2
Auch die Medienindustrie spu ¨ rt die derzei- tige Wirtschaftsflaute. Da deren Produkte (etwa Druckerzeugnisse (Zeitungen, Zeit- schriften, Bu ¨ cher), Radio, Fernsehen, Mu- sik, Spiele) nahezu vollsta ¨ndig digital re- pra ¨sentiert und vertrieben werden ko ¨ nnen, ist zu vermuten, dass die zunehmende Ver- breitung des Internets gerade in diesem Wirtschaftszweig zu besonderen Heraus- forderungen fu ¨ hrt. Ka ¨ufer, die in naher Zu- kunft privat oder gescha ¨ftlich permanent online sind, sehen sich in vielen Fa ¨llen in der Lage, aus dem Netz personalisierter, aktueller und preiswerter bedient zu wer- den. Was bedeutet dies fu ¨ r die Branche? Wir wollen dieser Frage am Beispiel der Print-Produkte nachgehen. Man scha ¨tzt den weltweiten Umsatz mit Druckerzeugnissen im Jahr 2000 auf ca. US $ 324 Mrd., was einem Anteil am Medien- markt von knapp 40 % entspricht. Etwa 75% des Volumens werden in den west- lichen Industrienationen erzielt, wo gesa ¨t- tigte Ma ¨rkte kaum Auflagenzuwa ¨chse ermo ¨ glichen. So betrug die ja ¨hrliche Steige- rungsrate im deutschen Buchmarkt von 1997-2000 nur ca. 1%; die Summe ver- kaufter Auflagen von Publikumszeitschrif- ten und Zeitungen hat sich im Vergleichs- zeitraum sogar leicht reduziert. Die Branche sieht sich also bereits seit Jahren bezu ¨ glich des Kontakts zu den Kunden in einem Verdra ¨ngungswettbewerb. Wie rea- gierte sie hierauf? Viele Print-Verlage haben neben dem tradi- tionellen Gescha ¨ft Webangebote aufgebaut, um sich am Markt zu positionieren und Er- fahrungen zu sammeln. Die zusa ¨tzliche Einrichtung von Online-Redaktionen und eigenen Systemha ¨ usern wird ha ¨ ufig mit Be- sonderheiten der Internetnutzung, aber auch den Eigenschaften der hierfu ¨r in Be- tracht kommenden Personen beim Dienst- leistungsanbieter begru ¨ ndet. Dabei ging man a ¨hnlich den Gegebenheiten bei ge- druckten Zeitungen und Zeitschriften da- von aus, dass u ¨ber Werbeeinnahmen der Lo ¨ wenanteil der Kosten abgedeckt werden kann, ggf. erga ¨nzt durch eine aus der guten Online-Bedienung erwachsende steigende Nachfrage nach dem verbundenen Print- Produkt oder eine Bepreisung des Internet- dienstes. Die Erfahrungen sind jedoch ernu ¨ chternd. Nicht erst seit der aktuellen Wirtschafts- rezession ist es schwer, etwa durch den Verkauf von Bannerfla ¨chen Einnahmen zu erschließen. Ein Blick auf die entsprechen- den Webseiten verra ¨t, dass sich viele Me- dienunternehmen nur gegenseitig bewer- ben. Aber unter der Flaute leiden auch Druckerzeugnisse (ebenso wie der Rund- funk). Aus Erfahrung weiß man, dass Un- ternehmen in schwierigen Zeiten gerne ihre Werbeetats senken. So sind die entspre- chenden Ausgaben 2001 in Deutschland um knapp 5 % reduziert worden. Gleich- zeitig konkurriert eine steigende Anzahl von Kana ¨len um diesen begrenzten Ku- chen, u. a. immer mehr Webangebote, die den Kunden u ¨ ber das Netz zu erreichen versuchen. Auch die Inrechnungstellung von u ¨ber das Web bezogenen Informatio- nen erweist sich als schwierig. Entspre- chend am ehesten als erfolgreich bekannt sind kostenlose Online-Dienste, etwa sol- che Angebote, die als Zusatzleistung ein gedrucktes Produkt komplementieren (z. B. heise.de). Somit stagnieren alle we- WIRTSCHAFTSINFORMATIK 44 (2002) 1, S. 6 7 Der Autor Wolfgang Ko ¨nig Prof. Dr. Wolfgang Ko ¨nig Institut fu ¨r Wirtschaftsinformatik, Universita ¨t Frankfurt, Mertonstraße 17, 60054 Frankfurt am Main Print-Verlage: neue Integrationsansa ¨tze als Ausweg? WI – Kolumne

Print-Verlage: neue Integrationsansätze als Ausweg?

Embed Size (px)

Citation preview

Auch die Medienindustrie spurt die derzei-tige Wirtschaftsflaute. Da deren Produkte(etwa Druckerzeugnisse (Zeitungen, Zeit-schriften, Bucher), Radio, Fernsehen, Mu-sik, Spiele) nahezu vollstandig digital re-prasentiert und vertrieben werden konnen,ist zu vermuten, dass die zunehmende Ver-breitung des Internets gerade in diesemWirtschaftszweig zu besonderen Heraus-forderungen fuhrt. Kaufer, die in naher Zu-kunft privat oder geschaftlich permanentonline sind, sehen sich in vielen Fallen inder Lage, aus dem Netz personalisierter,aktueller und preiswerter bedient zu wer-den. Was bedeutet dies fur die Branche?Wir wollen dieser Frage am Beispiel derPrint-Produkte nachgehen.

Man schatzt den weltweiten Umsatz mitDruckerzeugnissen im Jahr 2000 auf ca. US$ 324 Mrd., was einem Anteil am Medien-markt von knapp 40% entspricht. Etwa75% des Volumens werden in den west-lichen Industrienationen erzielt, wo gesat-tigte Markte kaum Auflagenzuwachseermoglichen. So betrug die jahrliche Steige-rungsrate im deutschen Buchmarkt von1997-2000 nur ca. 1%; die Summe ver-kaufter Auflagen von Publikumszeitschrif-ten und Zeitungen hat sich im Vergleichs-zeitraum sogar leicht reduziert. DieBranche sieht sich also bereits seit Jahrenbezuglich des Kontakts zu den Kunden ineinem Verdrangungswettbewerb. Wie rea-gierte sie hierauf?

Viele Print-Verlage haben neben dem tradi-tionellen Geschaft Webangebote aufgebaut,um sich am Markt zu positionieren und Er-fahrungen zu sammeln. Die zusatzlicheEinrichtung von Online-Redaktionen und

eigenen Systemhausern wird haufig mit Be-sonderheiten der Internetnutzung, aberauch den Eigenschaften der hierfur in Be-tracht kommenden Personen beim Dienst-leistungsanbieter begrundet. Dabei gingman ahnlich den Gegebenheiten bei ge-druckten Zeitungen und Zeitschriften da-von aus, dass uber Werbeeinnahmen derLowenanteil der Kosten abgedeckt werdenkann, ggf. erganzt durch eine aus der gutenOnline-Bedienung erwachsende steigendeNachfrage nach dem verbundenen Print-Produkt oder eine Bepreisung des Internet-dienstes.

Die Erfahrungen sind jedoch ernuchternd.Nicht erst seit der aktuellen Wirtschafts-rezession ist es schwer, etwa durch denVerkauf von Bannerflachen Einnahmen zuerschließen. Ein Blick auf die entsprechen-den Webseiten verrat, dass sich viele Me-dienunternehmen nur gegenseitig bewer-ben. Aber unter der Flaute leiden auchDruckerzeugnisse (ebenso wie der Rund-funk). Aus Erfahrung weiß man, dass Un-ternehmen in schwierigen Zeiten gerne ihreWerbeetats senken. So sind die entspre-chenden Ausgaben 2001 in Deutschlandum knapp 5% reduziert worden. Gleich-zeitig konkurriert eine steigende Anzahlvon Kanalen um diesen begrenzten Ku-chen, u. a. immer mehr Webangebote, dieden Kunden uber das Netz zu erreichenversuchen. Auch die Inrechnungstellungvon uber das Web bezogenen Informatio-nen erweist sich als schwierig. Entspre-chend am ehesten als erfolgreich bekanntsind kostenlose Online-Dienste, etwa sol-che Angebote, die als Zusatzleistung eingedrucktes Produkt komplementieren(z. B. heise.de). Somit stagnieren alle we-

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 44 (2002) 1, S. 6–7

Der Autor

Wolfgang Konig

Prof. Dr. Wolfgang KonigInstitut fur Wirtschaftsinformatik,Universitat Frankfurt,Mertonstraße 17,60054 Frankfurt am Main

Print-Verlage:neue Integrationsansatzeals Ausweg?

WI – Kolumne

sentlichen Finanzierungsquellen; in einigenFallen sind sie gar rucklaufig, wahrend um-gekehrt steigende Anforderungen bei Auf-bau und Betrieb von Webseiten mit Blickauf eine kundenindividuelle Bedienung zuverzeichnen sind.

Viele Print-Unternehmen befinden sich al-so in einer schwierigen Situation. In derTagespresse werden immer ofter die negati-ven Zahlen prominenter Hauser diskutiert.Wie kann man der allgemeinen Wirt-schaftslage und den besonderen Herausfor-derungen der Branche begegnen? Natur-lich versuchen einige Betriebe, durch(Re-)Integration der Online-Einheiten indie Stammhauser Synergieeffekte auszu-nutzen und andere Kostensenkungsoptio-nen (z. B. im Einkauf) zu realisieren. Daru-ber hinaus setzt man bisweilen auf denRuckgriff zu Altbewahrtem, um dem sichdifferenzierenden Markt zu folgen, etwadas Grunden neuer gedruckter Zeitschrif-ten mit der Hoffnung, damit einem Kon-kurrenten Marktanteile abzujagen. Es stelltsich jedoch die Frage, welche Maßnahmennachhaltige Geschaftsentwicklungen eroff-nen konnten.

Drei auf den gezielten Einsatz von Infor-mationssystemen grundende Integrations-optionen sollen skizziert werden, die uberden Print-Bereich hinausgreifen und somitden Zugang zu bislang nicht bearbeitetenMarkten eroffnen konnen:

& Fur breit aufgestellte Konzerne oderUnternehmenskonsortien besteht eineMoglichkeit, im B2C-Bereich den ein-zelnen Kunden als „gemeinsamen“Nachfrager aller zu einem Themen-bereich gehorenden Inhalte uber alle furihn relevanten Medien zu begreifen:„One content – all media and allservices“. Entgegen der vielfach gepfleg-

ten, bisweilen selbst innerhalb einzelnerUnternehmen sogar regelrecht zelebrier-ten Abgrenzung einer Redaktion gegen-uber einer anderen besteht die Aufgabedarin, uber den Bezug zu gemeinsamenInhalten die relevanten Medien undDienste zu integrieren – eine klassischeAufgabe fur die Wirtschaftsinformatik.Das Beispiel Spiegel-TV und Spiegel-Online zeigt erste ausbaufahige Schritte.

& Neue Integration steht auch im Zentrumvon �berlegungen zu verbesserter Kun-denbedienung in der B2B-Welt auf Basiseines Inhaltes und eines Portfolios abge-stimmt angebotener Kanale und Diens-te. Ein Medienhaus konnte z. B. Schlus-selkunden ein „umfassendes medialesBetreuungsprogramm“ anbieten, das et-wa Firmennachrichten, miteinander ver-bundene Image- und Produktwerbung,Weiterbildung durch personalisierteSchulungen sowie Kinderbetreuung ent-halt.

& Auch bei der Produktion von Inhaltenkommt neue Integration zum Tragen. InZeiten sich differenzierender Markte istnicht nur das Content Management unddie Syndikation verfugbarer Inhalte not-wendig, sondern man muss bereits beiEntstehung eines Werkes technischeUnterstutzungsleistung erbringen. Hau-fig handelt es sich innerhalb der einzel-nen Sparten-Produktionseinheiten ummehrere „Kunstler“, deren ausgepragtesGefuhl, in ihrem (Teil-)Bereich etwasBesonderes zu sein, den Nahrboden furam Markt hervorragend ankommendeProdukte schafft. Erfahrungsgemaß lei-det darunter aber haufig die Zusammen-arbeit mit Kollegen, selbst im gleichenUnternehmen.

Ein Beispiel mag die Herausforderung ver-deutlichen: Der Ersteller des „Harry-Pot-ter“-Films hat bei seiner Produktion zu-

gleich mitbedacht und im Ablaufeingebaut, dass nicht nur die zugehorigenFanartikel verkauft werden sollen, sondernauch Erlose uber das digitale Spiel zumFilm z. B. auf dem Handy zu erzielen sind,sodass die Einweisung in das Spiel bereitsim Film erfolgt. Daruber hinaus wunschtman sich in der DVD-Version des Filmsanklickbare Objekte, uber welche derKonsument weitere Informationen erhal-ten kann, etwa die Geschichte des Schlos-ses und sein Grundriss (mit Angabe, wowir uns in der aktuellen Spielszene befin-den), Naheres zu den Schauspielern undanderen Werken, in welchen sie auftreten,sowie eine Verzweigung zu einem Online-Bestellsystem fur Medien (z. B. Bucher)und weitere verbundene Artikel. Die jewei-ligen Kunstler und Spezialisten sind durchgeeignete Informations- und Kommunika-tionssysteme in der individuellen Arbeitwie auch bezuglich der Kooperation mit-einander so zu unterstutzen, dass bei Bei-behaltung ihrer Besonderheiten gleichwohlein vernunftiges Zusammenwirken eroffnetwird.

In allen drei Beispielen erwachst Me-dienhausern auf der Grundlage der Digita-lisierung der Inhalte die Aufgabe, eineHintergrund-Infrastruktur fur die unter-schiedlichen Sparten bei Nutzung vielfalti-ger Dienstleistungen (etwa Online-Ab-rechnungen) zur Verfugung zu stellen. ImKern steht dabei die Bereitstellung von inContent-Management-Systemen konsoli-dierten Inhalten fur neue medienubergrei-fende Wertschopfungen.

Nicht der Große frisst den Kleinen, son-dern der Flexible den Starren.

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 44 (2002) 1, S. 6–7

WI – Kolumne 7