STM Extra

60 Schwertransportmagazin STM Nr. 24 | 2008

Als „Tour-Erfinder“ und Organisator Robert Fehrenkötter vor 20 Jah-ren gerade einmal 25 Truck-Oldies erstmals auf Deutschlandtour schickt, ahnt er nicht, was sich daraus einmal entwickeln würde. Seither stets im Vorfeld der IAA Nutzfahrzeuge veranstaltet, hat die Rundfahrt längst Kultstatus erreicht.

Zur 10. Deutschlandfahrt rollte jetzt ein Konvoi von knapp siebzig prächtigen Lkw-Oldti-mern in einem großen Bogen durch den Norden der Repu-blik. Seit der deutschen Wieder-vereinigung ist es Teil der Tradi-tion, immer auch das eine oder andere Nachbarland zu berüh-ren. Schließlich hat kein Staat

in Europa mehr Nachbarn als Deutschland. Außerdem war es besonders der Straßengüterver-kehr, der schon immer Grenzen überwunden und Europa mitei-nander verknüpft hat.

Das Motto der diesjährigen Tour lautete deshalb überaus treffend „Hanse“. Jene historisch so bedeutsame Kaufmannsver-

einigung, die mit ih-rer Wirtschaftsmacht zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert die Grenzen der Kleinstaa-terei überwand. „Wich-tigstes Kriterium für die Aufnahme in die Hanse war die herausragende Lage der jeweiligen

10. Deutschlandfahrt für historische Nutzfahrzeuge:

Pflasterschiff trifft Hansekogge

Der Volvo F 88-34 T von Jack den Hartogh stammt aus dem Jahr 1968. Der Pacton-Auflieger bie-tet noch genug Platz, um einen kleinen Volvo-Fünftonner mit auf große Fahrt zu nehmen.

Thomas P. Göttl saß am Steuer dieses Büssing BS 16,

Baujahr 1971.Henschel HS 165 T, Baujahr 1967 von Horst Anhalt. Mercedes-Benz L 325, Baujahr 1955 von

Frank Bachhausen.

Kaelble KDV 22 S aus dem Jahr 1962. „KDV“ steht für

Kraftfahrzeug/Dreichachser/Vorderantrieb, die „22“ für

die Nutzlast und das „S“ steht für Sattelzugmaschine

als Einsatzart. Helmut Alborn entdeckte das Fahrzeug

in Österreich.

STM Extra

61STM Nr. 24 | 2008 Schwertransportmagazin

Stadt an einem Knotenpunkt möglichst mehrerer Handels-wege,“ beschreibt Bernd Saxe, Bürgermeister der Hansestadt Lübeck das damalige Auswahl-verfahren. „Den Hanse-Kauf-leuten war schon damals die Bedeutung des ungehinderten Güterverkehrs und der funk-tionierenden Warenflüsse be-wusst. Und dazu bedurfte – und bedarf es auch heute – funk-tionierender Verkehrswege!“ Damit spricht der amtierende Vormann der Hanse den Teil-nehmern am Empfang im hi-storischen Rathaus der Marzi-panstadt aus dem Herzen, sind sie doch in der Regel allesamt

gestandene Fuhrleute. Von Duisburg aus – ja, auch

die Hafenstadt an Rhein und Ruhr gehörte zur Hanse –

führte die Route quer durch die Niederlande bis nach Rot-terdam, von dort aus weiter nach Bremen und Cuxhaven.

Nach einem Abstecher ohne Lkw nach Helgoland wurde der weite Bogen über Lübeck, Stral-sund, Szczecin, dem einstigen, zu Hanse-Zeiten zum Herzog-tum Pommern gehörenden, Stettin, und über Waren an der Müritz zurück bis nach Ham-burg geschlagen. Annähernd 1.800 Fahr-Kilometer kamen

Annähernd 1.800 Fahr-Kilometer kamen in einer Woche zusammen – ohne An- und Abreise

versteht sich.

Gabriele Malkowksy ist stolze Besitzerin dieses Ro-bur Garant 30 K. Anno 1957 wurde er von den Robur-Werken an die EAG Handels-transport in Halle gelierert.

MAN 10.212, Baujahr 1965 von Eppi Bok (Niederlande).

STM Extra

62 Schwertransportmagazin STM Nr. 24 | 2008

da in einer Woche zusammen – ohne An- und Abreise ver-steht sich. Die Ansammlung der angefahrenen oder zumin-dest berührten Hansestädte ist gewaltig. Schließlich waren ne-ben dem Ostseeraum auch der Niederrhein (auf deutscher wie niederländischer Seite) und das

Land zwischen Ijssel und Zui-dersee einstmals Kernland der Hanse.

Es waren die Vertreter die-ser Region, die mit teilweise überlangen Zügen an die Zeit erinnerten, als es noch keine

Längenbeschränkungen gab. So bringt es der Scania-Vabis LBS 76-Zug von Egbert Jon-geneel auf stattliche 24 m Ge-samtlänge. Und beim über-langen Volvo F89-Zug von Jos van der Gaag ist beinahe kein Ende abzusehen. Und der ebenfalls Volvo-gezogene

rote Tieflader von Jack den Har-togh nutzt seine Länge sogar, um als „Beiboot“ einen kleinen Volvo-Fünftonner mit auf große Fahrt zu nehmen.

Den Vogel – oder um im Han-

se-Bild zu bleiben – die Möwe schießt aber wieder Gerard-Jan van den Herik mit seinem 57er Mack ab. Als wäre der Ami allei-ne nicht schon gewaltig genug, zieht er auf einem Nooteboom-

Tieflader gleich noch einen an-tiken Frontlader hinterher.

Die Preziosen der Landstraße bewältigten die Marathonstre-cke übrigens bemerkenswert souverän. Kein Totalausfall,

Zusammen bringen es die Pflasterschiffe auf sagenhafte 2.934 Lebensjahre

Dieser H6 vom VEB „Ernst Grube“ hat das Baujahr 1956 und war bis in die 80er Jahre bei einer Brauerei in Wer-nesgrün im Einsatz. Nach der Wende verschlug es das Fahrzeug nach Ulm. Dort wurde Werner Poller auf den IFA aufmerksam und restaurierte ihn mit seinem Team in 6-jähriger Kleinarbeit.

Der Scania-Vabis LBS 76-Zug von Egbert Jongeneel bringt es auf stattliche 24 m

Gesamtlänge.

Berna L4, Baujahr 1958 von Christopher Jones

(Großbritannien). Opel Blitz, Baujahr 1943 von Dr. Peter Kraas. Faun L8/38 Z1, Baujahr 1961 von Karl-Heinz Loers.

STM Extra

63STM Nr. 24 | 2008 Schwertransportmagazin

Pannen konnten meist an Ort und Stelle behoben werden. Dabei bringen es die Pflaster-schiffe zusammen auf sagen-hafte 2.934 Lebensjahre- die Huckepack-Fahrzeuge nicht mitgerechnet! Die Ältesten: Ein Opel Blitz und ein Büssing 5000,

beide Baujahr 1943. Der Jüng-ling unter den Oldtimern ist Baujahr 1978, ist eine 3-achsige Sattelzugmaschine und hört auf den Namen Scania LBS 141.

Ihre altersbedingte Gelas-senheit verloren die blechernen Protagonisten der Deutsch-

landfahrt auch nicht am Zielort, dem berühmten Fischmarkt auf St. Pauli. Auch wenn das hier mit den „Verkehrswegen“ ja bekanntlich noch eine ganz andere Bedeutung hat! Das war schon zu besten Hanse-Zeiten so. Es gibt halt Dinge, die haben

Bestand. Egal, ob sie aus Blech geformt sind oder eine Über-lieferung. Ein Mythos sind sie allemal.

Cees den Ouden hat sich mit dem Kauf und der Restaura-tion dieses Krupp Elch L70 E3 (Baujahr 1959) einen Kind-heitstraum erfüllt: sein Vater fuhr 1959 ein ebensolches „Auto“ und Cees den Ouden war auf dem Beifahrersitz mit dabei.

Drei Jahre Restaurierungszeit investierte Jas van der Gaag in den Volvo F89 aus dem Jahre 1975. Der Broshius/Deckers-Auflieger mit Baujahr 1961 wurde in den Jahren 2002 bis 2006 restauriert.

Der 57er Mack Gerard-Jan van den Herik zieht auf einem Nooteboom-Tieflader

noch einen antiken Frontlader hinterher sich her.

Büssing 8000, Baujahr 1953, gesteuert von

Robert Fehrenkötter.Magirus-Deutz O 3500, Baujahr 1956

von Wolfgang O. Esser.

FTF 8.20 D „King of the Road“, Baujahr 1976 von

A.C. Spaansen. Die Floor Truck Fabriek produzierte

diese Kipper von 1966 bis 1995.