwalter,

54

logofăt, der Güter des Bojaren wurde es ihm möglich, zu Handelszwecken über die

Grenzen der damaligen Walachei zu reisen wie außerdem sich ein eigenes Vermögen

anzuschaffen. Im Laufe der Zeit scheint er verschiedene lokale Ämter, insbesonders

des Bezirkverwalters, vătaf (oder subprefect bzw. vătăşia plaiului), mindestens von

Cloşani ausgeübt zu haben. Durch diese Ämter kam er in den Genuss bestimmter

Abgabenbefreiungen. Sein öffentlicher Status berechtigte ihn, von den freien Bauern

seines Verwaltungsbezirks, plai, bestimmte Leistungen wie Fronarbeit einzufordern

(Oţetea 1971, 132).

Mehrere Male scheint er die Macht seines Amtes überschritten zu haben, wofür ihn

Nicolae Glogoveanu, Bezirksverwalter von Mehedinţi, zur Verantwortung gezogen

haben soll (ib. 1971, 128). Im russisch-türkischen Krieg von 1806-1812 kommandierte

er im Dienst der russischen Armee ein Corps oltenischer Bauernsoldaten, panduri –

jene Söldner, die ihm 1821 insbesonders Folge leisten sollten – und erhielt dafür den

Vladimir-Orden. Als Offizier in russischem Dienst kämpfte er in Serbien, wo er die

Erfahrung der Revolution machte, die sein späteres Agieren prägte (Iorga 1921, XI).

Durch Exporthandel v.a. mit Tieren, aber auch durch Landverpachtung und viele

andere Unternehmungen stieg Tudor Vladimirescu in den Rang eines Angehörigen des

Kleinadels, biv vel comis bzw. sluger, auf. Für Slotser oder rumänisch sluger gibt das

DLR Seria nouă folgende Definition: „s.m. Titlu dat, în evul mediu din ţările române,

boierului care era însărcinat cu strângerea dării în vite tăiate sau cu aprovizionarea (cu

carne tăiată) a curţii domneşti şi a armatei: boier care avea (onorific) acest titlu.“

(Bucureşti 1992 s.v. sluger). Dieser Ehrentitel verlieh Tudor Vladimirescu demzufolge

die Berechtigung, Steuern einzutreiben. Zum sluger ernannt, ein Rang, demzufolge

ihm ein vom Fürst gewährter, steuerbefreiter Untergebener, posluşnic, zustand

(Adăniloaie 1956, 27), so beschreibt es Oţetea, übernahm er die standesgemäße

kaftanartige Kleidung sowie die Kopfbedeckung wie sie Fürsten und Bojaren

vorbehalten waren (Oţetea 1971, 132-133).

Welches Bildungsniveau bzw. welche politische Erfahrung Tudor Vladimirescu

verkörperte, bleibt, bis heute, kontrovers, mitunter sogar in einunddemselben Werk. So

stellte Andrei Oţetea dem Verfasser der Cereri sowohl politische Unerfahrenheit wie,

widersprüchlicherweise, auch politische Reife aus: „Revendicările acestea [Cereri]

sînt o înjghebare confuză de lucruri mari şi de altele mărunte, aşa cum puteau s-o facă

oameni fără pregătire politică necesară întocmirii unui proiect de constituţie care să

înlesnească lichidarea relaţiilor feudale.“ vs. „[Cererile] dau măsura maturităţii politice

a spiritului care le-a conceput“ (1971, 390-391). Aufgrund historiographischer

Informationen ist Tudor Vladimirescu sehr wohl eine gewisse Bildung zuzuschreiben.

Von Juni bis Dezember 1814, also über ein halbes Jahr, scheint er in Wien für den

Bojaren Nicolae Glogoveanu die Hinterlassenschaftsangelegenheiten für dessen

Gemahlin übernommen (Iorga 1921, XI; Oţetea 1971, 148-162; Berindei 2003, 25)

und mit Geschick und Rechtserfahrung sich dabei gegen die Wiener Behörden

durchgesetzt und die gestohlenen Sachen zurückgebracht zu haben. Dazu verhalfen

und befähigten ihn seine Kenntnis des Deutschen und seine Erfahrung aus vielen

eigenen Prozessen (Oţetea 1971, 148-162) oder, Dan Berindei zufolge, seine juridische

wie politische Erfahrung (Berindei 2003, 25). Gute Verbindungen zu aufgeklärten

Geistlichen und Bojaren stellte ihm N. Iorga aus (1921, XI). Lucian Boia wiederum

55

bezeichnete den Anführer des oltenischen Pandurenheeres als halb Bauer und halb

Bojare (2002, 67).

Die biographischen Daten und die Texte Tudor Vladimirescus zeigen jedenfalls, dass

er die Grenzen seines Bauerntums überwandt und als Repräsentant einer neuen Klasse

der Gesellschaft – der beginnenden Bourgoisie – am wirtschaftlichen und sozialen

Funktionieren der Gesellschaft Interesse hatte (Oţetea 1971, 158), vermutlich nicht

ganz ohne Eigenzweck. Jedoch weist ihm Fleischhackel als Motivation keine

“persönliche Bereicherung” zu, sondern dass “er höhere Ziele anstrebte” (DPIR,

DCXXXV, 547). Bereits Mitte Feber 1821 zeichnet sich eine beginnende

Mythifizierung des „Sludgier Todor” ab, welcher „wie ein Retter und Schutzgott” von

dem „Landvolk” aufgenommen wurde (Bericht vom 17. Feber 1821, DPIR, DCXXXV,

554). Eine mythifizierende Vorstellung des Tudor als eines erlösenden crăiuţ entstand

zeitgleich auch in Siebenbürgen, wo die Bauern seine Botschaft so verstanden, dass

die Bojaren nicht weiter mehr Rechte haben sollten, als andere (Oţetea 1967, Prefaţă,

insbesonders, 19-26).

Was bis hierher deutlicher geworden ist, ist, dass der oltenische Anführer zwar

teilweise mir der Häterie koinzidierte, jedoch im Laufe der Ereignisse gewissermaßen

auch von der Häterie losgelöst und selbständig agierte (Oţetea 1971, 25) und, wie es

noch zu zeigen gilt, vor allem mit einer anderen Ideologie.

IV.5. Ideologie und Ziele des Tudor Vladimirescu

Der Grad an „revolutionärem“ Denken bzw. die innersten Absichten Tudor

Vladimirescus, ihre Klassifizierung als (eher) soziale, politische, wirtschaftliche,

antifeudale, antiphanariotische, antiosmanische Pläne sind aus der existierenden

Historiographie nicht vollständig zu ergründen (cf. Diaconovich 1898-1904, s.v.

Vladimirescu; Iorga 1921, VI-III; Georgescu 1992, 109-117; Hitchins 1996, 145-150).

Auch sind mögliche Vorbilder von Tudor Vladimirescu – so sieht die Enciclopedia

Română z.B. in dem Voltaire-Kenner und Anhänger Bischof Ilarion einen solchen

(Diaconovich 1898-1904, s.v. Ilaron) –, nicht leicht zu beweisen. Wie schon gezeigt

wurde, belegen die k.k. Berichte eine eher negativ ausfallende Wahrnehmung von

Tudor Vladimirescu als eines Unruhestifters, Insurgenten-Chefs [DPIR, DCXI, 552-

553], Rebellen, Demagogen [ib., Bericht von Raab in: DCXLI, 553] etc. der

bestehenden Ordnung, also mit „revolutionärer” Bedrohung verbunden. Aber

dieselben Quellen nehmen in den Proklamationen des Anführers auch unterschiedliche

Haltungen von ihm wahr: „So sehr erstere [Proklamation] im revolutionairen und ächt

[sic] carbonarischen Teil geschrieben ist, ebenso unterwürfig ist die an den Großherren

[dem Sultan] gerichtete Bittschrift abgefaßt.” (ib. Bericht vom 13. Feber 1821 von

Fleischhackl an Metternich, in: DCXXXIV, 540). Sein Agieren lässt sich nur auf dem

Hintergrund der Verstrickung der griechischen mit der walachischen Bewegung wie

auch der Behauptung gegen die autochthonen und (neu) eingebürgerten Bojaren (Iorga

1921, VII) interpretieren. Zu einem gewissen Teil war Tudor Vladimirescu sicherlich

gezwungen, die (liberalen) Bojaren zu beachten, und daher diplomatisch und

pragmatisch zu entscheiden, aufzutreten und zu handeln. Er tat dies aber mit einem

56

nicht geringen Maß an Selbstbestimmung. So ordnete er sich weder der Häterie noch

den Bojaren je vollständig unter (Berindei 2003, 26). Seine Texte sind als

pragmatische Handlungen zu verstehen, die vom jeweiligen politischen Moment

abhingen. Sie stellen gerade auch deshalb eine wichtige Phase der diskursiven

Konstruktion des späteren Staates dar.

Aus den k.k. Berichten ist eine Vorstellung über die Motivation seines Handelns zu

entnehmen. Schon am 17. Feber 1821 warnt Fleischhackel Metternich davor, dass der

Geist des Tudor Vladimirescu von Freiheit und Unbändigkeit auf die Siebenbürger

Wallachen überspringen könne (DPIR, DCXXXV, 545). Der Anführer erlasse

schriftliche Proklamationen, in denen er das Volk auffordere, sich mit ihm zu vereinen

“worin er ihme [sic] die Befreyung der Unterwürfigkeit unter die Fürsten und Bojaren

verspricht.”, und dem Volk verspricht, es von den drückenden Abgaben der Bojaren

zukünftig zu befreien (ib.). Seinerseits berichtet Raab Wien am 2. März über die von

“diesem Wladimirescu ausposaunten Grundsätze”, und zwar die “Abschaffung

griechischer Fürsten, Wiederherstellung der alten Conventions-Stipulationen,

Beschränkung der Bojaren-Aristokratie, der Willkür, Erpressung und partheyischer

Rechtspflege” (DPIR, DCXLI, 553). Zwischen dem 31. März und dem 3. April 1821

hat der Fleischhackel untergeordnete Udrizky eine persönliche Unterredung mit Tudor

Vladimirescu und berichtet: „[es] war meine Anrede blos, daß ich ihm für das gestrige

Übersenden des Starost Salomonischen Berichtes [...] um so mehr danke als ich daraus

von seiner Seite die Beobachtung des Völkerrechts zu entnehmen Gelegenheit hatte

...” (DCLV, p, 579). Diese Berichterstattungen zeigen die Fokussierung auf Freiheit,

Selbstbestimmung des Individuums (Unbändigkeit, „Befreyung der Unterwürfigkeit

unter die Fürsten und Bojaren“, “Abschaffung griechischer Fürsten”), auf Rechtsstatus

(<Aufhören der drückenden Abgabepflichten>, “Wiederherstellung der alten

Conventions-Stipulationen, Beschränkung der Bojaren-Aristokratie, der Willkür,

Erpressung und partheyischer Rechtspflege”) und stellen dem Oltenier die Kenntnis

wie auch Wahrung des internationalen (Völker)Rechtes aus.

Am 9. Feber 1821 berichtet beispielsweise Fleischhackel: „ein gewißer Sludgia

Teodoro Wulkoresco aus dem Mehedintzer Distrikt gebürtig [...] hat nichts geringeres

zur Absicht, als seine vorigen Kriegsgefährten [Panduren, die er zur Zeit der

Anwesenheit der russischen Truppen in der kleinen Walachei befehligte], von denen

die meisten ihrer Privilegien und der Landes-Verfaßung zuwider, durch den

verstorbenen Fürsten unter Contribution gesetzt worden sind, von dieser Last zu

befreyen und den Erpreßungen der Ispravniks ein Ende zu machen. Er begab sich

daher mit seinen wenigen aber entschloßenen Gefährten nach Tyrguschyl im Gorscher

Distrikt, bemächtigte sich der dortigen Ispravnike und führte selbe mit sich nach

Czernetz, Hauptort des Mehedintzer Distriktes, wo er das nehmliche mit dem dortigen

Ispravnike that, und selbe einer Commission übergab, die ihre Rechnungen genau

untersuchen und das von den Unterthanen unrechtmäßig abgenommene zurückersetzen

machen soll.” (DCXXXIII, 539). Andere Berichte erwähnen eine auffällige und den

Häteristen nicht ausgestellte „beste Mannszucht” unter dem Gefolge des Tudor

Vladimirescu (Bericht vom 29. März von Udrizky an Metternich, DCLII, 577). Auch

am 17. Feber meldet der k.k. Agent „dass er [Tudor] noch nicht die geringste

Gewalttat verübt hätte und „alle für sich und seine Beute erforderlichen Bedürfniße

57

mit baarem Geld bezahlt.”. (DCXXXV, 544 ss). Diesen Erwähnungen zufolge, ging es

dem Anführer um eine Rechtschaffenheit für das Volk, die er zielgerichtet anstrebte.

Desweiteren fällt in den österreichischen Dokumenten auf, dass Tudor Vladimirescu

sich der Pforte gegenüber als treu zeigt. Er beteiligt sich im Unterschied zu den

Häteristen nicht an den Gemetzeln an Türken, wie sie in Jassy geschahen (Bericht von

Raab vom 8. März 1821, DCXLIV, 555-556) und mahnt dieses Vorgehen auch deutlich

ein. So schreibt er noch um den 6. April – ein Datum, an dem er Bukarest bereits

eingenommen hatte – an den Ispravnik von Mehedinţi: „Sie gingen unrechtmäßig

gegen kaiserliche Rajas vor!“; „Ich ersuche sei [Sie] … entlassen sie jene Türken die

sie von ihren Orten an sich gezogen haben, geben sie nicht dadurch Anlaß, daß die

heiligen Bündniße (Tractate) gebrochen werden, denn zuletzt wird ihnen die

Verantwortung schwer fallen.“; „Fürchten Sie das Schwert des Kaisers.“ (ib. 547-548).

Der Pforte gegenüber erklärt er schriftlich die Gründe des Geschehens. In seinem

Gesuch (Arz(i)mahzar) von ca. Mitte Feber 1821 an den Sultan (DCXXXIV, 543-545)

thematisiert er in einem – damals generell üblicheren – pathetischen Stil („Wir

unterwürfige Sklaven des allerhöchsten Throns bitten mit Tränen in den Augen...”) die

Ausbeutung des Volkes durch die Landesbojaren, Fürsten und weltliche Stände,

bezeichnet diese als Feinde des Sultans („Sie sind die Feinde des allerhöchsten

Hofes”) und klagt die Kirche der Plünderung und Stützung der Ausbeutung durch die

Fürsten an. Er führt als Grund des Aufstands die Verzweiflung des Volkes an,

bezeichnet die Ausbeuter als Ungläubige und versichert seine volle Unterstellung

unter den Sultansthron. Über seiner Treue zur Pforte wie auch jene des ganzen

walachischen Volkes versichert er auch mehrfach den k.k. Vertreter Udrizky, den er

zw. dem 31. März und 3. April und erneut um den 6. April zu einer Unterredung

gerufen hatte: „Er [Tudor Vladimirescu] betheuerte, nicht wider seine rechtmäßige

Regierung nähmlich die Pforte (so wie er es in seinem im Namen des Volkes

unterlegten Gesuche und allen seinen Proklamationen stets deutlich ausdrückte) die

durch Phanarioten mittels Einfluß einiger hiesigen Bojaren mit Füßen getrettenen [sic]

Volksrechte wieder aufleben machen und denen himmelschreyenden Erpressungen

Gränzen setze.” (ib. DCLV, 579 ss). Der Bericht über das zweite Treffen drückt seine

Treue zur Pforte durch das Wort Anhänglichkeit aus (ib. Bericht an Fleichhackel,

DCLVIII, 587). Der weitere Wortlaut des Berichts vom 31. März – 3 April drückt

desweiteren aus, dass Ipsilanti ihn kompromittiere. Die bisher erwähnten Berichte

widersprechen der Darstellung Nicolae Iorgas über das Ziel des Tudor Vladimirescu:

„Am zice [că mişcarea lui Tudor Vladimirescu a fost] o încercare hotărîtă, pe care

numai anume contingenţe au împiedecat-o, de a distruge întregul sistem fanariot, care

e turcesc pe cît şi grecesc...” (Iorga 1921, VI-VII). Der Aufstand scheint gegen die

Landesaristokratie und die Phanarioten gezielt gewesen zu sein, nicht aber gegen die

höhere Macht der Hohen Pforte.

IV.6. Widerstandstexte und Reformideen zur Zeit Tudor Vladimirescus

In dieser Studie werden zwei Texte von Tudor Vladimirescu als frühe politische Texte

der „Rumänen“ genauer untersucht. Wichtig ist hierbei zu wissen, dass gerade zum

Zeitpunkt des ausbrechenden Aufstandes in der Walachei auch weitere Aufständische

58

ihre Meinung über den status quo der Walachei und ihren Aufruf zum Kampf in

schriftlicher Form verteilten. Darüber berichtet z.B. Fleischhackel, der am 16. Jänner

1821 Metternich schreibt, an seinem [und anderen] Haustor[en] „einen versiegelten

griechischen anonymen Brief“ angebracht gefunden zu haben, den er in deutscher

Übersetzung für „Se. Exzellenz den k.k. Herrn Agenten“ beilegt: „Wehe, wehe uns!

Denn die Herrscher der Wallachey bemühen sich die christliche Religion gänzlich

umzustürzen. Ein Beweise dafür ist die Ernennung jenes berichtigten Atheisten zum

Bischof von Arzcich. Wehe, wehe uns! denn sie bemühen sich unterstützt vom

regierenden Fürsten und noch mehr vom rußischen Consul, alle Abgaben dreifach zu

vermehren und so alle Verträge, die unter der Regierung des Fürsten Caragea

festgesetzt wurden zu ihrem Vortheil umzustoßen. […]. Es erscheint daß sie [die

Regenten und Übeltäter des Landes] keine Zeitungen lesen, sonst würden sie wißen

was jetzt in Spanien, was in Neapel und in anderen Ländern geschieht und daß die

Vorrechte der Völker allgmein zu nehmen. Zu verwundern ist es wirklich, wie der

Consul Pini glauben kann, daß solche Verhältnisse in die Länge unbekannt bleiben

werden. […]. Griechenland ist zwar mein Vaterland, allein hier in der Wallachey bin

ich erzogen worden, hier habe ich meine Existenz, hier ehrenvolle chargen erhalten,

hier endlich habe ich mich mit einer Walachin verehligt und tief schmerzt es mich das

Unglück meines zweyten Vaterlands zu sehen.“. Dieser Text spiegelt eine implizite

Kritik an der „staatlichen“, an ihrer Spitze unlautere Vertreter erlaubenden Kirche und

ihrer „Politisierung“, die Ausbeutung der Walachei durch die Landesfürsten, Duldung

dieser Ausbeutung seitens Russland, die Verschlechterung der Gesetze nach Fürst

Caragea und die Hoffnung, dass das Völkerrecht auch hier einkehren werde, wieder.

Der Wortlaut des Briefs dokumentiert desweiteren, dass es in der Walachei Griechen

in höheren Funktionen gab, welche die Politik von Kirche und Landesbojaren

missbilligten.

Desweiteren könnten die Proklamationen von Ipsilanti Modellfunktion für jene des

Tudor Vladimirescu gehabt haben. In jedem Fall ist davon auszugehen, dass die

Botschaft des Häteristen stark zirkulierte: „die Ipsilantische [sic] Proclamationen

befinden sich in wallachischer und griechischer Sprache gedruckt, zu tausenden

allenthalben verbreitet und werden mit Begierde und Freude auch von den hiesigen

Einwohnern gelesen.” (DPIR, DCXLVII, 565, Bericht vom 13. März). Darauf lassen

aber auch diskursive Elemente, rhetorische wie inhaltliche, schließen, die den Texten

beider Anführer und darüber hinaus späteren „rumänischen” revolutionär-

programmatischen Texten eigen sind. Uns liegen Ipsilantis Texte hier zwar nur in

(zeitgenössischen deutschen) Übersetzungen der k.k. Dokumente vor, aber sie liefern

uns die Begrifflichkeiten, die von beiden Textsendern gleichermaßen evoziert wurden.

Dazu zählen die „helltönende Posaune des Rufes”, („[sie] hat Euren Sieg und Eure

tapferen Thaten zu Galatsch [sic] [Tötung der Türken] allenthalben verkündet.”), die

„Volkstrompete”, „das Vaterland”, die Verbrüderung („ich, alle Brüder sind vergnügt

über dieses Euer glänzendes Werk!”, ib., Bericht von Raab vom 8. März 1821 in:

DCXLIV, 560), die Garantie der Sicherheit und des Eigentums (ib., Bericht vom 13.

März in: DCXLVII, 565 und DCL, 574) sowie die Metapher der Auferstehung des

Landes etc.

59

An expliziten Vorschlägen für eine zukünftige Landesorganisation arbeiteten auch die

Bojaren beider Fürstentümer. Sowohl Raab, der in Jassy stationiert war, als auch

Fleischhackel, der in Bukarest stationiert war, machen unabhängig aber fast zeitgleich

voneinander darauf aufmerksam: „Man arbeitet wohl im Geheimen, wie ich höre an

einer neuen Constitution des Landes, an der Errichtung einer armirten [sic]

moldauischen Landmacht, so wie sie zur Zeit der Independenten Fürsten war [ohne

Punktuation] welche man dann seiner Majestät Kaiser Alexander einberichten will,

allein alles dies ist noch im beständigen Schwanken.” (ib., Bericht von Raab an

Metternich, ca. Ende März 1821 in: DCLIII, 578). Fleischhackel zufolge, waren – und

„Dies ist vollkommen gewiss.” – auch die Bojaren [der Walachei] im Geheimen daran

„eine bittliche Darstellung an den rußischen Kaiser, damit die Wallachey von dem

Joche der Türken befreit, unter seiner Oberherrschaft eine eigene, den Bedürnissen des

Landes angemeßene Verfaßung erhalten möge.” (ib. Bericht vom 3. April in: DCLVI,

584) zu verfassen.

IV.7. Die verschiedenen Reproduktionen und Versionen der Texte des Tudor

Vladimirescu

Bezüglich der Texte des Tudor Vladimirescu sind wir in der Situation, dass sie in

zeitgenössischen, also zeitgleichen und darüberhinaus oft verschiedensprachigen

Versionen existieren. Damit ergibt sich die Schwierigkeit, dass die Texte oftmals nicht

volkommen ident sind. Dies ist ein Charakteristikum insbesonders von revolutionär-

programmatischen Texten, die über längere Zeiträume hinweg modifiziert und

adaptiert wurden und deren Entstehung, Redaktion und Veröffentlichung somit auch

schwer datierbar sind. Vor einem solchen Fall stehen wir mit dem hier analysierten

zweiten Text von Tudor Vladimirescu. So divergieren die Meinungen über die

Entstehung der Cererile norodului, deutsch Forderungen, welche das wallachische

Volk in der Wallachey macht (im Weiteren kurz Forderungen genannt). Vlad

Georgescu zufolge wurde dieser Text seit Dezember 1820 redigiert (1992, 112).

Andrei Oţetea datiert die Entstehung vor dem 16. Feber 1821 („Înainte de 16 februarie

1821”, 1959, 272), während sowohl Hitchins als auch Oţetea als Zeitpunkt, an dem

Tudor Vladimirescu den Text veröffentlicht haben soll, Mitte April 1821 angeben

(Hitchins 1996, 150; Oţetea 1971, 387). Hinsichtlich dieser verschiedenen Zeitangaben

ist zu sagen, dass in der rumänischen Variante der Cereri, die uns vorliegt (Oţetea

1959, 272-274), Alexandru Suţu als der verstorbene Fürst genannt wird („Toată

familiia şi toţi oamenii răposatului domn Suţu să să rădice din ţară, ca unii ce au fost

numai nişte ucigaşi ai aceştii ţări.”, Hervorhebung durch die Autorin). Dieser Umstand

verweist auf eine Redigierung oder auch Weiterbearbeitung des Textes nach dem –

gegen Ende Jänner 1821 – anzunehmeden Todes des Landesfürsten.

Dan Berindei verweist bezüglich der Cereri auf die Existenz mehrerer Textversionen

sowie auf den Verlust einer Variante, die 48 Artikel umfasst haben sollte. Es dürfte

sich um jene Variante handeln, die von der zeitgenössischen Times des Jahres 1821 als

Verfassung bezeichnet wurde (Berindei 1998, 196 und 2003, 33-35; auch Oţetea 1971,

387). Nur Andrei Oţetea (1959) macht desweiteren auf die Existenz

verschiedensprachiger, sich voneinander unterscheidender Varianten des Textes

60

deutlich aufmerksam. In Răscoala din 1821. Documente interne (vol. I, 1959, 272-

281) editierte der Historiker drei Versionen des Textes. Die erste unter dem Titel

Cererile norodului rumînesc, eine offensichtlich kürzere und frühere rumänische

Version von 20 Artikeln (Oţetea 1959, 272-274). Die zweite zeitgenössische,

deutschsprachige und 33 Artikeln umfassende Version sind die Forderungen, welche

das wallachische Volk in der Wallachey macht (Oţetea 1959, 274-278). Sie wurde, so

Oţetea, von der agenţie austriacă in Bukarest aufbewahrt (1971, 387). Für unsere

Analyse haben wir diesen zeitgenössischen deutschen Text gewählt, weil er im

Vergleich zur rumänischen Version deutlich länger und amplifizierter, stellenweise

also detailreicher, ist. Er ist, unserer Meinung nach, auch repräsentativer für die in

dieser Studie angestrebte Rekonstruktion der modernen Staatskonzeption, gerade weil

er als Momentaufnahme in dem Prozess der kognitiv-diskursiven Staatsgenese und der

Dynamik der historischen Ereignisse interpretiert werden muss. Der in Oţetea 1959

wiedergegebene Text stimmt vollkommen mit jenem Text überein, der in den

Documente privitoare la Istoria Românilor der Rumänischen Akademie 1940 (Band

XX der Hurmuzaki-Sammlung) enthalten ist. Ein detaillierter Vergleich des

rumänischen und deutschen Textes der Cereri bzw. Forderungen erfolgt in Kapitel

IV.1.8.

Wenn wir Anthologien der Texte von Tudor Vladimirescu heranziehen, ergibt sich

selbst bei „Klassikern” wie Nicolae Iorga 1921 oder Andrei Oţetea 1967 das Problem,

dass diese leider oft ohne genaue Kontext-, Datierungs- oder auch Zitatangaben

wiedergegeben sind, noch Modernisierungsparameter der Texte dargestellt werden.

Auch orthographische Besonderheiten des Rumänischen, wie sie in der folgenden

anfänglichen Passage eines Appells von Tudor Vladimirescu auffallen, werden nicht

kommentiert (Andrei Oţetea 1967, 101): „De la szluseru Theodor. Ketre tozy lokujtory

sudezuluy Gorsy parte beszertsazke si mireany wery de tse triapte va fi ory de loc

sintezi. Frazilor omeny! Nu szintem la indojale ke vez fi aflat pentru adunarija

noroduluy tse sz-au redikat fekind sztrigare si tserere dreptezilor kelkate si akoperite

de ketre tsey may mary ay nostri…“. Die folgenden drei Zitate, die drei Versionen

einunddesselben Textes, der Proklamation von Padeş, entnommen sind, illustrieren die

unterschiedliche Textgestaltung des größtenteils analogen Inhalts mit einigen

markanten Unterschieden in manchen Passagen. So werden im ersten Text als

Ausbeuter des Volks – laut der deutschen Übersetzung in den k.k. Dokumenten

(DPIR, Bericht von Fleischhackel vom 13. Feber 1821, DCXXXIV, 543) –

„Vorgesetzte” („căpeteniile noastre, zic, atât cele bisericeşti, cât şi cele politiceşti”)

genannt, jedoch nur im zweiten Text werden diese explizit als, unter anderem, aus der

Reihe der Griechen dargestellt:

„Fraţilor locuitori ai Ţerii-Româneşti. Veri e ce neam veţi fi, nicio pravilă nu

opreşte de a întâmpina răul cu rău. Şarpele, când îţi iese înainte, dai cu

ciomagul de îl loveşti, ca să-i iei viaţa, care de multe ori ni se primejduieşte din

muşcarea lui. Dară pre balaurii cari ne înghit de vii, căpeteniile noastre, zic, atât

cele bisericeşti, cât şi cele politiceşti, până când să-i suferim a ni suge sângele

din noi ? Până când să li fim robi?” (Beginn der Proklamation von Padeş nach

der Version von Dârzeanu in Iorga 1921, 6-8)

61

„Către tot poporul român din Bucureşti şi din toate celelalte oraşe şi sate ale

Ţării-Româneşti, dragoste frăţească şi sănătate. Fraţilor lăcuitori ai aceştii ţări,

nicio pravilă nu se împotriveşte de a nu zdrobi cineva răul. Când un şarpe iese

înaintea noastră, trebuie să năvăliţi cu parii şi să-l omorâţi. Cu cât mai vârtos

când ranele şi ruperile din trupurile noastre, prin care balaorii neîncetat ziua şi

noaptea sug tot sângele din noi încă de vii, precum de faţă vedeţi. Aceştia sunt,

precum îi cunoaştem bine, Grecii şi boierii noştri, atât partea bisericească, cât şi

politicească. Până când dar vom suferi ca nişte dobitoace, când răul nu este

priimit nici de Dumnezeu?” (Beginn der Proklamation von Padeş nach der

Version von Cioranu in Iorga 1921, 234-235).

Differenzen ergeben sich in den Textüberlieferungen manchmal in der Argumentation.

Die folgenden drei Zitate desselben Textes unterscheiden sich z.B. darin, dass in

ersterem und zweiterem zur Bekämpfung nur gegen jene Bojaren aufgerufen wird,

<die ihre Güter zuunrecht angerafft haben>, während im dritten Zitat vor allem gegen

jene Bojaren aufgerufen wird, <die sich nicht Tudor Vladimirescu anschließen>:

„Wisset jedoch, daß es Niemand freystehe, in der Dauer dieser Hilfe bringenden

Versammlung nur das Mindeste des Eigenthums eines Handelsmannes der

Städte, oder eines Dorfbewohners, oder eines sonstigen Bürgers anzutasten,

sondern blos die Güter und das Vermögen jener Tyrannen Bojaren, die es mit

Unrecht zusammen scharrten, soll zu Grunde gehen, jedoch nur jener, die uns

nicht nachfolgen, so wie sie es versprochen haben; dieses soll zum Vortheil des

allgemeinen Besten weggenomen werden.” (aus Proclamţia Slugerului Tudor

din Mănăstirea Tismana (Mikrofilm 739 Neu Mik, Bd./Jg.: Vol 20)

„Şi iar să ştiţi că nimenea dintre noi nu este slobod, în vremea aceştii adunări

obştii folositoare, ca să se atingă măcar de un grăunţi, de binele sau de casa

vreunui neguţător, oroşan sau ţăran, sau de al vreunui lăcuitoriu; decît numai

binele şi averile cele rău agonisite ale tiranilor boeri să se jărtfească;” (Ende

der Proklamation von Padeş nach der Version von Bodea, I, 64)

„Vă încredinţez către aceasta că nimenea din voi nu va avea slobozenia fără de

poruncă în toată vremea, pe cât se vor face aceste adunări ale ţării, a se întinde

măcar până la un bob, şi a-l lua din casa vre unui neguţător, vre unui locuitor,

sau vre unui boier măcar, oricât de rău ar fi adunate stările acestora; ci numai

ale acelora ce nu se vor ridica dinpreună cu noi, se vor lua în obştească

folosinţă.” (Ende der Proklamation von Padeş nach der Version von Cioranu in

Iorga 1921, 234-235)

In späteren Texten, so scheint es, ist ein Teil der Information verlorengegangen bzw.

die Argumentation etwas verändert worden. Die stärksten Argumente für eine

bestimmte Interpretation des Tudor Vladimirescu liefert der Vergleich mehrerer seiner

Texte, die zudem oft, gemäß der damaligen Texttradition, gleiche Inhalte stark

redundant und repetitiv zum Ausdruck bringen. Nur der Textvergleich sichert z.B. ab,

dass der in Bodea verwendete Begriff neam („Fraţilor lăcuitorilor ai Ţării Româneşti,

veri de ce neam veţi fi!”) auch in der Bedeutung <Stand> verwendet wurde. Die

62

zeitgenössische Übersetzung enthält expressis verbis den Begriff Stand: „Dem

walachischen Volke in Bukarest, in allen übrigen Städten und Ortschaften der

Walachey, gute Gesundheit […]. Brüder und Bewohner der Walachey, aus welchem

Stande ihr immer seid!“ (DPIR, Bericht Fleischhackels an Metternich vom 13. Feb.

1821, DCXXXIV, 543). Die Anthologie von Kommentaren zu 1921, die Iorga 1821

publizierte, enthält an gleicher Stelle das Wort treaptă, [ständische] Stufe: “De la

Slugerul Teodor Vladimirescul către toţi locuitorii oareşelor şi satelor din sud..., de

orice treaptă, adecă neamuri, postelnici, mazilii, breslaşi, birnici dintr‟acest judeţ.”

(Dârzeanu in Iorga, 62-64), und ein Schreiben Tudor Vladimirescus an den Bojaren

Nicolae Văcărescu, das Syntagma „tot neamul boeresc” (Bodea, I, 64).

Die Argumente des Tudor Vladimirescu für seine Bewegung sind bis mindestens Mitte

März 1821 folgende: <Das Volk wird von den griechischen domni und ihrem Gefolge

und den Griechen, die sich in der Walachei eingebürgert haben, sowie von der

Mehrheit der Bojaren, die sich mit jenen verbunden haben ausgebeutet. Diese

Griechen wie Bojaren sind Tyrannen, Despoten, Betrüger, auch gegenüber der Pforte.

Zu ihnen zählt auch die Kirchenspitze / der Metropolit (er hat sein Amt erkauft). Der

Aufstand richtet sich ausschließlich gegen die ausbeutenden Instanzen. Er begründet

sich (einzig) auf dem Wunsch, alte Rechte wiederherzustellen, nicht auf Habgier oder

dem Versuch persönlicher Bereicherung. Die Aufständischen haben sich immer der

Pforte untergeordnet und werden das auch zukünftig tun>. Der Gehorsam ist im Text

durch die „Zahlwilligkeit“ der Walachen ausgedrückt, diese aber an die Bedingungen

gebunden, dass Rechte wieder in Kraft treten:

„Noi mulţumiţi amu plătit totdeauna, plătim, şi niciodată nu vom tăgădui de a

plăti datoria noastră de tribut către Înalta Poarta, încredinţaţi fiind că nu vom fi

lipsiţi de vechile drepturi ale ţării, la care domnii greci, dimpreună cu ticăloşii

noştri de boieri, s‟au arătat totdeauna surzi, şi în loc de a ne oblădui cu dreptate

ca nişte părinţi, ne despoaie …“ (aus dem Arzmazarul an die Pforte, Popescu in:

Iorga 1921, 240).

IV.8. Analyse der Proklamation von Padeş (verkündet am 23. Jänner / 4. Feber

1821)

Tudor Vladimirescu zog um den 18./30. Jän. 1821 (nach Pop/Bolovan 2006, 458) an

der Spitze einiger hundert Hofsoldaten, arnăuţi, von Bukarest über Piteşti, Ocnele

Mari und Târgu Jiu Richtung Oltenien. Auf eine gut durchdachte Aktion weist der

Umstand, dass die Truppe auf ihrem Weg Pferde zum Wechseln hatte. Tudor

bemächtigte sich, wie schon erwähnt, des Klosters Tismana und stationierte hier. Von

hier verkündet er am 23. Jän. / 4. Feb. 1821 auf dem Feld von Padeş seine (erste)

Proklamation (Pop/Bolovan 2006, 458), die er bereits in Bukarest vorbereitet haben

soll (Berindei 2003, 28). Diese Proklamation „erreichte” die Masse der Bauern und

löste in ganz Oltenien eine heftige und zerstörerische Reaktion gegen einen Teil der

Bojaren (tirani[lor] boieri) aus (Jelavich, 1993, 25), eine Bewegung, die das

Regierungskomitee in Bukarest gegenüber den osmanischen Autoritäten – zunächst –

als Banditentum herunterspielte (Hitchins 1996, 146-147). Tudor Vladimirescu, der in

63

Tismana eine Kanzlei eingerichtet hatte, schickte von hier aus seine Version der

Umstände in Form des schon teilweise zitierten Arzmazar (Popescu in Iorga 1921,

238-240) an die Pforte bzw. in Form verschiedener memorii an die osmanischen

Grenzbeamten, Russland und Österreich (Berindei 2003, 27-29).

Die Proklamation von Padeş ist ein kurzer Text von 33 Zeilen (nach der Ausgabe von

Bodea, vol. I, 1982, Text 8, 63-64). Sie beginnt mit einem deutlichen Appell und

umfasst zwei Teile, einen ersten argumentativen Teil, in welchem die schlechten

Lebensbedingungen der Bevölkerungsmehrheit der Walachei thematisiert werden, und

einen zweiten eher programmatischen Teil, der eine Aufforderung an diese zu

konkretem Handeln ist. Der Appell ist, wie die folgenden Zitate belegen, an alle

Einwohner der Walachei gerichtet: „Către tot norodul omenesc din Bucureşti şi din

celelalte oraşe şi sate ale Ţării Româneşti, multă sănătate!“; „Fraţilor lăcuitorilor ai

Ţării Româneşti, veri de ce neam veţi fi”. In der Anrufung der Adressaten fällt auf,

dass der Verfasser eine Verbrüderung der Aufständischen suggeriert: „Veniţi dar,

fraţilor, cu toţii”. Es fällt auch auf, dass sich der Verfasser – auf Textebene durch die

Verwendung der Personal- und Possessivpronomen „wir”, „unser” – mit dem Volk

identifiziert („pînă când să ... suferim”, „sîngele din noi”, „preaputernicul nostru

împărat” etc.).

Ziel des Textes ist es, die Masse zu einem bewaffneten Aufstand zu bewegen („veniţi

în grabă cu toţii: care veţi avea arme, cu arme; iar care nu veţi avea arme, cu furci de

fier şi cu lănci“). Der Aufstand ist, so der Text in einer Passage, gegen bestimmte

Bojaren gerichtet, welche ihr Hab und Gut unrechtmäßig und durch Ausbeutung

erworben haben, soll aber keine blinde Revolte sein: „să ştiţi că nimenea dintre noi nu

este slobod […] ca să se atingă măcar de un grăunţi, de binele sau de casa vreunui

neguţător, oroşan sau ţăran, sau de al vreunui lăcuitoriu; decît numai binele şi averile

cele rău agonisite ale tiranilor boeri să se jărtfească;”. Die Aufforderung zur Revolte

nur gegen bestimmte Bojaren („numai binele şi averile cele rău agonisite ale tiranilor

boeri să se jertfească”) steht aber im Widerspruch mit der impliziten Drohung am

Ende des Texts an alle, die sich der Bewegung nicht anschließen würden. Ihrer Güter

sollen man sich bemächtigen: „însă [binele] al cărora nu vor urma noaă ... numai al

acelora să se ia pentru folosul de obşte.”.

Der erste Teil des Textes, der den Aufruf zur Erhebung argumentiert, baut den klaren

religiös-moralischen Gegensatz von <gut> und <böse/schlecht> auf. An der

Textoberfläche entsprechen diesem Gegensatz die biblische Metapher der Schlange,

die man töten soll, sowie die fünfmalige Thematisierung Gottes, in dessen Sinne

handelt, wer gegen Böses handelt: „Dacă răul nu este priimit lui Dumnezău, stricătorii

făcătorilor de rău bun lucru fac înaintea lui Dumnezău!”. Die im Text implizit

konstatierten Missstände im Lande („Dar pre bălaurii care ne înghit de vii” etc.)

werden direkt und ausschließlich mit der kirchlichen und politischen Führung des

Landes, ihre Repräsentanten mit moralisch verdorbenen Personen identifiziert

(„bălaurii care ne înghit de vii, căpitaniile noastre, zic, atît cele bisericeşti, cît şi cele

politiceşti”; „făcători[lor] de rău”, „cei răi”). An ihrer Stelle, so der Vorschlag von

Tudor Vladimirescu, sollen andere treten (DEI, s.v. căpitănie) gewählt werden: „Şi să

se aleagă din căpiteniile noastre cei care pot să fie buni.”.

64

Als für die damalige Zeit „sozialpolitisch“ weitgehende Botschaft fordert der Text

dazu auf, die Ausbeutung der Masse durch Kirche und Staat zu stoppen. Der Aufruf ist

als rhetorische Frage formuliert: „Pînă cînd să le fim robi?” / „Wielange wollen wir für

sie [die kirchlichen und politischen Ausbeuter] noch Sklaven sein?“ Der Vergleich mit

weiteren Texten legt es nahe, das Wort rob eher in einem figurativen als

<Ausgebeutete>, denn konkretem Sinne als <Leibeigener, Sklave> zu verstehen, nicht

als impliziter Aufruf zu einer ganz neuen gesellschaftlichen Neuordnung. Der

Textsender stützt seine Aufforderung auf drei Argumente: Die Situation, welche die

Bevölkerung durch einen Teil der Bojaren erfährt, ist als moralisches Unrecht zu

bekämpfen. Gott selbst, so der Text, steht hinter denjenigen, die sich gegen das

Unrecht erheben. Und es ist im Sinne sogar des Kaisers, des Werkzeugs Gottes, dass

es seinen Untertanen gut ergeht: „Vechilul lui Dumnezău, preaputernicul nostru

împărat, voeşte ca noi, ca nişte credincioşi ai lui, să trăim bine.” (p. 63). Die Kenntnis

mehrerer Texte von Tudor Vladimirescu legt nahe, unter dem hier erwähnten împărat,

Kaiser, den Sultan zu verstehen. Zu der schon angedeuteten biblisch-religiösen

Färbung des Textes führt die Metapher der Schlange für moralisches Unrecht

(„Şarpele cînd îţi iasă înainte, dai cu ciomagul de-l loveşti ca să-ţi aperi viiaţa…“ /

Wenn man auf eine Schlange trifft, erschlägt man sie mit dem Knüppel um sein Leben

zu verteidigen.”), aber auch das versprochene Heil: „cu rău să pierdem pe cei răi, ca să

ne fie noaă bine! ... ca să le fie şi lor [den neuen Anführern] bine, precum ne sînt

făgăduiţi!“ (p. 63). Die Rhetorik des Textes ist, der Zeit ganz gemäß, pathetisch-

emotional („ne ajunge, fraţilor, atîta vreme de cînd lacrămile de pe obrazăle noastre

nu s-au mai uscat!“ / „er reicht, Brüder, so lange sind die Tränen auf unseren Wangen

nicht mehr getrocknet”), der Sender wählte außerdem, stellenweise, eine

volkstümliche Sprachverwendung: „Pînă nu vine iarna, primăvară nu să face!“, Es

kann der Winter nicht kommen, bevor es nicht Frühling wird (ib.).

IV.9. Analyse der Forderungen, welche das wallachische Volk in der Wallachey

macht oder Cererile norodului (verfasst über mehrere Monate bis zum Frühjahr

1821)

Tudor Vladimirescu übernahm für ca. zwei Monate die Herrschaft in der Walachei.

Dass dies ein sehr bewusster, durchdachter und gegenüber dem Volk begründeter Akt

war, belegt das folgende Zitat:

65

„Aşa dară, ajungând şi aicea, în politia Bucureştilor, care este Scaunul oblăduriii

norodului, şi găsind mulţi patrioţi boieri întru asemenea bune cugetări cu ale norodului

asămănaţi, am hotărât, ca un voitor de dreptate, să cunoasc vremelnica stăpânire a

ţerii, supuinde-se toţi cei ce au încins arme de izbăvire la legile şi pământeneştile

obiceiuri ce li se vor arăta de către stăpânire prin mine, şi le voiu cunoaşte că sunt

întru adevăr folositoare patriei şi de mare trebuinţă obştii norodului. Căci, fără de a

cunoaşte cineva o stăpânire, nu numai fireşte nu este prin putinţă, ci pot zice: şi de

mare vătămare la împlinirea trebuinţilor ce va avea această izbăvitoare lucrare. Şi

vestesc dară tuturor pământeni că şi cuviinţa şi trebuinţa vă îndatorează să cunoaşteţi o

stăpânire; care stăpânire, având lăstarele sale întinse prin laturile ţerii, se închipuieşte

şi într‟acest judeţ prin dumnealor ispravnicii ce se orânduiesc de aici. La cari câţi sunt

locuitori într‟acel judeţ trebuie să se supuie, şi să săvârşească poruncile ce le vor da

când vor fi asămănate cele întru obşteasca ştiută datoriei şi ajutătoare trebuinţelor ce

cer oştirile ce sunt gata a se război spre dobândirea dreptăţii norodului.” (Dârzeanu,

Cronica Revoluţiei din 1821 in Iorga 1921, 63).

Die endgültige Fassung der Forderungen, welche das wallachische Volk in der

Wallachey macht – oder Cererile norodului – dürfte zeitlich mit der Übernahme der

Herrschaft in Bukarest koinzidieren. Keith Hitchins und Dan Berindei stimmen darin

überein, dass Tudor Vladimirescu den Text im Laufe der Revolution weiterentwickelt

hat, und Dan Berindei ist der Meinung, dass Tudor Vladimirescu ihn bis zu seiner

Einkehr in Bukarest verfasst hatte. Demgegenüber schreiben Ioan-Aurel Pop und Ioan

Bolovan, dass dieser von ihnen als memorandum bezeichnete Text „was completed in

February” (2006, 459). Diese Differenzen weisen darauf hin, dass es sich um einen

Text handelt, der im Laufe einiger Wochen oder Monate immer weiterredigiert wurde.

Den Hinweis, dass Tudor Vladimirescu seinen Text gedruckt verteilen konnte, gibt uns

Udrizky in einem Bericht vom 29. März an Metternich (DPIR, DCLII, 577).

Hitchins zufolge ist das Ziel des Textes, ein Ende der politischen und wirtschaftlichen

Herrschaft der Osmanen zu erreichen. Weitere Ziele, wie die Abschaffung der auf der

Machtposition des Monarchen und der Privilegien der Aristokratie beruhenden

feudalen Strukturen (Hitchins 1996, 145, 152), entsprächen den Forderungen der

modernen Zeit. Cererile norodului rumînesc – so der Titel in Hitchins – formulierten

im Detail die folgenden Forderungen: Der Landesfürst wird von Konstantinopel

ernannt und darf von vier griechischen Ratgebern begleitet werden. Der [zukünftige]

Landesfürst soll das Programm (diploma of rights) respektieren und damit die

Reduzierung in Zahl und Höhe einer Reihe von Steuern, sowie das Ende des Verkaufs

von öffentlichen Ämtern, die Abschaffung verschiedener Abgaben (wie Zoll, Maut,

Zehentelsteuer für alkoholische Produkte etc.), desweiteren die reguläre Entlohnung

aller Beamten, die Entfernung von Griechen aus allen kirchlichen Ämtern, die

Ordinierung besser ausgebildeter Priester, die Abschaffung der Privilegien für

Ausländer, das Ende von Zöllen an Stadtgrenzen, das Ende der Zölle für Exportwaren

in das Osmanische Reich, die Errichtung einer ständigen Armee – 4 000 Panduren –

zur Grenzbewachung des Landes und die Anerkennung Tudor Vladimirescus als

„supreme chief and governor of all the Romanians“ mit Verantwortung für die Innen-

wie Außenpolitik (Hitchins 1996, 150-151).

66

Ein Vergleich der in IV.1.7. erwähnten Varianten, des rumänischen und des deutschen

Textes der Cereri / Forderungen, zeigt, dass sich die beiden in einer Reihe von

Passagen unterscheiden und letzterer deutlich mehr Absätze umfasst. Dem

rumänischen Text beispielsweise fehlen folgende Paragraphen vollständig: die

Forderung einer Zoll- und Lohnregelung für Aufseher und Hofbeamte (im deutschen

Text §.20.), die Forderung einer Steuerreduzierung für in den Städten verkaufte Waren

(im deutschen Text §.21.), die Forderung der Abschaffung der Hofbeamten (im

deutschen Text §.22.), die Forderung der Rekrutierung von Infanteriesoldaten (§.24.),

die Forderung einer Regelung für Steuerfreiheit (§.25.) etc. Insbesonders fehlt in der

rumänischen Version auch der Epilog, mit dem die die deutsche Version endet, und

welcher eine akzentuierte politische Botschaft Tudor Vladimirescus enthält. Die

rumänische Version ist aber nicht einfach nur ein kürzerer Text, dem weiter angefügte

Punkte fehlten. Die Texte variieren in gewichtigeren Details. So fällt auf, dass im

rumänischen Text z.B. eine „absolute” Räumung aller bischöflichen Sitze und aller

Klöster des Landes von Geistlichen griechischer Abstammung gefordert wird. Diese

Forderung erscheint im deutschen Text gemildert. Nur jüngere Geistliche griechischer

Abstammung sollen die rumänischen Institutionen verlassen, während es älteren damit

implizit gewährt wird, zu bleiben (cf. §.2. in beiden Textversionen). Nur die deutsche

Textversion enthält die Forderung, dass Schulen in türkischer Sprache eingerichtet

werden (§.2.) oder den indirekten Vorwurf des Missbrauchs der Landtage (§.4.). Die in

beiden Versionen enthaltene Forderung der Aufstellung von 4.200 Mann („[es] soll

dem Vaterland gestattet werden, 4 000 Panduren und 200 Arnauten mit ihren

Anführern zu unterhalten.“ §.13.) ist nur im deutschen Text begründet, im

rumänischen Text fehlt die folgende Argumentation: „Zur Vertheidigung des

Vaterlandes gegen Feinde, zum Prunke der Städte, zur Bewachung der Gränzen und

zur Hintanhaltung der öfters herrschenden Krankheiten“ (§.13.).

Die unterschiedliche Gestaltung und Präzisierung der verschiedenen Textvarianten

erweckt den Eindruck, dass sie für verschiedene Adressaten, mit pragmatisch etwas

unterschiedlichen Botschaften konzipiert wurden. Der Ton der uns vorliegenden

rumänischsprachigen Version erweist sich in einigen Passagen als radikal-

revolutionärer (so z.B. die Forderung der vollständigen Räumung der kirchlichen

Institutionen von Griechen oder die Drohung, die Dekrete des Fürsten öffentlich zu

verbrennen). An anderen Stellen ist der rumänische Text stärker programmatisch für

sofort zu vollziehende Änderungsmaßnahmen. Demgegenüber erweckt die deutsche

Textversion stellenweise den Eindruck, stärker die Außenmächte – Osmanisches Reich

und Habsburg – einzubeziehen, Staatsfragen stärker allgemein zu thematisieren und

durch den Epilog gleichzeitig einen größeren konkreten Machtanspruch zu erheben.

Da die Genese des späteren Rumänien auch stark von der weiteren Akzeptanz der

Außenmächte abhing, haben wir für unsere Analyse die deutsche Version

herangezogen.

Die Forderungen, welche das wallachische Volk in der Wallachey macht, bestehen aus

33 Absätzen. Der Text hat keinen deutlichen Prolog, jedoch einen Hauptteil, der aus

einer Reihe von Forderungen besteht, die vor allem die Steuerabgaben betreffen (§§.

1.-31.), auch einige „strafrechtliche” Maßnahmen gegen die Vergehen konkreter

Personen (§§. 28.-31.). Der Text endet mit einem aus zwei Paragraphen bestehenden

67

Epilog. Im ersten (§.32.) schlägt Tudor Vladimirescu sich selbst als zukünftiges

Oberhaupt und Regierer für das Innere und Äußere des Landes vor. Der zweite

Paragraph des Epilogs (und gleichzeitig letzter Paragraph der Proklamation) enthält

den Plan für die Versorgung des Volks in der aktuellen Situation sowie die Forderung

der Approbation bzw. Beeidigung des Programms seitens des zukünftigen

Landesfürsten wie auch dessen Kenntnisnahme durch Österreich und Russland (§.

33.). Die Prädikation des Textes ist sehr auffällig. Dieselbe implizit volitive

Verbkonstruktion <es solle geschehen, dass> (im rumänischen Text <să + Verb im

Konjunktiv>) wird in allen 33 Absätzen, inklusive dem Epilog, wiederholt:

„1. Der Fürst der Provinz soll nicht mehr, als vier Bojaren, welche Griechen sind, mit

sich bringen, ...”; ”2. Alle bischöflichen Sitze und alle Klöster der Provinz sollen von

den griechischen Mönchen geräumt werden, nur die älteren sollen für einen Theil der

Provinz bleiben, ... Der Metropolit so wie die drey Bischöfe mit allen Klöstern sollen

verpflichtet seyn Schulen in türkischer Sprache zu halten, ...”; „3. Aus den sechs von

dem Fürsten Carage [sic] eingeführten Abgaben sollen zwey gänzlich aufgehoben, vier

derselben aber beybehalten und vierteljährig einbehoben werden.”; „33. Alle Vorräthe

oder Nahrungsmittel, was immer das Volk von den Klöstern [keine Punktuation]

Bojaren und Handelsleuten zum Essen und Trinken bezieht, soll aus dem Aerarium

vergütet werden. Alle diese Punkte sollen sowohl durch ein schriftliches Diplom, als

auch durch einen Eid bekräftigt und verwahret werden, ...” (Oţetea 1959, 274-278).

Es gibt kein explizites, den modalen Verben <es geschehe, dass ... > / <es sei, dass ... >

übergeordnetes Subjekt, also keinen explizit genannten Sender des Forderns, weder als

ein <ich> noch als ein <wir>. Der Text weist auch keinen einzigen explizit

angesprochenen Adressaten auf, jedoch werden, wie aus dem nachfolgenden Zitat

hervorgeht, Österreich und Russland als indirekte Adressaten erwähnt: „Alle diese

Punkte sollen sowohl durch ein schriftliches Diplom, als auch durch einen Eid

bekräftiget und verwahret werden, wie auch mit der kaiserlichen Bestätigung, dass es

mit Vorwissen Österreichs und Russlands geschehe.” (ib.). Ebenso werden höhere

Machthaber und eine Obergewalt genannt (§.5. und §.32.).

Die semantischen Themen der Forderungen lassen sich nach der Chronologie ihrer

Erwähnung im Text folgendermaßen reihen:

• Reduzierung des griechischen Einflusses an der Landesspitze (und damit

Entgräzisierung der wichtigsten Staatsfunktionen, §.1.), starke Reduzierung der

Zahl der Geistlichen griechischer Abstammung im Lande (und damit

Entgräzisierung der kirchlichen Institutionen, §.2)

• Abgabenreduzierung (§.3.); implizit auch in der Forderung der Gültigkeit der

früheren Abgabenbestimmungen unter Caragea (§.5.); Reduzierung der

Grenzzölle (§.6.); Reduzierung der Collecten (§.7.); Reduzierung der Taxen von

Suppliken, Privilegien und allen Dokumenten auf die Höhe der unter Ipsilanti

geltenden (§.9.); Reduzierung der Abgaben am Gericht bzw. auf den Dicasterien

(§.15.); Reduzierung der Zollgebühren (§.20.); Reduzierung der Ankaufgebühren

von Waren (§.21.)

68

• Gesetzesänderung (Ersetzung der Anordnungen von Suţu durch die unter Caragea

geltenden, §.4)

• Schädigung des Landes (durch den amtierenden Landesfürsten (§.4., §.12., §.23.),

implizit – Schädigung durch Subsidien und Missbrauch (§.10.); Schädigung durch

die Repräsentanten des Landtags (§.12.); Schädigung durch die Hofbeamten

(§.22.); Schädigung durch bestimmte Personen (§§.28.-31.); (Schädigung des

Landes implizit durch) Missbrauch durch Taxen (§.19.); (implizit durch)

Missbrauch bei Zollabnahmen (§.20.); (implizit durch) Missbrauch durch

Handelstaxen (§.21.)

• Neuorganisation der Landesverwaltung (Landtagssitzungen nur alle 12 Jahre,

§.4.); Abschaffung der Provisorate samt ihrer Beamten (§.12.); Abschaffung der

Hauptmannschaften (§.16.)

• Verbindlichkeit der Verträge von 1774 (§.5.)

• Aufhebung von Zoll (für Tiere und Waren) in Städten und Dörfern (§.6.)

• das Wohl des Landes (§.6.; implizit in jeder Thematisierung von Schädigung und

Missbrauch (siehe oben)

• das Aufhören des Ämterverkaufs (politischer wie geistlicher Ämter) / Korruption

(§.7.)

• die Vergabe von Würden nach Verdienst (§.8.)

• die bedingte Befreiung von Subsidien für Unterthanen und Künstler [in der

vorliegenden Transliteration von Oţetea geschrieben Künstker, 1959, 276] sowie

unbedingte Steuerfreiheit ihrer unverheirateten Söhne (§.9.)

• Abschaffung von Subsidien (§.10.); Abschaffung der Privilegien für und

Subvention von Ausländern (§.11., §.14., §.17.)

• Aufstellung einer Ordnungstruppe (§.13. und §.24.)

• Der Wille des Volkes (§.17.; auch §.18.)

• Ersetzung des Metropoliten (§.18.)

• Regulierung der Preise für Nahrungsmittel in den Städten (§.19.); Fixierung von

Zollgebühren und Beamtensold (§.20.)

• die unveräußerbare Symbolik der Fürstenfamilie (§.26.): „Wägen mit Gold und

Silber verziert, ebenso grosse Hüte werden verbothen [keine Punktuation]

niemand ausser der Familie des Fürsten darf sich derselben bedienen.”

69

• Abschaffung der Abgabenpflicht für den Brückenbau in Bukarest (§.27.)

• Konkrete Strafmaßnahmen für Betrug und Schädigung des Landes (§.28., §.29.,

§.30., §.31.)

• die (suggerierte) Bestimmung von Tudor Vladimirescu als neuen Regenten der

Walachei, die Verteidigung des Vaterlandes:

„Slotser Theodor Vladimiresk, der von dem ganze[n – fehlt in der

transliterierten Version von Oţetea] Volke der Wallachen als ein wohlthätiger

Vater [im rumänischen Text – „părinte binefăcător”, also „guter Vater”]

gewählt und bestimmt ist, unser Oberhau[p - fehlt]t und sorgfältiger Regierer

zu seyn, soll mit allen andern Vorstehern (praepositis) die Sorge für das

innere und äussere Wohl tragen; alle die mit ihm sind, sollen dem Volke und

dem Vaterlande dienen und dafür Abgabenfrey [sic] seyn. Sie sollen von der

Obergewalt geehrt und in ihren Forderungen befriediget werden.“ (§.32.)

• die Versorgung des (aufständischen) Volkes und der Eid von Bojaren, Bischöfen

und dem zukünftigen Landesfürsten auf das Programm (sowie die Kenntnisnahme

darüber seitens Österreichs und Russlands): „Alle Vorräthe oder Nahrungsmittel,

was immer das Volk von den Klöstern [ohne Punktuation] Bojaren und

Handelsleuten zum Essen und Trinken bezieht, soll aus dem Aerarium [im

rumänischen Text vistierie, Staatskasse] vergütet werden:

„Alle diese Punkte sollen sowohl durch ein schriftliches Diplom, als auch

durch einen Eid bekräftigt und verwahret werden, wie auch mit der

kaiserlichen Bestätigung, dass es mit Vorwissen Österreichs und Russlands

geschehe. Mit dem Anfange eines jeden Fürsten-Regiments oder der neuen

Herrschaft sollen die Bojaren und Bischöfe gehalten seyn, mit diesen Punkten

an den Ufern der Donau vor dem (neuen) Herrn zu erscheinen. Der Herr soll

verhalten werden, dieselben zu unterschreiben und sonach erst in die Provinz

einziehen.“ (§.33.)

Über die Ereignisse von 1821 und die Textcharakteristik der Cereri bestehen unter den

Historikern Meinungsverschiedenheiten. Während Keith Hitschin von einer

„combination of political programme and constitution” spricht (1996, 150), spricht

Dan Berindei eher von einem Revolutionsprogramm (cf. programul revoluţiei; 2003,

33-35). Hier wollen wir deshalb die einzelnen Paragraphen kurz bezüglich ihrer

Texttypologie bestimmen. Die vorgeschlagene Besetzung für Ämter des Fürstenrats ist

konstitutionell, die implizit geforderte Reduzierung der griechischstämmigen Räte

programmatisch (§.1.); die implizit geforderte Räumung der klerikalen Stätten, die

Einrichtung von Schulen mit türkischer Sprache und die – implizit verlangte –

institutionelle sowie finanzielle Zuständigkeit der [nationalen] Kirche für die

Volkbildung (§.2.) programmatisch und konstitutionell; die Reduzierung von Taxen

(3.§.) programmatisch; die vorgeschlagene Gesetzesänderung und der Vorschlag für

eine Neuregelung der Landtage (§.4.) konstitutionell; die Rückkehr zu früheren

gemäßigteren Abgaberegelungen (§.5.) programmatisch; die Aufhebung von Zoll für

Tiere und Waren in Städten und Dörfern und die Reduzierung der Grenzzölle (§.6.)

70

programmatisch; das Abstellen des Verkaufs kirchlicher und politischer Funktionen

(§.7.) sowie das Abstellen der Titelvergabe um Geld (§.8.) programmatisch und

konstitutionell; die Reduzierung von Taxen von Suppliken, Privilegien und allen

Documenten sowie von Subsidien (§.9.) programmatisch, die Einhebung von Steuern

nach dem Bedarf des Landes (§.9.) – in späterer Terminologie – „konstitutionell”, die

geforderte Steuerbefreiung für Unterthanen und Künstler (§.10.) konstitutionell; die

Abschaffung der Provisorate samt Beamten (§.12.) programmatisch; die Aufstellung

eines eigenen Heeres (§.13.) konstitutionell; das Stoppen von Subventionen für

Ausländer (§.14.) programmatisch; die Reduzierung der Taxen auf den Dicasterien

(§.15.) programmatisch; die Abschaffung der Hauptmannschaften (§.16.)

konstitutionell; die Gewichtung des Willens des Volkes (§.17. und §.18.)

konstitutionell; die Ersetzung des Metropoliten nach dem Wunsche der Gemeinde

(§.18.) konstitutionell; die Regulierung von Zollgebühren und Beamtensold (nach den

Verordnungen des Landeszolls im Ausmaß einer Dreissigtelgebühr sowie die nicht

Überschreitung von 10 Lei täglich für Aufseher und Beamte, wie es der in den Jahren

1793-1796 und 1799-1801 in der Walachei herrschende Alexandru Moruzi festgelegt

hatte, §.20.) programmatisch; das Fortjagen des Landesfürsten samt seiner Familie

(§.23.) programmatisch; die – implizit intendierte – Aufstellung eines Berufsheeres

(§.24.) konstitutionell; die Regulierung der bedingten Steuerfreiheit für sich neu

Ansiedelnde, für Unverheiratete, Künstler und Hirten (§.25.) konstitutionell; die

Symbolik, die der Fürstenfamilie vorbehalten werden soll (§.26.) konstitutionell; die

Abschaffung der Abgabepflicht für den Brückenbau in Bukarest (§.27.) und die

konkret vorgeschlagenen Maßnahmen gegen bestimmte Personen (§§.28-31.)

programmatisch; die (suggerierte) Selbstbestimmung von Tudor Vladimirescu zum

Landeshauptmann (§.32.) programmatisch; die Versorgung der Aufständischen durch

die Staatskasse (§.33.) programmatisch und die gewünschte Beeidung des Programms

durch den zukünftigen Fürsten (§.33.) konstitutionell.

Da die Historiographie zu Rumänien immer wieder die Frage aufwirft, inwieweit

Tudor Vladimirescu sozial, für oder gegen die Bojaren, inwieweit er „national”,

(anti)phanariotisch, (anti)osmanisch etc. eingestellt war (Hitchins 1996, 141-152),

sollen die Forderungen hinsichtlich diesbezüglicher Hinweise untersucht werden. Der

erste Paragraph forderte, wie schon erwähnt, eine Reduzierung der fürstlichen

Gefolgschaft griechischer Abstammung auf höchstens vier Beamte (einen Rath, einen

Kämmerer, einen Wacheaufseher, einen Secretär). Seit 1711 in der Moldau und seit

1716 in der Walachei ernannte der Sultan die Landesherren aus byzantinischen

Familien des Istanbuler Stadtviertels Phanar (Hitchins 1996, 150). Sie kamen in

Begleitung eines eigenen Gefolges, rumänisch suită. Zu diesem gehörten

beispielsweise neben einer Leibwache, gardă de corp, auch diplomatische Agenten

(Oţetea 1971, 35-40). Die dem Text zufolge „geduldeten” Würdenträger entsprechen

in der rumänischen Version einem postelnic mare, einem cămăraş, einem

portarium/portar und einem grămătic mare und damit einem ehmaligen Wächter

(Tiktin, s.v. postelnic mare; Eliade 2000, 59: der postelnic wacht mit einem silbernen

buzdugan bewaffnet, zu Füßen des Throns), einem Verwalter der Schatzkammer

(DLR, s.v. cămără; Eliade 2000, 59: marele cămăraş ist der Schatzmeister/vistiernic

des Fürsten, sein Vertrauensmann, derjenige, der über den anderen fürstlichen slugi

steht, der der nach Russland geht, um für den Fürsten Felle/Fellbekleidung zu kaufen),

71

einem Zolleinnehmer (Oţetea 1959, 274, Fußnote 2) und dem Kanzleischreiber

(Tiktin, s.v. grămătic mare).

Der Text fordert konkret eine numerische Reduzierung der griechischen / gräzisierten

Räte und des Gefolges des Fürsten, implizit also eine generelle Reduzierung der

Einfluss- und Handlungssphäre der Phanarioten, stellt aber die grundsätzliche

Regentschaft eines griechischen Landesfürsten nicht in Frage. Eine deutlich

antigriechische Haltung spiegelt sich aber in der Forderung, den griechischen Klerus

stark einzudämmen (§.2.), und der griechischen Sprache, welche als vorrangige

Bildungssprache in der Walachei von 1821 anzunehmen ist (Völkl 1995, 19), die

türkische vorzuziehen.

Die phanariotischen Fürsten pflegten, wie schon gezeigt worden ist, in ihrer

Regentschaft möglichst viel Geld einzunehmen, um die für den Thron bezahlten

Summen zurückzugewinnen oder um die Gefolgschaft oder sich selbst in der Zeit nach

der Regentschaft gut zu erhalten (Oţetea 1971, 39-40). Erdrückend waren auch die für

das Gefolge des Fürsten abverlangten Steuern. Alexandru Suţu beispielsweise soll mit

820 Personen, darunter rund 80 Verwandte und 100 Arnauten (Wachen und Söldner

albanischer Herkunft) in die Walachei gekommen sein. Wie schon gezeigt, verwies ja

schon der k.k. Hofagent und Berichterstatter Fleischhackl in einem Bericht vom 16.

Jänner 1821 an den Wiener Hof, dass die Steuern nochmals unmäßig erhöht zu werden

drohten. Ähnlich beschreibt auch Dârzeanu die Situation für das Volk (in Iorga 1921,

62-64): Die Regentschaft von Alexandru-Suţu Voievod hätte noch schlimmere

Ausbeutung gebracht, als sie bereits unter seinem Vorgänger Ion-Vodă Caragea

(Herrscher der Walachei 1812-1818 cf. Dicţionar enciclopedic 1993 und Diaconovich

1898-1904 s.v. Caragea) geherrscht hatte. Auf letzteren geht die Condica oder

Legiuirea lui Caragea – ihrerseits von Ipsilantis Pravilnicească Condica aus dem

Jahre 1780 inspiriert – zurück, die die Bauern bereits schwer belastet hat (Dicţionar

Enciclopedic Junior, s.v. Caragea; Völkl 1995, 15-20). Die steigende steuerliche

Unterdrückung erscheint noch deutlicher, beachtet man das Resümee von Pompiliu

Eliade über die Steuerpolitik von Ion Caragea (2000, 90-92).

Die geforderte Rückkehr zu vorangehenden kleineren Abgabepflichten (§.4. und §.5.),

wie sie der zuvor gültige Kodex festlegte, ist per se als nicht im Interesse des Fürsten

oder der Bojaren zu sehen, allerdings keine grundsätzliche Abschaffung von

Steuerpflichten. Eine radikalere Forderung, die sich letzten Endes gegen die Verwalter

des „Staatsschatzes“ richtet, ist demgegenüber jene, dass „Die von allem Vieh, so wie

von Waaren [sic] seit einiger Zeit, unter dem Titel des Staatsschatzes abgeforderten

Zölle sollen in Städten und Dörfern aufgehoben werden.“ (§.6.). Kaum im Interesse

der „staatlichen Verwalter“, jedoch im Sinne des (beginnenden) „Mittelstandes“ wie

der unteren Klassen der Gesellschaft formuliert der Text das Ziel der

Abgabenreduzierung für Händler (Zoll soll nur an den Landesgrenzen einbehoben

werden), aber auch für Unterthanen, Gewerbsleuten und Künstler (§.6. und §.9. In

§.25.) und die an den Zivilstand gebundene Steuererleichterung für Hirten: „Ebenso

die Hirten nach der alten vaterländischen Gewohnheit [sollen bis zu ihrer Heirat

abgabebefreit sein].“. Das Volk sollte auch durch die Abschaffung der Abgabepflicht

für den Brückenbau in Bukarest (§.27.) eine Entlastung erfahren. Überdies wird in den

72

Forderungen eine Regulierung von Abgaben, Zöllen (§.6., §.20.) und Provisionen für

Waren verlangt (§.20.), welche der Belastung der Steuertragenden und dem Wucher,

der mehrfach im Text attestiert wird, entgegenwirken sollte.

Als eine „soziale“ Haltung, aus der Tudor Vladimirescu allen Einwohnern des Landes

gerecht werden zu wollen scheint, ist die Forderung nach „Schulen [in türkischer

Sprache]“, zu welchen „die Jugend der wallachischen Nation, reich und arm, den

Zutritt habe und auf Kosten der Kirchenschatzes [sic im Text: Kirchebschatzes]

gelehrt werde [sic im Text: werden]“ (§.2.). Eine „soziale“ Haltung spiegeln auch die

vielen geforderten Abgabereduzierungen (z.B. cf. §.3.).

Der Diskurs über die Verbesserungen für das Volk formuliert andererseits sehr

deutlich einen Missbrauchsvorwurf an die Adresse des Landesfürsten (§.23.), an den

die Sedriae stellenden Adel (§.4., cf. „Adunare a nobililor dintr-un ţinut, cf. DLR, s.v.

sédrie) bzw. an die mittels Geld aufgestiegene(n) Aristokratie bzw. Bojaren: „Alle

sowohl politische als geistliche Ämter im Reiche, vom grössten bis zum kleinsten,

sollen künftig nicht mehr ums Geld vergeben werden…“ (§.7.; dies gilt auch für

Würden in §.8.; Privilegien für Ausländer („Alle Vorrechte der Ausländer sollen

gänzlich vernichtet werden.“, §.11. und §.17.) und viele Beamte („Alle Provisorate der

Dominien mit allen Beamten sollen weggeschafft werden, da sie dem Vaterland nur

zum Schaden dienen.“, §.12.)). Diese Forderungen scheinen eine Reaktion auf

Missstände zu sein, die in der Historiographie zu Rumänien beschrieben wird: „So

wurden unter anderem die Ämter, vom Minister bis zu den unteren

Verwaltungsposten, auch der Metropoliten und Bischöfe, gegen Geld vergeben, und

deren Inhaber benutzten wiederum dieselben Methoden, um sich ihrerseits schadlos zu

halten. […] Diese Praktiken, die allerdings schon vor der Fanariotenzeit ihren Anfang

genommen hatten, fanden in der Bojarenschicht Nachahmung und wurden vielfach zu

der Gewohnheit, daß die Amtsinhaber ihr Amt als Mittel einer großzügigen

persönlichen Bereicherung verstanden.“ (Völkl 1995, 19-20). Es war Constantin

Mavrocordat, mehrmaliger Herrscher in der Walachei und der Moldau in der Zeit 1730

bis 1769, welcher diese Situation ausgelöst hatte, indem er als Kriterium für den

Bojarenstand statt der Abstammung, Funktionen und Ämter – die er selbst vergab und

die das Einkommen der Borajen garantierten – festgelegt und damit den traditionellen

Adel völlig entmachtet hatte. Insbesonders in der Zeit nach den Regulamente Organice

(1831, 1832) stieg, so schreibt Vlad Georgescu (1992, 140 ss), die Zahl der „Bojaren”

weiter an, in Siebenbürgen z.B. im Zeitraum 1832-1858 von 766 auf 3013 Titel. Erst

1858 wurden die Bojarenränge, die de facto nichts mehr bedeuteten, ganz abgeschafft

(ib.).

Der Text ruft zu unterschiedlichen konkreten Strafvorgehen auf (Verlassen der

Heimat, Wegnahme des Besitzes, Entfernung aus dem Beamtendienst) gegen

verschiedene Personen – Oţetea erwähnt („Die Herren Kaminan Bibika, Stolnik,

Winschoran“, „Hadsi Janos“, „Herr Bivelló“, „Die Herren Bevel Aga Alekak Vélara,

Divel Kiriak Stolnik“, §§.28-31.) –, die andere, unschuldige getötet haben (§.28.), in

der Funktion des Schatzmeisters Gelder genommen haben oder Landesverrat (§.30.)

bzw. Landesschädigung (§.31.) begangen bzw. verursacht haben. Auch der Metropolit,

weil er nicht mit der Zustimmung des Volkes gewählt wurde, soll das Land verlassen

73

(§.18.) wie auch die Fürstenfamilie mit ihren Dienern, weil sie dem Lande aufs

Äußerste schadeten („weil selbe die Mörder und Räuber der Provinz sind“, §.23.).

Tudor Vladimirescu fordert die Erlaubnis zur Aufstellung von 4 200 Mann (4 000

Panduren und 200 Arnauten) zum Zwecke der Verteidigung des Landes, zum Prunke

der Städte und zum Einsatz gegen Epidemien. Diese Männer sollen von Abgaben

befreit und von den Klöstern (gering) besoldet sein (§.13.). Er fordert später im Text

(§.24.), dass zukünftig die Compagnien, also militarärischen Einheiten nicht mehr aus

Provinzialen, also Bauern und Dörflern, gestellt werden. Diese Passage skizziert den

Beginn einer neuen Konzeption der Landesstreitkraft, die nicht mehr aus dem

(mittelalterlichen) Bauernheer gestellt werden soll.

Die Bezeichnung des Gebietes der Walachei gibt außerdem Aufschluss auf eine

bestimmte Ideologie des Textverfassers. Auf die Walachei und die Einwohner bezieht

dieser sich mit den Begriffen Provinz (§.1., zweimal in §.2., dann §.25.), <die

wallachische Nation> (§.2.), <das ganze Volk der Walachen> (§.32.), <das Reich>

(§.6., §.7., §.30.). Auffällig häufig wird der Begriff <Vaterland> verwendet: zweimal

in §.4., dann in §.6., §.7., §.8., §.12., §.13., §.18., §.19., §.20., §.28., §.29., §.30., §.31.,

§.32.) sowie auch in der Forderung: „Ebenso [sollen von Geldabgaben frey seyen] die

Hirten nach der alten vaterländischen Gewohnheit” (§.25.). Andere Staaten werden als

Nationen bezeichnet: „Der Zoll soll nur an der Gränze, von den ein– und ausgehenden

Waaren und Viehtriben abgefordert werden, wie es bey cultivirten Nationen üblich ist,

denn aus dieser Ursache hörte der Verkehr auf und das Vaterland gerieth in Geldnoth.“

(§.6.; cf. auch §.4.), das osmanische Reich als <türckisches Gebiet>: „die Ausfuhr

[soll] gegen das türckische Gebieth hin, frey seyn.“. Eine Textstelle spiegelt eine vage

Konzeption eines entscheidungstragenden Volkswillens wider: „Der neue Metropolit

soll von seinem Sitze gejagt werden, weil er nicht mit Zustimmung des Volkes

gewählt wurde;“ (§.18.).

IV.10. Interpretation der Proklamation von Padeş und der Forderungen, welche

das wallachische Volk in der Wallachey macht

In der rumänischen Historiographie wird, wie es das folgende Zitat belegt, die

Bedeutung von 1821 oft als Revolution mit nationalen Zielen interpretiert, die

gleichzeitig auch gegen die feudale Ordnung und osmanische Herrschaft gerichtet war:

„Mişcarea din 1821, condusă de Tudor Vladimirescu, a fost o revoluţie naţională,

îndreptată în acelaşi timp împotriva orînduirii feudale şi împotrivă dominaţiei

otomane.” (Andrei Oţetea 1971, Întroducere, 31, cf. auch die „revolutionary claims” in

Pop/Bolovan 2006, 459). Dieser Interpretation können wir nur teilweise zustimmen.

Wie die Analysen gezeigt haben, wird weder in der Proklamation von Padeş noch in

den Forderungen die politische Oberhoheit der Pforte in Frage gestellt. Tudor

Vladimirescus wesentliche Gegner sind die griechische/gräzisierte Landesspitze, die

griechische Aristokratie und die einheimischen Bojaren und die gräzisierten Bereiche

der Kirche und die einheimische Kirchenspitze.

Die Proklamation von Padeş richtet sich nur gegen zweitere, die Forderungen

hingegen gegen einen zu stark gräzisierten Hof, gegen Privilegien der Bojaren und

74

gegen die vollständige griechische Beherrschung der Kirche. Die griechische

Landesspitze wird nie in Frage gestellt, ein Endziel der politischen wie

wirtschaftlichen Herrschaft der Osmanen, wie es Keith Hitchins formulierte, nicht

deutlich. Der Ton ist in beiden Texten Tudor Vladimirescus ein deutlich

antigriechischer, nicht aber antiosmanischer. Es ist möglich, dass hier dieser dieser

Ton aus einer rein pragmatischen Haltung des Tudor Vladimirescu kam: „Obviously,

for diplomatic reasons, but also because he had reservations about the Hetairia´s

efficient organization and the possible Russian intervention in support of the

Romanians and the Greeks, Tudor tried not to offend the Ottoman Porte´s sensibilities.

Consequently, in order to forestall a quick Turkish intervention, the anti-Ottoman

national objective was not included in the official documents of the revolution.”

(Pop/Bolovan 2006, 459). Aus der Frage der staatlichen Genese des späteren

Rumänien aber ist gerade dieser Aspekt relevant. Im Moment der Redaktion bzw. der

Verkündigung der Forderungen konnte der deutliche Wille zu einem Umsturz der

osmanischen Herrschaft (noch) nicht artikuliert werden, die Autonomie und

Souveränität des Landes (der Walachei) war noch lange nicht gegeben und seine

Abhängigkeit von der Pforte bzw. vom Kräftemessen der Äußenmächte untereinander

noch sehr deutlich. Die Entstehung des späteren Staates verlief, dies wird hier sehr

deutlich, über eine Phase der Entgräzisierung (an der Landespitze, der Kirche, der

Bildung). Die Bewegung unter Tudor Vladimirescu ist in dem Sinn „national”, als dass

sie den Außenmächten staatliche Domänen schrittweise zu entziehen versuchte. Sie ist,

anders als ihr oft zugewiesen (Pop/Bolovan 2006, 460), noch keine national-staatliche

im Sinne der (späteren) Einheit der Walachei und der Moldau. Tudor Vladimirescu

formulierte seine unmittelbaren Ziele vor allem in Beziehung auf die Walachei.

Die beiden Texte haben unterschiedliche explizite und intendierte Adressaten. Die

Proklamation von Padeş ist primär an die Bauernschaft gerichtet, dokumentiert aber

auch, dass die Hohe Pforte ins Kalkül zu ziehen ist, und dies diskursiv in einem

besänftigenden Ton auch geschieht („Vechilul lui Dumnezău, preaputernicul nostru

împărat, voeşte ca noi, ca nişte credincioşi ai lui, să trăim bine.”). Das Bewusstsein,

die Schutzmächte Russland und Türkei in die Politik der Walachei miteinbeziehen zu

müssen, ist in den Forderungen noch deutlicher. Das Zaren- und das österreichische

Kaiserreich werden als Garantiemächte für das walachische Fürstentum explizit

angerufen. Die Botschaft der beiden Texte ist etwas anders akzentuiert, jedoch im

Wesentlichen analog. In der Proklamation von Padeş kritisiert Tudor Vladimirescu

explizit die Landesverwaltung und die Kirche (căpitaniile politiceşti şi bisericeşti) als

Verursacher des schweren Missstands im Land und fordert das Volk auf, sich gegen

die Ausbeutung (im Text als robie wiedergegeben) zu erheben. Der Text liefert uns im

Aufruf zur Erhebung nur gegen einen Teil der Bojaren ein textimmanentes Kriterium

dafür, dass robie hier nicht im Sinne von <Leibeigenschaft>, sondern von figurativer

<Ausbeutung> steht und daher nicht die Abschaffung des ganzen Feudalismus als

gesellschaftlicher Ordnung anvisierte, sondern nur eine Milderung des ausbeuterischen

Systems. Argumentation und Ton der Proklamation von Padeş sind religiös-

moralisierend (den späteren Texten der 1848-er Revolution auffallend ähnlich). Die

Cereri hingegen rufen zu den Einschränkungen der Ausbeutung durch die Aristokratie

auf bzw. zu den konkreten inneren Reformen dafür. Diese Reformen sind in erster

Linie Reformen der Abgabepflichten durch Privilegienabbau und Ausmärzung des

75

finanziellen Missbrauchs in Staat, Verwaltung, verschiedenen Ämtern (wie Polizei,

Zoll) und der Kirche (cf. §.7., §.19., §.20.).

Da wir auf die Rolle eingehen wollen, die der oltenische Anführer spielen wollte, ist es

uns wichtig, an dieser Stelle eine politologische Definition davon zu geben, was im

Frühjahr 1821 hypothetisch in der Walachei stattgefunden haben könnte. Es folgt ein

Zitat, welches den Staatsstreich (und implizit den Putsch und die Revolution)

politologisch definiert. Der Staatsstreich gilt als „eine plötzliche gewaltsame

Regierungsänderung, durchgeführt von Trägern staatlicher oder militärischer Macht

unter Ausnutzung der ihnen verliehenen Befehlsgewalt. Der Staatsstreich ist das

Gegenstück zu einer Revolution; von dieser unterscheidet er sich dadurch, daß er «von

oben» durchgeführt wird, während die Revolution «von unten» kommt. An einer

Revolution beteiligen sich große Volksmassen, wogegen ein Staatsstreich ohne

Volksbeteiligung erfolgt, ja bis zu seiner Durchführung vor dem Volke

geheimgehalten wird. In der Regel wird allerdings auf nachträgliche Zustimmung oder

zumindest Gleichgültigkeit des Volkes gerechnet. Der Staatsstreich wird von dem

bestehenden Staatsapparat, insbesonders dem Militär oder Teilen davon durchgeführt.

Seine Urheber sind staatliche Funktionäre oder hohe Offiziere, die ihre Befehlsgewalt

dazu benutzen, Truppen, Polizei oder sonstige Teile des Staatsapparates gegen die

bestehende Regierung einzusetzen. Diese Befehlsgewalt leitet sich von der bisherigen

Regierung her, die sie ernannt hat, benutzen sie aber, um diese Regierung zu stürzen.

Bei einer Revolution hingegen besitzen deren Führer zunächst keine Autorität; sie

verleihen sie sich im Zuge der Revolution selber bzw. lassen sie sich von den

Volksmassen verleihen. Der Staatsstreich wird oft auch Putsch genannt, worin sein

Charakter als überraschender Schlag zum Ausdruck kommen soll. Doch sind die

beiden Begriffe nicht identisch; als Putsch kann auch ein Aufstand subalterner

Offiziersgruppen oder bewaffneter politischer Gruppen bezeichnet werden, die nicht

die hohe Machtstellung besitzen, die die Voraussetzung für die Durchführung eines

wirklichen Staatsstreiches ist. Der Putsch steht seinem Wesen nach einer Revolution

näher als einem Staatsstreich, obwohl er gleichfalls ohne Massenbeteiligung erfolgt

und seine Technik meist der des Staatsstreiches ähnelt.” (Theimer 1955 s.v.

Staatsstreich).

Tudor Vladimirescu suggeriert, wie gezeigt wurde, im Epilog der Forderungen, dass

er das zukünftige, vom Volk gewählte Oberhaupt der Walachen sei, mit der

Verantwortung für das innere wie äußere Wohl. In dieser Verkündigung Tudor

Vladimirescus als gewählten Regenten der Walachei, klärte er jedoch in keiner Weise

die Beziehung zwischen ihm und dem – den Forderungen zufolge vorgesehenen –

zukünftigen Landesfürsten (Hitchins 1996, 151). Der Vertrag von Küçuk-Kaynarci

von 1774, Artikel XVI.9., sah einen Sekretär der Fürsten aus der griechischen

Gemeinschaft vor. Diese Person genoss Immunität im internationalen Rahmen und

war eine Art Kontrollinstanz über die Geschehnisse in den Fürstentümern. In

demselben Vertrag versuchte man die Macht dieses Sekretärs abzuschwächen:

„Poarta îngăduie domnitorilor acestor duoă state să aibă pe lîngă ea un

însărcinat cu afaceri, ales dintre creştinii comunităţii greceşti, care vor veghea

asupra treburilor privind numitele principate şi vor fi trataţi cu bunătate de către

76

Poartă şi, în ciuda neînsemnatei lor importanţe, vor fi consideraţi ca persoane

care se bucură de dreptul internaţional, adică vor fi la adăpost de orice violenţă.

(1774, iulie 10/21, Küçuk-Kaynarci, 227-229).

Keith Hitchins beschrieb die Forderungen als „a combination of political programm

and constitution” (1996, 150). Betrachten wir den Text genau, lässt sich erkennen, dass

seine Botschaft etwas stärker programmatisch, im weiteren Sinne also eine Revolution

tragend, ist als konstitutionell, also eine konzeptionelle Modellierung staatlicher

Organisation tragend. Gleichzeitig erhärten die Analysen eine zweite Charakteristik

des politischen Geschehens. Ob nun von Alexandru Suţu eingesetzt, von einem Teil

der Bojaren gestützt oder nicht, in jedem Fall überschritt Tudor Vladimirescu als nicht

griechischstämmiger Oltenier und Bojare niederen Ranges in der – in den Cereri –

impliziten Forderung einer Position an der Landesspitze der Walachei das politische

„Protokoll” der Zeit, sowohl gegenüber den einheimischen Bojaren, den gräzisierten

Bojaren, den Phanarioten und der Pforte. Tudor Vladimirescu erscheint diskursiv als

durch das Volk gewählt und somit legitimiert, jedoch gegenüber den politischen

Autoritäten als die Macht von sich aus ergreifend. Den Texten zufolge, erscheint die

Bewegung des Tudor Vladimirescu Revolution und Streich (eine Parallele zur

Verkündigung der CSFN, wie sie im Dezember 1989 in Rumänien stattfand).

Wenn wir Tudor Vladimirescus Forderungen auf die von uns gewählten

Begrifflichkeiten (Kap. III.) untersuchen, stellen wir fest: Die Proclamaţia de la Padeş

und die Forderungen, welche das wallachische Volk in der Wallachey macht

reflektieren in ihren konstitutionellen Passagen die Ideologie einer (ersten)

Demokratisierungswelle gemäß der Französischen Revolution und den

Menschenrechten. Erst anhand einiger Punkte wird eine vage Staatskonzeption

festgemacht. So spiegelt sich an verschiedenen Stellen z.B. eine erste Konzeption

dessen wider, was sich als Allgemeiner Wille, später opinie publică, entwickeln wird,

so in der allgemein bestätigten Wahl der Landesvertreter wie auch eines allgemeinen

Volkswohls („să se aleagă [sic] din căpeteniile noastre cei care pot să fie buni”, „ai

noştri ... vor lucra binele”, „adunarea cea orînduită pentru binele şi folosul a toată

ţara.”; Bodea I, 63). Ein anderer Begriff von Staatlichkeit ist das Gemeinwohl, binele

obştesc, dass konzeptuell mehrfach thematisiert wird, natürlich noch nicht in der

vollen Begrifflichkeit, die sich später dafür entwickeln wird. Der Diskurs der

Proklamation von Padeş sowie die Forderungen ist ein beginnender national-

populistisch ausgerichteter Diskurs, der auf das Fürstentum der Walachei fokussiert

war.

77

V

CERERILE CELE MAI ÎNSEMNĂTOARE CE SE FAC

DIN PARTEA OBŞTIEI MOLDOVIEI AUS DEM JAHRE 1822

(DIE SOGENANNTE „CĂRVUNARI-VERFASSUNG”)

V.1. Sozial-politischer Kontext der Reformvorschläge von 1822

Bevor wir unseren dritten Text, - die im Nachhinein als moldauische Verfassung der

cărvunari (Köhler) von 1822 genannten Reformvorschläge - analysieren, gehen wir

hier kurz auf die politische, v.a. aber soziale Situation ein als wesentlicher Hintergrund

für die Entstehung dieses Textes. Auf die Niederschlagung der Bewegung des Tudor

Vladimirescu folgte von 1821 bis 1822 die türkische Besetzung der Walachei und

Moldau, die von der Regentschaft des Ioniţa Sandu Sturza, des ersten autochthonen

Landesherrn der Moldau (1822-1828), und einer neuen, diesmal russischen Besetzung

der Moldau (1828 bis 1834) gefolgt wurde (Barnovschi [1923], 65). Was die

Gesellschaft der Moldau betraf, so war bis zum Ende des Phanariotenregims die

oberste Gesellschaftsschicht in zwei Klassen zerfallen. Der ersten Klasse entsprach die

aus nur wenigen, teilweise landesfremden Familien bestehende Aristokratie:

„Aristocraţia conducătoare se reducea la câteva zeci de latifundiari […], membri

numai ai câtorva familii, mai mult sau mai puţin vechi, mai mult sau mai puţin

moldoveneşti;“ (Barnovschi [1923], 23, 26). Als russophile Schicht hielt sie mit ihren

Besitzungen und den wichtigsten Ämtern die eigentliche Staatsmacht in den Händen.

Sie bildete die die oberste Adelsklasse (protipendadă), der es einzig zustand, als

Zeichen des Ranges einen Bart zu tragen (NDU, s.v.).

Die zweite, eher autochthone, antirussischgesinnte, in sich eher kohärente und

numerisch größere Klasse waren die Mittel- und Kleinbojaren. Die rumänische

Historiographie kennt für diese Gesellschaftsgruppe viele Ausdrücke, unter anderem

boieri mici, boieri de ţară, mazili, boiernaşi, boierime secundară, boierime de mijloc.

Diese waren zwar, wie die Großbojaren, von aristokratischer Herkunft, hatten jedoch

ihre moşii, Gutshofbesitzungen, und damit auch ihren politischen Einfluss verloren

(Daher auch die weitere Bezeichnung bei Barnovschi als boierimea dezmoştenită,

<Bojaren, die ihr Erbe verloren haben>, [1924], 29, 130). Diese Bojaren konnten keine

„Staatsämter” besetzen, waren aus dem Diwan ausgeschlossen und konnten auch

keinen Handel betreiben, da dieser nicht als îndeletnicire nobilă, adelswürdige

Tätigkeit, galt (Barnovschi [1923], 26). In ihrer Abstammung, wie schon erwähnt, den

mari boieri divaniţi, den Großbojaren des Diwans, gleich, waren sie in ihrem Status zu

birnici, Steuerträgern herabgefallen (Barnovschi [1923], 27-18). Als solche wurden sie

von den Städtern verächtlich mazili genannt und spezielle Gesetze sahen für sie

niedere Dienste, z.B. die Bewachung von Tierherden fremder Händler, vor (Eliade

2000, 55). Diese Spaltung der Bojaren in eine aristokratische und eine adlige Klasse

hatte bereits im 17. Jahrhundert ihren Ausgang genommen und sollte unter Ioniţă

Sandu Sturza einen Höhepunkt erreichen. Als Repräsentant der Kleinbojaren sollte

dieser Fürst – zur Unzufriedenheit der Großbojaren – verschiedenste Familien

(neamuri) und Personen des Kleinadels (mazili) in den Bojarenrang erheben, eine

78

Maßnahme, die bis zur Konvention von Akkerman hielt (Lovinescu I, [1924], 62-63,

Fußnote 2).

Neben einer Reihe von rumänischen Kaufleuten und einigen wenigen Bojaren der

protipendadă, der Bojaren ersten Ranges, wie auch Elitevertretern der iobăgime,

Bauernschaft, waren es vor allem jene mittellos gewordenen Mittel- und Kleinbojaren,

die politische und soziale Änderungen in der Moldau wünschten; sie waren gebildet,

gräzisiert und hatten v.a. das Ziel, – zuerst noch – gemeinsam mit jenen, die an der

Macht waren, an der Machtausübung bzw. Staatsleitung teilzuhaben (Barnovschi

[1923], 28-30). Aus dieser sozialen Schicht bildete sich ab ca. 1821 die von

Barnovschi genannte partida novatorilor (ib. 50-51). Diese Gruppierung verfasste

mehrere schriftliche Reformprojekte wie z.B. das von 1822 und das gegen das

Regulament gerichtete von 1839 (ib. 75 und Fußnote 1 und 21). Von der Heiligen

Allianz wurden die Mitglieder dieser neuen Partei – ciocoi genannt (Barnovschi

[1923], 50) – als subversiv und gefährlich eingestuft (Lovinescu [1924] I, 62-63) und

selbst Grigore IV. Ghica, Herrscher der Walachei in den Jahren 1822-1828, kritisierte

das neue Reformprojekt (Carp 2002, 21). Im In- wie im Ausland waren die heftigsten

Gegner die Aristokraten, die zwischen 1823 und 1825 acht Dokumente (memorii)

gegen die Einführung einer Verfassung in der Moldau verfassten.

Ihre Mitglieder dürften den Namen cărvunari später für sich aufgegriffen haben

(Barnovschi bezeichnet sie als şleahta cărvunarilor, die Gruppierung der Köhler;

[1923], 21, 60, 50 und verweist auch auf das Syntagma a fi atins de carvonarismos, ib.

p. 22). Die neue Partei, deren Agentenzahl von dem Rechtsphilosophen auf ca. 500

Personen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten geschätzt wurde (ib., 52-55),

fand in dem Landesfürsten Ioniţă Sandu Sturza einen Herrscher, der das Land mit

diesem liberalen Flügel – in Barnovschis Formulierung „cu constituţionalii sau

cărvunarii“ – zu führen versuchte (Stan/Iosa 1996, 33 ss). Einige Jahre gelang dies

auch, bis partidul carbonerist durch den Vertrag von Akkerman (Oktober 1826)

geschwächt und nach 1839 vollständig (Lovinescu [1924], I, 63) aufgelöst wurde.

Nach den Ereignissen von 1821 in der Walachei erwartete der Sultan im Frühjahr 1822

Reformvorschläge von den Muntenen (Oţetea 1971, 499) und den Moldauern. Oţetea

zufolge, war es der Pascha von Silistra (Mehmet paşa), der aktiv eine bestimmte

Delegation beider Fürstentümer zu sich berief (1971, 499-500). Barnovschi ([1923],

69-72) schildert uns die Umstände für die moldauische Delegation etwas anders und

als prekär, welche es zu überwinden galt, und welche die cărvunari riskierten, um ihre

Reformideen, die sich von jenen der muntenischen unterschieden (Oţetea 1971, 500-

501), bis vor den Sultan zu bringen. Auch sie mussten zuerst den mächtigen Vorposten

von Silistra passieren, an den sich zeitgleich auch die protipendadă, vertreten durch

Teodor Balş, wandte. Eher unerwartet begegnete der Pascha ihnen wohlgesonnen, im

Gegensatz zum Delegierten der Aristokratie. Der Sultan seinerseits argwohnte mit der

Aristokratie, weil sie der Häterie nahegestanden war. Teodor Balş unterzeichnete den

das Gesuch (arz) der cărvunari (er dürfte mit dem Verfassungsprojekt ident gewesen

sein; ib. 69), sodass der Pascha von Silistra der Pforte eine moldauische Delegation

ankündigen konnte, die von allen Bojarenklassen des Landes getragen war. Nach

diesem Erfolg im März 1822 sah sich die caimacamie gezwungen, eine Gruppe von

79

Delegierten nach Konstantinopel reisen zu lassen. Unter den Gesandten waren

vornicul Ioniţă Sandu Sturza – vor der Abreise in den Rang des mare logofăt erhoben

–, aga I. Greceanu, hatmanul Gh. Cuza und comisul, also Bojare niedrigeren Ranges,

I. Tăutu. Die Delegation blieb einige Monate in Konstantinopel und verhandelte durch

Aga Greceanu schriftlich mit dem Padişah, dem Sekretär der Pforte, über die vom

Sultan erwünschten Modifikationen des Textes: „[cererile] n-au fost acceptate aşa cum

au fost prezentate, ci s-au restituit delegaţiei ca să le modifice.” (ib. p. 72). Die

Prinzipien der Verfassung vom 13. Sep 1822 wurden vom Sultan akzeptiert (admise).

Mit Ioniţă Sandu Sturza als neuem Landesfüsten brachten die cărvunari einen ihrer

Kandidaten durch. Der Sultan ließ in seinem Schreiben (firman) vom 1. Juli 1822

festhalten, dass er den neuen Landesherrn (domn) ernannt habe. Der Rechtsexperte

Barnovschi sieht hierbei jedoch eher eine întărire, Bestätigung, als numire,

Ernennung, des neuen Landesherrn, mit dem Argument, dass man anhand der

Zusammensetzung der moldauischen Delegation sehe, dass die cărvunari den ersten

autochthonen Landesherrn (domn pământean) schon gewählt hätten, bevor der Sultan

entschied.

Die Moldauer versuchten, anders als die Muntenen, aus der alten Bojarenschaft eine

starke Elite aufzustellen (Barnovschi [1923], 67-68). Die nach Istanbul getragenen

Reformvorschäge von 1822 waren, in einer Zeit, in der es vor Reformvorschlägen

„regnete”, das bedeutendste Projekt, welches vielfach, wie oben schon erwähnt, als

Verfassung bezeichnet wurde (siehe Constituţia cărvunarilor bei Barnovschi oder die

Paraphrasierung aşezământ constituţional, Verfassungsregelung, bei Stan/Iosa 1996,

30), obwohl dieser Text, so lautet es in der Einleitung, nur die Zeit bis zur Aufstellung

einer (eigentlichen) Verfassung überbrücken sollte: „Cererile cele mai însemnătoare ce

se fac din partea obştiei Moldoviei atocmite ... ca să fie obşteşte sfinţite aceste cereri,

spre a sluji pământeştei ocârmuiri de temelie până se va putea înştiinţa pravila ţărei

într’o desăvârşită alcătuire.”. Auch sind diese Cererile, wie sie uns überliefert

wurden, nicht in dieser Form dem Sultan vorgelegt worden. Sie waren konzipiert als

eine innere Reform (Barnovschi [1923], 72).

Der Text wurde vom Landesfürsten, vermutlich um sich nicht vollständig mit den

Großbojaren zu überwerfen, nicht sanktioniert. Es gibt aber Hinweise, dass die

Vorschläge in den Jahren 1822 bis zum türkisch-russischen Friedensschluss von

Akkerman im Oktober 1826 (teilweise) angewandt wurden (Lovinescu I, [1924], 62-

63 und [1925], II, 7), bis der Text mit dem wachsenden Einfluss des Zarenreichs auf

die beiden Donaufürstentümer seine Wirksamkeit verlor, und sich die Partei der

cărvunari auflöste (Stan/Iosa 1996, 34-35). Nach dem Frieden von Akkerman sah sich

Ioniţă Sandu Sturza im Jahre 1827 dazu veranlasst, die Anafora pentru pronomiile

Moldovei / das Dekret für die Privilegien der Moldau (Tiktin, s.v. anafora und

pronomion), zu unterzeichnen. Darin hatten sich 22 Großbojaren des ersten Ranges auf

die Tradition berufen und ihre außerordentlichen Privilegien zurückverlangt (Stan/Iosa

1996, 34-35). Die Reformen der Verfassung von 1822 wuren damit annulliert.

Dem Text von 1822 wird eine, wenn auch zeitbeschränkte, weitgehende politische

Wirkung in der Moldau sowie auch eine philosophisch-intellektuelle Basis

zugeschrieben, welche als solche über die Bewegung und Erfolge von Tudor

Vladimirescu in der Walachei hinausgehen (Barnovschi [1923], 14, 58). Die

80

Bedeutung des Textes von 1822, auch wenn es mit ihm nicht einmal formal gelang,

das Vasallenverhältnis der Moldau zur Pforte zu lockern (Barnovschi [1923], 74), liegt

in zwei Aspekten. Einerseits erwirkten die cărvunari die Wiedereinsetzung einer

domnie pământească, d.h. von autochthonen Herrschern in der Moldau und, in Folge,

auch in der Walachei (ib. p. 68, nach A.D. Xenopol, Fußnote 1). Zweitens beginnt mit

der, von den cărvunari vertretenen Ideologie das politisch demokratische Denken in

Rumänien und damit, nach Lucian Predescu, die Voraussetzung für den zukünftigen

modernen rumänischen Staat: „Originile vieţii de stat modern democratic, se încheagă

la noi, în Constituţia moldovenească de la 13 Septembrie 1822.“ (1999, 11, 13). Die

Entstehung der von den cărvunari vertretenen sozial-liberale(re)n Ideologie dürfte –

wie zuvor in Frankreich – auf die große Unzufriedenheit der „nobilimea neajunsă la

aristocraţie“, also des von den Aristokraten ausgeschlossenen Adels, mit dem Hof und

seinen Ministern zurückzuführen sein (Barnovschi [1923], 28).

V.2. Ideologische Einflüsse der Reformvorschläge von 1822 (nach Barnovschi)

Barnovschi weist immer wieder auf die französisch-revolutionäre Ideologie des Textes

von 1822 hin, ja auf den Umstand, dass der (oder die Verfasser, siehe unten)

passagenweise direkt von der Declaraţia drepturilor omului şi ale cetăţeanului

übersetzt hätten. Dies scheint gesichert durch Alecu Russo, der 1855 die Handschriften

von Ionică Tăutu, dem Hauptverfasser des Textes von 1822, einsah ([1923], 175; 48,

99). Die Vermittlung und Übernahme der neuen, progressiven Ideen durch die

Moldauer wurde von Barnovschi als mehrfache geschildert. Die frühesten gingen, so

der Rechtsphilosoph, auf den seit Ende des 16. Jahrhunderts bis zur Phanariotenzeit

bestehenden Kontakt junger moldauischer Bojaren mit Polen zurück. Die polnischen

cărvunari, die in ihren politischen Ansichten das revolutionäre Frankreich imitierten,

flüchteten vor der polnischen Regierung oft in die Moldau. Sie flohen insbesonders

nach der dritten Teilung Polens (1795) vor der russischen Macht in dieses Fürstentum

und schlossen sich hier mit der boierime secundară zusammen. Aber auch die

phanariotische Aristokratie, welcher große Bibliotheken, wie die des um die Mitte des

18. Jahrhunderts regierenden Constantin Mavrocordat, mit Enzyklopädien, Originalen

und Übersetzungen zur Verfügung standen, nahmen das neue Denken in sich auf.

Desweiteren dürften das habsburgische Siebenbürgen und die Bukowina die

Aufnahme westlichen Gedankenguts verstärkt haben, wie auch das russische

Bessarabien, insbesonders die russische Offiziersschicht, die ideologischen

Strömungen aus Frankreich (Barnovschi [1923], 30-39, 44-45). Die Kunde über die

französische Revolution wurde in mehreren Wellen und zeitverschoben aber auch

direkt nach Osteuropa und in die rumänischen Fürstentümer getragen, zuerst durch

französische Königsanhänger, die auf ihrer Flucht nach Russland die Moldau

durchquerten und in Kontakt mit der russophilen protipendadă kamen. Ihnen folgten

die Propagandisten der Revolution und drittens die besiegten Revolutionäre. Auch

waren die französischen Agenten und Konsuln Vermittler der neuen Ideen. In den

Bojarenhäusern wurde über die pretenţia Statelor generale, căderea Bastiliei,

Declararea Drepturilor omului etc. diskutiert. Ein Teil der Bojaren sah in Frankreich

ein Modell. In der siegreichen Zeit Napoleons, als die russophile protipendadă an

Einfluss verlor, versuchte die boierime secundară, Frankreich für ihre Interessen zu

81

gewinnen. Frankreichs Einfluss auf die Politik der Moldau wurde so stark, dass

Napoleon, vertreten durch Talleyrand zweitweise sogar die Fürsten (Moruzi und

Calimachi) bestimmte (Barnovschi [1923], 39-48).

Barnovschi verweist in seiner Studie immer wieder auf die Modellfunktion der

Déclaration. Dies ist meistens, auch wenn nicht immer ganz wörtlich,

nachzuvollziehen. Wir geben im Folgenden, auch in Anlehnung an den

Rechtsphilosophen, einige Beispiele. Punkt 4 der Verfassung der cărvunari legt

wörtlich fest: Niemand soll abgehalten werden zu tun, was die Gesetze nicht verletzt

(„Să nu poată fi nimenea oprit de a face cele ce nu vatămă pravilele.”). Dies entspricht

sinngemäß, nicht wortwörtlich, dem Article 5 der Déclaration, die besagt: Das Gesetz

hat ausschließlich das Recht, für die Gesellschaft nützliche Handlungen zu schützen.

Alles, was nicht durch das Gesetz geschützt wird, kann nicht verhindert werden, und

niemand kann gezwungen werden, zu tun, was es nicht anordnet („La loi n‟a le droit

de défendre que les actions nuisibles à la société. Tout ce qui n‟est pas défendu par la

loi ne peut être empêché, et nul ne peut être contraint à faire ce qu‟elle n‟ordonne

pas.”). Punkt 5 des rumänischen Textes hält fest, dass niemand auch nur irgendeinen

Teil seines Vermögens ohne seinen freien Willen verlieren können soll, außer im Fall,

dass eine unbedingte, die Allgemeinheit betreffende und gesetzlich geregelte

Notwendigkeit dies verlangen wird; dann aber nachdem dieser Person eine der Sache,

die man von ihr nehmen wird, angemessene Entschädigung gemacht haben wird (“5.

Să nu poată fi nimenea lipsit de vreo parte din averea sa fără slobodă voinţa sa, afară

numai de are vreo întâmplare când o neapărată obştească trebuinţă praviliceşte

îndreptăţită o va cere aceasta; dar şi atunci după ce i se va face o despăgubire potrivită

cu lucrul ce se va cere a i se lua.)”. Der Punkt folgt dem Prinzip der <staatlichen

Eigentumsbeschlagnahmung (nur) gegen Entschädigung>, wie er im Article 17 der

Déclaration zum Ausdruck gebracht ist: „La propriété étant un droit inviolable et

sacré, nul ne peut en être privé, si ce n‟est lorsque la nécessité publique, légalement

constatée, l‟exige évidemment, et sous la condition d‟une juste et préalable

indemnité.” (Barnovschi [1923], 125). Die Punkte 6 und 7 des rumänischen

Programms (“6. Să nu poată fi nimenea învinovăţit, ridicat la închisoare sau pedepsit

decât numai întru întâmplările hotărâte prin pravilă şi după formele pravilei. 7. Tot

acela ce se va chema sau s-a rădicat din poruncă după hotărârea pravililor şi a formelor

ei să se supue îndată; iar împotrivirea să fie cunoscută de vinovăţie şi să supue

judecăţei praviliceşti.”) entsprechen semantisch vollständig dem Article 7 der

Déclaration: „Article 7 - Nul homme ne peut être accusé, arrêté ou détenu que dans les

cas déterminés par la loi et selon les formes qu‟elle a prescrites. Ceux qui sollicitent,

expédient, exécutent ou font exécuter des ordres arbitraires doivent être punis; mais

tout citoyen appelé ou saisi en vertu de la loi doit obéir à l‟instant; il se rend coupable

par la résistance.”. Auch Punkt 9 des moldauischen Textes entspricht vollständig dem

Artikel 9 der Déclaration in der formulierten Forderung des gesetzmäßigen Handelns

der Justiz sowie der Achtung / Garantie der Sicherheit inhaftierter Personen.

Neben den sicherlich festzustellenden punktuellen Analogien und Übereinstimmungen

des rumänischen und französischen Textes – v.a. in den ersten ca. 10 der insgesamt 77

Punkte –, gibt es aber auch strukturelle wie semantisch-theoretische Unterschiede.

Punkt 5 folgt, wie schon oben erwähnt, zwar im Wesentlichen dem Article 17 (Prinzip

82

der Entschädigung bei staatlicher Vermögensbeschlagnahmung), spricht aber nicht,

wie dieser von der propriété als einem droit inviolable et sacré. Nur im Article 4 des

französischen Textes, welcher, wie Punkt 4 des rumänischen Textes, die Freiheit des

Individuums (im Rahmen der Gesetze) bestätigt, wird auf die droits naturels de

chaque homme hingewiesen:

„La liberté consiste à pouvoir faire tout ce qui ne nuit pas à autrui: ainsi,

l‟exercice des droits naturels de chaque homme n‟a de bornes que celles qui

assurent aux autres membres de la société la jouissance de ces mêmes droits.

Ces bornes ne peuvent être déterminées que par la loi.”.

Analog zum französischen Text behauptet auch der rumänische Text (Punkt 8) die

Gleichheit aller vor dem Gesetz:

„Tot cela ce va cuteza vreo lucrare împotriva cuiva nevoinicită [sic;

nevolnicită?, mit der Bedeutung <unerlaubt> ?] în pravilă şi în formele pravilei

fie măcar şi judecător sau stăpân aceluia ... să fie supus vinovăţiei şi judecăţei

praviliceşti, fără alegere de obraji.”.

Die prinzipielle Gleichheit vor dem Gesetz wurde jedoch von den französischen

Revolutionären expliziter formuliert („Elle [la loi] doit être la même pour tous, soit

qu‟elle protège, soit qu‟elle punisse.”). Auch gibt der rumänische Text nicht alle

Begrifflichkeiten (siehe unten) und Lexikalisierungen des französischen Textes wider.

Ein auffälliges Beispiel ist, dass der französische citoyen im Rumänischen nicht

widergegeben ist:

„Article 6 - La loi est l‟expression de la volonté générale. Tous les citoyens ont

droit de concourir personnellement ou par leurs représentants à sa formation.

Elle doit être la même pour tous, soit qu‟elle protège, soit qu‟elle punisse. Tous

les citoyens, étant égaux à ces yeux, sont également admissibles à toutes

dignités, places et emplois publics, selon leur capacité et sans autre distinction

que celle de leurs vertus et de leurs talents.”.

Der Gesamtheit der zivilstaatlichen citoyens steht der (staats)politisch unkonnotierte

Ausdruck <ein jeder> gegenüber (“9. Pentru tot cela ce”, „fieşte-cine” (Punkt 3 und

9). E. Lovinescu definierte „Proectul Constituţiei din 13 Sept. 1822” als eine „replică

foarte revăzută a ideologiei Marei Revoluţii, din care trebue să reţinem, între altele, ca

elementele de progres, nucleul unei organizaţii constituţionale, principiul separaţiei

puterilor, sau egalitatea înaintea legii, o relativă autoritate a lucrului judecat.“ ([1924],

I, 60-61). In analoger Weise sah Barnovschi in dem Text „schema completă a unei

constituţii moderne” ([1923], 194). Er interpretiert den Text aus rechtsphilosophischer

Sicht und behandelt folgende Kernbegriffe (ib., 175-196): erstens, die suveranitate,

Souveränität, welche u.a. in der zukünftigen Exekutive von Armee und Polizei, dann

in der Vorstellung des moldauischen Volkes als Souverän konzipiert sei. Als zweites

modernes Verfassungsprinzip sieht der Rechtsphilosoph eine allgemein gültige, wenn

auch durch das Gesetz begrenzte individuelle libertate, Freiheit. Die cărvunari hätten

die Freiheit / den Freiheitswillen der robi, <Unfreien>, welche noch nicht als frei zu

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seiende konzipiert wurden, vorbereitet. Der Autor verweist beim Thema der Freiheit

(und Gleichheit) auf die, für die carbonari des Westens wie Ostens gleich gültige

libertate înţeleaptă, „nezădărnicită de absurda şi răufăcătoarea egalitate” (Barnovschi

[1923], 51), als eine weise, von der absurden und schlechtmachenden Gleichheit

losgelöste Freiheit. Barnovschi zufolge konzipiert der Text noch weitere Freiheiten:

libertatea învăţământului, die freie Bildung(smöglichkeit); libertatea muncii, die,

selbst für den Westen unübliche Freiheit, Arbeit und Beruf zu wählen; libertatea

conştiinţei, die Freiheit des Glaubens; libertatea presei, die Freiheit des öffentlichen

Ausdrucks, welche durch die Gründung einer (nationalen) Druckerei gewährleistet

werden soll; dann die – von Barnovschi hier eingereihte – inviolabilitate a

domiciliului, die allgemeine Unverletzbarkeit des Wohnorts; die Freiheit (das Recht)

auf proprietate, Eigentum, welches – progressiver als im späteren Regulament – nur

gegen Entschädigung beschlagnahmt werden kann; dann – von Barnovschi hier

eingereihte – bestimmte, dem stat dienende monopoluri und libertatea politică, die

politische Freiheit, welche nach moderneren Theorien (Dissescu) das Wahlrecht für

weite Kreise der Bevölkerung, das allgemeine Recht auf öffentliche Ämter, eine

souveräne Nationalrepräsentanz, die Unabhängigkeit von Ämtern, die Freiheit der

Presse und die Versammlungsfreiheit miteinschließe und im Text, mit Ausnahme des

letzten Punktes gegeben wäre.

Weitere Prinzipien des Textes seien dreptul de petiţie, das Petitionsrecht, das jedoch

schon im im Gewohnheitsrecht (obiceiul pământului), vorgesehen war, dem zufolge

jeder eine jalbă, Gesuch, „la domnie sau la Divan”, also an den Fürsten oder den

Diwan, richten konnte, oder, in der als unterworfen bezeichnete Moldau (Moldova

închinată), auch an den suzeran, Sultan. Der Text sieht auch die Frage der

naţionalitate oder naturalizare vor. Um 1822 überwog eher der Wunsch, den străini,

Fremden, nicht die Möglichkeit einzuräumen, sich einzubürgern. Auffällig ist die

Terminologie. Das obicei al pământului habe eher zwischen creştini ortodocşi und

necredincioşi als zwischen naţionali und străini unterschieden. Progressiv sei auch die

Konzeptualisierung des principiul egalităţii, des Prinzips der Gleichheit vor dem

Gesetz und das Ziel der Ämterbesetzung nach Verdienst. Der Text konzipiere

desweiteren puterile statului und agenţii statului, die Staatsgewalten und

Staatstragenden. Der sfat obştesc habe die suveranitate constituantă, konstituierende

Souveränität und sei zugleich auch das gewöhnliche Parlament. Die Verfassung hänge

von der gesetzgebenden Versammlung ab, die legislative ist gleichzeitig auch die

konstistuierende Gewalt (und der sfat obştesc). Die cărvunari hätten (nur) zwei

Staatsgewalten unterschieden, die legislative, als souveräne Gewalt, vom sfat obştesc,

und die exekutive, als souveräne Gewalt, vom domn ausgeübt. Eine putere

administrativă ist als mögliche dritte Gewalt skizziert, aber nicht deutlich oder klar

fomuliert. Puterea judecătorească, die Judikative, erscheint im Text nicht als

souveräne Gewalt und eher der Exekutive oder Administration untergeordnet. In

unserem Text ließen sich als weitere Gewalten – moderne Theorien unterschieden, so

Barnovschi [1923], 185, bis zu acht Gewalten – aufgrund ihrer Funktion auch eine

putere bisericească, eine Kirchliche Gewalt, oder das Vechiul Obicei als wirkliche

souveräne Gewalt („obiceiul pământului este singura putere suverană, de la care

emană toate celela[l]te ca simple organe.“) unterscheiden. Barnovschi verweist hier

auf die Theorie von E. Durkheim, Les formes elementaires de la vie religieuse.

84

Separaţia puterilor, die Gewaltentrennung, auch wenn sie teilweise durchscheint (am

deutlichsten in Punkt 19), sei nicht klar vollzogen: „Principiul separaţiei puterilor,

desigur, există în constituţia de la 1822, dar este secundar faţă de principiul colaborării

lor şi al controlului reciproc“ (Barnovschi [1923], 187). Die Legislative obliegt dem

sfat, der domn hat dabei eher konsultative und exekutive Funktion. Hingegen obliegt

ihm formell die exekutive Gewalt, jedoch häufig mit Mitbestimmung des sfat.

Organizarea puterilor constituite, die Organisation der konstituierten Gewalten sei in

vielen Teilen modern; sie werde von einer national-souveränen Repräsentanz

ausgeübt, die eine Art parlamentarische Kontrolle ausübt (z.B. Punkt 73, u.a.). Die

nationale Repräsentanz sei die einer Art Senat der Alten und zugleich auch die einer

Volkskammer; der sfat setze sich zusammen aus gewählten Mitgliedern und

Mitgliedern de drept, die durch cooptare hinzukommen (Art. 46 und 62). Der sfat

besteht aus hohen Würdenträgern, er gleicht einem Senat aus Aristokraten. Er sei aber

auch eine Volkskammer, weil seine Abgeordneten und Gewählten auch aus den

untersten Schichten der Privilegierten kommen. Das Mandat für Abgeordnete, manche

auf Lebenszeit, manche auf Zeit, folge modernen Verfassungen. Der domn habe die

exekutive Gewalt inne, und würde die Entscheidungen des sfat bestätigen (întări),

habe aber nicht das Recht eines echten Vetos. Der sfat habe generelle Kompetenz, er

entscheidet alles, auch ist er die konstituierende Gewalt; eine skizzierte

Unverletzlichkeit der Repräsentanten (Art. 20) und die Tatsache, dass sich der sfat

selbst einberuft (Art. 20), zeige westliche Beeinflussung (ib. p. 189). Das exekutive

Organ ist der domn, dennoch ist er eher ein Instrument des sfat; aus dem noch gültigen

obiceiul pământului habe er weniger Gewalt als Prestige (ib. p. 189). Wie schon

erwähnt, seien nur die Legislative und die Exekutive souveräne Gewalten (ib. 189).

Souverän seien die administrative Gewalt (puterea administrativă) und die judikative

Gewalt (puterea judecătorească). Erstere sei dem sfat und, in geringerem Maße, dem

domn anvertraut. Die Verfasser strebten nach Demokratisierung und Unabhängigkeit

der Verwaltung. Neu im Vergleich zur türkischen Verwaltung sei, dass die

Funktionäre des Staats nicht von individuellen Auftraggebern abhängen. Weitere

Prinzipien seien die Befristung auf ein Jahr, die Wahl der Beamten, die Einsetzung

von consilii (eforii), plurale Leitungen, anstelle singulärer Personen, die persönliche

Verantwortung, die Ernennung der Beamten nach Verdienst und Kompetenz

(Barnovschi [1293, 190-191]). Die judikative Gewalt sei – der Theorie nach – insofern

gegeben, als dass sie in bestimmter Form als eigenständig, aber nicht als souveräne

Gewalt anzusehen ist; ihre Repräsentanten werden nach ihrem Ruf ernannt

(Barnovschi [1923, 190-192]). Die kirchliche Gewalt (puterea bisericească) erscheint

dem Rechtsphilosophen als starke souveräne Gewalt, bei Konflikten zwischen der

Kirche und den Gesetzen wiege jene stärker. Sie sei unabhängig und autonom. Für

Priester würden Schulen vorgesehen, Kirche und Klöster in ihrer Verwaltung

nationalisiert. Bis zu ihrem obersten Klerus können die Vertreter aus den untersten

Klassen der Bevölkerung ernannt werden (Barnovschi [1923], 193). In mehreren

Punkten folge der Text der englischen Verfassung (Barnovschi [1923], 187).

Allerdings gibt Barnovschi hierzu keine genaueren Angaben.

Die Verfassung der cărvunari sehe eine konstitutionelle Wahlmonarchie vor. Ihr domn

werde von einem speziellen Kollegium gewählt, welches die ganze Bevölkerung der

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Moldau repräsentiere. Der domn könne aus allen Schichten der Bevölkerung gewählt

werden (das spätere Regulament sei hierzu rückschrittlicher). Er sei ein souveräner

Vasalle nach außen und ein konstitutioneller Monarch mit beschränkter Macht im

Inneren, der unverletzbare Würde genießt. Die miniştri, Minister – die allerdings noch

nicht den heutigen Ministern entsprechen – seien Bojaren mit konkreten Funktionen

(boieri efectivi). Ihre Ernennung erfolge analog zur Ernennung in parlamentarischen

Ministerien, unter der Anordnung des domn und auf Vorschlag des sfat. Die

Organisation des Finanzministeriums belege, dass die Verwaltung nicht mehr als

Aufgabe des Fürsten, sondern als nationale Aufgabe angesehen wird. Rechtssprechung

könne nur auf gesetzlicher Basis gründen. Die Verfassung sehe eine einzige curte de

casaţie, einen Kassationshof, vor. Der sfat sorge für maßvolle Steuern und überwacht

die Budgets der Ministerien und die der Leitungen (eforii). Das gesammte Volk

stimme der Höhe der Steuern zu (liber consimţite de naţiune). Privilegien würden

reduziert und punktueller verliehen, das Steuersystem stärker kontrolliert, und. Gesetze

veröffentlicht werden. Missbrauch seitens der Administration (contencios

administrativ) würde gerichtlich verfolgt werden. Die Revision der Verfassung sei

implizit durch die Zuständigkeiten und generelle, konstituierende Funktion des sfat

gegeben. Nicht thematisiert sei libertatea întrunirilor, die Freiheit (das Recht), sich zu

versammeln. Die Unterdrückung der Freiheit zu emigrieren, sei ein bewusster Akt der

cărvunari. In der Freiheitsuntersagung in Straffällen folge der Text modernen

Theorien.

V.3. Sprachliche Besonderheiten des Textes der Reformvorschläge von 1822

In unserer Studie verwenden wir die Version des Textes von 1822, welche in

Barnovschi [1923], 100-120 enthalten ist. Dieser Text folgt der in der Kanzlei des

russischen Konsulats in Jassy aufbewahrten, hier von Xenopol entdeckten und von ihm

1898 veröffentlichten Variante (Barnovschi [1923], 172). Der Text ist einerseits eine

transcriere, gleichzeitig auch eine (teilweise) Übersetzung aus dem Französischen

(Barnovschi [1923], 175). Nicht nur auf diesen Umstand düfte die mitunter sehr

komplexe Syntax und Redundanz des Textes zurückgehen. Die Verfasser arbeiteten,

so scheint es, unter Zeitdruck, um ihren Vorschlag dem aus Istanbul erwarteten domn

bei dessen Ankunft vorzulegen. Manche Textstellen dürften desweiteren bewusst

unpräzise formuliert worden sein, um die Pforte nicht zu verärgern und zugleich einen

Spielraum für Interpretationen oder spätere Modifikationen einzuräumen (ib. 92-99,

175). Dies dürften die Gründe sein, warum trotz der Strukturiertheit des Textes an der

Oberfläche (cf. die Einteilung in 77 Punkte), diese Einteilung nicht immer sinnvoll ist,

manche Paragraphen vielleicht bewusst isoliert vorkommen, und die Behandlung

derselben Thematik desöfteren verstreut und daher unsystematisch ist (ib., 149, 150,

162).

Zudem war Rumänisch, konkreter das Moldauische, um 1822 als solches bzw. noch

weniger in legislativer Fachsprache gut ausgebaut. So dokumentiert der Text eine

Reihe von Umschreibungen für die, zu jener Zeit noch inexistenten Termini

legislativer Sprache. So bezeugt der Text auch, dass teilweise Begrifflichkeiten und

Konzeptionen des modernen Zivilisationswortschatzes (cf.

86

Metzeltin/Lindenbauer/Wochele 2005, Kap. IX) gerade erst im Entstehen sind. So

findet sich, um ein Beispiel zu geben, in Punkt 5, schon der terminologisierte Begriff

des <Gemeinnutzens> (binele obştesc, obştescul bine, obştescul folos etc.) neben der

Paraphrasierung <im Falle / wenn es irgendein Geschehnis gibt, dass eine allgemeine

unbedingte Notwendigkeit, die gesetzlich als solche gilt, dies verlangen wird>: „Să nu

poată fi nimenea lipsit de vreo parte din averea sa fără slobodă voinţa sa, afară numai

de are vreo întâmplare când o neapărată obştească trebuinţă praviliceşte îndreptăţită

o va cere aceasta;“ (Hervorheb. durch die Autorin). Ein weiteres Beispiel ist die

obşteasca socotinţă, die in dem folgenden Verfassungsabschnitt, so Barnovschi als

eine frühe „opinie publică” gedeutet werden kann, aber eben noch mit älteren Worten

lexikalisiert ist: „Vistiernicul halè să fie ocârmuitor şi împlinitor modelelor ce atârnă

de vistierie, fără să poată însă lucra vre-o prefacere cât de puţin în vre-o modè, lucru

care atârnă de obşteasca socotinţă şi de întărirea domnului unită cu a sfatului obştesc.”.

Und auch das Beispiel der <Exekutive> zeigt, dass dieser im modernen Rumänischen

durchaus verwendete Französimus, executivă, zuvor durch ein Derivat von a împlini,

<erfüllen>, ausgedrückt wurde (cf. die Syntagmen a se duce întru împlinire, [puterea]

care plineşte şi face a se plini toate aceste legături soţialiceşti in Punkt 23 und 75 und

Barnovschi, der Ocârmuire, Împlinire, Hotărâre als die älteren Termini der drei

Gewalten <Regierung>, <Exekutive> und <Judikative> erklärt [1923], 135-136).

Der Text weist auch eine Reihe von phonetischen Archaismen auf (z.B. giurământ; să

mestece anstelle von heutigem amestece; plinire anstelle von împlinire),

morphologischen Archaismen (entiresuri [sic], anstelle von heutigem interese; a ţinea

anstelle von a ţine), lexikalisch-semantischen Archaismen (feţe, mit der Bedeutung

von <Personen>), Regionalismen / Moldovenismen (go(r)ştină, eine Abgabe für

Schweine; pravăţ, Wegweiser), desweiteren heute nicht mehr verwendeten

Pronominalformen (niscaiva, irgendein, < lat. nescio qualem, cf. DEIC, s.v. niscai) etc.

Besonders auffällig ist auch die große Anzahl von Lehnwörtern, die heute nicht mehr

oder selten im Rumänischen verwendet werden oder mit anderer Semantik

weiterexistieren. Ältere Slawismen des Textes sind z.B. oblă[n]dui, <regieren,

verwalten>; ocârmuire, ocârmuitor <Regierung, Regent> (cf. DLR SN, s.v.) oder

pravilă, „gesetzliche Bestimmung, Vorschrift, Gesetz, Gesetzbuch” (cf. Tiktin, s.v.).

Der Text enthält aber auch Lehnprägungen nach slawischem Modell wie a îndulci („in

Verwendung im altrumänischen Schrifttum in Übersetzung des kls. nasladiti „ererben,

in den Genuß von etw. kommen” (cf. Tiktin, s.v.), in Punkt 14: „Pământean al

Moldovei să se numească tot cel născut în Moldova din părinţi moldoveni slobozi şi

aşezat cu locuinţa în Moldova, care să se îndulcească şi cu driturile pământenilor celor

legiuite;”). Auch nahezu aus dem heutigen Gebrauch verschwunden sind die

Gräzismen catahris, <Missbrauch>; clironomie, <Erbe, Erbschaft> („mod. gr.

klironomía”, cf. NDU, s.v.); chiverniseală, chivernisi <Handel, handeln> („kyvernisa,

Aorist von kyvernó”, cf. NDU, s.v.); modè, <die einzelne steuerpflichtige Person>

(Tiktin, s.v.), perilips, <Übersicht, Resümee, Auszug> („Ngr. περιληψις, cf. Tiktin,

s.v.); politie, <Stadt>; protipendadă <oberste Adelsklasse> oder siguripsi mit der

Bedeutung a (se) asigura (< „Ngr. σιγούρεψα, Aorist von σιγοσρεύω”, cf. Tiktin, s.v.).

Auffällig häufig sind auch Turzismen, die heute kaum mehr gebräuchlich sind, wie

acaret, „Avere nemişcătoare” (cf. DEIC, s.v.), adet, <(eine Art von) Steuer>, alişveriş,

<Handel> (cf. Tiktin, s.v.). In unserem Text erscheint sogar das Derivat a se

87

alişverişui, welches in Tiktin, DEIC nicht verzeichnet ist. Weitere Turzismen sind

havalelile (sic), mit den Bedeutungen „Anweisung, Beauftragung, ... Kommission ...

Angeordnete Leistung in Geld, Naturalien, Arbeit etc., Last, (Fron-)Arbeit”, (cf.

Tiktin, s.v. havalea), cusur mit der Bedeutung <Unvollständigkeit, Fehler> (cf.

Tiktin), mansupuri, <Post(amt)>, me(n)zil, „Poştă (căruţa, caii, staţia)” (cf. DEIC,

s.v.); vadea, <Frist>.

V.4. Analyse der Reformvorschläge von 1822

Während es nicht völlig geklärt ist, ob der Text in adunări deliberative, Ausschüssen,

beschlossen, oder von der ganzen „Partei” der cărvunari getragen wurde (Barnovschi

[1923], 50), ob es sich also um ein kollektives Werk oder eher das eines Einzelnen

handelt, gilt als hauptsächlicher Redakteur des Textes der Ingenieur und Kommis

Ionică Tăutu (Barnovschi [1923], 84; Lovinescu [1924], I, 58; Stan/Iosa 1996, 30),

welcher, nach Carp, den Thron der Moldau besteigen wollte. Auch das Mic dicţionar

enciclopedic (1978, s.v. Tăutu) stimmt hierin überein: „I [= Ion Tăutu] se atribuie

redactarea memoriului „cărvunarilor”, prin care mica boierime revendica egalitatea în

drepturi cu marea boierime.”. Stilistische Argumente führten aber Barnovschi auch

dazu, noch weitere Personen als Mitredakteure zu vermuten, in erster Linie den marele

vornic Iordache Drăghici, dann auch den mare vornic Ion Tăutu, den paharnic Vasile

Barnoskie, den Rechtsgelehrten Andronache Donici, den mare vornic Iordache

Catargiu etc. (Barnovschi [1923], 87-97).

Der suggerierte Sender des Textes ist das moldauische Volk, welches als obştie, dann

auch norod und neam genannt wird, wie es die folgenden Zitate belegen: „Cererile

cele mai însemnătoare ce se fac din partea obştiei Moldoviei...” (siehe den Prolog);

„obştia găseşte cu cale ca ...” (Punkt 47); „Pontul 1. Norodul Moldavei, ca un norod ce

din învechime...”; „Norodul, spre a i se ocârmui treburile sale cele din lăuntru în chipul

cuviincios ... cere ca ...” (Punkt 19); cf. auch Punkt 65.

Alle 77 Punkte des Textes werden als Forderungen des Volkes dargestellt (cf. Prolog).

In wenigen Passagen enthüllt der Sprachgebrauch eine Identifizierung des oder der

faktischen Sender(s) als eine Gruppe oder Teil des moldauischen Volkes (z.B. în limba

noastră, Punkt 65). Der intendierte Textempfänger ist der neue, aus Istanbul

kommende Landesfürst, dem die Reformvorschläge vorgelegt werden sollen

(Barnovschi [1923], 92).

Der Text umfasst 77 von einem Titel eingeleitete Punkte (cf. die Bezeichnung: Pontul

1) Die einleitende Passage macht deutlich, dass Forderungen folgen, welche die Zeit

bis zur endgültigen Aufstellung eines Landesgesetzes überbrücken sollen und dass

sowohl für die Vorlage der „Petition”, als auch für das zukünftige Gesetz als solches

um die Approbation des Sultans gebeten werden muss: „Cererile cele mai

însemnătoare ce se fac din partea obştiei Moldoviei atocmite cu cele cuprinse prin

obştească jalbă sa, trimisă către prea înaltul Devlet şi în temeiul sfântului şi înaltul

împărătescului ferman ce s‟a slăbozit la ... ca să fie obşteşte sfinţite aceste cereri, spre

a sluji pământeştei ocârmuiri de temelie până se va putea înştiinţa pravila ţărei într‟o

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desăvârşită alcătuire.” (Prolog). Dass der hier analysierte Text ein Vortext zu einer

gewünschten Verfassung sein sollte, ergibt sich auch aus Punkt 75: „... dar pân se va

alcătui şi se va (sic) înfiinţa pravilele ţărei după chipul arătat, se va urma în pricinile de

giudecăţi politiceşti după împărăteştile pravile şi în pricinile de giudecăţi criminaliceşti

după (...) până când va lua sfărşit pravila ţărei.”.

Auf die Einleitung folgen 23 Punkte (Pontul 1.-23.), dann fünf weitere Abschnitte:

Pentru locurile unde să se caute dreptatea politicească şi criminalicească (Artikel 24.-

37.)

Pentru alte mansupuri şi dregători (Artikel 38.-45.)

Pentru alegerea persoanelor de slujbă (Artikel 46.-52.)

Chipurile îndreptărei cerute de obşte pentru acele mai jos însemnate (Artikel 53.-61.)

Alte cereri de obştească trebuinţă (Artikel 62.-77.)

Wie wir in der Analyse gearbeitet haben, wurde im methodologischen Teil (Kapitel

III) erläutert. Hier sei aber erwähnt, dass wir im Folgenden Zitate, wo es möglich und

sinnvoll war, anführen, dass wir aber, aus Platzgründen nicht die Wort für Wort-

Übersetzung geben, sondern „kondensierte” Resümees wiedergeben. Motiv dafür sind,

wie es das folgende Beispiel zeigen soll, die oft sehr langen Satzgefüge, mit vielen

Unterordnungen und Redundanzen:

„Pravila fiind tot temeiul în care stă stavila întregei slobozenii, hotarul puterei

celor ce plinesc trebile obşteşti, pravăţul cel povăţuitoriu spre ocrotirea acestei

(sic), a averei şi a drepturilor obşteşti sau în partea neştecăruia, şi în sfârşit

temeiul puterei care plineşte şi face a se plini toate aceste legături soţialiceşti,

cererea obştei este ca, pe temeiul cererilor sale aceste arătate şi acele următoare

de aceste, precum şi acele ce se vor mai găsi de cuviinţă afară de aceste, să

înfăţoşăze o pravilă a ţărei în deplină cuprindere a pravililor politiceşti şi acele

criminaliceşti, precum şi a tuturor orânduelilor celor sfinţite a pământului, care

pravă (sic), alcătuindu-se în limba noastră, să se întărească şi să dee în

cunoştinţă cea de obştie, spre a o avea fieşte cine de pravăţ asupra dreptăţilor şi

asupra îndatoririlor sale;” (Punkt 75)

Im Folgenden listen wir die wichtigsten semantischen Themen in der Chronologie

ihrer Erwähnung im Text auf. Dabei geben wir den Hinweis, ob die Thematiken

explizit, als direkte Forderungen (z.B. eines volitiven Senderakts wie <să se...>) oder

implizit, z.B. in Neben-, oder Relativsätzen oder Satzteilergänzungen (wir im

folgenden Beispiel die <Pflichten und Rechte des allgemeinen Volkes> als

Genitivergänzung zum Landesgesetz „Pravila ţărei în deplină cuprindere şi al (sic)

îndatoririlor şi a îndreptărilor obştiei să se dee în obşteasca cunoştinţă...”, Punkt 17,

Hervorhebung durch die Autorin) etc. vorkommen:

[1] die implizite Bestätigung der hegemonialen Herrschaft / Suzeranität der Pforte über

die Moldau in der Formulierung „ca să fie obşteşte sfinţite aceste cereri” (Prolog); in

der Forderung von autonomen Rechten unter dem Schutz der Pforte und der Gültigkeit

der geforderten historischen Privilegien in voller Wahrung der Untertänigkeit und

Treue gegenüber dem hohen Devleat, der osmanischen Regierung (Pontul 1); in der

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Forderung der Gewährung eines einheimischen Landesfürsten seitens der Pforte

(milostivnica îndurare pre puternicei noastre împărăţii), seiner Bestätigung und

Einsetzung durch diese: „Pentru domnii acestei ţări, rămăind după milostivnica

îndurare pre [sic] puternicei noastre împărăţii ca să fie din pământeni domni ...

făcându-se cunoscut pre puternicei împărăţii prin obştesc Arz-magzar pentru acel ales,

să facă şi rugăminte de a se întări şi a se orândui domn.” (Punkt 72); in der Treue des

zukünftigen Herrschers zur Pforte („alegându-se domnul ... şi pentru vrednicia cea

cuviincioasă unui domn şi pentru credinţa sa cătră pre puternica împărăţie”, Punkt 72)

[2] die implizite und explizite Forderung nach Gesetzes- und Strafgesetzwirksamkeit /

Gesetzesbeachtung in der Forderung eines konkreten Landesgesetzes (cf. Einleitung,

Punkt 1), einer (einzig geltenden) gesetzlichen Regelung der Steuer für Eigentum

(Punkt 3), eines die individuelle Freiheit begrenzenden Gesetzesrahmens (Punkt 4), in

der geforderten Befolgung der Gesetze durch die Allgemeinheit (Punkt 7), in der

geforderten gesetzlichen Steuerhöhe (Punkt 3), im geforderten gesetzmäßigen Handeln

der Justiz, insbesonders bei Anschuldigung, Inhaftierung und Bestrafung von

Personen, Punkt 4, 6, 9), in der Beschlagnahmung von Eigentum für den

Gemeinnutzen (Punkt 5), bei Gefährdung des Gemeinwohls und Antastung der Würde

des Herrschers (Punkt 11), in der geforderten gesetzlich geregelten Zollhöhe (Punkt

13); im geforderten ordnungsgemäßen Verkauf von Fleisch, Brot und anderem nach

gesetzlichen, nicht überhobenen Preisen (Punkt 42); im geforderten Charakter des

logofăt al doile, des Sekretärs von Hof, Gericht und sfat (Punkt 44)

[3] die explizite Forderung des (historischen) Rechts auf Autonomie bzw. der freien

Herrscherwahl sowie Gültigkeit eigener Gesetze im Rahmen der <Suzeranität> der

Pforte (Pontul 1), in der Gewährung oder Ablehnung der Einbürgerung von Personen

seitens der moldauischen Regierung (Punkt 15), in inneren Angelegenheiten durch

Wiedereinführung der Praxis des sfat, des Allgemeinen Rats (Punkt 19) und seiner

Zuständigkeiten (Punkt 21), in der Forderung des unbeschränkten ostchristlichen

Glaubens und Kultus bei freier Ausübung aller anderen Konfessionen, insofern diese

nicht den einheimischen Glauben verletzen (Punkt 2)

[4] die explizite Forderung des Rechts auf Eigentum, sei es beweglich oder

unbeweglich (Punkt 3)

[5] die explizite Forderung der allgemeinen Freiheit des Individuums (im Rahmen der

Gesetze) (Punkt 4)

[6] die explizite Forderung der Entschädigung bei Eigentumsbeschlagnahmung, die

nur im Sinne des Gemeinnutzens geschehen soll (Punkt 5)

90

[7] die explizite Forderung der Gleichheit aller vor dem (Straf)Gesetz (Punkt 9)

[8] die explizite Forderung der Achtung der Würde der Person bzw. der

Unantastbarkeit ihrer Würde (Punkt 10)

[9] die explizite Forderung der Sorge für das Gemeinwohl und für das Heil / die

Unantastbarkeit der Würde des Herrschers (bei Strafe nach dem Gesetz für unläuteres

Vorgehen / Gefährdung der Würde des Herrschers) (Punkt 11)

[10] die explizite Forderung, bei Ämterbesetzung Missbrauch zu verhindern

(Barnovschi [1923], 130) bzw. öffentliche judikative, administrative oder andere

Ämter nicht als Erbe oder Pfründe / Bereicherungsmöglichkeit besetzen zu lassen: „12.

Nici un fel de slujbă obştească, nici de judecătorie, nici de zabetlâc, nici de orice altă

trebuinţă să nu se socotească de clironomie sau de chiverniseală, şi nici să se dee vre

odinioară sub acest fel de socotinţă.”; Entlohnung zur Zufriedenheit von Beamten soll

Missbrauch stoppen (Punkt 49)

[11] die explizite Forderung der Freiheit der Arbeit(swahl), in der Forderung der

Freiheit / Erlaubnis zu jeglicher Landarbeit sowie jeglicher Handwerkstätten, von

Fabriken oder Kunsthandwerk (Punkt 13); implizit wird diese Freiheit der Arbeit auch

in der Möglichkeit der Gründung einer Druckerei durch irgendeinen Einwohner

gefordert (siehe Zitat unten, Punkt 66)

[12] die explizite Forderung der Handelsfreiheit in der Moldau in der freien Ausfuhr

einheimischer und freien Einfuhr von fremden Waren (ohne weitere Abgaben als den

dafür gesetzlich geregelten Zoll), (Punkt 13); die explizit geforderte Handelsfreiheit

für Fremde im Land (Punkt 68)

[13] die Festlegung der Bedingungen der <Bürgerschaft> bzw. der Einbürgerung

durch die Geburt von freien moldauischen Eltern und die Ansässigkeit in der Moldau

bzw., für Fremde, die Großjährigkeit und Heirat mit einer (vermögenden,

unbewegliche Güter besitzenden) Einheimischen, sowie durch einen zehnjährigen

ununterbrochenen Aufenthalt in der Moldau und durch ein moralisch intaktes

Verhalten in dieser Zeit (mit abschließendem Behördenweg)

[14] die explizit geforderte Aberkennung des Rechts [wörtlich:] einheimisch zu sein

bzw. ein Landesamt zu besetzen im Falle des Besitzes einer anderen

<Staatsbürgerschaft>, einer begangenen Straftat oder Intrige gegen das Land (Punkt

16)

[15] die implizite Feststellung, dass die obştie, das allgemeine Volk, Pflichten und

Rechte innehat („Pravila ţărei în deplină cuprindere şi al (sic) îndatoririlor şi a

îndreptărilor obştiei să se dee în obşteasca cunoştinţă...”, Punkt 17; „Modelele ce

atârnă de vistierie, ca nişte lucruri ce se ating de cele mai simţitoare drituri şi entiresuri

(sic) obştei pământului, obştia [sic Hervorhebung im Text] cere de a aduce întru

îndreptare căzută şi întru orânduială...”, Punkt 52))

91

[16] die explizite Forderung der Gleichheit vor dem Gesetz („Înaintea pravilei să fie

socotiţi toţi deopotrivă şi fără deosebire, având a fi şi pravila una şi aceiaşi pentru toţi

...”, Punkt 18)

[17] die explizite Forderung einer [beginnenden] Gewaltenteilung, welche die

ocârmuire, Regentschaft, und die împlinire, Exekutive, in den Händen des Fürsten, die

hotărâre, Legislative, jedoch in den Händen des Fürsten und des Allgemeinen Rats

sieht (Barnovschi [1923], 134-135): „Norodul ... cere ca să i se întărească şi legiuirea

aceia a sfatului obştesc ..., legiuire după care puterea ocârmuirei şi a împlinirei să fie în

singură mână a domnilor, iar puterea hotărârei să fie pururea în mâna domnului

împreună cu sfatul obştesc.” (Punkt 20 und teilweise Punkt 23). Auch der hatman – er

repräsentiert die <Exekutive> – wird dem Befehl des Fürsten und des sfat obştesc

untergeordet (Punkt 40)

[18] die Bestimmung und Zusammenstellung der rechtssprechenden bzw.

Berufungsinstanzen, nach ihrer Wichtigkeit: Erster Diwan (divanul întâiu; Punkt 24),

Zweiter Diwan (divanul al doilea; Punkt 25), das Amt für auswärtige Angelegenheiten

(Departament al pricinelor străine; Punkt 26), das Amt für Strafangelegenheiten

(Departament criminalicesc; Punkt 27)

[19] die implizite Forderung der Beachtung von Verdienst bei der Besetzung von

Funktionen der dritten und vierten rechtssprechenden Instanz, dem Departament al

pricinelor străine und dem Departamentul criminalicesc (Punkt 26 und 27) sowie der

Besetzung des sfat obştesc: „urmându-se alegerea numai după meritul bunelor fapte”

(Punkt 46); „care boieri [der Kommission für Grenzstreitigkeiten, siehe das Zitat

unten] să fie aleşi acei mai cunoscuţi întru ştiinţă şi mai ispitiţi întru dreptate,” (Punkt

67)

[20] die explizit geforderten judikativen Zuständigkeiten von Richter (judecător) und

Präfekt (ispravnic) (Punkt 30)

[21] die explizite Forderung des Rechts auf Berufung: „Nemulţumindu-se vreo parte

cu hotărârea sau a judecătoriei, sau a isprăvniciei, aceea parte să aibă slobod dritul

apelaţiei,...” (Punkt 31)

[22] die Festlegung des Ersten Diwans als letzte / höchste Kontroll- und

Entscheidungsinstanz in gerichtlichen Untersuchungen: „Divanul întâi să nu poată

strica actul judecăţei făcute în judecătoria aceea de unde au păşit apelaţia cătră [sic]

dânsul, ce numai să cerceteze pricina după cursul actului şi după cuvintele părţei

nemulţumite ce au cerut apelaţie, şi dacă va găsi vreo greşeală, sau vreo urmare de

nedreptăţi, să întoarcă înapoi actul iară la judecătoria de unde l-au primit, ...” (Punkt

33, cf. auch Punkt 34)

[23] die explizit geforderte verpflichtende und detaillierte Dokumentation von

Untersuchungsfällen (Anlegung eines Dossiers, Punkt 35)

92

[24] die explizite Forderung, bei Urteilen moralisch (bedachtsam, verantwortlich und

im Sinne der Wahrheit und des Rechts: „spre pătrunderea adevărului”, „cu păzirea

dreptăţei” etc.) vorzugehen sowie im Urteil der Mehrheit der (anwesenden)

Urteilenden zu folgen: „iscălindu-se hotărârile cu păzirea dreptăţei şi întocma, fără cea

mai mică strămutare din glasurile pravilelor şi a formelor ei, şi hotărârea să i se dea

pururea după gnomiile cele mai multe la număr şi cu fiinţa de faţă a persoanelor ce să

judecă.” (Punkt 36)

[25] die explizite Forderung der Besetzung der Gerichtskanzleien, des Büros für das

Landesvermögen, der Kanzlei der casa aşăzăturilor patriei, der geplanten Kasse für

spezifische Landeseinrichtungen (siehe unten) sowie der Priester- und Diakonstellen

nach Bedarf: „Fieşte-care din judecătoriile însemnate mai sus să-şi aibă a sa canţălerie,

alcătuită de logofeţi şi scriitori, „după trebuinţă ...” (Punkt 36); „Vistieria să aibă,

precum şi până acum, un logofăt de vistierie, un sameş de vistierie şi atâţa modèţi şi

scriitori câţi vor trebui neapărat pentru căutarea trebilor după cea mai atocmită (sic)

bună orânduială, ...” (Punkt 39); „această capsă [casa aşăzăturilor patriei, sic im Text

caspă] să-şi aibă şi canţăleria ei, alcătuită de atâţa modeţi şi scriitori câţi vor trebui

neapărat pentru căutarea trebilor.” (Punkt 45); „Pentru preuţi [sic] şi diaconi, prin

sfatul obştesc să se pue la cale ca să se aducă în starea acea după cuviinţă pentru

vremea viitoare, ca să nu fie mai mulţi de câţi va cere trebuinţa...” (Punkt 64)

[26] die explizite Forderung der Verantwortlichkeit eines <Chefs> (un povăţuitor al

canţăleriei) der Gerichtskanzlei für den korrekten und zügigen Verlauf des

Prozesses/des Urteils und die zügige Freigabe der Akten: „Fieşte-care din judecătoriile

însemnate mai sus să-şi aibă a sa canţălerie, alcătuită de logofeţi şi scriitori ... şi de un

povăţuitor al canţăleriei, care să nu se păgubească din dreptul ce li s‟ar cădea depe şi

fără păsuire de vreme, şi de a feri fieştecare de cea mai puţină greşeală, având să fie

supuşi răspunderei, fără iertare pentru urmare dimpotrivă şi mai vârtos pentru

prelungirile ce ar face în săvârşirea lucrărei hotărîrilor şi a slobozirei actelor.” (Punkt

36)

[27] die explizite Bestimmung der Steuern durch das Volk und den Fürsten gemeinsam

mit dem sfat: „Vistiernicul halè să fie ocârmuitor şi împlinitor modelelor ce atârnă de

vistierie ..., lucru [prefacerea modelelor] care atârnă de obşteasca socotinţă şi de

întărirea domnului unită cu a sfatului obştesc.” (Punkt 38)

[28] die explizite Bestimmung der (exekutiven) Zuständigkeiten des dem Befehl des

Fürsten und des sfat unterstehenden hatman – seinen damaligen Funktionen zufolge,

eine Art Innenminister / Polizeipräfekt bzw. der spätere Kriegsminister – für die

Bewachung der Landesgrenzen (paza marginilor ţărei), das Ergreifen von Übeltätern

(tâlhari), die Aufstellung von Grenzkapitänen („Căpitanii marginilor să şi-i

orânduiască hatmanul.”; Punkt 40)

[29] die explizite Bestimmung der (exekutiven und richterlichen) Zuständigkeiten des

aga – Barnovschi [1924], 149-150 zufolge, ein primar und prefect de poliţie, also

Bürgermeister und Polizeipräfekt – bestehend einerseits in der Wache über die

Sicherheit der Stadt vor allem vor Feuer, vor Diebstahl und anderen superări

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personaliceşti, Ärgernissen von Personen, über das Vermögen der Städter (de averi a

târgoveţilor), über den ordnungsgemäßen Verkauf von Fleisch, Brot und anderem

(pâne, carne şi celelalte ale îndestulărei) nach gesetzlichen, nicht überhobenen Preisen

(„ca să se facă pe mansupurile cele drepte şi cu preţuri legiuite, spre a se păzi

efinătatea”), über die Bewahrung der allgemeinen Ruhe in der Stadt (buna orânduială

în târg) sowie andererseits in seiner Funktion bei Streitfällen unter Einwohnern die

Untersuchung gemeinsam mit einem Richter zu beginnen (Punkt 42)

[30] die explizite Forderung der Zusammenlegung einer Reihe von Kassen (casa

răsurilor, casa cutiei milelor, casa datoriilor, casa podurilor din Eşi, casa cişmelor,

casa şcoalelor obşteşti, casa spitalului Sf. Spiridon und casa Epitropiei celor

nevârstnici) zu einer einzigen, casa aşăzăturilor patriei, unter der Verwaltung von 6

Bojaren und deren Zuständig- und Verantwortlichkeiten (bestmögliche Führung,

selbständige Rechnungsführung etc.) (Punkt 45)

[31] die Verfügung des Budgets der casa aşăzăturilor patriei durch den domn und den

sfat obştesc („după ponturile lor şi rânduelile aşăzate de domn şi de Sfatul obştesc”;

Punkt 45; cf. hierzu Barnovschi [1923], 151)

[32] die Wahl der Mitglieder des sfat obştesc, mit Ausnahme der 16 die Kreise

repräsentierenden Bojaren (boieri vechili a ţinuturilor), nach dem gemeinsamen

Entschluss von Fürst und sfat („să se aleagă toţi aceştia după socotinţa domnului unită

cu a [s]fatului obştesc“), mit eventuellem Vetorecht des Fürsten gegen den Entscheid

des sfat im Sinne des Gemeinwohls des Landes („rămâind slobod domnului de a face

oarecare schimbare între cei aleşi de sfatul obştesc ... iarăş numai spre binele obştesc al

pământului.“) (Punkt 46)

[33] die Wahl von 16 Bojaren aristokratischer Herkunft in den Rat (sfat) durch die

Gesamtheit [alle Ränge] der Bojaren: „Şasăsprezece boieri vechili de pe la ţinuturi, ce

au să fie de pururea în sfatul obş[t]iesc, să fie aleşi după sloboda voinţă şi socotinţa

obştiei boierilor ţinutaşi.” (Punkt 48)

[34] die explizite Forderung der Regularisierung und Angemessenheit der Einkünfte

der Richter und aller Beamten des Hofes, Landes und der Kanzleien nach Höhe,

Funktion und Zufriedenstellung dieser; Festlegung der Höhe ihrer Einkünfte (avaeturi,

pocloane und alte venituri a toate mansupurilor şi slujbelor) durch Entscheid des

domn und des sfat (Punkt 49)

[35] die explizit geforderte gerichtliche Verurteilung bei Nichterfüllung des Amtes

oder der Annahme zusätzlichen Einkommens: „cei ce se vor dovedi că au primit mită

sau ruşfert dela cineva ... să fie supus [ohne acord zu cei] sub giudecata pravilicească”

(Punkt 50)

[36] die explizit geforderte Verleihung der Bojarentitel (numirea boierilor prin

îmbrăcarea de caftan) sowie der Ranghöhe gemäß dem Verdienst für das Land („...

potrivirea cinurilor să fie pe aceste măsuri a vredniciei după orice trebuinţă a patriei.”)

und nach Entscheid des Fürsten und des sfat; (Punkt 51)

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[37] die explizit geforderte Gültigkeit der Gesetze auch für alle Beamten im Dienste

öffentlicher Angelegenheiten und Angelegenheiten der Einwohner (Punkt 51;

Barnovschi [1923], 156-157)

[38] die explizite Forderung der Steuerreduzierung und Angemessenheit der Steuer

bzw. einer, die Bauern und die Gutsbesitzer gleichermaßen zufriedenstellenden Steuer:

„Adetul lăcuitorilor ţărani cătră stăpânii moşiilor să se îndrepteze întru o potrivire, ca

nici stăpânii moşiilor să nu se păgubească din dreptul ce li s-ar cădea de pe drept

pământul lor ce‟l dau lăcuitorilor de se hrănesc dar nici lăcuitorii să nu se asuprească.”

(Punkt 53) sowie „Birul ţărei, care până acum n-au avut dreapta lui cumpănire, să să

puie întru orânduială, ca acea s‟ar socoti mai bine şi mai nimerit, pentru ca nici să se

asuptrească prin el pământenii, dar să lipsască şi toate greutăţile, ...” (Punkt 54)

[39] die explizite Forderung, die Wirtschaft für das Land zu fördern, indem man gegen

den Missbrauch in den Städten vorbeugt: „să se poată întemeia târgurile, ştiut fiind că

ticăloşia târgurilor şi a politiilor aduc (sic) neapărată ticăloşie şi lucrătorilor de pământ

şi comerţiei.” (Punkt 53)

[40] die implizite und explizite Feststellung der Ausbeutung des Volkes: adăugiri

nedreaptă şi asupritoare (Punkt 54), „să lipsască tot feliul de asuprire şi de jăcuire”

(Punkt 57), asupriri pentru lăcuitori (Punkt 61)

[41] die explizit verlangte Fortführung von Steuerprivilegien für mazili (die aus

effektiven Ämtern ausgeschiedenen Bojaren, welche Abgaben boiereşte, also in

geringerer Proportion, zahlten, cf. IFŢR, 1988, s.v. mazil), dann auch für ruptaşi (eine

Gesellschaftsklasse, welche sich ursprünglich mit der vistierie, der Kanzlei für das

Landesvermögen, eine steuerliche Sonderstellung ausverhandelt hatte, cf. IFŢR, 1988,

s.v. ruptaş, ruptoare; sie zahlte im 18./19. Jahrhundert ausschließlich die ruptă, eine

Abgabe, die der stare, dem Vermögen / Stand, angepasst war; cf. DEIC, s.v. ruptaş

und ruptă), für Händler und die Söhne von Priestern: „Dajdia mazililor şi a ruptaşilor

aducând întru îndreptarea acea cuviincioasă, să fie păzite şi pravilele ce au aceste

trepte prin vechi hrisoave, asemine urmându-se şi pentru neguţitorii hrisovoliţi ...

Feciorii de preoţi, după rânduiala de mai înainte hotărâtă, să intre tot la rânduiala

ruptaşilor...” (Punkt 55)

[42] die explizit verlangte Umverteilung der camără / camănă, einer ursprünglich für

den Fürsten und den Hof bestimmten Abgabe (cf. IFŢR, 1988, s.v. camănă), (implizit)

zu Gunsten des Landesvermögens bzw. seiner Steuerträger und zugleich zu Ungunsten

des Fürsten: „... ruptele cămărei, acei ce nu vor fi din starea orăşănească, să se dee în

birul obştesc. Feciorii de preoţi, după rânduiala de mai înainte hotărâtă, să intre tot la

rânduiala ruptaşilor, şi toţi banii dăjdiilor acestori trepte să intre în socoteala birului

legiuit al ţărei.” (Punkt 55)

[43] die explizit verlangte Fortführung von Steuerabgaben (für Beamtensold, Schafe

und Schweine, Bienenstöcke, Wein, Zoll und Salz) in der Höhe der alten Tradition:

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„Slujbele răzumaturi, goştina, desetina, vădrăritul, precum şi venitul dela vămi şi al

ocnilor, să se urmeze şi de acum după rânduiala obicinuită din vechi...” (Punkt 56)

[44] die explizit geforderte schriftliche Fixierung des Steuersolls sowie die

Dokumentation der Einnahmen seitens der Beamten, zum Schutz gegen Missbrauch:

„[Bestimmte Steuern werden in der seit jeher fixierten Höhe beibehalten:] fără a se

mai face vre-o sporire peste ceea ce este legiuit; şi aceste slujbe ... să se caute ... într-

un chip ca să lipsască tot feliul de asuprire şi de jăcuire ce se urma până acum dându-

se spre acest sfârşit şi ţidule în tipariu pe la toate satele ţărei, arătătoare lămurit cât are

să plătească la fieşte care rezumat, şi îndatorindu-se slujbaşii ca să dee şi ei neapărat

ţidule iscălite şi lămurit arătătoare de câţi bani s-au luat dela fieşte cine anume şi pe

câte bucate.” (Punkt 56)

[45] die explizite Forderung der Annulierung der Pflicht, bei jedem Herrscherwechsel,

die fürstlich erlassenen Urkunden für Privilegien (hrisoave und cărţi) und trepte,

Ränge, zu erneuern: „Înnoirea hrisoavelor şi a cărţilor treptelor, ce se obicinuesc la

toată prifacerea de domnie, ca un lucru nedrept şi pricinuitor de struncinare, să se

rădice din această obicinuinţă...” (Punkt 58)

[46] die implizite Darstellung der Suzeranität der Pforte in der Pflicht der Moldau,

Fleisch, Schafe, Bauholz, Talg etc. nach Konstantinopel zu liefern: „Pentru zaharelile,

oile de mumbaeà şi cherestelile ce din poruncă împărătească se cer a merge de aici la

Ţarigrad, cererea obştiei este de a...” (Punkt 59)

[47] die explizite Forderung der Gültigkeit eines Edikts von 1803 für die

wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Pforte und der Moldau oder eines neuen

Edikts [implizit: um den Missbrauch zu stoppen, der durch die capanlîi, griechische

Händler, die für die Türken zu einem vorher von der Pforte fixierten Preis kaufen

sollten, jedoch in Komplizenschaft mit den Beamten vorort dies häufig unterliefen;

Eliade 2000, 23 und 108]: „Pentru zaharelile, oile de mumbaeà şi cherestelile ...,

cererea obştiei este de a se urma sfântului înalt împărătesc hatişerif ce este dat la anul

1803, sau după înaltă milostivnică poruncă împărătească ce se va da pentru această

pricină, şi vitele de zalhana (sic) de tot feliul ..., afară de suma acea trebuincioasă

pentru ţară, pogorându-se la Galaţi pentru ca să meargă la împărătescu caban, să se

vânză cu rizapazar capanlâilor ...” (Punkt 59)

[48] die explizite Forderung gesetzlicher Privilegien für alle Bojaren und ihre Witwen

(pentru giupânesele văduve), darunter die Verfügung über von Steuer Befreite

Untergeordnete (scutelnicii, breslaşii, slugi) für alle Bojaren „Scutelnicii, breslaşii şi

slugile, ca un privileghiu legiuit, să se dee neapărat şi fără osăbiri fieşte căruia boier...”

(Punkt 60)

[49] die explizite Forderung der gesetzlichen Regelung und Einhaltung der

Privilegienrechte der Bojaren nach ihrem Rang (după rangul său; Punkt 60)

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[50] die explizite Forderung der gesetzlichen Regelung und Einhaltung der feudalen

Abgabeleistungen: „acei legiuiţi să nu fie supăraţi nici cu un fel de havalele sau

angării” (Punkt 60)

[51] die explizite Aberkennung von Privilegien in Form von scutelnici, meseriaşi

breslaşi und slugi (siehe [48]) für Fremde: „Străinii să fie depărtaţi cu totul de acest

privileghiu care este numai al pământenilor...” (Punkt 60)

[52] die explizit geforderte Abschaffung einer Reihe von neu verlangten Steuern für

Alkoholproduktion und Mais, Pflaumenschnaps, Wein und Fleisch, wenn diese

ausgeführt werden, sowie Abschaffung der Steuer für den Ausschank: „Dările cele din

nou scornite, precum cfitul căldărilor de velniţă, cfitul păpuşoilor ce trec peste hotar

pentru neguţitorie, vama ce se lua de perjă şi pe tiţcovină (sic) [Barnovschi verwendet

das Wort tescovină, ein alkoholhältiges Getränk], plata pentru tot felul de vin ce trece

peste hotar, afară de suma legiuită analogă a zalhanalei din ialoviţa de negoţ, banii

potirilor de pe la crâşme, banii beşlegăritului ce se lua sub orice fel de numire, toate

aceste fiind de o vătămare vederată pentru neguţitori şi asupriri pentru lăcuitori, să se

ridice ca să nu mai fie ...”. (Punkt 61)

[53] die explizit geforderte Aufstellung des obersten, führenden, Klerus, in den

Personen des Metropoliten, der beiden Bischöfe von Roman und Huş und der

Klöstervorstände, aus ausnahmslos Einheimischen: „Metropolitul ţărei şi episcopii

Romanului şi a Huşului, să se păzască legiuire de a orândui ... numai din pământeni ...

Asemine şi egumeni prin toate mănăstirile ţărei să se rânduiască numai din pământeni

moldoveni ...; iar alţi arhierei sau şi egumeni străini, aceia în ţară să nu fie primiţi.”

(Punkt 62)

[54] die explizit geforderte Zuständigkeit des sfat obştesc, die Kirchenleitung (den

Metropoliten, die beiden Bischöfe und alle Klöstervorstände des Landes) zu wählen

(Punkt 62)

[55] die explizite Forderung der selbständigen Verwaltung von Nemţu und Secu und

der Planung einer epitropie, einer für die Einkünfte und das gute Funktionieren

verantwortlichen Verwaltung aller Klöster, des Hauses der Metropolie und der

Bischofssitze; sowie das Ziel der [erstmaligen] <staatlichen> Nutzung von Überfluss

aus den Klöstern für die [sozialen] Einrichtungen des Landes („iar prisosul veniturilor

să se dee la causa aşăzăturilor patriei”) (Punkt 63)

[56] die explizite Forderung einer angemessenen Ausbildung vorort der zukünftigen

Priester und Diakone: „acei [preuţi şi diaconi] care se vor face de acum, să fie învăţaţi

la şcoalele patriei cu ştiinţa cea deplină pentru ale bisericei şi a legei şi cu acea ştiinţă

cuviincioasă pentru această vrednicie” (Punkt 64)

[57] die explizit geforderte Entgräzisierung der Kirche durch die ausschließliche Wahl

aller Priester unter den Einheimischen: „toţi preuţii bisericilor şi a mănăstirilor să fie

numa din pământeni moldoveni” (Punkt 64)

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[58] die explizit verlangte Förderung der allgemeinen Bildung des moldauischen

Volkes durch Einrichtung verschiedener Bildungsstufen, von şcoale obşteşti,

öffentlichen Schulen (in Jassy und pe la toate târgurile din ţară, allen Städten des

Landes) und höheren Schulen („Apoi dupa aceasta, să intre cei (ce) vor voi în şcoale

de limbi streine”): „Spre obştescul folos şi păşirea înainte pentru învăţătura neamului

moldovenesc, să se aşăze şcoale obşteşti în Eşi şi pe la toate târgurile din ţară ..., întru-

un chip ca acela ca să poată învăţa oricine în limba noastră: gramatică, aritmetică,

geometrie, logică şi meşteşugul alcătuitor de scris, aceste fiind cele mai de trebuinţă

pentru toată starea de obştie, pe lângă ştiinţa celor cuviincioasă a legei, a pravilei şi a

datoriei obşteşti. Apoi dupa aceasta, să intre cei (ce) vor voi în şcoale de limbi streine,

aşezându-se şi acest fel de şcoale cum se vor socoti şi unde, spre a se da învăţături

într‟nsele în limbile ce sânt mai de trebuinţă pentru acest pământ, în care limbi să se

dea şi orice altă ştiinţă de tot felul.“ (Punkt 65)

[59] die explizit verlangte Förderung der rumänischen Sprache als geplante

Unterrichtssprache in der ersten Bildungsstufe („ca să poată învăţa oricine în limba

noastră”, siehe das vorangehende Zitat) (Punkt 65) sowie durch die Gründung einer

Druckerei in dieser Landessprache (în limba patriei): „O tipografie obştească în limba

patriei, afară de acea ce o avea mitropolia, să se sloboadă a se deschide şi a se alcătui

... care de nu o va face ocârmuirea, să se sloboadă voie ori cărui din pământeni s‟ar

găsi ca să o alcătuiască cu a sa cheltuială, dând însă şi ocârmuirea tot agiutorul cel

putincios din partea ei...” (Punkt 66)

[60] das – in einem Nebensatz – implizit formulierte Prinzip der Gleichheit aller

Personen („ca să poată învăţa oricine în limba noastră”, siehe das vorangehende Zitat;

Punkt 65)

[61] die explizit geforderte Zuständigkeit des sfat, Grenzstreitigkeiten gesetzlich zu

regeln bzw. eine Kommission, bestehend aus Bojaren und Ingenieuren, aufzustellen

(Punkt 67)

[62] das expizite Verbot für străini, Fremde, (weiterhin) Gutshöfe oder andere

unbewegliche Güter im Lande zu kaufen bzw. sich im Lande niederzulassen, jedoch

das explizite Recht / die Freiheit im Land Handel zu betreiben: „Streinii, să nu poată

de acum înainte a mai cumpăra moşii şi alte acareturi [avere nemişcătoare, cf. DEIC,

s.v.] stăpânitoare de veci în pământul acesta. Iar pentru lucrarea neguţitoriei, să fie

slobozi tot felul de străini de a urma în pământul acesta, fără a putea să se

statornicească cu lăcuinţă (sic) în ţară.” (Punkt 68)

[63] das explizite Landesverbot für eine bestimmte Gruppe von Arnauten und alţii

[wörtlich andere, worunter, nach Barnovschi [1923], 167 und 183 v.a. Griechen und

Türken gemeint sein dürften]: „Strănsura acea de Arnăuţi şi alţii, ce se obicinuise a fi

în pământul acesta purtătoare de arme, ca nişte oameni ce au fost pururea turburători şi

supărători patriei, să se încontinească (sic) şi niciodată să nu se mai primească subt

nici un fel (de) chip în Moldova.” (Punkt 69)

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[64] die expliziten Verbote für Juden, weiter ins Land zu kommen, Landgüter oder

Dorfgasthäuser zu haben (a ţinea moşii cu anu sau orânzi [cf. DEIC, s.v. orândă] pe la

sate), sich in Dörfern anzusiedeln (să locuiască statorniciţi prin sate),

Alkoholproduktionen zu eröffnen (a face velniţi pre la târguri), Schlachthöfe zu haben

(a ţinea căsăpii) außer für den eigenen Bedarf („având slobozenie numai pentru dânşii

să-şi tae carnea trebuincioasă“), der christlichen Bevölkerung Fleisch zu verkaufen

(şia [sic] vinde norodului creştinesc carne), mit der expliziten Begründung, dass die

Juden aufgrund ihres Geldhandels eine Plage für das Land sind und auch keine

Landarbeit leisten: „Neamul jidovesc fiind ca o sarcină pentru lăcuitorii pământeşti,

după chipurile cu care se chivernisesc, nefiind lucrători de pământ, să nu fie îngăduiţi

de acum înainte a se înmulţi cu venirea din alte părţi...” (Punkt 70)

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[65] das explizite Verbot für die „Ţiganii lăieşi şi ligurari [sic] ce sânt robi boiereşti”,

die als Nomaden lebenden Zigeuner der Bojaren [und Klöster, cf. DEIC, s.v. lăiaş]

sowie für die Ţiganii domneşti, die Zigeuner des Hofes, herumzuwandern, mit der

Begründung, dass sie Schaden bringen: „Ţiganii lăieşi şi ligurari [sic] ce sânt robi

boiereşti şi umblă cu şătrile prin ţară din loc în loc, fiindcă pricinuesc multe supărări

de furtişaguri şi păgubiri lăcuitorilor ţărei şi stăpânilor de moşii, să fie opriţi din

obicinuinţa umblărei lor acestei nestatornici, îndatorind pe stăpânii lor de a-i statornici

pe la moşiile lor, sau şi pe la târguri, acei ce au meşteşuguri; asămine şi pentru Ţiganii

domneşti, prin sfatul de obşte să să puie la cale, ca să lipsască supărările şi păgubirile

ce pricinuiesc şi aceştia în ţară.” (Punkt 71)

[66] die explizite Forderung eines einheimischen domn, Landesherrschers. Der Fürst

wird durch die Wahl der obşteasca adunare, der Allgemeinen Versammlung, d.h.

durch den Metropoliten, die beiden Bischöfe, alle Bojaren mit Amt, und nach

Stimmenmehrheit gewählt und unter den Bedingungen, dass er einheimisch, erfahren,

verdienstvoll, mit Liebe zum Vaterland (râvnă) und der Pforte verbindlich ist: „Pentru

domnii acestei ţări, rămăind după milostivnica îndurare pre [sic] puternicei noastre

împărăţii ca să fie din pământeni Domni, atunce alegerea Domnului să fie din prin

obşteasca adunare, alcătuită de Metropolit şi de episcopii ţărei şi de toată obştia

boierilor, dela logofăt mare şi până la şatrar, alegându-se domnul numa din pământeni

şi pi (sic) acel ce va fi mai cu deplină ispitire cunoscut şi însămnat pentru faptele sale

cele bune, pentru râvna patrioticească, pentru vrednicia cea cuviincioasă unui domn şi

pentru credinţa sa cătră pre puternica împărăţie, şi făcându-se alegirea (sich) după

socotinţa şi primirea celor mai mulţi ...” (Punkt 72).

[67] die explizite Forderung, dass der domn und der sfat gemeinsam Beschlüsse ziehen

und diese als der Wille des Volkes gelten: „Legiuindu-se privileghiul acesta a sfatului

obştesc, ce l‟au avut din învechime pământul, după rugătoarea cerere a se face din

parte (sic) obştei pământului, tot ce se va hotărî de domn împreună cu sfatul obştesc să

fie şi să se cunoască de hotărâre [î: sic] şi voinţă a toată ţara.” (Punkt 73)

[68] die explizite Forderung der Gültigkeit des jeweils aktuellen Gesetzes für das

ganze Volk, den Fürsten und den sfat [der „Imperativ” wird hier als einziges Mal

durch Indikativ Präsens ausgedrückt]: „Acea hotărâre are să fie desăvârşită pravilă,

căreia toată obştia norodului este datoare neapărat a se supune.” (Punkt 73);

„Pravilelor ţărei şi hotărârilor celor săvârşite şi de domn unit cu sfatul obştesc este

supus însus domnul şi sfatul obştesc, până când nu s‟ar anerisi acea hotărâre prin altă

pravilicească hotărâre.” (Punkt 74)

[69] die explizite Forderung, ein Zivil- wie Strafgesetz zunächst als Übergang, dann

ein definitives Gesetz in der Landessprache aufzustellen: „cererea obştei este ca, pe

temeiul cererilor sale aceste arătate şi acele următoare de aceste, precum şi acele ce se

vor mai găsi de cuviinţă afară de aceste, să înfăţoşăze o pravilă a ţărei în deplină

cuprindere a pravililor politiceşti şi acele criminaliceşti, precum şi a tuturor

orânduelilor celor sfinţite a pământului, care pravă (sic), alcătuindu-se în limba

noastră, să se întărească şi să dee în cunoştinţă cea de obştie, spre a o avea fieşte cine

de pravăţ asupra dreptăţilor şi asupra îndatoririlor sale; dar pân se va alcătui şi se va

100

(sic) înfiinţa pravilele ţărei după chipul arătat, se va urma în pricinile de giudecăţi

politiceşti după împărăteştile pravile şi în pricinile de giudecăţi criminaliceşti după (...)

până când va lua sfărşit pravila ţărei.” (Punkt 75)

[70] die explizite Festlegung der Zuständigkeit des sfat gemeinsam mit der des

Herrschers, alles [Barnovschi: alle Projekte] für das Gemeinwohl des Landes in die

Wege zu leiten: „dimpreună şi cu domnu stăpânitoriu, [Sfatul obştesc] are să se facă

începutul şi pornirea a toată lucrarea privitoare cătră sfârşitul cererilor însămnate

pentru binele patriei ...” (Punkt 76)

[71] die Aufstellung / Zusammensetzung des sfat aus den ausgewählten Bojaren der

Kreise (boierii ţinuturilor) sowie jenen aus Jassy (boierii orăşeni), dem Metropoliten

und den Bischöfen des Landes: „Ocârmuirea domniei să facă adecă înadins luminată

poroncă domnească cătră boierii ţinuturilor, ca să-şi aleagă dela fieşte care ţinut câte

un boier vechil şi să trimeată aici la Eşi; să facă iarăşi înadins luminată poruncă

domnească cătră boierii orăşeni din Eşi, ca să să aleagă doisprezece boieri de toată

treapta pentru acest dintâi sfatul (sic) obştesc; şi aceasta făcându-se, apoi, prin alta

luminata (sic) poruncă către preosfinţia lor Metropolitul şi episcopii ţărei şi cătră toţi

aleşii boieri vechili de pe la ţinuturi şi acei din boieri orăşeni a Eşului ...” (Punkt 76)

[72] die explizite Bitte (cerere) der Gewährung des Petitionsrechts, welches von den

griechischen Fürsten unterdrückt worden war (Barnovschi [1923], 172-173): „Fiindcă

jalbele obştei în trebuinţele patriei cătră prea puternica şi umbritoarea noastră

împărăţie au fost oprite dela o vreme încoace de către domnii greci ... cerirea obştei

este, ca slobozindu-se de cătră împărătească milostivire pământurilor dritul acesta ce

din vechiu l-au avut, să fie slobodă şi lucrarea acestui drit în orice vreme de trebuinţă”

(Punkt 77)

V.5. Interpretation der Reformvorschläge von 1822

Barnovschi schätzte den Text von 1822 aufgrund der aufscheinenden Konzepte (siehe

V.2.) als eine modern-demokratische Verfassung für die Moldau ein ([1923], 74). Wie

die Analyse zeigt, ist der Text strukturell jedoch dafür zu unsystematisch. Er behandelt

verschiedene „Kernthematiken” nicht nur teilweise sehr verstreut, sondern auch, für

eine moderne Verfassung, zu spezifisch, insbesonders, wie wir noch sehen werden, im

Begriffsfeld der <Judikatur>. Zu diesen, zu weitgehenden Spezifizierungen gehören

beispielsweise die verschiedenen in Punkt 56 des Quellentextes genannten konkreten

Steuerleistungen für Beamtensold (im Text răzumaturi, cf. IFŢR, 1988, s.v. răsură),

für Schafe und Schweine (cf. IFŢR, 1988, s.v. goştină), für Bienenstöcke (IFŢR, 1988,

s.v. desetină), für Wein (cf. IFŢR, 1988, s.v. vădrărit), als Zoll und für Salz (venitul

dela vămi şi al ocnilor), welche nach alter Tradition weiterbestehen sollen. So auch die

geplante Neuorganisation der Einrichtung von Postkutschen (menziluri), welche

ehemals die vom obeiceiul pământului geregelte(n) Post(Kutschen) des Fürsten

darstellte, in osmanischer Zeit auf Verlangen des Sultans in seine Dienste gestellt und

deren Finanzierung von der Bevölkerung getragen wurde (cf. IFŢR, 1988, s.v. cai de

olac und menzil). Als für eine moderne Verfassung zu detailliert könnte man auch die

101

geforderte gesetzliche Regelung von Traugebühren sowie der Gehälter für Priester

(Punkt 64 des Quellentextes) anführen. Viele Absätze dokumentieren im Sinne dieser

Detailliertheit eine Vermischung von einer Art Grundgesetz mit speziellen Gesetzen.

Dies gilt vor allem für den Abschnitt Pentru locurile unde să se caute dreptatea

politicească şi criminalicească, der die Artikel 24 bis 37 umfasst und Prozeduren der

Rechtssprechung formuliert, die in modernen Verfassungstexten nicht aufgenommen,

sondern in Spezialgesetze ausgelagert sind.

Dazu formulierte der Verfasser eine Reihe von Maßnahmen für konkrete Situationen.

So interpretiert Barnovschi Punkt 16 des Quellentextes (<Ausschluss mehrfacher

Staatsangehörigkeit>) als Reaktion auf die damalige Modeerscheinung unter

russophilen Bojaren, Bürger Russlands zu werden, gleichzeitig jedoch die Privilegien

der moldauischen Bojaren zu genießen. Der Autor führt hier als Beispiel Mihai Sturza

an, dem 1823 von Nesselrode, russischer Staatskanzler, die <russische

Staatsbürgerschaft> zugesprochen worden war, und der nach dem Scheitern der

cărvunari in die Moldau zurückkehrte und dem Artikel 11 – der dann nicht mehr

gültigen „1822-Verfassung” – insgesamt zuwiderhandelte ([1924], 132). Barnovschi

interpretiert u.a. auch den Punkt 43 unseres Quellentextes – er legt fest, dass der

fürstliche Stallmeister (comis halè) und Hofverwalter ispravnic de curte ihr Amt am

Fürstenhof ausführen („Comisul halè şi ispravnicul de curte să-şi aibă sluj[b]a în

curtea domnească”) als eine Maßnahme, die möglicherweise gegen eine bestimmte

Person gerichtet war. In dieser konkreten Zweckgerichtetheit erinnert der Text von

1822 punktuell an die Forderungen des walachischen Volks des Tudor Vladimirescu.

Betrachtet man den Text von 1822 auf dem Hintergrund der von uns aufgestellten

wichtigen Begriffe (in ihren Protonymen und Antonymen, cf.

Metzeltin/Lindenbauer/Wochele 2005, Kap. VI. Semantische Komplexität und ihre

Erfassung, 64-69), zeigt eine kondensiertere Aufstellung unserer Analyse folgende

Thematiken moderner Verfassungskonzeption:

<Autonomie / Souveränität>: Forderung von Rechten [1, 3], Besetzung der höchsten

und höheren Ämter der Kirche durch Einheimische [53, 57], Wahl der Kirchenleitung

durch den sfat [54]; selbständige Verwaltung von Nemţu und Secu [55], Forderung

eines einheimischen domn [66]; diese Forderungen werden auf dem Hintergrund der

Suzeranität der Pforte [1, 3, 46, 47] gefordert

<Eigentum>: für fieşte cine [4] und Entschädigung bei Eigentumsbeschlagnahmung

[6]

<Freiheit>: allgemeine Freiheit des Individuums [5]; Freiheit der Arbeit [11]; Freiheit

sich zu bewegen / Handelsfreiheit [12, 39] vs. Unfreiheit / Verbot des Ansiedelns und

Handelns für Juden [64] / Verbot, sich frei zu bewegen / Ansiedlungszwang [65]

<Gleichheit>: vor dem Gesetz [7, 16; für das Volk, den domn und den sfat, 68],

gleiche Bildungsmöglichkeit [60] vs. Privilegien: bestimmter Gruppen [41, 48, 49, 50]

<Sicherheit>: der Person (Punkt 9 nach dem Quellentext)

102

<Gemeinwohl> [9, 70] vs. <Missbrauch / Korruption>: keine Besetzung von Ämtern

als Bereicherung [10], gegen die gesetzeswidrige Annahme zusätzlichen Einkommens

[35], Missbrauch durch Handelsbeschränkung [39], Missbrauch des Volkes [40],

Missbrauch bei der Steuereinnahme [44, 50]

<Staatsbürgerschaft>: Bedingungen [13 und 14], [nicht spezifizierte] / Pflichten und

Rechte [15], Berufungsrecht [21], Verbot für Fremde, sich niederzulassen [62],

Landesverbot für bestimmte Gruppen bzw. Juden [63, 64]

<Bevölkerung>: Moldovean (16, des Quellentextes)

<Gewalten und Gewaltenteilung> [17], JUDIKATUR [18], JUD [19], JUD /

Zuständigkeiten [20], JUD / höchste Instanz [22], JUD / obligatorisches Dossier [23],

JUD moralische Ansprüche der Richter [24] / Verantwortlichkeit [26], EX und JUD /

Zuständigkeiten des hatman [28], Zuständigkeiten des aga [29], Verfügung über ein

Budget seitens des domn mit dem sfat [31], Wahl des sfat durch ein Wahlkollegium

und Vetorecht seitens des domn [32], Wahl des sfat durch die Bojaren [33],

Bestimmung von Beamtenlöhnen durch den domn und den sfat [34], Verleihung von

Bojarentiteln durch domn und sfat [36], Wahl der Kirchenleitung durch den sfat [54],

JUD / vom sfat zu regelnde Grenzstreitigkeiten [61], LEG / Beschluss von Gesetzen

durch den domn und sfat gemeinsam [67], Zuständigkeit des sfat und domn für das

Gemeinwohl [70], die Aufstellung des sfat [71]

<Steuern>: Reduzierung [38, 42], Steuern nach alter Tradition [43], Missbrauch [44],

Abschaffung [52] vs. Privilegien (siehe oben unter Gleichheit / Privilegien)

<Wahl (des sfat)> [32, 33, 71]

<Volk>: se fac din partea obştei Moldoviei (Prolog), Norodul Moldavei ... cere... [1,

19], pământeni [51, 56, pământeni moldoveni [64], locuitori [53], neamul

moldovenesc [65], Förderung der Bildung [58], Förderung der Landessprache

Rumänisch [59], Druckerei [66]

<Petitionsrecht> [72]

<Öffentliche Meinung> (73, nach dem Quellentext)

<Vaterland>: (die folgenden Zahlen entsprechen der Nummerierung unseres

Quellentextes): împotriva binelui patriei (11), casa aşezăturilor patriei (45), eforii casei

aşezămintelor patriei (46), trebuinţă a patriei (51), săraci[lor] patrioţi (63), râvna

patrioticească (72); ţară (Prolog, 1, 3, 13, 17, 19, 20, 21, 22, 25, 40, 51, 54, 55, 56, 57,

59, 62, 65, 68, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76)

Zusätzlich werden die folgenden Begriffe konzeptualisiert:

<Gesetzeswirksamkeit>: [2], gesetzliche Regulierung von Beamtenlohn [34],

Gesetzesgültigkeit für alle Beamte [37], bei Privilegien [48, 49], der Steuerregelung

103

[50], in vom sfat zu regelnden Grenzstreitigkeiten [61], Beschluss von Gesetzen [67],

das geforderte Landesgesetz [69]

<Würde>: der Person [8], des Herrschers [9]

<Verdienst>: Ämterbesetzung aus Verdienst [19], Verleihung von Rängen nach

Verdienst [36]

<Finanzgebaren>: Bedarf [25], Bestimmung der Steuern durch Volk, domn und sfat

[27]; Zusammenlegung von Kassen [30], Verantwortlichkeit [30], Verfügung über ein

spezifisches Budget durch den domn und den sfat [31], Angemessenheit von

Beamtenlöhnen [34], Angemessenheit der Steuern [38]

Wie ersichtlich, sind von den Grundbegriffen der Erklärung der Menschrechte alle

außer der <freien Meinungsäußerung> mehr oder weniger thematisiert, von den

staatstragenden Begriffen sind <Bevölkerung>, <Volk>, <Staatsbürgerschaft>,

<Staatsgewalt>, <Repräsentativität>, <Trennung der Gewalten>, <Vaterland>, nicht

aber den (späteren) <Staatsnamen> oder Begriffsfelder wie <Territorium>,

<Hauptstadt>, <Wohnsitz>, <Grenze> konzeptualisiert worden. In diesem Sinn

spiegelt der Text eine bestimmte Aufnahme der Ideologeme moderner <Staatlichkeit>,

noch nicht jedoch die (explizite) Konzeption des modernen Staates selbst wider,

dessen Begründung noch einige Jahrzehnte dauern sollte.

Die sogenannte „cărvunari-Verfassung” wird, wie schon gezeigt wurde, mit der

Überschrift „Cererile cele mai însemnătoare ce se fac din partea obştiei Moldoviei

atocmite cu cele cuprinse prin obştească jalbă sa, trimisă către prea înaltul Devlet”

eingeleitet, zweimal erscheint in diesem Prolog der Begriff eines <Gesuchs> (Cererile

und jalbă), welches dem Sultan vorgelegt werden sollte. Wie wir am Beginn unserer

Analyse zeigten, wird die hegemoniale Herrschaft der Pforte im Text mehrfach

bestätigt [Absatz 1, 3, 46 und 47 unserer Analyse] bzw. durch pragmatische

Anredeformeln (Punkt 1 des Quellentextes), der Versicherung der Treue (Punkt 2), der

Pflicht der Moldau, Landesprodukte an Konstantinopel abzuliefern (59), oder der

Bitte, Petitionen dorthin zuzulassen (77) etc. Auch Barnovschi meinte, dass der

vorliegende Text noch in keinster Weise das Vasallenverhältnis der Moldau lockerte

([1923], 86). Denn zum Zeitpunkt der Entstehung des Textes, so ist anzunehmen,

entsprach die suggerierte Autonomie der Moldau (z.B., in Pontul 1: „Norodul

Moldavei, ca un norod ce din învechime şi până astăzi a avut şi are sfinţit privilegiul

slobozeniei şi acela al volniciei de a se oblăndui cu ocârmuitorul său ...”; cf. auch

Punkt 40, demzufolge domn und sfat über Krieg entscheiden) noch nicht der

historischen Realität ([1923], 148-149). Der oder die Verfasser versuchten allerdings,

diskursiv eine gewisse Autonomie zu suggerieren und (damit später) praktisch

durchzusetzen. Barnovschi kommentiert in Bezug auf die Praxis der souveränen

Herrscherwahl, dass diese zwischen 1512 und 1540 verlorengegangen zu sein scheint

([1923], 123, 170). Die Autonomie / Souveränität der Moldau ist, unserem Text nach,

1822 definitiv nicht gegeben, wird aber als ein primäres Ziel konzipiert.

104

Die Autonomie der Moldau wird, wie sich zeigte, in mehrfacher Weise, zuallererst

über historische Rechte und eine unabhängige Herrscherwahl, desweiteren in der

Institution des sfat obştesc, der <nationalen, alle Gesetze beschließenden

Landesvertretung> [1, 3] gefordert. Der Weg in mehr Autonomie führt auch, wie in

der Walachei, über eine Entgräzisierung bzw. Nationalisierung der Kirche, deren

Führungsschicht ausnahmslos einheimisch sein soll [53, 57]. Weitere Schritte in mehr

<staatliche> Unabhängigkeit sind auch die geplante stärkere Selbstverwaltung

kirchlicher Zentren (Nemţu und Secu [55]), aber auch die Förderung des moldauischen

Volkes durch Bildung [58] sowie die Förderung der rumänischen Sprache als

Unterrichtssprache in Bildungsstufen ([59], Punkt 65). Diese impliziten Ziele einer

<Nationalisierung> und Autonomisierung der Moldau gipfeln im Bewusstsein der

Notwendigkeit eines einheimischen domn, eines Landesherrschers [66]. Barnovschi

verweist desweiteren auf das Recht der Regierung, in Einbürgerungsfragen frei zu

entscheiden ([3], Punkt 15) als ein Kriterium von Souveränität ([1924], 131). Den Plan

zur Aufstellung einer nationalen und permanenten Armee, wie sie derselbe Autor in

Punkt 40 des Quellentextes deutet („Reînvie un fel de armată naţională, şi încă

permanentă.”, ib., 167, 183), sehen wir nicht deutlich. Zu spezifisch für eine

Verfassungsfrage ist sicherlich, wie schon erwähnt, die geforderte Neuorganisation der

Postkutschen (Punkt 57). Allerdings meinte Barnovschi hierzu, dass es eine kühne

Reform war, von den Beamten der türkischen Post zu verlangen, das Eigentum der

Einwohner zu respektieren und, beispielsweise, Pferde der Bevölkerung nicht mehr

mitten am Weg zu beschlagnahmen ([1923], 160). Der Vorschlag bezüglich der

Kutschen war, wie der Diskurs belegt, demnach auch ein Teilaspekt im Versuch der

cărvunari, die Hegemonie der Pforte punktuell auszuschalten.

Der Text von 1822 enthält keinen expliziten Diskurs über den Ländernamen. Hinweise

auf die Moldau erscheinen in Genitivergänzungen (partea obştei Moldoviei im Prolog,

Norodul Moldavei, Pământean al Moldovei in Punkt 1, 14), in Präpositionalgefügen

(în pământul Moldovei, cel născut în Moldova; Punkt 13, 19) oder in der

ethnonymischen Nennung der Bevölkerung (pământeni moldoveni, Punkt 64;

neamul[ui] moldovenesc, 65). Am häufigsten wird für die Moldau das Lexem ţară,

Land, verwendet (im Prolog und den Punkten 1, 3, 13, 17, 19, 20, 21, 22, 25, 40, 51,

54, 55, 56, 57, 59, 62, 65, 68, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76 des Quellentextes). Dennoch

zeichnet sich gleichzeitig in bestimmten Kollokationen, welche das Wohl des Landes

wie auch gewisse <nationale> Einrichtungen bezeichnen – wie im Diskurs der Texte

von Vladimirescu –, ein Bewusstsein für das eigene (Heimat)Land ab (binele patriei,

casa aşezăturilor patriei, eforii casei aşezămintelor patriei, trebuinţă a patriei; in den

Punkten 11, 45 46, 51; cf. auch săraci[lor] patrioţi und râvna patrioticească (Punkte

63 und 72)). Das Bewusstsein für eine Heimatidentität erscheint um 1822 als ein

wichtiger Aspekt in der Entwicklung der (späteren) eigenen staatlichen

Unabhängigkeit ebenso wie das Bewusstsein über die Nation / das Volk als solches.

Das Volk erscheint im gesamten Text eher als passiver Agens ohne Subjektfunktion

(pământeni [51, 57], lăcuitorii pământeşti [64], pământeni moldoveni [53],

lăcuitori[lor] ţărei [65], neamul[ui] moldovenesc [58]. Geplant wird, durch Schulen

das Volk in seiner Gesamtheit [58] und durch die Stützung der rumänischen

Landessprache [59] sowie die Einrichtung einer Druckerei für diese [66], zu fördern.

Gleichzeitig wird das Volk in die Senderfunktion der Cereri gehoben („Cererile cele

105

mai însemnătoare ce se fac din partea obştiei Moldoviei”, Prolog des Quellentextes;

„Norodul Moldavei ... cere”, Pontul 1; „Norodul ... cere ca să i se întărească şi

legiuirea aceia...”, Punkt 19 des Quellentextes). Die Verfasser des Textes suggerierten

durch diesen Diskurs eine gewisse Souveränität des Volkes der Moldau.

Die cărvunari-Verfassung spiegelt auch die mehr oder weniger weitgehende

Konzeptualisierung von Grundbegriffen der Erklärung der Menschenrechte wider.

Hier sind anzuführen das für jeden (fieşte cine) geltende (Recht auf) <Eigentum> [4]

(bei Entschädigung in Fällen der Beschlagnahmung zum allgemeinen Nutzen, [6]) wie

auch die Gleichheit aller Personen vor dem Gesetz ([7, 16, 68]) und der Anspruch

gleicher Bildungsmöglichkeiten für alle [60]. Diese Gleichheit wird jedoch in der

Regelung der Steuer annuliert. Zwar werden punktuell Steuerreduzierungen oder –

abschaffungen verlangt [38, 42, 52], teilweise aber die Steuerabgabe nach alter

Tradition vorgeschlagen [43] und die Privilegien bestimmter Gruppen der Gesellschaft

aufrechterhalten [41, 48, 49, 50]. Damit, um es mit den Worten von E. Lovinescu zu

sagen ([1924], I, 59-62), bestand das Klassenprivileg weiter. Ein ähnliches Paradox

entwirft der Text, indem er zwar neben der Freiheit der Arbeit [11] und der Freiheit

des Handels / der Freiheit, sich zu bewegen [12, 39] auch die allgemeine Freiheit des

Individuums [5] vorschlägt, jedoch diese allgemeinen Freiheiten für die, für Bojaren

und Klöster dienenden Zigeuner (Ţiganii lăieşi şi ligurari [65]) nicht gelten lassen

will, ja diese als robi boiereşti (ib.) zu Unfreien per se deklariert. Der Text belegt

deutlich, dass im September 1822 noch nicht an eine dezrobire, eine Befreiung aus der

Leibeigenschaft, der Zigeuner, wie sie Jahrzehnte später erfolgen sollte, gedacht wurde

(cf. Barnovschi [1923], 168). Punkt 9 des Quellentextes scheint desweiteren die

<Sicherheit von Personen> zu konzeptualisieren, und zwar bei Arrestierung und im

Rahmen von Strafverfolgungen („Pentru tot cela ce se va învinovăţi cu vreo faptă, şi

mai înainte de a se dovedi fapta vinovăţiei lui, trebuinţa ar cere neapărat de a se pune

la închisoare, toată asprimea acea de prisos peste trebuinţa siguranţei despre persoana

lui să fie oprită şi neiertată.”). Die Textstelle scheint sich einerseits an die französische

Vorlage der Déclaration anzulehnen. Gleichzeitig liegt aber der Fokus bei diesem

Texte auf der Sicherheit, diese Person unter Gewahrsam zu halten (cf.: Article 9 - Tout

homme étant présumé innocent jusqu‟à ce qu‟il ait été déclaré coupable, s‟il est jugé

indispensable de l‟arrêter, toute rigueur qui ne serait pas nécessaire pour s‟assurer de

sa personne doit être sévèrement réprimée par la loi.).

Aus der Perspektive der Déclaration des droits du l´homme fehlen in unserem Text die

Begriffe des modernen citoyen sowie der Staatsbürgerschaft. Die Moldauer werden im

Text von 1822, wie teilweise schon gezeigt wurde, als obşte,

Allgemeinheit/allgemeines Volk [Prolog], dann auch pământean (mit der weiblichen

Form im Text pământeancă), Einheimischer (Punkt 14 des Quellentextes oder [51, 53,

57]), dann lăcuitori, Bewohner [64]. bezeichnet. Dennoch wird eine

<Staatsbürgerschaft> skizziert und zwar in den Bedingungen, die gelten um – wörtlich

– „sich Einheimischer zu nennen” („Pământean al Moldovei să se numească tot cel

născut din părinţi moldoveni slobozi”; Punkt 19 des Quellentextes) sowie in der

Zuschreibung von îndatoriri und îndreptări, Pflichten und Rechten (driturile şi

îndatoririle unui pământean, Punkt 14 des Quellentextes), welche jedoch nicht weiter

erklärt sind. Allerdings wird innerhalb richterlicher Untersuchungen auf ein

106

<Berufungsrecht> verwiesen, das jedem zusteht [21]. Deutlich erscheint auch das

<Petitionsrechts>, welches die cărvunari gegenüber dem Sultan geltend zu machen

versuchen [72].

Eine immer wiederkehrende Forderung im Text von 1822 ist die der Gesetzlichkeit

bzw. Gesetzeswirksamkeit [2], die, wie die Analyse zeigte, für verschiedene Aufgaben

und Bereiche des <Staates> gewünscht wird (für den Beamtenlohn, für alle Beamten;

in der Gültigkeit von Privilegien; in der Steuerregelung, in gerichtlichen

Angelegenheiten und schließlich in dem geforderten Landesgesetz [34, 37; 48 und 49;

50, 61, 69]). Diese Konzeptualisierung des Gesetzes als höchste Garantie für eine

Verbesserung des politischen und gesellschaftlichen status quo der Moldau scheint

sich an das analoge Ideologem der Französischen Revolution anzulehnen. Ein weiteres

Ziel der vorliegenden Reformpläne ist das Gemeinwohl des Landes, das zweimal

explizit genannt wird [9, 70]. Deutlich häufiger jedoch erscheint sein Antonym

(Missbrauch / Korruption), insbesonders in Form von unrechtmäßiger oder

gesetzeswidriger Bereicherung, oft durch Beamte oder Händler [10, 35, 39] und in

Form des an Leistungen oder Abgaben gebundenen Missbrauchs am Volk [40, 44, 50].

Sehr deutlich geht aus unserem Text hervor, dass die Gewalten und ihre

Zuständigkeiten noch nicht klar getrennt sind. In Punkt 27 des Quellentextes liegt uns

ein gutes Beispiel dafür vor. Die darin erläuterten Zuständigkeiten des vel-armaş, des

Präfekten, sind, laut Barnovschi, zugleich die des procuror (Staatsanwalt) bzw. eines

Teils des Tribunals und des Repräsentanten der Exekutive, was völlig wider der Lehre

der Gewaltenlehre war (auch wenn es moderne Theoretiker gab, die die absolute

Trennung für nicht gut hießen; Barnovschi [1923], 142). Gleichzeitig dokumentiert der

Text Versuche der Gewaltentrennung. Der domn hat zwar die Regentschaft

(ocârmuire) inne, die ganze Exekutive (împlinire) unter sich und eine gewisse

legislative wie judikative Macht (hotărâre), doch lässt sich erkennen, dass seine Macht

durch die Machbefugnisse des sfat verringert, ja die Legislative und Judikative in die

Hände von Fürst und Allgemeinem Rat gelegt werden (ib., 134-135 sowie [17]).

Dieser Aspekt wird von Barnovschi als einer der wichtigsten Punkte des Programms

von 1822 bewertet. Innerhalb der Gewalten nimmt, unserer Analyse nach, die

Judikative eine dominante Position ein, allerdings durch viele Vorschläge zur

„juridischen Verwaltungstechnik”. De facto erscheint die Judikative auch eher als eine

Verwaltung als eine Gewalt. Die Punkte 24.-37. des Quellentextes behandeln, wie

schon erwähnt, Prozeduren und Instanzen für Zivil- und Strafrechtliches (Pentru

locurile unde să se caute dreptatea politicească şi criminalicească) und sind zu

spezifisch für eine moderne Verfassung. Sie zeigen aber auch, dass bis 1822 die

Aufteilung der Justiz noch kaum geregelt (ib., 140) und die Trennung von Verfassung

und Straf- / Zivilgesetzbuch noch nicht vollzogen war.

Als größte Dringlichkeit der Reformen von 1822 erscheint, Barnovschi zufolge

([1923], 172-173), die Wiederaufstellung und Wahl des sfat obştesc, des Allgemeinen

Rats („Norodul, spre a i se ocârmui treburile sale cele din lăuntru în chipul cuviincios

... cere ca să i se întărească şi legiuirea aceia a sfatului obştesc ce au avut-o pământul

acesta...”, Punkt 19, [32, 33, 71]). Diese neu belebte Instanz, die sich später zur

nationalen Repräsentanz entwickeln sollte (Barnovschi [1923], 134-135), wird zum

107

Zeitpunkt der Textredigierung nur von Bojaren gestellt (Lovinescu [1924], I, 60) und

repräsentiert in diesem Sinne per se die „alte Klassengesellschaft” der Moldau und ist

aus diesem Blickwinkel nicht nur progressiv. Auch können wir Barnovschi nicht Recht

geben, wenn er einem Punkt des Quellentextes wegen seiner Betonung des

<Allgemeinen Willens> (cf. voinţa întregii ţări, [1924], 170-171) größte Bedeutung

zuschreibt. Die Bedeutung der im Text vorkommenden Formulierung voinţă a toată

ţara [67], Wille des ganzen Landes, ist aus der Frage liberaler oder demokratischer

Tendenzen zu relativieren, wenn es bei genauerer Lektüre heißt, dass alles, was domn

und sfat beschließen, – wörtlich – „Beschluss und Wille des ganzen Landes ist”: „tot

ce se va hotărî de domn împreună cu sfatul obştesc să fie şi să se cunoască de hotărâre

[î: sic] şi voinţă a toată ţara.” (Punkt 73).

Wie aus der Analyse hervorgeht, ist auch das Feld <Finanzgebaren> stark präsent. Es

zeigt sich in verschiedenen Thematisierungen wie der angemessenen Vergabe von

Ämtern und von Beamtenlöhnen [25, 34], der Mitbestimmung der Steuern durch das

Volk [27], der Zusammenlegung und Verantwortlichkeit von Kassen [30], der

Verfügung über ein spezifisches Budget durch den domn und den sfat [31], die

Angemessenheit der Steuern [38]. Aus den schriftlichen Aufzeichnungen des Ioniţă-

Vodă, so Barnovschi, geht die schlechte budgetäre Situation der Moldau hervor. Der

Staat sah sich desöfteren gezwungen, von privaten Personen Summen (von einigen

Hundert Lei) auszuleihen. Diesem akuten Problem der finanziellen Lage stellten sich

die cărvunari mit verschiedenen Veränderungsvorschlägen. So sollte die Willkür des

vistiernic, des späteren Finanzministers, aufhören, indem er dem Steuerentscheid des

Volks, domn und sfat unterstellt wurde [27]. Die Verwendung der Gelder eines

bestimmten kirchlichen Bereichs soll nach vorher aufgestellten Budgets und unter der

Kontrolle des sfat geschehen [30]. Und auch der vage Versuch, eine dem

Vermögensstand angemessene / proportionale Steuer festzusetzen [38], beurteilte

Barnovschi als große Reform der cărvunari (Barnovschi [1923], 147-148, 151, 159).

Wie schon erwähnt, schätzte der Rechtsphilosoph den Text von 1822 aufgrund der

darin behandelten Konzepte (siehe V.2.) als eine modern-demokratische Verfassung

für die Moldau ein (Barnovschi [1923], 74). Auch E. Lovinescu schrieb dem Text

Verfassungsmäßigkeit zu, vor allem in der dem sfat obştesc gegebenen Bedeutung,

auch wenn, wie dieser Autor weiters meint, ihn vor allem der Kleinadel stellte und

daher der sfat insgesamt keine besonders demokratische Linie repräsentierte

(Lovinescu [1925], II, 25-27). Unsere Analyse führt uns dazu, die Betonung der

Modernität des Textes seitens Barnovschis etwas zu relativieren. Sie macht auch

sichtbarer, was der Rechtsphilosoph eher nur am Rande bemerkte. Der Text spiegelt

die Vermischung wider von altem „staatlichen” Denken (dem obiceiul pământului)

und allmählich modernisierenden Ansätzen der moldauischen Elite (Barnovschi

[1923], 87, 171-172). Dem Alten verhaftet sind, trotz Reduzierungstendenzen, die

Steuerleistungen (Barnovschi [1923], 160) und Klassenprivilegien und die nationale

Repräsentanz durch die alten Klassen. Progressiv sind aus rechtshistorischer Sicht eine

Reihe von Thematiken des liberal-demokratischen Denkens. Dennoch erweist sich der

Text von 1822 aus textwissenschaftlicher, weniger aus rechtsgeschichtlicher Sicht,

unmoderner, als ihn Barnovschi attestierte. Moderne Begrifflichkeiten sind erst zum

Teil konzeptualisiert (z.B. <Freiheit>) und erscheinen noch nicht in ihren späteren

108

Lexikalisierungen der egalitate, libertate, proprietate etc. In diesem Sinne verweisen

auch die immer wieder erwähnten pravile, Gesetze, auf die alten Gesetze des Landes

und eben noch nicht auf das moderne lege. Der Text von 1822 dokumentiert eine

Phase des Zusammentreffens der alten <staatlichen> Organisationsparameter mit einer

neuen, beginnenden nationalisierenden und liberal-demokratischen Konzeption.

109

VI

DIE BEWEGUNG VON ION C. CÂMPINEANU:

ACTUL DE UNIRE VOM 1. NOVEMBER 1838

PROIECTUL DE CONSTITUŢIE VOM 5. NOVEMBER 1838

VI.1. Texte und Kontext des Wirkens des Ion Câmpineanu

Wie schon erwähnt, brachte der russisch-türkische Vertrag von Adrianopol (2./14.

September 1829) eine deutliche Verbesserung für den „rumänischen“ Außenhandel

und somit eine Erleichterung in der Beziehung der Donaufürstentümer zur Pforte,

jedoch brachte er auch einen stärkeren Einfluss Russlands. Ein Projekt, das sich gegen

die russisch oktroyierten und weiterhin feudalistische Strukturen stützenden

Regulamente (Şotropa 1972, 265) richtete, war jenes des in der Walachei wirkenden

Generals Ion C. Câmpineanu (1798-1863, cf. zu den folgenden Angaben das DE, s.v.

Câmpineanu Ion C. und Diaconovich 1898-1904, s.v.) aus der Gruppierung der liberal

gesinnten Bourgoisie. Als aufgeklärt-progressiv denkender Rechtsgelehrter gilt

Câmpineanu als Anführer der Partida naţională in den Jahren 1835-1840 (DE und

Şotropa 1972, 265). Er setzte sich auf verschiedenen Ebenen für eine Stärkung der

staatlichen Eigenständigkeit des späteren Rumänien ein (Diaconovich spricht von

einem „om politic foarte însemnat; mare orator şi aprig aperător al drepturilor

naţionale“). Er verteidigte die Landesinteressen einerseits in seiner Funktion eines

Mitglieds der Adunare Obştească, Generalversammlung. Als solches scheint er im

Jahre 1834 die Deputierten überzeugt und geplante Modifizierungen des Regulaments

zugunsten der Pforte abgewehrt zu haben. Er musste nach Ende der

Generalversammlung ins Ausland fliehen, wo er vor allem in Paris und London

Kontakte zu Adolphe Thiers (1797-1877), Henry John Temple Palmerston (1784-

1865) u.a. suchte (Şotropa, 1972, 272. Nach seiner Rückkehr wurde er für zwei Jahre

(1839-1841) inhaftiert (Diaconovich, 1898-1904, s.v. Câmpineanu, Ion). Die

nationalen Landesinteressen vertrat er aber auch im Geheimen, an der Spitze der

Societate Filarmonică (nach Diaconovich, im Jahre 1833; nach Şotropa 1972, 270-272

im Jahre 1834). Diese 1833 von Ion Câmpineanu, Constantin Aristia und Ion Heliade

Rădulescu in Bukarest gegründete Gesellschaft, deren Gründung unter dem Patronat

des ehemaligen Fürsten der Moldau Grigore Dimitrie Ghicas geschah, hatte neben der

Förderung der Künste das Ziel, mit der Kultur auch ein nationales Bewusstsein zu

stärken. Als ein Akt der liberalen Gesinnung Ion Câmpineanus ist einzuschätzen, dass

er im Jahre 1837 die Leibeigenen (robi) seiner Landgüter (moşii) entließ bzw. seinen

clăcaşi Boden gab (Scorpan 1997, s.v. Câmpineanu) und damit (auf seinem Boden)

die clacă abschuf (Şotropa 1972, 272, nach Ion Ghica), viel früher, als dies offiziell

geschah. Denn, de facto wurde, wie Mihail Kogălniceanu es formulierte, die „weiße”

Sklaverei in Rumänien frühestens 1864 abgeschafft („ea [sclavia albă] nu a luat sfîrşit

decît în 1864“, Kogălniceanu, Scrieri, 1967, 252). Auch stand Câmpineanu für einen

sufragiu universal, das Recht auf allgemeine Wahl. Im Revolutionsjahr 1848 sollte Ion

Câmpineanu als einer der Minister der provisorischen Regierung der Walachei

amtieren.

110

Seit 1834 amtiert (bis 1841), wie erwähnt wurde, A. Ghica als der von Russland und

dem Osmanischen Reich eingesetze Herrscher der Walachei (Berindei 1998, 199),

welcher die Bewegung von Ion Câmpineanu im Jahre 1838 (sowie die revolutionäre

Bewegung von 1840; Pop/Bolovan 2006, 469) unterdrücken sollte. Ion C. Câmpineanu

ist die Autorenschaft oder mindestens Redaktion (Carp et al. 2002, 27) von drei

„staatskonzipierenden“ Texten zuzuschreiben. Sie wurden fast zeitgleich redigiert

(„redactate aproape concomitent“, Şotropa 1972, 273 und 274). Der erste, sogenannte

Act de unire şi independenţă, Vereinigungs- und Unabhängigkeitsakt – im Folgenden

Act de unire genannt – vom 1./13. November 1838 – ist, Şotropa zufolge, eine

Deklaration der nationalen Partei der Walachei (1972, 272, 265). Der zweite Text, das

sogenannte Proiect de constituţie, Verfassungsprojekt, vom 5./17. Nov. 1838, eine

Vervollständigung dazu (Şotropa 1972, 272). Hilfe in der Formulierung einiger Stellen

scheint Câmpineanu von Félix Colson, dem Sekretär des französischen Konsulats in

Bukarest, bekommen zu haben (Bodea 1982, I, Text 28, 27, Fußnote 3; Diaconovich;

Şotropa 1972, 275). Dass die zwei erwähnten Texte eine Einheit bilden, ist an ihrer

thematischen Kohärenz zu erkennen. Artikel 2 des Act de unire schlägt eine neue

Gesetzessammlung von politischen, öffentlichen und zivilen Gesetzen vor („Un nou

trup dă legi politice, publice şi civile să va alcătui pentru populu român slobod şi

independent.”), mit welcher, gemäß Şotropa, das Proiect de constituţie gemeint war

(1972, 273).

Der dritte Câmpineanu zugeschriebene Text ist Actul de numire a suveranului

rumânilor, der Ernennungsakt des Souveräns der Rumänen, erstellt ebenso am 5./17.

November 1838. Er legt das präzise Vorgehen der Ernennung fest und proklamiert die

internationale Anerkennung der Unabhängigkeit des <Staates> (Şotropa 1972, 274).

Wegen ihrer Detailiertheit und dichteren Thematik erscheinen uns die ersten beiden

Texte wichtiger. Vor allem im Proiect de constituţie kondensiert sich „în formulări

lapidare ideologia social-politică a Partidei naţionale de aici.“ (Şotropa 1972, 265).

Daher beschränken wir uns hier auf die Analyse des Act de unire und des Proiect de

constituţie, auch wenn uns der letztgenannte Text nicht vollständig erhalten ist. Das

Fehlen eines Punktes t, auf den unter Punkt r verwiesen wird, belegt, wie Valeriu

Şotropa es ausdrückte, dass ein Stück des Textes verlorengegangen sein muss (1972,

275), oder wie Cornelia Bodea es „berechnete“, von einem Gesamten von 6,5 Seiten

1,5 Seiten fehlen (1982, I, Text 28, 127-128, Fußnote 3). Beide Texte sind in einer

Parallelversion, in Rumänisch und Französisch, überliefert, welche nur geringe

Abweichungen aufweisen (Şotropa 1972, 275).

Der Vereinigungsakt und das Verfassungsprojekt selbst geben Aufschluss über den

historischen Moment in der Walachei. Artikel 7 des Act de unire weist daraufhin, dass

die Texte in einer geheimen Versammlung besprochen wurden: „Suptiscăliţii fiecare ...

să îndatorează prin giurămînt asupra capului lor că pînă va sosi ceasul izbăvirii nu vor

descoperi niciodată nimic din ceea ce s-a zis şi făcut în această adunare, nici din ceea

ce să coprinde în aceste acturi.”. Am Ende des Prologs des Act de unire, einer Art

Bestandsaufnahme des status quo des Landes (siehe unten), wird explizit von

<fremder Unterdrückung> sowie <Anarchie im Land> gesprochen: „Luînd în băgare

dă seamă că în starea dă opresie streină şi dă anarhie înlăuntru întru care să află locul

este peste putinţă rumânilor a împlini cele mai prinţipale datorii a unei naţii către

111

sineşi, ...;” (Absatz 10, Seite 119). In einem weiteren Absatz des relativ kurzen Textes

entsteht das Szenario des Zerfalls des Staates (dăsfiinţarea statului), von täglichen

Übergriffen (prăpădenii), von einer schrecklichen Not („trebuinţa este straşnică”), von

Gesetzlosigkeit, zur der die Bürger gezwungen seien; von Tyrannei, gegen die sie sich

wehren, um ihre Heimat und das Volk zu retten:

„Luînd în băgare dă seamă dăosebit dă această că, cînd dăsfiinţarea statului este

neapărată, cînd fiecare zi dăscoperă prăpădenii nouă, cînd trebuinţa este

straşnică, cetăţenii nu mai sînt datori a respecta legile aşăzate, ci că împotrivă

au datorie sfîntă dă a lua iniţiativă, dă a să apăra împotrivă tiranii, dă a izbăvi

patria, căci izbăvirea norodului este cea dintîia lege.” (Absatz 11, p. 119).

Ion Câmpineanu dachte, diese Situation nur mit einer Revolution ändern zu können.

Dies spiegelt sich im Artikel 1 des Proiect de constituţie wieder, in welchem der

Verfasser, dem Text zufolge, mit einem Krieg für die Unabhängigkeit rechnete, wie

auch für die Zeit des Krieges ein diktatorisches Regim unter einem Souverän

vorschlug: „Din zioa de astăzi şi toată vremea ce va ţinea războiul independenţii ...,

puterea suveranului va fi dictatorială.“. Das Projekt von Câmpineanu ist, so Şotropa,

das einzige seiner Zeit, das mit einem Unabhängigkeitskrieg rechnete, daher dem

zukünftigen Souverän puteri cvasiabsolute einräumte (Şotropa 1972, 275 und 280)

und – implizit, also in Nebensätzen – die Schließung von Allianzen als wichtiges Ziel

formulierte: „Îndată ce acel rumân care va fi ales a să urca pă tron va giura ... încă dă

... a face aliaţi şi prieteni locului.” (Artikel 4); „... în cîtă vreme ţara nu va avea întărită

şi întemeiată prin alianţe şi cetăţi, puterea suveranului va fi dictatorială.” (Proiect de

constituţie). Die Annahme, dass ein Krieg folgen würde, war aus der Sicht von Ion

Câmpineanu logisch. Auch wenn er es pragmatisch abschwächte, wie wir noch sehen

werden, „kündigte” er der Hohen Pforte das freundschaftliche Bündnis mit der

Walachei auf: „Prin siluirea cea dă curînd a articolelor trei şi patru din tractatul dă la

1460, legătura care era între rumâni şi Poartă să află ruptă: ...” (Artikel 1).

Konkrete, einer revolutionsähnlichen Situation entsprechende Maßnahmen und eine

gewisse Programmhaftigkeit der Texte zeichnen sich unter Artikel 5 und Artikel 6 des

Act de unire ab. Das Konzept soll in kürzest möglicher Zeit den Anführern der

Rumänen aller Länder, insbesonders der Moldau, zur Kenntnis gebracht und diese für

eine mögliche Kooperation (aderenţă) gewonnen werden: „Art. 5-lea. Acest act, în cel

mai scurt soroc, să va aduce la cunoştinţa celor mai întîi rumâni ai tutulor locurilor şi

mai ales la ai Moldavii şi suptiscăliţii să îndatorează a lucra şi a lupta din toate

puterilor lor spre a dobîndi împotrivă din parte-le acturi dă aderenţă.”. Auch werden

Schritte festgelegt, das Dokument in möglichst sichere Hände zu geben und auch

außerhalb des Landes zu sichern. Daher wurde geplant, von den vier Originalen, eines

dem Herrscher, eines einem Mitglied des Klerus, eines einem Mitglied der

Nationalversammlung (Adunare Naţională) zu übergeben sowie ein Original versiegelt

ins Ausland zu versenden bzw. allen jenen Regionen eine Kopie zu übergeben, die

sich den Revolutionären anschließen würden:

„Art. 6-lea. Acest act, însoţit dă o bucată giustificativă asupra drepturilor locului

şi dă actul numirii suveranului, să va face în patru originaluri dăosebite, dintre

112

care unul va fi în păstrarea celui chemat la tron; cel dă al doilea într-a unui

mădular al clerului; cel dă al 3-lea într-a unui mădular a Adunării Naţionale; cel

dă al 4-lea să va trimite pecetluit în străinătate şi va fi depus spre păstrare. Către

aceasta să va da cîte o copie fiecăruia loc rumânesc care va da a sa aderenţă.”.

VI. 2. Analyse des Act de unire (1. November 1838) und des Proiect de constituţie

(5. November 1838)

Im Folgenden wollen wir kurz den Aufbau des Act de unire skizzieren, der sich durch

eine gewisse eingehaltene Struktur bei gleichzeitigen semantischen Redundanzen

hervorhebt. Der Text hat einen Prolog, bestehend aus einem:

[Absatz 1]: er führt den Sender ein und thematisiert die Souveränität und Einheit der

Rumänen;

[Absatz 2]: stellt die Sender als von der Situation aufgerufen dar, den Zustand des

Landes zu prüfen; es folgt der illokutive Akt:

<[die Sender] stellen fest>, es folgen mehrere Absätze mit folgenden Themen:

1° [Absatz 3]: Gefährdung der Souveränität, der Freiheiten, der [Wirksamkeit der]

Adunare Naţională, der Sicherheit und Garantie der Individuen sowie Feststellung von

Missbrauch in der Verwaltung und auf den Gerichten;

2° [Absatz 4]: die Schutzmächte würden nach dem Vertrag von Sankt Petersburg und

gerade auch angesichts der Präsenz russischer Truppen im Fürstentum zu Unrecht (in

Bezug auf den Vertrag von Adrianopel) einen Prinzen mittels Firman stellen. Dieser

kann nicht als rechtmäßiger und nationaler Wojwode anerkannt werden;

3° [Absatz 5]: die Anordnungen des Grundgesetzes [= Regulament organic] sind von

Natur aus befristet; es folgt erneut der illokutive Akt:

<[die Sender/Unterzeichnenden] stellen fest> [ab hier keine Nummerierung]:

die Dringlichkeit eines eigenen Herrschers zum Wohle des Landes; das Gerufensein

der Sender, Reformen durchzuführen: wegen der mangelhaften Institutionen, zur

Vererbung des Throns, zum Stoppen der fremden Einflüsse, für Allianzen, für die

Erfüllung der Nation;

Es folgt ein argumentativer Absatz, der die Anarchie, Missbrauch und Tyrannei im

Land erwähnt, welche, zum dritten Mal mit einem illokutiven Akt beginnt:

<[die Sender/Unterzeichnenden] beschließen>:

Artikel 1: das Bündnis zwischen den Rumänen [rumâni] und der Pforte ist zerissen, sie

wird für den entfallenen Tribut entschädigt, diese Steuerlast tragen alle gemeinsam,

jedoch nach ihrem Vermögen;

Artikel 2: es werden neue Gesetze wirksam;

Artikel 3: der Thron wird erblich;

113

Artikel 4: der zukünftige Herrschers legt auf den Act de unire und de numire sowie auf

den Kampf für die Unabhängigkeit des Landes und Allianzen einen Eid ab;

Artikel 5: der Act de unire wird den Anführern der Rumänen, besonders auch jenen

der Moldau bekanntgemacht, die Sender bemühen sich um Allianzen;

Artikel 6: der Act de unire wird im Original im In- und im Ausland aufbewahrt;

Artikel 7: die Unterzeichnenden legen den Eid auf das Heilige Evangelium und in der

Gegenwart eines (orthodoxen) Bischofs ab für den Kampf um Unabhängigkeit und das

vorläufige Geheimhalten über das Gesagte in der Versammlung; es folgt ein vierter

illokutiver Akt: die Unterzeichnung geschieht aus freien Stücken.

Der Act de unire enthält eine Reihe von Thematiken, die wir im Folgenden, möglichst

in der Chronologie, in der sie erscheinen, zeigen:

Sehr deutlich, extrapoliert an erster Stelle und mehrfach wiederholt, erscheint im Act

de unire die Senderschaft als rumâni ai Prinţipatului Valahii, die Rumänen des

Fürstentums der Walachei, zugleich, wie der Text informiert, mădulari ai Adunării

Naţionale, Mitglieder der Nationalversammlung. Sie sind durch den Zustand des

Landes gerufen, das Funktionieren des „Staates” zu prüfen:

„Subt iscăliţii rumâni ai Prinţipatului Valahii, mădulari ai Adunării Naţionale ...

declară ... că...”; Chemaţi dă către constituţia locului a cerceta ... daca legile să

urmează, daca tractaturile sînt respectate, daca prinţul naţional este ales dă

naţie, daca scopul constituţiei este agiuns, daca orînduiala, dreptatea şi

economia domnesc în toate ramurile administraţiei, daca magistraţii au

socotinţa publică, daca sumile statului sînt întrebuinţate pentru binele statului,

într-un cuvânt daca rumânii sînt fericiţi...” (Bodea 1982, I, Text 27, Prolog).

Die Sender treten, extrapoliert am Ende des Textes, erneut als bewusst und überlegt

zum Wohle des Landes agierend auf: „Suptiscăliţii încredinţează că toate acestea sînt

adevărate şi că le-au socotit şi scris slobod spre încredinţarea cărora au pus peceţile şi

iscăliturile lor.”. Der Text nennt beide Toponyma, Valahia (Prolog und Absatz 3°) und

Moldavia (Prolog) und ihre Bewohner grenzübergreifend als rumâni: „[Die

Unterzeichnenden] Roagă pă Dumnezeu ca rumânii Moldavii ... să fie despozaţi a-i

agiuta, a să însoţi la a lor cuget“; interessant ist hier der französische Paralleltext, in

dem [offenbar noch in den 30-er Jahren des 19. Jahrhunderts] das Exonym Valaques

mit der Bedeutung <Rumänen> verwendet wird: „Ils [Les soussignés] prient Dieu pour

que les Valaques de la Moldavie ... soient disposés à s‟associer à leurs projets ...”

(Bodea 1982, I, Text 27, 118 und 121). Das Ethnonym rumâni mit der Bedeutung

<Rumäne> wird auch im Proiect de constituţie fortgeführt („Toţi rumânii sînt

deopotrivă înaintea pravilii,”; cf. frz. Tous les Valaques; Punkt b), in welchem für die

Walachei auch die Bezeichnung Ţara rumânească (Punkt a) erscheint [cf. hierzu in

der französischen Variante: Le sol des Valaques]. Für <Land> wird desweiteren, im

Act der unire und im Proiect de constituţie insgesamt 20 Mal das Lexem loc (cf. loc

vs. une terre de liberté) verwendet: „...un rumân .... va fi chemat la tron ca să

izbăvească locul;” (Absatz 3°).

114

Im Vergleich zu den bisher analysierten Quellen, fällt in den relativ kurzen Texten des

Act de unire und Proiect de constituţie die semantische Redundanz von verba

declarandi auf, wie <a proclama>, <a expune>, <a declara> zwei Mal (siehe u.a.

Absatz 8, 119)>: „Subt iscăliţii rumâni ai Prinţipatului Valahii ... adunaţi ca să

proclame drepturile locului lor şi a ecspune plîngerile, declară ... că nesfiiala cu care

Înalta Poartă şi Rusia au siluit ... cele mai sfinte libertăţi, le pune datoria dă a mîntui

suveranitatea rumână,...” (Prolog); aber auch <a încredinţa> („Suptiscăliţii

încredinţează că toate acestea sînt adevărate ...”, Epilog; „Subt iscăliţii sînt bine

încredinţaţi: Că ...”, Absatz 3°) und <a hotărî> im Proiect de constituţie und im Act de

unire, aus dem folgendes Zitat stammt: „Tari dă al lor cuget, suptiscăliţii hotărăsc cele

următoare”; Absatz 11, p. 119). Eine zweite Reihe von illokutiven Verben sind verba

sentiendi wie <a crede>, <a cunoaşte>; <a lua în băgare de seamă>, <a cugeta>.

Thematisiert wird implizit – in einer Apposition – die Adunare Naţională,

Nationalversammlung, die Verhinderung ihrer Wirksamkeit und ihrer rechtlichen

Zusammenstellung, vor allem durch das Agieren der Pforte: „Subt iscăliţii rumâni ai

Prinţipatului Valahii, mădulari ai Adunării Naţionale ... declară ... că...”; „jos iscăliţii

dăclară: 1. că ... Adunarea Naţională nu mai subzistă în faptă, pentru că deliberaţiile ei

sînt nelegiuit strîmtorate dă firmanuri, că puterea legiuitoare cu care ea este îmbrăcată

s-au entamat, că o putere streină nu numai că au deschis-o şi a închis-o după a ei bună

plăcere, ...”; auch Absatz 2° (unrechtmäßiges Abweichen vom Vertrag von

Adrianopel); „[jos iscăliţii dăclară: ...] 3. Că şi daca regulamenturile dăspre cea ce să

atinge dă legile fundamentale ... nu ar fi fost nule fiindcă s-au alcătuit în vremea unii

ocupaţii militare ruseşti dă o adunare alcătuită arbitrar, iar nu dă toate mădulările care

avea drept a o compune, fiindcă într-însele să află o concluzie şi articole dărăpănătoare

a suveranităţii naţii, trebuie să să desfiinţeze ...”.

Im Act de unire erscheint, wie schon die vorangehenden Zitate belegen, die Thematik

des <Rechts> und <Unrechts> / der <(Un)Rechtmäßigkeit> wiederholt implizit, also in

untergeordneten Sätzen oder Genitivergänzungen: „Subt iscăliţii rumâni ai

Prinţipatului Valahii, mădulari ai Adunării Naţionale, adunaţi ca să proclame

drepturile locului lor ...”. Als (gesetzlicher) „Vertragsbrecher” erscheint die Hohe

Pforte, weil sie die legale Nationalversammlung verhindere und Rumänen, die sich im

Osmanischen Reich aufhalten oder aus ihm zurückkehren, im Widerspruch zu dem

1460 zwischen Vlad V der Walachei und Sultan Muhammad II geschlossenen Vertrag,

wegen Steuer, Kleidung und Religion von türkischer Seite aus verfolgt werden:

„[Fiind subt iscăliţii] Chemaţi dă către constituţia locului a cerceta daca legile

să urmează, daca tractaturile sînt respectate, ...”; „Adunarea Naţională nu mai

subzistă în faptă, pentru că deliberaţiile ei sînt nelegiuit strîmtorate dă

firmanuri, că puterea legiuitoare cu care ea este îmbrăcată s-au entamat, că o

putere streină nu numai că au deschis-o şi a închis-o după a ei bună plăcere, ...”;

„Prin siluirea cea dă curînd a articolelor trei şi patru din tractatul dă la 1460,

legătura care era între rumâni şi Poartă să află ruptă: ...” (Artikel 1, p. 120).

Ein weiterer Bruch seitens der Pforte bestehe in der im Jänner 1834 in Sankt

Petersburg geschlossenen Konvention. Diese legte, nach dem Vertrag von Adrianopel,

115

das außerordentliche Recht fest, dass Herrscher der Moldau und Walachei erneut von

russischer und türkischer Seite aus gewählt werden:

„... curţile protectriţă şi garantă, care în tractatul dă la Adrianopol au recunoscut

netăgăduitul drept al rumânilor dă a-şi alege şeful lor, nu avea puterea dă a să

abate dă dînsul prin tractatul dă la Petersburg şi, încă mai puţin, cu prelegiul

aflării oştirilor ruseşti în prinţipat, dă a orîndui un prinţ cu firman ...”.

Das Vorgehen der Pforte und Russlands werden als moralische Dreistigkeit (nesfiială)

bewertet: „... nesfiiala cu care Înalta Poartă şi Rusia au siluit dă sînt veacuri şi încă

siluiesc pă toate zilele cele mai sfinte libertăţi”. Es sind diese fremden Mächte, die –

implizit durch die Kohärenz des Textes und explizit – für den Zustand der Walachei

und der Moldau verantwortlich gemacht werden: „[Die Unterzeichnenden] Roagă pă

Dumnezeu ca rumânii Moldavii care suferă asemenea rele şi toţi acei fraţi ai lor care

gem acum supt un giug din cele mai despotice şi cele mai bărbare să fie despozaţi a-i

agiuta, ...“; Bodea 1982, I, Text 27, Prolog; „Subt iscăliţii sînt bine încredinţaţi: Că

relele dinlăuntru dă carele este îngreoiată Valahia vor înceta îndată ce un rumân .... va

fi chemat la tron ca să izbăvească locul;”, Absatz 3°; die <tiranie [implizit: äußerer

Mächte]>, Absatz 11, p. 119; „în starea de opresie străină şi dă anarhie înlăuntru”,

Absatz 9, p. 119).

Dem semantischen Feld der Gesetz- und Morallosigkeit steht die explizit und implizit

ausgedrückte Thematik der Freiheit / Souveränität und Unabhängigkeit der Rumänen

gegenüber: „nesfiiala cu care Înalta Poartă şi Rusia aus siluit dă sînt veacuri .... cele

mai sfinte libertăţi, le pune datoria dă a mîntui suveranitatea rumână, dă a întoarce o

patrie slobodă şi independentă”, Bodea 1982, I, Text 27, Prolog); „... fiindcă într-însele

[=legile fundamentale şi constituţia] să află o concluzie şi articole dărăpănătoare a

suveranităţii naţii, [constituţia, d.h. das Regulament] trebuie să să desfiinţeze ...”,

Absatz 3°; „Un nou trup dă legi politice, publice şi civile să va alcătui pentru populu

român slobod şi independent.”, Artikel 2. Die Unabhängigkeit des Landes zu

erreichen, ist das explizite Ziel der Verfasser: „Îndată ce acel rumân care va fi ales a să

urca pă tron va giura ... încă dă ... a dobîndi independenţa ...”, Artikel 4; cf. auch

independenţa naţii in Artikel 7.

Das Land wird lexikalisch als <Heimat> (cf. o patrie slobodă şi independentă, im

Prolog; a izbăvi patria, Absatz 11, p. 119), dann auch als <Staat> mit seinen Bürgern

(„... dăsfiinţarea statului este neapărată, cînd ... cetăţenii nu mai sînt datori a respecta

legile aşăzate, ...”, Absatz 11, p. 119) und auch als <Nation> konzipiert. Die Liebe zur

Heimat ist ein wichtiges Kriterium in der zukünftigen Herrscherwahl (patriotism,

Absatz 8, siehe unten). Insgesamt kommt die Nation mit zehn Mal im Act de unire und

Proiect der constituţie nicht nur am öftesten vor, sondern ist als Vorstellung eines

Organismus, der sich erhalten und perfektionieren muss, auch am weitesten

entwickelt: „Luînd în băgare dă seamă că în starea dă opresie streină ... întru care să

află locul este peste putinţă rumânilor a împlini cele mai prinţipale datorii a unei naţii

către sineşi, că nu poate mai mult nici priveghia a să conserva, nici a să perfecţiona şi

că, cu toate acestea, că toate naţiile, au îndatorirea a fugi dă orice poate pricinui

dărăpănarea lor şi dă orice este împotrivitor perfecţiei lor;”, Absatz 10, p. 119. Als

wesentlichste Bedingung der Nation gilt ihre Erblichkeit (ereditate), diese ist, so der

116

Text, ihre erste Gewalt, wenn die Nation frei ist (cea dintîia putere a unei naţii

slobode, Absatz 8).

Als unbedingte Notwendigkeit stellt der Text die Erreichung der Einheit der Rumänen

dar, sei es als Brüder mit demselben Schicksal, sei es als zerstreute Mitglieder eines

Volkes, die unter einem einzigen Herrscher und einem einzigen Gesetz

zusammengeführt werden sollen:

„[Die Unterzeichnenden] Roagă pă Dumnezeu ca rumânii Moldavii care suferă

asemenea rele şi toţi acei fraţi ai lor care gem acum supt un giug din cele mai

despotice şi cele mai bărbare să fie despozaţi a-i agiuta, a să însoţi la a lor cuget

şi a face împreună cu ei unul şi singur norod oblăduit dă către unul şi acelaş şef

şi stăpînit dă aceleaşi legi.“ (Prolog); „a întoarce o patrie slobodă şi

independentă către toate mădulările răspîndite ale neamului lor”; „Ei cunosc ...

că, cu un loc împărţit ca al lor şi aşa răsipiţi cum sînt, va fi peste putinţă

rumânilor a să împotrivi dă sineşi puternicilor imperiuri care îi încungioară,

stăruiesc încă asupra împreunării cei neapărate a populaţiilor române [sic] supt

un singur schiptru.” (Absatz 9, p. 119).

Die Einsetzung eines Herrschers durch einen türkischen Farman, Erlass des Sultans,

wird als ungesetzlich und vehement abgelehnt: „acest prinţ [orînduit prin firman] nu să

poate cunoaşte drept voivod legiuit şi naţional. Der Herrscher soll, wie

vorangegangene Zitate belegen, ein Prinz und er soll vom Land gewählt sein (prinţul

naţional ... ales de naţie). Der Text stellt mehrere Bedingungen für seine (Aus)Wahl.

Er soll öffentliches Vertrauen genießen und sich durch seine Tugenden und, wie schon

erwähnt, auch Heimatliebe einen Namen gemacht haben („un rumân ce s-ar bucura dă

încredinţarea publică, cunoscut printr-ale sale virtuţi şi patriotism, ...”, Absatz 8, p.

119). Mit ihm soll der Thron erblich werden: „Ereditarea va rămînea în familia ce va fi

chemată la tron şi să va coborî într-însa din fiu în fiu.” (Artikel 3).

Bereits im Prolog nimmt der Act de unire im Diskurs über eine von der Verfassung

geleitete Ordnung im Land; über Ordnung, Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit in

der Verwaltung, über öffentliches Ansehen, über die Verwendung staatlicher Mittel

zum Wohle des Landes (cf. auch fericirea rumânilor in Artikel 4), über die

Nationalversammlung, welche die legislative Gewalt innehaben soll („Adunarea

Naţională nu mai subzistă în faptă, pentru .... că puterea legiuitoare cu care ea este

îmbrăcată s-au entamat...”.), über die [fehlende] Sicherheit und Garantie der

Menschen, über den Missbrauch auf Gerichten und Ämtern eher implizit eine Reihe

von Themen „moderner” Staatlichkeit vorweg:

„[Fiind subt iscăliţii] Chemaţi dă către constituţia locului a cerceta daca legile

să urmează, daca tractaturile sînt respectate, daca prinţul naţional este ales dă

naţie, daca scopul constituţiei este agiuns, daca orînduiala, dreptatea şi

economia domnesc în toate ramurile administraţiei, daca magistraţii au

socotinţa publică, daca sumile statului sînt întrebuinţate pentru binele statului,

într-un cuvânt daca rumânii sînt fericiţi...; „jos iscăliţii dăclară: 1. ... că nu-i mai

mult nici siguranţă, nici chezăşie pentru nimenea” (cf. französisch „... il n‟y a

117

plus de sûreté et de garantie pour personne”); „jos iscăliţii dăclară: 1. că ...

abuzurile giudecătoriilor aduce deznădăjduirea şi stingerea în toate familiile.”;

„jos iscăliţii dăclară: 1. că ... daca abuzurile administraţii ţine clasele cele mai

sărace întru ticăloşie, abuzurile giudecătoriilor aduce deznădăjduirea şi

stingerea în toate familiile.”.

Die Tributpflichten, die sich aus dem Ende des Vertrags zwischen Hoher Pforte und

der Walachei ergeben werden, sollen auf die gesamte Bevölkerung aufgeteilt werden,

gemäß ihres Vermögens: „... pentru ca să păstreze prietenia ei [Porţii], să va negocia

lîngă dînsa răscumpărarea birului şi dajdia ce să va prerădica la acest prilegiu va fi în

sarcina tutulor rumânilor fără dă osăbire, după starea şi puterea fiecăruia.” (Artikel 1).

Auffällig sind im Act de unire moralische, emotionale und religiös-biblische

Assoziationsketten, die sich, wie schon erwähnt, im moralischen Vorwurf gegenüber

Pforte und Russland (nesfiială), den – wörtlich – heiligsten Freiheiten des Landes (cele

mai sfinte libertăţi, Prolog), der Errettung der rumänischen Souveränität („datoria dă a

mîntui suveranitatea rumână”, ib.), der Anrufung Gottes um den Zusammenhalt der

moldauischen mit den walachischen Brüdern („[Die Unterzeichnenden] Roagă pă

Dumnezeu ca rumânii Moldavii ... să fie despozaţi a-i agiuta, a să însoţi la a lor cuget“,

Prolog), der Furchtbarkeit des Vergangenen und der herrschenden Not („o groaznică

experienţă ... le porunceşte ...”, Absatz 8; „trebuinţa este straşnică”), der heiligen

Pflicht, sich für die Errettung der Heimat, der Erlösung des Volkes als erstes –

wörtlich – Gesetz einzusetzen („cetăţenii ... datorie sfîntă dă a lua iniţiativă ... dă a

izbăvi patria, căci izbăvirea norodului este cea dintîia lege.”, Absatz 11), dem Schwur

der Unterzeichnenden auf das Heilige Evangelium und deren Opferbereitschaft für die

Errettung der Nation („Suptiscăliţii fiecare în parte giură pă Sfînta Evanghelie şi faţă

cu un episcop dă religia lor că ... dă astăzi vor jărtfi viaţa şi starea lor la independenţa

naţii lor; ... pînă va sosi ceasul izbăvirii nu vor descoperi niciodată nimic din ceea ce s-

a zis şi făcut în această adunare...”).

Das Proiect de constituţie enthält einen Prolog, welcher Regelungen, Schritte und

Maßnahmen für den angenommenen Kriegsausbruch auflistet:

[1] die Gültigkeit diktatorieller Gewalt für den Herrscher [nur] in der Zeit des

Unabhängigkeitskrieges und bis sechs Monate nach der Anerkennung der

Unabhängigkeit der Rumänen: „Din zioa de astăzi şi toată vremea ce va ţinea războiul

independenţii ... puterea suveranului va fi dictatorială.”; „Şase luni după recunoaşterea

independenţii rumânilor de către toate curţile streine, şi puterea dictatorială cu care

este îmbrăcat suveranul rumânilor legiuit încetează,”; (Artikel 1 und Artikel 6)

[2] die Erklärung aller jener zu Soldaten, die Waffen tragen können: „Tot rumânul în

stare d-a purta arme va fi ostaş.” (Artikel 2)

[3] die Erklärung der Steuerforderungen für den Staat und für die Kriegsausgaben:

„Dăjdiile să vor mărgini numai de către trebuinţele statului şi cheltuielile războiului.”

(Artikel 3)

118

[4] die Feststellung, wie begründeter Landesverrat gerichtet wird (Erschießung

innerhalb von 24 Stunden) und was als Verrat gilt (Unterlassung von Disziplin,

Ungehorsam, Unterlassung seiner Pflichten): „Orice om bănuit de vînzare să va

cerceta de către o comisie alcătuită de trei mădulari; de să va dovedi şi să va înfiinţa a

lui vină, va fi împuşcat în douăzeci şi patru de ceasuri; lipsa întru disciplină,

nesupunerea, neîngrijirea la ale sale datorii, constituază vînzare.” (Artikel 4)

[5] das Recht des Souveräns (Suveranul dictator / Le Souverain Dictateur), Strafen zu

mildern und zu erlassen: „Suveranul dictator va avea dreptul d-a micşora pedepsile şi

d-a ierta.” (Artikel 5)

[6] die Pflicht des Souveräns, sechs Monate nach der Anerkennung der

Unabhängigkeit der Rumänen, die Verfassung zu promulgieren: „Şase luni după

recunoaşterea independenţii rumânilor de către toate curţile streine ... suveranul va fi

dator a promulga Constituţia rumânilor ...”. (Artikel 6)

Es folgt die Verfassung (Constituţia rumânilor oder Constitution des Valaques),

welche die folgenden Grundsätze enthält (Artikel 7):

[a] die grundsätzliche Souveränität des Landes sowie Unveräußerbarkeit des Bodens:

„Ţara rumânească este un loc slobod pentru cîţi în ea lăcuiesc, pămîntul ei nu să va

putea înstreina.”

[b] die Gleichheit der Rumänen vor dem Gesetz, bei Ämterbesetzung und in der

Steuerleistung: „Toţi rumânii sînt deopotrivă înaintea pravilii, toţi priimiţi în posturile

civile şi militare şi toţi contribuiesc la trebuinţele statului, precum se va hotărî de către

Adunarea naţii.”

[c] die Garantie der Freiheit des Individuums (Slobozenia individuală), seiner Anklage

und Verhaftung aunahmslos nach den Bestimmungen des Gesetzes sowie der

eventuellen Bestrafung nur gemäß einem gerichtlichen Urteil: „Slobozenia individuală

este chiezăşuită; nimeni nu va putea fi pîrît şi arestuit decît în întîmplările prevăzute de

legi, şi după formele ce ele hotărăsc; nimeni nu va putea fi pedepsit făr d-a fi mai întîi

judecat.”

[d] das Recht aller Rumänen, ihre Meinung zu veröffentlichen und zu drucken bei

Verantwortlichkeit des Einzelnen für alles Geschriebene, Gesagte und Getane: „Toţi

rumânii au dreptul de a publica şi a tipări ale lor păreri; sînt toţi fără osibire

răspunzători pentru scriierile lor [kein Komma] de ale lor cuvinte şi fapte, după

pravilă.”.

[e] die Unantastbarkeit des Souveräns: „Persoana suveranului este nesiluită şi sfîntă;

...”.

[f] die Zuschreibung der höchsten exekutiven und einer gewissen legislativen Macht

für den Souverän mit den Aufgaben, die Land- und Wasserkräfte (puterile de uscat şi

de apă) zu kommandieren, Kieg zu erklären, Frieden sowie Allianz- und

119

Handelsverträge zu schließen, in öffentliche Ämter zu berufen, und die für die

Exekution der Gesetze notwendigen Reglementierungen (reglementuri) und

Beschlüsse (ordonanţe) zu machen: „a suveranului este puterea săvîrşitoare; suveranul

este şeful cel mai înalt al statului şi comandă puterile de uscat şi de apă, declară

războiul, încheie pacea, tractaturile de alianţă şi de comerţ, numeşte întru toate locurile

administraţii publice, face reglementurile şi ordonanţele trebuincioase pentru săvîrşirea

legilor.”

[f] die Kontrolle der legislativen Macht des Souveräns durch die Nationale

Repräsentanz: „Suveranul nu poate întrebuinţa puterea legiuitoare fără priimirea

reprezentaţii naţionale.”

[g] die Befugnis des Souveräns, alleine Gesetze zu veröffentlichen und zu bestätigen:

„Suveranul singur obşteşte şi întăreşte legile.”

[h] die Zuschreibung der judikativen Gewalt (Puterea judecătorească / Le pouvoir

judiciaire) für den Souverän, die Justiz (Dreptatea / justice) wird durch Beamte auf

Lebenszeit (maghistraţi neschimbaţi pe viaţă / les magistrats inamovibles) ausgeführt;

desweiteren strenge und vom Gesetz geregelte Strafverfolgung bei Verletzung der

Amtspflicht (forfetura / La forfaiture) oder Verschulden (vine) von Richtern: „Puterea

judecătorească purcede de la suveran. Dreptatea să dă întru al lui nume prin

maghistraţi neschimbaţi pe viaţă ...; forfetura sau vinele judecătorilor să vor pedepsi

straşnic şi să va regula printr-o întradins lege.”

[i] die Festsetzung diktatorischer Gewalt für den Souverän in Kriegszeiten: „În vreme

de război puterea suveranului va fi apururea dicatatorială.”

[j] die Verpflichtung der Nachfolger des Souveräns (Moştenitorii suveranului

rumânilor / Les héritiers du souverain des Valaques) bei ihrer Thronbesteigung den

Eid auf die Verfassung abzulegen bzw. diese Verfassung treu zu respektieren:

„Moştenitorii suveranului rumânilor la suirea lor pe tron vor jura faţă de reprezentanţii

naţii că vor păzi cu credinţă constituţiile rumânilor.”

[k] die Einrichtung eines zivilen und militärischen Ehrenordens: „Se va înfăţişa un

ordin de cinste civil şi militar.”

[l] die Verantwortlichkeit der Minister und aller Agenten (aghenţi / agens) des

Souveräns für ihre Verwaltungstätigkeiten (acturile administraţii / tous les actes de

leur administration) sowie die Erfüllung ihrer Aufgaben (<slujbă> / gestion);

außerdem die alleinige Gewalt der Repräsentanten der Nation, Minister anzuklagen

und sie vor Landesgerichte zu stellen: „Miniştrii şi toţi aghenţii suveranului sînt

răspunzători de toate acturile administraţii lor şi a slujbii lor. Numai reprezentanţilor

naţii singuri să dă dreptul de a aduce pîră asupra miniştrilor şi a-i trage înaintea

tribunalelor ţării.”

120

[m] die letzte Entscheidung der Nationalen Repräsentanz für die vom Souverän

bestimmten Abgaben (dajdie / impôt): „În vreme de pace nici o dajdie nu să va putea

lua dacă nu să va priimi de reprezentanţii naţii asupra cererii suveranului.”

[n] die Gründung einer Nationalgarde (neben der ständigen Armee) sowie einer

Wasserstreitkraft (o putere de apă / une marine) auf Kosten des Staates: „Deosebit de

armia cea statornică să va înfiinţa o gardă naţională; o putere de apă să va ţinea cu

cheltuiala statului.”

[o] die Verpflichtung des Souveräns, sechs Monate nach der Anerkennung der

Unabhängigkeit (independenţa / l’indépendance) der Rumänen, einen vollständigen

Kode von zivilen Gesetzen und Strafgesetzen (cf. un trup complect de legi publice

ţivile şi criminale / condici de legi vs. un corps complet de lois publiques, civiles,

commerciales, administratives et militaires / Ces codes) zu veröffentlichen, welcher

alle zehn Jahre revidiert wird (să vor revizui la fie ce zece ani / seront revues tous dix

ans): „Şase luni după ce să va recunoaşte independenţa, suveranul rumânilor să

îndatorează a publica un trup complect de legi publice ţivile şi criminale. Aceste

condici de legi întru putere prin singura promulgare a suveranului să vor revizui la fie

ce zece ani potrivit cu § f.”

[p] die Verfügung einer Ziviliste (o listă civilă / une liste civile) für den Souverän und

seine Nachfolger (moştenitorul vs. l’héritier présomptif), welche von den

Repräsentanten der Nation verabschiedet wird (o listă civilă / une liste civile):

„Suveranul şi moştenitorul său să vor bucura de o listă civilă votată de reprezentanţii

naţii.”

[q] die Feststellung „Gerichtsbarkeit” über die Mitglieder der Nationalen Repräsentanz

sowie ihre repräsentativen und kontrollierenden Funktionen in: der Vertretung aller

Rumänen, der Überprüfung aller Ministerakte (actele din lăuntru şi din afară / tous les

[actes] intérieurs et extérieurs), der Beschließung und Revision des (Jahres-)Budgets

(cf. „hotărăşte bugetul ce i să înfăţişază pe tot anul,” / „elle vote le Budget qui lui est

présenté annuellement”), der Berichterstattung über alle Fragen öffentlichen Interesses

(asupra cîtor să ating de enteresul obştesc, sic) an den Souverän, und der

Entgegennahme von Gesuchen privater Personen: „Reprezentaţia naţională. Toţi

rumâni fără osibire sînt reprezentaţi. Reprezentaţia naţională cercetează toate actele

din lăuntru şi din afară ale miniştrilor răspunzători, hotărăşte bugetul ce i să înfăţişază

pe tot anul, revizează cheltuielile hotărîte de dînsa, are dreptul a face raporturi

suveranului asupra cîtor să ating de enteresul obştesc, priimeşte jălbi de la particolari,

mădularele ei sînt nesiluite şi nu pot fi daţi supt judecată de cît după ce adunarea

volniceşte a lor arestuire.”

[r] die [zukünftige] Miteinbeziehung der <öffentlichen Meinung> – auch wenn es

nicht in diesen Worten ausgedrückt wird – zu Vorschlägen der Minister: „Şase luni

după recunoaşterea independenţii rumânilor, toţi rumânii vor avea după cum să

întăreşte prin § t. a să chibzui şi a dezbate asupra propunerilor ce i să vor face de cătră

miniştri.”

121

VI.3. Interpretation des Act de unire und des Proiect de Constituţie

Wie gezeigt wurde, korreliert Câmpineanus Verfassungsprojekt mit dem Act de unire

und ist auch durch diesen in einen übergeordneten Diskurs eingebettet, welcher auf ein

angenommenes Kriegsszenario reagiert (cf. die Bemühung um den Schulterschluss der

Moldauer, die Bemühung um Allianzen, die Absicherung zur Erhaltung des

Verfassungstextes im In- und im Ausland, der Eid auf eine vorläufige Geheimhaltung

über die Beschlüsse der Versammlung, die den Act de unire redigierte etc.). Auch das

eigentliche Verfassungprojekt enthält konkrete Regelungen für den Fall eines Krieges

(die Festsetzung eines nur für die Zeit des Krieges diktatoriell regierenden Souveräns,

Punkt i; die Würdigung derjenigen, die sich im Krieg um besondere Verdienste

geltend machen, Punkt k; das Verbindlichmachen der Verfassung für zukünftige

Herrscher, Punkt j).

Die wichtigsten Ziele des Act de unire und des Proiect de constituţie sind, wie es

deutlich wurde, die Souveränität und die Freiheit der Rumänen (a mîntui suveranitatea

rumână, suverenetatea [sic] şi libertăţile locului; Act de unire, Absatz 1, 3 sowie 5 und

7; Proiect de constituţie, Punkt a) und ein eigener, von der Nation gewählter

Landesherrscher: „... relele dinlăuntru dă carele este îngreoiată Valahia vor înceta

îndată ce un rumân ce s-ar bucura dă încredinţarea publică, cunoscut printr-ale sale

virtuţi şi patriotism, va fi chemat la tron ca să izbăvească locul;” (Act de unire, Absatz

8; cf. auch Proiect de constituţie, Punkt e). Diese Ziele werden in einem Diskurs

verteidigt, der den Außenmächten gegenüber offensiv ist – in jedem Fall offensiver als

die Diskurse von Vladimirescu und den cărvunari. Als revolutionär sind

einzuschätzen: der Vorwurf des unmoralischen Vorgehens (nesfiiala, Act de unire,

Absatz 1) der Pforte und Russlands, der Vorwurf der Einschränkung der

Nationalversammlung durch die Pforte (Act de unire, Absatz 3), der Vorwurf des

Vertragsbruchs der Schutz- und Garantiemacht (Act de unire, Absatz 4 und „Prin

siluirea ... a articolelor trei şi patru din tractatul dă la 1460”, Act de unire, Artikel 1)

und vor allem die vehemente Ablehnung eines durch einen firman gestellten

Herrschers (Act de unire, Absatz 4) sowie die Aufkündigung des Bündnisses mit der

Pforte („legătura care era între rumâni şi Poartă să află ruptă”, Act de unire, Artikel 1).

Zum offensiven Charakter der Texte von 1838 gehört desweiteren, dass die Verfasser

ihre Identität nicht nur preisgeben – es sind die Mitglieder der Nationalversammlung –

sondern dies deutlich und extrapoliert im Act de unire an erster und letzter Stelle des

Textes, und im Proiect de constituţie an erster Stelle tun (cf z.B. „Subt iscăliţii rumâni

ai Prinţipatului Valahii, mădulari ai Adunării Naţionale ... declară”, Act de unire,

Absatz 1; cf. auch Proiect de constituţie, Prolog). Die Frequenz von Verba declarandi

und sentiendi im Act de unire lässt die Sender noch stärker in deutlicher und

selbstbewusster Art erscheinen. Eventuelle Konsequenzen auf ihren offensiven Stil

scheinen die Verfasser des Act durch ein „Angebot” der Walachei abgeschwächt zu

haben, durch welches die Pforte für ihren verlorengehenden Tribut entschädigen

werden sollte: „legătura care era între rumâni şi Poartă să află ruptă: cu toate acestea,

pentru ca să păstreze prietenia ei, să va negocia lîngă dînsa răscumpărarea birului ...”.

Auch führen die Sender das Argument als allgemeingültiges an, dass Gesetze immer

zeitlich befristet sind:

122

„Că şi daca regulamenturile dăspre cea ce să atinge dă legile fundamentale şi

constituţia [gemeint ist hier das Regulament organic, Şotropa 1972, 274] nu ar

fi fost nule ... trebuie să să desfiinţeze orişicum numai pentru căci nişte

regulamenturi să fie oricît dă bune sînt orînduite printr-a lor natură numai la o

stare dă lucruri vremelnică” (cf. „ils devraient être abrogés par cela seul que des

règlemens tels bons qu‟ils soient ne sont destinés de leur nature qu‟á un état de

choses transitoires.”; Absatz 5).

Der Act enthält eine Reihe von verschiedenen Diskursen, welche den eigentlichen

Verfassungstext einleiten und als seine Kotexte fungieren. Aufgrund redundanter

Sememe in den Lexemen Unmoral, quälen, ein barbarisches Joch; schreckliche

Geschehnisse, schreckliche Not; heilige Freiheiten, die heilige Pflicht der Errettung

der Souveränität, die Errettung des Volkes, die Opferung des Lebens etc. können wir,

auch wenn nur bruchteilhaft, von einem moralisierenden, einem emotiven, einem

religiös-biblischen und einem historischen Diskurs sprechen. Sehr deutlich ist, wie

gezeigt wurde, das semantische Feld des historischen <(Un)Rechts> bzw. der

<(Un)Rechtmäßigkeit>. Neben dem Angebot einer finanziellen Entschädigung der

Pforte, scheint der Text also auch den Versuch zu zeigen, den illokutiven Sprachakt

<das Bündnis ist beendet> durch eine vielseitige Argumentation zu stützen.

Wenn wir für eine Vergleichsmöglichkeit nun nochmals die wichtigsten Grundbegriffe

heranziehen, die in den modernen Verfassungen aufgebaut wurden (<Freiheit /

Souveränität / freie Meinungsäußerung>, <Eigentum>, <Sicherheit>, <Widerstand /

Petition>, <öffentliche Meinung>, <Gleichheit>, <Steuerbeitrag>, <Gemeinnutz>

sowie <Bevölkerung>, <Volk / Nation>, <Staatsbürgerschaft>, <Staatsgewalt>,

<Repräsentativität und Trennung der Gewalten>, <Staatsnamen>, <Vaterland>,

<Territorium>, <Hauptstadt>, <Wohnsitz>, <Grenze>, ist festzustellen, dass

Câmpineanus Verfassungsprojekt bereits die Mehrheit davon thematisiert und

konzeptualisiert.

Die Souveränität (bzw. Freiheit / Unabhängigkeit) des Landes ist die Priorität des

Proiect de constituţie (Punkt a), die schon im vorangehenden Act de unire mehrfach

thematisiert wird (Absatz 1, 3, 4, 5, Artikel 4, 7). Mit ihr in Zusammenhang steht die

dringende Forderung eines eigenen Herrschers (Act de unire, insbesonders Absatz 6)

und der Vererbbarkeit seines Throns (ib. und Artikel 3). Der Herrscher soll

konstitutionell regieren (Act de unire, Şotropa 1972, 276), seine Person genießt

Unantastbarkeit (Proiect de constituţie, Punkt e), er hat die exekutive (Punkt f) und

(nur) eine geteilte legislative Macht inne (ib.). Zur Souveränität des Landes gehört die

Unveräußerbarkeit des Bodens (Punkt a). Es gelte die Gleichheit der Rumänen vor

dem Gesetz, bei Ämterbesetzung und in der Steuerleistung (Punkt b). Der Staat

garantiere die generelle Freiheit des Individuum, Anklagen, Freiheitsentzug und

Urteile bedürfen einer gesetzlichen Grundlage (Punkt c und Act de unire, Absatz 3

vorweggenommen). Alle Rumänen haben das Recht, ihre Meinung zu veröffentlichen

und zu drucken bei Verantwortlichkeit des Einzelnen für alles Geschriebene, Gesagte

und Getane (Punkt d). Der Souverän hat, wie schon gezeigt wurde, die exekutive

Gewalt inne (Punkt f) und von ihm geht die judikative Gewalt aus (Punkt h). Er

123

sanktioniert und promulgiert auch die Gesetze (Punkt g), wozu die Nationale

Repräsentanz jedoch zuerst ihre Zustimmung gibt (Punkt f; Şotropa 1972, 277). Das

Proiect de constituţie spiegelt in den Worten Şotropas (1972, 275) die Konzeption der

Machtbegrenzung des Souveräns durch ein Parlament sowie der Unabhängigkeit der

Legislative und Judikative von der Exekutive wider. Die beginnende Gewaltenteilung

wird in einer Reihe von Aufgaben der Reprezentanţia naţională, vor allem aber in der

Kontrolle der Ministertätigkeit sowie der Beschließung und Revision des (Jahres-

)Budgets (Punkt q) und der Zustimmung zu den vom Souverän vorgeschlagenen

Abgaben sichtbar.

Im Act de unire spiegelt sich die Konzeptualisierung noch weiterer

verfassungsrelevante Begriffe wider, wie eine, von allen und nach dem Vermögen

getragene Steuer (Artikel 1). Die Verwendung der verschiedenen Lexeme für das

Fürstentum Walachei, von Prinţipatul Valahii, über loc, Gebiet / Region, patrie,

Heimat, dann auch stat, Staat, zu naţie, Nation, zeigt, dass 1838 auch schon ein

Bewusstsein für die Notwendigkeit einer staatlichen Bezeichnung des <Raums>

entstanden war. Und wenn auch noch kein Name für den zukünftigen Staat erscheint,

sondern erst die Ländernamen der noch nicht vereinten Walachei (Prinţipatul Valahii

im Act de unire, Ţara rumânească im Proiect de constituţie, Punkt a) und der Moldau,

skizziert der Text die Bevölkerung dieser beiden Länder bereits als „geeinte” rumâni

(cf. hierzu insbesonders rumânii Moldavii). Im Proiect de constituţie spiegelt sich

außerdem ein Äquivalent zu einer <öffentlichen Meinung> wider, die jedoch noch

nicht mit dem späteren Terminus (voinţă publică etc.), sondern erst in ihrer

Paraphrasierung, dass zukünftig über die Vorschläge der Minister diskutiert werden

könne (Punkt r). Aus einer Schrift von Felix Colson, so Şotropa, ist desweiteren zu

entnehmen, dass Câmpineanu in dem uns fehlenden Text auch Vorschläge zur

Vergabe von Land an die ţărănime clăcaşe machte, also auch das Eigentum und die

Freiheit thematisierte. Alle Bauern sollten frei und Besitzer der pămînturi comunale,

des den Gemeinden gehörenden Bodens, nach der Bemessung des vechiul obicei

werden (Şotropa 1972, 280). Über die Kernbegriffe moderner Staatlichkeit, wie wir sie

festlegten (cf. Metzeltin/Lindenbauer/Wochele 2005, Kap. IX) hinausgehend,

thematisieren die Projekte von 1838 auch die Bedeutung der gesetzlichen Regelung,

die Würde des Herrschers, das Finanzgebaren und die Verantwortlichkeit der Minister

und aller Agenten des Souveräns. Der Act de unire und das Proiect de constituţie

haben von den grundsätzlichsten Begriffen der Menschenrechte <Freiheit /

Souveränität / freie Meinungsäußerung>, <Eigentum>, <Sicherheit>, <öffentliche

Meinung>, <Gleichheit>, <Steuerbeitrag>, sowie von den staatstragenden Begriffen

<Bevölkerung>, <Volk / Nation>, <Staatsbürgerschaft>, <Staatsgewalt>,

<Repräsentativität und Trennung der Gewalten>, <Vaterland> aufgenommen. Die

Texte weisen von den von uns zum Vergleich herangezogenen Begriffen der

Menschenrechte (zumindest in dem uns überlieferten Text) nur den <Widerstand /

Petition> und den <Gemeinnutz> nicht auf. Von den staatstragenden Begriffen weisen

sie keine Thematisierungen von <Staatsbürgerschaft>, <Staatsnamen>, <Territorium>,

<Hauptstadt>, <Wohnsitz> und <Grenze> auf. Câmpineanus Projekte sind, unserer

Analyse nach, modern demokratisch im Sinne der Konzeptualisierung der wichtigsten

Menschenrechte. Der Staat hingegen ist konzeptionell noch nicht deutlich existent, er

ist aber deutlich in Vorbereitung durch den Plan der Vereinigung der Rumänen.

124

VII

DIE TRAGWEITE DER RUMÄNISCHEN REVOLUTIONEN VON 1848

Nach dem Verfassungsprojekt von Ioan Câmpineanu lassen sich

„staatskonzeptionelle” Texte vor allem im Kontext der 1848-er Revolution ausmachen.

Zwar haben die rumänischen Revolutionen von 1848 durchaus regionalen Charakter,

dennoch schreiben ihnen rumänische Historiographen ein program unic al întregii

naţiuni, ein einheitliches Programm für die ganze Nation, wie auch obiective

unificătoare, vereinheitlichende Ziele, zu (z.B. Berindei 1998, 202; Iscru 21997, vol. 1,

168). Dieser Aspekt der rumänischen Revolutionen wird u.a. getragen von der

überregionalen Aktivität einzelner rumänischer Revolutionäre. So wirkt z.B. der aus

der Moldau stammende, die moderne Agrarwissenschaft begründende Ion Ionescu de

la Brad (1818-1891) als Exponent der Revolution in der Walachei, wo er u.a. die

Funktion des Vizepräsidenten der Kommission für die Eigentumsfrage, Comisia

proprietăţii, ausübt. Der aus der Moldau stammende Politiker, Historiker und

Schrifsteller Nicolae Bălcescu (1819-1852) ist sowohl in Siebenbürgen als auch in der

Walachei aktiv. Der aus Siebenbürgen stammende und in Blaj und Bukarest lehrende

Professor Ioan Axente Sever (1821-1906) wiederum ist an den Bewegungen in der

Walachei und in Siebenbürgen beteiligt. Unter den Siebenbürgischen Anführern der

Siebenbürgischen Revolution waren, um auch dafür Beispiele zu geben, der

bedeutende Linguist sowie Begründer der rumänischen Literaturgeschichte Aron

Pumnul (1818-1866), der Anführer der revolutionären Bauernarmee in den

Westkarpaten, Avram Iancu (1824-1872) und der spätere Metropolit Andrei Şaguna

(1809-1873), der im heutigen Ungarn geboren wurde.

Mit Ausnahme des streng russisch kontrollierten Bessarabien wurden nach und nach

im Jahre 1848 alle rumänischen Länder (Moldau, Walachei, Transsilvanien, Banat und

Bukowina) von Revolutionsbewegungen erfasst. Im März 1848 brachen auf Initiative

einiger Bojaren in der Moldau Proteste aus, die jedoch vom herrschenden Mihail

Sturza (1795-1884, regierte 1834-1849) rasch und hart unterdrückt wurden (zur

Positionierung der Bauern cf. Berindei 1998, 202). Junge Intellektuelle verfassten

daraufhin im Exil Reformprogramme für die Moldau. Unter den wichtigsten dieser

Programme sind auch Dorinţele Partidei Naţionale von Mihail Kogălniceanu, welche

wir nachfolgend als dritten Quellentext aus der rumänischen Revolution von 1848

analysieren werden (cf. Kap. IX).

Mit der ungarischen Niederlage in der Schlacht von Mohács im Jahre 1526 war das

ehemalige historische Fürstentum Siebenbürgen osmanisch geworden und ab 1541 mit

einer gewissen Autonomie organisiert worden. Ende des 17. Jahrhunderts war es

Habsburg gelungen, es erneut der osmanischen Suzeranität zu entziehen. Durch das

Leopoldinische Diplom wurde Siebenbürgen am 16. Oktober 1690 vorläufig und nach

dem Frieden von Karlowitz (1699) bei Wahrung seiner Autonomie endgültig

habsburgisch, sodass es habsburgischer Dachherrschaft unterstand, als hier ab Frühjahr

1848 revolutionäre Geschehnisse erstmals ausbrechen. Im vierten in dieser Studie

analysierten Text, der öffentlichen Rede vom 2. Mai 1848 von Simion Bărnuţiu in

125

Blaj/Blasendorf, spiegelt sich diese, auch benachteiligende Dachherrschaft punktuell

wider. Der Autor beklagt in seiner Rede, dass seit der [Kirchen-] Vereinigung [um

1700] die rumänischen [unierten] Bischöfe duldeten, dass dem rumänischen Klerus die

Nutzung guter Landstücke und Wälder entzogen würden. Eine Unterrichtung des Hofs

und Guberniums über diesen Zustand wäre umsonst gewesen, denn gerade hier säßen

jene, welche in den Landtagen diese Landwegnahme dekretierten: „Cine nu ştie că

episcopii noştri de la uniunea încoace numai cu numele au fost episcopi, iară într-

adevăr au fost notari săteşti ... pe de altă parte se pun măsură teritoriului satului şi fac

ce fac de iau locurile cele mai bune de la preoţii românilor, şi atunci iară dau de lucru

notariului episcop ca să scrie la Curte, la guberniu, unde tot aceia judecă cari şi răpesc

şi cari decretează în diete ca domnii pămînteşti să ieie toate pădurile de la comunităţile

române, dezdăunare pentru porţiunile canonice.” (Discursul de la Blaj, A29)

Siebenbürgen war das am heftigsten und, im rumänischen Vergleich, am längsten, von

der Revolution erschütterte Fürstentum. Hier dauerte die Revolution de facto bis zum

1./13. August 1849. Im Sommer 1849 begegneten sich Ungarn und Rumänen in einem

blutigen Bürgerkrieg, Österreich ließ die Auseinandersetzungen mithilfe russischer

Truppen, die seit Juni 1849 einmarschiert waren, niederschlagen. Auslöser der

Revolution war die Gefährdung der Autonomie Siebenbürgens durch die Ungarische

Krone. Ungarn brachte sein politisches Ziel der Vereinigung Siebenbürgens mit

Ungarn, trotz Proklamation und Sanktionierung durch den Kaiser, (vorerst) nicht

durch. In Siebenbürgen wurde erneut die kaiserliche Autorität hergestellt. Die seitens

der Siebenbürger Rumänen gefürchtete direkte Verwaltung Ungarns folgte allerdings

nur wenig später, im Österreichisch-Ungarischen Dualismus im Jahre 1867.

In der Walachei brach die Revolution am 9. / 21. Juni 1848 aus. Auf dem Câmpul

Regenerării, dem Freiheitsfeld bei Islaz, verlas der große rumänische Intellektuelle

und Revolutionär Ion Heliade-Rădulescu (1802-1872) im Rahmen einer

Volksversammlung das Reformprogramm der Muntenier, die sogenannte Proclamaţia

de la Islaz. Relativ gleichzeitig brach die Revolution auch in Bukarest aus. Hier wurde

um den 11. / 23. Juni 1848 der regierende Fürst Gheorghe Bibescu (1804-1873,

regierte 1843-1848) gezwungen, die Proklamation anzunehmen und eine neue

Regierung anzuerkennen. Er dankte in der Nacht vom 13. / 25. auf den 14. / 26. Juni

ab. Den Revolutionären gelang es für drei Monate eine provisorische Regierung der

Walachei zu bilden. Exponenten der muntenischen Revolution waren u.a. der schon

genannte Ion Heliade-Rădulescu, der Politiker und General Gheorghe Magheru (1802-

1880), der Politiker und General Christian Tell (1808-1884) und der große

Intellektuelle Nicolae Bălcescu. Die Revolution scheiterte am Widerstand der Bojaren

und an der Landverteilung, die zu langsam geschah. Sie wurde schließlich von den

Truppen des Osmanischen und des Russischen Reichs im September

niedergeschlagen. Am 19. / 31. Juli 1848 drangen osmanische Truppen in die

Walachei vor, welche am 15. September 1848 von zaristischen Truppen besetzt wurde.

Die Walachei sollte bis 1851 besetzt bleiben. Die Hauptexponenten der Revolution

wurden festgenommen und später exiliert bzw. flüchteten.

Im Folgenden werden wir drei Texte der „Rumänischen Revolution von 1848“, ihrer

Chronologie gemäß, analysieren. Kapitel VII.1. über die Rede von Blaj/Blasendorf

126

vom 2. Mai 1848 ist eine weiter ausgearbeitete Version des von Michael Metzeltin,

Holger Wochele und Petrea Lindenbauer verfassten Artikels Der nationalpolitische

Diskurs in Siebenbürgen im 19. Jahrhundert. Angewandte Textanalyse der

Darstellung von Macht anhand des Revolutionsdiskurses von Blaj/Blasendorf vom 2.

Mai 1848 in Neweklowsky (2007, 271-300) und stellt zu diesem eine neu akzentuierte

Untersuchung des Textes dar. Proclamaţia de la Islaz ist ebenso in einer Vorversion in

einer anders als hier akzentuierten Analyse von Petrea Lindenbauer und Wolfgang

Kreutzer (in: Papadima 2003, 13-38) erschienen.

127

VII.1. Der Revolutionstext von Blaj/Blasendorf vom 2. Mai 1848

VII.1.1. Die historische Motivation des Diskurses von Blaj

Unser vierter Text bettet sich historisch in den Beginn der 1848-er Revolution in

Siebenbürgen ein. Anlass zu dieser Revolution war, wie schon erwähnt, der Versuch

der Ungarischen Krone (seit März 1848) eine uniune, Vereinigung Ungarns mit

Siebenbürgen, zu erwirken. Diesen Anspruch publik zu machen, konnte sich Ungarn,

das nun über ein autonomes Finanz, Kriegs- und Außenministerium verfügte (Fischer

1999, 110; cf. hierzu auch Absatz 30 des Diskurses von Blaj), leisten. Die Vereinigung

Ungarns mit Siebenbürgen war nur ein Punkt des Reformprogramms der liberal-

aristokratischen Politiker des ungarischen Königreichs, zu welchen junge Intellektuelle

wie der Dichter Sándor Petöfi (1823-1849) zählten. Das vollständige Programm der

liberalen Ungarn umfasste zwölf Punkte und war am 15. März 1848 mit breiter

Zustimmung in Pest proklamiert worden. Ungarns siegreiche Liberale zielten auf die

Auflösung der feudalen Strukturen des Königtums zugunsten eines bürgerlich-

demokratischeren Nationalstaates mit verbesserten Lebensbedingungen für die Bauern.

Die konkreten Ziele der Liberalen waren die Abschaffung der Leibeigenschaft,

gesetzliche zivile und religiöse Gleichbehandlung, allgemeine Steuerpflicht, ein (mit

beschränktem Wahlrecht) gewählter jährlich tagender Landtag (in Pest), die

Einrichtung eines verantwortlichen Ministeriums, Pressefreiheit, die Freilassung der

politischen Gefangenen, die Einführung eines Geschworenengerichts, die Gründung

einer Nationalbank, die Aufstellung einer Nationalgarde, die Vereidigung des Militärs

auf die Verfassung und, schlussendlich, auch die Vereinigung – uniunea – Ungarns

mit Siebenbürgen (Fischer 1999, 109-110).

Dieses Verfassungsprogramm und die geplante Vereinigung waren als Mittel zur

Stärkung der Nation gedacht, denn die Ungarn bangten, nicht ohne Anlass, um die

Existenz ihrer Nation Johann Gottfried Herder hatte im Vormärz den Untergang

Ungarns und damit den Tod der ungarischen Nation prophezeit (Köpéczi 1990, 458

sowie Lendvai 41999, 209). De facto wurde das 12-Punkte Programm vom

Statthalterrat akzeptiert. Die Ständeversammlung bereitete in kurzer Zeit 31

Gesetzesartikel vor, zu deren Sanktionierung sich Kaiser Ferdinand am 11. April 1848

gezwungen sah (die sogenannten Aprilgesetze). Zur Union Siebenbürgens mit Ungarn

gab es unter den Rumänen Siebenbürgens unterschiedliche Meinungen. Simion

Bărnuţiu, der Siebenbürgische Pädagoge, Philosoph und Rechtsgelehrte (1808-1864)

und Verfasser des hier analysierten Textes zeichnet darin – durchaus ironisch – die

Stimmung der Siebenbürger zur proklamierten Vereinigung als überwältigend:

„Uniunea ne dă toate, pentru aceea de acest cuvînt misterios sunt pline toate gazetele.

Uniunea e materia de conversaţiune în toate cercurile societăţii, uniunea e scrisă pe toţi

păreţii, flamura uniunii e plantată pe case, pe biserici şi chiar pe carele călătorilor.”

(Discursul de la Blaj, Absatz 30).

Diese Stimmung dürfte sich aus der Hoffnung der Siebenbürger Rumänen auf liberale

Reformen erklären, deren Verwirklichung innerhalb eines neuen Großungarns realer

zu sein schienen (cf. die Stellung Timotei Ciparius 1805-1887 und George Bariţius

128

1812-1893; Chindriş 1990, 81 und Lindenbauer 2003, 135). Es gab andererseits

jedoch, sowohl unter den Rumänen als auch unter den Sachsen Siebenbürgens,

ablehnende Positionen gegenüber der Vereinigung, wie sie z.B. Stephan Ludwig Roth

(1796-1849) vertrat. Es war insbesonders Simion Bărnuţiu gewesen, der bereits seit

März 1848 versucht hatte, die öffentliche Meinung zu einer Ablehnung der geplanten

Vereinigung hin zu beeinflussen. In seiner Rede vom 2. Mai 1848, die uns als vierter

Quellentext dient, äußert er diese Haltung ganz explizit: „Io însă cu toate acestea nu

sunt mulţămit cu uniunea, nici nu mă răpesc de bucuria cea universală ...” (Discursul

de la Blaj, Absatz 31). Schon vor diesem Zeitpunkt hatte er sein äußerst kritisches

Bedenken in zwei in Handschrift zirkulierenden Texten verbreitet. Sie gelten als der

eigentliche Beginn der Siebenbürger Revolution. Sowohl in der Provocaţiune vom

24./25. März 1848, welche als Reaktion auf den 15. März gesehen werden kann, wie

auch Manifestul românilor transilvani hatte der Gelehrte versucht, den Rumänen ein

Nein zur Vereinigung zu suggerieren (cf. die Analyse der Provocaţiune in

Lindenbauer 2003, 137-153). In der am 2. Mai 1848 gehaltenen Rede sollte er dies

jedoch, auf eine lange Argumentation gestützt noch viel ausführlicher, tun. Dennoch

wurde trotz verschiedener Vorbehalte und Gegenstimmen (der sächsischen und der

drei rumänischen Landtagsmitglieder) am 30. Mai 1848 auf dem Landtag von Cluj /

Klausenburg die Union vorerst beschlossen (Köpeczi 1990, 489).

VII.1.2. Blaj – Bildungszentrum der rumänischen Aufklärung und ihr

Deszendent Simion Bărnuţiu

Seine Herkunft aus der griechisch-katholischen Priesterschaft hatte es Simion Bărnuţiu

ermöglicht, eine überdurchschnittliche Bildung zu genießen. Es war das bedeutende

geistliche Zentrum Blaj/Blasendorf, eine kleine Ortschaft in Oltenien, welche ihm dies

gewährte. Nach der Gründung der Unierten Kirche und nach der Wahl zum

Bischofssitz (1737) hatte Blaj unter Inocenţiu Micu Klein einen Aufschwung erlebt, an

der u.a. auch Bischof Petru Paul Aaron (1709-1764) weiter mitwirkte. Die um 1765

fertiggestellte Kathedrale wurde mit Bildungsräumen ausgestattet und auch eine

Druckerei wurde eingerichtet. Blaj war nach und nach zu einer Stätte höherer Bildung

geworden und gebar schlussendlich auch die sogenannte Şcoala Ardeleană, eine

Pleiade von Lehrern, Historikern, Philosophen, Grammatikern und Rechtsgelehrten,

welche als die Siebenbürgische Vertretung der europäischen Aufklärung gelten kann

(Beyrer/Bochmann/Bronsert 1987, 19). Der Siebenbürger Schule gehörten große

rumänische Intellektuelle an, wie der in Blaj Mathematik, Ethik, Philosophie und

Dogmatische Theologie lehrende Samuil Micu (1745-1806), Neffe des Bischofs

Inocenţiu Micu; dann auch der hier (seit 1773) Poetik und Rhetorik lehrende Gheorghe

Şincai (1754-1816), welcher ab 1780 zwölf Jahre lang mehrere Schulen leitete;

desweiteren zählen zur Şcoala Ardeleană der Historiker und Philologe Petru Maior

(1761-1821), der Schriftsteller und Philologe Ioan Budai-Deleanu (1760-1820), der

Politiker, Publizist, Historiker und Herausgeber einer der frühesten

Presseerscheinungen auf Rumänisch, George Bariţiu (1812-1893). Viele ihrer

Repräsentanten studierten an europäischen Universitäten und bemühten sich

insbesonders darum, die Latinität der Rumänen zu belegen und in ihr Argumente für

eine international anerkannte nationale Autonomie zu finden. Samuil Micu und

129

Gheorghe Şincai verfassten in diesem Sinne die Elementa linguae daco-romanae sive

valachicae, eines der frühesten umfassenden Lehrbücher der rumänischen Sprache,

welches 1780 von Samuil Micu in Wien und 1805 von Gheorghe Şincai in korrigierter

Fassung in Buda veröffentlicht wurde. Der Ideologie der Siebenbürger Schule zufolge,

sind die Elementa nicht nur auf Latein verfasst, sondern stellten, wie auch der

Verfasser unseres vierten Quellentextes, stark etymologisierend-latinisierende Normen

des zu dieser Zeit noch nicht standardisierten Rumänisch auf (auf diese Spezifik gehen

wir in Kap. VII.4. etwas näher ein). Trotz ihrer latinisierenden Ausrichtung ist es aber

gerade Blaj bzw. die Siebenbürger Schule, die die Verwendung des Latein als primäre

Bildungssprache zugunsten der nationalen (rumänischen) überwindet. Erstmals

entstehen Werke in rumänischer Sprache, wie die historiographischen Werke von

Samuil Micu, Gheorghe Şincai und Petru Maior.

Simion Bărnuţiu (1808-1864) studierte ab 1825 Theologie in Blaj, später auch

Philosophie und Recht in Sibiu. Er lehrte in Blaj als Professor für Philosophie und

(Natur-)Recht (ab 1829/1830, 1834, 1839) und amtierte auch als Sekretär des

Konsistoriums der Griechisch-Katholischen Kirche (1835-1838). Insbesonders wirkte

er als Didaktiker und Rechtsphilosoph. Prägende rechtstheoretische Arbeiten wie

Dereptulu Puplicu alu Romaniloru in Jassy sollten erst nach dem für unsere Textquelle

relevanten Zeitpunkt 1848, um 1867, entstehen. Als es in den frühen 40-er Jahren des

19. Jahrhunderts (1843/1844 Fischer 1999, 106 zufolge; cf. Absatz 42 des Diskurses

von Blaj) auf dem ungarischen Landtag von Pressburg zur Verabschiedung eines

Sprachengesetzes kam, dem zufolge Ungarisch innerhalb des folgenden Jahrzehnts

Rumänisch auf allen Ebenen des öffentlichen Lebens im Königreich Ungarn ersetzen

sollte, verteidigte Simion Bărnuţiu vehement die national-„rumänischen” Interessen.

Aufgrund seines Protests wurde er seines Lehrstuhls enthoben. Es folgte ein Prozess

(1843-1846), in welchem er den amtierenden Bischof gegen sich hatte, welcher sich

auch durchsetzte. Bărnuţiu verließ nach dem Prozess Blaj, um an der Academia

Săsească in Sibiu erneut, wie schon erwähnt, für drei Jahre Recht zu studieren. Neben

seinem Einsatz für nationale Interessen sind ihm Bemühungen um die Laizisierung

und Befreiung der Volksbildung aus ihrer lateinisch-klerikalen Ausrichtung zu

verdanken. Er übersetzte wichtige philosophische Werke ins Rumänische und hielt

(1839 erstmalig auf Kosten des Latein) philosophische Kurse auf Rumänisch ab.

Inspiriert von den Vorgängern der Siebenbürger Schule, insbesonders von der

Geschichtsschreibung Petru Maiors bzw. dessen Istoria pentru începutul românilor în

Dachia, und dem durch diese Schule vermittelten Rationalismus nach Kant,

entwickelte der 40-jährige Simion Bărnuţiu eine Ideologie zwischen einer Aufklärung

josephinischer Prägung und einem Liberalismus, wie er die Generation vor 1848 und

um 1848 deutlich prägte.

Bărnuţius Rede vom 2. Mai 1848 kreist um Begriffe wie Staat, Nation, Nationalität,

Individuum, Person, Besitz. Sie spiegelt dabei die Rezeption verschiedener

theoretischer Überlegungen von Friedrich Karl von Savigny (1779-1861) wider und

dokumentiert im Konkreten folgende Konzeptualisierungen zu Staatlichkeit. Der Staat

ist eine natürliche Erscheinung und dient dem Schutz der (einzelnen) Person und ihren

Gütern:

130

„dacă e statul tocma o necesitate de la natură, atunci statul fără îndoinţă numai

pentru aceea e de lipsă, ca fiind în stat oamenii, să se poată apăra mai uşor într-

însul decît afară de stat. Adecă statul e un aşezămînt omenesc spre apărarea

persoanei şi a bunurilor omenirii. ...” (A52).

Der Schutz des Individuums umfasst seine Versorgung (mîncarea, băutura,

îmbrăcămîntul, locuinţa), seine Freiheit (libertate) und seine Sprache (limba); (A14).

Dort wo Landbesitzer, domni, Landbewirtschafter, coloni, im Gegensatz zu Ländern

wie Deutschland und Preußen noch immer in Leibeigenschaft beließen, beraubten sie

diese ihrer menschlichen Würde, demnitatea personală, und ihres Besitzes (A18). Was

für das Individuum gelte, könne auf die Person der Nation übertragen werden („să

trecem de la persoana omului la persoana naţiunii, care încă are personalitate ...“,

A37). Niemand solle der Sklave eines Anderen sein, sondern jeder alle sollen frei sein

und freie Staaten bilden können; keine Nation könne / solle in Freiheit, Würde und

Macht einer anderen höhergestellt sein:

„natura nu va ca să fie un om şerb altui om, ci va să fie liber în toată viaţa sa. Ea

vrea ca mai mulţi oameni liberi să facă comunităţi, sate şi state libere, şi aceste

să se guberne de guberne aşezate cu votul tuturor liberilor, după legi puse de

universalitatea tuturor liberilor, nu cu mandate.“ (A53, A56).

Auch der Staat als solcher hat Würde:

„... noverimea română nu va apuca niciodată la valoarea ce i se cade în stat,

pentru că valoarea face cultura, cultura fără libertate şi libertate fără de existenţă

şi onoare naţională nu e cu putinţă” (A16).

Der Staat versteht sich als Organismus, der auch erkranken oder, wenn man ihm einen

Teil entfernt, sterben kann:

„Mădulariu tăiat de cătră trup nu mai poate trăi, şi trupul, tăindu-se verum

mădulariu, pătimeşte şi dacă nu piere. Acest scop l-au avut ungurii adoperindu-

se a tăia pe noverimea română de cătră trupul naţional.” (A52).

Ist die Staats-Nation einerseits Struktur und Organismus (trup), ist sie andererseits

auch natürliches Gefühl und Verbindung zu den Ahnen (naţionalitate):

„Ce este apa pentru peşti, aerul pentru zburătoare şi pentru toate vieţuitoarele,

ce este ... soarele pentru creşterea plantelor, vorba pentru cugetare, aceea e

naţionalitatea pentru vercare popor, într-însa ne-am născut, ea este mama

noastră, de suntem bărbaţi ea ne-a crescut, de suntem liberi într-însa ne miscăm,

de suntem ... supăraţi ne alină durerea cu cîntecele naţionale, prin ea vorbim şi

astăzi ca părinţii noştri carii au trăit înaintea de mii de ani, prin ea ne vor

cunoaşte strănepoţii şi posteritatea preste mii de ani.” (A61).

Bărnuţiu fordert der Theorie von Savigny gemäß, das natürliche Recht (possessio

naturalis) bzw. das unveräußerliche Recht der Siebenbürger Rumänen auf den Boden

des Ardeals:

131

„Ei [românii] se adunară cu cuget de a-şi vindeca drepturile care le uzurpă

ungurii, secuii şi saşii de cente de ani şi ca să-şi apere de perirea venitoare acel

drept neînstrăinaver” (A2).

Er unterscheidet in seiner Rede den <Besitz> vom <Eigentum>. Als Beispiel verweist

er auf die Geschichte der Spanischen Halbinsel, welche trotz 700-jähriger Herrschaft

der Mauren nicht zum rechtmäßigen Eigentum dieser wurde („din dreptul răzbelului

cuceritoriu nu se naşte proprietate ci numai posesiune“, A32). In analogerweise gehöre

Siebenbürgen rechtmäßig den Rumänen, weil es seit 1700 Jahre in ihren Händen, von

ihnen geschützt und bewirtschaftet wäre:

„Ardealul e proprietate adevărată a naţiunii române, care o a cîştigat cu bună

dreptate înainte cu vreo mie şepte sute de ani, şi de atunci pînă astăzi o ţine, o

apără şi o cultivă cu multă sudoare şi osteneală.” (A33).

VII.1.3. Der Diskurs von Blaj – Auftakt zur großen Nationalversammlung vom

3.-5. Mai 1848

In Blaj fanden im Revolutionsjahr 1848 drei Nationalversammlungen statt. Die erste

vom 18./30. April 1848 diente zur Vorbereitung der großen Nationalversammlung, die

wenig später erfolgen und zu der zehntausende Menschen erscheinen sollten. Eine

dritte Versammlung sollte später, vom 2./14. bis 16./28. September 1848 tagen. Hier

wurde erneut gegen die Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn protestiert. Die große

Blasendorfer Versammlung fand vom 3./15. Mai bis 5./17. Mai 1848 unter strenger

Überwachung des habsburgischen Guberniums und der von ihm zur Wahrung der

Ordnung aufgerufenen Komitatskommissare sowie einiger Einheiten des

österreichischen Heeres statt (Iscru 1997, 178). Simeon Bărnuţiu saß dieser zweiten

und „großen Nationalversammlung“ als Vizepräsident vor. Die Kernforderungen

dieser Versammlung waren die Anerkennung der Rumänen als vierte Nation in

Siebenbürgen, eine entsprechende Vertretung auf den Siebenbürgischen Landtagen,

das Recht auf die Wahl eigener rumänischer Beamter, die Aufhebung des Zehenten

und der Leibeigenschaft. Die zehntausende Personen, die sich einfinden sollten, kamen

aus allen Bevölkerungsschichten. Die Versammlung verlief friedlich. Diese friedliche

Weise des Protests von Blaj nachzuahmen, dazu sollten nur einen Monat später die

Anführer der Revolution in der Walachei aufrufen:

„Fraţi români! Respectaţi proprietatea şi persoanele, adunaţi-vă cât de mulţi,

armaţi-vă cu toţi, însă imitaţi pe fraţii voştri transilvani. Vedeţi cum se adunară

atâtea miriade fără să se facă cea mai mică larmă, cea mai mică neorânduială.“

(Proclamaţia de la Islaz, 9/21 iunie 1848).

Am Vorabend zur großen Versammlung vom 3.-5. Mai 1848 ergriff Simion Bărnuţiu

vor den in der Kathedrale von Blaj Versammelten – sein Text dokumentiert dies

mehrmals – das Wort. Sein Text dokumentiert auch, dass u.a. das Konsistorium von

Blaj anwesend war und zu den direkten Adressaten, das Volk hingegen zu den

indirekten Adressaten des Textes gehörte:

132

„Să jurăm că nici diavolii iadului nu vor mai putea rumpere legăturile amoarei

frăţeşti cu care e legată adunarea această, şi printr-însa toată naţiunea română!”

(Discursul de la Blaj, Absatz 25); „Să spună Venerabilele Constistoriu din Blaş,

care se află de faţă în beserică, cîtă frică ... i-au cuprins pe toţi cînd au înţeles de

acest proiect al dietei ...” (Discursul de la Blaj, Absatz 29); „Ce va răspunde

adunarea la aceste întrebări, ce va răspunde tot poporul român cînd ar fi de

faţă?” (Discursul de la Blaj, Absatz 33).

Bărnuţiu ergriff die Gelegenheit, erneut seine Meinung zur Frage der Vereinigung

Siebenbürgens mit Ungarn zu verkünden. Er war überzeugt davon, die Vereinigung

vehement ablehnen zu müssen zugunsten einer freien und unabhängigen Existenz der

rumänischen Nation: „În mîna acestei adunări e pusă viaţa şi moartea, soarta prezentă

şi venitoriul nu al unui om, ci al unei naţiuni întregi.” (Discursul de la Blaj, letzter

Absatz / A72). Daher hatte sein Diskurs das Ziel, die am nächsten Tag einsetzende

Nationalversammlung auf ein Nein zur uniune einzuschwören. Als Argumentation für

ein Nein stellte der Autor das historische Verhältnis zwischen Ungarn und Rumänen

seit ihrem ersten Kontakt – mit dem Tod des rumänischen Anführers Gelu bzw. dem

Beginn der ungarischen Herrschaft unter Tuhutum im 9.-10. Jahrhundert – bis in die

Gegenwart dar. Diese rumänisch-ungarische Beziehung wird generell als eine

Geschichte der (zunehmenden) Unterdrückung der Rumänen durch die Ungarn

gezeigt.

Tatsächlich war seit dem 15. Jahrhundert zwischen Ungarn und Rumänen ein großes

soziales und politisches Ungleichgewicht gewachsen. Es ging auf die immer stärkere

Privilegierung der nicht rumänischen Aristokratie zurück. Am 16. September 1437

hatten sich die drei nationes, die privilegierten Stände der Ungarn, Szekler und

Sachsen in Căpâlna bei Dej zur sogenannten unio trium nationum

zusammengeschlossen. Dieser Bund sollte ihre Interessen schützen und besiegelte die

Rechtlosigkeit sowie die wirtschaftliche und politische Unterdrückung der

rumänischen Leibeigenen. Der Bund der drei nationes war auf mehreren Landtagen –

so in Mediaş 1459, in Sighişoara / Schäßburg 1506 – erneuert (Chindriş 1990) und

vom ungarischen Juristen István Werböczi (1458-1541) im Decretum tripartitum aus

dem Jahre 1514 vervollständigt und kodifiziert worden. Auf dieses Decretum folgten,

so der Text von Bărnuţiu, die als Aprobate e Compilate Constitutiones aus dem 17.

Jahrhundert bekannten Gesetze, welche die rumänische Nation explizit als „scoasă din

numărul statelor ţării“, also nicht zu den anerkannten politischen Ständen zählend

definierte, noch ihre Religion anerkannte und die Rumänen vorerst nur zum Nutzen

des Landes duldete (Discursul de la Blaj, Absatz 11). Durch diese Entwicklung hatte

die rumänische Bevölkerung Siebenbürgens jegliche politische Vertretung auf den

Landtagen sowie die Möglichkeit zur Berufung in Ämter verloren (Lindenbauer 2003,

125-154). Diese Situation sollte sich übrigens über die Revolution von 1849 hinaus

erhalten, selbst nachdem sich die Rumänen mit Avram Iancu an der Spitze gegen die

Ungarn auf die Seite der Habsburger geschlagen hatten. Die Ziele der rumänischen

Revolutionäre Siebenbürgens wurden nur langsam und teilweise erreicht, wie es die

Anerkennung der orthodoxen Metropolie in Siebenbürgen erst im Jahre 1863 zeigt.

133

Die soziale und politische Rechtlosigkeit der Rumänen Siebenbürgens war umso

krasser, als dass diese um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Bevölkerungsmehrheit

des Landes stellten. Chindriş eruierte für das Jahr 1844 in Siebenbürgen die Statistik

von 1.291.000 Rumänen, 606.000 Ungarn und Szeklern sowie 241.000 Sachsen (1990,

88, Fußnote 127). Ein ähnliches Verhältnis gab der sächsische Gelehrte und Pastor

Ludwig Roth (geb. 1796, 1849 wegen seiner pro-rumänischen Haltung 1849 von den

Ungarn in Cluj exekutiert) für Siebenbürgen für dasselbe Jahr an, nämlich eine

absolute, 60,1 %-ige Bevölkerungsmehrheit von Rumänen (2003, 101). Auch Simeon

Bărnuţiu sprach in seiner Rede demographische Verhältnisse an. Er spricht von

eineinhalb Millionen Rumänen („un milon [sic] şi jumătate de români”) sowie von

einer Handvoll von unter den Rumänen lebenden Sachsen und Ungarn („o mînă de

saşi şi unguri mestecaţi printre români”, Discursul de la Blaj, Absatz 33). Zwar

revidiert Bărnuţiu zwei Absätze später die genannte „Handvoll Sachsen [und Ungarn]”

durch „zweihunderttausend Sachsen” („un milion e jumătate de români şi cu vreo două

cente mii de saşi”, Discursul de la Blaj, Absatz 35), er verschweigt aber dennoch die

Zahl der in Siebenbürgen lebenden Ungarn vollständig. In Ungarn lässt sich übrigens

zur Zeit der 1848-er Revolution von 1.300.000 Rumänen ausgehen, eine Zahl, die

sogar die Rumänen in Siebenbürgen überstieg (Hitchins 1996, 252). Erstes Ziel der

rumänischen Revolutionsführer in Siebenbürgen war es, für ihre Ethnie politische und

soziale Grundrechte (wieder) zu erlangen, desweiteren auch die politische

Unterrepräsentanz der Rumänen auf den Landtagen Siebenbürgens zu verbessern

(Lindenbauer 2003, 125-154).

Es ist schwierig festzustellen, ob der uns heute zur Verfügung stehende Text, der in

verschiedenen, jedoch relativ identen Ausgaben existiert, mit der in Blaj frei (?)

vorgetragenen oder vorgelesenen Rede ganz ident ist. Hätte Simion Bărnuţiu seinen

Text ganz vorgetragen (gelesen?), hätte dies ungefähr die Zeit von zwei Stunden in

Anspruch nehmen können. Aus dem möglichen Ablauf des historischen Geschehens

gesehen, ist dies allerdings kein Argument dagegen. Eine passagenweise stark

entwickelte Syntax – im Stile Fidel Castros – (cf. z.B. den ersten Satz in Absatz 36)

spricht eher für einen vorkonzipierten, also ursprünglich schriftlichen Text (zur

Stilistik der Rede von Blaj, cf. Kap. VII.1.4.).

Erstmals wurde der Diskurs von Blaj von Alexandru Papiu Ilarian (1828-1879) in

Wien im Jahr 1852 veröffentlicht. Eine zweite, in ihrer Orthographie eher

etymologisierende Ausgabe stammt aus dem Jahr 1885 und trägt den Titel Reporturile

Romaniloru cu Ungurii şi principiele Libertatei Nationali Desfasiurate de Simeone

Bărnutiu la 14/2 Maiu 1848 in siedint’a preliminare a adunarei natiunali, în beseric’a

Catedrale din Blasiu (Viena, cu Literele lui C. Gerold si Fiiu. 1885, B.A.R II

103.490). Simion Bărnuţiu hat die Ausgabe(n) weder betreut noch autorisiert, ein

Originalmanuskript ist nicht mehr vorhanden, dürfte jedoch Papiu-Ilarian für seine

Wiener Ausgabe zur Verfügung gestanden sein (Chindriş 1990, 78).

134

VII.1.4. Analyse des Diskurses von Blaj: sprachliche und stilistische

Besonderheiten

Wie erwähnt, lässt die Syntax des Diskurses von Blaj eher an einen vorkonzipierten

Text denken. Dies schließt aber gewisse Charakterzüge eines mündlichen Stils, z.B.

die hohe Redundanz gewisser Thematiken, nicht aus. Desweiteren enthalten eine

Reihe von Passagen Bilder aus dem landwirtschaftlichen Milieu (cf. neghina din grîu,

die Spreu aus dem Weizen, Absatz 53, cf. auch A29) sowie Anleihen aus der

Volkssprache („pe de altă parte se pun măsură teritoriului satului şi fac ce fac

[Hervorhebung durch die Autorin] de iau locurile cele mai bune de la preoţii românilor

...”; Discursul de la Blaj, Absatz 24), welche an einen (bewusst?) mündlich geprägten,

dem Volksdenken nahen Stil erinnern: „au dacă presîmţesc rîndunelele apropierea

verii şi a iernii şi animalele furtuna cea grea ..., una ginte întreagă să nu presîmtă

periclul ce i se ameninţă” (Discursul de la Blaj, Absatz 2). Die Rede weist desweiteren

eine Vielzahl von phonetischen, morphologischen, syntaktischen und lexikalischen

Archaismen und Regionalismen sowie zugleich lateinisch-etymologisierende

Neubildungen und Eigenkreationen des Autors auf.

Zu den phonetischen Archaismen zählen z.B. [Hervorhebung durch die Autorin]: mai

nainte (A2, A4, A14), preste (A4, A24 etc.), verce tip (A4), trămite (A4), fără să simţă

clerul (A24), “înainte vero nouă cente de ani” (A5, A13, A14, A35); ver să fie al

românilor, ver al ungurilor (A33); io consider” (A5), să răspunză (A5), „ori de cîtă ori

se va tîmpla ...” (A11), „veruna deregătorie” (A11) / verun ungur (A30), deregătorie

(A11), mu[l]ţămeşte (A12); beserică (u.a. A13); rîuri de lacremi (A13), cu despreţ

(A14), în întunerec (A14), „să o cercetăm mai cu deamăruntul” (A36), subt (A16,

A36), cetăţanii (A24), ca să poată plini numărul (anstelle der heutigen prothetischen

Form împlini, A17; analog o mînă de saşi şi unguri mestecaţi printre români, A33) etc.

Zu den morphologischen Archaismen zählt die Verwendung des langen Infinitivs:

„nici gotul nu cuteza a se atingere” (A2), a se uitare und a descoperire (A3, cf. auch

A5 etc.), dann die Nichtkongruenz des Prädikats mit dem Subjekt: „cum credea ei“

(anstatt von: cum credeau ei, A4, A23, und viele weitere Fälle), “Pînă acum numai

noverii şi popii catolici era liberi” (anstatt von erau liberi); die flektierenden Formen

des Pronomens care; die unflektierte Form des Genitivartikels a (A72); die veralteten

Verbformen să deie (A8), dede (A71), feceră (A9, A71), steteră (A9); die

Paradigmenbildung bestimmter Verbalinfinitiva (noch) nach der zweiten Verbklasse

(va rămînea anstelle von heutigem a rămâne der zweiten Verbklasse (A34); analog

dazu a ţinea anstelle von heutigem a ţine); die archaische Paradigmenbildung

bestimmter Verbendungen (lucră anstelle von heutigem lucrează (A28) etc. Als eine

heute veraltete morphosyntaktische Satzgliedordnung lässt sich beispielsweise die

Voranstellung des direkten Objektpronomens (im Singular femininum) vor das Verb,

auch wenn dieses im zusammengesetzten Perfekt steht, nennen: „Strigoniul o a

motivat în favoarea besericii ungureşti ... Strigoniul o a plantat în inima împăratului

Leopold ... Strigoniul o a udat prin iezuiţi, Strigoniul o a crescut, Strigoniul o va fi

smuls după aceea ...” (A21, dann auch A33). Unter den lexikalischen Archaismen

seien als Beispiel au (Absatz 2), una [ginte] (A2), acu (A6), şchiai < şchiau mit der

Bedeutung von Bulgare (A10), pămîntul aist (A33) genannt sowie die mittelalterliche

Bezeichnung Strigoniul für das heutige Toponym Esztergom (A21).

135

Als Vertreter der Blajer Pleiade stellte Simion Bărnuţiu die Sprache, die er verwendet,

in den Dienst der lateinischen Beweisführung. Neben den archaischen Sprachzügen

zählt der Text eine Vielzahl von – teilweise konstruierten oder akzentuiert gewählten –

Latinismen wie cente de ani (A2, A6, viele Beispiele) für den heute gebräuchlichen

Slawismus sute, periclul für heutiges pericol (A2, cf. auch: „pereclitînd

naţionalitatea” in A46), urbi für den heute gebräuchlichen Magyarismus oraş

(oarecîte urbi şi comunităţi in A4, cf. auch A 54), catene / catanele servituţii für den

Gräzismus zale (A6 und A7); deve für den heutigen Slawismus trebuie (cîtă mirare

deve să ne cuprindă in A7 und A47 mehrmals); noverii für den heutigen Latinismus

nobili (A7; cf. auch metalelor noveri, A35); die Wortbildung sempitern für die heutige

latinisierende sowie slawische Variante etern und veşnic (ruşine sempiternă, A11); e

[für und] in Aprobate e Compilate (A11), das sich nicht gehalten hat; seclul (la finitul

seclului al 17, in A13 und A14) für das heute phonetisch weiter entwickelte secol bzw.

für den heutigen Slawismus veac; adjutoriu (A13, A37) für das heute phonetisch

weiter entwickelte ajutor; manuducea („Strigoniul manuducea toate lucrurile uniunii

la Curte şi la Roma”, A21), das es nicht mehr gibt; rumpe (nu vor putea rumpere

legăturile amoarei frăţeşti in A25 und A72) für das heute phonetisch

weiterentwickelte rupe, paupertatea für das heutige slawische sărăcie (A35),

emolumentele [< lat. emolumentum, Vorteile] für den heutigen Französimus privilegiu,

salute (salutea statului in A38, aber auch sănătatea statului, in A54) für das heute

gebräuchliche sănătate; jureprudenţă (A47) für das heutige jurisprudenţă, matrile

(matrile române in A48, cf. auch A69), das es nicht mehr gibt; surup [< surpa < lat.

*SUBRUPARE]; căutătură („aruncăm ... o căutătură preste zilele naţiunii noastre”, A72)

für das heute gebräuchliche privire etc.

In einer sehr kreativen Sprachverwendung erschafft Bărnuţiu auch eine Reihe von

Neologismen wie neînstrăinaver, mizeraver, responsaver, nover (drept neînstrăinaver

in A2, o îngîmfare mizeraveră in A23, miniştrii cei responsaveri in A38, „Pe popor îl

împarte în noveri şi rustici“ in A8; cf. auch noveritate in A14). Desweiteren fallen

lexikalische Ad-hoc Bildungen auf wie a adoperi (A14, mehrmals, an lat. ADOPERARE

erinnernd), colon (A17) und agrii („[cei] neuniţi cari trăiesc din agrii lor, A24). Die

Sprachkreation – mit neu gebildeten Perfekt- und Imperativformen – gipfelt am Ende

des Textes in einer Allegorie, welche die Identität, Schaffenskraft, Unabhängigkeit

und Selbständigkeit der Rumänen sprachlich exemplifiziert vor Augen führt:

„Fost-am cu goţii dară nu ne-m făcut goţi. Fost-am cu hunii dar nu ne-am hunit.

Fost-am cu avarii şi nu ne-am avarit. Fost-am cu bulgarii şi nu ne-am bulgărit.

Cu ruşii şi nu ne-am ruşit. Cu ungurii şi nu ne-am ungurit, cu saşii şi nu ne-am

nemţit. Aşa este, fiilor, nu ne-am ungurit, nu ne-am ruşit, nu ne-am nemţit, ci

ne-am luptat ca românii, pentru pămîntul şi numele nostru, ca să vi-l lăsăm vouă

deîmpreună cu limba noastră cea dulce ca ceriul sub care s-a născut. Nu vă

nemţireţi, nu vă ruşireţi, nu vă ungurireţi nici voi.” (A72).

Neben diesen neuen Wortkreationen bzw. Neurumänisierungen von Wörtern (noveri

anstatt nobili) und der etymologisierend-latinisierenden Verwendung des

Rumänischen („senatu e poporul dacoroman“, A6) spiegelt der Text eine Reihe von

136

semantischen und syntaktischen Figuren wieder, welche die Argumentation tragen.

Eine Besonderheit des Textes ist die hohe Redundanz, die bestimmte Darstellungen

verstärkt. Im folgenden Beispiel sei dafür das in Absatz 23 sieben mal wiederholte

Bild einer durch die Ungarn drohenden Gefahr (Hass, Hölle, Zerstörung, Unglück,

Söhne-Väterstreit, Bruderkampf, Zwang etc.) genannt:

„Cu uniunea deodată a intrat o ură între români, care a ţinut mai bine de 80 de

ani. Iertaţi-mă, fraţilor, să trec cu vederea furiile iadului care i-au sfîşiat pe

români în aceste timpuri nefericite, nu postulareţi ca să descriu cu[m] se certa

fiii cu părinţii, cum se bătea fraţi cu fraţi fără să ştie pentru ce, cum se afurisea

preoţii noştri unii pe alţii, cum lucra marii ungureşti şi mai ales episcopului lor

înaintea curţii, ca să-i facă uniţi cu puterea pe români ...”.

Hohe Redundanz lässt sich auch im Absatz 25 erkennen, in dem der Einfluss der

Ungarn als Fessel, Seil, Schrecken, Böses (wörtlich: Schlangen) und Giftiges (laţuri,

furii, spaime, şerpi, vinin) konnotiert wird:

„Acum ce vom zice de toate uniunile acestea şi de toate bunătăţile lor, cînd

vedem că toate acestea au fost numai nişte laţuri cu cari ne-au prins, furii cu cari

ne-au încăierat, spaime cu cari ne-au înfricat, şerpi cu cari ne-au muşcat, vinin

cu care ne-au imtospectat?”.

Pathetisch-emotionalisierende Darstellungen ziehen sich durch den gesamten Text. Zu

ihnen zählen, um nur einige Beispiele zu nennen, die Erwähnung der Leiden der

Großväter, der Tränen auf Gesichtern, der Höllenteufel und der Bruderliebe; der

Blutsbrüder, die gemeinsam dem Feind der Nation widerstehen; des Fluchs der

Vorfahren und des Todesurteils der Nation etc.:

„Durerilor lor [der rumänischen Urväter] noi numai atunci le-am putea

cunoaşte, cînd s-ar scula românii din morminte cu lacrămile pe faţă ...”; „Să

jurăm că nici diavolii iadului nu vor mai putea rumpere legăturile amoarei

frăţeşti cu care e legată adunarea această, şi printr-însa toată naţiunea română!”;

„Să jurăm fraţilor, şi ca fraţi de un sînge să ieşim la luptă în contra celui duşman

al naţionalităţii noastre, ce vine către noi cu flamură de uniune nouă de la Ţara

Ungurească!”; „Aşa, posteritatea română se va mira de nesimţirea noastră şi ne

va blăstăma în morminte, căci am ascultat cu nepăsare sentinţa de moarte a

gintei noastre ...” (A7, A25, A26, A62).

Zur Pathetik des Textes gehört insbesonders auch das Verständnis einer zu

glorifizierenden Nation, für die es sich auch einzusetzen gilt. Der Mensch sei von

seinem Wesen her dazu bestimmt, das Glück / Wohl und den Ruhm der Nation

anzustreben: „Pe care nu-l trage inima a lucrare nici pentru a naţiunii sale glorie şi

fericire, acela nu e decît un egoist pierdut pentru umanitate, de care e păcat că l-a

decorat natura cu formă de om“ (Absatz 61). Als implizite Legitimation, die Nation zu

glorifizieren, erinnert der Autor, als Abschluss seines Appells, an den emblematischen

Ursprung Dakiens unter dem römischen Kaiser Traian (Mythifizierung) und damit

gleichzeitig auch an die Latinität und Romanität der Rumänen:

137

„Vedeţi cum ne-am luptat noi pentru limba şi romanitatea noastră: luptaţi-vă şi

voi şi le apăraţi ca lumina ochilor voştri, pînă ce se va restaura Capitoliul şi va

trimite la voi senatul e poporul roman pe Traian cu legiunile preste Dunăre, ca

să vă încoroneze cu laurul nemuririi pentru constanţa şi bărbăţia voastră” (A72).

Bărnuţiu geht in seiner Rede sogar soweit, der Nation menschliche Züge

zuzuschreiben (Anthropomorphisierung). Die Nation wird – durch das Ziel der

Ungarn, sie zu vereinen – vom Tode bedroht. Die hier eingearbeiteten

Gegenüberstellungen wie <für die Ungarn Leben> und <Tod für die Rumänen> sowie

<unbegrenzte Freiheit> und <ewige Sklaverei> entsprechen jeweils einer

semantischen Antithese, das erste Beispiel strukturell auch einem Chiasmus: „Aceasta

e uniunea pentru români! Pentru unguri e viaţă – moarte pentru români. Pentru unguri

libertate nemărginită, pentru români servitute eternă.” (A61, cf. auch A35). Ein

weiteres Beispiel für eine Antithese liegt in der Argumentation vor, die Vereinigung

bringe großen Nutzen für die Ungarn (Gold, Metalle, Salz, Soldaten sowie die

unbegrenzte Macht, Siebenbürgen der Gesetzlichkeit, Regierung und Verwaltung

Ungarns zu unterwerfen), hingegen großen Schaden für die Rumänen (Armut,

Wehrpflicht der Rumänen für die Ungarn, Auslöschung aus der Erinnerung –

ştergerea numelui:

„Să considerăm ... că uniunea donă ungurilor una ţară întreagă fără de nici o

osteneală, că Ardealul e patria aurului şi a metalelor noveri, care vor curge toate

în punga naţiunii ungureşti, că sarea şi toate bunătăţile patriei noastre vor

adăuge tezaurul ungurilor e paupertatea românilor, iară feciorii românilor vor

forma legiuni care se vor bate pentru gloria celor ce le-au şters numele cel

glorios ...“ (A35).

Insbesonders für die Darstellung der Ungarn zieht Simion Bărnuţiu eine Reihe von

Vergleichen bzw. Metaphern heran. Zu ihnen gehört die Dreistigkeit der Ungarn,

welche als <größer als die der Goten, des wilden Hunnen und des ungläubigen

Türken> bewertet wird (A2), aber auch die Behandlung der Rumänen gleich dem Vieh

durch das ungarische Recht: „dreptul unguresc ... pe popor ... [î]l dă în mînile

aristocraţilor, ca pe o vită!” (A10). Auch in der Bezeichnung der ungarischen Adligen

als faraonii din Ardeal, den Pharaonen des Ardeal, liegt ein Vergleich und gleichzeitig

emphatische Darstellung der Ausbeutung der rumänischen coloni, Landbewirtschafter,

vor: „Dacă nu-şi poate înţipui cineva greutăţile care le suferea oarecînd iudeii de la

faraon în Egipt, să se uită la faraonii din Ardeal ...“ (A16). Das Handeln von Lajos

Kossuth, dem Anführer der ungarischen Unabhängigkeitsbewegung von 1848/1849,

wird als Lawine dargestellt, welche Bäume, Menschen, Tiere, Äcker und Dörfer

zerstört und sich gegen alle nichtungarischen Ethnien richtet:

„În ce tip se răpede un torente din munte după frîngere de nour, desrădăcinează

arborii, ucide oameni şi vite, spală semnături şi sate, duce şi răstoarnă tot, aşa se

repezi acest bărbat [Ludovic Kossuth] în contra naţiunilor neungureşti ...“

(A29).

138

Die <Nation> wird metaphorisch zum Wasser für die Fische, Luft für Vögel und

Lebewesen, Sonne für das Pflanzenwachstum, Worte für das Denken, Mutter,

Geburtsstätte, <Raum der persönlichen Freiheit>, <Trost> und <Vergangenheit und

Zukunft>:

„Ce este apa pentru peşti, aerul pentru zburătoare şi pentru toate vieţuitoarele,

ce este ... soarele pentru creşterea plantelor, vorba pentru cugetare, aceea e

naţionalitatea pentru vercare popor, într-însa ne-am născut, ea este mama

noastră, de suntem bărbaţi ea ne-a crescut, de suntem liberi într-însa ne miscăm,

de suntem ... supăraţi ne alină durerea cu cîntecele naţionale, prin ea vorbim şi

astăzi ca părinţii noştri carii au trăit înaintea de mii de ani, prin ea ne vor

cunoaşte strănepoţii şi posteritatea preste mii de ani.” (A61).

Auch zur Exemplifizierung der Frage des Eigentumrechts greift unser Autor auf eine

Analogie und spricht den Ungarn [implizit] am Beispiel der Mauren, trotz ihrer

jeweiligen hundertjährigen Herrschaft über Siebenbürgen bzw. die Iberische Halbinsel,

das Recht auf Eigentum ab: „Ei [die Ungarn] ştiu că maurii nici în 700 de ani nu şi-au

cîştigat drept asupra Ispaniei.” (A32). Eine weitere rhetorische Figur finden wir in dem

mehrfach wiederholten Parallelismus, welcher ein zukünfiges Handeln des

dakorumänischen „Staates” nach dem Modell des Handelns des historischen

römischen Staates suggeriert. Wie die Römer (Senatus et populus Romanus), so hätten

auch die Rumänen (senatul e poporul dacoroman) – unter Abwägung von facerea de

bine (Nutzen) und nedreptate (Unrecht) – der Union mit Ungarn zuzustimmen oder

nicht. Als brillianter Pädagoge liefert uns Bărnuţiu in seiner Rede zahlreiche Daten

und Beispiele aus der Geschichte Siebenbürgens, so z.B. die Fälle von Meheşi und

Alexiu Nopcea cancelariu, die zum Katholizismus und zur ungarischen Nationalität

übergetreten sind (A14). Gegenüber der ungarischen Politik drückt der Autor

mehrfach Ironie aus, z.B. indem er, subjektiv anderer Meinung seiend, vom „großen”

Werk oder der „berühmten” Theorie der Magiarisierung spricht:

„Asta ... nu-i împiedică ca să nu zboare cu repeziunea vulturului cătră ţinta

doririlor ungureşti, cătră opul cel mare al unguririi tuturor popoarelor.”; „Acum

să vedem cît adevăr cuprinde în sine acea teorie faimoasă a politicilor din

Budapest ...” (A4, A51; cf. auch A8, A15, A28).

Häufg greift der Autor auch auf Steigerungen zurück. Insbesonders baut er, über den

gesamten Text, das ungarisch-rumänische Verhältnis als Klimax auf. Das anfänglich

nicht nur schlechte Zusammenleben zwischen Ungarn und Rumänen wird immer

negativer. Die Rede führt die Etappen dieser Entwicklung deutlich vor Augen: die

Einberufung eines Landtags, rumänisch dieta, noch unter Teilnahme aller nobilii, saşii,

secuii şi românii din părţile Transilvaniei im Jahr 1291 (Raţiu 1990, 80, Fußnote 25);

die auf sie im Jahre 1437 folgende Unio trium nationum und damit krasse

Verschlechterung des status quo der Rumänen bis zu ihrer völligen Rechtslosigkeit

und Unterjochung. Dieses Bild kulminiert in der Darstellung der Ungarischen Krone

als Unterdrücker aller Völker, christlicher wie orthodoxer (u.a. in A7). Zur rhetorisch-

ideologischen Gestaltung der Rede vom 2. Mai 1848 gehört auch noch ihr „göttlicher

Rahmen”. Es ist göttlicher Geist, der, am Beginn der Rede, das Geschehen der Zeit

139

beseelt: „Şi cine să nu se mişte acum, care popor să nu se aprindă de acest spiret

dumnezeiesc, ce anunţă căderea şerbituţii a toate popoarele, renaşterea Europei prin

libertate!” (A3). Es ist desweiteren, außer der mythifizierenden Atmosphäre eines

eingeforderten Schwurs am Schluss der Rede (cf. A68, A69) gerade diese, auch hier

gewählte biblische Sprache, welche die Ernsthaftigkeit des zu erwartenden Schicksals,

Leben oder Tod der Nation unterstreicht (cf. evangheliu dreptăţii, evangheliu de

bucurie, îngerul morţii, <a ieşi din iad>; A8).

VII.1.5. Makrostrukturelle Analyse des Diskurses von Blaj

Simion Bărnuţius Rede vom 2. Mai 1848 besteht, nach der von uns verwendeten

Textausgabe, aus 21 zweispaltigen Seiten und 72 Absätzen. Sie hat das Ziel, wie schon

mehrfach erwähnt, die Zuhörenden zu einer Ablehnung der Vereinigung

Siebenbürgens mit Ungarn zu bewegen. Der semantische Gegenpol zur Vereinigung

ist die Freiheit und Unabhängigkeit der rumänischen Nation, zu deren Proklamation

Simion Bărnuţiu in Absatz 66, II aufruft („adunarea ... să proclame libertatea şi

independenţa naţiunii române”). Das erste Mittel, um diese Freiheit und

Unabhängigkeit, im Weiteren auch den kulturellen Fortschritt der Nation sowie

Respekt und Anerkennung von anderen Nationen zu erreichen, sieht der Autor in der –

wörtlich – nationalen Einheit der Rumänen, in ihrem „Schulterschluss”: „Dacă vor

rămînea românii în această uniune naţională, atunci vor ridica cu puteri unite fonduri

naţionale, şcoale pentru comunicăţi, gimnazii, academie, universităţi, institute de arte,

societăţi de economie, de ştiinţă, şi prin acestea îşi vor cîştiga r[e]spect şi valoare în

lume.” (A70; wiederholt in A71).

Dem Ziel der nationalen Unabhängigkeit, so die Botschaft des Textes, steht die

ungarische Politik entgegen. Diesen Sachverhalt im Detail aufzuzeigen, darum geht es

Simion Bărnuţiu. Seine Rede ist ein primär argumentativer Text. In Absatz 35 wird

dies durch die Aufzählung von Motiven auf beiden Seiten für bzw. gegen eine

Ländervereinigung im Besonderen deutlich. Eine Vereinigung bringe für die Ungarn

großen Nutzen (Gold, Metalle, Salz, Soldaten, den Zuwachs um 1,5 Millionen

Rumänen und zweihunderttausend Sachsen und die unbegrenzte Macht, Siebenbürgen

ungarischer Gesetzlichkeit, Regierung und Verwaltung zu unterwerfen), für die

Rumänen hingegen existenziellen Nachteil (Armut, Wehrpflicht seitens der Rumänen

für die Ungarn, die <Auslöschung aus der Erinnerung> / ştergerea numelui). Eine

Nicht-Vereinigung würde für die Ungarn desweiteren den Nachteil eines – ohne die

natürlichen Wälle des Ardeal – für Feinde offenen (flachen, also leicht zu erobernden)

Gebietes bedeuten, sowie den Verlust der Verbindung zur Moldau und zur Walachei:

140

„Să considerăm ... că uniunea donă ungurilor una ţară întreagă fără de nici o

osteneală, că Ardealul e patria aurului şi a metalelor noveri, care vor curge toate

în punga naţiunii ungureşti, că sarea şi toate bunătăţile patriei noastre vor

adăuge tezaurul ungurilor e paupertatea românilor, iară feciorii românilor vor

forma legiuni care se vor bate pentru gloria celor ce le-au şters numele cel

glorios şi i-au botezat pe nume de barbar, că patria noastră e cetatea

încungiurată de la natură cu muri cumpliţi, fără de carii ungurii de pe cîmpii

Panoniei sunt expuşi la toate atacurile inimicilor, ca nişte iepuri de şes, că

tăindu-se Ardealul de către statul unguresc, acesta rămîne ca un om fără

picioare, ciung şi desfigurat, de nu poate să se mişte mai ales cătră Moldova şi

România ca să le cuprindă, că dacă nu se face uniunea cu Ungaria se rumpe

legătura care leagă pe ungurii din Ardeal cu cei din Panonia, şi atunci ungurii

din Ardeal fireşte că se vor stinge pe încet, fiind tăiată comunicaţiunea lor cu

crerii [sic] ungurismului din Panonia; din contră, dacă se fac uniunea, naţiunea

ungurească cea mică mai creşte cu un milion e jumătate de români şi cu vreo

două cente mii de saşi ... uniunea le dă ungurilor o putere nemărginită peste

Ardeal, de a pune legi, de a comăndare, de a administrare ţara numai în folosul

naţiunii ungureşti ...” (A35).

Adressaten der Rede in der Kathedrale von Blaj waren die hier Versammelten, welche

der Redner auch mehrmals anspricht (această adunare măreaţă, A1; cf. auch A25,

A33) und unter welchen sich auch Mitglieder des Konsistoriums von Blaj befanden:

„Să spună Venerabilele Constistoriu din Blaş, care se află de faţă în beserică, cîtă frică

... i-au cuprins pe toţi cînd au înţeles de acest proiect al dietei ...” (A29). Bărnuţiu

spricht seine Zuhörer als Brüder an (cf. das einleitende Fraţi români, cf. auch A2, A5,

A14 etc.) und stellt den Anwesenden mit den Worten legăturile amoarei frăţeşti eine

innig-brüderliches Band aus: „Să jurăm că nici diavolii iadului nu vor mai putea

rumpere legăturile amoarei frăţeşti cu care e legată adunarea această, şi printr-însa

toată naţiunea română!” (A25). Das Bild brüderlicher Verbindung wird in Absatz 26

noch weiter intensiviert. Im direkten Aufruf zum Kampf gegen die ungarische

Vereinigung spricht der Revolutionär die in der Kathedrale versammelte Gemeinschaft

als Blutsbruderschaft an, zu deren Mitglieder er sich auch selbst zählt: „ca fraţi de un

sînge să ieşim la luptă în contra celui duşman al naţionalităţii noastre”. Als indirekte

Adressaten erscheint das ganze rumänische Volk: „Ce va răspunde adunarea la aceste

întrebări, ce va răspunde tot poporul român cînd ar fi de faţă?” (A33). Durch den

ganzen Text zieht ein <wir>-Gedanke (cf. nostru, noastră, viele Male), während der

Autor sich gleichzeitig eine gewisse Legitimierung von seiner Zuhörerschaft

verschafft (vă rog, fraţilor; „Daţi-mi voie ca să arăt ce legătură este între naţionalitatea

şi libertatea ...”; A 5), jedoch gleichzeitig eine deutliche Führungsrolle im Geschehen

einnimmt: „Io zic că ...”, „Ştiu io ce zic patronii uniunii ...” (A33 und A34 etc.).

Wie in Kapitel III. erläutert, entspricht der Diskurs von Blaj keinem Programm. Als

argumentativer Text, welcher zum Ergebnis einer Abstimmung führen soll,

„funktioniert” er somit anders, als die bisher analysierten Texte. Seine Thematiken

lassen sich nicht, wie bei Programmen eher hintereinander bzw. punktuell geordnet,

finden, sondern als im ganzen Text mehrfach repräsentiert. Aus diesem Grund gehen

wir hier anders als in den vorangegangenen Analysen vor. Im Folgenden werden wir

141

alle 72 Absätze der Rede von Blaj makrostrukturell und in ihrer wichtigsten,

übergeordneten Semantik erfassen und fügen diese entsprechenden Themen in eckigen

Klammern hinzu, wie z.B. [<Freiheit>], [<das historische Verhältnis zwischen Ungarn

und Rumänen], [<Unterdrückung durch die Ungarn>]. Insgesamt gilt für den Diskurs

von Blaj, dass viele Thematiken nicht explizit / direkt, sondern indirekt / implizit / als

rhetorische Fragen / in Nebensätzen ausgedrückt werden. So sagt das folgende in eine

(rhetorische) Frage gegossene Zitat de facto aus, dass die Rumänen es bedauern

würden, ihre Söhne als der ungarischen Armee dienend zu sehen: „Însă ce bucurie vor

avea românii cînd îşi vor vedea feciorii înşiraţi în gardele naţionale şi în regimente,

cînd acestea toate vor fi ungureşti?”. Da die Zitate des Quellentextes oft sehr lange und

redundant sind und die Kernbotschaft implizit bleibt, werden wir, je nach Fall, nur

ausgewählte Zitate oder Teilzitate wiedergegeben:

(Absätze 1-3) Die ersten drei Absätze des Diskurses von Blasendorf sind ein Lob auf

die (allgemeine) Freiheit. [Thema der <Freiheit>]

(A4) Der Absatz gibt die Programmpunkte der Verfassung des liberalen Ungarns

wieder und thematisiert die Frage, was eine Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn

bringen würde, und wie zu entscheiden ist? [Entscheidungsfindung]

(A5) Für die Entscheidung soll die Beziehung der ungarischen mit der rumänischen

Nation, welche jahrhundertelang von ersterer unterdrückt wurde (cf. die umilir[ea]

românilor), von Beginn an, betrachtet werden. [<Unterdrückung der rumänischen

Nation>]

(A6) Die Rumänen (der dakoromanische Senat und das dakoromanische Volk) sollen

sich verhalten wie einst Rom gegenüber Mauretanien. Die Ungarn fielen erstmals

unter Tuhutum in die Heimat ein, ohne dass die Rumänen Anlass zu einem Krieg

gegeben hätten. [Entscheidungsfindung], [<Bedrohung durch die Ungarn>]

(A7) [Unter Tuhutum] brachen die Ungarn den Friedensschluss und unterdrücken seit

damals die Rumänen schwer; [implizit:] dies sei umso verwerflicher, als dass die

Ungarn als christliches Volk die christlichen Rumänen unterdrückten.

[<Unterdrückung der Rumänen>], [<Unmoral der Ungarn>]

(A8) Noch vor der Geburt von István Werböczi (im Text: Ştefan Verböczi) entstand zu

Ungunsten der Rumänen die uniunea der drei politischen Stände (wörtlich: naţiuni),

später auch das Tripartitul von Werböczi, welches die Persönlichkeit des Volkes

auslöschte, indem es dieses für immer zum şerb, abhängigen Fronbauern, machte;

zugleich verhindere dieses Dekretum ein normales Leben der Rumänen, es belasse das

Volk in servitute, herrsche absolut über das Volk, überlade ihm alle Steuerlast,

gewähre ihm keinerlei Rechte oder Verteidigungsmöglichkeit, auch keine unabhängige

Judikatur; das Volk existiere nicht als Volk, es ist an die Scholle, den Boden seines

Herren, gebunden und ist absolut unterworfen:

„despre o parte [Tripartitul] nimiceşte personalitatea poporului, făcîndu-l şerb

domnilor pentru totdeauna, iară. Despre altă parte-i răpeşte mijlocirea de a-şi

cîştiga cele de lipsă spre traiul vieţii ... şi aşa-i stoarce toate puterile, ca să nu se

mai poată scoate din servitute ... noverilor le dă drepturi şi putere nemărginită

142

preste popor ... dătoriile le încarcă toate în spinarea poporului. Pe popor îl

dezbracă de drepturile omeneşti şi-i ia toată puterea de a se apărare în contra

cruzimii domneşti,”; „Poporului nu-i este iertat a-şi alege judecători şi alţi

deregători, cum aleg noverii ...”; „Pentru popor nu vorbeşte nimeni nicăiri, căci

el nici nu există ca popor.”; „Nu se mu[l]ţămeşte legea numai cu atîta că să-l

leagă de locul domnului său, ci afară de această a-l supune domnilor pămînteşti

cu rusticitate absolută...”.

Der Absatz thematisiert: [<Geschichte der Unterdrückung der Rumänen>],

[<Unterdrückung der Rumänen in ihrer Identität und inneren Politik, durch

Steuerbelastung und Rechtlosigkeit (fehlende Rechte, fehlende

Verteidigungsmöglichkeiten, fehlende neutrale Judikatur)>]

(A9) Die ungarische Verfassung unterdrücke die Freiheit der Rumänen (cf. Constituţia

ungurească ... inimică libertăţii poporului) und zerstöre die Wirtschaft und den

Handel, die Künste und Wissenschaften der Rumänen; die Ungarn löschten [unter den

Rumänen] die christliche Religion der brüderlichen Barmherzigkeit aus; die hohe

katholische Kirche sei oftmals Stätte von Tortur: „Constituţia ungurească cea egoistă

şi inimică libertăţii poporului nimiceşte industria şi comerciul, stinge artele şi ştiinţele

...”; „Supt această constituţiune s-a stins pe încet şi religiunea cea creştină a carităţii

frăţeşti ...”. „Cine nu ştie că curţile epiascopilor [sic] catolici sunt locuri privilegiate de

tortură ...”. [<Verhinderung des Fortschritts der Rumänen>], [<Unterdrückung der

Rumänen>], [<höchste Unmoral der Ungarn]

(A10) Werböczi führte unterschiedliche Gesetze für Ungarn, Sachsen, Deutschen,

Böhmen und Slawen (şchiai) und, andererseits, Rumänen, Ruthenen, Serben und

Bulgaren ein; das ungarische Recht unterdrücke die Rumänen schwer: „Verböczi

numeşte şi ginţile pe care le fulgeră cu anatema rusticităţii eterne şi a acestui

despotism înfricoşat. El zice că unii sunt ungurii, saşii, germanii, bohemii e schiai de

legea creştină, alţii-s românii, rutenii, sîrbii e bulgarii de rătăcirea grecilor ş.a. ...”.

[<gesetzliche Ungleichheit>], [<Unterdrückung der Rumänen>]

(A11) Die Aprobate e Compilate verschlechterten die Situation der Rumänen, welche

das Anspruchsrecht auf das Territorium [Siebenbürgen], auf die Religion, dann auch

auf die Anerkennung seitens der herrschenden Aristokratie sowie alle

Ämterfunktionen verloren. [<Geschichte der Unterdrückung der Rumänen>],

[<Verlust des Anspruchs auf (den Siebenbürgischen) Boden>], [<Verlust der

Religion>], [<politische und soziale Rechtlosigkeit der Rumänen]

(A12) Die Ungarn beraubten die Rumänen ihrer Freiheit und attackierten ihre Würde;

[auch] die Ethnien/Nationalitäten (nici o naţiune) sowie die Aristokratie der Krone

Ungarns waren [noch] zur Zeit der Diplomă Leopoldină ungebildet: „ungurii nuse

muţămesc numai cu cît lipsesc de libertate pe naţiunea română, ci încă o şi calumniază,

zicînd chiar prin organul legelativ [sic] că e o naţiune de jos ...”; „Pe aceste timpuri

barbare nu se poate lăudare cu cultura sa nici o naţiune se supt coroana Ungariei.”.

[<Unterdrückung der nationalen Freiheit durch die Ungarn>], [<Angriff auf die Würde

der Rumänen>], [<Unkultur der Ethnien der Ungarischen Krone zu Zeit der Diplomă

Leopoldină>]

143

(A13) Die Ungarn versuchten durch ihre Gesetze zuerst auf die ganze Nation, dann auf

Kirche und Priester negativ, ja mit Verfolgung, einzuwirken: „Mai întîi legea se apucă

de bate pe toată naţiune în genere ca, fiind vulnerată toată, să nu rămîie sănătos nici un

membru, apoi se apucă de beserică şi de preoţi. Pe beserică o declară numai tolerată,

pe preoţi îi supune la toate greutăţile şi, lipsindu-i de tot adjutoriu, numai de la preoţii

români pretinde servicii pentru stat, fără salariu şi onoare. Demîndă ca la verce

presupus să-i prindă ca pe neşte lotri şi furi, căci ştia legea că nu-i va apără nimeni ...”.

[<Unterdrückung der rumänischen Nation>], [<Unterdrückung der rumänischen

Kirche>]

(A14) Mittels Adelsurkunden (cărţile de noveritate) hätten die Ungarn die rumänische

Aristokratie dazu gebracht, sich zu magyarisieren („au vărsat o sumeţie în inima

noverilor români, ca să creadă cum că sunt unguri”) bzw. die [eigene] Nation

(wörtlich: trupul naţional, den Nationalkörper) und die eigene Konfession aufzugeben

und zur ungarischen Nation und Konfession überzutreten. Gleichzeitig verhinderten

die Ungarn, dass rumänischer Adel wichtige Ämter übernahm oder in größeren Besitz

kam:

„Mădulariu tăiat de cătră trup nu mai poate trăi, şi trupul, tăindu-se verum

mădulariu, pătimeşte şi dacă nu piere. Acest scop l-au avut ungurii adoperindu-

se a tăia pe noverimea română de cătră trupul naţional. Cu cărţile de noveritate

au vărsat o sumeţie în inima noverilor români, ca să creadă cum că sunt unguri

... Pe lîngă aceasta, ungurii purta grija ca nu cumva să apuce noverii românilor

la deregătorii cardinale, să cîştige posesiuni mai mari prin donaţiune

împărătească, fie fost cît de meritaţi pentru patrie, şi aşa să apuce la vero putere

mai însemnate, temîndu-se ca să nu facă aristocraţie română. ... S-au lăpădat

unii ca aceştia [Meheşi und Alexiu Nopcea] de beserică, prin urmare şi de

naţiunea română şi au trecut la catolicism şi la naţionalitatea ungurească.”

(A14).

Themen des Absatzes sind: [<Unmoral/Falschheit der Ungarn], [<nationale und

konfessionelle Magyarisierung der Rumänen>], [<politische Unterdrückung der

Rumänen / der rumänischen Aristokratie>]

(A15) Unterwürfigkeit gegenüber den Ungarn habe die Würde des rumänischen Adels

untergraben. Dieser ist bei den Landtagen (adunări marcale) ausgeschlossen:

„Onoarea neverimei [sic] române e subordinată pre tot locul sumeţiei ungureşti,

noverii români la adunările marcale stau numi pe afară: la masa verde numai ungurii

au vorbă şi intrare ...”. [<Angriff auf die Würde der Rumänen>], [<politische

Rechtlosigkeit des rumänische Adels / der Rumänen>]

(A16) Die Würde (valoare) des rumänischen Adels ist gefährdet und damit die Kultur

und die Freiheit des Landes: „Subt atari augurii rele, noverimea română nu va apuca

niciodată la valoarea ce i se cade în stat, pentru că valoarea face cultura, cultura fără

libertate şi libertate fără de existenţă şi onoare naţională nu e cu putinţă” (A16).

[<Bedrohung der nationalen Würde der Rumänen/des rumänischen Adels>],

[<Verhinderung des kulturellen Fortschritts>], [Verhinderung der nationalen Freiheit

der Rumänen]

144

(A17) Neben der Unterdrückung der rumänischen Priester (cf. anatema această

politică) und der rumänischen Aristokratie (cf. <a-i bate pre noverii români bruma

constituţiunii ungureşti>) wird das Volk (cf. iobagi / poporul aservit) ausgebeutet

durch die vielen Pflichten – des Grabens (sapă), des Mähens (secere), des Tragens von

Getreide, Heu, Wein für den Fürsten („la cărat de grîu, de fîn, de vin domnesc”) oder

des Siebens (cernut), des Reparierens (dires), der Hanfherstellung (scos cînepă), des

Spinnens (tors) der Frauen etc. [<Unterdrückung der rumänischen Priester>],

[<Unterdrückung der rumänischen Aristokratie>], [<Ausbeutung des rumänischen

Volkes>]

(A18) Trotz vieler Jahrhunderte der Unterdrückung und der Abschaffung der servitute

in Deutschland bereits im Jahre 1688, hätten die Ungarn nicht einmal die aviticitate

(cf. Diaconovich 1898-1904, s.v. avitic) abgeschafft, hätten das Volk mit dem neuen

urbariu beschwert und hätten 1832 die Nationalität gefährdet. [<lange Unterdrückung

der Rumänen>], [<Unmoral / Habgier der Ungarn>], [<Ausbeutung der Rumänen>],

[<Bedrohung der rumänischen Nationalität>]

(A19a) Die Ungarn magiarisierten die Spitze der rumänischen Aristokratie; sie

verführten zur kirchlichen Vereinigung; viele Rumänen wurden zu Unitariern,

Reformierten und Calvinisten; der niedere Adel (cealaltă noverime română) blieb der

rumänischen Nation und Konfession treu:

„uniunea celor trei naţiuni numai pe noverii cei mai de frunte ai românilor îi

trăsese la complot, iară cealaltă noverime română era legată de naţiunea e

beserică română ... [î]i traseră pe români la uniune religosă [sic] ... de ţinură cu

unitarii mai bine de una sută de ani, iară cu reformaţii sau calvinii aproape două

cente de ani ... mulţi români de frunte se lăpădară atunci de legea şi limba

părintească şi se feceră unitari, calvini şi unguri.”.

Folgende Themen sind angesprochen: [<Magyarisierung der rumänischen

Aristokratie>], [<Unmoral der Ungarn / Verführung der Rumänen>], [<Aufgabe der

eigenen Religion und Sprache seitens der Rumänen>]

(A19b) Zum Zweck der Magyarisierung ließen die Ungarn die Kirchenbücher ins

Rumänische übersetzen, womit sie – nicht willentlich – das Rumänische stärkten:

„Cărţile bisericeşti se traduseră de pre limba şcheiască în cea română, şi le făcea

românilor şi alte cărţi cu dogmate reformate, în limba română, ca să-i poată

unguri mai uşor. Asta însă avu urmare fericită pentru români, peste voia

ungurilor, că se scoase limba şcheiască din biserică română, şi intră cea

naţională.”;

Einst hatten die Rumänen in bestimmten Bezirken (judeţele protopopeşti) und den

Synoden eine [eigene] Judikative (puterea judecătorească) und eine [eigene]

Legislative (puterea legelativă). [<von den Ungarn oktroierte Übersetzungen stärkten

das Rumänische>], [<die historische Rechtssituation>]

(20) Ende des 17. Jahrhunderts war das Volk schwer unterdrückt („poporul se

strîmbase de jugul cel greu”) und ihm war als Leibeigene (cf. şerbi und legaţi de

pămînt [im Text: pămîat]) der Zugang zur Bildung (şcoală) verwehrt; nur einigen

145

Rumänen gelang es, sich vom Fron freizukaufen, indem sie die Priesterschaft wählten

(„Abia se putea răscumpera unii pentru ca să se facă preoţii ...)“; der rumänische Adel

war von der [ungarischen] Großaristokratie enteignet worden und hatte, ohne das

Ungarische zu beherrschen, keinerlei Rechstmittel. [<Unterdrückung des rumänischen

Volkes>], [<Verhinderung des kulturellen Fortschritts der Rumänen>], [<Enteignung

des rumänischen durch den ungarischen Adel>], [<Ungarisch als Mittel zu Recht>]

(21) Man verlockte [zur Zeit von Bethlen, Fürst von Siebenbürgen 1613-1629] die

Rumänen zu einer Vereinigung mit dem Katholizismus der Westkirche und gegen den

[wörtlich:] Katholizismus oder die Orthodoxie der Ostkirche. Die Ungarn hätten mit

[leeren] Versprechungen für Verbesserungen gelockt, wären tatsächlich aber nur an

ihren eigenen Vorteilen interessiert gewesen. Unter dem Schutz von Strigoniu

[Esztergom, ältester Bischofssitz Ungarns, 1189] hätten Jesuiten, die sich falscher

Dokumente bedienten, mit den Bischofssitz von Făgăraş eingerichtet:

„[ungurii catolici ardeleni] chemară pe români la uniune nouă, legîndu-le toate

drepturile, privilegiile şi bunătăţile besericii catolice, dacă vor părăsi

catolicismul sau ortodoxismul besericii răsăritene şi vor împrăţişa catolicismul

besericii apusene ... românii, ca să scape de batjocurile cele multe, se plecară de

aceptară această uniune cu ungurii”... „Supt înalta protecţiune a acestui

Strigoniu fabrica iezuiţii diplome false, scotea rescripte de la Curte şi bule de la

Roma pentru nouă subjugare a besericii române sub titlul de episcopat al

Făgăraşului.”.

Der Autor thematisiert: [<Unmoral bzw. Egoismus der / Verlockung durch die

Ungarn>], [<Aufgabe von Konfessionen östlicher Ausrichtung>], [<Falschheit der

Jesuiten>], [<Unterdrückung der rumänischen Kirche (durch den katholischen

Bischofssitz Făgăraş)>]

(A22) Die Vereinigung [Gründung der Unierten Kirche um 1700] hätte den Rumänen

bestimmte Vorteile, insbesonders materielle, gebracht und die Entstehung der Blajer

Schulen und die Verbreitung deren Gedankenguts ermöglicht (cf. şcoalele Blaşului,

din cari au răsărit o mulţime de lumini între români) und hätte auch das Bewusstseins

und die Handlungskraft der Rumänen entfacht: „uniunea i-a înviat pe români din

leşinare, uniunea i-a deşteptat din somn şi le-a insuflat spirit de viaţă, ca să lucre la

îndreptarea soartei noastre ...”. [<die Kirchenvereinigung förderte über die Schulen

von Blaj die rumänische Kultur und das Bewusstsein und Handeln der Rumänen]

(A23) Mit der Vereinigung [der Gründung der Unierten Kirche um 1700] wäre die

Dominanz der Reformierten von jener der Jesuiten abgelöst worden, die rumänische

Kirche von letzteren mit Argwohn beobachtet und von den Katholiken, de facto dem

Bischof von Alba-Iulia, verfolgt und gedemütigt und vom Bischofssitz Esztergom der

Bischofswürde enthoben und erneut unter ungarisches Joch gestellt worden sein:

„Îndată la începutul uniunii, vedem în sinoadele noastre pe patretele rector al

iezuiţilor, prezidînd în locul superintendentelui reformat, şi pe alt iezuit îl

vedem neîncetat în coastele episcopului nostru, privegindu-l ca pe un făcătoriu

de rele. ... episcopul catolic din Alba-Iulia încalecă peste arhiepiscopul nostru e

şi-l face vicariu, îl înfruntă, îl dojeneşte, îl vizită ... iar arhiepiscopul din

146

Strigoniu îl dezbracă de demnitatea arhiepiscopească şi-l face sufragan, şi

beserica noastră o bagă în jug nou unguresc.”;

Die Vereinigung hätte unter dem rumänischen Klerus, selbst in Mînăstirea din Blaş,

einen neuen Servilismus (servilism) und einen Hochmut (o îngîmfare mizeraveră, sic)

gegenüber den Nicht-Unierten, ja Hass unter den Rumänen geschaffen: „Cu uniunea

deodată a intrat o ură între români, care a ţinut mai bine de 80 de ani.” Die Nicht-

Unierten hätten weder Priester noch Bischof, noch gesetzlichen Schutz, nicht einmal

durch Vermittlung des kaiserlichen Hofes, gehabt, bis sie unter serbische Dominanz

(wörtlich: Joch) gefallen wären: „Cei neuniţi n-avea nici preoţi, nici episcop, pînă cînd

căzură sub jugul sîrbesc, nu-i apără nici o lege în ţară, şi pe deputaţii ce-i trimitea la

Curtea Împărătească, duşmanii lor făcea de-i punea la prinsoare.” [<Dominanz

verschiedener fremder Kirchen über die rumänische Kirche>], [<Verfolgung und

Demütigung der rumänischen Kirche durch Katholiken / katholische Zentren>],

[<negativer / unmoralischer Einfluss der Union auf den rumänischen Klerus>],

[fehlende Gesetze für die Unierten]

(A24) Seit der Vereinigung würde mit Duldung der rumänischen Bischöfe dem

rumänischen Klerus die Nutzung guter Landstücke und Wälder entzogen werden:

„Cine nu ştie că episcopii noştri de la uniunea încoace numai cu numele au fost

episcopi, iară într-adevăr au fost notari săteşti ... pe de altă parte se pun măsură

teritoriului satului şi fac ce fac de iau locurile cele mai bune de la preoţii românilor, şi

atunci iară dau de lucru notariului episcop ca să scrie la Curte, la guberniu, unde tot

aceia judecă cari şi răpesc şi cari decretează în diete ca domnii pămînteşti să ieie toate

pădurile de la comunităţile române, dezdăunare pentru porţiunile canonice.” Auch

ohne die Vereinigung [von 1700] hätten die Rumänen Studien in Rom absolvieren,

wenn Priester, Adel (noveri), Bürger und das ganze Volk gleichgesinnt (cu un cuget)

und gleichbeherzt (şi [cu] o inimă) für Freiheit und Wohl der Rumänen agiert hätten,

die Rumänen auch als Nicht-Unierte Schulen aufbauen können: „Au nu-şi putea ridica

[românii] şcoale şi ca neuniţi ... dacă-şi concentra toate puterile preoţii, noverii şi

cetăţanii şi tot poporul român, şi dacă lucra cu un cuget şi cu o inima [sic] la toate

împrejurările, pentru libertatea şi fericirea românilor?”. [<die rumänische

Kirchenführung duldete unrechtmäßige Landnutzung durch die Ungarn>],

[<wirtschaftlicher Schaden der rumänischen Kirche durch die Union>], [<die

Deputierten der Landtage dekretieren Unrechtmäßiges>], [<die Rumänen hätten auch

ohne die Vereinigung (von 1700) Schulen aufbauen können>, <wenn unter den

Rumänen Einheit bestanden hätte>]

(A25) Der Absatz führt die Geschichte der Unterdrückung und politischen

Rechtlosigkeit der Rumänen – trotz des Kampfes von Bischof Inocenţiu Micul und

trotz der Petition von 1791 –und der Dominanz der katholischen Priester über die

unierten seit einem Dekret von 1816 vor Augen; die Stände hätten den Rumänen

politische Rechte mit der Argumentation verweigert, dass die Rumänen dafür zu

ungebildet seien:

„Dar cînd cerea [Inocenţiu Micul] ca să se receapă şi naţiunea română ca cele

trei naţiuni, Staturile şi Ordinile-i răspundea că se va răsturna casa ţării pe ei

dacă-i vor lăsa şi pe români să între într-însa. ...”; „A trecut mai jumătate de

seclu, cînd îşi reînnoesc românii cererea pentru naţionalitate, la 1791, dar

147

Staturile şi Ordinile ... mai adaug că românii nu sunt culţi de ajuns pentru

drepturi politice.”; „La 1816, adecă 25 de ani după dietă, a ieşit decret de la

curte în urma acelui plan [pentru cultura românilor] că unde vor fi doi preoţi

într-o comunitate, unul catolic, celălalt unit [keine Punktuation] acolo numai

celui catolic să se deie porţiunea canonică ex nexu unionis”.

Die Herrschenden verhinderten den Fortschritt der Rumänen („Care naţiune s-a

cultivat fiind subjugată?”); die Rumänen sollten sich [daher] vor einer erneuten

Vereinigung hüten und zu einer Würdigung erstens ihrer eigenen Kirche, zweitens der

eigenen Nationalität kommen:

„De ce n-au învăţat românii, din relele suferite de la cele trei naţiuni ca să se

ferească de uniunea cu calvinii şi cu unitarii? De ce nu i-au învăţat sarcinile cele

grele ale acestei uniuni ca să nu păşască la uniune cu ungurii catolici?”; „Cine

să preţuiască beserica română, dacă se ruşinează românii de ea? Cine să-i fie

stimat pe români, dacă ei nici nu-şi respectă beserica, nici pe sine?“;

Ein Schwur unter den Rumänen soll zukünftige Dominanz fremder Kirchenzentren

über die Rumänen nicht mehr ermöglichen: „Să jurăm că [im Text: cu] nu ne vom lăsa

ca să ne mai înşele, să jurăm că nu vor mai putea turbura pacea şi bunăînţelegerea

noastră nici iezuiţii, nici călugării sîrbeşti, nici misiunarii Strigoniului, nici agenţii

naţiunilor străine ...”. [<die historische Unterdrückung und politische Rechtlosigkeit

der Rumänen>], [<Dominanz katholischer Priester über unierte>], [<Verhinderung des

Fortschritts der Rumänen>], [Warnung vor einer neuen Vereinigung], [Aufruf, die

eigene Kirche wie auch Nationalität zu würdigen], [Aufruf, die Dominanz fremder

Kirchenzentren zukünftig nicht zuzulassen]

(A26) Erneut ruft Simion Bărnuţiu zum gemeinsamen Kampf der Rumänen gegen die

Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn auf. [appellativer Aufruf]

(A27) Seit 12 Jahren strebten die Ungarn nach der Schaffung einer einzigen

Großnation. [Implizit:] Allen Ethnien (toate naţiunile) der ungarischen Krone drohe

die Aufgabe ihrer Sprache, Besitzungen, Religion und Gewohnheiten. [<die drohende

Magyarisierung innerhalb eines Großreichs Ungarn>]

(A28) Die Ungarn hätten das Ziel, die şchiai, Bulgaren, und die Rumänen zu

magyarisieren. Sie anerkennen keine nationale Gleichheit (cf. ale căror egali[t]ate nu

vor să ştie nimică): „Aşadar ungurii de astăzi de oarecîţi ani încoace lucră la ungurirea

şchiailor, românilor ş.a. ...”. [<Gefahr der Magyarisierung der Bulgaren und der

Rumänen>], [<Ungleichheit der nationalen Rechte>]

(A29) Im Jahr 1836 hätte der Ungarische Landtag (Dieta Ungariei) festgelegt, die

öffentliche Verwaltung vollständig auf Ungarisch zu führen sowie Ungarisch in allen

Schulen Ungarns einzuführen („Dieta Ungariei de la 1836 puse lege ca să ducă

ungureşte toate negoaţele administraţiunii publice şi să se bage limba ungurească în

toate şcoalele din Ungaria.“). Auch die ungarische Presse, insbesonders die Gazeta de

Pesta / Pesti Hirpal, hätte in beiden Ländern (Ţara Ungurească şi Ardealul) dieses

Ziel verbreitet: „Jurnalele ungureşti din ambe patriile ungureşti – aşa numesc ei Ţara

Ungurească şi Ardealul! – lăţesc demult planul unguririi pretutindene, învaţa pe toate

naţiunile că nu e salute într-alt nume, afară de cel unguresc.“. An der Magyarisierung

148

hätten insbesonders Ludovic Kossuth, dann auch comitele Széchenyi und Wesselényi

gearbeitet, ungarische Intellektuelle versucht, die Verbreitung des Ungarischen unter

allen Bewohnern des Landes zu fördern, die Kirchenbücher auf Ungarisch zu

übersetzen oder Ungarisch als Unterrichtssprache für die ersten Jahre der rumänischen

Schulkinder gutzuheißen. Der Landtag von Cluj 1842 hätte [erneut] entschieden,

Ungarisch unter den nicht-ungarischen Ethnien (naţiuni) durchzusetzen: „Care român

nu ştie că înainte cu şase ani se acceptă planul ungurirei şi de cătră Dieta din Cluş [sic]

şi se face proiect de lege ca să se pună răstimp de 10 ani naţiunilor neungureşti, ca să

înveţe ungureşte, pentru că după aceea vor curge toate în limba ungurească?“.

[Magyarisierungsmaßnahmen in der Geschichte (1836 und 1842)]

(A30) Seit dem 15. März seien die Ungarn nicht mehr vom Kabinett in Wien

abhängig, sie verfügten über ein eigenes Ministerium und somit über die Mittel, gegen

Kroaten und Bulgaren (şchiai) vorzugehen und als erstes Ziel einer Magyarisierung

die Vereinigung zu verwirklichen. [<Gefahr einer Magyarisierung>]

(A31) Simion Bărnuţiu nennt sich in diesem Absatz unzufrieden über die Vereinigung

(„nu sunt mulţămit cu uniunea“) und plant hier, die Folgen für Rumänen und Ungarn

genauer zu betrachten: „vreau să cerc … ce este uniunea penru unguri şi ce este

uniunea pentru români?“. [Einschub des Autors, um die Thematik seiner weiteren

Rede anzukündigen]

(A32) Die Ungarn wollten aus dem Ardeal ein ungarisches Land machen („vreau să

facă ţara ungurească din pămîntul Ardealului“), aus beiden kleinen Ländern

[Siebenbürgen und Ungarn], eine große ungarische Heimat machen: „vreau ca să nu

mai fie două patrii ungureşti mici, ci să se facă din amîndouă una patrie ungurească

mare.“. Sie hätten das Ardeal, das Erbe der [rumänischen] Ahnen (wörtlich: der Väter,

<das väterliche Eigentum>) unrechtmäßig zu ihrem Besitz, nicht aber zu ihrem

Eigentum machen können („din dreptul răzbelului cuceritoriu nu se naşte proprietate ci

numai posesiune“). Werböczi, die Aprobate und die Dokumente der ungarischen

Könige seien keine Rechtsbasis für den Besitzanspruch der Ungarn auf Siebenbürgen.

[<Gefahr der Magyarisierung>], [<Unrecht/Rechtsbruch der Ungarn, das Ardeal als

Eigentum zu beanspruchen>]

(A33) Die Zahl von eineinhalb Millionen Rumänen, die Siebenbürgen beherberge,

sprächen gegen eine Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn. Siebenbürgen gehöre

rechtmäßig den Rumänen. Eine Vereinigung käme einem Verkauf des Bodens von

Siebenbürgen und der Freiheit der Rumänen an die Ungarn gleich. [<die Zahl der

Rumänen>], <das historische Besitzrecht der Rumänen an Siebenbürgen>, <der

drohende Verlust des Territoriums und der Freiheit der Rumänen> sprechen gegen

eine <Vereinigung mit Ungarn>]

(A34) Durch die Vereinigung seien – im Gegenteil zu dem von den Ungarn

Behaupteten – alle Nationalitäten und der Boden Siebenbürgens (Ardealul) in Gefahr,

von der ungarischen einverleibt zu werden. [<Gefahr der Magyarisierung>],

[<Unmoral/Falschheit der Ungarn>]

(A35) Eine Vereinigung brächte den Ungarn großen Nutzen (Gold, Metalle, Salz,

Soldaten und die unbegrenzte Macht, Siebenbürgen seiner Gesetzlichkeit, Regierung

149

und Verwaltung zu unterwerfen) und großen Schaden für die Rumänen (Armut,

Wehrpflicht der Rumänen für Ungarn, Auslöschung aus der Erinnerung / ştergerea

numelui). [<Nutzen der Vereinigung für die Ungarn>], [<Nachteil der Vereinigung für

die Rumänen>]

(A36) Die bisherigen Vereinigungen, politische wie kirchliche, zeigten, dass auch die

[neue] Vereinigung nur Unterjochung (servitute) brächte. [<die Vereinigung bringt

Unterjochung>]

(A37) Freiheit einzuschränken, bedeute Würde einzuschränken, gleichermaßen der

Person wie auch der Nation. [<Verlust von persönlicher und nationaler Würde durch

Verlust von Freiheit>]

(A38) Die – vom Zeitgeist verkündete – Freiheit impliziere [theoretisch] die Freiheit

der Sprache in den Bereichen des Staates (Schule, Theater, Buchdruck, Familie,

Öffentlichkeit, Kirche, Ämter (judeţe). Hingegen drohe [praktisch] eine vollkommene

Magyarisierung (in Ämtern, Gerichten, Schulen, Würden). [<der Geist der Zeit

verkündet Freiheit>], [<nationale Freiheit schließt die Freiheit der Sprache ein>],

[<Gefahr einer Magyarisierung>]

(A39) Die Ungarn sind nur an der Unterdrückung der Rumänen interessiert und

handeln nur in ihrem Interesse. [<Unterdrückung der Rumänen>],

[<Unmoral/Egoismus der Ungarn>]

(A40 und A41) Zivile Gleichheit impliziere den Schutz aller Bürger durch gleiche

Gesetze. Für die Rumänen hingegen bestehe keine unabhängige (neutrale)

Rechtsvertretung und kein Recht, die eigene Sprache zu verwenden. Auf den

Gerichten wäre nur Ungarisch zugelassen. [<Ungleichheit vor den Gesetzen>],

[<Dominanz des Ungarischen>]

(A42) Noch weniger als zivile Gleichheit bestehe – schon seit 1714, dann auch 1842 –

religiöse Gleichheit. Dies zeige sich an der materiellen Armut / der Baufälligkeit der

rumänischen Kirchen. [<politische Ungleichheit der Religion>]

(A43) Die Ungarn würden den Rumänen versprechen, in einem vereinten Reich die

Freiheit der Person [die Abschaffung der servitute] zu gewähren, de facto würden sie

aber die Rumänen magyarisieren. [<Unmoral/falsche Versprechungen der Ungarn>],

[<Gefahr der Magyarisierung>]

(A44) Die Rumänen würden unter den Ungarn in fremden Nationalgarden und

Regimentern dienen. [<Nachteil der Vereinigung>]

(A45) Die Vereinigung töte die Nationalität: „Aşa scoate şi uniunea sufletul din toate

libertăţile, omorînd naţionalitatea.“. [<die Vereinigung bedeutet das Ende der

nationalen Existenz>]

(A46) Gefährdung der nationalen Freiheit / der Freiheit des Volkes gefährde dessen

Kultur, Wohl und Sicherheit. [<Freiheit der Nation / des Volkes>], [<Gefährdung der

nationalen Freiheit bedeutet Gefährdung des Fortschritts des Volkes>]

150

(A47) Kultur sei das Eigentum des ganzen Volkes, ihre Basis nationale Schulen und

Institutionen für Wissenschaft und Kunst, die Basis für eine aufgeklärte

Rechtssprechung insbesonders die Universitäten. Kultur sei das stärkste Element

(puterea cea mai tare pre pămînt) der nationalen Einheit, die ganze Nation gerufen,

sich für sie einzusetzen. Der Aufbau von Kultur könne nur durch die nationale Sprache

(limba naţională), niemals durch eine fremde Sprache (limbă străină) erfolgen.

[<Kultur als wichtigstes Element der nationalen Einheit>], [<nationale Sprache als

wichtigstes Mittel, Kultur aufzubauen>]

(A48) Nur nationale Schulen und der Unterricht aller Fächer (toate ramurile

conoştinţei omeneşti) in der Nationalsprache garantierten die zukünftige Ausbildung

von Politikern, Juristen, Rechtskundigen (advocaţi), guten Rednern, Dichtern,

Abgeordneten der Landtage und Söhne, welche die eigene Nation liebten: „E lucru

cunoscut că preoţii ungurilor reformaţi sunt mai buni oratori decît ai catolicilor şi ai

românilor, pentru ca învaţă ştiinţele şi artea retorica (sic) în limba naţională din

tinereţe.“; „Cum va detuna deputatul naţiunii în contra despostismului [sic] în adunări,

dacă nu se va învăţa din tinereţe a-l cunoaşte şi a-l urîre …“). [<Bildung in der

nationalen Sprache als wichtigster Garant für Träger der Nation / eine nationale

Existenz>], [<Liebe zur Nation>]

(A49) Um Kultur aufzubauen, sollen sich die Rumänen aller von ihnen bewohnten

Länder (cf. Nistru, Tisa) vereinen, auch mit den anderen romanischen Völkern, nicht

aber mit Ungarn [<der Aufbau der Kultur verlangt die Vereinung der Rumänen aller

Gebiete>]

(A50) Die nationale Sprache ist bedeutend für Kunst, Wissen(schaft), Wirtschaft

(industria) und Handel (negoţ). [<nationale Sprache als Prämisse, damit

nationalstaatliche Bereiche funktionieren>]

(A51) Die Ungarn wünschten, nur Ungarisch zu verwenden und begründeten dies mit

der Superiorität des Ungarischen/Inferiorität der nicht ungarischen Sprachen

(„celelalte limbi … nu sînt culte de ajuns.“). [<Gefahr der Magyarisierung>], [<die

(suggerierte) Dominanz des Ungarischen>]

(A52) Der (gesunde) Staat schützt die Person als Individuum, dessen Versorgung

(mîncarea, băutura, îmbrăcămîntul, locuinţa), Freiheit (libertate) und Sprache (limba).

[<der gesunde Staat schützt die Existenz, Freiheit und Sprache der Person>]

(A53) Keine Nation könne / solle in Freiheit, Würde und Macht einer anderen

höhergestellt sein. Jede Nation habe Rechte wie Pflichten („O naţiune cu minte

recunoaşte drepturi şi obligaţiuni împrumutate …“). Niemand soll der Sklave eines

anderen sein, sondern soll frei sein; soll freie Gemeinschaften wie Staaten bilden,

deren Regierungen von allen Freien gewählt wird: „natura nu va ca să fie un om şerb

altui om, ci va să fie liber în toată viaţa sa. Ea vrea ca mai mulţi oameni liberi să facă

comunităţi, sate şi state libere, şi aceste să se guberne de guberne aşezate cu votul

tuturor liberilor, după legi puse de universalitatea tuturor liberilor, nu cu mandate.“.

[<natürliche Gleichheit der Nationen/Nationalitäten>]

(A54, cf. auch A55) Gleichheit der Nationen gewähre die Freiheit ihrer Entwicklung in

allen Bereichen des Staates. Dieser brauche [aber nicht nur] Rechtsgleichheit und

151

Sprachkonformität („nu este de lipsă nici uniformitate de drept, cu atît mai puţin

uniformitatea de limbă.“), sondern [auch] individuelle Rechte und <Sprachenrechte>

der Bürger. [<nationale Gleichheit gewährt nationalen Fortschritt>], [<Recht der

Sprachverwendung>]

(A55) ist ein Plädoyer für einen polyglotten Staat (stat poliglot), für die Freiheit der

Sprachen („deve să recunoască libertatea limbilor un stat liber …“) und für die

Respektierung des Willens des Volks, für dessen Ausdruck die eigene Sprache

notwendig sei. Auf Nationalversammlungen, Land- und Reichstagen soll, wie es die

Schweiz, Belgien und Sardinien praktizieren, die Verwendung von mehreren Sprachen

möglich sein: „deve să se svatuiască în adunările comunităţii, în adunările mai mari

naţionale şi în adunarea comună a mai multor naţiuni.“. [<Volkswille>], [<freie

Sprachverwendung im Rahmen nationaler/Reichs- Versammlungen>]

(A56) Weder das Deutsche noch das Ungarische sei reifer (cf. matur) als das

Rumänische, um für die Kodifizierung des Rechts (cf. o carte de legi ... ca Corpul

jurelui roman) verwendet zu werden. Die Rechtssprechung (jureprudenţă) solle in der

[jeweiligen] Nationalsprache geschehen. Der Sprachendespotismus (despotismul

limbistic), der Egoismus der [ungarischen] Nation (naţiunea despotică),

Landesversammlungen, die andere Nationen ausschließen, sowie die Verwendung von

Gesetzen [die auf Ungarisch geschrieben sind] und der Einsatz von nicht nationalen

Beamten (deregători străini), hätten das Ziel, kulturellen Fortschritt und Bildung

(şcoale naţionale) zu verhindern und die Freiheit zu beschränken. Der Schaden [der

Rumänen] ist dabei nicht nur, dass sie die Verwaltungsprozesse nicht verstehen

können, sondern auch für Übersetzungen aufkommen müssen. [<Rumänisch ist als

Gesetzessprache nicht weniger geeignet als das Deutsche oder Ungarische>],

[<Rechtssprechung soll in der Nationalsprache geschehen>], [durch Magyarisierung

behindern die Ungarn den Fortschritt der Rumänen], [<Nachteile der Magyarisierung

für die Rumänen>]

(A57) Der Bedarf von Ungarn und Rumänen soll den Einsatz der jeweiligen Sprache

bestimmen, wie es auf den Kirchengerichten, dicasteriile, Siebenbürgens Gewohnheit

war. Das Rumänische, nachdem es Hunderte von Jahren auf den Richterstühlen der

[orthodoxen] Kirche (limbă oficioasa de cente de ani la toate scaunele de judecata ale

protopopilor şi la constistoriile [sic] românilor din Ardeal) und in den Fürstentümern

als limbă politică verwendet worden sei, solle nun auch für Gesetze (pentru legi) und

von der Regierung (gubernare) verwendet werden. [<der Bedarf soll die

Sprachverwendung bestimmen>], [<Gesetze sollen auch auf Rumänisch geschrieben

werden>]

(A58) Die Ungarische Krone habe nicht das Recht, sich die Rumänen und Bulgaren,

şchiai, sprachlich einzuverleiben. [<Unrecht der Ungarn>], [<Gefahr der

Magyarisierung>]

(A59) Die sprachliche Einverleibung der anderen Sprachen geschehe aus keinem

anderen Grund als Despotismus. [<Unmoral/Despotismus der Ungarn>]

(A60) Die Sprachen im Allgemeinen seien, wie auch Ungarisch und Rumänisch, von

Natur aus gleich, ihre Sprecher gleichberechtigt, sie zu verwenden. Die Sprecher

152

haben dieselbe Liebe für ihre Sprache, dasselbe auf sie gerichtete Gefühl und Ziel: „O

natură le-a născut pe toate naţiunile, o amoare le-a vărsat în inima spre limba lor, un

sentiment de onoare bate în inimile tuturor şi un scop le-a prefipt tuturor, şi acest scop

nu se poate ajunge dacă va domni una peste alta, ci numai domnind drept egal peste

tot.”. [<Gleichwertigkeit der Sprachen>], [<gleiches Recht der Sprecher, ihre Sprache

zu verwenden>], [<Liebe zur eigenen Sprache>]

(A61) Die stärkste Kraft eines Volkes sei seine Nationalität („Naţionalitatea e

îndemnul cel mai potent spre lucrare pentru fericirea geniului omenesc.”). Ohne sie

bestehe keine Freiheit („Naţionalitatea e libertatea noastră cea din urmă şi limanul

salutei noastre venitoare.”). Eine Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn bedeute den

Tod der Siebenbürgischen Nation:

„Aceasta e uniunea pentru români! Pentru unguri e viaţă – moarte pentru

români. Pentru unguri libertate nemărginită, pentru români servitute eternă.

Unindu-se naţiunea română cu Ungaria, nu va avea nici şcoale, nici deregători

naţionali cari să poarte grije de şcoale şi de interesele naţionale, nici chiar

beserică naţională.”.

Thematiken sind: [<Nationalität / die nationale Existenz eines Volkes ist Bedingung

für seine Freiheit>], [<Gefahr der Vereinigung>]

(A62) Es drohe die Magyarisierung aller Kultur, von Literatur und Sprache. Es gelte,

diese Gefahr jetzt zu erkennen, um dieses unwürdige Schicksal (această infamie

nemeritată) für die Nachfahren abzuwenden. [<Gefahr der kulturellen und

sprachlichen Magyarisierung>], [<eine Magyarisierung entwürdigt die Nation>],

[<Verantwortung gegenüber den Nachfahren>] [Apell zur Abwendung der

Vereinigung]

(A63) Man solle das schlechte Verhältnis von Rumänen und Ungarn in der Geschichte

betrachten. Sie suggeriere, die Vereinigung abzulehnen. [nochmaliger Appell, die

Geschichte als Lehrmeister zu betrachten], [Entscheidungsfindung]

(A64, I) Bedingung für eine Vereinigung der Rumänen mit den Ungarn sei die

Schaffung und Organisation eines in Freiheit dem Ungarischen Reich gleichenden

Siebenbürgens: „Numai după ce va fi constituită şi organizată şi naţiunea română pe

temeiul libertăţii egale, atunci să facă federaţiune cu ungurii pentru apărare comună,

cum face o naţiune liberă cu altă naţiune liberă.”. [<die Freiheit Siebenbürgens ist

Bedingung für die Vereinigung>]

(A65) Die Rumänen sollen ihre Bewusstheit bezeugen darüber, dass, im Falle einer

Vereinigung, sie zum Wohle der rumänischen Nation nichts mehr selbständig

beitragen können: „Dacă s-ar declara românii pentru uniune, ar fi constrînşi a merge

orbeşte încotro i-ar duce ungurii, de sine n-ar putea lucra nimic pentru binele naţiunii

române.”. [Aufruf zur Wachheit], [<Wohl der Nation>], [<Gefahr der Unfreiheit /

Verlust der Autonomie der Rumänen>]

(A66, II) Die versammelte Gemeinschaft solle in diesem feierlichen Augenblick die

Freiheit und Unabhängigkeit der rumänischen Nation proklamieren („adunarea ... să

proclame libertatea şi independenţa naţiunii române”) [Aufruf zur Proklamation der

153

Freiheit und Unabhängigkeit der Rumänen], [<Freiheit und Unabhängigkeit der

Nation>]

(A67) In dem Absatz ruft Simion Bărnuţiu die rumänische Nation dazu auf, sich als

zukünftig autonom regierend zu proklamieren und deklarieren [wörtlich: schüttelt das

Joch der ungarischen Verfassung ab und proklamiert/deklariert sich als selbst

bestimmend]: „naţiunea română scutură jugul constituţiunii ungureşti, care de o parte

îi nimicea naţionalitatea, de alta călca în picioare libertatea poporului. Naţiunea

română, proclamîndu-se, declară sarbătoreşte că de aci înainte nu se va cunoaşte

obligată decît prin legile care se vor pune în dieta ţării, unde va fi reprezentată şi ea

după dreptate şi cuviinţă, şi se va ţinea dătoare cu ascultare numai deregătorilor aleşi

din sînul său.” [illokutive Proklamation der Autonomie der rumänischen Nation]

(A68, III) Die Versammelten sollen beeiden, die Nationalität zu respektieren, zu

schützen und für sie zu kämpfen. [Aufruf zu einem Schwur], [<Respekt, Schutz und

Kampf für die Nationalität>]

(A69) Der Schwur soll die Einheit der Rumänen fördern. Die Einheit sei das erste

Mittel der Wiedererlangung und Bewahrung der nationalen Freiheit: „unirea încă deve

să înflorească totdeauna între români ca mijlocul cel de întîi al revendicării şi

conservării libertăţii naţionale ...”. [<Vereinigung der Rumänen>], [<die Einheit der

Rumänen als Prämisse für die nationale Einheit der Rumänen>]

(A70) Die nationale Einheit sei Garant für die (kulturelle) Entwicklung der Rumänen.

Die nationale Freiheit ist die Bedingung für Fortschritt und Wohl: „naţiunea română

nu s-a adunat aici ca să se facă unită sau neunită, ci ca să se facă liberă înai[n]te de

toate, apoi cultă şi fericită.” [Aufruf zur Vereinigung der Rumänen], [<nationale

Einheit der Rumänen als Garant für den Fortschritt, das Wohl der Nation>]

(A71) Seit 1744 verzeichneten die rumänischen Bischöfe, von Inocenţiu beginnend,

über Arone, Rednic, Gregoriu Maior, Ioane Bob nicht nur keine Erfolge für die

Nationalität der Rumänen, sondern handelten, insbesonders Ioane Bob, zu ihrem

Schaden. Die Causa der Nationalität dürfe nicht, wie es das Beispiel von I. Bob

gezeigt habe, vom Kampf von nur einer oder weniger Personen abhängen, sondern von

einer, von der Nation bevollmächtigten Delegation, von [National-]Versammlungen,

politischen und kirchlichen Versammlungen, von nationalen Fonds und Instituten, wie

dies auch bei anderen Nationen geschähe:

„Un om înţelept, fie episcop au seculariu, nici îmbiat nuva lua sigur asupră-şi

cauza naţională, cu atît mai puţin se va duce la Viena fără plenipotenţă de la

naţiune, cum s-au dus I. Bob cu sîrbul Adamovici, ci ca spiritul nevîndut, va

învăţa pe naţiune cum să urmeze exemplul altor naţiuni luminate şi fericite,

folosindu-se de toate mijloacele, de însoţiri, adunări politice şi bisericeşti,

ridicînd fonduri şi institute naţionale, de care se servesc şi alte naţiuni pentru

fericirea lor.”.

Themen sind: [<Erfolglosigkeit der rumänischen Bischöfe, die Nationalität der

Rumänen zu schützen>], [<Einheit und Gleichheit der Stimmen der Rumänen, um für

die nationale Existenz zu kämpfen>]

154

(A72) Mit Blick auf die ein Jahrtausend währende (cf. această mie de ani)

Unterdrückung und Unfreiheit der Rumänen durch die Ungarn sowie auf das

Standhalten der Rumänen gegen Einfälle verschiedener Völker soll, zu Ehren der

rumänischen und romanischen Vorfahren, des Bodens, des Namens und der Sprache

der Rumänen („Rămîneţi credincioşi numelui şi limbii voastre.”), allen Versuchen der

Einverleibung durch Fremde („Nu vă nemţireţi, nu vă ruşireţi”) wie insbesonders der

Magyarisierung („nu vă ungurireţi”) geeint standgehalten werden: „Apăraţi-vă ca

fraţii, cu puteri unite, în pace şi în răzbel.”. [<Unterdrückung der Rumänen in der

Geschichte>], [<Würde der Rumänen>], [<Vereinigung der Rumänen als Garant, der

Magyarisierung zu widerstehen>]

VII.1.6. Analyse der unterschiedlichen Ko-Diskurse der Rede von Blaj

Wie schon mehrfach erwähnt, ist der Diskurs von Blaj vorwiegend argumentativ (und

dabei durchaus auch auf Narration und Beschreibungen gestützt). Die Thematiken

bilden insgesamt eine reduzierte Reihe von Isosemie-Ketten. Die wichtigste Thematik

des Textes ist die Frage der Vereinigung (Entscheidungsfindung), das oberste Ziel die

Suggestion einer Ablehnung des Plans der Ungarn (cf. den letzten Absatz der Rede /

A72). Für dieses Ziel entwickelt Simion Bărnuţiu ein sehr redundantes Bild der

Ungarn als Unterjocher per se. Ihre vor allem negative Darstellung zieht sich in vielen

Passagen durch den gesamten Text und kreiert Assoziationen mit ausbeuterischen und

schrecklichen Beherrschern (A2, cf. anatema in A12, A17), Landräubern (cf.

<ungurii/secuii/saşii uzurpă drepturi>; cf. auch die Absätze 14 und 17),

Vetragsbrechern (A6, A7), politisch Dominierenden („la masa verde numai ungurii au

vorbă şi intrare, ca să proiecte legi şi măsuri contra românilor.”, A15), Barbaren bzw.

moralisch skrupellosen, ja seelenlosen Menschen (A9, A21), welche selbst die Würde,

Religion und den Kirchenbesitz der Rumänen antasten („ungurii nuse muţămesc numai

cu cît lipsesc de libertate pe naţiunea română, ci încă o şi calumniază, zicînd chiar prin

organul legelativ că e o naţiune de jos ...”, A12; „Onoarea neverimei [sic] române e

subordinată pre tot locul sumeţiei ungureşti ...”, A15; „Pe acest timp îi făcea pe popii

româneşti să ierneze cîinii domnilor, şi protopopii purta pe umeri pe superintendentele

calvinesc”, A19 aber auch 20; A21, A22, A23 etc.) Die Ungarn sind die Feinde per se

(A23), welche Hass (cf. A1), Gefahr (A2) und den nationalen Tod bringen (cf.

“sentinţa de moarte care i [românului] se prepară în adunările ungureşti”, A1;

campana de moarte, A2; „acea nălucă ce ne ameninţă moarte naţională ...”, A5;

„proprietatea naţiunilor omorîte prin lege va servi ungurilor de spese pentru

îngropăciunea acestor naţiuni.”, A34; cf. metaphorisch auch veninul uniunii, A63 etc.).

Von der ungarischen Nationalität geht – im Falle der Vereinigung – die große Gefahr

der Magyarisierung (cf. ungurire, A4, A28; cf. auch das Bild „vor fi îndreptate asupra

ei [literaturii] tunurile ungurismului”, torentele ungurismului, A62), der nationalen

Einverleibung (contopire, A4; <Erschaffung einer vereinheitlichenden, alle

Nationalitäten nivellierenden Großnation / una naţiune mare şi tare şi un regn tare şi

mare unguresc”, A27), der politischen Beherrschung (domnirea ungurească A5), der

schweren Unterdrückung der Rumänen und der rumänischen Kirche (cf. împilatori de

155

popor A9, cf. A13, A17, A20) und der Rechtlosigkeit der Rumänen (A20; cf.

drepturile răpite, A25) aus.

Dem Ziel, die ungarische Gefahr aufzuzeigen, unterstellt Simion Bărnuţiu die gesamte

Argumentation seiner Rede. Sie besteht unter anderem, aus einem rechtshistorischen

Diskurs, in dem der Autor die von der ungarischen Aristokratie zuungunsten der

Rumänen festgelegten Gesetze diskutiert. So werden die Unio trium nationum von

1437, das Opus tripartitum von 1514, die Approbatae constitutiones und Compilatae

constitutiones von 1540-1669 (Absätze 5-7) in Erinnerung gerufen, welche die

Rumänen um die Rechtsgleichheit mit den anderen nationes Siebenbürgens, aber auch

um Privilegien, Freiheit und Würde gebracht hätten (Absätze 8-12, 16, 17, 18, 19).

Immer wieder führt der Autor konkrete Fälle des Scheiterns der Rumänen vor Augen.

So hätte sich Bischof Inocenţiu Micul ohne Erfolg um die Anerkennung der

rumänischen Nation (naţiune română) seitens der drei anderen Stände (Staturile şi

Ordinile) bemüht: „Dar cînd cerea ca să se receapă şi naţiunea română ca cele trei

naţiuni, Staturile şi Ordinile-i răspundea că se va răsturna casa ţării pe ei dacă-i vor

lăsa şi pe români să între într-însa. ...” (A25). Ein neuer Appell der Rumänen für

nationale Anerkennung, hätte erneut nichts und zudem noch Schmach gebracht: „A

trecut mai jumătate de seclu, cînd îşi reînnoesc românii cererea pentru naţionalitate, la

1791, dar Staturile şi Ordinile ... mai adaug că românii nu sunt culţi de ajuns pentru

drepturi politice.”. (ib.). In dieser Weise zeigt Simeon Bărnuţiu exemplarisch, wie

entlang der Geschichte die Rumänen von Ungarn unterdrückt wurden. Semantisch sehr

redundant und politisch hoch sensibel wird diese Unterdrückung vor allem anhand

jener der rumänischen Kirche gezeigt, ihre rechtliche Ungleichheit vom Redner an

schlechter baulicher Substanz gemessen (Absatz 43).

Der Text Simion Bărnuţius spiegelt desweiteren ein im historischen Augenblick

fallendes feudales System wider. Das rumänische Volk trug generell, vom Adel

abgesehen, die ganze wirtschaftliche und landwirtschaftliche Last und Abgabenpflicht;

es war der Sklave der herrschenden Schicht und war in Hörigkeit an den Boden

gebunden: „Pe popor îl împarte [Tripartitul] în noveri şi rustici, noverilor le dă

drepturi şi putere nemărginită preste popor, fără de nici o dătorie cătră acesta, iară

dătoriile le încarcă toate în spinarea poporului.“ (A8, cf. auch A20 und A24); „despre

o parte [Tripartitul] nimiceşte personalitatea poporului, făcîndu-l şerb domnilor pentru

totdeauna, iară. Despre altă parte-i răpeşte mijlocirea de a-şi cîştiga cele de lipsă spre

traiul vieţii ... şi aşa-i stoarce toate puterile, ca să nu se mai poată scoate din servitute”

(A8); „legea l-a legat [pe popor] de glie ...” (A8).

Fast einer Antithese entsprechend, erscheint als semantischer Gegenpol zur

Vereinigung und damit angenommenen Unterjochung der Rumänen, nach der Devise

der Zeit (cf. epoca frăţiei şi a libertăţii, A2) die <Freiheit> aller Menschen. Bărnuţiu

beginnt seine Rede mit einem Lob auf die Freiheit im Allgemeinen und, im Speziellen,

der Siebenbürger Rumänen (cf. A1-A3; „Inima românilor a bătut totdeauna pentru

libertate...”, A2). Thematisiert und erläutert wird diese im Verständnis sowohl einer

Freiheit der Nation als auch einer Freiheit der Person. Letztere hänge von der ersten ab

(cf. z.B. A46 und A61). Der Anspruch Ungarns, die nationale Identität der Rumänen

zu untergraben, Siebenbürgen ethnisch oder über die Konfession zu magyarisieren

156

(z.B. die Absätze 14, 19, 29, 43), gefährde die Existenz der Nation (cf. Absätze 3, 46,

65 etc.) und drohe mit dem Verlust der nationalen Freiheit und dem Verlust der von ihr

abhängigen Freiheit der Person. Das Ziel der persönlichen Freiheit ist daher die

Überwindung der Unfreiheit des rumänischen şerb, des abhängigen Fronbauern, den

die ungarischen Dekrete noch immer in servitute und rusticitate absolută halten (cf.

insbesonders A8).

Die Devise der Zeit verlange nach Freiheiten der Person, des „Staates” und seiner

Regierung: „natura nu va ca să fie un om şerb altui om, ci va să fie liber în toată viaţa

sa. Ea vrea ca mai mulţi oameni liberi să facă comunităţi, sate şi state libere, şi aceste

să se guberne de guberne aşezate cu votul tuturor liberilor, după legi puse de

universalitatea tuturor liberilor, nu cu mandate.“ (A53). Freiheit wird aber auch als

erste Prämisse für die Kultur eines Volkes genannt. Wird die Freiheit eines Volkes

unterjocht, ist auch Kultur nicht möglich: „Dacă e nimicită libertatea poporului …, e

nimicită totdeodată şi cultura şi fericirea aceluia, fiindcă fără de libertate nu e cu

putinţă cultura.“ (A46). Diesen Weg zu gehen, nämlich als erste Prämisse für eine

persönliche und nationale Freiheit und für das Wohl der Nation Bildung aus der

inneren Kraft aufzubauen (A24, A47, A49), dazu bedürfe es, wie Simion Bărnuţiu es

fordert, der Einheit des Geistes und Herzens der Rumänen: „Au nu-şi putea ridica

[românii] şcoale şi ca neuniţi ... dacă-şi concentra toate puterile preoţii, noverii şi

cetăţanii şi tot poporul român, şi dacă lucra cu un cuget şi cu o inima [sic] la toate

împrejurările, pentru libertatea şi fericirea românilor?” (A24); „naţiunea întreagă deve

şă-şi împreune puterile ... să facă negoţ comun din cultură ...” (A47). Die Rumänen

aller Gebiete werden zur Vereinigung unter sich aufgerufen: „... dacă-şi vrea cultura

oarecar naţiune, să se unească, ce e drept, nu cu alte naţiuni ... ci să se unească mai

întîi cu sine însăşi, ca să se apuce de cultura naţională cu puteri unite. ... Aşadară

românii mai întîi să se unească între sine spre acest scop, de la Nistru pîn‟ la Em e de

la Em pîn‟ la Tisa, apoi să se unească cu celelalte familii romane, pentru identitate

limbii şi cumnăţia cea firească a cugetelor e a simţămintelor.” (A49). Ein vom Autor

geforderter Schwur soll diese symbolisch noch verstärken (A68, A69).

Simion Bărnuţiu ruft aber nicht allein zur Einheit der Rumänen auf. Er baut im Laufe

seiner Rede eine Identität der Rumänen auf. Die Gemeinschaft der Rumänen trägt sich

aus fraţi, Brüdern (cf. die Anrede, dann viele Beispiele im Text). Diese stellen

charakterlich, im Gegensatz zu den (wenigen) „Landesverrätern“, welche durch die

Union das Land verkaufen würden, den român bun, den guten Rumänen, dar (A1).

Dieser stellt – implizit – die Antifigur des Barbaren dar (cf. A62). Der Rumäne trägt

einen glorreichen Namen: „feciorii românilor vor forma legiuni care se vor bate pentru

gloria celor ce le-au şters numele cel glorios şi i-au botezat pe nume de barbar ...”

(A35, cf. auch nachfolgend gloria strănepoţii in A62). Rumänen besiedeln Gebiete

zwischen dem Nistru, Em, Olt, Mureş und der Tisa (A62). Sie sprechen einunddieselbe

Sprache (cf. aceeaşi limbă, A69), welche ihnen ein – in der Rede dreimal erwähnter –

inniger Wert ist (A60; cf. sunetele cele dulci ale limbii noastre, A62; cf. auch A72).

Die Wurzeln der Rumänen verweisen auf Rom (cf. die Legionäre des Traian, A62).

Rumänen stellen 1,5 Millionen Einwohner in Siebenbürgen (A33, A35).

157

Im Widerstand gegen eine politische Einverleibung und sprachlich-konfessionelle

Magyarisierung der Siebenbürger Rumänen durch die ungarische Krone entwickelt

unser Autor, zu einem Zeitpunkt, zu dem die Rumänen in Siebenbürgen noch nicht

einmal zu den politischen Ständen zählten, das Konzept der Nation (cf. hierzu auch

Kap. VII.1.2.). Er verwendet dafür die Wortfamilie um die Basis naţi(un)e (cf.

naţiunea română, A11; viaţă / onoare naţională, A19, A16; naţionalitate (A18), aber

auch, auffälligerweise das überregional sich auf den Rumänen beziehende Adjektiv

român / românesc (cf. metropolia românilor, biserică românească, biserică română;

A21, A25). Wie aus einem vorangehenden Zitat hervorgeht, schreibt er der Nation

auch Würde zu. Diese sei so gewichtig wie die nationale Existenz selbst, denn ohne

Würde sei keine Kultur möglich: „Subt atari augurii rele, noverimea română nu va

apuca niciodată la valoarea ce i se cade în stat, pentru că valoarea face cultura, cultura

fără libertate şi libertate fără de existenţă şi onoare naţională nu e cu putinţă” (A16).

Als wichtiges Thema fokussiert unser Text die Bedeutung der nationalen Sprache für

Identität und Nation/Nationalität. Kultur und Bildung der Nation könne nicht über

fremde Sprache erreicht werden: „Însă io vă asigurez că naţiunile aceste luminate

niciodată nu vor limbă străină pentru învăţătură, ci vor demustra totdeauna cu consens

universal că natura pentru [aceea] i-a dat limbă fiecărei naţiuni, ca să se folosească cu

aceeaşi în toate negoaţele vieţii...”; „Vai şi de naţiunea care nu îmblă pe picoarele sale

sau nu vede decît cu ochii altei naţiuni! Niciodată nu va patrunde rază de cultură la

creierii acestei naţiuni, ci va rămînea purure întunecată ca orbul şi servă naţiunilor

răpitoare.” (A47 und 48). Nationale Sprache sei Prämisse für den Aufbau von Kultur,

selbständigem (nationalen) Handeln und für die Wirtschaft der Nation: „numai în

braţele ei creşte arta şi ştiinţa, numai cu aripile artei şi ale ştiinţei zboară industria şi

negoţul, numai în aceste grădini înfloreşte fericirea naţiunilor.” (A50). Auch der

Sprache gebührt Würde, sie ist das Symbol (nationaler) Beständigkeit: „fiecare naţiune

numai atîta onoare şi valoare are înaintea statului, cîtă onoare şi valoare are limba ei.”

(cf. A62 und A72, letzter Absatz der Rede). Nur die Muttersprache garantiere

Generationen, die die eigene Nation liebten / Heimatliebe haben (A48). Alle

demokratischen Rechte und Freiheiten (Parlament, Pressefreiheit, Verantwortlichkeit

der Minister, Absatz 40) sind, aus der Sicht unseres Autors, allein über das Recht auf

die eigene Muttersprache erreichbar (Absatz 40). So entwickelt Simion Bărnuţiu auf

dem Hintergrund der drohenden Magyarisierung in einer langen Reihe von Absätzen

die Bedeutung der nationalen Sprache für Bildung und kulturelle Entwicklung

überhaupt (Absätze 39, 42, 53, 55, 57, 58, 59, 60, 61, 63 – als Lob auf die eigene

Sprache – und die Absätze 48, 49, 51).

Der Autor unterstellt sich ideologisch der Devise der Zeit (epoca frăţiei şi a libertăţii,

A2): „să ne convingem că subt larva libertăţii şi a frăţiei, cu care ni se înfăţişează

uniunea, ea nu acopere pentru noi libertate, nici frăţie, ...” (A36). Sie bezeugt eine

Orientierung des Autors nach der Aufklärung (lumina ştiinţelor, popoarele luminate,

jureprudinţă luminată, naţiuni luminate; A47, A48). Aufklärerische Ideologie liefert

auch eine letzte wichtige Isosemie unseres Textes, welche aus einer Reihe von

primären Konzepte und Grundbegriffen der Menschenrechte (drepturile omeneşti, A8)

und der Französischen Revolution (libertate egalitate, binele public, frăţie, proprietate

etc., A9, A10, A57) besteht. Der primär argumentative Text über die Vereinigung

158

enthält damit neben dem identitätsstiftenden Nationen-/ Nationalitätsdiskurs auch eine

Isosemie / einen (impliziten) Diskurs über den abstrakteren Begriff des Staates und der

Staatsorganisation. In Kap. VII.1.7. gehen wir darauf ein.

VII.1.7. Der „Staatlichkeitsdiskurs“ in der Rede von Blaj (Analyse und

Interpretation)

Als argumentativer Text gegen die drohende politische Vereinnahmung durch Ungarn

hat die Rede von Blaj ein primär anderes Ziel, als die Aufstellung von Kriterien einer

(zukünftigen, inneren) Staatlichkeit. Dennoch formuliert und konzeptualisert sie diese

in vielen Passagen, wenn auch weniger explizit (als direkte Forderungen), als implizit

(in Attributen, Nebensätzen, Erläuterungen etc.). Betrachten wir den Text auf dem

Hintergrund der wichtigsten Begriffe moderner Staatlichkeit, wie es <Freiheit /

Souveränität / freie Meinungsäußerung>, <Eigentum>, <Sicherheit>, <Widerstand /

Petition>, <öffentliche Meinung>, <Gleichheit>, <Steuerbeitrag>, <Gemeinnutz>

sowie <Bevölkerung>, <Volk / Nation>, <Staatsbürgerschaft>, <Staatsgewalt>,

<Repräsentativität und Trennung der Gewalten>, <Staatsnamen>, <Vaterland>,

<Territorium>, <Hauptstadt>, <Wohnsitz>, <Grenze> sind, wird deutlich, dass unser

Autor die nachfolgend behandelten Begriffe integrierte.

Von der semantischen Dichte des Textes ausgehend, ist die Freiheit im Sinne der

Unabhängigkeit und Autonomie der Rumänen das wichtigste Kriterium für die

zukünftige Existenz der Nation (A1, A2, A3, A12, A16, A38, A46, A61, A64, A65,

A66, A67, A70), „staatliche” Unfreiheit hingegen bedrohe das nationale Leben der

Rumänen (A18 , A38, A45, A46, A68, A69). Was für den Staat, die Nation gilt, gilt

auch für die Person. Sie solle frei sein (A54). Der Text bezeugt im Weiteren ein

Bewusstsein darüber, dass die Zensur im habsburgischen Kaiserreich gefallen sei. Er

thematisiert damit das Antonym zu <Pressefreiheit> ganz allgemein und ohne diese für

Siebenbürgen explizit einzufordern: „Acum nu mai e cenzură: a pierit amica

întunericului de înaintea razelor libertăţii şi patroana despotismului s-a stins cu ruşine

din împărăţie.” (A3). Anstelle eines Konzepts des Eigentums der Person entwickelt der

Text das Konzept des Bodens als Eigentum der Nation (A11, dann auch A33) bzw. des

Rechtsanspruchs der Nation auf Territorium: „Ardealul e proprietate adevărată a

naţiunii române, care o a cîştigat cu bună-dreptate înainte cu vreo mie şepte sute de

ani, şi de atunci pînă astăzi o ţine, o apără şi o cultivă cu multă sudoare şi osteneală.”

(A3).

Die Thematisierung des Konzepts der <Sicherheit> der Person spiegelt sich in Simion

Bărnuţius Text in nicht relevanter Weise wider, das Konzept von <Widerstand /

Petition> nur implizit in der Diskussion um Rechte und Rechtlosigkeit, v.a. in der

Situation des Volks, seine Richter und Verwalter nicht wählen zu können: „Poporului

nu-i este iertat a-şi alege judecători şi alţi deregători, cum aleg noverii ...” (A8). Mit

Bezug auf die Sprachpraxis formuliert Bărnuţiu das Desiderat, dass das Volk die

Macht haben solle, Gesetze nach seinem Willen mitzubestimmen, desweiteren auch

am Staatsgeschehen teilzuhaben sowie, als freie Bürger, die Regierung zu votieren. In

diesen Worten lassen sich die Vorstellungen von <Volkswillen> (cf. dazu auch A55),

159

<Allgemeiner Meinung>, <Souveränität des Volks> und <Wahl der Regierung durch

alle Freien> als Kriterien des Funktionierens des Staates erkennen: „în stat liber nu

poate fi lege aceea ce voieşte numai un om sau o naţiune, ci deve să fie lege aceea ce

voieşte şi ce doreşte tot poporul, toate naţiunile”; „Însă amoare adevărată numai cătră

un stat ca acela pot să aibă cetăţenii, în care toţi iau parte la toate negoaţele statului”;

„natura nu va ca să fie un om şerb altui om, ci va să fie liber în toată viaţa sa. Ea vrea

ca mai mulţi oameni liberi să facă comunităţi, sate şi state libere, şi aceste să se

guberne de guberne aşezate cu votul tuturor liberilor, după legi puse de universalitatea

tuturor liberilor, nu cu mandate.“ (A54).

Zentral ist auch die Vorstellung über die Bedeutung von Gesetzen im Allgemeinen wie

auch der Gleichheit vor dem Gesetz. Bărnuţiu exemplifiziert dies anhand der

historischen Situation und argumentiert, dass, bis zur Unterstellung der Unierten

Kirche unter serbische Dominanz, weder Priester noch Bischof gesetzlichen Schutz

genossen hätten; und er lässt weiter bedenken, dass, wenn unter der ungarischen

Verfassung nicht einmal Prister noch Adel gesetzlich geschützt werden würde, auch

das Volk von keinerlei Gesetz geschützt werden wird:

„Cei neuniţi n-avea nici preoţi, nici episcop, pînă cînd căzură sub jugul sîrbesc,

nu-i apără nici o lege în ţară, şi pe deputaţii ce-i trimitea la Curtea Împărătească,

duşmanii lor făcea de-i punea la prinsoare.”; „Dacă-i bate anatema această

politică şi pe preoţi româneşti ... dacă-i bate bruma constituţiuni ungureşti chiar

şi pre noverii români ... ce vor face aceşti aristocraţi cu poporul, pe care nu-l

apără nici o lege, după ce l-a dezbrăcat de demnitatea personală şi de proprietate

însăşi legea, ceea ce i-ar fi datoare cu apărare?” (A23, A17; A28).

Die Verwendung einer rhetorischen Frage sowie des Modus Konditional im folgenden

Zitat, drückt aus, dass es in Siebenbürgen keine Gleichheit der Bürger gäbe:

„Egalitatea civilă?” Aceasta atunci ar avea loc în stat, cînd ar apăra legile

statului într-o formă pe toţi cetăţenii şi le-ar face dreptate fără să-i întrebe dacă

sunt noveri sau plebei, mizeri s[au] (sic) avuţi, creştini s[au] păgîni, albi s[au]

negri, barbari s[au] romani, şi cînd le-ar deschide calea spre cîştigarea

mijloacelor vieţii şi spre cultura tuturor într-o formă ...” (A40).

Der Text beweist das Bewusstsein des Autors über die, den Rumänen in der

Geschichte so unterdrückende Steuerlast („Pe popor îl împarte în noveri şi rustici,

noverilor le dă drepturi şi putere nemărginită preste popor, fără de nici o dătorie cătră

acesta, iară dătoriile le încarcă toate în spinarea poporului.“, A8), welche nach den

Reformvorschlägen der Ungarn auch den Rumänen entlasten kann, indem sie auf alle

verteilt wird: „de aci înainte greutăţile ţării le vor purta toţi oamenii, vor da dare toţi şi

oştari şi vor lua parte la făcutul căilor” (A4). Der Text spiegelt zwar einerseits keine

Vorstellung von <Gemeinnutz>, jedoch, auch wenn implizit – in Nebensätzen – jene

des Wohls der Nation wieder. Der Begriff kommt in mehreren Syntagmen vor (o stare

mai fericită, ora fericirii, fericirea gintei, fericirea românilor, binele naţiunii) und

belegt, dass das Wohl das Ziel des Staates ist:

160

„Dacă s-ar declara românii pentru uniune, ar fi constrînşi a merge orbeşte

încotro i-ar duce ungurii, de sine n-ar putea lucra nimic pentru binele naţiunii

române.” (A65); Cf. auch o stare mai fericită, ora fericirii in A1, A2; „ca să

punem fundament sigur la fericirea gintei noastre pe venitoriu”, A5; „Au nu-şi

putea ridica [românii] şcoale şi ca neuniţi ... preoţii, noverii şi cetăţanii şi tot

poporul român ... lucra cu un cuget şi cu o inima [sic] la toate împrejurările,

pentru libertatea şi fericirea românilor?”, A24; „Cine va putea zice că uniunea a

muiat inima ungurilor ca să voiască binele naţiuni [sic] noastre şi să deie

îndărăpt drepturile răpite?” (A25, A46).

Simion Bărnuţiu bezeichnet die rumänischen Einwohner Siebenbürgens als Rumänen

(român(i), A1, A6, viele weitere Beispiele), Landesbewohner (locuitorii ţării, A4), mit

Verweis auf die Ungarische Verfassung auch (mögliche zukünftige) Bürger (cetăţani,

A4, A24), als das dakoromanische Volk (poporul dacoroman, A4, A8) und als

<Nachkommen> der alten Römer (A71), dann auch als Siebenbürger (ardeleni, A6),

die sich in die zwei extremen Klassen („toate clăşile naţiunii române”, A12, A13) des

şerb, des völlig rechtlosen Fronbauern (A3, A8) bzw. der coloni, der

Landbewirtschafter (A17) und des rumänischen Adels (noverime română, A19) teilen.

Die Bezeichnung popor, Volk, bezeichnet Landesbewohner, nicht aber ein mit

Rechten ausgestattetes, also National- oder Staatsvolk: „Pentru popor nu vorbeşte

nimeni nicăiri, căci el nici nu există ca popor.” (A8); „În puterea constituţiunii

ungureşti numai noverimea are drept de a pune legi ... Poporul e scos afară cu totul, el

e dătoriu numai cu asculatare [sic] oarbă, cu supunere pasivă.” (A9). In Absatz 67

erhebt Bărnuţiu allerdings dieses Volk in die Autonomie/Souveränität. Zusätzlich

verwendet er für die rumänische Ethnie in Siebenbürgen häufig die Bezeichnung

Nation (naţiunea noastră din Ardeal, z.B. A11). Außerdem nennt er die rumänischen

Landesbewohner als durch die ungarische Gesetzgebung Entheimatete (expatriaţi de

Aprobate, A19), obwohl, wie er angibt, sie eineinhalb Millionen zählen (un milon [sic]

şi jumătate de români, A33; dann auch A35).

Das Land Siebenbürgen seinerseits wird viele Male als Land ([ţară], z.B. A4)

bezeichnet, aber auch als der Boden des Ardeal, der Boden der Rumänen oder der

Boden Dakiens (pe pămîntul Ardealului, A4 etc.; pămîntul Daciei, A6; pămîntul

românilor, A7; uniunea Ardealului cu Ţara Ungurească”, A19 etc.), dann sehr oft

auch als unsere Heimat (A6; patria noastră, A14; A29, A30; A35) und einige Male

mit dem historischen Namen Dakien (descălecarea ungurilor pe pămîntul Daciei, A6;

A28). Siebenbürgen ist, wie der Text besagt, die Heimat des Goldes, der Erze und des

Salzes: „... Ardealul e patria aurului şi a metalelor noveri, care vor curge toate în

punga naţiunii ungureşti, că sarea şi toate bunătăţile patriei noastre vor adăuge tezaurul

ungurilor e paupertatea românilor ...” (A35). Schon gezeigt wurde, das Simion

Bărnuţiu in redundanter Weise die <Nation> konzeptualisiert und im Laufe des Textes

diskursiv entstehen lässt.

161

Einerseits zeigt Simion Bărnuţiu desweiteren, dass der rumänische Adel von den

Landtagen ausgeschlossen sei: „noverii români la adunările marcale stau numi pe

afară: la masa verde numai ungurii au vorbă şi intrare ... (A15); andererseits zeichnet

er – in einem Nebensatz – die zukünftige Situation bereits in der Weise, dass die

rumänische Nation auf den Landtagen rechtmäßig und gebührend – wörtlich –

repräsentiert sein werde:

„Naţiunea română, proclamîndu-se, declară sarbătoreşte că de aci înainte nu se

va cunoaşte obligată decît prin legile care se vor pune în dieta ţării, unde va fi

reprezentată şi ea după dreptate şi cuviinţă, şi se va ţinea dătoare cu ascultare

numai deregătorilor aleşi din sînul său.” (A67, A44).

Simion Bărnuţiu geht damit implizit von einer zukünftigen nationalen Repräsentanz

der Siebenbürger Rumänen aus.

Der Text fordert Rechte im Allgemeinen (A2, A24 sowie: „să deie îndărăpt [ungurii]

drepturile răpite?”, A25) und konzeptualisiert verschiedene Rechtsansprüche der

Rumänen, z.B. auf die öffentliche Transparenz von administrativem oder juridischem

Procedere („nici poporului nu-i va mai fi oprit a se uitare în cărţile deregătorilor”;

„legile şi judecăţile se vor face de aleşii popoarelor, dar nu întru ascuns, ci la vederea

tuturora.”; A33), sowie – implizit – auch auf Bildung (A20, A25). Auch reflektiert die

Rede die Vorstellung der Prämisse des Verdienstes für Ämterbesetzung und

Besitzanspruch. In der Geschichte hätte größerer Verdienst von Adeligen ein

(größeres) Besitzrecht legitimiert: „Pe lîngă aceasta, ungurii purta grija ca nu cumva să

apuce noverii românilor la deregătorii cardinale, să cîştige posesiuni mai mari prin

donaţiune împărătească, fie fost cît de meritaţi pentru patrie, şi aşa să apuce la vero

putere mai însemnate, temîndu-se ca să nu facă aristocraţie română.” (A14). Mit Blick

auf die Vergangenheit bestätigt der Autor die Bedeutung einer judikativen und

legislativen Gewalt für den Staat („Ce minune că românii şi expatriaţii de Aprobate şi

în astă formă asupriţi, îşi ţinură încă pe aceste timpuri puterea judecătorească în

judeţele protopopeşti şi puterea legelativă în sinoade, document că au avut odată

existenţă şi viaţă naţională!”, A19), aber auch die aktuelle Bedeutung einer integeren

Judikatur / integrer Richter für Siebenbürgen:

„dreptatea nu depinde numai de la legi bune, ci şi de la judecători buni şi drepţi

... În deşert vorbesc de independenţa judeţelor, pentru că fiecare judeţ va judeca

totdeauna după plăcere şi în folosul celui ce l-a aşezat, temîndu-se ca să nu-l

răstoarne. În deşert se zice că judecătoriul se cade a fi mai presus de toate

respectele de confesiune, de naţionalitate, de naştere şi alte asemene ...”, A40).

Nicht selten wurde das Fehlen der erwähnten Kriterien der Staatlichkeit thematisiert,

die Staatlichkeit ex negativo abgezeichnet. Im prekären Augenblick der drohenden

politischen Einverleibung durch Ungarn wurden allgemeinere Menschenrechte, allen

voran die Freiheit der Nation, des „Staates“ und der Person, weniger jedoch

staatstragende Begriffe wie <Staatsbürgerschaft>, <Staatsgewalt>, <Repräsentativität

und Trennung der Gewalten>, <Staatsnamen>, <Territorium>, <Hauptstadt>,

<Wohnsitz> und <Grenze> thematisiert. Die breite Palette der Bezeichnungen der

162

<Rumänen> und ihres Raums dokumentiert in exemplarischer Weise die

Legitimationssuche der nationalen Existenz mit Blick auf die (dakisch-römische)

Vergangenheit, einer (möglichen) gemeinsamen Identität der Rumänen in einem

zukünftig freien, noch nicht gesicherten staatlichen Raum.

163

VII.2. Die Proklamation von Islaz vom 9. / 21. Juni 1848

VII.2.1. Der historische Kontext der Proklamation von Islaz

Die Revolution in der Walachei wurde von verschiedenen Bewegungen und

Aktivitäten vorbereitet. Eine wesentliche Rolle spielten hierbei die verschiedenen

geheimen Gesellschaften, in deren Rahmen die späteren Revolutionäre Reformideen

diskutierten. Dies geschah z.B. innerhalb der im Jahre 1833 von Heliade-Rădulescu,

Ion Câmpineanu und Constantin Aristia gegründeten Societatea Filarmonică, deren

heimlicher Zweck die colportare von politischen und sozialen Konzepten und Fragen

wie der Vereinigung der Principate, der Einführung des universellen Wahlrechts

(votul universal), der Gleichheit vor dem Gesetz, der Befreiung der Bauern aus der

Leibeigenschaft (dezrobirea ţiganilor) war. Im Jahre 1843 wurde die von Nicolae

Bălcescu, Christian Tell, Ion Ghica, Constantin A. Rosetti geführte, weitere geheime

Gesellschaft Frăţia gegründet, welche in Paris eine Filiale hatte – ihr Sekretär war

Constantin A. Rosetti (cf. DR s.v. Heliade-Rădulescu). Viele der späteren

Revolutionäre studierten, wie Ion und Dumitru Brătianu, Ion Heliade-Rădulescu,

Nicolae Bălcescu, Dimitrie Bolintineanu, Constantin Aristia, Cezar Bolliac, Christian

Tell, in Paris. Sie alle nahmen in Paris Ideen des französischen Liberalismus auf oder

kamen zumindest in Kontakt mit ihnen. Durch diese engen Beziehungen der Walachei

mit dem Westen – welche die Moldau nicht hatte – wurde die Reformen, um es im

Sinne Lovinescus zu sagen, in Frankreich (mit)vorbereitet (Lovinescu I [1924], 117).

Ab März 1848 kehrten die rumänischen Intellektuellen aus Frankreich zurück und

setzten in den Monaten April bis Juni 1848 revolutionäre Aktionen um. Die

walachische Revolution brach von Bukarest und von Islaz aus. Am 9. Juni 1848 kam

es hier auf dem Câmpul regenerării zur Versammlung einer großen Anzahl von

Bauern sowie eines Teils des Heeres unter dem Braşover, später als „sabia revoluţiei”

bekannt gewordenen Major Christian Tell, welcher sich für die Gründung und

Finanzierung (înzestrare) einer Nationalgarde einsetzte. Bei dieser Versammlung

konstituierte sich eine provisorische Regierung. Ihre Mitglieder, Ion Heliade-

Rădulescu, Nicolae Golescu und Christian Tell wurden, nachdem sich die

provisorische Regierung auch in Bukarest etablieren konnte, auch Mitglieder der

dortigen Statthalterschaft (Locotenenţa domnească; für die Zusammensetzung der

provisorischen Regierung und des Ministerrates cf. Lovinescu [1924], I, 152 ss). Die

bei Islaz gestellten Forderungen wurden teilweise realisiert, so z.B. die (theoretische)

Abschaffung der Leibeigenschaft (iobăgie) am 8. Juli 1848, der Einsatz eines

rumänischen Diplomaten in Konstantinopel (cf. „Reprezentant al ţării la

Constantinopole dintre români”, A27, Punkt 15, welcher Ion Ghică werden sollte), die

Aufstellung einer gvardie naţională (Georgescu 1982, 156-157) und die Realisierung

einer konstituierenden Wahl aller freien Einwohner; die bereits am 9./22. Juli

einberufene, aus Eigentümern und Bauern gestellten Kommission für die Bodenfrage

einigte sich allerdings nur grundsätzlich für eine Enteignung bzw. Landvergabe an die

Bauern, nicht aber in der Größe der Flächen, weshalb die Lösung dieser Frage auf

später verschoben wurde (ib.). Ab Mai 1849 wurde die russisch-türkische

Fremdherrschaft erneut verstärkt. Nach der Zerschlagung der Revolution sahen sich

164

viele der Revolutionäre gezwungen, das Land zu verlassen. Ion Heliade-Rădulescu

ging, wie Nicolae Golescu und Christian Tell – zusammen hatten sie den gemäßigten

Flügel der Revolution gebildet – auf die Insel Chios ins Exil und kehrten, wie

Christian Tell und Ion Ghica, später in Funktionen des Landes zurück, Ion Heliade-

Rădulescu allerdies gelang dies nicht. Viele der ehemaligen Revolutionäre widmeten

sich nach 1849 publizistischer Aktivität. So schrieb auch Heliade-Rădulescu im Exil,

jedoch manchmal uninformiert und subjektiv über die Ereignisse von 1848 und über

die Meinung darüber im Ausland, zog damit aber die Beachtung der europäischen

Mächte auf die Ţări Române. Nach seinem Exil vor allem in Paris, dann auf der Insel

Chios und erneut in Paris, kehrte er 1859 definitiv nach Rumänien zurück.

Die Revolution der Walachei sollte, indem das Volk, die Jugend, die kleinen Beamten

(funcţionari) und insbesonders auch die Handelsleute (negustorime) gewonnen werden

konnten (Lovinescu [1924], I, 169-171), aber auch die Militäreinheiten unter

Gheorghe Magheru und N. Pleşioanu (Georgescu 1982, 156), die heftigste und,

zumindest für eine Periode von drei Monaten, auch die erfolgreichste der rumänischen

Revolutionen von 1848 sein. Der Ausbruch der Revolution begann mit der

sogenannten Proklamation von Islaz am 9./22. Juni, deren Text im Monitorul Român

veröffentlicht wurde (Carp et al. 2002, 37). Zwei Tage nach dem Ausbruch der

Revolution bei Islaz revoltierte auch Bukarest (Georgescu 1982, 156). Die

Revolutionäre in der Walachei handelten sehr propagandistisch, nicht nur in der

diskursiven Evozierung einer Reihe von „Schlagwörtern“ wie constituţie, revoluţie,

împroprietărire und der symbolische Unterstellung des Textes wie Aktes unter die

traditionelle Autorität der Kirche wie auch der symbolischen Verbrennung des

Regulament Organic, sondern auch durch Maßnahmen wir dem Druck des Textes in

8.000 Exemplaren. Eine Gruppe von (105) Kommissaren wurde aufgestellt wurde, die

den Inhalt der Constituţie der Landbevölkerung näher bringen sollten. Der Text wurde

außerdem im Monitorul Român veröffentlicht (Carp 2002, 37-42).

Unmittelbares Ziel der Revolution war die Abschaffung des russischen Protektorats

über die Walachei (und Moldau), welche sowohl unter türkischer Suzeranität als auch

unter russischem Protektorat stand(en) und damit auch des russisch oktroyierten

Landesgesetzes (cf. „[Popolul român] ... decretă contribuţia generală după venitul

fiecăruia. ... Aceasta cheamă pe toţi la aceleaşi drepturi şi datorii într-o patrie dreaptă,

înfloritoare şi care cu tot dreptul nu va mai putea suferi control străin.”; A9) sowie die

Proklamation als eine Grundlage von Reformpunkten zu legitimieren, auf welcher dem

Land eine neue Verfassung gegeben werden sollte: „Convocarea îndată a unei

Adunanţe generale estraordinare constituante, alese spre a reprenzenta toate interesele

sau meseriile naţiei, care va fi datoare a face Constituţia ţării pe temeiul acestor 21

articole, decretate de popolul român. (A27 Punkt 22).

Generell dürften die unterschiedlichen Lager der Revolutionäre, das gemäßigt-

konservativere um den Intellekuellen Ion Heliade Rădulescu – den Sender der

Proklamation von Islaz – sowie das radikalere Lager um Nicolae Bălcescu besonders

in der Frage des Verhältnisses der Donaufürstentümer zu den für diese entscheidenden

Großmächte auch unterschiedliche Haltungen eingenommen haben, von der

Befürwortung der suzeranitate des Osmanischen Reichs bis zu einer Republik im

165

Bündnis der europäischen Republiken (Lovinescu [1924], I, XII, 154-172). Die Anexe

zur Proklamation von Islaz, welche im Jahre 1850 in Paris veröffentlicht wurden (cf.

die rumänische Übersetzung dieser Fassung in: Opere II, 2002, 701-714), spiegeln

jedenfalls, zumindest aus der Sicht ihres Autors Ion Heliade Rădulescu, einen tiefen

Hass auf den starken Einfluss der Russen und auf das von ihnen der Walachei

oktroyierte Regulament wider. In diesen Anexe drückt Heliade-Rădulescu (Opere II,

2002, 705) diesen Hass so aus: „Regulamentul ... nu e legea ţărei, este expresia

forţei.”. Andererseits wurde Heliade Rădulescu eine atitutine slugarnică faţă de Turci,

also eine der Pforte hörige Position vorgeworfen (Lovinescu [1924], I, 155). Das DL

(s.v. Heliade) zumindest wiederholt diese Darstellung des Sprechers von Islaz: „Adept

al acţiunilor moderate, în opoziţie cu aripa radicală a revoluţionarilor, s-a pronunţat

împotriva împroprietăririi clăcaşilor, pentru o înţelegere cu Turcia şi pentru o

desprindere totală de sub protectoratul Rusiei.”.

Auf den Ton der Proklamation trifft auch zu, was Lovinescu der 1848-er Generation

generell zuschrieb, nämlich in der Bodenfrage eher sanft agiert (Lovinescu [1924], I,

138) und auf guten Willen gesetzt zu haben, um die Landeigentümer nicht zu

schockieren (ib., 169-170). Die Bauern sollten zukünftig zwar Boden erhalten, jedoch

nur soviel, um ihre Familien und Tiere ernähren zu können: „[românii] au drept

înaintea generozităţii proprietarilor, înaintea dreptăţii patriei, îşi cer o părticică de

pămînt îndestulă pentru hrana familiei şi vitelor sale” (Proklamation von Islaz, A15).

Andererseits weist Heliade-Rădulescus Text den traditionellen Usus huldigender

Adressierformeln für die regierende Bojarenklasse (preaînălţat, prealuminat) scharf

zurück („Popolul român leapădă de la sine orice titlu ce i s-a introdus prin corupţie de

la străini în protiva vechilor sale datine.”; „Vorba de prinţ e cunoscută numai de cei ce

ştiu din limbile Europei. Vorbele de preaînălţat, prealuminat sînt nişte traducţii din

limbagiul fanarioţilor, iubitori de titluri.“, A17, A18). In den Anexe verweist er auch

auf, aus der Phanariotenzeit stammende Titel nicht mehr existierender Funktionen -

wie pitar, paharnic, sărdar, temnicer (clucer), dvornic etc., welche das Regulament

tradierte (Opere II, 2002, 711-712, ad Punct 17). Ferner fordert der Text eine

Reduktion des „Haushaltsbudgets” des Herrschers (împuţinarea listei civile, A27,

Punkt 6) zugunsten des Volkes: „La multe trebuinţe ce are patria acum pentru

despăgubire şi atîtea cheltuieli spre înaintarea patriei, popolul român nu mai poate da

domnului o listă civilă atît de mare şi mai vîrtos că, şi fără aceasta, vede că este de

neapărată nevoie ca domnul să dea esemplu mai întîi de simplitate şi de vieaţă

cumpătată.“ (A19).

Die Zahl der auf dem Câmpul libertăţii teilnehmenden Menschen wurde mit 30.000-

40.000 angegeben (Lovinescu [1924], I, 171; Georgescu 1982, 156). Im Rahmen der

Versammlung wurde die Proklamation, deren Programm im Text als Constituţia ţării

bezeichnet wird (cf. A27, Punkt 22; Carp et al. 2002, 37), von Ion Heliade-Rădulescu

vorgetragen und später auch mit Flugblättern in Bukarest verteilt. Der Text wurde von

den Gegnern als liberal und kommunistisch, die Forderung der Abschaffung der

Leibeigenschaft (servitute) der Zigeuner (Absatz 27, Punkt 14) als, Heliade zufolge,

nach „Sozialismus riechend” („acest articol miroase a soţialism) kritisiert (cf. die

Anexe zur Proklamation von Islaz in Heliade-Rădulescu Opere II, 2002, 707, 710-711,

714).

166

VII.2.2. Ion Heliade-Rădulescu und die aufgeklärt-liberale Ideologie der

Proklamation von Islaz

Ion – oder Eliad(e) – Heliade-Rădulescu (6.1.1802 Târgovişte – 27.4.1872 Bucureşti)

gilt allgemein als Sender der Proklamation von Islaz und – mindestens – als einer der

Hauptredakteure des Textes, den Lovinescu an dessen „biblischen Stil” erkannt haben

will, wobei aber Ion Ghica und Constantin A. Rosetti den Text Bălcescu zuschrieben

und Lovinescu auch eine kollektive Autorenschaft nicht ausschloss (Lovinescu [1924],

I, 126 und FN1). Auch scheint es plausibel, dass im April 1848 die Mitglieder der

Frăţie (siehe unten) eine Liste revolutionärer Prinzipien aufstellten, welche die Basis

der Proklamation von Islaz werden konnte. Sein Bildungsweg und seine Aktivitäten

bis 1848 hatten Heliade-Rădulescu jedenfalls für die „Rolle” des Redakteurs und des

Sprechers der Revolution vorbereitet. Heliade-Rădulescu hatte (den Daten im DL, s.v.

Heliade-Rădulescu, zufolge) an der Academia Domnească de la Schitu Măgureanu

über den griechischen Lehrer Constantin Vardalah anhand der Schriften Montesquieus,

Voltaires, Condillacs, Rousseaus, Destutts de Tracy die illuministische Philosophie im

Ansatz kennengelernt. An der Bukarester Lehranstalt Sf. Sava hatte er seinen Lehrer

und zugleich Begründer der Schule, Gheorghe Lazăr (1818-1821), welcher als ein

rumänischer Aufklärer gilt (Popa et al., 1993–2009, s.v. Lazăr), abgelöst. Als einer der

bedeutendsten Verfechter der Entwicklung der rumänischen nationalen Kultur als

Basis für eine staatliche Unabhängigkeit und als eine Schlüsselfigur in der Schaffung

der rumänischen Standardsprache, hatte er im Laufe von 8 Jahren (Heliade-Rădulescu,

Scrieri alese, 1984, 157, Fußnote 1) an einer Grammatik des Rumänischen (erschienen

1828) und bis 1848 (und nach der Revolution) an den Fragen der Orthographie des

Rumänischen gearbeitet.

Von Dinicu Golescu gerufen, hatte sich Ion Heliade-Rădulescu, wie auch Ion Ghica,

an der Gründung der Societatea Literară (1827) beteiligt, dessen Statuten er redigierte.

Sie formulierten das Ziel einer breiten Förderung der allgemeinen Kultur. Im Jahre

1833 war es ihm gelungen, die erste Druckerei der Walachei – „Tipografia lui Eliad” –

zu gründen, die bis in die 70-er Jahre produzierte. Im Jahr 1833 hatte der ferner

gemeinsam mit Ion Câmpineanu und Constantin Aristia in Bukarest die, bis 1838

existierende, Societatea Filarmonică (Popa et al., 1993–2009, s.v.) gegründet, deren

heimliches Ziel es u.a. war, antifeudale Reformen umzusetzen (cf. DL, s.v. Heliade-

Rădulescu). Er war auch Mitglied der 1843 gegründeten Frăţie gewesen, welche 1844

die Zeitschrift Propăşire hervorbrachte, und die eine Filiale in Paris hatte. Studien und

intellektuelle Zirkel, unter letzteren auch eine Freimaurerloge der Republikaner (loja

masonică l’Athénée des Etrangers), vermittelten ihm und der gesamten 1848-er

Generation das aufklärerisch-liberale Gedankengut der Französischen Revolution von

1789, das in den französischen programmatischen Schriften des 18. Jahrhunderts

wurzelt. Die Forderungen der Proklamation von Islaz erinnern mindestens punktuell

z.B. an die von Jean-Jaques Rousseau in Du contrat social (1762) formulierten

Prinzipien der grundsätzlichen Freiheit der Person (Livre I, Chapitre I), der Ablehnung

des Rechts des Stärkeren (I, Chapitre III), der Ablehnung der Sklaverei (I, Chapitre

IV), der Konzeption des Individuums als Bürgers (citoyen) und der souveränen

167

Autorität der Bürgergemeinschaft (I, Chapitre VII), des Rechts auf Eigentum (I,

Chapitre IX), der Unveräußerbarkeit (Que la souveraineté est inaliénable) und

Unteilbarkeit der Souveränität (Que la souveraineté est indivisible; Livre II, Chapitre

I, II), des Allgemeinen Willens (volonté générale, II, Chapitre III) und der Bedeutung

der persönlichen Entwicklung und der natürlichen Fähigkeiten jedes Menschen (in

Émile. Innere Modelle der Proklamation für Islaz waren aber sicherlich auch die der

Revolution vorangehenden Reformtexte der 30-er und 40-er. Heliade-Rădulescu war

außerdem vom illuministischen Ansatz der lange vor Michelets (Le peuble, 1846) oder

Edgar Quinets L’Enseignement du peuple (Paris 1850) wirkenden Siebenbürger Schule

inspiriert, da er wie diese die Chancen einer unabhängigen Nation nur in der

Förderung der Bildung und Kultur der Rumänen sah.

VII.2.3. Typologie und Ko-Diskurse der Proklamation von Islaz

Die insgesamt 43 Absätze umfassende Proklamation von Islaz lässt sehr deutliche

Teile erkennen, einen eher argumentativen, welcher den ersten und letzten Teil des

Textes umfasst (respektive A1-A26 und A29-A40), einen eher programmatisch-

informativen (A27-A28) und einen appellativ-perlokutiven Abschnitt (A41-A43). Der

argumentative Teil enthält viele deklarativ-illokutive Sprachakte, welche das

sprachlich Ausgesagte als synchron zur Aussage vollzogen darstellen (das rumänische

Volk erwacht, anerkennt seine Rechte, bewaffnet sich, erhebt sich, dekretiert,

beschließt, vergibt etc.). Diese sprachliche und textuelle Typologie (Argumentation +

Information + Appell / Mobilisierung) verweist auf eine echte Proklamation. Sie weist

vorwiegend eine <Wir>-Senderschaft gegenüber dem Ihr der Anwesenden, manchmal

aber auch die Spaltung in ein <Ihr> auf: „Nu ascultaţi însă cînd voitorii noştri şi ai

voştri de rău vă vor porunci a da în fraţii voştri ...” (A32). Diskursiv zeigt sich eine

direkt angesprochene landesinterne Adressatenschaft (das Volk) und eine indirekt

angesprochene landesexterne Adressatenschaft (die Außenmächte). Sprachlich fallen

ältere Lexikalisierungen auf wie în cele din întru ale sale (A27, Punkt 1) für <innere

Angelegenheiten> oder independinţa ... din întru (A39) für <Autonomie>. Wie im

Beitrag zu Der politische Diskurs in Rumänien (Papadima, 2003) insbesonders gezeigt

wurde, spiegelt die Proklamation von Islaz verschiedene Diskurse wider. Der

übergeordnete ideologische Rahmen des Textes ist eine religiöser. Die Ereignisse des

Moments sind als von Gott gesegnete (z.B. „Misiunea boierilor este a statornici

dreptatea cerului, dreptatea Evangheliei într-însa; misiunea lor de astăzi are şi mai

mare preţ înaintea lui Dumnezeu”, A30), die diskursiv dargestellte Handlung des

rumänischen Volkes als göttliche Mission (mîntuire, A1; „hotărîrea popolului e sfîntă”

A6) gezeigt. Liturgisch-rituelle Formeln unterstreichen den, wie Lovinescu es

ausdrückte, biblischen bzw. mystifizierenden Ton des Textes („Pace vouă, pentru că vi

se vesteşte libertatea vouă!”, A2; wiederholt in A3). In diese Thematik ordnet sich

auch der im Text aufgebaute Kontrast des bösen – sich nicht an der Revolution

beteiligenden – und des guten und frommen Rumänen ein (A1, A8, A11, A14; ad

Referenz Gottes bzw. Jesu Christi und des Satans, des Evangeliums und der Mission

des Volkes A1, A30, A33, A34, A35, A38, A37 A39, A42 und A43).

168

Eine andere, das Geschehen und das Ziel des Textes motivierende, aber nur in

wenigen Stellen ausmachbare Ideologie ist aufklärerischer Natur (luminile veacului,

A4; reformele cerute de spiritul epohei, A28). Zu ihr lässt sich die, wie es Lovinescu

ausdrückte, frazeologie aus der Französischen Revolution zählen ([1924], I, 128). Sehr

deutlich lassen sich Prinzipien des in der Aufklärung wurzelnden französischen

Liberalismus, dem Volkswillen und der Volkssouveränität erkennen, welche der Text

erstellt (Popolul român hotăreşte / popolul român voieşte / popolul român împarte) und

welche – erneut – von Gott gegeben ist („Puterea suverană purcede de la Dumnezeu şi

în toată ţara se află undeva”). Zu den Ideologemen, welche den französischen,

republikanisch-liberalen entsprechen, lassen sich semantisch auch die

Argumentationspole <Glück / Gemeinwohl> (fericire, 7 mal und binele 2 mal) und

<Schaden> (paguba, insgesamt 12 mal), aber auch die angezielte Erlangung einer

<nationalen Freiheit>/<staatlichen Freiheit> (cf. nächster Abschnitt) zählen.

Im Kontrast zu dieser zeichnet der Text die Reste eines schwindenden Feudalsystems

ab („Popolul român decretă ... desfiinţarea tutulor rangurilor titulare ce nu au foncţii şi

al căror nume nu aduc aminte decît nişte timpi de barbarie şi de servilitate.”; „vergele

de pe spatele voastre cu cari eraţi socotiţi în starea vitelor”; „Cînd veţi lăsa puşca din

mînă, de azi înainte vă aşteaptă o patrie, iar nu claca şi biciul dorobanţului”; A20, A31,

A32, A39).

Die Forderungen von Islaz werden mit der Argumentation alter historischer Rechte

ausgerufen (z.B. A9; dann auch vechile sale drepturi, A16 und A18; tractatel[e] lui

Mircea şi Vlad V[oievod], A27). In seinen Anexe zur Proklamation von Islaz erklärt

Heliade-Rădulescu die Forderungen 1. (administrative und legislative

Unabhängigkeit), 2. (Gleichheit der politischen und zivilen Rechte [der Bojaren]), 3.

(allgemeine [auch für die Bojaren geltende] Steuerpflicht), 4. (eine aus allen

Gesellschaftsschichten gewählte Versammlung), 5. (einen auf fünf Jahre,

verantwortlichen und aus allen Gesellschaftsschichten gewählten Herrscher), 7.

(Verringerung der listă civilă, Reduktion der Möglichkeiten von Korruption), 8.

(absolute Pressefreiheit), 10. (Rekompensationen, die vom Land, nicht vom Herrscher

vergeben werden), 13. (Landschenkung an besitzlose Bauern), 16. (gleiche, für beide

Geschlechter mögliche und kostenlose Bildung) der insgesamt 22 Forderungen als

ehemals oder bis zum Einsatz der Phanariotenherrschaft existierende Rechte und

Landespraktiken, als ein „novum” nur die abolirea servituţii ţiganilor, wie auch die

öffentliche Dekretierung der Abschaffung der Strafe durch Schläge sowie der

Todesstrafe (Punkte 18 und 19), die Rechtsgleichstellung aller Religionen (Punkt 21)

und Aufstellung einer Verfassungsgebenden Versammlung (Punkt 22; Opere II, 2002,

701-714, insbesonders 710, 713-714).

169

Sehr auffällig ist das Paradoxon des Textes, zugleich zu Ordnung / Frieden

(„priveghiaţi a ţine bună orînduială, pentru că datoria voastră această este. Nu ascultaţi

însă cînd voitorii noştri şi ai voştri de rău vă vor porunci a da în fraţii voştri ...”,

„Ţineţi numai buna orîndueală în întru.” (A32 und A39) und Bewaffnung / Kampf

aufzurufen („vrednica de plîns nevoie de a se cere reforme cu mîna armată”, „Cînd

veţi lăsa puşca din mînă, de azi înainte vă aşteaptă o patrie, iar nu claca şi biciul

dorobanţului”, „La arme, români! la armele mîntuirii!” (A28, A32 und letzter Absatz,

A43). Es ist eine gemäßigte Revolution, die sich diskursiv zeigt und das historische

Geschehen begleitete, in welchem die Revolutionäre Kommissäre in die Dörfer

aussandten, um dem Volk die Forderungen zu erklären, aber auch um dieses

aufzurufen, nicht Eigentum zu zerstören oder die Landarbeit nicht zu verrichten (cf.

Opere II, 2002, 710). Desweiteren konstruiert der Text eine Identität der Rumänen,

welche aus ihrer Verbrüderung (cf. die Adressierung am Beginn des Textes: Fraţilor

români sowie A2, A7, A32, A39, A41, A42 etc.), dann auch aus dem gemeinsamen

Namen (nume (glorios) de român in A2, A15, A3), den alten Bräuchen (vechile sale

datine, A7), der gemeinsamen guten Moral (A10 und A15) erwächst und zu einer aus

verschiedenen Gesellschaftsschichten bestehenden Nation / Heimat führt, die, so der

Text, 8 milioane suflete (A40) zählt.

VII.2.4. Die „Staatsreform“ der Proklamation von Islaz

Die Bewertung Ion Heliade-Rădulescus der Proklamation von Islaz widerspricht

derjenigen des rumänischen Verfassungsexperten Eleodor Focşeneanu, welcher sie als

für ihre Zeit sehr progressiv ansah (Papadima 2003). Tatsächlich schlägt sie nicht nur

in ihrem programmatischen Teil Veränderungen zentraler staatlicher Fragen vor,

sondern erläutert diese – oft argumentativ – im Laufe des gesamten Texts. Am Beginn

des Textes wird, nicht mit diesem Wort, jedoch semantisch, die Sicherheit von

Eigentum und Personen eingefordert (Respect către proprietate. Respect către

persoane – (cf. die Überschrift des, dann die als einer proprietate universală

gegenüberstehende proprietatea particulară in A11 und A41). In Absatz 12 wird dies

mit der Forderung der Garantie wiederholt: „Popolul român voieşte pace, voieşte tărie,

voieşte garanţia averilor sale materiale, morale şi politice;” (A12).

Der Text nennt viele Male das <Volk>, welches in den 9 Seiten und 43 Absätzen des

Textes (der Ausgabe Bodea 1982, vol. I, 533-541) insgesamt 34 mal in der

Verbindung mit român erscheint. Das Volk, welches zu allererst als brüderliche

Gemeinschaft konstruiert wird, wird als popolul român in der Bedeutung

<rumänisches Volk> verwendet. Darauf weist Punkt 5 der 1850 in Paris auf

Französisch veröffentlichten Anexe zur Proklamation von Islaz, in denen Ion Heliade-

Rădulescu die Prinzipien der Verfassung von 1848 erläuterte („dând analiza şi

justificaţia principelor Constituţiunii ce românii din autonomia lor şi-au propus în

anul.”; Heliade-Rădulescu Opere II, 2002, 701-714). In der Proklamation wird das

Volk als souveräne Macht dargestellt, welche diskursiv durch seine oftmalige

Subjektfunktion hervorgehoben wird: „[Popolul român] ... decretă contribuţia generală

după venitul fiecăruia. ... Aceasta cheamă pe toţi la aceleaşi drepturi şi datorii într-o

patrie dreaptă, înfloritoare şi care cu tot dreptul nu va mai putea suferi control străin.”

170

(A9; cf. auch suveranit[atea] popolului, A2). Das Volk wird allgemein als

Gemeinschaft von Bürgern dargestellt (cetăţeni/cetăţean, A17, A18, A22, A36),

welche dieselben Rechte und Pflichten und als Bürger auch Würde haben: „Popolul,

decretînd odată drepturile civile şi politice ce le-a avut totdeauna tot cetăţeanul,

declară că tot românul e liber, tot românul e nobil, tot românul e un domn.” (A24; cf.

demnitatea cetăţeanului, A24). Cf. hierzu auch A27, Punkt 18. Nur einmal stehen

pămînteni, Einwohner, als solche den boieri, Bojaren, gegenüber (A35).

Sehr häufig ist die Erwähnung des Landes Walachei. Es wird am häufigsten mit dem

Wort patrie, Heimat (A2, A7, A9, A11, A12, A15, A17, A18, A19, A21, A22, A23,

A32, A33, A35, A36, A40), am zweithäufigsten mit ţară, Land (A9, A17, A18, A20;

cf. Constituţia ţării, A27; A29), am dritthäufigsten mit naţia, Nation (A16; cf. auch

meseriile naţiei, A27, A35, A40) und einmal mit dem Ländernamen Ţeara română

(A17) genannt. Im nicht programmatischen Teil des Textes ist außerdem die

Errichtung einer Nationalbank vorgesehen: „[Popolul român] Decretă dar o bancă

naţională, însă cu fonduri naţionale.” (A12). Und auch auf die Nationalfarben wird –

einmalig - verwiesen: „Cele trei colori naţionale vă sînt curcubeul speranţelor.” (A39).

Das Lexem Nationalität erscheint kollokational im Kontext der Forderung, die

autochthone Sprache im Bildungswesen zu verwenden, diese zu fördern und im

weltlichen wie geistlichen Bereich sowie in der Verwaltung des „Staates” auch als

Schriftsprache zu verwenden: „Popolul ... protestînd asupra relei cugetări de a degrada

şi a ucide naţionalitatea prin scoaterea limbii naţionale din şcoale, decretă o învăţătură

pentru toţi egală, progresivă, integrală pe cît va fi cu putinţă, după facultăţile fiecăruia

şi fără nici o plată; ... decretă ştiinţele, ca şi pînă acum, în limba patriei şi cultura şi

înflorirea acestei limbi după natură şi după originea ei, cu literele sale, atît în cărţile

profane, cît şi în cele sacre, cum şi introducerea literelor în toate cancelariile.” (A23).

Das im Text kreierte Bild ist das der Heimat als guter und gerechter Mutter, deren

Söhne Brüder sind.

Der Text thematisiert implizit verschiedene Stufen von staatlicher und individueller

Freiheit. Zum einen zählt der – diskursiv sehr vorsichtig formulierte – Versuch, die

Kontrolle der Außenmächte über die Walachei abzuschütteln. Die Ablehnung der

äußeren Kontrolle ist insofern vorsichtig formuliert, als dass sie als Aussage eines

untergeordneten Satzes steht: „[Popolul român] ... decretă contribuţia generală după

venitul fiecăruia. ... Aceasta cheamă pe toţi la aceleaşi drepturi şi datorii într-o patrie ...

care cu tot dreptul nu va mai putea suferi control străin.” (A9; Hervorhebung durch

die Autorin). Zur staatlichen Freiheit / Souveränität lässt sich desweiteren die

allgemein behauptete Souveränität des Volkes wie auch diejenige, den

Landesherrscher und die Dauer seiner Regentschaft (auf 5 Jahre) bestimmen zu

können, zählen: „popolul român se deşteaptă la glasul trîmbiţei îngerul mîntuirii şi îşi

cunoaşte dreptul său de suveran.” (A1, cf. auch popolul suveran in A33); „Popolul

român ... voieşte ca Domnul, în care este personificată suveranitatea acestui popol, să

fie tare prin dragostea publică ... şi ca să-l poată afla la alegere astfel, decretă ... a-l

căuta în toate stările soţietăţii, în toată naţia, iar nu într-un număr mărginit de oameni.

Domnia nu e drept de moştenire a nici unei familii, domnia este a patriei.” (A16);

„Puterea suverană purcede de la Dumnezeu şi în toată ţeara se află undeva. În Ţeara

română este în popolul român, ce are dreptul de a numi pe capul cel mai înalt al

171

patriei. Prin urmare, popolul, avînd dreptul suveran, poate revesti cu dînsul pe oricine

va socoti de cuvinţă şi pe cîţi ani i se va părea că-i este mai de folos. Aşadar, decretă

ca domnia să se dea celui ales numai pe cinci ani ...” (A17). Gemäß Lovinescu

([1924], I, 132) sollte die Proklamation von Islaz die Praktik der bis zu diesem

Zeitpunkt so häufig wechselnden Fürsten abschaffen und eine Republik vorschlagen.

Die Selbstbestimmung der Walachei sollte in einem „reprezentant (al ţării) la

Constantinopole, (ales) dintre români” (A27, Punkt 15 und Heliade Rădulescu, Opere

II, 2002, 711) symbolisiert werden.

Andere Textstellen thematisieren hingegen nur eine Autonomie der Walachei in ihrer

Verwaltung, Gesetzgebung und inneren Organisation: „Popolul român voieşte cu o

voinţă tare a-şi păstra neatîrnarea administraţiei sale, neatîrnarea legiuirii sale, dreptul

său suveran în cele din năuntru şi rămîne în aceleaşi legături, şi mai strînse prin

luminile veacului, cu Î. Poartă.” (A4). „Popolul român leapădă un Regulament care

este în protiva drepturilor sale legislative şi în protiva tractatelor ce-i recunosc

autonomia.” (A5); „... popolul român ... decretă: 1. Independenţa sa administrativă şi

legislativă pe temeiul tractatelor lui Mircea şi Vlad V, şi neamestec al nici unei puteri

din afară în cele din întru ale sale.” (A27, Punkt 1; cf. auch A39 und A40).

Als eine Freiheit, welche, so könnte man sagen, die staatliche und die des Individuums

verbindet, dekretiert der Text desweiteren auch öffentliche Freiheit: „[Popolul român]

decretă ... gvardie naţională, în care tot românul ... e ... un garant al libertăţilor

publice.” (A12). Als eine, sozusagen „wirtschaftliche Befreiung” der Fronbauern

deklariert der Text die Emanzipation der Fronbauern, indem sie ein Stück Land

erhalten, für das die Landbesitzer entschädigt werden: „Emancipaţia clăcaşilor, ce se

fac proprietar prin despăgubire” (A27, Punkt 13). In den Anexe erklärt Heliade-

Rădulescu ([Academia Română], Opere, II, 2002, 708) die clacă als ehemals zur

Unterstützung der ökonomisch schwächeren Bauern ohne Besitz durch die

wirtschaftlich stärkeren landbesitzenden eingerichtet; erst die Condica von Caragea

(1818) und das Regulament (der Walachei, 1831) hätten aus dem ehemals freien

Bauern einen serv, vasal oder corvee gemacht; der vorgesehene kleine Landteil sei

zum Zwecke erdacht gewesen die Gemeinde zu stärken („spre a forma comuna”).

Dazu schafft der Text, zumindest diskursiv, unter Punk 14 des Programms die

Leibeigenschaft der Zigeuner ab („Desrobirea ţiganilor prin despăgubire” A27). In den

Anexe erklärt Heliade-Rădulescu diesen Punkt („Abolirea servituţii ţiganilor printr-o

indemnitate.” ([Academia Română], Opere, II, 2002, 710, Punkt 14) als progressiv

und nicht in den alten Gesetzen vorhanden. Es fällt auf, dass an anderer Textstelle die

Befreiung präzisiert und auf die – von Privaten abhängigen – Zigeuner eingeschränkt

wird (also nicht für Herrscherhäusern oder Klöstern dienende Zigeuner gilt): „Popolul

român leapădă de pe sine neomenia şi ruşinea de a ţine robi şi declară libertatea

ţiganilor celor particulari.” (A22, Hervorhebung durch die Autorin). Desweiteren

deklariert der Text, erneut sehr vorsichtig, eine gewisse (neue) Selbstverwaltung der

Klöster des Landes bzw. ihren teilweisen Entzug von ihrer Bestimmung durch die

Klöster der Heiligen Orte sowie, den Anexe gemäß ([Academia Română], Opere, II,

200, 708) russischem Einfluss: „Emancipaţia mînăstirilor închinate“ (A27, Punkt 12):

Auch hier wird pragmatisch zunächst in einem ersten Teil eines langen Satzgefüges

die volle Huldigung der Heiligen Orte und ihrer Belieferung mit Produkten versichert,

172

im zweiten Teil jedoch, gestützt durch eine Argumentation, der

Einkommensüberschuss der Klöster als von der Walachei „autonom” verfügbar

beansprucht:

„Popolul român, în generozitatea şi evlavia sa, se închină locurilor sfinte şi va

trimite de acum înainte la Sfîntul Mormînt şi la alte aşezăminte religioase

untdelemn, tămîie, făclii şi însuşi bani spre ţinerea de şcoale, de preoţi, spre

lauda lui Dumnezeu; şi tot spre adevărata laudă a celui ce s-a răstignit spre

desrobirea celor săraci decretă ca prisosul veniturilor mînăstireşti să fie al ţării,

spre desrobirea şi ajutorul celor săraci, şi reclamă moşiile mînăstirilor închinate

a le scoate de sub orice mîncătorie.” (A14).

Klar formuliert drückt der Text auch die Forderung der Meinungsfreiheit aus: „Popolul

român decretă tipar liber, cuvîntare liberă, adunări libere, spre a vorbi, a scrie cele de

folos, spre a arăta adevărul.” (A11; cf. auch „Libertatea absolută a tiparului.”, A27,

Punkt 8). Heliade-Rădulescu meinte dazu, dass es niemals in der Moldo-Valahia, nicht

einmal durch das Regulament, eine Zensur gegeben hätte und diese nur im mündlichen

Befehl des russischen Konsuls [Kiseleff] begründet gewesen sei ([Academia Română],

Opere, II, 2002, 706-707).

Ein weiteres Konzept demokratischer <Staatlichkeit> ist der <allgemeine Wille> oder

die <öffentliche Anerkennung>, der/die sich im <Wollen>, in der gemeinsamen

<Zustimmung> zur Herrscherwahl sowie in dem <Vertrauen> des Volkes

widerspiegelt: „Popolul român voieşte cu o voinţă tare a-şi păstra neatîrnarea

administraţiei sale, neatîrnarea legiuirii sale, dreptul său suveran în cele din năuntru şi

rămîne în aceleaşi legături, şi mai strînse prin luminile veacului, cu Î. Poartă.” (A4, cf.

auch <a voi> in A7, in A12 dreimal; cf. auch „ ... Domnul ... să fie tare prin dragostea

publică ...”, „... domnia să se dea celui ales numai pe cinci ani ... spre a pune o

emulaţie între cetăţeni a fi buni, întregi şi folositori patriei ca să tragă încrederea

publică.” (A6, A17). Auch lässt sich – wenn auch bei Lovinescu ganz anders und im

Sinne seiner Zeit marxistisch-leninistisch als Aussöhnung im Sinne eines

Klassenkampfes interpretiert ([1924], I, 128) – ein frühes und noch archaischer

lexikalisiertes Konzept <staatlichen Gemeinwohls> skizzieren (in voitorii de rău ai

fericirii publice, A2; binele / fericirea tutulor stărilor soţietăţii, A2, A3, A8; binele,

A2 und A32; Hervorhebung durch die Autorin).

In einer Serie von Textstellen werden verschiedene Bereiche von <Gleichheit>

thematisiert. Zumindest diskursiv stellt der Text dem rumänischen Volk gleiche zivile

und politische Rechte aus: „Popolul român ... decretă, după vechile sale datine,

aceleaşi drepturi civile şi politice pentru tot românul.” (A7; cf. auch „Egalitatea

drepturilor politice”, A27, Punkt 2). In den Anexe allerdings präzisierte sich Heliade-

Rădulescu, dass hierbei die zivilen, militärischen, richterlichen und priesterlichen

Laufbahnen gemeint gewesen seien, welche auch für die einheimischen Bojaren

erreichbar sein sollten und nicht nur die landesfremden (([Academia Română], Opere

II, 2002, 701 ss). Eine gewisse – gerechterweise angezielte – Gleichheit unter der

Bevölkerung wird in der Aufhebung der Fronarbeit und Leibeigenschaft suggeriert:

„Popolul român împarte dreptatea deopotrivă la toţi şi dreptatea o dă pentru toţi, şi mai

173

vîrtos pentru cei săraci. ... Claca dar şi acea infamă iobăgia se desfiinţează ... săteanul

fără pămînt se face proprietar ...; vistieria va despăgubi pe toţi.” (A15). Auch

verlangte, wie oben schon gezeigt wurde, der Text, dass die ehemals von Fremden

eingeführten Titel [für die Landesherrscher und Beamten am Hof und der Verwaltung]

abgeschafft werden (A17). Auch wird Gleichheit für alle, in der Möglichkeit, sich

nach den Fähigkeiten eines jeden zu bilden, verlangt: „Popolul ... protestînd asupra

relei cugetări de a degrada şi a ucide naţionalitatea prin scoaterea limbii naţionale din

şcoale, decretă o învăţătură pentru toţi egală, progresivă, integrală pe cît va fi cu

putinţă, după facultăţile fiecăruia şi fără nici o plată;” (A21; A27, Punkt 16). Zudem

wird die Abschaffung der Bestrafung mit Schlägen ausgerufen („Desfiinţarea pedepsei

degrădătoare cu bătaia.”, A27, Punkt 18) und somit eine Angleichung in der

Bestrafung / Züchtigung angezielt, denn das Regulament hatte erst die Strafe mit

Schlägen für Bojaren und Offiziere abgeschafft und erst die „Verfassung”, wie es

Heliade-Rădulescu ausdrückte, schuf diese Strafe auch für săteni, Bauern, und

Soldaten ab ([Academia Română], Opere, II, 2002, 713). Auch in der Frage der Steuer

verkündet der Text grundsätzliche Gleichheit und Proportionalität: „[Popolul român]

... decretă contribuţia generală după venitul fiecăruia.” (A9; Contribuţia generală,

A27, Punkt 3). Dieser Grundsatz war gegen die Steuerbefreiung der autochthonen

titeltragenden Bojaren gerichtet. Unter Nicolae Mavrocordat (mehrmalige Herrscher

der Moldau und der Walachei im Zeitraum 1709-1730) waren auch sie, wie

ursprünglich die landesfremden bei, privilegiert geworden ([Academia Română],

Opere, II, 2002, 702-703). Als letzten Punkt fordert das Revolutionsprogramm von

Islaz die politische Gleichheit aller Konfessionen: „Emancipaţia israeliţilor şi drepturi

politice [egalitatea politică] pentru orice compatrioţi de altă credinţă [pentru toţi

pământenii de orice religie].” (A27, Punkt 21; ib., 714]).

Die Revolutionäre der Versammlung bei Islaz forderten außerdem die Mitbestimmung

des Volkes in Staatsangelegenheiten. Hierzu zählt eine aus allen stări,

Gesellschaftsschichten gewählte Generalversammlung („Adunare generală compusă

de reprezentanţii aleşi din toate stările soţietăţii.”, A27, Punkt 4), das allgemeine freie

Wahlrecht und ein, aufgrund von Moral und Meriten aus allen Klassen der

Gesellschaft gewählter und – im Gegensatz zu der im Regulament festgelegten

lebenslangen Herrschaft ([Academia Română], Opere, II, 2002, 705) – einen für fünf

Jahre bestimmten Landesherrscher: „Popolul român … decretă de azi înainte alegerea

largă, liberă, dreaptă, unde tot românul are dreptul de a fi chemat şi unde numai

capacitatea, purtarea, virtuţile şi încrederea publică să-i dea dreptul de a fi ales.“;

„Popolul român, după vechile sale drepturi, voieşte ca Domnul, în care este

personificată suveranitatea acestui popol, să fie tare prin dragostea publică, drept,

luminat, voitor de bine patriei, bărbat întreg şi ca să-l poată afla la alegere astfel,

decretă, după vechile sale drepturi, a-l căuta în toate stările soţietăţii, în toată naţia, iar

nu într-un număr mărginit de oameni. Domnia nu e drept de moştenire a nici unei

familii, domnia este a patriei.” (A10, A16, cf. auch Punkt 5 der Proklamation). Auch

nach Lovinescu ist, nach dem oligarchischen System des Regulaments, der große

Fortschritt der Proklamation von Islaz der vot universal gewesen ([1925], II, 27).

Im programmatischen Teil, Punkt 22, wird in der Institution der Adunanţe generale

estraordinare constituante, und in Punkt 9 („recompensă să vie de la patrie…“;

174

[Academia Română], Opere, II, 2002, 707) implizit eine Gewaltenteilung vorgesehen.

Andererseits zeichnen sich durch das Ziel stärkerer Gesetzlichkeit und

Kontrollierbarkeit auch noch Phasen der Überwindung von willkürlicheren Funktionen

im „Staate” wider. Hierzu zählt die Vorsehung einer gardie naţională (sic), welche, so

präzisierte Heliade-Rădulescu in den Anexe zur Kontrolle der Einnahmen von

Lebensmitteln wie Brot (pitărei), alkoholischen Getränken (căminărei), oder für den

Ausschank (păhărnicei) und für am Hof mit verschiedenen Diensten Beauftragte

(postelnicei) hätte dienen sollen (ib., 707-708): „[Popolul român] decretă ... gvardie

naţională, în care tot românul se naşte al ei soldat, tot românul e un gvardian al fericirii

publice, un garant al libertăţilor publice.” (A12; cf. Gvardie naţională in A27, Punkt

11). Hierzu zählt auch die Forderung der Verantwortlichkeit der Minister: „Popolul

român decretă şi hotărăşte responsabilitatea miniştrilor şi cu un cuvînt a tutulor

foncţionarilor publici.” ([înaintea Adunării generali a reprezentanţilor naţiunii, ib.,

706]; A6 und A27, Punkt 7.).

Resümierend stellen wir fest, dass die Proklamation von Islaz in verschiedener

Intensität folgende Grundbegriffe der Erklärung der Menschenrechte thematisiert:

<Freiheit / Souveränität / freie Meinungsäußerung>, <Eigentum>, <Sicherheit>,

<öffentliche Meinung>, <Gleichheit>, <Steuerbeitrag>, <Gemeinnutz>. Der Begriff

von <Widerstand / Petition> fehlt, möglicherweise aufgrund des – trotz revolutionärer

Proklamation – dennoch relativ pragmatischen Tons der Revolutionäre. Anders als die

in unserer Studie behandelten Texte vor ihr, konzeptualisiert sie auch, skizzierend oder

eingehender, einige der staatstragenden Begriffe wie <Bevölkerung>, <Volk /

Nation>, <Staatsbürgerschaft>, <Trennung der Gewalten>, <Staatsnamen>,

<Vaterland>. Auch wenn die Proklamation von Islaz die weiteren staatstragenden

Grundbegriffe wie <Staatsgewalt>, <Repräsentativität der Gewalten>, <Territorium>,

<Hauptstadt>, <Wohnsitz>, <Grenze> noch nicht widerspiegelt, zeigt der Text

dennoch einen deutlichen konzeptionellen Fortschritt des sich formierenden „Staates”

der Walachei und somit des zukünftigen Staates Rumänien.

VII.3. Dorinţele Partidei Naţionale din Moldova von Mihail Kogălniceanu (August

1848)

VII.3.1. Historischer Kontext der Dorinţele Partidei Naţionale din Moldova

Die Revolution in Jassy, welche von Lovinescu als keine wirkliche Revolution

eingestuft wurde ([1924], I, 84), dauerte nur ein paar Tage (Georgescu 1982, 156). Sie

begann, dem hier analysierten Text zufolge, am 28. März 1848 (am 27. März / 8. April

1848 nach Georgescu 1982, 155), als sich in Jassy einige hundert Personen beim

„Otelul de Petersburg” zu einer friedlichen Manifestation (cf. „Pacinica manifestaţie

din 28 mart avu loc.”, A86) versammelten und eine an bzw. gegen Fürst Mihail Sturza

gerichtete Petition verabschiedeten (A1, A7; Lovinescu [1924], I, 85). Unter den

Petitionspunkten dürften, nach Georgescu (ib.), insbesonders die Forderungen, die

bestehende adunare obştească durch eine, die Nation de facto repräsentierende zu

ersetzen, wie auch eine gardă cetăţenească aufzustellen, den Fürsten erzürnt haben.

Jedenfalls reagierte dieser mit heftigen Repressionen (Crudele şi nelegiuite pedepse,

<închidere în mănăstiri>, <aruncare peste hotar>, spaima, pedepsele, lovirea libertăţii

175

şi a intereselor materiale, pâri mincinoase, calomnia etc. in A1 und A4; auch A5),

welche vom 1. April bis zur Redaktion des Textes, Ende August 1848, andauerten

(Dorinţele, A1, A2). Dreihundert Revolutionäre wurden gefangengenommen

(Georgescu 1982, 156), viele flohen oder wurden gezwungen, ins Exil zu gehen. Bis

zum 19. Juli 1848 hatte sich die Haltung der Schutzmacht Russland zu den Ereignissen

derart verschlechtert, dass eine russische Depesche des Grafen Nesselrode diese als

revolutionär und scharf verurteilte (A21, A87).

Von den Außenmächten war in erster Linie Russland konsterniert, insbesonders gegen

die vorgeschlagene Vereinigung der Fürstentümer, welche Mihail Kogălniceanu aber

im Reglement [Organic] selbst als vorgesehen verstand (A68). Konstantinopel und

Sankt-Petersburg setzten zur Untersuchung der Situation in den Fürstentümern je einen

Kommissar, namentlich Talaat Efendi und Duhamel ein (Dorinţele, A2, A86) und die

Moldau wurde besetzt (A3, A5, A86). Der Text zeigt, dass sich Mihail Kogălniceanu

bezüglich der Geschehnisse in der Moldau der Kontrollinstanz und Gunst Europas für

die Moldau sicher war oder sich als dieser sicher darstellen wollte (A6; „în fiinţa

Europei, care simpatizează cu noi“, A7; auch A88) und auch, dass er versuchte, die

Bulgaren und Rhomäer (rumelioţi) auf die Seite der Moldau zu ziehen (A88).

Argumente für die Legimität der Geschehnisse in der Moldau entnimmt der Autor der

(pro-unionistischen) Argumentation des jurnalul din Constantinopol vom 26. Juni

sowie, sehr lapidar, der Ideologie von Emmerich de Vattel. Die Hohe Pforte wird als

Bündnispartner angepeilt und die geplante Vereinigung der Fürstentümer als im

Interesse dieser dargestellt:

„Reglementul organic … este contrariul spiritului tuturor tratatelor şi loveşte şi

driturile Turciei şi Moldovei“; „Unirea Principatelor ... ar întări însă şi legăturile

care se lipesc către puterea suzerană;”, „Turcia, prin mai multe dovezi, ne-a

arătat că nu ne este contrarie: în adevăr, ea simţeşte că este atât interesul său cât

şi al nostru, ca România să fie tare şi neatârnată în cele din lăuntru ..” (A19,

A68, A69, A94, A95).

Mihail Kogălniceanu unterstreicht im Weiteren auch, dass eine Vereinigung der

Fürstentümer die Rumänen nicht aus dem Verband mit der Türkei lösen würde („o

despărţire la care românii nici nu gândesc”, A88). Auch zeigt der Text den Versuch,

Russland gegen die Pforte auszuspielen. Der Nachtrag zum Reglement, durch welchen

jede Änderung des Gesetzes durch Russland und die Pforte bestätigen werden musste,

würde die Rechte der Pforte übertreten (A82). Dass Russland damit die Bedeutung der

Pforte untergrabe, kommt mehrfach zum Ausdruck (punerea trimişilor turcesti într-o

poziţie cu totul secundară şi nebăgată în seamă, A91, auch A92). Die im Text

verwendete Bezeichnung des Sultans entspricht der Kogălniceanus Zeit gemäßen

Anrede augustul nostru suzeran (A67).

Mihail Kogălniceanu, der sich der dringenden Notwendigkeit von Reformen sehr

bewusst ist (A67), redigierte in seinem Exil in Chişinău mehrere Reformtexte im

Auftrag des moldauischen Revolutionskomitees. Unter diesen ist vor allem auch sein

Verfassungsprojekt, Proiectul de constituţie pentru Moldova zu nennen.

Vorgeschlagen werden darin eine aus Vertretern aller stări zusammengesetzte

176

Adunarea obştească; dann auch Wahlorgane (cadrele electorale), die sich aus

Bodenbesitzern, dann den Vertretungen der Zünfte (slujbaji starostii corporaţiilor),

bestimmten Kaufleuten (negustorii patentaţi de clasa I) und einer Vertretung aus den

Landregionen (dem vornic und întâiul paznic der sate) etc. bestehen; desweiteren eine

Wahlversammlung, welche den Landesherrscher, aber auch den Metropoliten und die

Bischöfe wählt („Adunarea alege pe domn, pe Metropolit, pe episcopii”), eine

legislative und über Budget und Steuern entscheidende Allgemeine Versammlung („ea

votează legile, bugetul, creditele, dările”); eine konstitutionelle Gewaltenteilung

(„domnul... are toate prerogativele unui principe constituţional; sancţionează legile...

Puterea judecătorească e ... despărţită de puterea legiuitoare şi executivă”), die

politische Gleichheit der Bewohner, bei gleichzeitiger Abschaffung aller Titel und

Privilegien („odată cu egalitatea politică şi civilă, se suprimă pe viitor toate titlurile

nobiliare, privilegiile de naştere sau personale”), Abschaffung des Frondienstes und

die Landvergabe von einem bestimmten Maß Land an die Bauern („se suprimă

boerescul, dijmele”; „se împroprietăresc gospodarii satelor cu câte 2 ½ fălci fiecare”),

die Säkularisierung der Klösterbesitze („se secularizează averile mănăstireşti), die

Abschaffung der Zensur („se suprimă censura”), die Respektierung der Freiheit der

Person („se proclamă libertatea individuală”) etc. Dieses Verfassungsprojekt

begründet auf den Dorinţe, die insbesonders, wie auch die Analyse zeigen wird,

historische Rechte geltend machen wollen (Lovinescu [1924], 88-114; auch Carp

2002, 34). Für unsere Analyse wählten wir die Dorinţele, weil sie wegen der

umfassenderen Argumentation ihres Verfassers eine breitere Basis für unsere spätere

Synthese geben (Kap. XI).

VII.3.2. Staatskonzeption, Ideologie und politische Terminologien der Dorinţe

Auf die große Bedeutung des aus Jassy stammenden Intellektuellen, Historikers und

Politikers Mihail Kogălniceanu (1817-1891) und seiner Funktion als einer der

wichtigsten Träger und Verbreiter der – programmatischen – Ideologie der 1848-er

Generation und einer der bedeutendsten Staatsmänner des zwischen 1848 und 1877

enstehenden Nationalstaates haben wir mehrfach hingewiesen. Sie ist nicht zuletzt der

Monographie von Zub zu entnehmen. In seiner theoretischen Konzeption des Staates

folgte Mihail Kogălniceanu, so Lovinescu, dem klassischen deutsch-englischen

Staatsmodell ([1924], I, 92-98), welches von einer, einem Organismus gleich,

allmählichen Evolution des Staates ausgeht. Dieser Ansatz spiegelt sich im Text

punktuell wider, z.B. im Kontrast zwischen einer zum Tode der Nation führenden

Reformlosigkeit und Stagnation sowie, andererseits, einem Wachstum der Gesetze,

von Fortschritt und Perfektion, für welche die Völker gemacht seien:

„Reglementul ... ce este mau rău şi mai nenorocit, că ... loveşte cu imobilitate în

contra legilor progresului şi a perfectibilităţi pentru care toate popoarele sunt

făcute. Când o naţie nu înaintează, ea dă înapoi, şi aceasta în veacul nostru este

mai adevărat decât orişicând … „Reglementul … ne osândeşte a fi staţionari; şi

starea de pe loc, imobilitatea este moartea unei naţii.“; „O lege fundamentală a

Ţării trebuie însă să fie o plantă indigenă, expresia năravurilor şi nevoinţelor

177

naţiei.“; „Reglementul dar nefiind nicidecum expresia voinţei moldovenilor...“

(A20, A21).

Der Text unterscheidet deutlich die einzelne Person (individ) vom Staat (A90) und

drängt vehement darauf, die missliche Lebensbedingung der locuitori săteni, der

breiten Bevölkerung, zu sehen: „Locuitorii săteni sunt, mai ales, în cea mai ticăloasă

stare, nefiind decât nişte instrumente de muncă în mâinile guvernului, ale

proprietărilor şi ale posesorilor de moşii, în practică lipiţi încă pământului, pe care de

sute de ani îl lucrează în folosul altora, şi prin urmare întorşi la vecinătate.” (A67). Der

Autor drängt auf eine Landzuteilung an diese, denn sie stellten die größte Gewalt im

Staate dar (puterea cea mai mare a unui Stat). Die Stärke und der Wohlstand eines

Landes müsse sich auf der Stärke und dem Wohlstand der Mehrheit begründen

(„Puterea şi fericirea unui stat se află în puterea şi fericirea mulţimii, adică a naţiei.”,

A67), sowie auf dem materiellen, moralischen und intellektuellen Wohlstand aller

(„Fericirea unui popor este însă numai în bunăstarea sa materială, morală şi

intelectuală”, u.a. A93). Die große Mehrheit der Moldauer seien aber keine Bürger, da

sie vollkommen rechtlos seien und sie allein die Pflichten des Landes tragen würden:

„Moldova ... n-are mai mulţi cetăţeni; căci toţi ceilalţi care peste aceşti trei mii

de privilegiaţi şi până la un milion şi jumătate formează populaţia ţării, sunt

numai nişte locuitori dezbrăcaţi de toate driturile, de toată buna stare materială

şi intelectuală şi supuşi numai dărilor şi greutăţilor ţării.” (A67).

Hingegen sei die Entwicklung des Landes nur auf der Verleihung von Rechten

(Bodenbesitz) an die niedere Bevölkerung zu begründen, nur diese garantiere eine

Liebe zur Heimat und damit ein zukünftig starkes Land:

„dacă vroim serios să ne civilizăm ţara, trebuie să avem mulţi proprietari.

Numai o ţară ce are mulţi proprietari este tare; căci numai acolo unde este

răspândită iubirea pământului, este răspândită şi iubirea patriei.” (A67).

Als Argument für die Abschaffung der Leibeigenschaft zieht Mihail Kogălniceanu den

Vergleich der <(in diesem Punkt) rückständigen> Moldau mit dem <moderneren>

Siebenbürgen, der Bukowina, der Walachei und mit der Rechtslage in Europa (A89)

und im Osmanischen Reich heran:

„Astăzi mai toată Europa au oborât munca silită, numită robotă, clacă, boieresc,

sau cu orice altă numire. Chiar în Turcia, şi anume în Bosnia, augustul nostru

suzeran a desfiinţat-o.” (A67; auch A88).

Mihail Kogălniceanu unterstellt, wie einige der Verfasser unserer anderen Quellen,

seine Forderungen für Staatsreformen immer wieder der Legitimität der Zeit / der

Bewegungen in Europa (A94, 95), welche Recht vor Stärke/Gewalt walten ließen:

„[moldovenii] cer ca şi driturile lor să fie respectate dacă este ca dreptatea, iar nu

puterea să prezideze la soarta lor“ (A8). Präziser gesagt, folgten die Reformpläne dem

Zeitgeist der Aufklärung (după luminile şi trebuinţele epocii; A21) und entsprächen

den constituţiile altor popoare (A21). Nur an dieser Stelle des Textes werden die

178

Forderungspunkte wörtlich mit Verfassungsmäßigkeit assoziiert, allerdings wird an

anderer Stelle dem Fürsten – gerade in der Ablegung seiner direkten judikativen Macht

– ein souveräner Aspekt zugeschrieben: „Domnul prin însăşi fiinţa sa de domnitor

trebuie să se ţină departe de luptele judecătoreşti ale particularilor; căci prin

amestecarea sa în ele nu face decât a-şi comprometa influenţa suverană“ (A43).

Weitere Argumente für die Reformforderungen sind <im Inneren der Länder

gewachsene Bedürfnisse> und <Rechtmäßigkeit>. Dabei betont Mihail Kogălniceanu,

dass die Reformen die hohen Gesellschaftsklassen nicht beschränken, sondern nur eine

Verbesserung der niederen mit sich bringen sollen:

„Reformele însă, ce atât Valahia cât şi Moldavia doresc ... sunt curat

pământeşti, pentru că au originea lor în pământul nostru, şi mântuitoare, pentru

că sunt drepte pentru toţi. Ele nu jignesc pe nime, nici în cele din afară, nici în

cele dinlăuntru. În cele din afară, românii, chiar să vrea, n-ar putea să fie

apăsători. În cele dinlăuntru, prin aceste instituţii, ei nu pretind nicidecum de a

înjosi clasele cele înalte – precum oareşicari duşmani ai binelui ar vroi să înşele

opinia publică, – ci numai de a ridica clasele cele apăsate.” (A93).

Dorinţele äußern auch einen illokutiven Sprachakt, der, zumindest diskursiv, eine

Gleichheit der Gesellschaft erschafft: „intitulaţii aristocraţi, de la sine şi cu bucurie se

lepădă de privilegiile de le au, sau prin moştenire, sau prin legile înfiinţate.“ (A58).

Das Vereinigungsziel der Fürstentümer (A95) argumentiert Mihail Kogălniceanu

wirtschaftlich und aus dem Staatswohl heraus, und er stellt es in gewisser Weise als

organisch motiviert dar („spre a scăpa de îndoitele şi însărcinătoarele cheltuieli ale

ţinerii a doi domni, a două ministere, a două administraţii şi a două ştaburi ale oştirii,

şi totodată a scăpa , poate, ... şi de două izvoare de corupţie ...; o Unire, care este

dictată atât de vederat prin aceeaşi origine, limbă, obiceiuri şi interese”, A95, auch

A96).

Eugen Lovinescu schätzte Mihail Kogălniceanu als demokratisch, nicht jedoch als

liberal – im Sinne der muntenischen Revolutionäre – ein. Die traditionalistisch-

konservative Linie zeige sich insbesonders in der Frage der Juden, die in Islaz viel

weitreichender, von Kogălniceanu restriktiver, gedacht worden wäre. Auch hätte sich

Kogălniceanu später gegen die Rechte der Juden ausgesprochen (Lovinescu [1924], I,

92-98). Ein Vergleich zeigt de facto, dass die muntenischen Revolutionäre politische

Rechtsgleichheit für israelitische Einwohner, Mihail Kogălniceanus Text nur eine –

vager bleibende – Verbesserung ihrer Situation forderte: „Emancipaţia israeliţilor şi

drepturi politice [egalitatea politică] pentru orice compatrioţi de altă credinţă.”

(Proclamaţia de la Islaz, A27, Punkt 21) vs. măsuri umane şi progresive für einen

verbesserten status quo der Israeliten (Dorinţele, A49, Punkt 27).

In Hinblick auf die politischen Terminologien im Text fällt auf, dass Mihail

Kogălniceanu die Petition als nicht radical (A7), die Moldauer als keine rebeli (A8)

und die revolutionäre Gruppierung um ihn, partida naţională, als moderată bezeichnet

(A3, A4), das Agieren von Mihail Sturza hingegen als purtare scandaloasă, urgia

domnească, Terorismul (A3, A4). Die russische Depesche vom 19. Juli habe die

gestellten Forderungen als „plagiat al propagandei democratice şi socialiste“ (A21)

179

dargestellt. Es erscheinen aber nicht nur die Lexeme demokratisch und sozialistisch als

negativ konnotiert, sondern auch der Begriff <aristokratisch>: „Clerul cu Metropolitul

în cap ... boierii cei mai însemnaţi, bătrâni şi tineri, toţi bărbaţi vrednici, amploiaţi,

profesori, avocaţi, literaţi, clasa neguţitorească, toţi aceştia, care constituează adevărata

Moldovă, înaintea ochilor Măriei Sale ... sunt aristocraţi.” (A4). Das – im Munde des

Fürsten als Schimpfwort verwendete – Wort aristocraţi (A4) evaluierte Mihail

Kogălniceanu jedoch mit der positiven Bedeutung guvernul celor buni positiv (A4)

und nahm es als Bezeichnung seiner politischen Gruppierung auf: „intitulaţii

aristocraţi, de la sine şi cu bucurie se lepădă de privilegiile de le au, sau prin

moştenire, sau prin legile înfiinţate.“ (A58).

Dem Fürsten wiederum spricht unser Autor die Eigendarstellung als liberal ab. Mihail

Kogălniceanu selbst schlägt im Text măsuri progresive für die Israeliten vor. Er nennt

die Verwendung der Einkommen mancher Klöster einen scandal public (A50) und er

betont immer wieder, dass die Forderungen nicht außerhalb der bestehenden Gesetze –

des Reglement – sind, sondern aus historischer Legitimation erfolgten (auch Lovinescu

[1924], I, 84), während es der Landesfürst ist, welchem er gesetzloses Handeln

vorwirft. Fürst und partida naţională werfen sich gegenseitig plecări retrograde,

Tendenzen vor, die für die Entwicklung des Landes hindernd sind (A6). In einigen

Passagen erinnert der Diskurs an die Rhetorik der Proklamation von Islaz, so in der

Ausnützung <von Vielen zugunsten einiger Weniger> (A67, A96), in der

Formulierung, dass das rumänische Volk zu Wohlstand gerufen sei; in der Verwenung

des Verbs a lepăda in der Kollokationa a se lepăda de o protecţie (A91), dann auch in

der Versicherung, dass niemand im Äußeren sich von den Reformen beschnitten sehen

müsse („Ele [Reformele] nu jignesc pe nime, nici în cele din afară, nici în cele

dinlăuntru. În cele din afară, românii, chiar să vrea, n-ar putea să fie apăsători.”, A93),

desweiteren in den nicht häufigen biblischen Assoziationen (în contra principiilor

evanghelice şi ale adevăratei libertăţi, A67; „Reformele însă, ce atât Valahia cât şi

Moldavia doresc ... sunt curat pământeşti, pentru că au originea lor în pământul nostru,

şi mântuitoare...”, A93).

VII.3.3. Die wichtigsten Isosemien oder Prioritäten der Moldau nach den Dorinţe

Die Dorinţe thematisieren eng miteineinander verbundene Probleme der Moldau, auf

deren Hintergrund Mihail Kogălniceanu seine Reformvorschläge macht. Der Text baut

erstens eine bipolare Isosemie auf von <Willkür/Missbrauch> (regeneraţia Moldovei

îngenuncheată sub Mihail Sturza, A7; asupriri und arbitrarul, A67), <Repression>

(siehe IX.1.), <Gesetzlosigkeit / Nichteinhaltung des im Reglement Fixierten>,

<absoluter Herrschaft/Feudalismus> (z.B. A59) durch den regierenden Mihail Sturza

oder generelle <Gewalt des Stärkeren> (z.B. „Şi chiar în zilele de astăzi, câte moşii

răzăşeşti s-au desfiinţat prin silă şi strâmbătate?”, A67; auch A68) , <Illegalität> (in

A3, A4, A7) sowie andererseits von <Recht(mäßigkeit)>. Diese Felder stehen

außerdem in enger Verbindung mit der Thematisierung des <Wohls des Landes>,

fericirea ţării („Reglementul organic nu poate nici într-un chip să facă fericirea ţării“,

A19, auch A7, A62, A67) sowie dem <Gemeinnutzen des Landes> (folosul ţării,

A64). Auch baut der Text ein Feld auf von <Rückschritt> und <Fortschritt> und

180

legitimiert die Moldauer aus göttlicher Sicht, für ihre Bedürfnisse, konkret für die

verlangten Reformen, einzustehen: „moldovenii ar fi vinovaţi înaintea lui Dumnezeu, a

popoarelor şi a lor însuşi, dacă nu şi-ar declara făţiş, fără sfială, şi în adevăr; Care sunt

dorinţele si nevoinţele lor, care sunt instituţiile ce le socot neapărate pentru fericirea

lor, şi fără care nu poate să fie în ţară nici pace, nici propăşire.“ (A7, A67).

Die Semantik der <Gesetzlosigkeit (seitens des Fürsten)> kommt in einer Reihe von

Vorwürfen an diesen zum Ausdruck. Hierzu zählen die schlecht funktionierenden,

vom Herrscher direkt abhängigen und nicht auf dreptate ausgerichteten Gerichte (A42,

A43), die ungesetzlichen, nicht von der Obştească Adunare approbierten

Modifikationen des Zivilkodex durch den Fürsten (A53), die dem Reglement gemäß

ungesetzlichen Sondergerichte und Sonderkommissionen, derer sich die Regierung

bediene; die Artikel 65 des Reglement zufolge ungesetzliche Einnahme der poşlina,

einer Exportsteuer für Getreide, als einer „o a doua listă civilă” (A52); die durch die

Regierung betriebene Korruption im Lande (A56); der ungesetzliche Berufung von

Vogoridi, Schwiegersohn von Mihail Sturza, als Vertreter in Konstantinopel (A34) etc.

Während der Text einerseits die Respektierung des Reglement durch den Fürsten

fordert, lehnt er dieses als oktroyiert und Mittel der russischen Beherrschung zugleich

vehement ab: „Reglementul organic ... se redigă după instrucţii străine de funcţionari

ruşi, sau de oameni aleşi de guvernul rusesc, şi revizia sa de către Adunările Obşteşti

se făcu sub auspiciile baionetelor.” (A82). Diese Ablehnung wird mehrfach begründet,

semantisch primär durch den <Vertragsbruch>, welcher in Absatz 19 nicht mit diesem

Wort, sondern etwas vorsichtiger ausgedrückt wird (das Reglement sei entgegen dem

Sinne aller Verträge und Rechte der Moldau und der Türkei): „Reglementul organic

… este contrariul spiritului tuturor tratatelor şi loveşte şi driturile Turciei şi

Moldovei.“. Auch sei das Reglement durch keine echte Nationalversammlung redigiert

noch [1837] modifiziert worden und entspräche dem [allgemeinen] Wunsche der

Moldauer nicht („el [Reglementul] este redigat în timpul ocupaţiei armielor rosieneşti,

după instrucţii străine, sub prezidenţia consilierului de taină rosienesc Minţiaki, de

către doi boieri numiţi de prezidentul plenipotent al Principatelor şi numai de către alţi

doi boieri numiţi de divanul ţării, adică de vreo câteva persoane, iar nu de adevărata

Adunare naţională a ţării.“; „Reglementul dar nefiind nicidecum expresia voinţei

moldovenilor...“, A20, A21). Der Zwang, jede Änderung der inneren Verwaltung und

Gesetzgebung durch die Pforte und Russland bestätigen lassen zu müssen (A82),

hindere den Fortschritt des Landes (A20). Das Reglement habe die traditionelle

Gesetzgebung des Landes abgeschafft (a dărâmat şi a desfiinţat toate legiuirile ţării,

A21).

Einer der redundantesten und amplifiziertesten Diskursstränge des Textes ist ein

rechtshistorischer. Dieser wiederholt den Anspruch der Rumänen auf neatârnarea

noastră dinlăuntru, şi prin urmare autonomia, also auf innere Autonomie, mit der

Begründung, dass diese – nach der Verteidigung und den Opfern der Vorfahren – über

Jahrhunderte gegeben gewesen sei (A9; wiederholt in A10, cf. die <traditionelle

Unabhängigkeit> bzw. drit de neatârnare din lăuntru bzw. autonomie in A19; implizit

auch in A20). Mihail Kogălniceanu nennt in diesem Zusammenhang detailliert den

Inhalt der frühesten capitulaţie (A11, A10) – aus dem Jahre 1512, welche Bogdan,

181

Sohn von Ştefan cel Mare, mit der Türkei geschlossen habe –, um die gegenseitigen

Vertragspflichten bzw. die Autonomie der Moldau zu belegen, welche dann in

späteren Verträgen weiter garantiert worden seien.

Die Bedingungen bzw. Argumente einer <historischen Autonomie> der Moldau sind,

Mihail Kogălniceanus Auflistung nach, die folgenden: die <Freiheit der Moldau>,

wörtlich des Bodens der Moldau („Poarta recunoaşte pe Moldova de pământ slobod şi

nesupus.“), die <Freiheit der christlichen Kirchen und Religion> (slobode bisericile),

die alleinige <Wirksamkeit der moldauischen Gesetze ohne Einmischung der Pforte>;

die <Wahl eines lebenslangen Herrschers durch das Volk>, wenn auch bei Bestätigung

der Pforte; die <Regentschaft eines Fürsten über die Moldau>, das Recht zur

<Aufstellung eines Heeres> (ostaşi … până la 20 000 pământeni sau oameni străini),

ein <Sitz der Moldauer in Konstantinopel> der diplomatischen Agenten (capichihaeli)

der rumänischen Fürstentümer in Konstantinopel]), das <Verbot für Haus- und

Bodenankauf> sowie für <Ansiedlung oder Moscheenerrichtung> für Türken in der

Moldau, wenn auch die Moldau zum Zeichen ihres Vasallentums (pentru semn de

supunere) jährlich einen peşcheş/dar, Abgabe, im Umfang von 4 000 bani roşii, 40

Falken und 40 Zuchtstuten, iepe fătătoare, an die Pforte zu entrichten gehabt hätte wie

auch die Pflicht, der Pforte in Kriegszeiten mit ihren Heeren beizustehen (Absatz 9,

Punkte 1-10).

Dieser Vertrag sei 1530 von Soliman cel Mare und allen weiteren hatişerifuri /

firmane, Befehle / Dekrete, der Pforte sowie von allen Verträgen zwischen der Türkei

und der Schutzmacht Russland (ocrotitoarea driturilor noastre, A10) in späteren

Zeiten bestätigt worden. Desweiteren belege der Vertrag zwischen Peter dem Großen

und Dimitrie Cantemir vom 13. April 1711, dass die Moldau als souveräner Staat (stat

suveran deşi tributar) und dieser als autonom („reformatorul Rusiei cunoştea … ţării o

deplină neatârnare“, A11) angesehen worden wäre. Auch der Vertrag von Kainargi aus

dem Jahre 1774 hätte die Herrscher der Moldau und der Walachei (stăpânitorii

Moldovei şi Valahiei) als suverani, die Länder als staturi suverane anerkannt (A11).

Das im Vertrag von Kainargi Festgehaltene sei im Vertrag von Jassy vom 29.

Dezember 1791 und – mit Ausnahme der ungesetzlichen Aneignung des Gebietes zur

Linken des Pruth – im Vertrag von Bukarest vom 16. Mai 1812 respektiert worden

(A13, A14). Danach habe die Konvention von Akkerman das alte Recht der Rumänen

anerkannt, ihren Fürsten nach dem allgemeinen Wunsch der Bewohner zu wählen

(A15). Desweiteren habe Artikel 5 des Vertrags von Adrianopel von 1829 freien

Kultus (o slobodă lucrare a credinţei), höchste Sicherheit (o desăvârşită siguranţie),

eine unabhängige nationale Verwaltung (o administraţie naţională neatârnată), volle

Handelsfreiheit (o întreagă slobozenie de comerţ; A17) und eine ausschließlich innere

Verwaltung wie Gesetzgebung vorgesehen (A18). Seit jeher, so betont der Text in

weiteren Absätzen, sei die Freiheit des Kultus (Punkt 22) und die Rechtsgleichheit

aller christlichen Konfessionen (Punkt 26) tradiert worden, welche das Reglement aber

nicht respektiere: „Reglementul ridică deodată Moldovei toate driturile ce le păstrase

de la capitularea sa şi care ni-sau fost închezăşluit de toate tratatele vechi şi nouă …“

(A20). Auch habe seit frühesten Zeiten jeder Rumäne ein Stück Land besessen: „Este

istoriceşte dovedit că, în timpurile din început, mai fieştecare român era proprietar …“

(A67).

182

In wenigen, jedoch aussagekräftigen Textstellen zeichnet der Diskurs eine Identität der

Rumänen ab, welche rekurriert auf die Parameter <Brüderlichkeit der Rumänen aller

Provinzen> (A67), gemeinsamen Vorfahren bzw. eine <gemeinsame (große)

Geschichte> (u.a. A96), <göttliche Bestimmung>, <numerische Größe> (opt milioane

de români, A88; A96), die historische Rolle der Rumänen als <Schutzwall für das

Christentum/für die Zivilisation Europas gegen den Islam>, <christliche Konfession>

(„noi, popor creştin şi asuprit“), <Blutsverbindung>, aber auch auf gemeinsame

Sprache, gemeinsamen Ursprung, gemeinsame Bräuche (A88, A96):

„Rusia … ne contestă driturile care le avem de la strămoşii noştri, ne contestă

naţionalitatea, care o avem de la Dumnezeu, o naţionalitatea, care o avem de la

Dumnezeu, o naţionalitatea de opt milioane de români, pe care o avem de 18

veacuri, şi care a rezistat tuturor viforelor ce au trecut preste ţările noastre, într-

această lungime de timp. … am fost valul creştinătăţii în contra islamismului …

cu sângele nostru am contribuit la păstrarea civilizaţiei europene.“ (A87 und

A88).

Auf dem Hintergrund vor allem des Agierens des Landesfürsten ersteht außerdem ein

duldsamer, leidgeprüfter und moralisch guter sowie auch tapferer Charakter des

Moldauers (nevinovate petiţii, <a suferi>, A1, A2; moalea şi moderata noastră

purtare, A3; lacrimile pe obraz; proscripţii; închişi; aruncaţi peste hotar; osândiţi a

vedea …, A4; „noi, popor ... asuprit“, A88; A91; cf. prin bărbăţia noastră în

nenorocire, A99).

In der Forderung der Abschaffung von Titeln und Rängen spiegelt sich der Wunsch

der vollen Überwindung feudaler Strukturen wider. Auch hier ist die Argumentation

eine historische: De facto habe, so der Text, traditionell keine Aristokratie existiert,

welche erst durch Constantin N. Mavrocordat eingeführt worden sei; nur das Eigentum

und der Familienname seien erblich, nicht so der Titel, gewesen:

„Boieria de abia în timpurile nouă a luat mersul unei nobleţe, nepotrivite şi

contrare cu toate instituţiile ţării.”; „Ca în toate staturile Orientului, nobleţa este

necunoscută: căci boieria nu însemnează decât funcţie publică, la care

fieştecare român poate ajunge după chiar legile de astăzi.” (A61; A59).

VII.3.4. Rhetorische und sprachliche Markierungen und Besonderheiten der

Dorinţe

Mihail Kogălniceanu erweist sich als brillianter Rhetoriker, der, insbesonders in der

Darstellung des Agierens Russlands auf eine Reihe von rhetorischen Figuren

zurückgreift. So formuliert er (und betont damit) seine deklarative Botschaft <die

Rumänen haben aus der Geschichte heraus das Recht auf Autonomie> in Form von

rhetorischen Fragen und redundant wiederholter Ironie:

183

„Astăzi, în epoca învierii celor mai slabe naţionalităţi, noi n-avem drit să

proclamăm naţionalitatea noastră de români cu care ne-au cunoscut veacurile

trecute. Noi n-am fost nimica, noi n-avem istorie, noi n-avem ţară, noi n-avem

drituri; căci tot ce suntem, şi mai mare parte a folosurilor asigurate patriei

noastre le suntem datori protecţiei binevoitoare a Rusiei; ca când înaintea celei

întâi veniri a ruşilor în ţările noastre, înaintea tratatului de la Kainargi şi a celor

următoare, noi n-am fi avut capitulaţiile noastre, noi n-am fi avut drituri

respectate de Turcia, noi n-am fi avut domni mult mai naţionali decât acei de

astăzi, guberne mult mai neatârnate decât acele de acum – libere numai cu

numele, - ca când religia noastră ar fi fost prigonită, ca când moşiile noastre nu

le-ar fi stăpânit strămoşii noştri, şi legile noastre nu s-ar fi făcut în pământul

nostru. Toate aceste, dovedite prin istorie, toate aceste de o cunoştinţe

obştească, n-au fost, şi Rusia singură ne-a dat tot. Ea a izgonit paşii din ţările

noastre, ea a risipit geamiile înălţate în locul bisericilor noastre, ea ne-a dat

dritul să ne stăpânim moşiile, până atunci în mâinile turcilor, ca în Serbia şi

Grecia, ea a izgonit alcoranul din legislaţia nostră; ea ne-a dat, în sfârşit, o

patrie şi un guvern naţional, şi de aceea Ruasi ne declarează astăzi că: Moldova

şi Valahia sunt numai nişte curate şi simple provincii, care au de împlinit atât

către puterea suzerană, cât şi către puterea protectriţă, îndatoriri pozitive, de la

care ele nu pot a se sustrage fără mai înainte învoire a ambelor curţi.“ (A88, cf.

auch den rhetorischen indirekten Fragesatz am Ende des Absatzes 89 bzw.

A92).

Es fällt auf, dass Mihail Kogălniceanu in dieser Textstelle zu impliziten –

präsupponierten, jedoch – ungerechtfertigten Behauptungen greift. Außer in der

Dobruscha waren auf rumänischem Boden keine Moscheen errichtet noch war

irgendwann der Koran verankert worden.

Die verhindernde und negative Rolle Russlands für die Entwicklung und Vereinigung

der rumänischen Länder wird in einer Klimax dargestellt. Kulminierender Höhepunkt

ist dabei der russisch-türkische Krieg und das russische Protektorat der Jahre 1828-

1834 (A77). Das Verhältnis zwischen Rumänen einerseits und Russen bzw. Türken

andererseits wird gleichzeitig in einer Gegenüberstellung (Antithese) dargestellt. Die

Rumänen hätten sich jahrhundertelang de bunăvoie, also feiwillig, der suzeranitate der

Hohen Pforte unterstellt. Sie hätten in russisch-türkischen Kriegen – von 1711, 1736-

1740, 1769-1774, 1787-1791, dann 1806-1812 und 1828-1834 auf der Seite Russlands

gekämpft und seien – nach den jeweils folgenden Friedensschlüssen – vor allem von

Russland im Stich gelassen, ja sogar den zerstörerischen Rückzügen der russischen

Truppen, aber auch den Repressalien der Pforte überlassen worden (A71, A72). Im

Frieden von Bukarest habe Russland sogar die Bukowina entrissen und dem alliierten

Österreich zugeteilt (A72) wie auch Bessarabien an Russland selbst ging (A76). Die

bedeutendsten Bojaren der Moldau und der Walachei seien für ihre Sympathien für

Sankt-Petersburg ihres Besitzes beraubt, vom Sultan verfolgt und an verschiedenen

Orten gefangengehalten, versprochene Garantien und Verträge von den Grossmächten,

allen voran der Schutzmacht Russland (sub auspiciile protecţiei rosieneşti) nie

eingehalten worden (A74, A76, A77). Erst der Frieden von Adrianopel habe die alten

capitulaţii und damit eine Reihe von alten Rechten, Freiheiten, Autonomien etc.

184

anerkannt (A78). Die Russen hätten jedoch die Verträge von Akkerman und

Adrianopel nicht eingehalten, konkret in der Wahl der Fürsten der Moldau und

Walachei im Jahre 1834 durch die Curţi (A83). Seit dem Abzug der Russen 1834

würde Russland de facto ungesetzlich die inneren Angelegenheiten der rumänischen

Länder (trebile noastre dinlăuntru) regieren („Rusia ... este adevărata ocârmuitoare a

Principatelor”, cf. auch această influenţie extralegală a Rusiei, în ocârmuirea noastră

dinlăuntru, A84). Durch eine sehr redundante Thematisierung wird hier also die

jahrhundertelange Unrechtmäßigkeit und Verhinderung der Entwicklung der

rumänischen Länder und ihrer Vereinigung („intrigile străinilor până acum au stăvilat

această unire.” A68) fokussiert.

Eine redundante negative Beschreibung soll die Brutalität, Repression, Gesetzlosigkeit

und Übertretung von individuellen Rechten durch das Vorgehen des amtierenden

Landesfürsten Mihail Sturza gegen die petiţionari, Bittsteller, aufzeigen (Crudele şi

nelegiuitele pedepse, săvârşite fără nici o judecată; „Cruda cârmuire a domnului,

ridicarea tuturor garanţiilor legii, răpirea libertăţii şi a averilor; „a închide, a pedepsi, a

jăcui … fără vină, fără dreptate.“, A1, A2; „urgia domnească; fără cea mai mică

judecată în contra art. 358 şi 433 din Organicescul Reglement; Terorismul; pofta

răzbunării; Spaima, pedepsele, lovirea libertăţii şi a intereselor materiale, pâri

mincinoase, şi chiar calomnia, chiar pamfletul”, A4; Mihail Sturza verfolge seine

politischen Gegner wie proscriptii, ca în timpurile lui Marius und Sylla, A4; der Fürst

entfache Hass zwischen den Klassen der Moldau, A4; er zwingt die Moldau in die

Knie / ([Moldova] îngenuncheată sub Mihail Sturza, A7).

Die am Beginn des Textes aufgezeigte Charakterlosigkeit des Fürsten bzw. die

vehemente Ablehnung dieses von Russland unter dem Mantel der „Schutzmacht”

gestützten Landesherrn (A85) wird im Schlussteil wieder aufgenommen und weiter

amplifiziert („acest zaraf învelit în haine domneşti, o lipitoare care a supt toată avuţia

ţării, un stârv care a corupt tot ce a avut nenorocire de a-l apropia ... un şerpe care cu

balele sale a otrăvit pe moldovenii cei mai vrednici, un crocodil ale cărui lacrimi

vroiesc a înşela pe Dumnezeu ... o fiinţă a cărui inimă, dacă mai are, nu bate decât la

sunetul aurului, nesimţitor la orice ocară publică, surd la plângerile compatrioţilor săi,

orb la nenorocirea ţării sale, pe care a sărăcit-o şi a vândut-o.”; mârşav, spion [al

Rusiei], A84; auch die auf Sturza bezogene Semantik von vampir, corupţia, spioneria,

intriga, ura, abuzuri bzw. die Zuschreibung an den Fürsten, selbst gegen die orthodoxe

Kirche vorzugehen, A84 und A86; weitere negative Konnotierungen in A90 und A95).

Mihail Kogălniceanu untermauert seine Argumentation mit präzise ausgewählten

Beispielen. So evoziert die Erwähnung, Petru Rareş sei als Fischer, Constantin

Cantemir als Serdar zum Fürsten gewählt worden (A26), die historische Tradition der

Moldau, einst den Landesherrscher aus allen Schichten der Bevölkerung gewählt zu

haben. Die Angaben zu Mihail Sturza wiederum, welcher ein Sechstel des öffentlichen

Geldes verbrauchen würde und für dessen alleinigen Unterhalt 250.000 Moldauer

lebten und arbeiteten, dessen lista civilă also jene der höchsten Souveräne (suverani)

Europas weit überschreiten würden (A27, Punkt 5), zeichnet das Bild eines

unmäßigen, vollkommen in feudalen Strukturen verhafteten Landesfürsten. Der Text

lässt auch viel Pathos erkennen. Die unire, Vereinigung, sei dorită de veacuri, seit

185

Jahrhunderten gewünscht, und mit Blut und Opfer verteidigt worden (A89, A90). Die

Erwähnung von Ştefan cel Mare, Mihail Viteazu, dann auch Mirceas [cel Bătrân],

Huniad [Ioan de Hunedoara], im Kontext des bewaffneten Kampfes für dieses Ziel

(A68) erinnert an die wichtigsten emblematischen Persönlichkeiten in der Geschichte

der rumänischen Länder und den ersten Versuchen ihrer Vereinigung bzw. den Kampf

gegen einen gemeinsamen äußeren Feind. In Absatz 96 greift der Autor zu der

Metapher einer durch den Schnee zum ersten Sonnenlicht durchbrechenden Pflanze,

um das Erwachen der Nationalstaaten [Europas] zu symbolisieren, und in Absatz 97

lässt er die Botschaft der russischen Depesche vom 19. Juli 1848 im Sinne des Beginns

der Divina Commedia von Dante Alighieri als eine <zu fürchtende> lesen.

Auch der Entwicklungszustand des Rumänischen des vorliegenden Textes bedürfte

einer eigenen Studie, wir wollen aber hier nur einige Beispiele geben. Einerseits

enthält der Text eine Reihe von phonologischen Archaismen (limbagiul, A98), von

morphologisch-grammatikalischen Archaismen (wie acestaşi [tratat/princip], A10,

A24; fieştecare [român], A26, A58; a contribua, A79; a reconstitua, A88; ea simţeşte,

A68; timpurile nouă, A58; într-o / în o / Prin o etc.), von lexikalischen Archaismen

(wie mădulările divanului, A38, A43; glasul, A98; cliros, A85; ginte z.B. in A69 und

A89; una sută ani, A87; au, A84; a oborât, A67; solanel, A78 und A80; zuletzt auch

von semantischen Archaismen (wie „toate clasele înstărite au mijlocit a se folosi de

…“, A60). Auch sind historische Realien sprachlich dokumentiert wie fetva (A72),

sened / hatişerif (A76) oder eptaetia domnilor (A76 und A92). Auffällig ist durch

seine hohe Frequenz der Italianismus drit(uri) (A1, A8, A9, A10, A14, A15, A16,

A19, A20, A25, A26, A33, A35; A40; A59, A67, 13 x in A68, A69, 2 x in A70, 2x in

A71, A72, A76, A78, A80, A82, A87, A88, A89 etc., auch das Adjektiv îndrituit in

A96), der – noch – viel häufiger erscheint als das sich später durchsetzende drept (z.B.

in A18, A23, A24) oder Dreptate/drepăţi (A8, A9, A76, A88). Zugleich dokumentiert

der Text in einigen Bereichen eine parallele Sprachverwendung mit neuen Formen.

Beispielsweise enthält er neben dem erwähnten mădular auch amploiat (A68) oder das

Verb a vroi (als substantivisches Derivat auch in A55), das viel häufiger erscheint als

a voi. Die Verbklassen sind nicht stabil, neben a ţinea erscheint – seltener – das heute

alleinige a ţine (z.B. in A68). Verschiedene Substantive treten mit unterschiedlichen

Genusdesinenzen auf wie trataturi und tratate (A68), Principaturi und Principate

(A68), Verben in verschiedenen Konjugationstypen wie declarează und declară (in

A88).

Auch wenn der Text punktuell bereits moderne Terminologien verwendet, wie

beispielsweise das – heutige – opinia publică (A6, A93), voinţa [moldovenilor] (A21),

paşaporturi naţionale (A78) oder securitate (mit dem Synonym siguranţă, A68, A78),

erscheint eine Reihe von Begrifflichkeiten der Staatlichkeit in älteren, nicht selten

mehrfachen Lexikalisierungen. So kommt die <Freiheit des Staates> sowohl in

neatârnare, Unabhängigkeit, als auch in autonomia (A68) zum Ausdruck. Der Begriff

des <Gemeinwohls> wird als fericirea [moldovenilor] (A7, A19, A20, A37, A93 etc.),

binele ţării (A67), bunăstarea (dinlăuntru) (A76, A91), aber auch buna stare

materială şi intelectuală [a ţării] (A68) lexikalisiert. Das Syntagma a <fi> deopotrivă

(das Beispiel: “În vechea Moldovă, toţi moldovenii luau deopotrivă parte la

însărcinările statului;“, A60; auch die adjektivische Bildung libera şi deopotrivă

186

dezvoltare) kann als eine Lexikalisierung der – späteren – egalitate, <Gleichheit>,

trebile dinlăuntru ale Principatelor (A91) als <innere Angelegenheiten /

(Staats)Inneres> interpretiert werden. Für die Zuteilung von Land, die împroprietare /

împroprietărire, an die Bauern verwendet Mihail Kogălniceanu ein eigenes Lexem:

apropriaţia ţăranilor (A67, zweimal).

VII.3.5. Analyse und Interpretation des Staatlichkeitsdiskurses in den Dorinţe

Dorinţele Partidei Naţionale din Moldova, ein langer Text mit 99 Absätzen, bestehen

– wie die Proklamation von Islaz – aus drei Abschnitten. Die Präambel geht auf die

Formierung der Liberalen vom 28. März 1848 in Jassy ein, welche als unmäßig

repressiv vom Landesfürsten unterdrückt worden wäre, und erklärt die Reformpunkte

als aus der Geschichte legitimiert (A1-A22). Es folgt ein Abschnitt, in dem diese,

ebenso mittels historischer Argumente legitimiert, dargestellt werden (A23-57), und

ein dritter, noch weiter argumentativ amplifizierter Teil, welcher die wichtigste

Botschaft unterstreicht (A58-A99). Ihre Essenz ist, dass Russland seine Funktion einer

putere ocrotitoare nur formell, de facto aber gar nicht ausübe, ja sogar selbst die

gesetzliche Rechtmäßigkeit der Verträge – die Autonomie der Fürstentümer zu

respektieren – überschreite (A92). Am Ende seines Diskurses wird Mihail

Kogălniceanu am explizitesten, direktesten und fordert Russland auf, sein Agieren zu

ändern: „... Rusia ... [ohne să-Partikel] contenească apăsătoarea şi machivelica politică

ce, de la 1832 mai ales, păzeşte către noi;”; „prin arbitrara amestecare a generalilor şi

consulilor ruseşti în toate trebile dinlăuntru ale Principatelor ... românii au toată

dreptatea a se lepăda de o protecţie, a căreia Rusia este cea dintâi care i-a denaturat

prinţipul;” (A91, auch die Assoziation des <russischen Despotismus>, ib.); „Ei bine,

ce pînă acum Cabinetul din Sankt-Petersburg a făcut numai oficial, numai pe hârtie,

facă-o astăzi şi în fapte, fie adevărat protector. ... când Turcia s-ar refuza ... să

recunoască românilor dritul de a-şi da aceste instituţii, Rusia împlinească-şi datoria de

ocrotitoare, puie la mijloc puternica sa mijlocire, şi silească pe curtea suzerană să

respecteze driturile de autonomie ale românilor.” (A92).

Im Schlussteil des Textes thematisiert Mihail Kogălniceanu noch einmal die

wichtigsten Reformpunkte, indem er das Jurnal de Constantinopol zitiert. Es sind die

<Freiheit des Individuums>, <Verbesserung der Situation der Bauern>, <Abschaffung

der Fronarbeit>, <Volksbildung>, <Moralisierung des Klerus>,

<Gewaltenteilung/Verantwortung> (durch größere Handlungsfreiheit der Minister),

<Abschaffung der Zensur>, <Verbesserungen im Strafsystem>, <Eindämmung der

Korruption der Beamten>, eine <Nationalbank>. Die Dorinţe enden mit einem

appellativen Teil („să avem credinţă în viitorul nostru”) und evozieren – erneut – die

emblematische Figur Ştefans des Großen, dessen beispielhaftem Mut und dessen

Prinzipientreue zu folgen wäre (A99).

Die fast durchgängige Verwendung von Verben in der ersten Person Plural wie in

„toate aceste le-am suferit cu durere“ (A3) oder des Possessivpronomens unser (A62,

A9, A20, A45 etc.) dokumentieren die Federführung Mihail Kogălniceanus für die

(gemäßigt-)liberale Partei der Moldau, mit der er sich vollständig identifiziert:

187

„Aceşti aristocraţi, adică partida naţională … văzându-şi ţara ocupată cu armii

străine … se văd dar siliţi a arăta prin lumina tiparului care sunt planurile lor,

care sunt reformele ce le socot mai neapărate pentru ţară. Prin aceasta, noi

nădăjduim că vom împlini un îndoit scop.“ (A5-A6).

Das oberste Ziel des Textes ist die (Wieder-)Erreichung der Autonomie der Moldau

und Walachei, welche als historische und als seit dem Vertrag zwischen Bogdan, Sohn

von Ştefan cel Mare, und der Pforte im Jahre 1512 legitimiert dargestellt wird, sowie

die Vereinigung dieser Fürstentümer (A9, A68 und A95). Diese im Schlussteil des

Textes nochmals aufgegriffenen Forderungen („a depărta din ocârmuirea dinlăuntru

orice influenţă străină, primejdioasă şi ilegală,”; „a uni amândouă Principatele”; A95),

werden über die Nicht-Respektierung des Reglements auf russischer Seite (A7, A86),

zugleich aber auch über die – redundante – implizite und explizite Erwähnung des

Landeswohls („Locuitorii săteni sunt, mai ales, în cea mai ticăloasă stare ...”, A67) und

des <allgemeinen Willens> der Moldauer (starea opiniei publice în Moldova, A6;

„Reglementul dar nefiind nicidecum expresia voinţei moldovenilor, “, A21) und dem

in Europa herrschenden Zeitgeist für Erneuerungen im Sinne der Nationalstaaten (A7)

thematisiert.

Die Bezeichnungen für die rumänischen Länder sowie für den zukünftigen vereinten

Staat der Moldau und Walachei sind folgende: Moldova (A1, A4, A6, A7, A15, A68,

A86 etc.; auch vechea Moldovă in A60 sowie Moldavia z.B. in A75), [Ţara

Românească] (A16, A41, A68, A77 etc.), Principate (A2, A7, A18, A68, A72, A75

etc.), Principatele / Principaturi [Româneşti] (A68, A70, A71 etc.), provincii (A77),

locuitorii Ţării Româneşti şi Moldovei (A15), Valahia şi Moldova / Moldova şi

Valahia / Moldo-Valahia (A71, A88 / A72, A74, A77, A84, A86), sowie einmaliges

Moldo-România (A95). Sehr häufig erscheint für die Moldau auch ţară (A3, A5, A4,

A19, 3x in A21, A45, A68, A71, A74, A80, A81, A84, A85, A86; auch ţări in A88

und die Verwedung insbesonders in Kollokationen wie nevoinţele ţării, A5;

bunăstarea ţării, A51; interesele ţării, A67; un folos [al ţării] (A64), etwas weniger

häufig pământ (A21, A45, A65, A71). Das ethnonymische Adjektiv românesc

erscheint in den Verbindungen ţările româneşti (A30) und pământul românesc (A45,

A65, A71; auch cu muncă românească, A71; bisericile româneşti, sânge românesc

A72). In Verbindung von Begriffen wie <Bürger>, <Nutzen> und <Angelegenheiten>

erscheint desweiteren auch das Lexem stat (Un stat constituţional [die Moldau], A65;

prefacerea [israeliţilor] într-o stare de cetăţeni folositori ai statului, A49; trebi ale

statului, A85; folosul statului, A64 – neben folosul naţiei (A50, A58). Auch erscheinen

die Begriffe <Nation> und <Heimat> und ihre Derivate (z.B. in păcat naţional / naţie /

nevoinţele naţii in A50, A59, A83, A87, A21; „voim a fi o naţie liberă”, A66; edificiul

naţional, A68; naţii – auf beide Fürstentümer bezogen, A68; <a avea datoria

naţională>, A89; patrie / iubire ... către patrie / interesul bine înţeles al patriei;

puterea patriei, a regenera patria, <a-şi părăsi patria>, înjumătăţirea patriei;

renaşterea patriei, viitorul patriei (A25, A59, A62, A67, A68, A71, A72, A74, A75,

A79, A80; auch patriotism und patrie in Verbindung mit fiii, dreptate und dragoste in

A63). Das höchste Ziel der Reformen, so besagt es Absatz 68, sei die Vereinigung der

Moldau mit der Walachei als nationale Formation: „ca cununa tuturor [reformelor], ca

188

cheia bolţii, fără care s-ar prăbuşi tot edificiul naţional: aceasta este Unirea Moldovei

cu Ţara Românească, pe temeiul puncturilor de mai sus...” (A68, A95).

Diskursanalytisch zeigen diese Länderbezeichnungen einen Übergang der

„ehemaligen” (getrennten) Fürstentümer zu einer staatlichen, wenn auch konzeptionell

noch nicht ganz klar besetzten politischen Einheit, welche auf der Basis von <Nation>

und <Heimat> aufgebaut wird.

Die Einwohner / das Volk – wir sehen hier von den z.B. in Absatz 4 erwähnten

Klassen der Gesellschaft ab – werden tendenziell als moldoveni (A3, A4, A7, A9, A24,

A27, A87, A88 etc.; auch israeliţi moldoveni, A49) und pământeni (vs. străini, A9),

die Bauern als locuitori (săteni) (A15, A37, A67 mehrmals etc.) bezeichnet. Am

häufigsten aber erscheint, vor allem in den argumentativen Abschnitten und im letzten

Teil des Textes immer frequenter das Ethnonym român(i) (A15, A16, A17, A21, A25,

A26, A34, A38, A46, A48, 8 x in A68, A72, A75, A76, A77, A79, A80, A81, A82,

A84, A87, A88 etc.). Das Syntagma românul din Moldova, das wir in Absatz 67

dokumentiert haben, scheint zu bestätigen, dass das Adjektiv român in dem Text in

seiner überregionalen Bedeutung <rumänisch> verwendet wird. In wenigen Passagen

finden wir auch den Begriff für Volk (popor, A46) und des <Bürgers> (libertatea

cetăţenilor, A38), dessen Fehlen in der Moldau Mihail Kogălniceanu kritisch aufwirft:

„Moldova ... n-are mai mulţi cetăţeni; căci toţi ceilalţi care peste aceşti trei mii

de privilegiaţi şi până la un milion şi jumătate formează populaţia ţării, sunt

numai nişte locuitori dezbrăcaţi de toate driturile, de toată buna stare materială

şi intelectuală şi supuşi numai dărilor şi greutăţilor ţării.” (A67).

Mihail Kogălniceanus Text entspricht mit seinem strukturellen Aufbau aus

<Argumentation + Information + Appell> einem echten Proklamationstext. Die

vorgeschlagenen Reformpunkte werden in einem eigenen Abschnitt explizit

aufgelistet. Dennoch spiegelt sich ein modernes Staatlichkeitsdenken nicht nur in den

34 expliziten Reformpunkten wider, sondern diese werden in den argumentativeren

Teilen des Textes noch einmal hierarchisiert. Auf dem Hintergrund der wichtigsten

Begriffe moderner Staatlichkeit (<Freiheit / Souveränität / freie Meinungsäußerung>,

<Eigentum>, <Sicherheit>, <Widerstand / Petition>, <öffentliche Meinung>,

<Gleichheit>, <Steuerbeitrag>, <Gemeinnutz> sowie <Bevölkerung>, <Volk /

Nation>, <Staatsbürgerschaft>, <Staatsgewalt>, <Repräsentativität und Trennung der

Gewalten>, <Staatsnamen>, <Vaterland>, <Territorium>, <Hauptstadt>, <Wohnsitz>,

<Grenze>) sind die Forderungen – im Text als instituţii bezeichnet –, welche der

Autor und die partida naţională als unerlässlich für die Zukunft der Moldau halten, die

folgenden:

Mihail Kogălniceanu geht in drei Feststellungen implizit von einer öffentlichen

Meinung in der Moldau aus: „vom arăta ambelor curţi şi Europei starea opiniei publice

în Moldova …“; „Reglementul dar nefiind nicidecum expresia voinţei moldovenilor“;

“Tiparul şi orice organ al opiniei publice l-a ţinut înăduşit [Mihail Sturza]” (A6, A21,

A85). Die erste explizite Forderung ist die der Unabhängigkeit im Landesinneren / die

Autonomie (A20). Sie wird etwas später im Text präzisiert als <absolute

Unabhängigkeit der inneren Administration> (Neatârnarea administrativă … în toate

189

cele din lăuntru, fără amestec a orice puteri străine, A23), aber auch <Unabhängigkeit

der Gesetzgebung> (Neatârnarea … legislativă … în toate cele din lăuntru, fără

amestec a orice puteri străine, A23). Die moldauischen Liberalen fordern desweiteren

die Einführung von für das Land angemessene Gesetze (A21; o bună legislaţie, A93)

und, präziser, die Aufstellung von Gesetzen für die Polizei (Întemeierea legilor de

poliţie sowie von zeitgemäßen Bußanstalten / aşezăminte penitenciare potrivite cu

veacul; A55), desweiteren die <Einhaltung der Gesetze/Gesetzmäßigkeit> (z.B. seitens

der Klöster, A56) sowie die <Eindämmung der staatlichen Korruption> im Lande

(A31, A56). Gefordert wird auch die <Souveränität des Volkes> und zwar in der

Forderung einer – wie einst – alle Stände repräsentierenden Nationalversammlung

(Adunarea obştească de reprezentanţii tuturor stărilor societăţii, A25), dann auch in

der Forderung eines von der Allgemeinen Versammlung gewählten autochthonen

Repräsentanten der Moldau in Konstantinopel (A34), sowie einen – wie einst – aus

allen Klassen der Gesellschaft gewählten Landesherrn (Domnul ales din toate stările

societăţii după vechiul obicei, A26).

Explizit gefordert wird die – traditionelle – Pressefreiheit (Libertatea tiparului, A29)

sowie die <Freiheit des Kultus> (Libertatea culturilor, A45). Die thematisch

wichtigste Forderung ist die einer (gewissen) <gesellschaftlichen und politischen

Gleichheit> der Moldauer. Diese wird außer in der direkten Forderung (Egalitatea

drepturilor civile şi politice, A24) auch über den Hinweis auf die traditionelle und –

durch die, wie es heißt, nur von außen verursachte Einführung der vecinătate

abgeschaffte – Gleichheit der Moldauer thematisiert: „În Principate nici una din stările

sociale nu era privilegiată; toţi românii puteau ajunge la boierie, adică la funcţii

publice,“ (A24, wiederholt in A59; „În vechea Moldovă, toţi erau deopotrivă”, A61).

Die postulierte Gleichheit umfasst auch eine gleiche (und kostenlose) Bildung für alle

(Instrucţia egală şi gratuită pentru toţi românii, A36) sowie <politische

Rechtsgleichheit aller christlichen Konfessionen> (A48). Im Sinne der thematisierten

Gleichheit der Gesellschaft verkündet der Text die Ablegung aller Ränge sowie

persönlicher oder durch Geburt verliehener Privilegien („intitulaţii aristocraţi, de la

sine şi cu bucurie se lepădă de privilegiile de le au, sau prin moştenire, sau prin legile

înfiinţate“, A58; auch A59) und fordert zugleich <Bürger gleicher Rechte und

Pflichten>: „Obştesc şi adevărat partriotism însă poate să fie numai acolo unde patria

îşi tratează fiii cu o deopotrivă dreptate şi dragoste, supuindu-i la acelaşi îndatoriri şi

drituri“ (A63). Zudem soll das durch die Abschaffung der Ränge gewonnene Geld

dem Staat allgemein Nutzen bringen, also dem <Gemeinnutzen> dienen (A64).

Über die Forderungen der Proklamation von Islaz hinausgehend, in welcher die

dezrobirea ţiganilor statului şi a mănăstirilor gefordert wurde, nicht aber die der

ţigani particulari, plädiert Mihail Kogălniceanu für die vollständige Abschaffung der

Leibeigenschaft (vecinătate / robie), der bodengebundenen Fronarbeit (boieresc) und

der Freilassung auch der zum Besitz von Privaten zählenden Zigeunern (ţigani

particular) und somit für prinzipielle <Freiheit der Person>: „Dezrobirea ţiganilor

statului şi a mănăstirilor rostită de Obştească Adunare, în anii trecuţi, trage de la sine şi

dezrobirea ţiganilor particulari;“ (A65).

190

Ferner thematisiert der Autor durch den Verweis auf das Reglement (Art. 57) und auf

das, nach alter Tradition, dem obiceiul vechi, bestehende Dritul iniţiativ şi de petiţie

pentru Adunare (A33), sowie in der Forderung der Aufstellung einer

Staatsanwaltschaft („Întemeierea ministeriului public. – Aşezarea avocaţilor cere

neapărat şi a procurorilor, care şi există în Ţara Românească.”, A41), der Forderung

der Nichteinmischung des Herrschers in Urteile der Gerichte (Neamestecarea

domnului în ramul judecătoresc şi aducerea în împlinire a sentintelor fără întărirea

sa.”, A43; A42) und der Forderung der Auflösung von allen – gemäß dem Reglement

ungesetzlichen – Sondergerichten und Sonderkommissionen (A44) konkrete Schritte

zu einer <Gewaltenteilung>.

Die Forderung einer <Garantie der individuellen Freiheit und des Wohnorts>

(Închizăşluirea libertăţii individuale şi a domiciliului), welche 1828 und im Reglement

(Art. 358 und 433) festgehalten worden sei, ist in erster Linie auf die Bojarenklasse

bezogen (A35, auch A4). Eine generelle <Freiheit der Arbeit> soll die Entwicklung

des Landes fördern (A57). Zumindest theoretisch auf die Allgemeinheit bezogen ist

auch die Forderung einer <allgemeinen, proportionalen Steuerleistung> (A face parte

la îndatoririle, sarcinile şi dările statului, prin urmare a se supune la contribuţie

generală, fieştecare în proporţia facultăţilor şi a averii sale; A60). Lapidar

angesprochen werden desweiteren eine öffentliche Sicherheit („apropriaţia ţăranilor

este o chestie de siguranţie publică”, A67) sowie die Verwandlung der locuitori săteni

in proprietari und ein – abstrakteres – Eigentum („ce respect către persoane şi către

proprietate s-a păzit? [in Zeiten russischer Besetzung], A86).

Mihail Kogălniceanus Dorinţe enthalten noch eine weitere Reihe von konkreteren und

detaillierteren Vorschlägen für die zukünftige Staatsorganisation. Zu diesen zählen die

<Förderung des Handels> (u.a. durch Abschaffung aller Exportsteuern auf nationale

Produkte, A52; A57), <neues Finanzgebaren> (mit Promulgarea legilor de credit spre

a asigura datoriilor fără excepţie de persoane sowie der Gründung unterschiedlicher

Banken, A57), die Gründung von Berufsschulen (Aşezarea de şcoli profesionale,

A57), <Ausbau von Verkehrswegen> (A57), Regulierung von Tarifen und

<Aufhebung von Zusatzabgaben> (desfiinţarea a orice beilicuri, cărături şi havalele

precum la drumuri publice etc., A57), die <Abgeltung jeder öffentlichen Arbeit nur

mittels Geld> (A57), die Verantwortlichkeit von Ministern und Beamten

(Responsabilitatea miniştrilor şi a tuturor funcţionarilor, A28), die ehemals

gepflogene <Öffentlichkeit> von Sitzungen der Nationalversammlung und Gerichten

(A32), die Aufstellung einer Stadt- und Landgendarmerie (Întemeierea unei garde

urbane şi rurale, A37), die Abschaffung der Todesstrafe und physischer Schläge

(Desfiinţarea pedepsei de moarte şi a bătăilor trupeşti, A39), <Erhöhung des

moralischen und sozialen Status des orthodoxen, insbesonders des niederen Klerus>

(A46), <staatliche Organisation und Finanzierung des katholischen Klerus>,

<Verstaatlichung der den Heiligen Orten unterstellten Klöster> (Înturnarea către stat

a averilor mănăstirilor închinate la locuri străine, A50), die Vereinigung der Moldau

und der Walachei (Unirea Moldovei cu Ţara Românescă, A68), <Dezentralisierung

von Verwaltungskontrolle für Bezirke, Städte, Gemeinden> (A51), <Förderung der

Städte> („Aceste sfaturi ar învia din nou viaţa municipală şi interesul pentru lucrul

public;”, A51), gute Verwaltung (o bună administraţie, A93), <Reform der Justiz>

191

(präziser des Zivil-, Handels- und Strafkodex sowie der Gebahren, A53; sowie der

<Entabsolutierung des richterlichen Urteils>, A38).

Der Diskurs von Mihail Kogălniceanu zielt primär auf eine Stabilisierung des

Staatsinneren als Schutz gegen ein arbiträr-feudales Regime. Der Text erwähnt eine

öffentliche Sicherheit, deren Bestand Mihail Kogălniceanu als wesentlich für den Staat

präsupponiert. Die <Staatsgewalt>, so der (implizite) Diskurs, muss entmachtet

werden, eine <Trennung der Gewalten> wird anhand von konkreten Schritten

vorgeschlagen. Der Autor geht auch von einer öffentlichen Meinung der Moldauer aus.

Desweiteren plädiert er für einen <gleichen Steuerbeitrag> sowie einen

<Gemeinnutzen> für das Land. Die Förderung des Handels, so der Text, forden die

Interessen des Landes.

Mihail Kogălniceanus Dorinţe thematisieren eine ganze Reihe von Allgemeinen

Menschenrechten, so z.B. die <Freiheit>, die als <Handlungsfreiheit und

Bewegungsfreiheit [allerdings der Bojaren]> sowie in einer <generellen Freiheit>

jedes Menschen in der Forderung der Abschaffung der Fronarbeit konzeptualisiert

wird. Der Autor fordert eine prinzipielle <freie Meinungsäußerung>. Er erwähnt auch

das <Eigentum>, das mit dem Bojarenstand assoziiert wird, spricht aber auch von der

Landbevölkerung als Eigentümer. Deutlich erscheint die Forderung von

Reformschritten im juridischen <Widerstand / Petitionsrecht>, insbesonders gegen

absolutistische Herrschaft bzw. staatlich arbiträre Machtausübung. Als staatstragende

Begriffe werden thematisiert die Bevölkerung der Moldauer bzw. der Rumänen,

welche über den Begriff der <Heimat> (patrie) zu einem <Volk / einer Nation>

werden können und sollen. Wenn auch in der Feststellung, dass diese für die Mehrheit

der Moldauer nicht existierte, wird ex negativo die Bedeutung einer

<Staatsbürgerschaft> auch der niederen Gesellschaftsschichten impliziert. Diese wird

in gewisser Weise proklammiert und über die Ebenen Bildung, Konfession, das Recht

auf politische Ämter umzusetzen angedacht. Auch in der <Unverletzbarkeit des

Wohnorts>, welche sich auf Bojarensitze bezieht, und besonders in der Forderung der

<Bildung für alle> und damit einer gewissen impliziten Gleichheit der Gesellschaft,

bezeugt der Text die Bewusstheit des Autors über die Allgemeinen Menschrechte,

allerdings werden diese aber teilweise der hohen Schicht der Gesellschaft vorbehalten.

Der Text thematisiert sehr deutlich die Frage der Autonomie der Moldau, jedoch

(noch) nicht deren Souveränität. Der <Staatsname> und das <Territorium> der Moldau

und Walachei erscheinen durch die Redundanz und Vielfältigkeit ihrer

Bezeichnungsvarianten von größter Bedeutung, aber eben noch nicht gefestigt.

Deutlich stärker, als es z.B. der Diskurs von Simion Bărnuţiu tut, thematisieren

Dorinţele staatstragende Begriffe, von denen nur die Begriffe <Hauptstadt> und

<Grenze> nicht erscheinen. Die Analyse zeigt, dass die Moldau, zum Zeitpunkt der

Verfassung der Dorinţe noch immer in außenpolitischen Abhängigkeiten und

innenpolitisch feudalen, machtarbiträren Strukturen ist, dass allerdings der Diskurs –

aus dem Exil – deutlichen Widerstand dagegen formuliert. Das Hauptaugenmerk des

Textes liegt auf der außenpolitischen Befreiung von der Abhängigkeit von Russland

und der zu realisierenden Durchsetzung eines vereinten Staates auf der Basis von

Moldau und Walachei.

192

VIII

AUF DEM WEGE ZU EINER MODERNEN VERFASSUNG:

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

VIII.1. Themen und Struktur moderner Verfassungen

In mehreren Publikationen haben Gardani, Lindenbauer, Metzeltin und Wochele

aufgrund des Vergleiches vieler Verfassungen und verfassungsähnlicher Texte eine

allgemeine Typologie moderner Verfassungen aufgestellt

(Metzeltin/Lindenbauer/Wochele, 2005, passim; Metzeltin 2007;

Metzeltin/Gardani/Lindenbauer 2008).

Hauptthemen von modernen Verfassungen dürften die Bestimmung der Gemeinschaft,

des Territoriums und der Staatsführung sein, denn Staatsgebilde bestehen aus einem

Staatsgebiet mit bestimmten Grenzen und bedingten für die Gemeinschaft

auszuschöpfenden Mitteln, einer sich notwendigerweise organisierenden Bevölkerung

und einer für die Organisation verantwortlichen Leitung. Die Gemeinschaft besteht auf

Bürgerinnen und Bürgern, denen bestimmte Rechte (wie Freiheit, Gleichheit,

Eigentum, Sicherheit) und bestimmte Pflichten (wie Steuerleistungen) zugeschrieben

werden. Der Staat wird als souverän betrachtet. Im Inneren bedeutet dies, dass

grundsätzlich die Gesamtheit von Bürgerinnen und Bürgern das staatliche Gebaren

tragen. Im Äußeren muss der Staat von der internationalen Staatengemeinschaft

anerkannt werden, sodass Einmischungen von außen in innere Angelegenheiten

ausgeschlossen werden. Diese Souveränität ist allerdings im Allgemeinen

repräsentativ, sie wird in der Praxis von gewählten Vertretern wahrgenommen.

Regelmäßige Wahlen und Petitionsmöglichkeiten erlauben, die gewählten Vertreter zu

legitimieren oder abzusetzen. Bei der Staatsführung werden die Aufgaben auf die

sogenannten Gewalten (Legislative, Exekutive, Judikative) verteilt, welche einander

ergänzen und zugleich kontrollieren. Vorgesehen wird meistens auch ein selbständiger

Rechnungshof.

Berücksichtigen wir die Verfassungen des 19. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des

20. Jahrhunderts, lassen sich folgende Begriffe als zentral betrachten:

<Freiheit / Souveränität / freie Meinungsäußerung>

<Eigentum>

<Sicherheit>

<Widerstand / Petition>

<öffentliche Meinung>

<Gleichheit>

<Steuerbeitrag>

<Gemeinnutz>

<Bevölkerung>

<Volk / Nation>

<Staatsbürgerschaft>

<Staatsgewalt>

193

<Repräsentativität und Trennung der Gewalten>

<Staatsnamen>

<Vaterland>

<Territorium>

<Hauptstadt>

<Wohnsitz>

<Grenze>

Fokussiert man das Territorium, die Bürger/Bürgerinnen und die Repräsentanz

ergeben sich bei einer Untersuchung von Verfassungsdiskursen des 19. Jahrhunderts

folgende Fragestellungen:

Wie wird der Staat definiert (Territorium, Grenzen, politisches System)?

Wie wird der Staat gekennzeichnet (Bezeichnung, staatliche Insignien, Kirche /

Konfessionen, Sprachen)?

Wer ist Staatsbürger (Voraussetzungen)?

Worin besteht die Staatsbürgerschaft (Bürgerrechte und Bürgerpflichten)?

Wer ist der Souverän?

Wer repräsentiert den Souverän (Parlament, Staatsoberhaupt)?

Wer hat Zugang zur Repräsentanz und zu den Ämtern?

Wie wird die Repräsentanz des Souveräns gewählt (Legitimierung der

Repräsentanz)?

Wer macht die Gesetze (nur die Legislative oder die Legislative und die

Exekutive)?

Soll die Legislative monokameral oder bikameral sein (einfache oder doppelte

Repräsentanz)?

Wer soll wie die Exekutive ausüben (Präsident/König, Ministerpräsident/Kanzler

mit Richtlinienkompetenz, Regierung)?

Wem gegenüber sollen die Vertreter der Exekutive verantwortlich sein (dem

Parlament, dem Präsidenten/König)?

Welche Ämter sollen wie limitiert werden (alle; alle, aber nicht der König und

nicht die Richter)?

Wer soll die Judikative wie ausüben?

Wie sollen die Vertreter der Judikative bestellt werden (durch Wahl oder durch

Ernennung)?

Wie soll die öffentliche Verwaltung gestaltet werden (Ämter, territoriale

Einteilungen)?

Wem gegenüber ist die öffentliche Verwaltung verantwortlich?

Wie soll die innere und äußere Sicherheit organisiert werden?

Wer hat den Oberbefehl über die Sicherheitskräfte (Polizei, Armee)?

Wie soll die Organisation des Staates finanziert werden?

Wer ratifiziert das Grundgesetz (Volk, Parlament)?

Die Urheber der modernen Verfassungen, die auf den französischen Erklärungen der

Menschenrechte gründen, dürften als oberstes Ziel, die Verwirklichung der

Bürgerrechte innerhalb eines repräsentativen Nationalstaates haben. Daher definieren

194

sie das Territorium, beschreiben ausführlich die Rechte, aber kaum die Pflichten der

Bürger, bestimmen ausführlich die Befugnisse der verschiedenen Staatsgewalten,

geben einige Angaben über den Staatshaushalt, sagen jedoch noch nichts zur

Landesökonomie. Unter Berücksichtigung dieser Thematiken und ihrer Vertextungen

im 19. Jahrhundert lässt sich für den typischen Aufbau von traditionellen

Verfassungen das nachstehende Schema postulieren:

Allgemeine Bestimmungen (insbesondere das Territorium, die Eigenarten, die

Insignien)

Die Bürger (insbesondere ihre Rechte, später auch ihre Pflichten)

Die Staatsgewalten (allgemein)

Die Legislative: die Abgeordnetenkammer

Die Legislative: der Senat

Die Exekutive: Das Staatsoberhaupt

Die Exekutive: Die Regierung

Die Judikative

Das Finanzwesen

Die Armee

Revisionsbestimmungen

An der Textoberfläche werden in einer Präambel häufig Grundzweck und

Grundprinzipien dargestellt, während die einzelnen Themen in Titel und Artikel

stukturiert werden.

Im folgenden zusammenfassenden Abschnitt (VIII.2.) wird die allmähliche

Entwicklung des konstitutionellen Diskurses unter Berücksichtigung dieser Typologie

synthetisch und vergleichend nachgezeichnet.

VIII.2. Die Herausbildung eines rumänischen Verfassungsdiskurses

Die in unserer Studie analysierten Texte aus der Zeitspanne zwischen Tudor

Vladimirescu und Mihail Kogălniceanu stellen merhheitlich noch keine Verfassungen

im eigentlichen Sinne bzw. Verfassungen in nuce dar, lassen sich aber als Diskurse

über Verfassungsthemen interpretieren. Dabei kodieren sie unterschiedliche

Diskurswelten und Etappen in der Genese der modernen rumänischen

Staatsauffassung und entwickeln die verschiedenen Themen der <Staatlichkeit>

unterschiedlich stark. So charakterisieren sich die Texte Tudor Vladimirescus (cf. Kap.

IV.8-10.) texttypologisch wie inhaltlich als programmatisch-revolutionär und

argumentativ (cf. den religiös-moralisierenden Ton von Padeş). In ihnen wird bereits

eine Modifizierung der gesellschaftlichen wie staatlichen Organisation des Landes (der

Walachei) vorgeschlagen. Vladimirescus Texte zeigen allerdings deutlich die noch

sehr starke Abhängigkeit in erster Linie von der Pforte, aber auch vom Zarenreich und

dem österreichischen Kaiserreich, welche als Garantiemächte angerufen werden. Man

kann bei den Texten noch nicht von Souveränität, aber doch von einer inneren

Autonomie sprechen, die über eine Entgräzisierung der Landespitze, der Aristokratie

und der Kirche führen soll. Als soziale Reform ließe sich der Versuch deuten, die

Unterdrückung der Bevölkerungsmasse durch Leibeigenschaft und durch zu hohen

195

Steuern zu mildern, allerdings ohne das feudalistische System als solches in Frage zu

stellen. Hinzu kommen erste bruchteilhafte vage „demokratischere” Vorstellungen wie

die eines Allgemeinen Willens (opinie publică), eines Gemeinwohls (binele obştesc)

oder der Wahl nach Meriten, und nicht nach Ämterkauf. Die Proklamation von Padeş

ist ein eher pathetisch gehaltener Aufruf, während die Cereri eine punktuelle

Auflistung von Forderungen ohne deutliche thematische Aufteilung sind.

Viel entwickelter als die Texte von Tudor Vladimirescu erweist sich die sogenannte

und in der Moldau redigierte Cărvunari-Verfassung aus dem Jahre 1822 (cf. Kap. V.).

Der Text ist in Punkten eingeteilt, allerdings werden verschiedene Kernthematiken

sehr verstreut und teilweise zu spezifisch behandelt, sodass wir aus heutiger Sicht von

einer Art Vermischung von Grundgesetz und spezifischer Judikatur sprechen können.

Unsere Analyse hat gezeigt, dass von den grundsätzlichen Menschenrechten außer der

<freien Meinungsäußerung> alle, also <Freiheit>, <Gleichheit>, <Eigentum>,

<Sicherheit>, <Petitionsrecht> mehr oder weniger thematisiert, von den

staatstragenden Begriffen <Bevölkerung>, <Volk>, <Staatsbürgerschaft>,

<Staatsgewalt>, <Repräsentativität>, <Trennung der Gewalten>, <Vaterland>, nicht

aber der (spätere) <Staatsnamen> oder Begriffsfelder wie <Territorium>,

<Hauptstadt>, <Wohnsitz>, <Grenze> konzeptualisiert worden sind. Ferner wird auch

das Gemeinwohl des Landes thematisiert. Von einer Souveränität der Moldau ist noch

keine Rede, es wird aber diskursiv eine gewisse Autonomie suggeriert, z.B. durch die

behauptete Erlaubnis, einen autochthonen Landesherrscher zu haben (volnicia de a se

oblăndui cu ocârmuitorul său). Wie schon bei Vladimirescu führt der Weg in mehr

Autonomie auch über eine Entgräzisierung der Kirche, deren Führungsschicht

einheimisch sein soll. Auffällig ist auch der Hinweis auf die Förderung der

Landessprache. Eine Trennung der Gewalten wird versucht, aber ihre Zuständigkeiten

sind noch nicht klar getrennt. Neu aufgewertet werden soll gegenüber dem domn der

Allgemeine Rat (sfat obştesc), der sich später zu einer nationalen Repräsentanz

entwickeln könnte.

Die Sekundärliteratur spricht zwar von einer Verfassung, und im Text ist einmalig von

„pravila ţărei“, Landesgesetz, die Rede, jedoch beginnt der Text mit dem Wort Cereri,

Forderungen, und spricht auch im Weiteren von einer jalbă, eines Gesuchs, das dem

Sultan vorgelegt werden soll. Konzeptionell kann man also noch nicht rein von einer

Verfassung sprechen. In einem Verfassungstext würde man auch nicht die immer

wiederkehrende <Gesetzeswirksamkeit> erwarten. Ebenso unüblich für eine moderne

Verfassung ist die starke Präsenz von einzelnen Formen des Finanzgebarens.

Als deutlich verfassungsartig in Struktur und Inhalt erweist sich das, mit dem

sogenannten Vereinigungsakt (Act de unire) zusammenhängende Verfassungsprojekt

aus dem Jahre 1838, von I.C. Câmpineanu (cf. Kap. VI.). Erst wenn man beide Texte

zusammen betrachtet, entwerfen sie ein vollständigeres Bild einer modernen

Verfassungskonzeptualisierung. Während der Act, der eine mögliche Reaktion der

Pforte auf eine Vereinigung der Rumänen auszuschalten versucht, stärker

argumentativ ist, behandelt das Proiect de constituţie in sachlich-knapper Auflistung

bereits die Mehrheit der von uns untersuchten Menschenrechte (ausgenommen

<Widerstand / Petition) und die staatstragenden Begriffe <Bevölkerung>, <Volk /

196

Nation>, <Staatsbürgerschaft>, <Staatsgewalt>, <Repräsentativität und Trennung der

Gewalten>, <Vaterland>; ferner auch <Armee> und <Nationalgarde>. Diese

Prinzipien sind nach Punkten ([a] – [r]) gereiht. In der Konzisheit einer Verfassung

entwirft das Proiect de constituţie einen schon deutlich präzisierten Staat mit

unveräußerbarem Territorium (einem bewusst in Anspruch genommenen Raum, cf.

hierzu auch den Act de unire) und mit einem konstitutionell herrschenden Regenten

mit den Attributen eines modernen Staatsoberhauptes (Unantastbarkeit). Der Staat

gewährt allgemeine Rechte (Gleichheit vor dem Gesetz, insbesonders bei

Ämterbesetzung, Freiheit des Individuums, Freiheit der gesprochenen und gedruckten

Meinungsäußerung; cf. auch das allgemeine Recht auf Sicherheit und Garantie des

Individuums im Act de unire) und verlangt von den Bürgern eine gleiche

Steuerleistung. Es zeichnet sich eine beginnende Gewaltenteilung ab: dem

Staatsoberhaupt obliegt die Exekutive und eine mit der Nationalen Repräsentanz zu

teilende legislativen Macht, Legislative und Judikative genießen Unabhängigkeit von

der Exekutive, die Ministertätigkeit wird v.a. im Finanzgebaren durch eine

Reprezentanţia naţională kontrolliert. Die Bedeutung von Revision wird im Act de

unire in Bezug auf das Regulament organic angesprochen.

Auch wenn das Proiect de constituţie einige, für eine moderne Verfassung sehr

weitgehende Vorschläge enthält (Einrichtung eines Ehrenordens, Gründung einer

Nationalgarde), lässt sich behaupten, dass I.C. Câmpineanu den ersten moderneren

Verfassungstext redigierte (cf. auch die Bezeichnung rum. Constituţie / frz.

Constitution im Text selbst). In diesem Text werden neben den erwähnten wichtigen

Menschenrechten auch die Herrschaft eines von außen unabhängig regierenden

suveran (cf. das implizite Ziel der Souveränität der Rumänen im Act de unire) sowie

eine skizzierte zukünftige (Mit)Bestimmung des Volkes bei Ministervorschlägen

(Proiect de constituţie, Punkt r) vorgeschlagen. Andere Staatseigenschaften

(Staatsname, Hauptstadt, Wohnsitz, Grenzen) scheinen noch ausgeblendet zu sein. Der

Staat ist aber durch den Plan der Vereinigung der Rumänen in deutlicher

konzeptioneller Vorbereitung. Sie verläuft über die namentliche Vereinheitlichung der

Bevölkerung der Walachei und Moldau als rumâni, mit der Bedeutung von

<Bewohnern der Moldau bzw. der Walachei>.

Eine ganz andere Textwelt als die bisherigen führt uns die Rede von Blaj vor Augen

(cf. Kap. VII. 1.). Primäres Ziel des Autors Simion Bărnuţiu war es, die Vereinigung

der Siebenbürger Rumänen mit Ungarn zu verhindern. Dazu redigierte er eine

Beweisführung dafür, dass die Ungarn die Siebenbürger Rumänen national

auszulöschen drohten und ein Ja zur Vereinigung den Tod der rumänischen Nation

bedeutete. Diese Botschaft ist argumentativ und rhetorisch stark amplifiziert. Der

Diskurs von Blaj hat, im historischen Augenblick Siebenbürgens, nicht die Priorität,

Kriterien einer zukünftigen Staatsorganisation oder Staatlichkeit aufzustellen. So

gesehen, ist die Rede von Blaj weder eine Verfassung noch verfassungsartig. Dennoch

hat sie wichtige Kernkonzepte der (späteren) Verfassungen auf- und

vorweggenommen. In der drohenden Gefahr der politischen Einverleibung

Siebenbürgens durch Ungarn und einer ausführlichen Thematisierung der, im

Vergleich zu den historischen Rechten der ungarischen Aristokratie weitgehenden

Rechtlosigkeit der Rumänen werden implizit und explizit die notwendigerweise zu

197

erzielenden Rechte der rumänischen Nation angesprochen, in deutlich geringerem

Maße auch jene staatstragenden Begriffe, die wir untersuchen. Es fällt auf, dass als

wichtigste Semantik die <Souveränität> der rumänischen Nation aufscheint. Sie wird

aber kaum mit diesem Lexem, sondern mit Begriffen wie <Freiheit>,

<Unabhängigkeit> oder <Autonomie> von oder gegenüber den Ungarn thematisiert.

Zugleich erscheint die Freiheit der Nation als Garant für die Freiheit der Person.

Freiheit des Staates (Souveränität) und Freiheit der Person sind hier enger ineinander

verflochten als dies in den anderen untersuchten Texten der Fall ist. In einigen

Passagen schreibt Simion Bărnuţiu dem Volk Souveränität (A67) sowie eine

zukünftige nationale Repräsentanz zu. Es werden mehrere allgemeine Menschenrechte

thematisiert, primär, wie schon gezeigt, die (allgemeine) Freiheit der Person, nur

punktuell auch die <freie Meinungsäußerung>. Das Feld <Gleichheit> wird im

Anspruch auf Rechtsgleichheit mit den Ungarn, auf das Recht der Benützung der

eigenen Sprache, auf dieselbe Bildung sowie als Gleichheit in der Steuerleistung

konzeptualisiert. Es fehlen die Grundbegriffe <Eigentum>, <Sicherheit> und

<Widerstand / Petition>.

Als staatstragende Begriffe erscheinen v.a. die <Bevölkerung>, sehr oft als Synonym

zu <Nation>, dann auch die (alte) <Heimat> und implizit das <Territorium>. So wird

der Rechtsanspruch der ungarischen Nation auf den Raum in metaphorischer Weise

negiert. Der Wechsel der Bezeichnungen für die Siebenbürger Rumänen zwischen

Ethnonymen (români, <dacoromani>, ardeleni), Gattungsnamen (locuitori, popor,

naţie) und Gesellschaftsklasse (şerb, coloni) wie auch die häufige Bezeichnung des

Landes mit einem Gattungsnamen oder Abstraktum (ţară, pământ al..., patrie, naţie)

zeigen die Siebenbürger Rumänen auf ihrem Wege zu einem Staatsvolk, welcher

zunächst über die Schaffung einer Nation verläuft, um deren Wohl es geht. Ein

Staatlichkeitsdiskurs ex negativo blendet Begriffe wie <Staatsbürgerschaft>,

<Staatsgewalt>, <Repräsentativität und Trennung der Gewalten>, <Staatsnamen>,

<Hauptstadt>, <Wohnsitz>, <Grenze> vollständig aus.

Die Proklamation von Islaz vom 9./21. Juni 1848 wiederum enthält einen Abschnitt,

der inhaltlich wie strukturell (cf. die in Punkten gereihten Forderungen)

verfassungsartig ist (cf. Kap. VII.2.). Und auch wenn dieser Abschnitt punktuell auch

nicht Verfassungsprogrammatisches thematisiert (z.B. die vorgesehene Reduktion des

Haushaltsbudgets des Regenten zugunsten des Volkes), sprechen die Revolutionäre

der Walachei deutlich und selbstbewusst von einer Verfassung (Constituţia). Auch ist

eine Verfassungsgebende Versammlung (Adunanţe generale estraordinare

constituante vorgesehen, Punkt 22 des Verfassungsteils). Es fällt auf, dass der

„Verfassungstext“ stark ko-textualisiert, d.h. in vorangehende und nachfolgende

argumentativ-narrativ-appelative Abschnitte eingebettet ist (cf. die Rethorik der

göttlichen Legitimation, den impliziten Diskurs über historische Rechte etc.). Das

primäre Ziel der Revolutionäre ist es, das russische Protektorat abzuschaffen. Wie

auch im Blajer Text wird dabei als wichtigstes Thema die Souveränität der Walachei

zum Ausdruck gebracht und zwar v.a. über die Lexeme der Unabhängigkeit und

Autonomie, in der Herrscherwahl usd nd in einem erweiterten Wahlrecht. In der

Argumentation gegenüber den Außenmächten ist nicht das Land oder der zukünftige

Herrscher, sondern das Volk souverän, sein Wille gilt (Popolul român hotăreşte /

198

popolul român voieşte / popolul român împarte). Die Ansprüche der national-

staatlichen Selbstbestimmung der bisherigen Texte überschreitend, werden im Islazer

„Verfassungstext” eine stärkere diplomatische Symbolik nach außen (cf. den Einsatz

eines eigenen Diplomaten in Konstantinopel) und eine Nationalbank vorgesehen, im

argumentativen Teil der Proklamation zudem die Nationalfarben erwähnt und eine

Nationalgarde wie auch tiefgreifendere Verbesserung des Status der autochthonen

Sprache anvisiert. Ähnlich wie im Diskurs von Tudor Vladimirescu, verläuft der Weg

in die national-staatliche Unabhängigkeit über die weitere Entgräzisierung im Inneren

(cf. die geforderte Selbstverwaltung der Klöster des Landes). Mit den Isosemien

<Bevölkerung>, <Volk / Nation>, <Staatsbürgerschaft>, <Vaterland>, nicht jedoch

<Trennung der Gewalten>, <Staatsnamen>, <Staatsgewalt>, <Repräsentativität der

Gewalten>, <Territorium>, <Hauptstadt>, <Wohnsitz>, <Grenze> werden nicht viel

mehr staatstragende Begriffe als in Blaj thematisiert, allerdings hat das Volk, popolul

român, wie schon gezeigt, souveräne Attribute. Und auch hier ist die patrie wichtigster

Identitätsfaktor für Volk und Motivation für die Staatswerdung. Die Vorstellung von

Bürgern, welche (dieselben) Rechte und Pflichten genießen und ihre Würde haben, ist

deutlicher explizit.

Unter Ausblendung der Konzeption von <Widerstand / Petition>) sind alle von uns

untersuchten Kernbegriffe der Erklärung der Menschenrechte aufgegriffen und, im

Verfassungsteil oder im argumentativen Teil der Proklamation, thematisiert. Die

allgemeine Freiheit der Person ist u.a. in der expliziten Souveränität und im Willen des

Volks / der Bürger implizit. Diese sollen absolute Meinungsfreiheit und materielle wie

persönliche Sicherheit genießen. In verschiedenen Passagen und verschiedenen

Kollokationen ist, viel weitgehender als in den bisher untersuchten Texten, das Feld

der <Gleichheit> thematisiert. Zumindest spricht unser Text von politischer und ziviler

Gleichheit, auch wenn damit erst noch eine Angleichung der Bojarenklassen bzw. die

aller freien Personen gemeint ist. Eine theoretische Gleichheit der Rumänen ergibt sich

aus dem Konzept einer aus allen freien Gesellschaftsschichten gewählten nationalen

Repräsentanz, aber auch aus der diskursiven Angleichung der Gesellschaftsklassen

(Abschaffung der Titel), der Strafausmaße, des Steuerbeitrags, der Bildungschancen,

der Konfessionen. Selbst in der Bodenfrage wird eine (gewisse) Angleichung

zwischen alten Bodenbesitzern und den Bauern angezielt. Letztere sollen zukünftig

soviel Boden erhalten, dass sie Familien und Tiere erhalten können. Der Anspruch der

Naturrechte, dass alle Menschen gleich sind, wird im Verfassungsabschnitt auch für

die Zigeuner vorgesehen, die Leibeigenschaft (robie) allerdings nur bedingt

abgeschafft. In der Propagierung von staatlicher Unabhängigkeit, Volkssouveränität

und einer weitgehenderen sozialen Gleichheit spiegeln sich wichtige Ansätze

moderner Verfassungsmäßigkeit.

Auch Dorinţele Partidei Naţionale din Moldova vom August 1848 sind keine

Verfassung in formal-struktureller Hinsicht (cf. Kap. VII.3.). Sie sind ein Plädoyer

Mihail Kogălniceanus für die von ihm als notwendig erachtete Erneuerung der

Moldau, die er vielfach aus den historischen Institutionen der Moldau legitimiert.

Auch sein Text ist stark argumentativ (cf. die Betonung der historischen Rechte der

Rumänen) und rhetorisch amplifiziert, greift aber viele der modernen

Verfassungsthematiken auf. Inhaltlich und strukturell ist dieser Text der Proklamation

199

von Islaz sehr ähnlich. Oberstes Ziel ist die (Wieder-)Erlangung der vorerst inneren

Autonomie der Moldau (und Walachei), die sich in außenpolitischen Abhängigkeiten

befinden, sowie die Vereinigung dieser beiden Fürstentümer als Kern einer national-

staatlichen Bildung. Wie in Islaz werden die absolute Unabhängigkeit des Inneren und

die <Souveränität des Volkes> postuliert. Beide werden in einer, alle Stände

repräsentierenden Nationalversammlung (Adunarea obştească de reprezentanţii

tuturor stărilor societăţii) und der Wahl eines aus allen Klassen der Gesellschaft

gewählten Landesherrn (Domnul ales din toate stările societăţii după vechiul obicei)

konkretisiert. Ein ebenso gewählter autochthoner Repräsentant soll im Äußeren die

Moldau in Konstantinopel stärker symbolisch vertreten, eine Nationalbank dem

Aufbau des Staates im Inneren verhelfen. Auch hier soll die Kirche dem griechischen

Einfluss entzogen werden (cf. die <Verstaatlichung der den Heiligen Orten

unterstellten Klöster>).

In den Begrifflichkeiten der Menschenrechtserklärung ist der Text der Proklamation

von Islaz sehr ähnlich. Dabei thematisieren Mihail Kogălniceanus Dorinţe die längste

und vollständigste Reihe der von uns untersuchten Begriffe der Allgemeinen

Menschenrechte und geben zusätzliche Konzeptualisierungen an. So erscheint die

<Freiheit> nicht nur als <allgemeine / generelle Feiheit> [aller Menschen], sondern

auch als <Handlungsfreiheit und Bewegungsfreiheit [der Bojaren]>,

<Meinungsfreiheit>, <Freiheit der Konfession>, <Freiheit der Arbeit>, <Freiheit des

Wohnorts [für Bojaren]>. Auch die hier erwähnte <Gleichheit> umfasst alle Felder der

Gleichheit von Islaz (die individuelle, politische, zivile Gleichheit mit den gleichen

Rechten auf Bildung, Konfession, Ämter, proportionaler Steuerleistung etc.). Der Text

überwindet auch die – noch in Islaz – beschränkte Gleichheit der Zigeuner. Ferner

werden erwähnt oder argumentiert die Frage des <Eigentums> der Bojaren und die

Verwandlung der Bauern (locuitori săteni) in Bodenbesitzer (proprietari), die

<Sicherheit> und punktuell auch <Widerstand / Petition> und <öffentliche Meinung>

in der Moldau. Der Text enthält noch eine weitere Reihe von Vorschlägen für die

zukünftige Staatsorganisation, die jedoch nicht unmittelbar verfassungsrelevant sind,

sondern konkrete Reformschritte (<Förderung des Handels>, Gründung von

Berufsschulen, Aufstellung einer Stadt- und Landgendarmerie, <Erhöhung der Moral>

etc.).

Deutlich stärker als die bisherigen Diskurse thematisieren Dorinţele, im Diskurs

präzisierte, staatstragende Begriffe, von denen nur die Begriffe <Hauptstadt> und

<Grenze> nicht aufscheinen. Deutlich wird auch das Bewusstsein der Notwendigkeit,

die <Staatsgewalt> in Gewalten zu trennen, so soll z.B. der Herrscher keine

richterliche Letztentscheidung haben („Neamestecarea domnului în ramul judecătoresc

şi aducerea în împlinire a sentintelor fără întărirea sa.”, A43; auch A42), jedoch der

Staat über die Instanz einer Staatsanwaltschaft (ministeriul public) verfügen können.

Die redundante und mannigfaltige Thematisierung des <Staatsnamens>, des

<Territoriums> der Moldau und Walachei und der <Bevölkerung> spiegeln, mehr als

in den anderen Texten, die Dringlichkeit einer namentlichen Staatsgründung wider.

Wie in Islaz verläuft die Konstruktion des Staates über die Begriffe <Nation> +

<Heimat>, aber verstärkt auch über das Ethnonym Rumäne.

200

VIII.3. Vorprojekte zur Verfassung von 1866

Schon bei den Friedensverhandlungen von Paris wurde es deutlich geworden, dass die

Staatlichkeit der rumänischen Fürstentümer weiter entwickelt werden sollte. Die Ad-

hoc Versammlungen beider Fürstentümer sollten den Garantiemächten ihre Wünsche

vorlegen, und diese als Basis für die 1858 in Paris von den Signatarstaaten erarbeite

Konvention für die Organisation der Fürstentümer (kurz Convenţia de la Paris)

herangezogen werden. Der Konvention wurde auch eine Wahlordnung (Stipulaţiuni

electorale anexate la Convenţiunea din 19 august 1858) hinzugefügt. Die Prinzipien

dieser Konvention zeugen schon deutlich von einer Verfassungsmäßigkeit (cf.

Abschnitt I.4.), allerdings einer eben noch von außen gewährten. Vorgesehen waren

gewisse Schritte für die Vereinheitlichung der Organisation der beiden Fürstentümer

durch die Institution der Comisia centrală sowie eines, ebenso für Walachei und

Moldau zuständigen <Obersten Gerichtshofs>, für beide mit Sitz in Focşani (cf. Art.

27. und 35. der Konvention). Die Comisia Centrală, deren Zuständigkeiten primär

legislative waren, bestand von 1859 bis 1862. Sie sollte auch ein Grundgesetz

ausarbeiten. Doch dieses von ihr 1859 ausgearbeitete Verfassungsprojekt wurde von

Cuza nicht approbiert. Dennoch wollte der Regent die Reformen, die in der Convenţia

de la Paris angelegt waren, umsetzen und er wollte zu einer (inneren) Verfassung

kommen (Filitti 1929, 366).

Am 30. Juli/11. Aug. 1863 ließ Cuza seinem Ratgeber Costache Negri ein

Verfassungsprojekt zukommen (Filitti 1929, 367). In der Außenpolitik führte dies

zunächst zu einer Spannung. Ali Pascha, welcher die Pforte vertrat, kontaktierte die

Botschafter der Signatarmächte der Convenţia und verlangte, die Verfassungsänderung

von diesen Staaten approbieren zu lassen. Der rumänische Herrscher war verärgert,

sah dies als Einmischung, weil aus seiner Sicht die Änderungen nur die Innere

Organisation des Landes betroffen hätten. Konfliktuell kam hinzu, dass am 12./24.

Nov. 1863 Djemil Paşa die (unmodifizierte) Verfassung der Convenţia von der Pariser

La Nation in extenso abdrucken ließ. Dennoch scheint im selben Monat das Projekt

von Ali Pascha und von den neben der Pforte akkreditierten Botschaftern approbiert

worden zu sein. Cuza hatte auch im Inneren Schwierigkeiten, denn er hatte die

Adunare (Versammlung) nicht informiert (Filitti, 1929, 378-382). Die Lage im Inneren

scheint sich überstürzt, der Herrscher keinen anderen Ausweg gesehen zu haben als

die Adunare am 2./14. Mai 1864 per Dekret aufzulösen und mit einem Staatsstreich

bestimmte Reformen durchzusetzen. In einem Plebiszit ließ er über ein neues

Agrargesetz, ein neues Wahlgesetz (Aşezământ) sowie über ein Dokument, das als

Statutul desvoltătoru Convenţiunei din 7./19. Augustu 1858 bzw. Statutul lui Cuza

bekannt wurde, abstimmen. Die Interpretationen dieses Statut sind unterschiedlich. Im

Text selbst wird es eher als Annex zur Konvention erklärt (cf. das Wort act adiţional),

auch blieb die Konvention von Paris de facto bis zum 1. Juli 1866 in Kraft. Für einige

gilt das Statut von Cuza aber als die erste wirkliche Verfassung. Auch Filitti

argumentiert in diese Richtung. Die Bezeichnung Statutul desvoltătoru Convenţiunei

din 7./19. Augustu 1858 hätte Cuza außerdem gewählt, um die Außenmächte nicht zu

verärgern.

201

Die 1863-er Verfassung konnte nicht zu Ende gebracht werden, doch dürfte sie den

Text von 1864 mitbeeinflusst haben (Filitti 1929, 382). Im Juni 1864 anerkannten die

Großmächte die Modifizierung der Convenţiei und das Recht der Fürstentümer, interne

Gesetze zu modifizieren. Allein bis Ende des Jahres habe es an die 40 Gesetzesdekrete

gegeben.

Um die Texte von 1863 und 1864 hier kurz in ihrer Bedeutung zu erfassen, gehen wir

noch einmal auf die Bestimmungen der Convenţia de la Paris ein (cf. auch Kap. I.4.).

Hier wird eine erste Gewaltenteilung skizziert. Walachei und Moldau werden, trotz

des Plans einer gewissen Vereinheitlichung noch als eigenständige Fürstentümer

konzeptualisiert, die Öffentlichen Gewalten (Puterile publice) von den jeweiligen

Herrschern der beiden Fürstentümer und den Wahlversammlungen ausgeübt: “Puterile

publice voru fi încredinţate, în fie-care Principatu, unui Hospodaru şi unei Adunări

elective ce voru lucra în casurile prevedute de acéstă convenţie cu concursulu unei

comisii centrale, comună ambeloru Principate” (Art. 3.). Dabei obliegt dem

Landesherrscher die Exekutve (“Puterea esecutivă va fi esersată de Hospodaru.”, Art.

4.), dem Landesherrscher, der Wahlversammlung und der Zentralen Kommission,

einer Art zweiten Versammlung gemeinsam die Legislative (Puterea legiuitóre).

Letztere überwacht die Einhaltung der konstitutiven Gesetze: „Disposiţiile constitutive

nouei organisaţii a Principateloru sunt puse sub paza Comisiei centrale.“ (Art. 32. und

35.). Sie kann Verbesserungen für die Administration vorschlagen (Art. 32.), bereitet

Gesetze allgemeinen Interesses für beide Fürstentümer vor (Art. 6. und 33.) und

unterbreitet diese zur Debattierung den Adunări (Art. 33.). Ihr fällt auch die

Zuständigkeit für die Revision der Regulamente Organice und der allgemeinen

Gesetzgebung:

„Ea va revidui regulamentele organice precumu şi codicile Civile, Criminale, de

Comerţu şi de Procedură, ast-fel încât, afară din legile curatu de interesu localu,

să nu mai fie în viitoru de câtu unului şi acelaşi trupu de legislaţie, care să se

esecute în ambele Principate, după ce va fi votatu de către respectivele Adunări,

întăritu şi promulgatu de fie-care Hospodaru.“ (Art. 35).

Die Wahlversammlung (Adunarea alegătóre), zu deren Mitgliedern der Metropolit

und die Erzbischöfe (Art. 16.) zählen, debattiert und votiert außer den

Gesetzesinitiativen, auch das Budget (Art. 22.) und alle einhebbaren Steuern (Art. 25.).

Die Judikative (Puterea judecătoréscă) wird im Namen des Landesherrschers und de

facto von Beamten seiner Wahl ausgeübt (cf. Art. 7. und die Einrichtung einer Înaltă

Curte Judecătorească şi de Casaţie in Art. 15. und 38.). Noch stellt die Konvention

die klare Suzeranität der Pforte fest (cf. die Regelung des Tributs und die

„Gegenleistung” der Pforte in Form von Schutz im Äußeren sowie Ordnung im

Inneren, Art. 8.). Die Hospodarii werden aber eigene, autochthone Repräsentanten

(agenţi oder Capu-Chehaia) bei der Pforte haben (Art. 9.). Der Hospodar regiert mit

von ihm ernannten Ministern, er bestätigt und promugiert die Gesetze, er bereitet das

Budget vor und unterbreitet es der Adunare (Art. 14.). In einem der letzten Artikel

(46.) werden die Allgemeinen Rechte des Menschen, die Freiheit der Person im

Rahmen der Gesetzekonformität, Enteignung nur für den Gemeinnutzen und gegen

202

Entschädigung, Gleichheit der politischen Rechte, aller Konfessionen östlichen Ritus,

prinzipielle gesellschaftliche Gleicheit festgehalten.

Was den Verfassungstext Cuzas aus dem Jahre 1863 betrifft, lässt sich aufgrund der

Artikel 6 und 24 (Vorsehung der Institution einer Inaltă Curte de Justiţie ohne

weiteres Eingehen auf eine <Judikative>) vermuten, dass der Text noch nicht

fertiggestellt, zur Ausformulierung im ursprünglichen Sinne keine Zeit mehr war. Die

Tatsache dass trotz des starken französischen Einflusses Artikel 1 der Französischen

Verfassung über die Allgemeinen Menschenrechte fehlt, führt Filitti (1929, 368-369)

auf eventuelle persönliche Erwägnisse Cuzas zurück. Trotz dieses Fehlens geht der

Text, der primär die Staatsform aufbaut, über die bisherigen Verfassungskonzepte

hinaus. Auch lässt sich argumentieren, dass schon der faktische Anspruch auf

Nichteinmischung, den Cuza im Kontext des historischen Geschehens gegenüber der

Pforte zeigte, die zukünftige Staatssouveränität vorwegnimmt. Zwar nur mit wenigen

semantischen Feldern, hauptsächlich zur <Staatsgewalt> und <Trennung der

Gewalten>, baut dieses Verfassungsprojekt an der Textoberfläche eine moderne

Verfassungsstruktur auf, die sich in größere Abschnitte und diese wiederum in 67

Artikel gliedern. Sie nimmt dabei die typische Aufstellung und Reihenfolge der

Thematik <Staatsgewalt> der modernen Verfassungen vorweg. Dem Domnitor oder

şeful de stat obliegt mit der Hilfe von Ministern die Regierung ([Abschnitt 1] Despre

ocârmuire, Art. 1.-7.). Die im Titel nicht mit diesem Lexem benannte <Legislative>

besteht aus zwei <Kammern>, einem Senat (cf. ([Abschnitt 2] Despre Senat, Art. 8.-

24.) und einer Wahlversammlung ([Abschnitt 3] Despre Adunarea electivă, Art. 25.-

53.). Filitti gemäß ist die Konzeption von zwei Kammern eine der großen Neuerungen,

die erstmalig seit den Reformprogrammen der 20-er Jahre die einzig bestehende

Adunare obştească ablösen sollte (1929, 369). Noch sind auch in diesem Text die

Gewalten nicht deutlich getrennt, sondern die Legislative vom Regenten, Senat und

der Wahlversammlung getragen (“Puterea Legiuitoare se exercită împreună de

Domnitor, de Senat şi de Adunarea electivă.”, Art. 3.). Zugleich werden zwei

Kontrollorgane vorgesehen (Consiliul de Stat şi Curtea de compturi, [Abschnitt 4] Art.

54-65.), die aber provisorisch durch ein Comitet de legislaţiune und ein Comitet de

finanţe vertreten werden (Art. 54., 55.). Sie bereiten Gesetzesprojekte vor bzw. sie

kontrollieren das Budget (Art. 60.). Damit sind Vorstufen eines heuten

Verfassungsgerichtshofes und Rechnungshofes angedacht. In der Wahlordnung der

Abgeordneten überwand Cuza, Filitti zufolge (1929, 375), das System der

Repräsentation von Ständen, wie es 1848, dann im Ad-hoc Diwan und auch von der

Comisia centrală von Focşani verlangt worden war. Er führte stattdessen ein einziges

Wahlkollegium, mit der Unterscheidung zwischen zwei Klassen von Wählern

(alegători primari und alegători direcţi) ein. Zwar führte auch die Verfassung von

1863 ein zensitäres Wahlsystem weiter, jedoch, so könnte man sagten, ein

gemäßigteres (statt der jährlichen Mindeststeuer von 96 Lei, nun 48 Lei; Filitti, 1929,

375). Ein neuer Staatsname bleibt noch ausgeblendet (Ocârmuirea Principatelor

Unite, Art. 1). Laut Filitti ist der Text von der französischen Verfassung vom 14.

Jänner 1852, die bis 1863 in Kraft war, stark beeinflusst (1929, 368).

Vergleicht man den Text von 1863 mit dem Statut von Cuza aus dem Jahre 1864,

welches aus 18 Artikeln und einem Anhang (Modificaţiuni îndeplinitóre Statului în

203

Preambulul Statutului) besteht, entsteht der Eindruck, dass, obwohl im Statut die

Konvention von Paris als Grundgesetz anerkannt und das Statut als actu adiţionalu alu

Convenţiunei erklärt wird, beide Texte sehr Ähnliches und in sehr ähnlicher Weise

formulieren. Die öffentlichen Gewalten (Puterile publice) werden festgelegt, sie

unterstehen dem Domn, einer Adunare ponderatrice [in den Modificaţiuni als Senatu

bezeichnet] und einer Adunare electivă (Art. 1.). Auch hier ist eine noch nicht ganz

deutliche Gewaltenteilung abgezeichnet. Das zukünftige Parlament wird als eines aus

zwei Kammern bestehendes konzipiert. Der Regent alleine hat das Recht,

Gesetzesinitiativen vorzulegen, diese werden von den zwei Versammlungen, der

Adunare ponderatrice / Corpului ponderatoriu (bestehend aus dem Metropoliten,

Erzbischöfen, dem ersten Präsidenten des Kassationshofes, dem ältesten dienenden

General und weiteren 64 Mitgliedern) und der Adunare electivă, debattiert und votiert

(„Puterea Legiuitóre se esercită colectivu de Domnu, de Adunarea ponderatrice şi de

Adunarea electivă.”, Art. 2.; „Domnulu are singuru iniţiativa legiloru; elu le pregătesce

cu concursulu Consiliului de Statu şi le supune Adunărei elective şi Corpului

ponderatoriu, spre votare.”, Art. 3.; cf. auch Artikel 13 des Statut sowie die

Verstärkung im Anhang: „Ori ce lege cere învoirea tustreleloru Puteri.” (Modificaţiuni,

La Art. III.). Unterstützung für die legislativen Agenden bekommt der Regent durch

einen von ihm delegierten Staatsrat (Art. 5.): „Domnulu are singuru iniţiativa legiloru;

elu le pregătesce cu concursulu Consiliului de Statu şi le supune Adunărei elective şi

Corpului ponderatoriu, spre votare.” (Art. 3., cf. auch Art. 12.). Die Exekutive

(Puterea esecutivă) bereitet das Budget vor, die Wahlversammlung votiert dieses (Art.

6.) wie auch die Gesetze (Art. 5.). Ein Corpul ponderatoriu [ihm entspricht in der

Konvention in dieser Aufgabe die Zentralkommission] überwacht, wie in den

zukünftigen modernen Verfassungen der Verfassungsgerichtshof, die Einhaltung der

konstitutiven Gesetze und darf Änderungsvorschläge vorlegen. Das Wahlsystem

scheint von 1863 primär übernommen worden zu sein. Zum ersten Mal kommt sowohl

in der Einleitung wie im Text selbst der neue Staatsname România vor (Art. 12). Die

Abhängigkeit von der Pforte wird explizit beibehalten:

„Principatele-Unite potu în viitoru a modifica şi a schimba legile care privescu

administraţiunea loru din lăuntru, cu concursulu legalu alu tutuloru puteriloru

stabilite, şi fără nici o intervenţiune; se înţelege însă că acéstă facultate nu se

póte întinde la legăturile care unescu Principatele cu Imperiului Otomanu, nici

la tratatele între Înalta Pórtă şi cele-l-alte Puteri, care sunt şi remânu obligatorii

pentru aceste Principate.” (cf. die Einleitung zum Statut)

204

Der Verfassungstext von Cuza wie das Statut desvoltatoriu können als Vorarbeiten

zum Verfassungsprojekt des Consiliu de stat von 1866 betrachtet werden. Letzteres

mündet ziemlich direkt in die erste typologisch moderne Verfassung Rumäniens von

1866 (cf. Filitti 1934) und Metzeltin (2006, 721-725).

205

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