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Rechtswissenschaftliches Institut Grundrechte Wirtschaftsverfassung Eigentumsgarantie Prof. Regina Kiener HS 2016

Prof. Regina Kiener HS 2016cc605eec-be09-487c-8915...Rechtswissenschaftliches Institut Seite 5 Eigentumsgarantie Völkerrecht • Art. 1 des 1. ZP/EMRK (von CH nicht ratifiziert) •

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Grundrechte

WirtschaftsverfassungEigentumsgarantie

Prof. Regina Kiener

HS 2016

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Themen / Verständnisfragen

o Was meint der Begriff der «Wirtschaftsverfassung»?

o Welche Rechtsbeziehungen gelten als «Eigentum» im verfassungsrechtlichen Sinn?

o Welche Funktionen hat die Eigentumsgarantie?

o Welche Teilgehalte weist die Eigentumsgarantie auf, und in welchem Verhältnis stehen diese zueinander?

o Welche Ansprüche kann der Einzelne aus der Eigentumsgarantie ableiten? Welche Pflichten hat der Staat?

o Worin unterscheidet sich die formelle von der materiellen Enteignung?

o Welche Eingriffe in die Eigentumsgarantie lösen eine Entschädigung aus (und welche nicht)?

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Überblick

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o Gesamtheit der Verfassungsbestimmungen, welche die schweizerische Wirtschaftsordnung regeln

− Wirtschaftsfreiheit und Eigentumsgarantie sind Grundpfeiler der Wirtschaftsordnung

• individualrechtliche Funktionen: Schutz der freien privatwirtschaftlichen Betätigung, Gewährleistung und Schutz des privatrechtlichen Eigentums

• institutionelle Funktion

− Weitere Bestimmungen im Grundrechts- und Aufgabenteil der BV

• Insb. Niederlassungsfreiheit (Art. 24 BV), Koalitionsfreiheit (Art. 28 BV)

• Insb. Art. 94 ff. BV

� Grundentscheid für die freie Marktwirtschaft

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«Wirtschaftsverfassung»

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Eigentumsgarantie

Völkerrecht

• Art. 1 des 1. ZP/EMRK (von CH nicht ratifiziert)• Verfahrensrechtlicher Schutz bei Enteignungen (Art. 6 EMRK, Art. 14 Pakt II) • Keine Eingriffe ins Recht auf Nahrung und Wohnung (Art. 11 Pakt II,

vgl. Art. 8 EMRK)• Schutzpflichten gegen schädliche Immissionen (Art. 8 EMRK)

• Was ist «Eigentum»? • Was sind «Enteignungen» und der Enteignung gleichkommende

«Eigentumsbeschränkungen? Was bedeutet «volle Entschädigung»?• Unter welchen Voraussetzungen sind Eingriffe in die Garantie zulässig?

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Wie lässt sich der Schutz des Eigentums als Grundrecht begründen?

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Teilgehalte der Eigentumsgarantie

Institutioneller Gehalt IndividualrechtlicherGehalt

Entschädigungsgehalt

• Eigentum als zentrales Institut des (Privat-)Rechts

• Eigentum als Grundpfeiler einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung

• Eigentum als Grundlage für ein gesichertes Dasein und eine selbstbestimmte Lebensweise

• Eigentum soll bei schweren, aber gerechtfertigten Eingriffen in seinem Wert erhalten bleiben

Institutsgarantie Bestandesgarantie Wertgarantie

Art. 26 BV Art. 26 Abs. 1 BV Art. 26 Abs. 2 BV

Staat: • Einrichtung des Eigentums

als Rechtsinstitut• Keine Aushöhlung /

Abschaffung

Staat:• Keine ungerechtfertigten

Eingriffe• Schutzgewährung

Staat:• Entschädigung bei

bestimmten schweren Eingriffen

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Schutzobjekt: Eigentum

Sämtliche Vermögensrechte des Privatrechts

o Eigentum im sachenrechtlichen Sinn, Besitz (Mobilien / Immobilien)

o Tiere (Art. 641a ZGB)

o beschränkte dingliche Rechte (z.B. Nutzniessung; Wegrecht)

o obligatorische Rechte (z.B. Miete, Pacht, Vorkaufsrechte)

o Immaterialgüterrechte (z.B. Urheberrecht; Patentrecht)

Gewisse öffentlich-rechtliche Berechtigungen

o wohlerworbene, d.h. besonders rechtsbeständige Rechte (z.B. ehehafte Rechte, Rechte aus öff.-rechtl. Verträgen)

o bestimmte «faktische Rechte» (tatsächliche Vorteile), ohne die bestimmungsgemässe Nutzung des Eigentums nicht möglich ist (insb. Rechte der Strassenanstösser)

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• Vermögen an sich?

• widerrechtliche Güter i.S. des StGB (z.B. Drogen)?

• widerrechtliche Nutzung (z.B. nicht bewilligungsfähige Baute)?

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Seite 9

Am 2. Februar 2011 verabschiedete der Bundesrat gestützt auf Art. 184 Abs. 3 BV die Verordnung über Massnahmen gegen gewisse Personen aus der Arabischen Republik Ägypten (SR 946.231.132.1). Der Name von X. ist im Anhang dieser Verordnung aufgeführt, was die Sperrung aller Vermögenswerte von ihm in der Schweiz zur Folge hat.

BGE 141 I 20

Website EDA

Schutzobjekt: Vermögen?

Grundsatz (BGer) «Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde, soweit im vorliegenden Zusammenhang auch die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) angerufen wird: Die von den Beschwerdeführern befürchtete Verringerung des Vermögens durch nicht kostendeckende Honorare fällt nicht in den Geltungsbereich der Eigentumsgarantie; diese schützt zwar die einzelnen Eigentumsbefugnisse, nicht aber das Vermögen an und für sich»

BGE 132 I 201 E. 7.1. betr. Höhe der Entschädigung des amtlichen Rechtsvertreters

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Schutzbereich – auch «illegales» Eigentum?

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«Die Eigentumsgarantie gewährleistet das Eigentum […] nicht unbeschränkt, sondern nur innert den Schranken, die ihm im öffentlichen Interesse durch die Rechtsordnung gezogen sind. Wichtige öffentliche Interessen, wie die in der Bundesverfassung verankerten Anliegen der Raumplanung, des Umweltschutzes, des Gewässerschutzes und des Natur- und Heimatschutzes, sind der Gewährleistung des Eigentums grundsätzlich gleichgestellt»BGE 117 Ib 243 ff.

«Die durch diese Verfassungsvorschrift gewährleistete Eigentumsgarantie schützt nur die rechtmässige Ausübung des Privat-eigentums […] Die Gebäulichkeiten des Beschwerdeführers wurden indessen ohne rechtsgültige Baubewilligung ausgeführt, stellen deshalb eine widerrechtliche Nutzung des Grundeigentums dar und stehen mithin nicht unter dem Schutz der Eigentumsgarantie»BGE 111 Ib 213 ff.

Vgl. BGer, 1C_730/2013 vom 4. 6. 14. Hotel Uto Kulm AG

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Institutsgarantie (Art. 26 Abs. 1 und 2 BV)

Bedeutung

o Schutz des Eigentums als Rechtsinstitut

o richtet sich vorab an den Gesetzgeber

Pflichten des Staates

o Gewährleistung: Eigentum als Rechtsinstitut schaffen (erheblicher Gestaltungsspielraum bezüglich «Wie»)

o Unterlassen: die wesentlichen, aus dem Eigentum fliessenden Nutzungsrechte vor Aushöhlung schützen

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Bestandesgarantie (Art. 26 Abs. 1 BV)

Bedeutung

o Schutz der konkreten Eigentumsrechte des Einzelnen

Pflichten des Staates

o Achtung: Verbot nicht gerechtfertigter Eingriffe

o Schutz: gegen vorhersehbare Beeinträchtigungen Dritter im Rahmen zumutbarer Massnahmen

o Leistung / Gewährleistung:

− Zugang zum Rechtsschutz

− Entschädigung gem. Art. 26 Abs. 2 BV

− Schaffung einer minimalen rechtlichen Infrastruktur

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Die Polizei stellte anlässlich einer Hausdurchsuchung bei der Z. GmbH in mehreren Treibhäusern ca. 62'000 Hanfstecklinge und 804 Hanf-Mutterpflanzen fest. Mit Verfügung vom selben Tag beschlagnahmte der Untersuchungsrichter sämtliche festgestellten Hanfpflanzen sowie technische Gerätschaften zu deren Aufzucht und Unterhalt. Er ordnete die Belassung der Pflanzen und Gerätschaften an ihrem Standort an und untersagte der Z. GmbH, sie zu entfernen oder darüber zu verfügen; dies unter Androhung der Straffolgen gemäss Art. 292 StGB. Er gab der Z. GmbH Gelegenheit, innert 14 Tagen den Nachweis für eine rechtmässige Verwendung bzw. einen rechtmässigen Absatz der Pflanzen zu erbringen. [….] Am 21. Mai 2004 wies er das Gesuch der Z. GmbH um Freigabe der beschlagnahmten Hanfpflanzen ab. Er ordnete deren vorzeitige Vernichtung durch die Kantonspolizei an.

«Gemäss Art. 26 Abs. 1 BV ist das Eigentum gewährleistet. Ein Eingriff in die Eigentumsgarantie bedarf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage. Zudem muss er durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt und verhältnismässig sein (Art. 36 BV). Für einen schweren Eingriff in die Eigentumsgarantie ist eine klare und eindeutige Grundlage in einem formellen Gesetz erforderlich. […] Die Vernichtung beschlagnahmter Hanfpflanzen stellt nach der Rechtsprechung - jedenfalls in einem Ausmass wie hier - einen schweren Eingriff in die Eigentumsgarantie dar. […] Einen schweren Eingriff hat das Bundesgericht auch bei einer blossen Beschlagnahme bejaht, sofern die Gefahr besteht, dass die Hanfpflanzen verderben und damit unwiederbringlich verloren gehen. […]»

BGE 130 I 360 ff.Seite 13

Unter welchen Voraussetzungen sind Eingriffe in die Bestandesgarantiezulässig?

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Seite 14Weihnachtsbeleuchtung(BGE 140 II 33)

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A. und B. bewohnen ein Haus (...) in Möhlin. Vom 11. November (Martinstag) bis zum 2. Februar (Maria Lichtmess) schmücken sie die Aussenfassade des Hauses, den Carport und den Garten (Bäume, Sträucher, Gewächshaus) mit Weihnachtsbeleuchtung (u.a. beleuchtete Sterne, Weihnachtsmänner, Lichtergirlanden). Zudem leuchten Sterne in den Fenstern des Hauses. Nach der Weihnachtszeit wird eine reduzierte Beleuchtung für das ganze Jahr hindurch installiert (Ganzjahresbeleuchtung). Die Hausfassaden werden von allen Seiten mit Spots beleuchtet. Gewisse Lichterketten (z.B. am Carport) bleiben bestehen und einzelne Bäume werden weiterhin beleuchtet. In den Fenstern befinden sich anstelle der Sterne kleine Tischlampen. Die Steuerung der Beleuchtung erfolgt mit Zeitschaltuhren. Zur Weihnachtszeit wird die Beleuchtung zwischen 16.30 und 17.00 Uhr ein- und zwischen 00.30 und 01.00 Uhr abgeschaltet. Ausserhalb der Weihnachtszeit schaltet die Beleuchtung jeweils mit dem Eindunkeln entsprechend der Jahreszeit ein.

D. und C. bewohnen das vis-à-vis liegende Haus (...). Sie fühlen sich durch die Weihnachts- und Ganzjahresbeleuchtung gestört. Am 9. Februar 2011 beantragten sie bei der Gemeinde Möhlin eine zeitliche Beschränkung und Reduktion der Lichtimmissionen. Der Gemeinderat wies den Antrag am 20. Juni 2011 ab.

Dagegen erhoben D. und C. Verwaltungsbeschwerde. Das zuständige Amt führte einen Augenschein durch. Am 19. April 2012 hiess es die Beschwerde gut und verpflichtete A. und B., die Zierbeleuchtung (Ganzjahresbeleuchtung und Weihnachtsbeleuchtung) ab 22.00 Uhr abzuschalten; nur am 24., 25. und 26. Dezember dürfe sie bis 01.00 Uhr des Folgetags eingeschaltet bleiben.

Gegen den Entscheid des BVU gelangten A. und B. an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau. Dieses führte am 11. Dezember 2012 eine Augenscheinsverhandlung durch. Am 18. Dezember 2012 hiess es die Beschwerde teilweise gut. Es änderte den angefochtenen Entscheid wie folgt ab:

«A. und B. werden verpflichtet, die Zierbeleuchtung (Ganzjahresbeleuchtung) (...) ab 22.00 Uhr abzuschalten; die Weihnachtsbeleuchtung ist vom 1. Advent bis 6. Januar zulässig und darf bis 01.00 Uhr des Folgetags eingeschaltet bleiben.»

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Wertgarantie (Art. 26 Abs. 2 BV)

Bedeutung

o Entschädigung für gewisse schwere, aber gerechtfertigte Eingriffe in die Bestandesgarantie

Pflichten des Staates

o Leistung von voller Entschädigung für sehr schwere, aber rechtmässige Eingriffe in die Bestandesgarantie

Voraussetzungen der Leistungspflicht:

o es liegt ein rechtmässiger Eingriff in die Bestandesgarantie vor

o dieser hat die Schwere einer Enteignung

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Eingriffe in die Bestandesgarantieund deren Folgen

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Formen öffentlich-rechtlicher Eingriffe in das Eigentum

• Entzug von Eigentumsrechten in einem formellen Verfahren

• Eigentum geht auf Enteigner über

• immer schwerer Eingriff

Öffentlich-rechtliche EigentumsbeschränkungFormelle Enteignung

• Einschränkung von Nutzungs-und Verfügungsrechten

• Eigentum geht nicht auf Enteigner über

• Leichter bis sehr schwerer Eingriff

Materielle Enteignung(immer schwerer Eingriff)

Andere Eingriffe

«…. werden voll entschädigt» Keine Entschädigung

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Abgrenzung materielle Enteignung / andere Eingriffsformen: «Barret»-Formel

Materielle Enteignung liegt vor,

«… wenn dem Eigentümer der bisherige oder ein voraussehbarer künftiger Gebrauch einer Sache untersagt oder in einer Weise eingeschränkt wird, die besonders schwer wiegt, weil der betroffenen Person eine wesentliche aus dem Eigentum fliessende Befugnis entzogen wird. Geht der Eingriff weniger weit, so wird gleichwohl eine materielle Enteignung angenommen, falls einzelne Personen so betroffen werden, dass ihr Opfer gegenüber der Allgemeinheit unzumutbar erscheint und es mit der Rechtsgleichheit nicht vereinbar wäre, wenn hierfür keine Entschädigung geleistet würde.»

BGE 91 I 329, 337 E. 3

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Im Rahmen eines Strafverfahrens wurden bei einem Waffensammler diverse Waffen, Waffenteile sowie Waffenzubehör sichergestellt. Diese konnten ihm aufgrund von Missbrauchsgefahr nicht zurückgegeben werden und wurden definitiv eingezogen.

Hat er Anspruch auf Entschädigung?

(BGE 135 I 209).

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Entschädigung (Wertgarantie)

o Anspruch auf volle Entschädigung in Fällen von Art. 26 Abs. 2 BV

− formelle Enteignung: …………………………………………………………………….

− materielle Enteignung: …………………………………………………………………..

− andere öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkungen? …………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………

o Form: grundsätzlich als Geldleistung

o Umfang: volle Entschädigung; gesamter Wertverlust und andere Nachteile sind zu entschädigen

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Zusammenfassung und Prüfprogramm

1. Liegt ein rechtmässiger Eingriff in die Eigentumsgarantie (Bestandesgarantie) vor?

− Schutzbereich der Eigentumsgarantie (persönlich / sachlich)

− Eingriff

− gesetzliche Grundlage, öffentliches Interesse, Verhältnismässigkeit

− Kerngehalt (insb. Institutsgarantie)

2. Wenn rechtmässiger Eingriff: Besteht Anspruch auf Entschädigung?

− immer volle Entschädigung bei formeller oder materieller Enteignung (Wertgarantie)

Seite 22Prof. R. Kiener