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Essenziell und toxisch Physiologische Bedeutung von Eisen A NDREAS HAHN Eisen ist das quantitativ bedeutendste Spurenelement im menschlichen Organismus und besitzt durch seine Beteiligung an einer Vielzahl biochemischer Reaktionen eine wichtige Be- deutung im Stoffwechsel. Traditionell gilt Eisen als kritischer Nährstoff, bei dem häufiger Mangelerscheinungen anzutref- fen sind. Bei genauer Betrachtung wird allerdings deutlich, dass dies sehr differenziert betrachtet werden muss. Eine un- zureichende Eisen-Versorgung ist zwar mit zahlreichen Nach- teilen verbunden, aber seltener zu finden als früher angenom- men. Umgekehrt scheint eine hohe Eisen-Zufuhr das Risiko für Coloncarcinome zu erhöhen. Einleitung Entsprechend ihres quantitativen Vorkommens im mensch- lichen Organismus werden Mineralstoffe definitionsgemäß in Mengen- und Spurenelemente unterteilt. Bei Mengen- elementen liegt der Gehalt über 50 mg/kg Körpergewicht, bei Spurenelementen darunter. Mit einer Konzentration von 50 bis 60 mg/kg Körpergewicht liegt Eisen an der Schwel- le zwischen beiden Stoffgruppen; traditionell und auch auf- grund seiner Funktionen wird es den Spurenelementen zu- gerechnet. Eisen ist in der Natur weit verbreitet und mit ei- nem Anteil von 5,63 % das vierthäufigste Element der Erdkruste. Dass der Mineralstoff für fast alle Lebeweisen es- senziell ist, ist seit langem bekannt und hat zusammen mit der hohen Prävalenz von Mangelerscheinungen dazu ge- führt, dass Eisen zu den am besten untersuchten Mikro- nährstoffen beim Menschen zählt. Gleichermaßen bedeut- sam ist allerdings die Toxizität des Schwermetalls. Funktionen Im Organismus liegt Eisen vorwiegend als Fe 2+ und nur zu einem geringeren Anteil als Fe 3+ vor. Für zahlreiche Funk- tionen ist allerdings gerade die Fähigkeit zum Valenzwech- sel von zentraler Bedeutung. Hierdurch ist das Spurenele- ment essenzieller Bestandteil von sauerstoff- und elektro- nenübertragenden Wirkgruppen einer großen Zahl von Proteinen und Enzymen. Rund zwei Drittel des Gesamt- körperbestandes von 3 bis 5 g finden sich von Form von Hä- moglobin und Myoglobin. Dort fungiert zweiwertiges Ei- sen als Zentralatom des Häms, eines Porphyringerüstes, das als prosthetische Gruppe an den jeweiligen Proteinanteil ge- bunden ist. Zweiwertiges, nicht aber dreiwertiges Eisen ist in der Lage, molekularen Sauerstoff reversibel zu binden und diesen aus der Lunge in die peripheren Gewebe zu transportieren, wo im Gegenzug Kohlendioxid aufgenom- men wird. Myoglobin übernimmt die Aufgabe der Zwi- schenspeicherung von Sauerstoff in den Muskelzellen, um so eine Sauerstoffreserve für Kurzzeitbelastungen zu er- möglichen [1]. Als Bestandteil häm- und nicht-hämhaltiger Enzyme ist Eisen an einer großen Zahl von Redoxreaktionen beteiligt. Zu den hämhaltigen Enzymen zählt die Familie der Cyto- chrome; sie sind u.a. an den Elektronenübertragungen der Atmungskette und damit an der Synthese von Adenosintri- phosphat (ATP) beteiligt. Auch die an der Signaltransdukti- 232 | Pharm. Unserer Zeit | 3/2009 (38) © 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI:10.1002/pauz.200800313

Physiologische Bedeutung von Eisen. Essenziell und toxisch

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Essenziell und toxisch

Physiologische Bedeutung von EisenANDREAS HAHN

Eisen ist das quantitativ bedeutendste Spurenelement immenschlichen Organismus und besitzt durch seine Beteiligungan einer Vielzahl biochemischer Reaktionen eine wichtige Be-deutung im Stoffwechsel. Traditionell gilt Eisen als kritischerNährstoff, bei dem häufiger Mangelerscheinungen anzutref-fen sind. Bei genauer Betrachtung wird allerdings deutlich,dass dies sehr differenziert betrachtet werden muss. Eine un-zureichende Eisen-Versorgung ist zwar mit zahlreichen Nach-teilen verbunden, aber seltener zu finden als früher angenom-men. Umgekehrt scheint eine hohe Eisen-Zufuhr das Risikofür Coloncarcinome zu erhöhen.

EinleitungEntsprechend ihres quantitativen Vorkommens im mensch-lichen Organismus werden Mineralstoffe definitionsgemäßin Mengen- und Spurenelemente unterteilt. Bei Mengen-elementen liegt der Gehalt über 50 mg/kg Körpergewicht,bei Spurenelementen darunter. Mit einer Konzentration von50 bis 60 mg/kg Körpergewicht liegt Eisen an der Schwel-le zwischen beiden Stoffgruppen; traditionell und auch auf-grund seiner Funktionen wird es den Spurenelementen zu-gerechnet. Eisen ist in der Natur weit verbreitet und mit ei-nem Anteil von 5,63 % das vierthäufigste Element derErdkruste. Dass der Mineralstoff für fast alle Lebeweisen es-senziell ist, ist seit langem bekannt und hat zusammen mitder hohen Prävalenz von Mangelerscheinungen dazu ge-führt, dass Eisen zu den am besten untersuchten Mikro-nährstoffen beim Menschen zählt. Gleichermaßen bedeut-sam ist allerdings die Toxizität des Schwermetalls.

FunktionenIm Organismus liegt Eisen vorwiegend als Fe2+ und nur zueinem geringeren Anteil als Fe3+ vor. Für zahlreiche Funk-tionen ist allerdings gerade die Fähigkeit zum Valenzwech-sel von zentraler Bedeutung. Hierdurch ist das Spurenele-ment essenzieller Bestandteil von sauerstoff- und elektro-nenübertragenden Wirkgruppen einer großen Zahl vonProteinen und Enzymen. Rund zwei Drittel des Gesamt-körperbestandes von 3 bis 5 g finden sich von Form von Hä-moglobin und Myoglobin. Dort fungiert zweiwertiges Ei-sen als Zentralatom des Häms, eines Porphyringerüstes, dasals prosthetische Gruppe an den jeweiligen Proteinanteil ge-bunden ist. Zweiwertiges, nicht aber dreiwertiges Eisen istin der Lage, molekularen Sauerstoff reversibel zu bindenund diesen aus der Lunge in die peripheren Gewebe zutransportieren, wo im Gegenzug Kohlendioxid aufgenom-men wird. Myoglobin übernimmt die Aufgabe der Zwi-schenspeicherung von Sauerstoff in den Muskelzellen, umso eine Sauerstoffreserve für Kurzzeitbelastungen zu er-möglichen [1].

Als Bestandteil häm- und nicht-hämhaltiger Enzyme istEisen an einer großen Zahl von Redoxreaktionen beteiligt.Zu den hämhaltigen Enzymen zählt die Familie der Cyto-chrome; sie sind u.a. an den Elektronenübertragungen derAtmungskette und damit an der Synthese von Adenosintri-phosphat (ATP) beteiligt. Auch die an der Signaltransdukti-

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on beteiligte Guanylat-Cyclase und die NO-Synthase ent-halten Häm, ebenso Katalase und Peroxidase. Die beidenletztgenannten Enzyme sind Teil des antioxidativen Systemsund wirken der Akkumulation von verschiedenen reakti-ven Sauerstoffspezies entgegen.

In nicht-hämhaltigen Enzymen, wie z.B. Fe-Metalloen-zymen, ist Eisen vor allem über Cystein-, aber auch Histidin-,Glutamat- oder Aspartatreste bzw. unmittelbar an die Proteinkette gekoppelt. Eisen-Metalloenzyme wie Dioxy-genasen und einige Monooxygenasen katalysieren Hydro-xylierungsreaktionen, wodurch das Spurenelement an derBiosynthese von Steroidhormonen, den Vorstufen von Vi-tamin D3, Eisosanoiden, Carnitin, Kollagen und Neuro-transmittern beteiligt ist. Als Bestandteil des Cytochrom-P450-Monooxygenase-Systems ist der Mineralstoff zudemin den Xenobiotika-Metabolismus involviert und trägt sou.a. zur Entgiftung von Arzneistoffen bei. Weitere eisen-haltige Enzyme sind die Ribonucleotid-Reduktase (DNA-Syn-these) sowie Fettsäuredesaturasen (Synthese von ungesät-tigten Fettsäuren) [2, 3].

Stoffwechsel und HomöostaseDie Eisen-Absorption ist im Wesentlichen im oberen Dünn-darm lokalisiert. Freies zweiwertiges Eisen gelangt dabeiüber den divalent cation transporter 1 (DCT1), ein auchals DMT-1 (divalent metal transporter 1) bezeichnetes Re-zeptorprotein (Fe2+/H+-Symporter) in die intestinale Epi-thelzelle. Dort wird es über das Shuttleprotein Mobilferrinan das Speicherprotein (mucosales) Ferritin abgegeben.Demgegenüber erfolgt die Aufnahme von Hämeisen über ei-nen vesikulären Mechanismus. In diesem Fall wird Eisenmittels einer Oxygenase aus dem Häm-Molekül abgespal-ten und ebenfalls über Mobilferrin auf Ferritin übertragen(Abb. 1) [1].

Das in der Mukosa lokalisierte Ferritin fungiert als kurz-fristiges Eisen-Depot, aus dem das Spurenelement bei Bedarffreigesetzt und an das Blutplasma abgegeben werden kann.Ist der Eisen-Bedarf des Organismus gedeckt, geht das Fer-ritin-gebundene Eisen nach zwei bis drei Tagen mit der phy-siologischen Desquamation des Darmepithels via Faecesverloren. Somit kann die Aufnahme von Eisen an den je-weiligen Bedarf angepasst werden. Bei schlechter Versor-gungslage erhöht sich die Aufnahme, bei einem Überange-bot wird der Übertritt ins Plasma vermindert. Für die Eisen-Homöostase ist dieser Mechanismus von zentralerBedeutung: Da die renale Eisen-Exkretion praktisch nichtmöglich, stellt er für den Organismus die einzige Möglich-keit dar, eine folgenschwere Eisen-Überladung zu verhin-dern.

Vermittelt werden diese Wirkungen im Wesentlichendurch das in der Leber gebildete Hormon Hepcidin. Da-durch sind die Darmepithelzellen in der Lage, den Körper-bestand an Eisen über Veränderungen der Expression vonTransferrinrezeptoren und Ferritin zu regulieren [4]. BeiGesunden bewirkt ein verminderter Eisen-Gehalt des Or-ganismus, dass die ohnehin nur zu einem Drittel genutzte

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Eisen-Sättigung des Plasma-Transportproteins Transferrinsinkt. In der Folge wird die Synthese des Eisen-Transport-proteins DCT1 in der Darmschleimhaut induziert, so dassdie Absorptionsrate um das 2- bis 3-fach ansteigt. Mutatio-nen von Genen, die in diesen Regulationsmechanismus in-volviert sind, können zu einer chronischen Eisen-Überla-dung des Organismus führen (zu Störungen des Eisen-Stoff-wechsels siehe den Beitrag von H. Heimpel und M. Bommerin diesem Heft). Diese Homöostase gilt anscheinend nichtin vollem Umfang für das über einen speziellen Hämre-zeptor HCP 1 (heme carrier protein 1) aufgenommeneHämeisen, da eine dauerhafte Aufnahme großer Mengen anHämeisen – im Gegensatz zu ionisiertem Eisen – zu einerüberhöhten Aufnahme führen kann [3, 5].

Von grundlegender Bedeutung für den Eisen-Stoff-wechsel ist damit das transferringebundene Plasma-Eisen(Abb. 2). Mittels Transferrin gelangt das Spurenelement zuden Zielzellen, wo es durch einen Transferrinrezeptor ver-mittelt aufgenommen wird. Durch die Transferrinbindungwird zudem der Organismus vor oxidativen Schäden durchfreie Eisen-Ionen geschützt. Die Eisen-Speicherung erfolgtvorwiegend in Leber, Milz und Knochenmark, indem dasSpurenelement an die dort lokalisierten SpeicherproteineFerritin und Hämosiderin bindet. Letzteres speichert erstbei einer Eisen-Überladung vermehrt Eisen.

A B B . 1 M EC H A N I S M U S D E R I N T E S T I N A L E N

A B S O R P T I O N VO N E I S E N [ 1 ]

apikal

basolateral

Fe3+

Ferroxidase

Fe2+

Fe2+

Mucosazelle

Mobilferrin-Fe2+

Mobilferrin

Fe3+

Ferrotransferrin

Apotransferrin

Ferritin

DCT-1

Häm-Eisen

Häm-oxygenase

Bilirubin + CO

DikationischerEisen-Transporter

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Die Gesamtspeichermenge unterliegt erheblichenSchwankungen, ohne dass Körperfunktionen merklich be-einträchtigt werden. Bei erhöhtem Bedarf wird der Mine-ralstoff aus den Ferritinspeichern freigesetzt. Serum-Ferritinfungiert als Indikator für den Füllungszustand der Eisen-Speicher; niedrige Spiegel sind Anzeichen einer geringenReserve, allerdings nicht automatisch gleichbedeutend miteinem Mangel an Funktionseisen. Pro Tag werden ca. 25 mgumgesetzt. Der größte Teil hiervon (mehr als 20 mg) ergibtsich durch die Neusynthese von Erythrozyten im Kno-chenmark (vgl. Abb. 2), etwa 3 mg Eisen werden für die Bio-synthese von Myoglobin und anderen eisenhaltigen Protei-nen verwendet. Zum weit überwiegenden Teil wird dieseMenge durch Recycling bereitgestellt, z.B. aus dem Abbauüberalterter Erythrozyten (Hämolyse). Daher liegt der tat-sächliche Eisen-Bedarf, der über die Nahrung ausgeglichenwerden muss, bei Männern und nicht-menstruierendenFrauen bei nur ca. 1 mg/d und ergibt sich aus den Verlus-ten durch Faeces (abgeschilferte Darmepithelzellen, Galle)sowie – geringfügig – über den Schweiß [1, 3, 5].

Vorkommen und Bioverfügbarkeit In Lebensmitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs istEisen weit verbreitet (Tab. 1). Hohe Gehalte finden sich inInnereien, Hafer und Weizenkeimen. Einen mittleren Gehaltweisen Spinat, Brot, Getreide, Naturreis, Eier und Fleischauf, während Milch, Salate, Obst, Beeren und polierter Reiseher geringere Mengen liefern. Der Beitrag eines Lebens-mittels zur Versorgung hängt allerdings nicht nur vom ab-soluten Gehalt des Spurenelementes ab, sondern vor allemvon dessen Bioverfügbarkeit. Diese variiert stark und hängtvon der Bindungsform des Eisens sowie der Anwesenheitabsorptionshemmender oder -fördernder Faktoren ab. Die

Absorptionsrate aus Lebensmitteln tierischer Herkunft liegtmit ca. 10 bis 20 % deutlich höher als die Eisen-Aufnahmeaus pflanzlichen Produkten (3 bis 8 %). Der Grund hierfürliegt darin, dass vom Tier stammende Produkte rund 70 %des Eisens in porphyringebundener Form (Hämeisen) ent-halten, vorwiegend als Myoglobin. Dieses ist durch die Lipophilie des Ringsystems gut verfügbar und kann relativleicht die Membran der intestinalen Mucosa permeieren [6 ].

In pflanzlicher Nahrung kommt hingegen fast aus-schließlich nicht-Häm-gebundenes Eisen vor, überwiegendals Fe3+ und nur zu geringen Anteilen als Fe2+. WährendFe2+ bei den physiologischerweise im oberen Dünndarmvorherrschenden pH-Werten von 7 bis 8 noch in geringemUmfang löslich und damit absorbierbar ist, trifft dies aufFe3+ nicht zu. Da dreiwertige Eisen-Ionen zur Bildungschwerlöslicher Komplexe neigen und bereits bei pH-Wer-ten > 5 als Eisenhydroxid präzipitieren, sind sie im schwachalkalischen Milieu des oberen Dünndarms praktisch unlös-lich und kaum verfügbar. Da zudem Fe2+ im Dünndarmrasch zu Fe3+ oxidiert wird, ist die Verfügbarkeit von Eisenaus pflanzlichen Lebensmitteln insgesamt sehr gering.Grundsätzlich ist die Eisen-Aufnahme an eine ausreichendeProduktion von Magensäure gekoppelt: Im sauren Milieudes Magens werden die verschiedenen Eisen-Verbindungenin freie Eisen-Ionen bzw. locker gebundenes organischesEisen gespalten.

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Erythrozyten2-2,5 g

Hämolyse Knochenmark

Plasma4-8 mg

Verlust durchAusscheidung

1-3 mg/Tag

~ 20 mg/Tag

Myoglobin + Enzyme300-600 mg

Speicher~ 800 mg

IntestinaleAbsorption1-3 mg/Tag

A B B . 2 | S TO F F W EC H S E L D E S E I S E N S [ 3 ]

TA B . 1 E I S E N – G E H A LT V E R S C H I E D E N E R L E B E N S -

M I T T E L [ 2 ]

GGeemmüüsseeLinsen (Samen, trocken) 8,0Sojabohnen (Samen, trocken) 6,6Petersilie 3,6Spinat 3,4Grünkohl 1,9GGeettrreeiiddee uunndd GGeettrreeiiddeepprroodduukktteeWeizenkeime 16,0Amaranth 9,0Quinoa 8,0Haferflocken 5,8Reis (unpoliert) 3,2Roggenbrot 2,3Reis (poliert) 0,9NNüüssssee uunndd SSaammeennSesamsamen 10MMiillcchhpprroodduukktteeSpeisequark mager 0,4Vollmilch 0,06FFlleeiisscchh uunndd WWuurrssttSchweineleber 17Rinderleber 6,9SSoonnssttiiggeeBierhefe 18Hühnerei 1,8

Lebensmittel Eisen [mg/100 g]

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Verbessert wird die Bioverfügbarkeit durch reduktivwirksame Nahrungsbestandteile, vor allem Ascorbinsäure,aber auch sulfhydrylgruppenartige Aminosäuren sowie an-dere organische Säuren (z.B. Milchsäure, Zitronensäure).Sie sind in der Lage, Fe3+ zu Fe2+ zu reduzieren und damitdie Löslichkeit zu verbessern. Unter definierten Bedingun-gen führte bereits ein Glas Orangensaft mit 70 mg Ascor-binsäure zu einer 2,5-fachen Erhöhung der Eisen-Absorpti-on. Interessanterweise tragen auch Fleisch, Fisch und Geflügel zu einer Verbesserung der Absorption von Nicht-häm-Eisen aus pflanzlichen Nahrungsmitteln bei. Bereits ei-ne geringe Menge dieser Lebensmittel erhöht die Biover-fügbarkeit des Mineralstoffs aus der gesamten Mahlzeit. Diegenauen Mechanismen dieser Absorptionsverbesserungdurch den „meat factor“ sind nicht abschließend geklärt[2].

Die geringe Verwertbarkeit von pflanzlichem Eisen er-klärt sich auch durch die vorwiegend dort zu findendenHemmstoffe der Absorption. Hierzu zählen vor allem Kom-plexbildner wie Phytinsäure (in Getreide, Kleie), Oxalsäu-re (in Spinat, Rhabarber), Lignine (in pflanzlichen Zell-wänden), Tannine und andere Polyphenole (in Schalen, Ker-nen, Wein, Tee, Kaffee). So können bereits 5 bis 10 mgPhytinsäure die Aufnahme von Nichthäm-Eisen um die Hälf-te reduzieren. Auch Sojaproteine, Eier, Ballaststoffe sowiebestimmte Arzneistoffe (z.B. Tetracycline, Paracetamol, Sa-licylate) sind in der Lage, die Absorption von Nichthäm-Ei-sen zu vermindern. Hohe Dosen anderer zweiwertiger Kat-ionen (z.B. Calcium, Zink, Cobalt, Cadmium, Kupfer, Man-gan) sind in der Lage, die Eisen-Absorption kompetitiv zuinhibieren. Allerdings werden diese Effekte meist über-schätzt und sind in der Ernährungspraxis ohne Bedeutung.Insgesamt ergibt sich bei einer für westliche Industrielän-der typischen gemischten Kost eine durchschnittliche Eisen-Absorptionsrate zwischen 10 und 15 % [1, 7].

Zufuhrempfehlungen undVersorgungssituation

Die wünschenswerte Eisen-Aufnahme (Tab. 2) resultiert ausdem tatsächlichen, durch die Eisen-Verluste determiniertenBedarf unter Berücksichtigung der Bioverfügbarkeit. UnterZugrundelegung einer durchschnittlichen Absorptionsratevon 10 % ergibt sich damit eine Eisen-Zufuhr von 10 mg/d

für Männer und nicht-menstruierende Frauen. Frauen imgebärfähigen Alter wird wegen des menstruationsbedingtenEisen-Verlusts eine Aufnahme von 15 mg/d angeraten. Die-se Angabe kann allerdings nur als Orientierung angesehenwerden, da der Eisen-Bedarf bei Frauen starken Schwan-kungen unterliegt. So können sich beispielsweise bei Ver-wendung von Intrauterinpessaren die menstruationsbe-dingten Eisen-Verluste verdoppeln. Bei Frauen, die mit ora-len Kontrazeptiva verhüten, wurde hingegen ein bessererVersorgungsstatus festgestellt. Durch einen um bis zu 60 %reduzierten Blutverlust sinkt die notwendige Eisen-Aufnah-me in diesen Fällen auf etwa 11 mg/d ab. Postmenopausalgleicht sich der Eisen-Bedarf von Frauen an den der Män-ner an [2, 3].

Kürzlich publizierte Daten der Nationalen Verzehrsstu-die II zeigen, dass in Deutschland die Eisen-Aufnahme dermännlichen Bevölkerung im Alter von 14 bis 80 Jahren imMedian bei 15,3 mg/d und damit deutlich über der emp-fohlenen Zufuhr liegt. Nur 14 % der Männer erreichen denReferenzwert nicht. Eine Ausnahme bilden Jugendliche imAlter von 14 bis 18 Jahren; in dieser Altersgruppe liegt dieEisen-Aufnahme bei 27 % der Untersuchten unterhalb derfür diese Gruppe angeratenen 12 mg/d.

Generell kritisch stellt sich die Situation bei Frauen dar.Über die gesamte Altersspanne von 14 bis 80 Jahren be-trachtet erreichen 58 % der Frauen nicht die für die jewei-lige Altersgruppe empfohlene Aufnahme des Mineralstoffs.Am ausgeprägtesten ist das rechnerische Defizit im gebär-fähigen Alter; hier nehmen je nach Altersgruppe 75 bis 83 %der Frauen zu wenig Eisen auf [8]. Allerdings ist eine unterden Empfehlungen liegende Aufnahme eines Nährstoffes

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TAB. 2 EMPFEHLUNGEN FÜR DIE EISEN–ZUFUHR [12]

Säuglinge 0–4 Monate 0,5Säuglinge 4–12 Monate 8Kinder 1–7 Jahre 8Kinder 7–10 Jahre 10Kinder und Jugendliche 10–19 Jahre 12 (m), 15 (w)Erwachsene 19–50 Jahre 10 (m), 15 (w)Erwachsene ab 50 Jahren 10Schwangere 30Stillende 20

Personengruppe Eisen–Zufuhr [mg/d]

TA B . 3 M Ö G L I C H E U R SAC H E N E I N E S E I S E N - M A N G E L S ( N AC H [ 2 ] ,

M O D I F I Z I E R T )

eerrhhööhhtteerr EEiisseenn--BBeeddaarrff• Wachstumsphase(n) (erste zwei Lebensjahre, Pubertät) • Schwangerschaft und Stillzeit• Aufenthalt in großen Höhen (verstärkte Bildung von Erythrozyten)• Leistungssport (v.a. Ausdauersportarten)AAbbssoorrppttiioonnssssttöörruunnggeenn• entzündliche Magen- Darm-Erkrankungen• Sprue• Diarrhö• Zustand nach Magen- und Dünndarmresektion• verschiedene ArzneistoffeBBlluuttvveerrlluussttee• gastrointestinale Blutungen (Entzündungen, Tumoren, Parasiten, nicht-steroidale

Antiphlogistika)• urogenitale Blutungen (Menstruation, Geburt, Tumoren)• häufiges Blutspenden (mehr als 2–4 mal im Jahr)• Operation, UnfälleUUnnggeennüüggeennddee aalliimmeennttäärree ZZuuffuuhhrr uunndd ggeerriinnggee BBiioovveerrffüüggbbaarrkkeeiitt• einseitige Ernährung• generelle Mangelernährung• fleischarme Kost• vegane Ernährungsweise

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nicht mit einem Mangel gleichzusetzen, da Nährstoffemp-fehlungen Sicherheitszuschläge enthalten und sich zudemim Falle von Eisen durch unterschiedliche starke Blutver-luste eine sehr variable Situation ergeben kann. Eine Aus-sage zur tatsächlichen Versorgung liefern daher nur indivi-duelle biochemische Kenngrößen. Die – allerdings bereitsEnde der 1980er Jahre durchgeführte – VERA-Studie zeigte,dass nur 9,1 % der Frauen und 2,7 % der Männer erniedrigteFerritinwerte (siehe unten) als Zeichen entleerter Eisen-Speicher aufwiesen [2].

Eisen-MangelWeltweit betrachtet ist ein Mangel an Eisen der am häu-figsten zu beobachtende Nährstoffmangel überhaupt. Soweisen in Entwicklungsländern mehr als ein Drittel der Be-völkerung Mangelsymptome auf. Ein Mangel kann auf einerVielzahl von Ursachen beruhen (Tab. 3). Zur Beurteilungdes Eisen-Status werden verschiedene hämatologische Pa-rameter herangezogen. Nach der Schwere des Eisen-Mangelswerden drei Mangelstadien unterschieden: Im latenten Ei-sen-Mangel sind die Eisen-Speicher entleert, erkennbar aneinem erhöhten Transferrin-Gehalt des Serums, währendSerum-Ferritin stark erniedrigt ist. Die Eisen-Serumspiegelund die Hämoglobinspiegel liegen weiterhin im Normbe-reich. Die Hälfte aller menstruierenden Frauen und vieleregelmäßige Blutspender leiden unter dieser leichten Formdes Eisen-Mangels, die mit keinerlei Funktionseinschrän-kungen verbunden ist. Beim Übergang in das zweite Stadi-um treten erste unspezifische Symptome auf. Die Eisen-De-pots sind erschöpft, der Serumspiegel ist erniedrigt und dieErythropoese eingeschränkt. In diesem Stadium sind mikrozytäre hypochrome Erythozyten nachweisbar, auchder Hämoglobin-Gehalt liegt noch im Normbereich. Dermanifeste Eisen-Mangel (Eisen-Mangelanämie) äußert sichschließlich durch deutlich verminderte Hämoglobin-Werte,einen erniedrigten Hämatokritwert und die Ausbildung ei-ner hypochromen, mikrozytären Anämie [1, 2].

Die Symptome eines Eisen-Mangels variieren mit des-sen Ausprägung und umfassen zunächst unspezifische All-gemeinsymptome wie Kraft- und Antriebslosigkeit, Belas-tungsschwäche, Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen,Appetitlosigkeit, Hautblässe sowie Mundwinkelentzündun-gen und -einrisse (Mundwinkelrhagaden), rissige, sprödeund trockene Haut sowie Haarausfall und brüchige Finger-nägel. Darüber hinaus können die Thermoregulation unddie Infektanfälligkeit gestört sein [1].

Eisen-Überladung und -IntoxikationFreie Eisen-Ionen wirken zytotoxisch und führen zu Or-ganschädigungen. Akute Intoxikationen sind allerdings sel-ten zu finden; sie treten nach Aufnahme von 20 bis 60 mgEisen/kg Körpergewicht auf und führen zu Erbrechen,Durchfall, Fieber, Blutgerinnungsstörungen, Leber- und Nie-renschädigungen. Der NOAEL (no observed adverse effectlevel), also die höchste untersuchte Dosis von Eisen, beider noch keine Nebenwirkungen beobachtet wurden, liegt

bei 65 mg/d. Aufgrund fehlender Daten hat die Europäi-sche Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bisher nochkeinen UL-Wert (tolerable upper level of intake) als Maßfür die Dosis definiert, die lebenslang täglich ohne Risikenzugeführt werden kann [6].

Chronische Eisen-Überladungen finden sich häufigerund sind meist die Folge angeborener genetischer Defekte(10 bis 20 Erkrankte auf 100.000 Personen) oder wieder-holter Bluttransfusionen. Wegen der fehlenden Fähigkeit,überschüssiges Eisen zu eliminieren, wird das Spurenele-ment dabei akkumuliert und zunächst in Form von Ferritin,im späteren Stadium auch gebunden an Hämosiderin, ge-speichert. Bei Überschreitung der Speicherkapazität kommtes zur Anhäufung von freien Eisen-Ionen und dadurch ver-ursachten Zellschädigungen und Funktionsstörungen. Be-troffen sind in erster Linie Leber, Pankreas und Herzmuskel,mögliche Spätfolgen können Leberzirrhose, Diabetes mel-litus, Herzmuskelschädigungen oder Arthritis sein. Thera-piert werden Eisen-Überladungen heute nicht mehr durchAderlass, sondern mithilfe von Komplexbildnern, die das Ei-sen in eine harnlösliche Form überführen [2].

Risiken einer chronisch erhöhten Eisen-ZufuhrUnabhängig von klassischen Eisen-Überladungen wird seiteiniger Zeit kontrovers diskutiert, ob eine dauerhaft hoheEisen-Zufuhr bzw. ein hoher Eisen-Status bei Gesunden vonNachteil ist [1]. Begründet wurde dies damit, dass ein ho-her Körperbestand an Eisen mit einer erhöhten Bildung vonreaktiven Sauerstoffspezies einhergeht, welche die Entste-hung von kardiovaskulären und neurodegenerativen Er-krankungen, Diabetes mellitus sowie bösartigen Tumorenfördern könnten [2]. Bekannt ist, dass freie Eisen-Ionen überdie Fenton- und die Haber-Weiss-Reaktion zur Entstehungvon reaktiven Sauerstoffspezies beitragen können:

Fe2+ + H2O2 → OH– + OH• + Fe3+

O2•– + H2O2 → O2 + OH– + OH•

Auch deren Bedeutung bei der Entstehung der Atheroskle-rose ist zunächst ohne weiteres plausibel: Oxidative Modi-fikationen von Polyenfettsäuren an der Oberfläche von Low-Density-Lipoproteinen (LDL) gelten als Initialschritt bei derEntstehung der Erkrankung. Dergestalt veränderte LDL (ox-LDL) sind entscheidend am degenerativen Umbau der Ge-fäßwand beteiligt. Tatsächlich existieren Hinweise auf einenZusammenhang zwischen der Eisen-Versorgung und derPrävalenz atherosklerotischer Erkrankungen. Besondere Be-achtung fand eine finnische Beobachtungsstudie, in der einhoher Serumferritinspiegel bei Männern mit einem erhöh-ten Herzinfarktrisiko assoziiert war. Eine Eisen-Aufnahmevon mehr als 16 mg/d erhöhte dabei nach den Daten einerFolgeauswertung das Herzinfarktrisiko um den Faktor 2,4gegenüber einer unterhalb dieses Grenzwertes liegendenZufuhr. Allerdings ist zweifelhaft, ob die festgestellten Be-ziehungen auch ursächlicher Natur sind.

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Vieles deutet eher darauf hin, dass Eisen-Aufnahme undEisen-Bestand Indikatoren einer mit einem hohen Risiko fürHerz-Kreislauf-Erkrankungen assoziierten Ernährungsweisedarstellen. Hierfür spricht auch, dass andere Studien keineentsprechenden Zusammenhänge aufdecken konnten. Dazudem auch regelmäßiges Blutspenden nicht mit einem ver-ringerten Risiko für Herzerkrankungen einhergeht, wird in-zwischen davon ausgegangen, dass der Eisen-Status im Hin-blick auf Herzerkrankungen ohne Bedeutung ist. Andersstellt sich die Situation dagegen beim Coloncarcinom dar.Häm-Eisen erhöht offensichtlich das Risiko für die Entste-hung von Tumoren des Dickdarms. Zurückgeführt wird die-ser Effekt auf die aus tierexperimentellen Studien bekann-ten zytotoxischen Effekte des Häm-Eisens und eine damitin Verbindung stehende Hyperproliferation der Dickdarm-schleimhaut [3].

Präventive und therapeutische Aspekte Im Gegensatz zu vielen anderen Mineralstoffen scheint ei-ne Supplementierung bei gesunden Personen mit ausrei-chender Versorgung nicht von Vorteil. Die Gabe von Eisenerfolgt daher vorwiegend, um Mangelerscheinungen vor-

zubeugen oder diese zu therapieren. Hochdosierte Eisen-Präparate sollten nur nach vorheriger Diagnosestellung ver-abreicht werden.

Orale Eisen-Supplemente werden in verschiedenen ga-lenischen Zubereitungen (u.a. Tabletten, Brausetabletten,Suspensionen) und auf Basis unterschiedlicher Eisen-Salzeangeboten. Darüber hinaus werden Lebensmittel zuneh-mend mit Eisen-Salzen angereichert. Die verschiedenen Ei-sen-Verbindungen eignen sich für diese Zwecke in unter-schiedlichem Maße und weisen variierende Bioverfügbar-keiten auf (Tab. 4). Eisensulfat gilt im Allgemeinen alsStandard bei der Therapie des Eisen-Mangels. Es wird imnüchternen Zustand effektiv absorbiert, die Absorptionsra-te liegt bei 18 bis 20 %. Für die orale Eisen-Gabe eignen sichu.a. auch Eisen(II)chlorid, -lactat, -gluconat und -fumarat.Die Aufnahme von Eisen-Präparaten mit einer Mahlzeit istwegen der Bindung an absorptionshemmende Nahrungsli-ganden im Magen nicht optimal. Daher wird häufig emp-fohlen, solche Präparate mindestens 30 Minuten vor derMahlzeit einzunehmen, was allerdings bei hochdosiertenPräparaten zu gastrointestinalen Beschwerden führen kann.Freie Eisen-Ionen reizen in hohen Dosen (ab ca. 200 mg)

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TA B . 4 E I G E N S C H A F T E N VO N E I S E N -V E R B I N D U N G E N B E I D E R A N R E I C H E R U N G VO N L E B E N S M I T T E L N

Farbe FettoxidationwwaasssseerrllöösslliicchhEisen(II)-sulfat 7-hydrat 20 100Eisen(II)-sulfat getrocknet 33 100Eisen(II)-glukonat 12 89 hoch hochEisen(II)-laktat 19 106Ammoniumeisen(III)–citrat 18 –Ammoniumeisen(II)-sulfat 14 –Eisenchinincitrat 14 –sscchhlleecchhtt wwaasssseerrllöösslliicchhEisen(II)-fumarat 33 100Eisen(II)-succinat 35 92Eisen(III)-saccharat 10 74Eisen(III)-glycerophosphat 15 – niedrig niedrigEisen(II)-citrat 24 74Eisen(II)-tartrat 22 62Eisen(III)-sulfat 22 34Eisen(III)-citrat 17 31wwaasssseerruunnllöösslliicchhEisen(III)-pyrophosphat 25 21–74Eisen(III)-orthophosphat 28 25–32Natriumeisen(III)-pyrophosphat 15 15Elementares Eisenpulver geringfügig geringfügigelektrolytisch 97 5–100carbonyl 98 5–20reduziert 97 13–1481relativ zu Eisensulfat *7 H2O = 1.0,für den Anteil an gesamten EisenDaten nach [9]Tabelle mit freundlicher Genehmigung der Dr. Paul Lohmann GmbH, Emmerthal/Weser; modifiziert

Verbindung Anteil Relative Reaktionspotenzial hinsichtlichEisen [%] Bioverfügbarkeit1

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die Magenschleimhaut und führen bei vielen Anwendern zuSodbrennen, Übelkeit, Erbrechen und Magenschmerzen[2, 9].

SchwangerschaftWährend der Schwangerschaft kommt es häufig zu einer Er-schöpfung der Eisen-Speicher und dem Auftreten einer hy-pochromen Anämie. Diese kann zu verschiedenen Schwan-gerschaftskomplikationen und Fehlentwicklungen beimKind führen. Beobachtungsstudien zeigten einen Zusam-menhang zwischen einem Eisen-Mangel von Schwangerenund schwerwiegenden Komplikationen. So war das Risikofür Frühgeburten und geringes Geburtsgewicht erhöht, zu-dem stieg die maternale Mortalität deutlich an. Da sich dieempfohlene Eisen-Zufuhr während der Schwangerschaftselbst unter Berücksichtigung eisenreicher Lebensmittel nurschwer realisieren lässt, ist häufig eine orale Eisen-Supple-mentierung indiziert. Allerdings ist die individuelle Versor-gungslage höchst variabel [2].

Kinder und HeranwachsendeDer Eisen-Speicher eines Neugeborenen reicht für etwa vierMonate aus und ist aufgrund der vergleichsweise geringenEisen-Gehalte in der Muttermilch nach diesem Zeitraum na-hezu erschöpft. Da sich die Körpermasse in den ersten zweiLebensjahren und in der Pubertät sehr schnell vermehrt, istdie Eisen-Zufuhr mit der Nahrung häufig nicht ausreichend.Ein Mangel des Spurenelements beeinträchtigt die intellek-tuelle Entwicklung und äußert sich oft in Konzentrations-und Lernschwächen. Ein schwerwiegender frühkindlicherEisen-Mangel kann zu irreversiblen Schäden bei der Ge-hirnentwicklung führen. Auch kindliche Verhaltensstörun-gen beruhen bisweilen auf einem latenten oder manifestenMangel des Mineralstoffs. In kontrollierten Interventions-studien, in denen anämische Kinder mit Eisen supplemen-tiert wurden, zeigte sich entsprechend auch eine leicht ver-besserte kognitive Entwicklung. Diskutiert wurde, ob eineEisen-Supplementierung auch bei nicht-anämischen Kin-dern zu einer verbesserten kognitiven Leistung führt. EineStudie an gesunden Kindern unter 27 Monaten erbrachte indieser Hinsicht allerdings keine Effekte [2, 10].

VegetarierEine vegetarische und insbesondere vegane Ernährungs-weise wird wegen der schlechten Bioverfügbarkeit pflanz-lichen Eisens immer wieder mit Eisen-Mangel in Verbindunggebracht. Studien zum Eisen-Status von Vegetariern liefernwidersprüchliche Ergebnisse. So war die Prävalenz für Ei-sen-Mangel bei Vegetariern teilweise, aber nicht in allen Fäl-len erhöht. Dies gilt auch für Veganer. Insgesamt scheint ei-ne vegetarische Ernährung aber mit einem reduzierten Ei-sen-Status einherzugehen. Besonders bei veganenErnährungsformen gelingt es aufgrund der geringen Bio-verfügbarkeit trotz einer rechnerisch zum Teil deutlich überden Empfehlungen liegenden Zufuhr vielfach nicht, die Ver-sorgung zu sichern [1, 6].

Restless-Legs-SyndromDas Restless-Legs-Syndrom (RLS; Syndrom der ruhelosenBeine) ist eine neurologische Erkrankung mit einem er-höhten Bewegungsdrang in den Beinen. RLS-Patienten kla-gen über Missempfindungen wie Ziehen, Spannen, Krib-beln oder Schmerzen in Beinen und/oder Füßen, wodurchein unwiderstehlicher Drang entsteht sich zu bewegen unddie Muskeln anzuspannen oder zu dehnen. Oftmals tre-ten auch unwillkürliche Bewegungen und Schlafproblemeauf.

RLS ist weit verbreitet und soll nach Schätzungen mehrals 10 % der Bevölkerung betreffen. Die Ursachen sind nochnicht eindeutig geklärt, es scheint jedoch eine Fehlfunkti-on des Neurotransmitterstoffwechsels (v.a. von Dopamin)vorzuliegen. Menschen mit RLS weisen häufig einen gerin-gen Eisen-Status oder sogar einen Eisen-Mangel auf, was sichauch in der Cerebrospinalflüssigkeit zeigt. Dies lässt auf ei-ne Rolle von Eisen in der Pathophysiologie von RLS schlie-ßen, wenngleich die Mechanismen noch weitgehend un-bekannt sind. Möglicherweise ist die Aktivität von eisenab-hängigen Enzymen wie z.B. der Thyrosinhydroxylasebeeinträchtigt, wodurch die Synthese des NeurotransmittersDopamin gestört ist.

Die Ergebnisse von zwei Interventionsstudien zeigen,dass die Effektivität einer Eisen-Supplementierung bei RLS-Patienten von ihrem Eisen-Status abhängig zu sein scheint.So führte eine Eisen-Supplementierung von RLS-Patientenmit einem klinisch diagnostizierten Eisen-Mangel zu einemRückgang der RLS-Symptome, während bei normalem Eisen-Status keine Effekte beobachtet werden [2, 11].

ImmundefiziteDas Immunsystem reagiert empfindlich auf Nährstoffdefi-zite; dies trifft auch auf die Versorgung mit Eisen zu. So istbeispielsweise die Differenzierung und Proliferation von T-Lymphozyten eisenabhängig, ebenso wie die Aktivität vonEnzymen, die reaktive Sauerstoffspezies bilden um spezifi-sche Pathogene zu töten. Obwohl ein gezielter Eisen-Entzug(Folge: sinkende Eisen-Serumspiegel, steigende Ferritin-Se-rumspiegel) eine spezifische Immunantwort des Körpersauf eine Infektion darstellt, haben Menschen mit einem ma-nifesten Eisen-Mangel eine deutlich geschwächte Immun-abwehr. Studien, in denen anämische Probanden mit Eisensupplementiert wurden, zeigten jedoch nicht den erwarte-ten Effekt bzw. erbrachten widersprüchliche Ergebnisse.Während eine Eisen-Supplementierung in einigen Studiendie Prävalenz von z.B. Malaria nicht signifikant beeinfluss-te, kam es in weiteren Studien sogar zu einem drastischenAnstieg der Infektionen [1, 2, 6].

Einsatz im SportDurch den erhöhten Sauerstoffumsatz und eine verstärkteHämoglobinsynthese steigt bei vielen Sportarten der Eisen-Bedarf an. In zahlreiche Beobachtungsstudien zeigte sichbei den untersuchten Sportlern eine erhöhte Prävalenz desEisen-Mangels, vor allem bei weiblichen Ausdauersportlern.

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Bei Ausdauersportarten (z.B. Läufern) kommt es aufgrundvon Mikroblutungen im Gastrointestinaltrakt zusätzlich zuerhöhten Eisen-Verlusten. Zudem ist seit langem bekannt,dass starke körperliche Beanspruchungen zu einer Zerstö-rung der Erythrozyten in den Gefäßen führen (intravasku-läre Hämolyse) und dass die Überlebenszeit der Erythrozy-ten bei gut trainierten Ausdauerläufern kürzer ist als bei Un-trainierten. Beides kann die Entstehung einer Anämiebegünstigen. Die Ursache der Hämolyse ist noch nicht hin-reichend geklärt. Möglicherweise kommt es bei der Mikro-zirkulation des Blutes in den Fußsohlen durch eine mecha-nische Einwirkung des Körpergewichtes zu einer Zerstö-rung der Erythrozyten. Auch erhöhter oxidativer Stresskönnte eine Rolle spielen. Da eine Eisen-Unterversorgungdie Leistungsfähigkeit von Sportlern stark reduzieren unddie Immunabwehr schwächen kann, erweist sich der kon-trollierte Einsatz von physiologisch dosierten Eisen-Präpa-raten häufig als nützlich [2, 6].

ZusammenfassungEisen ist ein essenzielles Spurenelement und besitzt vielfälti-ge Funktionen im Stoffwechsel. Die Homöostase erfolgt aufder Ebene der Absorption, da die Möglichkeiten der Eisen-Ex-kretion stark eingeschränkt sind Unter ernährungsphysiolo-gischen Gesichtspunkten ist weniger der absolute Eisen-Ge-halt eines Lebensmittels von Bedeutung als die Bioverfügbar-keit des Mineralstoffs. Das in Lebensmitteln tierischerHerkunft enthaltene Hämeisen ist weitaus besser verwertbarals die in Pflanzen vorkommenden anorganischen Verbin-dungen. Weltweit betrachtet ist Eisen der Nährstoff, bei demam häufigsten Mangelerscheinungen auftreten.

In Deutschland erreichen mehr als drei Viertel der Frauen imgebärfähigen Alter nicht die von den Fachgesellschaften emp-fohlene Zufuhr des Mineralstoffs. Ausgeprägte Mangeler-scheinungen mit funktionellen Einschränkungen sind dennochvergleichsweise selten. Eine sehr hohe Aufnahme an Häm-eisen scheint das Risiko für Tumoren des Dickdarms zu erhö-hen. Die zeitweise postulierte Hypothese, wonach ein hoherEisen-Status die Prävalenz von Herz-Kreislauf-Erkrankungenerhöht, gilt hingegen als widerlegt.

Zitierte Literatur[1] Hahn, A. Ströhle, A., Wolters, M., unter Mitarbeit von Hahn, D.,

Lechler, T.: Ernährung – Physiologische Grundlagen, Prävention,Therapie, 2. Aufl., WVG Stuttgart (2006), pp. 139–143.

[2] Schuchardt, J.P., Hahn, A.: Ernährungsphysiologische Bedeutungvon Eisen. DLR 105 (2009), 111–120.

[3] Hülsmann, O., Ströhle, A., Wolters, M., Hahn, A.: Mineralstoffe – Isteine Supplementierung immer sinnvoll? Dtsch. Apoth. Ztg. 145(2004), 964–974.

[4] Löffler, G., Petrides, P.E.: Biochemie und Pathobiochemie, 7. Aufla-ge, Springer Heidelberg (2003), pp. 702–704.

[5] Hunt, J.R., Roughead, L.Z.K.: Adaptation of iron absorption in menconsuming diets with high or low iron bioavailability. Am. J. Clin.Nutr. 71 (2000), 94–102.

[6] Hahn, A. : Nahrungsergänzungsmittel und ergänzende bilanzierteDiäten, 2. Aufl., WVG Stuttgart (2006), pp. 259–264.

[7] Hüfner, M.: Eisen. In: Schauder, P., Ollenschläger, G. (Hrsg.):Ernährungsmedizin. Prävention und Therapie, 3. Aufl., Urban undFischer München (2006), pp. 168–174

[8] Max Rubner-Institut (Hrsg.): Nationale Verzehrs Studie II Ergebnis-bericht, Teil 2. Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebens-mittel (2008); http://www.was-esse-ich.de/uploads/media/NVSII_Ergebnisbericht_Teil2.pdf am 14.02.2009.

[9] Hurrell, R.F.: Iron (1999). In: The Mineral Fortification of Food, pp.54–93.

[10] Sipe, J.C., Lee, P., Beutler, E.: Brain iron metabolism and neurodege-nerative disorders. Dev. Neurosci. 24 (2002), 188–196.

[11] [Satija, P., Ondo, W.G.: Restless legs syndrome: pathophysiology,diagnosis and treatment. CNS Drugs 22 (2008), 497–518.

[12] Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), Österreichische Gesell-schaft für Ernährung (ÖGE), Schweizerische Gesellschaft fürErnährung (SGE), Schweizerische Vereinigung für Ernährung (SVE):Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Umschau Braus, Frankfurtam Main (2008).

Der Autor:Prof. Dr. Andreas Hahn (geb. 1962); Studium derErnährungswissenschaft an der Universität Gießen;1986 Diplom; 1990 Promotion im Bereich Bioche-mie der Ernährung; 1989–1993 wissenschaftlicherMitarbeiter am Institut für Ernährungswissenschaftder Universität Gießen, verschiedene Lehraufträgean den Universitäten Gießen, Marburg, Düsseldorfund Hannover; 1993 Hochschuldozent fürErnährungsphysiologie und Humanernährung ander Universität Hannover, Aufbau einer neuen Abtei-lung; 2001 zusätzlich Habilitation im Fach Lebens-mittelwissenschaft; 2003 Ernennung zum apl. Pro-fessor.

AAnnsscchhrriifftt::Prof. Dr. Andreas HahnLeibniz Universität HannoverInstitut für Lebensmittelwissenschaft und Öko-trophologieAbteilung Ernährungsphysiologie und Human-ernährungAm Kleinen Felde 30D-30167 [email protected]

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