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44 MISEREOR Mittwoch, 29. Juli 2015 Das Katholische Hilfswerk Misereor unterstützt Bauern in Tansania Die Gier der Konzerne nach fruchtbarem Boden Der Ankauf großer Landflächen wird in Afrika immer öfter zum Problem Von Joachim Heinz, kna W enn Christian Mapunda zei- gen will, wie das mit dem In- vestor in seinem Dorf gelaufen ist, führt er Besucher in den Busch. Ab- seits der Hauptstraße lagern hau- fenweise Lehmziegel – schätzungs- weise 200000 Stück. Gedacht waren sie unter anderem für eine Kran- kenstation und eine Schule. Gewor- den ist daraus nichts. „Der Investor hatte uns zugesichert, mit dem Bau- en zu beginnen, sobald wir die Zie- gel gebrannt hätten“, erzählt Ma- punda. Seither sei niemand mehr gekommen. Die Ziegel sind inzwi- schen unbrauchbar geworden, Ge- strüpp wächst über die Arbeit von Wochen und Monaten. Stattdessen standen auf den Ackerflächen, die das Dorf dem In- vestor im Gegenzug für seine Ver- sprechen verpachtet hatte, plötzlich Zäune. Einwohner erzählen, dass Wachmänner sie daran hinderten, die Gräber ihrer Angehörigen zu besuchen, die dort bestattet worden waren. Das Dorf, in dem sich all das abspielte, heißt Lutukira und liegt im Süden von Tansania – einem der ärmsten Länder Afrikas, das zu- gleich mit äußerst fruchtbaren Bö- den gesegnet ist. Eine Kombination, die offenbar immer mehr Spekulanten und Großkonzerne anzieht, wie eine neue Studie von Misereor nahelegt. Private Investoren gefährden Existenzen Viele Firmen geben sich einen grünen Anstrich, um den Verdacht des „Landgrabbings“, also der langfristigen Pacht oder des An- kaufs großer Agrarflächen auf Kos- ten der Bewohner vor Ort, zu umge- hen. Aber allzu oft klaffen An- spruch und Wirklichkeit, so wie in Lutukira, auseinander. Das ist laut Misereor auch bei der mit Unter- stützung von führenden Wirt- schaftsnationen, darunter Deutsch- land, 2010 ins Leben gerufene Ini- tiative „Southern Agricultural Growth Corridor of Tanzania“ (SAGCOT) der Fall. Auf einem Gebiet von der Größe Italiens will die tansanische Regie- rung im Süden des Landes die An- siedlung privater Unternehmen vo- ranbringen, um die landwirtschaft- liche Produktion zu verbessern. Gleichzeitig sollen Jobs geschaffen werden und die Anwohner der um- liegenden Dörfer neue Verdienst- möglichkeiten erhalten. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die Initiative kaum dazu geeignet ist, das Phänomen des „Landgrabbings“ und damit ein- hergehende Verletzungen des Rechts auf Nahrung einzudämmen. „Eher sieht es so aus, als ob das Pro- gramm dazu führt, diese zu versteti- gen und zu institutionalisieren“, heißt es da. SAGCOT-Geschäftsführer Geof- frey Kirenga weist die Vorwürfe zu- rück. „Wir wollen keine Inseln des Wohlstands in einem Meer von Ar- mut schaffen.“ Vielmehr müssten sich alle der inzwischen 84 SAG- COT-Partner auf die drei Hauptzie- le verpflichten: die Nahrungsmittel- sicherheit zu erhöhen, Kleinbauern mit einzubeziehen und umwelt- freundlich zu produzieren. Korruption als weit verbreitetes Übel Dagegen ist grundsätzlich erst einmal wenig einzuwenden, sind sich Experten und Menschenrecht- ler aus Tansania einig. Das Problem liege in der Umsetzung. Und da hakt es offenbar: Korruption vom Regierungsbeamten bis hinunter auf die Ebene der Dorfräte ist ein weit verbreitetes Übel. Es fehlt zu- dem an Anwälten, die im Ernstfall die Interessen der Geschädigten vertreten. Auf der anderen Seite stehen Großkonzerne mit ihren Rechtsabteilungen. Der Soziologe und Mitautor der Studie, Benedict Mongula von der Universität Dares- salam, befürchtet, dass sich die Konflikte um Landnutzung deswe- gen weiter zuspitzen. „Angesichts der Tatsache, dass die Bevölkerung weiter wächst, wird es langfristig einen Landmangel geben“, so Mon- gula. „Wenn Hirten und Kleinbau- ern um die wenigen Ackerflächen kämpfen, die von den Investoren übrig gelassen wurden, werden wir ein Problem bekommen.“ Schon jetzt verlassen viele junge Leute mangels Perspektive die Dör- fer, um ihr Glück in den schnell wachsenden Städten zu suchen. Konflikte sind vorprogrammiert. In Lutukira hat es der Investor, die Montara Continental Limited, ge- schafft, das Dorf zu spalten. Der Dorfrat, dem Christian Mapunda angehört, steht unter Druck. Ein Großteil der verpachteten Ackerflä- che liegt unterdessen brach. Offen- bar will der Konzern, ein Tochter- unternehmen des im Steuerparadies Guernsey registrierten Konzerns Obtala Resources, erst einmal Gras über die Sache wachsen lassen. So wie über die Ziegel im Busch. Misereor unterstützt Kleinbauern in Tansania dabei, ihre Landwirtschaft mit wenig Kapital ertragreicher zu gestalten. Das fruchtbare Hochland Tansanias ist begehrt bei privaten Investoren: Doch statt Grundnahrungsmittel anzubauen, setzen sie auf den Export von Kaffee oder Jatropha, auch Pugiernuss genannt. Christian Mapunda hält die Ziegelsteine in der Hand, die die Dorfgemeinschaft aus Lutukira unter anderem für den Bau einer Krankenstation angefertigt hat. Bis heute warten die Männer und Frauen auf die Umsetzung der zahlreichen Ver- sprechen durch den Investor. Fotos: Maurice Ressel/Misereor Projekt-Info Misereors Arbeit mit und für Kleinbauern Misereor fordert die Bundes- regierung und alle weiteren an SAGCOT beteiligten G7-Staa- ten, Organisationen und Unter- nehmen auf, Unternehmensin- teressen nicht vor die Interessen und Bedürfnisse der betroffe- nen Menschen zu stellen. Das Hilfswerk unterstützt daher unter anderem die „Landact Education Cam- paign“, die die von Landnahme betroffenen Dorfgemeinschaf- ten über ihre Rechte informiert, sowie Misereor-Partnerorgani- sationen, die Kleinbauern da- bei unterstützen, ihre Land- wirtschaft mit wenig Kapital nachhaltig zu intensivieren und Absatzmärkte für ihre Produk- te zu erschließen. Gemeinsam mit jungen Tan- saniern werden außerdem Wege erarbeitet, unter welchen Um- ständen Landwirtschaft für sie dauerhaft eine attraktive Er- werbsquelle sein kann. Die Studie „A Right to Food Perspective“ kann im Internet unter www.misereor.de/recht- auf-nahrung heruntergeladen werden. Sie wurde im Rahmen des Kooperationsprojektes „Tea- ching EcoFair“ zwischen der Heinrich Böll-Stiftung (Deutschland), Caritas Tsche- chien und verschiedenen Uni- versitäten in Europa durchge- führt. Mit „Teaching EcoFair“ soll erreicht werden, dass das Thema „Recht auf Nahrung“ stärker in Forschung und Lehre an europäischen Universitäten verankert wird. MEDIENGRUPPE Danke für Ihre Spende! Pax-Bank Aachen Kto-Nr. 10 10 10 · BLZ: 370 601 93 Stichwort: S 07032 8A6LniQo

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44 MISEREOR Mittwoch, 29. Juli 2015

Das Katholische Hilfswerk Misereor unterstützt Bauern in Tansania

Die Gier der Konzerne nach fruchtbarem BodenDer Ankauf großer Landflächen wird in Afrika immer öfter zum Problem

Von Joachim Heinz, kna

Wenn Christian Mapunda zei-gen will, wie das mit dem In-

vestor in seinem Dorf gelaufen ist,führt er Besucher in den Busch. Ab-seits der Hauptstraße lagern hau-fenweise Lehmziegel – schätzungs-weise 200000 Stück. Gedacht warensie unter anderem für eine Kran-kenstation und eine Schule. Gewor-den ist daraus nichts. „Der Investorhatte uns zugesichert, mit dem Bau-en zu beginnen, sobald wir die Zie-gel gebrannt hätten“, erzählt Ma-punda. Seither sei niemand mehrgekommen. Die Ziegel sind inzwi-schen unbrauchbar geworden, Ge-strüpp wächst über die Arbeit vonWochen und Monaten.

Stattdessen standen auf denAckerflächen, die das Dorf dem In-vestor im Gegenzug für seine Ver-sprechen verpachtet hatte, plötzlichZäune. Einwohner erzählen, dassWachmänner sie daran hinderten,die Gräber ihrer Angehörigen zubesuchen, die dort bestattet wordenwaren. Das Dorf, in dem sich all dasabspielte, heißt Lutukira und liegtim Süden von Tansania – einem derärmsten Länder Afrikas, das zu-gleich mit äußerst fruchtbaren Bö-den gesegnet ist.

Eine Kombination, die offenbarimmer mehr Spekulanten undGroßkonzerne anzieht, wie eineneue Studie von Misereor nahelegt.

Private Investorengefährden ExistenzenViele Firmen geben sich einen

grünen Anstrich, um den Verdachtdes „Landgrabbings“, also derlangfristigen Pacht oder des An-kaufs großer Agrarflächen auf Kos-ten der Bewohner vor Ort, zu umge-hen. Aber allzu oft klaffen An-spruch und Wirklichkeit, so wie inLutukira, auseinander. Das ist lautMisereor auch bei der mit Unter-stützung von führenden Wirt-schaftsnationen, darunter Deutsch-land, 2010 ins Leben gerufene Ini-tiative „Southern AgriculturalGrowth Corridor of Tanzania“(SAGCOT) der Fall.

Auf einem Gebiet von der GrößeItaliens will die tansanische Regie-

rung im Süden des Landes die An-siedlung privater Unternehmen vo-ranbringen, um die landwirtschaft-liche Produktion zu verbessern.Gleichzeitig sollen Jobs geschaffenwerden und die Anwohner der um-liegenden Dörfer neue Verdienst-möglichkeiten erhalten.

Die Studie kommt zu demSchluss, dass die Initiative kaumdazu geeignet ist, das Phänomen des„Landgrabbings“ und damit ein-hergehende Verletzungen desRechts auf Nahrung einzudämmen.„Eher sieht es so aus, als ob das Pro-gramm dazu führt, diese zu versteti-gen und zu institutionalisieren“,heißt es da.

SAGCOT-Geschäftsführer Geof-frey Kirenga weist die Vorwürfe zu-rück. „Wir wollen keine Inseln desWohlstands in einem Meer von Ar-mut schaffen.“ Vielmehr müsstensich alle der inzwischen 84 SAG-COT-Partner auf die drei Hauptzie-le verpflichten: die Nahrungsmittel-

sicherheit zu erhöhen, Kleinbauernmit einzubeziehen und umwelt-freundlich zu produzieren.

Korruption alsweit verbreitetes ÜbelDagegen ist grundsätzlich erst

einmal wenig einzuwenden, sindsich Experten und Menschenrecht-ler aus Tansania einig. Das Problemliege in der Umsetzung. Und dahakt es offenbar: Korruption vomRegierungsbeamten bis hinunterauf die Ebene der Dorfräte ist einweit verbreitetes Übel. Es fehlt zu-dem an Anwälten, die im Ernstfalldie Interessen der Geschädigtenvertreten. Auf der anderen Seitestehen Großkonzerne mit ihrenRechtsabteilungen. Der Soziologeund Mitautor der Studie, BenedictMongula von der Universität Dares-salam, befürchtet, dass sich dieKonflikte um Landnutzung deswe-gen weiter zuspitzen. „Angesichts

der Tatsache, dass die Bevölkerungweiter wächst, wird es langfristigeinen Landmangel geben“, so Mon-gula. „Wenn Hirten und Kleinbau-ern um die wenigen Ackerflächenkämpfen, die von den Investorenübrig gelassen wurden, werden wirein Problem bekommen.“

Schon jetzt verlassen viele jungeLeute mangels Perspektive die Dör-fer, um ihr Glück in den schnellwachsenden Städten zu suchen.Konflikte sind vorprogrammiert. InLutukira hat es der Investor, dieMontara Continental Limited, ge-schafft, das Dorf zu spalten. DerDorfrat, dem Christian Mapundaangehört, steht unter Druck. EinGroßteil der verpachteten Ackerflä-che liegt unterdessen brach. Offen-bar will der Konzern, ein Tochter-unternehmen des im SteuerparadiesGuernsey registrierten KonzernsObtala Resources, erst einmal Grasüber die Sache wachsen lassen. Sowie über die Ziegel im Busch.

Misereor unterstützt Kleinbauern in Tansania dabei, ihre Landwirtschaft mit wenig Kapital ertragreicher zu gestalten.

Das fruchtbare Hochland Tansanias ist begehrt bei privaten Investoren: Dochstatt Grundnahrungsmittel anzubauen, setzen sie auf den Export von Kaffeeoder Jatropha, auch Pugiernuss genannt.

Christian Mapunda hält die Ziegelsteine in der Hand, die die Dorfgemeinschaft aus Lutukira unter anderem für den Baueiner Krankenstation angefertigt hat. Bis heute warten die Männer und Frauen auf die Umsetzung der zahlreichen Ver-sprechen durch den Investor. Fotos: Maurice Ressel/Misereor

Projekt-Info

Misereors Arbeit mitund für Kleinbauern

Misereor fordert die Bundes-regierung und alle weiteren anSAGCOT beteiligten G7-Staa-ten, Organisationen und Unter-nehmen auf, Unternehmensin-teressen nicht vor die Interessenund Bedürfnisse der betroffe-nen Menschen zu stellen.

Das Hilfswerk unterstütztdaher unter anderem die„Landact Education Cam-paign“, die die von Landnahmebetroffenen Dorfgemeinschaf-ten über ihre Rechte informiert,sowie Misereor-Partnerorgani-sationen, die Kleinbauern da-bei unterstützen, ihre Land-wirtschaft mit wenig Kapitalnachhaltig zu intensivieren undAbsatzmärkte für ihre Produk-te zu erschließen.

Gemeinsam mit jungen Tan-saniern werden außerdem Wegeerarbeitet, unter welchen Um-ständen Landwirtschaft für siedauerhaft eine attraktive Er-werbsquelle sein kann.

Die Studie „A Right to FoodPerspective“ kann im Internetunter www.misereor.de/recht-auf-nahrung heruntergeladenwerden.

Sie wurde im Rahmen desKooperationsprojektes „Tea-ching EcoFair“ zwischen derHeinrich Böll-Stiftung(Deutschland), Caritas Tsche-chien und verschiedenen Uni-versitäten in Europa durchge-führt. Mit „Teaching EcoFair“soll erreicht werden, dass dasThema „Recht auf Nahrung“stärker in Forschung und Lehrean europäischen Universitätenverankert wird.

M E D I E N G R U P P E

Danke für Ihre Spende!

Pax-Bank AachenKto-Nr. 10 10 10 · BLZ: 370 601 93

Stichwort: S 07032

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