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HMD 256 85 Mathias Traugott Praxisbericht: IT-Industrialisierung mit Servicebäumen Dreh- und Angelpunkt einer hohen Service- qualität bei einem Telekommunikationsdienst- leister ist in zunehmendem Ausmaß die Indus- trialisierung der IT-gestützten Serviceprozesse. Durch eine Integration aller erforderlichen Ser- vices und damit verbundener Infrastrukturele- mente in Servicebäume lässt sich die Komplexi- tät der Leistungserstellung beherrschen. Neben standardisierten IT-Betriebsprozessen ist der Wandel der Einstellungen und des Verhaltens der IT-Mitarbeiter der wesentliche Erfolgsfaktor. Inhaltsübersicht 1 Das Unternehmen: Swisscom ist die Nummer 1 in der Schweiz 2 Problemstellung: Unzureichende Professionalität der IT-Organisation 3 Lösungsansatz: Kulturwandel und ITIL-Framework 4 Die Umsetzung 4.1 Technische Aspekte 4.2 Organisatorische Aspekte 5 Erfolge 6 Ausblick 1 Das Unternehmen: Swisscom ist die Nummer 1 in der Schweiz Swisscom Mobile ist mit einem Marktanteil von 64 % die Nummer 1 in der Schweizer Mobil- kommunikationsbranche. Im Jahr 2006 erzielte Swisscom Mobile einen Umsatz von 4,022 Mrd. CHF und verzeichnet nun über 4,6 Mio. NATEL ® - Kundinnen und -Kunden. Das Unternehmen be- treibt ein flächendeckendes GSM-Netz (900/ 1800 MHz). Dieses wurde im Frühjahr 2005 um EDGE erweitert. Mit HSDPA (High Speed Down- link Packet Access) hat Swisscom Mobile als erste Netzbetreiberin der Schweiz im Februar 2006 ein neues Turbonetz in Betrieb genom- men. Darüber hinaus versorgt Swisscom Mobile mit ihrem UMTS-Netz bereits heute rund 90 % der besiedelten Schweiz. An rund 1000 Hot- spots bietet das Unternehmen zudem den In- ternetzugang via Wireless LAN an. Dieser außergewöhnliche Technologiemix ist die Grundlage für ein flächendeckendes, mobiles Breitbandnetz und für hochqualitative Mobilfunkdienste. Swisscom Mobile hat UMTS- basierte Dienste wie Live-TV und Videotelefonie im Portfolio und bietet zudem mit Mobile Unlimited eine PC-Karte an, die automatisch und unterbrechungsfrei die schnellstmögliche mobile Onlineverbindung herstellt. Übrigens sind NATEL ® -Abonnenten nicht nur in der Schweiz optimal erreichbar, sondern finden auch in weltweit mehr als 470 Mobil- funknetzen einen Anschluss. 2 Problemstellung: Unzureichende Professionalität der IT-Organisation Die Informationstechnologie hat die Welt noch- mals industrialisiert. Während zum Ende des 19. Jahrhunderts mittels Arbeitsteilung und Fließbandproduktion die Effizienz gesteigert wurde, trifft die Industrialisierung durch die IT nun effektiv die Bereiche, in dem die einfache- ren, repetitiven Arbeiten ausgeführt werden. Back-Offices werden gänzlich automatisiert und verschwinden, Aufgaben wie zum Beispiel Einzahlungen, das Buchen von Flügen etc. wer- den an den Kunden transferiert und als Gegen- leistung ein Zusatznutzen, z. B. ein 7 × 24 Stun- den geöffneter virtueller Bankschalter, ange- boten. Die IT steuert, automatisiert und macht unsere heutige hochmoderne, aber sehr IT-ab- hängige Welt erst möglich. Ohne IT fährt heute

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Mathias Traugott

Praxisbericht: IT-Industrialisierung mit Servicebäumen

Dreh- und Angelpunkt einer hohen Service-qualität bei einem Telekommunikationsdienst-leister ist in zunehmendem Ausmaß die Indus-trialisierung der IT-gestützten Serviceprozesse.Durch eine Integration aller erforderlichen Ser-vices und damit verbundener Infrastrukturele-mente in Servicebäume lässt sich die Komplexi-tät der Leistungserstellung beherrschen. Nebenstandardisierten IT-Betriebsprozessen ist derWandel der Einstellungen und des Verhaltens derIT-Mitarbeiter der wesentliche Erfolgsfaktor.

Inhaltsübersicht1 Das Unternehmen: Swisscom ist die

Nummer 1 in der Schweiz 2 Problemstellung: Unzureichende

Professionalität der IT-Organisation3 Lösungsansatz: Kulturwandel und

ITIL-Framework4 Die Umsetzung

4.1 Technische Aspekte4.2 Organisatorische Aspekte

5 Erfolge6 Ausblick

1 Das Unternehmen: Swisscom ist die Nummer 1 in der Schweiz

Swisscom Mobile ist mit einem Marktanteil von64 % die Nummer 1 in der Schweizer Mobil-kommunikationsbranche. Im Jahr 2006 erzielteSwisscom Mobile einen Umsatz von 4,022 Mrd.CHF und verzeichnet nun über 4,6 Mio. NATEL®-Kundinnen und -Kunden. Das Unternehmen be-treibt ein flächendeckendes GSM-Netz (900/1800 MHz). Dieses wurde im Frühjahr 2005 umEDGE erweitert. Mit HSDPA (High Speed Down-link Packet Access) hat Swisscom Mobile alserste Netzbetreiberin der Schweiz im Februar

2006 ein neues Turbonetz in Betrieb genom-men. Darüber hinaus versorgt Swisscom Mobilemit ihrem UMTS-Netz bereits heute rund 90 %der besiedelten Schweiz. An rund 1000 Hot-spots bietet das Unternehmen zudem den In-ternetzugang via Wireless LAN an.

Dieser außergewöhnliche Technologiemixist die Grundlage für ein flächendeckendes,mobiles Breitbandnetz und für hochqualitativeMobilfunkdienste. Swisscom Mobile hat UMTS-basierte Dienste wie Live-TV und Videotelefonieim Portfolio und bietet zudem mit MobileUnlimited eine PC-Karte an, die automatischund unterbrechungsfrei die schnellstmöglichemobile Onlineverbindung herstellt.

Übrigens sind NATEL®-Abonnenten nichtnur in der Schweiz optimal erreichbar, sondernfinden auch in weltweit mehr als 470 Mobil-funknetzen einen Anschluss.

2 Problemstellung: Unzureichende Professionalität der IT-Organisation

Die Informationstechnologie hat die Welt noch-mals industrialisiert. Während zum Ende des19. Jahrhunderts mittels Arbeitsteilung undFließbandproduktion die Effizienz gesteigertwurde, trifft die Industrialisierung durch die ITnun effektiv die Bereiche, in dem die einfache-ren, repetitiven Arbeiten ausgeführt werden.Back-Offices werden gänzlich automatisiertund verschwinden, Aufgaben wie zum BeispielEinzahlungen, das Buchen von Flügen etc. wer-den an den Kunden transferiert und als Gegen-leistung ein Zusatznutzen, z. B. ein 7 × 24 Stun-den geöffneter virtueller Bankschalter, ange-boten. Die IT steuert, automatisiert und machtunsere heutige hochmoderne, aber sehr IT-ab-hängige Welt erst möglich. Ohne IT fährt heute

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kein Zug mehr, geht keine Banktransaktion überdie Bühne, funktioniert kein Telefon, gibt es kei-nen Strom aus der Steckdose, der Verkehrkommt zum Erliegen – unser Leben steht still.

Doch, wie sieht es innerhalb der IT aus.IT-Cracks sind Koryphäen, kreative schöpferi-sche Wesen, die es verstehen, komplexe Steue-rungen und Abläufe zu entwickeln, Codes zuschreiben, zu optimieren und letztendlich An-wendungen auf den verschiedensten Plattfor-men zum Funktionieren zu bringen. Getriebenvon großem technischem Interesse und weni-ger von ökonomischen Prinzipien hat sich die ITentwickelt und nicht selten auch so gegenüberden Leistungsabnehmern präsentiert.

Swisscom Mobile sah sich Ende 2001 mitverschiedensten Herausforderungen konfron-tiert. Die Verfügbarkeit und Performance derangebotenen Services entsprachen nicht denErwartungen und Vorstellungen des Leistungs-abnehmers, dem Business. Zu viele Ausfälle,reaktives, wohl eifriges und hilfsbereites, abernicht koordiniertes und einem definierten undallseits bekannten Prozess folgendes Handelnbeklagte der Kunde. Überstunden verbundenmit zusätzlichen Kosten beklagte die Delivery-Organisation. Definierte Qualitätsstandards –Wunsch, Dokumentation und Nachvollziehbar-keit – waren nur bedingt vorhanden.

3 Lösungsansatz: Kulturwandel und ITIL-Framework

Anfang 2002 hat sich Swisscom Mobile ent-schieden, sich die ITIL-Philosophie zunutze zumachen und die interne IT zu automatisieren,zu standardisieren und somit zu industriali-sieren. Das Hauptziel dabei: die Ausrichtung derIT auf das Business, auf die Wertschöpfungs-kette und somit letztendlich auf den Endkun-den. Als IT-Projekt wurde das Vorhaben gestar-tet – People-Management-Innovation-Journeynennen wir es heute.

Basierend auf der Vision, dass wir Service Le-vel Agreements (SLAs) brauchen, die diesen Na-

men auch verdienen, sprich wirklich eine Aussagebezüglich des Service und nicht bezüglich einzel-ner Infrastrukturelemente, wie Server, Datenban-ken, Netzwerk etc., machen, wurde die Roadmapund darauf aufbauend der Business Case undletztendlich der Projektauftrag erarbeitet.

Ein solches Vorhaben erfordert klare Ziel-vorgaben und Rahmenbedingungen durch dasTopmanagement und dessen Einbindung imSteering-Board als Sponsor. Diese Rolle nahmder CIO ein, das mittlere Management und dieMannschaft wurden mit der Umsetzung desVorhabens betraut.

Mit einer Information an alle IT-Mitarbeiterwurde das Projekt formell gestartet. Mit erstenAwareness-Kampagnen und Onsite-Trainingswurde das erste Vertrauen erarbeitet und dasProjektteam mit Vertretern aus allen betroffe-nen Unternehmensbereichen bestückt.

Die Entscheidung über die einzusetzendeToolsuite fällte aufgrund der Resultate aus denRFPs (Requests for Proposal) und der generellenVendor-Strategie des Unternehmens der Steue-rungsausschuss unter der Leitung des CIO.Diskussionen der Fachleute bezüglich der Tool-auswahl blieben nicht aus und tauchen auchheute immer wieder auf, waren und sind jedochwirkungslos, da eine erfolgreiche Umsetzungnie von den Tools, sondern von den Mitarbeiternabhängt und dies von den Führungskräftenimmer wieder entsprechend kommuniziertwurde und auch heute kommuniziert wird. Eine»Evangelisierungskampagne« reihte sich an dienächste. Die Führungskräfte waren insofern ge-fordert, als die Überzeugung für dieses Vor-haben bei den Führungskräften unterschiedlichausgeprägt war. Die IT industrialisiert undschafft Transparenz – erstmals innerhalb der ITselbst. Ein Kulturwandel ist gefordert undnimmt langsam seinen Lauf – wir sprechen vonChange Management. Letztendlich folgt der Er-folg erst, wenn die Mitarbeiter vom neuen Wegüberzeugt sind und ihr großes Wissen einbrin-gen – ein »Muss weil Vorschrift« dient wederdem Unternehmen noch dem Endkunden.

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Mit der Ausrichtung auf die Kundenbedürf-nisse, auf das Business, sprich auf die Business-Prozesse, werden die Mitarbeiter der IT plötzlichein Stück der Wertschöpfungskette als Enablerzum Firmenerfolg. Unschwer tauchen bei die-ser Betrachtung erste Fragen zu den ThemenKnow-how und Risiken auf. Das enorme Wissenist in den Köpfen der Mitarbeiter und nicht imUnternehmen verankert. Verlässt ein Mitarbei-ter das Unternehmen, geht viel Wissen für dasUnternehmen verloren.

Das Ursprungsziel, die Qualität zu verbes-sern und eine nach klaren Vorgaben definierteLeistung zuverlässig zu erbringen und dies nachökonomischen Grundsätzen, wurde alsbalddurch weitere Rahmenbedingungen gefordert.Internationale Vorgaben wie SOX und Basel IIstellten Forderungen nach einem internen Kon-trollsystem (IKS), aufgebaut auf einem Ma-nagementsystem, das vorgibt, wie die IT betrie-ben und geführt werden soll. Die Basis wird be-reits bei den strategischen und taktischenEntscheiden gelegt. Basierend auf den BestPractices von OGC (Office of Government Com-merce), dem ITIL-Framework und vor allem derauf den Kunden ausgerichteten Philosophie hatSwisscom Mobile eine Roadmap aufgebaut undSchritt für Schritt umgesetzt. Dem Deming-Zyklus folgend (Plan-Do-Check-Act) wurden dieErfolge überprüft und auch die Roadmap dengewonnenen Erkenntnissen und den Entwick-lungen auf dem Markt angepasst. Industriali-sierung und Automation erfordern planerischeArbeit, sehr viel Kommunikation und Durch-haltewillen bei der Umsetzung.

4 Die Umsetzung4.1 Technische AspekteMonitoringIn einem ersten Schritt wurden sämtliche Kom-ponenten mit Softwareagenten bestückt undeine Basisüberwachung für die diversen Be-triebssysteme, die Datenbanken und Netzwerk-elemente definiert, erarbeitet und eingeführt.

Auftretende Vorfälle (Events) werden dediziertan das jeweilige verantwortliche Team geleitet,und je nach Kritikalität wird entsprechend alar-miert. Die Autonomie jedes Teams bleibt solange gewährt, solange ein Event keinen Ein-fluss auf den Service hat, d. h. ein Service die ge-forderten Parameter (Durchsatz, Performance,Verfügbarkeit) erfüllt.

In einem zweiten Schritt wurden die über-wachten Komponenten zu Servicebäumen ver-knüpft, ganze Applikationen und Applikations-prozesse aufgeschlüsselt und in die Service-bäume integriert, um ein komplettes Bild überden Zustand des jeweiligen Service zu erlangen.Die Services sind heute in folgende Kategorienunterteilt:

! End-Consumer-Services, die direkt vom End-kunden genutzt werden (z. B. MMS, TV, Voice-Mail),

! Business-Services, die einen direkten Einflussauf das Business haben (CRM, Rating), und

! Support-Services, die die Grundvorausset-zung für Business-Services oder End-Consu-mer-Services bilden, z. B. Single-Sign-on.

Mittels der Servicebäume können wir Aussagenzu Verfügbarkeit, Performance und den darun-ter liegenden Komponenten machen, visuellunterstützt Route-Cause-Analysen durchführenund somit die notwendigen Maßnahmen ein-leiten. Kurzum, das Messen der Performanceder Serviceablieferung und somit der Vergleichzu den getroffenen Vereinbarungen, den defi-nierten Service Level Objectives, ist möglich;Reports aller Art können erstellt werden unddienen im internen Gebrauch zur kontinuier-lichen Verbesserung.

Mit dem Wissen, welche Servicequalität ge-liefert wird, fehlt jedoch immer noch das Wis-sen darüber, wie die Servicequalität beim Kun-den ankommt und ob die ganze Servicekettedurchgängig ist und wunschgemäß, sprich in-nerhalb der definierten Frist, auch tatsächlichdurchläuft. Mit sogenanntem End-to-End (E2E)Probing werden tatsächliche Use Cases im 5-Mi-

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nuten-Takt von verschiedenen Standorten viaIntranet, Extranet und Internet simuliert undausgewertet. Diese Probes sind ebenfalls Be-standteil des Servicebaumes und geben somitdie »Service Health« aus Sicht des Leistungs-abnehmers wieder. Sämtliche SLAs werden aus-schließlich auf der E2E-Basis vereinbart, gemes-sen und ausgewertet. Die Reports spiegeln dasErlebte der Enduser wider und geben demBusiness ein sehr wahrheitsgetreues Bild ab,das nachvollziehbar und durch Umfragen ein-fach überprüfbar ist. Der Kreis wird geschlossenund den Anforderungen der unterschiedlichenStakeholder so weit Rechnung getragen.

Trotz einer hoch automatisierten Überwa-chung sind Incidents nicht gänzlich vermeid-bar, und Änderungen gehören in dem dynami-schen Umfeld, in dem sich Swisscom Mobile be-findet, zur Tagesordnung. Dies gilt sowohl fürdie IT-Infrastruktur, für die Services, die sowohlintern und extern angeboten werden, als auchganz besonders für die Mitarbeiter.

Prozesse basierend auf ITILMit dem Monitoring ist für die Anlehnung andie ITIL-Philosophie erst ein Schritt getan. DieEvents werden gesteuert und kontrolliert, pro-aktives und vor allem rechtzeitiges Handeln istmöglich, längst bevor ein Service von einer all-fälligen Nichtverfügbarkeit oder von Perfor-mance-Einbußen betroffen ist. Doch trotz allerPrävention gehören Service Incidents zur Tages-ordnung, und die Wiederherstellung des Servicenimmt höchste Priorität ein. Unterstützt voneinem Prozess-Toolset, in dem der Servicekata-log, die SLAs und sämtliche messbaren Verein-barungen hinterlegt sind, ist die Steuerung desIncident-Management-Prozesses schnell undeffizient möglich. Ohne großen Aufwand wirdvollautomatisch alles Notwendige dokumen-tiert, und der Leistungsnachweis kann somitjederzeit erbracht werden.

Als weitere Unterstützung des Service Con-trol Center (SVC), insbesondere um die rascheWiederherstellung des Service sicherzustellen,

wird, ausgelöst durch das Monitoring-Werk-zeug, im Prozesswerkzeug automatisch einIncident mit allen relevanten Daten eröffnet.Kein Datenelement muss abgeschrieben odermehrfach erfasst werden. Zudem liefert dasMonitoring-Werkzeug in Form eines Instruc-tion-Textes Hinweise, wie zur Wiederherstel-lung des Service vorgegangen werden soll, undErkenntnisse aus ähnlichen, gleich gelagertenVorfällen werden mitgeliefert. Die Standar-disierung der Prozesse gibt Sicherheit – jederkann sich auf den anderen (Vorgänger bzw.Nachfolger) verlassen, und ein Nachverfolgeneines Vorfalls ist jederzeit in Echtzeit möglich.Doppelspurigkeiten werden vermieden, unddie Verantwortungen sind aufgrund klar defi-nierter und zugewiesener Rollen geregelt.

Nur unwesentlich anders verhält sich dasSystem im Falle von Problems. Der Hauptunter-schied liegt darin, dass Problems entwederdurch Mitarbeiter vom SVC oder aus den Fach-bereichen (Infrastrukturteams oder Service-management) eröffnet werden.

Der große Mehrwert des Prozesswerkzeugswurde bei Swisscom Mobile nach der Etablie-rung des Change-Management-Prozesses spür-bar. Mit dem Erfahrungsschatz und der Ein-bindung der Fachbereiche wurde der Change-Management-Prozess bedürfnisgerecht entwi-ckelt, behutsam eingeführt und danach schritt-weise den weiteren Bedürfnissen angepasst.Standard-Changes, beispielsweise das Anpas-sen eines Filesystems auf einer DB, werdenebenso aufgefangen wie die Einführung neuerProdukte, d. h. ganzer Release Bundles.

Die unterschiedlichen Ausprägungen, Be-dürfnisse der einzelnen Fachteams und desBusiness erfordern Fingerspitzengefühl undCoaching. Nur wenn der Change-Management-Prozess allen, die an Changes aktiv oder passivbeteiligt sind, einen Mehrwert bringt, wird die-ser auch angewendet. Mit diesem Wissen wur-de die Herausforderung angepackt und letzt-endlich gemeistert. Das Wissen über den Statusjedes Arbeitspaketes, über jeden Teil-Change

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und die Dokumentation, die im Hintergrund au-tomatisch abläuft, möchte niemand mehr mis-sen. Handarbeit bei der Planung und Umset-zung wird auch in Zukunft noch nötig sein – dasSteuern der Changes wurde allerdings bedeu-tend übersichtlicher, standardisiert, deutlichvereinfacht und die Dokumentation und das Er-bringen der Nachweise automatisiert.

Basis für die Managementdisziplinen (Inci-dent-, Configuration-, Change- und Release-Ma-nagement) bildet die Configuration-Manage-ment-Datenbank (CMDB) und der damit ver-bundene Configuration-Management-Prozess.Die Verknüpfung der Incidents mit Problemsund Changes, die Verlinkung von Incidents,Problems und Changes zu Services und SLAsermöglicht das Aufzeigen sämtlicher Zusam-menhänge und die Zuweisung zu entsprechen-den Configuration Items (CIs). Relationen undAbhängigkeiten werden sichtbar, und die Ver-linkungen zu den diversen Managementlösun-gen (Inventardatenbanken, Monitoring-Lösung,Personaldatensystem, Reporting-Lösung, Self-Service-Portal und vielem mehr) sorgt einer-seits für eine automatische Nachführung neuerCIs und ermöglicht dem jeweiligen Service-manager das Nachführen seiner Services undService Level Agreements. Die CMDB bildet die

Datenquelle für diverse Reports, die auto-matisch produziert und für interne Kunden(Management, Fachteams) und das Businessauf dem Intranet täglich abrufbar sind. DieCMDB ist darüber hinaus die Quelle für denAuditor, und somit ist das IT-Servicemanage-ment-Prozesswerkzeug gleichzeitig das interneKontrollsystem (IKS) für die Einhaltung derProzesse. Der positive Nebeneffekt: Der Auditorhat seine Nachweise, und die Manager bzw.deren Mitarbeiter werden von nicht planbarenmanuellen Arbeiten nicht oder nur in Einzel-fällen tangiert.

Business-ProzesseIT-Services bilden letztendlich wichtige Elemen-te eines Business-Prozesses. Mittels intelligen-ter Software werden ganze Prozessabläufe inEchtzeit abgebildet und diese mit den IT-Ser-vices und somit auch mit der ganzen Infrastruk-tur verknüpft. Kurzum, eine Nichtverfügbarkeiteines einzelnen Infrastrukturelementes kanneine große Auswirkung auf einen Business-Pro-zess haben.

Folgender Business-Prozess wird bei Swiss-com Mobile aktiv überwacht: Aktivierung vonNeukunden (vgl. Abb. 1). Aus Business-Sicht sindfolgende Schritte relevant:

Abb. 1: Business-Service »Aktivierung von Neukunden«

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! Eröffnung des Formulars! Check der SIM-Karte! Diverse Checks betreffend Identität und Boni-

tät! Automatisierte Aufschaltung und Versand

der Welcome-SMSMittels Monitoring werden sowohl Hardware,Applikationen und Prozesse überwacht und inAbhängigkeit zu einem Schritt im Business-Pro-zess gebracht. Die Abhängigkeit des Business-Schrittes »Create Form« zur darunter liegendenApplikation bzw. den Applikationsprozessenwird sichtbar (vgl. Abb. 2).

Über Business-Prozess-Monitoring sind dieAbhängigkeiten und im Störungsfall Auswir-kungen der einzelnen Infrastrukturelementesofort für die Konsequenzen, die auf der Wert-schöpfungskette spürbar werden, bekannt. DieIT wird Teil des Geschäfts, das Interesse desIT-Mitarbeiters kann auf die Wertschöpfungs-kette ausgerichtet werden, und eine Frage der

Priorisierung ist einfach zu beantworten undsichtbar. Jeder Mitarbeiter möchte in einemerfolgreichen Unternehmen arbeiten, jederMitarbeiter wünscht regelmäßig sein Gehaltund eine gewisse Sicherheit bezüglich seinesArbeitsplatzes. Stockender oder rückläufigerCashflow wird dank Business-Prozess-Monito-ring in Echtzeit sichtbar, die richtigen Entschei-dungen können gefällt werden, und die Verbin-dung von Business Continuity Management zuIT Service Continuity Management wird sicht-bar und verständlich. Die IT als Enabler des Busi-ness – das Business erfolgreich dank gut funk-tionierender IT: eine Symbiose.

Job Scheduling

Aufgabenplanung (Job Scheduling) ist das letz-te Element, mit dem Swisscom Mobile denIT-Betrieb rund um das Servicemanagementautomatisiert hat. Planung mittels Kalender-funktion kennen wir schon lange, wir spre-

Abb. 2: Abhängigkeit Business-Service und IT-Service (Ausschnitt aus einem Servicebaum)

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chen hier von eventgesteuerten Automatis-men. Bei der Einführung galten dieselben Ge-setze wie beim Aufbau des Monitoring oderbeim Etablieren der ITIL-Prozesse: Standardi-sierung, Transparenz und Konsistenz und dieszusätzlich unter dem Aspekt der kontinuierli-chen Verbesserung. Verschiedene Skriptspra-chen wurden auf eine einzige reduziert, für dieEntwicklung der Job-Pläne wurde ein einheitli-ches Vorgehen gewählt, und auch das Formatist identisch. Die schöpferische Kraft und dieKreativität sollen dazu genutzt werden, Auto-matisierungspotenzial zu erkennen und dieUmsetzung zu planen und zu entwickeln. Mit-tels Integration des Job-Scheduling-Werkzeu-ges in die Überwachung werden fehlgeschla-gene Jobs als Event im Monitoring-Werkzeugdargestellt oder, wenn dies so vorgesehen ist,automatisiert ein Incident eröffnet. Des Wei-teren kann in gewissen Fällen bereits dieIncident-Behebung automatisiert geschehen.Bei Swisscom Mobile wird dies z. B. im Fallevon kontrollierten Restarts von Applikations-prozessen oder Cluster Switches praktiziert.Repetitive Arbeiten werden eliminiert, diemenschlichen Fehlerquellen ausgeschlossenund die Durchlaufzeiten verkürzt. Der Mit-arbeiter hat Zeit für die wichtigen Dinge beider Arbeit – der Leistungsabnehmer spürt dieAutomatisierung in Form von selteneren Aus-fällen und rascher Wiederherstellung der Ser-vices.

4.2 Organisatorische AspekteDie »altbekannte« Organisation hat ausge-dient. Ist in vielen Büchern noch von Aufbau-organisation (statisch) und Ablauforganisation(dynamisch) zu lesen, wagte Swisscom Mobileden Schwenk zur Prozessorganisation. Prozess-Owner sind für die reibungslose und optimaleAbwicklung der diversen ITIL-Prozesse verant-wortlich. Hierbei handelt es sich in der Regel umLinienvorgesetzte, in erster Linie People Mana-ger, die mit geschicktem Ressourcenmanage-ment, Ausbildung der Mitarbeiter und somit

dem Empowerment (Delegation der Verant-wortung und Kompetenz an die Basis) der Mit-arbeiter einen optimalen Durchlauf der Prozes-se sicherstellen.

Kernstelle der neuen Prozessorganisationbildet auf der einen Seite das Service ControlCenter (SVC). Das SVC ist verantwortlich für denServicebetrieb sowie den Incident-Manage-ment-Prozess, d. h. für die rasche Wiederher-stellung eines Service innerhalb der im SLA ver-einbarten Frist. Um diese Aufgaben zu erfüllen,ist das SVC mit der Kompetenz ausgestattet, dienotwendigen Ressourcen von dort wo nötig so-fort einzufordern und diese zu koordinieren.Idealerweise kann auf den Zuzug des 2nd-Level-Supports verzichtet werden, ein hohes Fachwis-sen und eine gute Wissensdatenbank bzw. einInstruction-Text-Interface als Teil der Monito-ring-Lösung unterstützen dabei. Die proaktive,im SLA definierte Informationspflicht an dieLeistungsabnehmer und das notwendige Ein-leiten von hierarchischen Eskalationen rundendas vielseitige Portfolio der Kernaufgaben einesMitarbeiters des SVC ab.

Auf der anderen Seite steht die neu ge-schaffene Abteilung Servicemanagement. DieServicemanager sind die Ansprechpartner fürdas Business, handeln die SLAs aus und sorgendafür bzw. sind dafür verantwortlich, neueReleases und Changes zusammen mit den Pro-jektteams reibungslos in den Betrieb einzufüh-ren. Dazu gehört die Sicherstellung, dass dieBetriebshandbücher vorhanden sind, die not-wendigen Trainings für den Betrieb durchge-führt werden und die Monitoring-Mannschaftrechtzeitig involviert wird. Die Servicemanagerwiederum legen Rechenschaft über die Leistun-gen des Servicebetriebs, des SVC, ab. Die An-sprechpartner sind geregelt – der Kreislauf istgeschlossen.

5 Erfolge

Die Automatisierung, Standardisierung und dieEinführung der kontinuierlichen Verbesserung

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hat Swisscom Mobile in den letzten 5 Jahreneinige Erfolge beschert:

! Die Anzahl Mitarbeiter innerhalb der IT istgeringer als vor 5 Jahren, die Komplexität derzu betreibenden Services um ein Vielfachesgrößer.

! Die Verfügbarkeit der Topservices wurde in-nerhalb von 5 Jahren um mehr als 90 %erhöht – der IT-Betrieb wurde in den Wortender Leistungsabnehmer vom Problemverur-sacher zum Enabler.

! Die ganze Automatisierungsinnovation führ-te zu begeisterten Kunden, einer enormenReduktion der Kosten (v. a. Reduktion vonÜberstunden, weniger Personal), höherer unddefinierter Qualität und schnelleren Durch-laufzeiten. Innerhalb der IT spricht man eineeinheitliche Sprache und versteht sich.

6 AusblickNeue Technologien erlauben in Zukunft Tätig-keiten zu automatisieren, die auch heute nochmanuell ausgeführt werden. Neue Technolo-gien ermöglichen der IT, sich noch besser aufdie Bedürfnisse des Business auszurichten, underfordern neue Methoden und Modelle, um ein

serviceorientiertes Monitoring zu realisieren.Die Welt dreht sich weiter, Virtualisierung,Shared Environments, Service Oriented Ar-chitecture sind aktuelle Schlagwörter, die be-stimmt in naher Zukunft in einem Atemzugmit möglichen Automatisierungsvarianten ge-nannt werden.

Trotz Technologieeinsatz und Automatisie-rungsmöglichkeiten aller Art: Servicemanage-ment endet nie! Die innere Haltung und derWille, den Leistungsabnehmer zu begeistern,müssen täglich neu erarbeitet werden – denWeg mit der Erarbeitung der Vision exakt heutezu starten lohnt sich. Das Bekenntnis des Top-managements, dass man Servicemanagementauch wirklich umsetzen will, sich der Konse-quenzen bewusst ist und diese auch bejaht,bildet dabei die Voraussetzung.

Dipl.-Betriebswirt Mathias TraugottSwisscom Mobile AGTechnical OperationsWaldeggstr. 51CH-3050 [email protected]