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Posttraumatische Arthrose des oberen Sprunggelenks

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Page 1: Posttraumatische Arthrose des oberen Sprunggelenks

Trauma Berufskrankh 2011 · 13:198–203DOI 10.1007/s10039-011-1746-8Online publiziert: 12. September 2011© Springer-Verlag 2011

H.-P. Abt1 · O. Neun1 · G. Zivko1 · C. Vehn1, 2 · R. Hoffmann2

1 Orthopädische und traumatologische Fußchirurgie, BG-Unfallklinik Frankfurt am Main2 Unfallchirurgie und Orthopädische Chirurgie, BG-Unfallklinik Frankfurt am Main

Posttraumatische Arthrose des oberen SprunggelenksWann Arthrodese, wann Endoprothese?

Leitthema

Pathophysiologie

Die primäre Arthrose des oberen Sprung-gelenks (OSG) ist entsprechend der straf-fen Führung und hohen Formschlüssig-keit des Gelenks selten, meist lassen sich systemische bzw. stoffwechselbedingte Er-krankungen (z. B. rheumatoide Arthritis, Diabetes mellitus) und solche des ortho-pädischen Fachgebiets (Beinachsenfehl-stellungen, Systemerkrankungen) oder traumatische Gelenkzerstörungen und chronische ligamentäre Instabilitäten fin-den. Posttraumatische Arthrosen stellen mit etwa 80% den Hauptanteil der sekun-dären Arthrosen am Sprunggelenk.

Die vergleichsweise dünne Knorpel-schicht des OSG (Durchmesser im Mit-tel: 1,6 mm) bei geringer Kontaktfläche (Durchmesser im Mittel: 7 cm2) und ho-hen Spitzendrücken erlaubt im Gegensatz zu Knie- und Hüftgelenken keine Tole-ranz von Inkongruenz. Gegenüber akuten Schäden und aktivierter Arthrose schei-nen bei chronischen ligamentären Insta-bilitäten propriozeptive Schutzmechanis-men, ähnlich den Neuropathien, zu ver-sagen, sodass Degeneration und Fehlstel-lung häufig schleichend eintreten und lange schmerzfrei und daher unbemerkt verlaufen. Die Kompensation des Bewe-gungsverlusts im oberen Sprunggelenk durch Außenrotation mit Abduktion und Pronation des Fußes kann kaum merklich zur Tibialis-posterior- und Deltaligament-insuffizienz mit sekundär dekompensier-tem Knicksenkfuß führen.

Biomechanische Aspekte des oberen Sprunggelenks

Das OSG ist kein reines Scharnierge-lenk, sondern führt kombinierte Dreh- und Gleitbewegungen aus. Die gegen-läufigen Krümmungen der Talusrollkan-ten sind medial vorne kleiner als hinten, mit konvexem längerem fibularem Rand und ventral insgesamt etwa 4 mm brei-terer Gelenkfläche.

Die tibiale Gelenkfläche ist flacher, sa-gittal konkav, medial geringgradig höher und hat eine etwa 30% geringere Fläche im Vergleich zum Talus, wodurch jeweils der Kraftschluss zum Talusdom gewähr-leistet wird.

Durch die quere, nach lateral und schräg zur Taluslängsachse geneigte, vari-able Bewegungsachse des oberen Sprung-gelenks sind beim Gehen Rotationsbe-wegungen der Tibia erforderlich [4], die bei Funktionsverlust des OSG durch die Nachbargelenke ausgeglichen werden müssen. Durch die schräge Bewegungs-achse des unteren Sprunggelenks (USG) werden die Rotationsbewegungen der Ti-bia mit einer Rotation um die Längsachse des Fußes und Kraftumleitung gekoppelt.

Die auf das OSG einwirkenden Kräf-te beim Gehen betragen bis zum 5,2-Fa-chen des Körpergewichts, nur etwa 2/3 der Gesamtgelenkfläche (etwa 12 cm2) werden belastet. Dies unterstreicht die Bedeutung der Bandführungen, nicht zuletzt von Deltaband und Syndesmose.

Schmerzhafte Arthrose des oberen Sprunggelenks

Behandlungsmöglichkeiten 

Konservative Maßnahmen umfassen die mechanische Entlastung des OSG durch rückversetzte Abrollhilfe/Mittelfußrol-le und Pufferabsätze sowie Gelenkru-higstellung durch hochgeschlossenes or-thopädisches Schuhwerk (Feststellabroll-schuh); ferner systemische und intraarti-kuläre antiphlogistische Medikamente.

Bei Beschwerdepersistenz werden chi-rurgische Maßnahmen erforderlich. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob ein alleiniges arthroskopisches oder offenes Débride-ment sinnvoll ist oder ob weiterführende Verfahren zur Verbesserung von Gelenk-stellung und -führung, z. B. mit Korrek-turosteotomien von Bein- und Rückfuß-achse sowie Bandstabilisierung, erforder-lich sind.

Jeder noch so schonende gelenker-haltende Eingriff bei fortgeschrittener Sprunggelenkarthrose kann entsprechend der biomechanischen Besonderheiten zu einer fulminanten Aktivierung der Be-schwerden führen.

Großflächige Degeneration, Inkon-gruenz und Instabilität sind grundsätzlich nicht durch arthroskopische oder offene Gelenktoiletten zu verbessern. Die Beseiti-gung osteophytärer Anbauten und arthro-fibrotischer Bewegungseinschränkungen ist bezüglich der Arthroseentwicklung nicht kalkulierbar und führt oft zur fulmi-nanten Beschwerdezunahme. Umschrie-

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bene posttraumatische oder idiopathische osteochondrale Defekte sind dagegen sel-ten Ursache arthritischer Beschwerden und lassen sich häufig erfolgreich durch die befundentsprechend bewährten Maß-nahmen Débridement – Mikrofrakturie-rung – Ersatz durch Knochen-Knorpel-Transplantation und Ähnliches nachhal-tig bessern. Der Anteil dieser umschrie-benen Defekte an hochgradigen Sprung-gelenkarthrosen ist in unserem Patienten-gut äußerst gering.

Resektionsarthroplastiken mit mehr-wöchiger Distraktion über Fixateur ex-terne sind unkalkulierbar und können Be-schwerden und Verlauf meist nicht güns-tig beeinflussen.

Arthrodese

Seit der Erstbeschreibung der OSG-Ar-throdese durch E. Albert beim polio-myelitischen Lähmungsspitzfuß eines 14-jährigen Jungen entwickelten sich v. a. nach Einführung der axialen Kompres-sion durch Charnley [3] zahlreiche Tech-niken. Diese erlauben eine individuel-le Anpassung an die jeweilige Deformi-tät, Weichteilsituation, Knochenqualität sowie an Risikofaktoren wie systemische und neurologische Grunderkrankungen und lokale Infekte. Damit stellt die Arth-rodese ein nahezu universell einsetzbares Verfahren mit zahlreichen, standardisier-ten Variations- bzw. Kombinationsmög-lichkeiten, sowohl hinsichtlich der Wahl des Zugangs als auch der Osteosynthese-techniken, dar.

Ziel der Arthrodese ist die Wiederher-stellung der schmerzfreien Belastung des Fußes im Konfektionsschuh mit Zurich-tung. Dazu ist die biomechanisch güns-tigste Stellung mit plantigradem Auftritt (Neutralstellung), geringer Außenrotation und Rückfußvalgus von jeweils etwa 10° sowie korrekter Bein- und Rückfußach-se erforderlich. In der Sagittalebene soll-te die Talusposition nicht verändert wer-den, um eine negative Beeinflussung der Hebelkräfte zu vermeiden.

Die Einstellung des Fußes in allen Di-mensionen ist maßgeblich für die spätere Funktion und muss intraoperativ klinisch und radiologisch beurteilt werden. Die Anforderungen an die Erfahrung und das Geschick des Operateurs sind hoch, zu-

Zusammenfassung · Abstract

Trauma Berufskrankh 2011 · 13:198–203 DOI 10.1007/s10039-011-1746-8© Springer-Verlag 2011

H.-P. Abt · O. Neun · G. Zivko · C. Vehn · R. Hoffmann

Posttraumatische Arthrose des oberen Sprunggelenks. Wann Arthrodese, wann Endoprothese?

ZusammenfassungDie Arthrose des oberen Sprunggelenks (OSG) ist überwiegend posttraumatisch be-dingt und betrifft damit häufig jüngere, ak-tive Patienten. Darüber hinaus treten oft Be-gleitverletzungen mit Weichteilschädigungen und Achsfehlstellungen auf. Bei hochgradiger Arthrose stellt die Arthrodese ein etablier-tes Verfahren mit nahezu unbegrenzter An-wendungsmöglichkeit und sicherer Schmerz-freiheit dar. Durch die Weiterentwicklung der OSG-Totalendoprothese (OSG-TEP) ist bei Er-füllung individueller Indikationskriterien ei-ne gute Alternative zur Arthrodese entstan-den, bei welcher das physiologische Gang-bild weitgehend erhalten bleibt und Beinver-kürzung und Anschlussarthrosen verhindert werden können. TEP-Wechsel und sekun-

däre Arthrodesen werden durch den mini-malen Knochenverlust der heutigen Prothe-sengeneration erleichtert, sodass auch jün-geren Patienten die TEP empfohlen werden kann. Voraussetzung für ein optimales Ergeb-nis sind korrekte Achsverhältnisse und eine gute Weichteilbalancierung. Zusätzliche Ein-griffe können ein- oder zweizeitig durchge-führt werden. Aufgrund der höheren Anwen-dungsbreite bleibt die Arthrodese der Gold-standard, die TEP wird bis zur Steigerung der Fallzahlen spezialisierten Zentren vorbehal-ten bleiben.

SchlüsselwörterSprunggelenk · Arthrodese · Prothese · Arthrose · OSG

Posttraumatic arthritis of the upper ankle. Fusion or prosthesis?

AbstractArthritis of the ankle is primarily posttrau-matic and therefore found in younger, ac-tive patients. Accompanying injuries involv-ing soft tissue damage and axial misalign-ment are often seen. In case of severe arthri-tis ankle arthrodesis is an established method with an almost unlimited spectrum of appli-cation which also results in reliable freedom from pain. Due to advances in total ankle re-placement (TAR), and in cases where individ-ual indications are fulfilled, TAR offers an ex-cellent alternative to arthrodesis. Thus physi-ological gait can be almost completely main-tained and shortening of the leg or develop-ment of arthritis in adjacent joints can be pre-

vented. Since TAR and secondary fusion are facilitated by minimal bone loss using mod-ern prostheses, the procedure can be recom-mended even in younger patients. Correct positioning and soft tissue balance, which should be performed secondarily, are pre-conditions for perfect results. Due to greater fields of application, arthrodesis remains the gold standard, whereas TAR will remain re-served for specialized centres until case num-bers increase.

KeywordsAnkle joint · Arthrodesis · Prosthesis · Arthritis · Upper ankle

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mal die Einstellung des Fußes in die Knö-chelgabel im Hinblick auf die Gesamtsta-tik nicht nur bezüglich der Tibiaachse zu beurteilen ist. Dies ist bereits bei der Ab-deckung vor der Operation zu berück-sichtigen, die intraoperativ auch ein Auf-stellen des Fußes erlauben muss.

Kontraindikationen Eine Arthrodese sollte nicht durchgeführt werden, wenn allgemeine Operationsrisi-ken im Vergleich zum konservativen Vor-gehen mit orthopädischer Schuhversor-gung unkalkulierbar hoch erscheinen. Dabei sind der Gesamtzustand des Pa-

tienten, dessen Weichteil- und Knochen-verhältnisse sowie die Durchblutungssitu-ation zu berücksichtigen. In bestimmten Fällen muss auch die Indikation zur Am-putation geprüft werden.

Indikationen Eine Arthrodese ist indiziert beiFInstabilitätsarthrose bei hochgradiger

Tibialis-posterior- und Deltabandin-suffizienz

FHochgradiger, komplexer Bein-/Rückfußachsfehlstellung

FNeuropathien FDiabetes mellitus, v. a. wegen der un-

absehbaren Entwicklung von Mikro-angiopathie und Polyneuropathie

FErhöhtem Risiko für Wundheilungs-störungen, schlechter Weichteilsitua-tion, starkem Nikotinabusus

FPeripherer arterieller Verschluss-krankheit

FPostinfektiöser Situation/chronischer Osteomyelitis

FAvaskulärer Talusnekrose über 50% FNach Ausbau einer Sprunggelenkpro-

these

Nicht zuletzt sind zudem individuelle, pa-tientenbezogene Faktoren zu berücksich-tigen, die auch vom persönlichen Ein-druck des Indikationsstellers abhängen (.Abb. 1). Gerade unter diesem Aspekt sollte die Indikation für die Wahl des Ver-fahrens, Zugangswege und Osteosynthe-sen entsprechend erfahrenen Kollegen vorbehalten bleiben. Der Wunsch des Pa-tienten kann bei der Entscheidungsfin-dung mit einfließen.

Voraussetzung für eine akzeptab-le Funktion trotz Ausfall der gekoppel-ten Kraftübertragung des Sprunggelenk-komplexes ist die Kompensationsfähigkeit der anschließenden Gelenke. Hochgradi-ge Fußdeformitäten, z. B. Knickplatt- und Hohlfuß, erfordern daher zusätzliche Maßnahmen zur Wiederherstellung einer normalen Fußform bzw. des Alignments. Diese können je nach Umfang ein- oder zweizeitig durchgeführt werden. Dazu ge-hören die subtalare und pantalare Arth-rodese, Stellungskorrekturen im Mittel-fuß, Beinachsenkorrekturen sowie Dero-tationsosteotomien. Grundsätzlich sollte eine weitmöglichste Erhaltung der Gelen-ke des USG und der Fußwurzel angestrebt

TEP

• Anschlussarthrose

• Rheumatoide Arthritis

• Individuelle Anforderungen

Arthrodese

• Diabetes mellitus

• Arterielle Verschlusskrankheit

• Post Infekt

• Talusnekrose

• Neuropathie

Ein�ussfaktoren:

• BMI/Belastung

• Weichteilverhältnisse

• Beinachsen/Rückfußstellung

• Bandstabilität

schmerzhafte Destruktion des Sprunggelenkes

Abb. 1 9 Indikations-stellung, BMI Body-Mass-Index, TEP Total-endoprothese

Abb. 2 8 Arthrodese, a,b Schraubenpositionierung, c,d zusätzlicher Stabilitätsgewinn durch Osteo-synthese der Fibula an Tibia und Talus, e zusätzlich eingebrachte perkutane, tibiotalare Zugschraube (nach Ausbau der Totalendoprothese)

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Leitthema

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werden, wobei radiologische von klinisch relevanten Arthrosen abzugrenzen sind.

TechnikenBei nur geringer Deformierung kann die OSG-Arthrodese arthroskopisch assistiert oder durch Miniarthrotomie erfolgen, mit dem Vorteil geringerer Weichteiltrauma-tisierung, jedoch reduziertem Überblick und längerer Operationsdauer.

Wir bevorzugen die von Zwipp [22] beschriebene Schraubenpositionierung (.Abb. 2a,b) über einen ventralen Zu-gang, alternativ transfibular mit zusätzli-cher medialer Miniarthrotomie. Bei etwas höherem Zeitaufwand werden bei diesem Zugang die ventral verlaufenden Sehnen nicht tangiert, die Schraubenpositionie-rung ist variabler, die Osteosynthese der Fibula an Tibia und Talus, als Bioplatte, gibt zusätzliche Stabilität (.Abb. 2c,d). Von diesem Zugang lassen sich im Be-darfsfall Subtalar- bzw. Chopart-Gelen-ke darstellen.

Bei hochgradiger Schädigung der tala-ren Gelenkfläche, bei Nekrose oder nach TEP-Ausbau (TEP: Totalendoprothese) kann zum Erhalt der knöchernen Kon-taktflächen eine perkutane, tibiotalare

Zugschraube von posterior mit ventraler Plattenosteosynthese oder ventralem, in den Talus eingefalztem Tibiaspan kombi-niert werden (.Abb. 2e).

Bei schlechten Weichteilverhältnis-sen, schlechter Knochenqualität, septi-schen Komplikationen, hochgradigen Durchblutungsstörungen und nicht zu-letzt neuropathischer Osteoarthropathie bzw. Charcot-Destruktionen des Sprung-gelenks stellt der Fixateur externe, evtl. auch als Ilisarov- oder Hybridfixateur, ein verlässliches Verfahren dar.

Die Anforderungen an den Patienten hinsichtlich der Pflege der Pineintrittsstel-len sind jedoch hoch, und es sind regel-mäßige ärztliche Kontrollen erforderlich.

Totalendoprothese  des oberen Sprunggelenks

Die bis in die 1980er Jahre implantier-ten mono-, später biaxialen, zementier-ten Prothesen hatten hohe Komplika-tionsraten mit früher Lockerung. Erst die dritte Generation der heute üblichen ze-mentfreien, 3-Komponenten-Prothesen mit mobilem PE-Inlay (PE: Polyethylen), anatomischem Design und damit phy-

siologischer Kinematik, eingeleitet durch die STAR-Prothese (STAR: „Scandinavi-an total ankle replacement“) von Kofo-ed [15], stellt eine zuverlässige Alternati-ve zur Arthrodese dar. Durch die gerin-ge Knochenresektion werden Prothesen-wechsel möglich und eine spätere Arth-rodese einfacher.

Zahlreiche Studien belegten, dass die gelenknahe Demineralisierung bei Rheu-mapatienten keine Kontraindikation dar-stellt, die Standzeiten zementfreier gegen-über zementierten Prothesen länger sind und die Ergebnisse bei jüngeren Patienten die Empfehlung zur Endoprothese erlau-ben. Ein Zusammenhang zwischen Body-Mass-Index (BMI) und TEP-Lockerung konnte nicht festgestellt werden.

Mit der Hüft- und Knieendoprothetik vergleichbare Ergebnisse können nur bei strenger Indikationsstellung (.Abb. 1) und optimaler Implantationstechnik er-zielt werden.

Die Sprunggelenkendoprothetik stellt im besonderen Maß Anforderungen an Implantationstechnik und Weichteilba-lancierung, v. a. des Deltabandkomple-xes. Durch die geringe Zahl von weni-ger als etwa 1800 Sprunggelenkprothe-

Abb. 3 7 Totalendoprothe-se des oberen Sprungge-

lenks, zweizeitig nach T-Ar-throdese

Abb. 4 7 Totalendoprothe-se des oberen Sprungge-

lenks, einzeitig: a,b subta-lare Arthrodese, c Verlänge-

rung des Innenknöchels

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sen gegenüber etwa 10.000 Arthrodesen im Jahr in Deutschland ist die Lernkurve beim Operationsteam zwangsläufig flach, sodass eine Beschränkung auf verhältnis-mäßig wenige Operateure, überwiegend in Zentren, stattfindet, die einer weiten Verbreitung der Sprunggelenkendopro-thetik entgegensteht. Dies erfordert einen optimalen Service der einzelnen Herstel-ler mit Operationsbegleitung und wieder-holter Schulung auch des Pflegepersonals und stellt besondere Anforderungen an ein präzises, jedoch in der Handhabung einfaches In strumentarium.

Voraussetzung für ein optimales post-operatives Ergebnis sind physiologische Bandführung, Beinachsen- und Rück-fußstellung, die Beseitigung schmerzhaf-ter Arthrosen benachbarter Gelenke, v. a. des unteren Sprunggelenks, sowie von Fußfehlstellungen wie dem hochgradigen Knickplatt- oder Hohlfuß. Je nach dem Umfang zusätzlicher Fehlstellungen müs-sen Korrekturen zweizeitig vor der TEP-Implantation oder einzeitig ergänzend durchgeführt werden (.Abb. 3, 4).

Die damit verbundenen technischen Ansprüche an den Operateur und auch an das Verständnis des Patienten sind äu-ßerst hoch und erfordern eine jeweils kri-tische Prüfung des Mach- und Zumut-baren für Operateur und Patienten. Im Gegensatz zu anderen Gelenken bietet sich die Abwägung der Risiken im Ver-gleich zur Arthrodese an, der im Zweifel der Vorzug gegeben werden sollte. Dieser wichtige individuelle Aspekt der Indika-

tionsstellung kann langfristig das Vertrau-en in die Endoprothetik stärken. Ein wei-terer Vorteil besteht aus der standardisier-ten postoperativen Therapie mit frühzei-tiger axialer Vollbelastung nach Wund-heilung in Orthese oder Gips. Unter die-sem Aspekt sollte die vereinzelt propa-gierte Umwandlung einer Arthrodese in eine TEP kritisch abgewogen werden und nur Patienten vorbehalten bleiben, bei denen relevante Anschlussarthrosen und ein Ausfall kompensierender Gelenke be-steht.

Vor allem jüngere Patienten müssen auf die Notwendigkeit von Folgeopera-tionen hingewiesen werden. TEP-Wech-sel oder Interpositionsarthrodesen er-fordern einen erhöhten operativen Auf-wand, der sich entsprechend unserer Er-fahrung durch gute postoperative Ergeb-nisse rechtfertigen lässt.

Kontraindikationen zur Endoprothese sind (.Abb. 1):FNeuropathie FTalusnekrose über 50% FHochgradige ligamentäre Instabilität FSchlechte Weichteilverhältnisse FDiabetes mellitus (?) FPeriphere arterielle Verschlusskrank-

heit FExzessiver Nikotinabusus

Eine länger zurückliegende Infektion stellt keine absolute Kontraindikation dar, er-fordert jedoch eine umfassende präope-rative Diagnostik.

Umfangreiche zusätzliche operati-ve Korrekturen sollten nach Möglichkeit zweizeitig vorbereitend durchgeführt wer-den, v. a. im Hinblick auf Operationszeit und -dauer sowie Wundheilung. Einzeitig können ligamentäre Stabilisierungen und Balancierungen, z. B. durch Verlängerung des medialen Malleolus, erfolgen.

Das Alignment wiederherstellende Eingriffe erfordern eine Unterscheidung zwischen artikulären und extraartikulären Achsfehlstellungen:

Varusdeformität Hier ist folgendes Vorgehen indiziertFLaterale supramalleoläre Keilentnah-

me und Fibulaverkürzung FLaterale Keilentnahme und Ver-

schiebeosteotomie des Kalkaneus FExtendierende proximale Metatarsa-

le-I-Osteotomie FFibulare Bandrekonstruktion FPeronaeus longus auf brevis Sehnen-

transfer

ValgusdeformitätHier wird folgendermaßen vorgegangen:FMedialisierende Kalkaneusverschie-

beosteotomie FMediales Weichteilrelease FMediale Keilentnahme supramalleo-

lär ohne Fibulaosteotomie

Sämtliche Achskorrekturen können so-wohl zu- als auch aufklappend durchge-führt werden. Auch derotierende Osteo-tomien am Unterschenkel sollten vor-zugsweise supramalleolär vorgenommen werden.

Merke. Die korrekte Achsstellung, weich-teilige Balancierung und stabile Fixierung des Gelenks sind der Schlüssel für eine gu-te Funktion und lange Standzeit der TEP.

Diskussion

Ein direkter Vergleich zwischen OSG-TEP und Arthrodese ist nicht möglich. Vergleichsstudien beziehen sich v. a. auf Ganganalysen, die bei der Arthrodese durch die erreichte Schmerzfreiheit eine Erhöhung der Ganggeschwindigkeit im Vergleich zur symptomatischen Arthrose zeigen, jedoch persistieren Asymme trie und reduzierte Rückfußbeweglichkeit,

Tab. 1  OSG-Arthrodese

Vorteile Nachteile

Sichere Schmerzfreiheit Bewegungsverlust

Kompensation im USG Beinverkürzung

Normale Schuhe mit Abrollhilfe/Höhenausgleich Gangstörung

USG-Arthrose oft asymptomatisch Anschlussarthrosen

Geringe Rate an Wundheilungsstörungen Pseudarthroserisiko

Variable Zugangswege und Osteosyntheseverfahren Zeitdauer bis zur VollbelastungOSG oberes Sprunggelenk, USG unteres Sprunggelenk

Tab. 2  OSG-TEP

Vorteile Nachteile

Bewegungserhalt, physiologisches Gangbild Multifaktorielle Indikationsstellung

Schonung der Anschlussgelenke Geringe Fallzahlen/Lernkurve

Keine Beinverkürzung Belastbarkeit?

Schnelle Vollbelastung im Stiefel Evtl. zweizeitige ZusatzeingriffeOSG oberes Sprunggelenk, TEP Totalendoprothese

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Leitthema

Page 6: Posttraumatische Arthrose des oberen Sprunggelenks

ferner kommt es zur kompensatorischen Hyperextension im Kniegelenk.

Die Auswirkungen der Arthrodese auf die Anschlussgelenke hängen v. a. von der Position des Fußes, evtl. begleiten-den Achsfehlstellungen sowie evtl. vorbe-stehenden, degenerativen Veränderungen ab. Die aus der komplexen Biomechanik des oberen Sprunggelenks resultierenden Probleme der Arthrodese, insbesonde-re das veränderte Gangbild, Anschlussar-throsen im Subtalar- und Kniegelenk so-wie die Notwendigkeit von Schuhzurich-tungen (.Tab. 1) führten zur Weiterent-wicklung der Endoprothetik (.Tab. 2).

Die heutige Prothesengeneration er-füllt mit anatomischem Design, sparsa-mer Knochenresektion und verbesser-tem In strumentarium die Voraussetzun-gen einer Alternative zur Arthrodese. Die Hauptargumente für die TEP sind somit die weitgehende Erhaltung des physio-logischen Gangbildes und die Schonung der Anschlussgelenke. Zwar wurden in Studien radiologisch hohe Raten von An-schlussarthrosen nachgewiesen, die je-doch klinisch häufig nicht relevant sind.

Hauptanwender und Entwickler be-richteten unabhängig vom Prothesentyp über Standzeiten von jeweils etwa 95% nach ungefähr 10 Jahren.

Im Norwegian Joint-Register wur-de die 5-Jahres-Überlebensrate mit 89%, nach 10 Jahren mit 76% angegeben, im Swedish Ankle Arthroplasty-Register mit 78% nach 5 Jahren und 62% nach 10 Jah-ren, bei unterschiedlichen Prothesen-typen. Bei Interpretation dieser Ergeb-nisse muss berücksichtigt werden, dass seither Instrumentarium und Implanta-tionstechniken weiterentwickelt wurden. Die längere TEP-Standzeit bei Rheuma-patienten im Vergleich zu posttrauma-tischen Arthrosen kann auch auf die un-terschiedliche Patientenstruktur zurück-geführt werden.

Langzeitresultate bei sportlicher Belas-tung stehen noch aus.

Die Komplikationsrate durch tech-nische Fehler oder Wundheilungsstörun-gen lässt sich sowohl bei Prothesen als auch bei Arthrodesen nur in Einzelfällen nachweisen. Die bisher veröffentlichen Langzeitergebnisse bzw. Komplikations- und Revisionsraten der Prothese basie-ren auf mittlerweile modernisierten Stan-

dards und spiegeln nicht die gewachsene Erfahrung und differenziertere Indika-tionsstellung wider.

Fazit für die Praxis

Der Operationserfolg für die OSG-TEP wird durch die Indikationsstellung als Einzelfallentscheidung (.Abb. 1) maß-geblich bestimmt. In diese individuelle Entscheidung fließen neben den oben genannten Kriterien v. a. die realistische Einschätzung der jeweiligen operations-technischen Anforderungen sowie der si-chere Umgang mit vertrautem Instru-mentarium ein.Bei korrekter Indikation und Durchfüh-rung der Operation ist die Patientenzu-friedenheit bezüglich OSG-TEP und Ar-throdese etwa gleich hoch. Aufgrund der beschriebenen Vorteile der Sprungge-lenkprothetik kann diese künftig bei Er-füllung der genannten Voraussetzungen die Therapieform der ersten Wahl der schmerzhaften OSG-Arthrose darstellen. Bei Grenzindikationen sollte der Arthro-dese der Vorzug gegeben werden.

KorrespondenzadresseDr. H.-P. Abt

Orthopädische und trauma- tologische Fußchirurgie, BG-Unfallklinik Frankfurt am Main,Friedberger Landstraße 430, 60389 Frankfurt am Mainfusschirurgie@ bgu-frankfurt.de

Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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203Trauma und Berufskrankheit 3 · 2011  |