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TREFFPUNKT FORSCHUNG 206 © 2012 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2012, 46, 202 – 206 MOLEKULARE DRÄHTE Polyin eingefädelt Erstmals ist es gelungen, längere Polyine durch einen molekularen Ring zu fädeln. Dies ist ein erster Schritt zur Untersuchung einer neuen Koh- lenstoffmodifikation und auch zur Herstellung von isolierten molekula- ren Drähten. verbunden sind, sich aber aufgrund der sperrigen Endgruppen auch nicht trennen können. Zwei Teams konnten jetzt unab- hängig voneinander solche Polyin-Ro- taxane herstellen und charakterisie- ren. Tykwinski, der inzwischen an der Universität Erlangen-Nürnberg arbei- tet, tat sich mit Harry Anderson an der Universität Oxford zusammen, der einen geeigneten Liganden parat hatte, nämlich einen Phenanthrolin- Makrocyclus. Mit Hilfe eines an den Phenanthrolin-Stickstoff koordinier- ten Kupferions konnten die Forscher die zwei Hälften der Supertrityl- Polyin-Hantel in der Ringmitte zusam- menfügen [2]. Bei dieser Synthese- strategie dient das Kupferion sowohl als Gerüstbaustein als auch als Kataly- sator. Zur gleichen Zeit fädelte auch die Arbeitsgruppe von John Gladysz an der Texas A&M University ein ähnli- ches Konstrukt ein [3]. Dort benutzte man denselben Ring und im wesent- lichen dieselbe Vorgehensweise bei der Synthese, aber eine andere Han- tel. Im Gladyszschen Polyin bilden Platinkomplexe die Endpunkte der Polyinkette, während Tykwinskis Hantel ein reiner Kohlenwasserstoff ist. Beide Teams führten umfassende spektroskopische und strukturanalyti- sche Untersuchungen der Polyinrota- xane durch, einschließlich NMR- Spektroskopie und Röntgenstruktur- analyse. Tykwinski und Kollegen vari- ierte auch die Länge der Hantel, wo- bei die Synthese der Rotaxane mit acht, zwölf und 20 Kohlenstoffato- men in der Polyinkette gelang. Zusätzlich analysierte Andersons Gruppe in Oxford auch den Einfluss eines an die Phenanthrolingruppe ge- bundenen Rhenium-Komplexes. Es zeigte sich, dass die Nähe des Polyins die Lumineszenz des Rheniums un- terdrückte, während umgekehrt die Asymmetrie des Rheniumkomplexes auch die in NMR-Spektren beobacht- bare Symmetrie der Polyin-Hantel aufhob. Anwendung als molekulare Drähte? Im nächsten Schritt wollen Anderson und Tykwinski versuchen, ob sie die Vorgehensweise auf längere Hanteln mit mehreren Ringen ausweiten können. Je länger die Polyin-Achse im Kern des molekularen Kon- strukts ist, desto näher kommt sie der idealisierten, aber bisher noch nicht experimentell beobachteten neuen Kohlenstoffmodifikation, dem Carbin. Längere Polyin-Rotaxane könnten auch als molekulare Stromleiter für die Nanoelektronik interessant wer- den. In diesem Anwendungsbereich wären dann metallorganische End- gruppen, wie Gladysz sie verwendet, besonders nützlich, da sie als Sender und Empfänger für elektrische Signa- le dienen könnten. Michael Groß www.michaelgross.co.uk [1] W. A. Chalifoux und R. R. Tykwinski, Nature Chemistry 2010, 2, 967–971. [2] L. D. Movsisyan et al. Org. Lett. 2012, DOI 10.1021/ol301392t. [3] N. Weisbach et al., Chem. Comm. 2012, DOI: 10.1039/c2cc33321j. TREFFPUNKT FORSCHUNG Versuche, längere Polyine der allge- meinen Formel R-(CC-) n R herzustel- len und zu untersuchen, gibt es be- reits seit den 1970er Jahren, doch die Kohlenstoffketten neigen dazu, sich miteinander zu vernetzen. Zunächst konnte man sie deshalb nur in extrem verdünnter Lösung untersuchen, spä- ter auch eingekapselt in Nanoröhren oder mit helicalen Liganden. Polyin-Rotaxane Vor wenigen Jahren gelang Wesley Chalifoux und Rik Tykwinski an der University of Alberta in Edmonton (Kanada) durch Einführung einer besonders sperrigen Endgruppe na- mens Supertrityl (tris(3,5-di-tert-bu- tylphenyl)methyl) die Synthese einer Polyinkette mit 44 Kohlenstoffato- men [1]. Allerdings lässt naturgemäß die Schutzwirkung solcher Endgrup- pen immer mehr nach, je länger die Kette wird. Deshalb haben bereits mehrere Autoren vorgeschlagen, eine Ringverbindung als molekularen Schutzgürtel um den mittleren Be- reich des Polyins zu legen, was zur Bildung eines Rotaxans führt, in dem Ring und Achse zwar nicht chemisch Abb. Die sperrigen Endgruppen des Polyins verhindern, dass der Ring von der Achse rutscht. Bild: Harry Anderson, Oxford

Polyin eingefädelt

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T R E F F P U N K T FO R SC H U N G

206 © 2012 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2012, 46, 202 – 206

M O L E K U L A R E D R Ä H T E

Polyin eingefädeltErstmals ist es gelungen, längere Polyine durch einen molekularen Ringzu fädeln. Dies ist ein erster Schritt zur Untersuchung einer neuen Koh-lenstoffmodifikation und auch zur Herstellung von isolierten molekula-ren Drähten.

verbunden sind, sich aber aufgrundder sperrigen Endgruppen auchnicht trennen können.

Zwei Teams konnten jetzt unab-hängig voneinander solche Polyin-Ro-taxane herstellen und charakterisie-ren. Tykwinski, der inzwischen an derUniversität Erlangen-Nürnberg arbei-tet, tat sich mit Harry Anderson ander Universität Oxford zusammen,der einen geeigneten Liganden parathatte, nämlich einen Phenanthrolin-Makrocyclus. Mit Hilfe eines an denPhenanthrolin-Stickstoff koordinier-ten Kupferions konnten die Forscherdie zwei Hälften der Supertrityl- Polyin-Hantel in der Ringmitte zusam-menfügen [2]. Bei dieser Synthese-strategie dient das Kupferion sowohlals Gerüstbaustein als auch als Kataly-sator.

Zur gleichen Zeit fädelte auch dieArbeitsgruppe von John Gladysz ander Texas A&M University ein ähnli-ches Konstrukt ein [3]. Dort benutzteman denselben Ring und im wesent-lichen dieselbe Vorgehensweise beider Synthese, aber eine andere Han-tel. Im Gladyszschen Polyin bildenPlatinkomplexe die Endpunkte der

Polyinkette, während TykwinskisHantel ein reiner Kohlenwasserstoffist.

Beide Teams führten umfassendespektroskopische und strukturanalyti-sche Untersuchungen der Polyinrota-xane durch, einschließlich NMR-Spektroskopie und Röntgenstruktur-analyse. Tykwinski und Kollegen vari-ierte auch die Länge der Hantel, wo-bei die Synthese der Rotaxane mitacht, zwölf und 20 Kohlenstoffato-men in der Polyinkette gelang.

Zusätzlich analysierte AndersonsGruppe in Oxford auch den Einflusseines an die Phenanthrolingruppe ge-bundenen Rhenium-Komplexes. Eszeigte sich, dass die Nähe des Polyinsdie Lumineszenz des Rheniums un-terdrückte, während umgekehrt dieAsymmetrie des Rheniumkomplexesauch die in NMR-Spektren beobacht-bare Symmetrie der Polyin-Hantelaufhob.

Anwendung als molekulareDrähte?Im nächsten Schritt wollen Andersonund Tykwinski versuchen, ob sie dieVorgehensweise auf längere Hantelnmit mehreren Ringen ausweiten können. Je länger die Polyin-Achse im Kern des molekularen Kon-strukts ist, desto näher kommt sie der idealisierten, aber bisher nochnicht experimentell beobachtetenneuen Kohlenstoffmodifikation, dem Carbin.

Längere Polyin-Rotaxane könntenauch als molekulare Stromleiter fürdie Nanoelektronik interessant wer-den. In diesem Anwendungsbereichwären dann metallorganische End-gruppen, wie Gladysz sie verwendet,besonders nützlich, da sie als Senderund Empfänger für elektrische Signa-le dienen könnten.

Michael Großwww.michaelgross.co.uk

[1] W. A. Chalifoux und R. R. Tykwinski, NatureChemistry 2010, 2, 967–971.

[2] L. D. Movsisyan et al. Org. Lett. 2012, DOI 10.1021/ol301392t.

[3] N. Weisbach et al., Chem. Comm. 2012,DOI: 10.1039/c2cc33321j.

T R E F F P U N K T FO R SC H U N G

Versuche, längere Polyine der allge-meinen Formel R-(C≡C-)nR herzustel-len und zu untersuchen, gibt es be-reits seit den 1970er Jahren, doch dieKohlenstoffketten neigen dazu, sichmiteinander zu vernetzen. Zunächstkonnte man sie deshalb nur in extremverdünnter Lösung untersuchen, spä-ter auch eingekapselt in Nanoröhrenoder mit helicalen Liganden.

Polyin-RotaxaneVor wenigen Jahren gelang WesleyChalifoux und Rik Tykwinski an derUniversity of Alberta in Edmonton(Kanada) durch Einführung einer besonders sperrigen Endgruppe na-mens Supertrityl (tris(3,5-di-tert-bu-tylphenyl)methyl) die Synthese einerPolyinkette mit 44 Kohlenstoffato-men [1]. Allerdings lässt naturgemäßdie Schutzwirkung solcher Endgrup-pen immer mehr nach, je länger dieKette wird. Deshalb haben bereitsmehrere Autoren vorgeschlagen, eineRingverbindung als molekularenSchutzgürtel um den mittleren Be-reich des Polyins zu legen, was zurBildung eines Rotaxans führt, in demRing und Achse zwar nicht chemisch

Abb. Die sperrigen Endgruppen des Polyins verhindern, dass der Ring von der Achse rutscht. Bild: Harry Anderson, Oxford