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Ralph Hauptmann Herrscher der Eisenzeit

Ralph Hauptmann Herrscher der Eisenzeit · 2017-06-27 · die Teilnahme an dem über Land und die Flüsse stattndenden Zinnhandel zu verhandeln. Schon nach zwei Tagen hörten die

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Ralph Hauptmann

Herrscherder Eisenzeit

Die Kelten – auf den Spureneiner geheimnisvollen Kultur

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Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100Das für dieses Buch verwendete FSC-zerti�zierte Papier

EOS liefert Salzer Papier, St. Pölten, Austria.

Redaktion: Sabine vom Bruch

Copyright © 2012 by Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, MünchenSatz: EDV-Fotosatz Huber/Verlagsservice G. Pfeifer, Germering

Druck und Bindung: GGP Media GmbH, PößneckPrinted in Germany 2012ISBN 978-3-453-12047-1

www.heyne.de

Für Nadja

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Inhaltsverzeichnis

Am Anfang war ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13Auf der Suche nach dem Ursprung der Kelten

Prolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15Begegnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15Fragen über Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

Der Anfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23Das Bild fügt sich zusammen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23Kelten oder Gallier? Oder was? – eine Theorie . . . . . . . . . 26Krieg der Welten anno 750 v. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

Die Herren der Burgen undder Handelswege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37Die »Hallstattkelten«

Der Reichtum des Berges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39Ein Ort wird zum Gattungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39Hallstatt – Metropole der Frühkelten . . . . . . . . . . . . . . . . 43

Das letzte Element . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47Das Eisen kommt! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47Der Luxus der Hallstattfürsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51CSI Hallstatt: Warum die ersten Keltenkeine Krieger waren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52Auffallen um wirklich jeden Preis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

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Kunst und Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60Die Spur der Rhomben und Kreise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60Die ersten Zeichen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63Machtkämpfe im Mittelmeer – Teil I . . . . . . . . . . . . . . . . . 69Der Kon�ikt bricht aus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72Machtkämpfe im Mittelmeer – Teil II . . . . . . . . . . . . . . . . 74

Krieger, Erfinder, Heilige und Gelehrte . . . . . . . . . . 79Die Kelten der La-Tène-Zeit

La Tène – Die »wahren Kelten« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

Ein Leben für den Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83Vom Kind zum Krieger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83Lanzen, Schwerter, Kettenhemden –kleine keltische Waffenkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87Der große Tag: die erste Schlacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91Keltische Kriegführung – strukturiertes Chaos?. . . . . . . . 98

Primitive Gesellschaften am Rande der Zivilisation? . . . . . . 108Von Riten und Symbolen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108Stämme, Clans, Allianzen und Wechselspiele . . . . . . . . . . 115Die Druiden: heilige Männer oderheimliche Herrscher? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120Die Frauen der Kelten: schön, mutig,fruchtbar, promiskuitiv… . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

Das Feuer im Kopf – die Religion der Kelten. . . . . . . . . . . . . 137Ein religiöses Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137Die stärkste Waffe der Kelten – die Unsterblichkeit . . . . . 138Seelenjäger – Seelenbeschützer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141Leben mit den Göttern – geben und nehmen . . . . . . . . . . 144Rituale: Dialog mit den Göttern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

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Land der Wilden, Land der Dunkelheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 158Terra incognita. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158Kunsthandwerk und Handwerkskunst. . . . . . . . . . . . . . . . 162Von Analphabeten und Geheimsprachen. . . . . . . . . . . . . . 165Schamanen, Heilpraktiker und Chirurgen. . . . . . . . . . . . . 167Drei Nächte, siebzehn Winter und gute Zeiten –schlechte Zeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

Blätter, Blüten, freie Formen – die Kunst der Kelten . . . . . . 173Zeigen, wer man ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173Ein Stil offen für alles – aber unverwechselbar . . . . . . . . . 175

Agrarwissenschaftler, Regenbogenschüsselchenund Handel im großen Stil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

Die Früchte der Felder… . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178… und der Weiden und Wälder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179Nur Bares ist Wahres? –von Münzen, die kein Geld sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180Handel im großen Stil –die Handelsstädte der Kelten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182Zu verschieden? Oder zu identisch?. . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

Celts International Inc. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187Das Weltreich der Kelten von Irland bis Anatolien

Gesandte, Flüchtlinge, Abenteurer –die große Unruhe beginnt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

Des Menschen Wille… . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189… oder die Zeichen der Götter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194Das Streben nach Ruhm, Ehre und Wohlstand . . . . . . . . 196

Der Auftakt – Kelten gegen Etrurien und Rom . . . . . . . . . . 198»Kriegerland« jenseits und diesseits der Alpen . . . . . . . . 198

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Auf verlorenem Posten zwischen zwei Fronten . . . . . . . . 203Der Feind meines Feindes… ist mein Feind? –ein diplomatischer Lapsus mit Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . 204Von Rom bis Telamon – das Bild verändert sich . . . . . . . . 218

Panischer Schrecken und weiße Jungfrauen –Kelten gegen Griechenland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

Im Land des Alexander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221Wettlauf mit der Zeit –zum Tor in das »Wahre Griechenland« . . . . . . . . . . . . . . . 225Krieg der Götter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

Im Reich des Attalos – Kelten gegen Pergamon . . . . . . . . . . 232Die Geister, die ich rief … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232Von unbequemen Nachbarn und Elefanten . . . . . . . . . . . 234Ein Raubstaat von des Königs Gnaden . . . . . . . . . . . . . . . 235Die Kunst der Geschlagenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238Ein neuer Mitspieler am kleinasiatischen Tisch . . . . . . . . 244

Der Dorn im Fleische Roms – die spanischen Kelten . . . . . . 248In unheiliger Allianz – Kelten im Dienst Karthagos . . . . 248Kelten, Iberer und �ießende Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 252Neue Herren und Untertanen, die keine sind . . . . . . . . . . 256Vergessene Vereinbarungen, gebrochene Verträge –Roms Kriegführung in Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261Schlachtfeld der Verlierer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266Die Fäden der Macht in einer Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270Die letzte Festung fällt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273

Gallischer Krieg oder Krieg der Gallier? . . . . . . . . . . . . . . . . 281Hilferuf mit Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281Krieger aus dem Norden und Zeitender Entscheidung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285Ambitionen und Intrigen: die Helvetier . . . . . . . . . . . . . . 287

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Der Preis der Freundschaft – Rom gegen Ariovist . . . . . . 294Germanische Kelten – eine gefährliche Mischung . . . . . . 299Ganz im Westen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301Der Schwelbrand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304Cenabum bis Alesia: der letzte Akt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308

Am Rande des Imperiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323Die britannischen Kelten

Über die Grenzen hinaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325Unbekanntes Land jenseits des Wassers . . . . . . . . . . . . . . 325Eingewandert oder eingeboren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328

Ein Kelte namens Comm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334Die Römer kommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334Wechselndes Kriegsglück – und wieder Comm . . . . . . . . 343Kein Sieg und doch ein Sieg – und nochein Opportunist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348

Siebenundneunzig Jahre Ruhe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352Der Fuß in der Tür… . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355Von Muscheln und glücklosen Herrschern . . . . . . . . . . . . 358

Der Zorn einer Frau gegen Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365Die ersten Vorstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365Ein Mann auf der Flucht, eine Frau undihre Nähe zur Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366Ämter, Amtsmissbrauch und seine Folgen . . . . . . . . . . . . 368Kurzschwerter gegen Bannsprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373Boudicca heißt »Sieg« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375

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Das Verschwinden der britannischen Kelten . . . . . . . . . . . . . 381Beruhigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381Mit der genagelten Sandale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382Ein Volk verschwindet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387

Zusammenbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396Die römische Provinz Britannia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396Umbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401

Ein dunkles Zeitalter voller Licht,Schotten, die eigentlich Iren sind,und eine Insel voller Heiliger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407Die letzten Kämpfe der alten Kelten

Die Jahre nach Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409Britannien – die neuen Königreiche . . . . . . . . . . . . . . . . . 409Die ewig Renitenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413

Die neuen Herren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415Machtspiele und Fehleinschätzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 415Arthur, Camelot und die Tafelrunde –Mythos, Spekulation, Wahrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421

Bis an die Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424Die Jahre nach Arthur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424Neue Verbündete und neue Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 426(Fast) am Ende der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427Zurückgedrängt und abgeschnitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429

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Land der »Seeräuber« und der »Bemalten« . . . . . . . . . . . . . 434Geheimnisvolle »Steinmenschen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434Die »Seeräuber« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437Familienbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439Das Ende des »wahren« Albas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448

Krieger, Legenden und Heilige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450Der Anfang – eine Legende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450Der Anfang – die historischen Realitäten . . . . . . . . . . . . . 455Plündern, Stehlen, Töten –die Gesellschaft der Helden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457Die neue Macht – die Klöster im Lande der Kelten . . . . . 466Wettlauf im Namen Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470Und wieder Räuber und Plünderer … . . . . . . . . . . . . . . . . 475Frauenraub mit Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480Hibernicis ipsis Hiberniores – »Irischer als die Iren« . . . . 486Ein Weltreich verschwindet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490

»Cymru am Byth«, »Eirinn Go Bra«und »Celtic Woman« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493Eine keltische Reise durch Zeit und Raum

März 2005 n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495

Die Wiederentdeckung der Kelten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497An den Rand gedrängt und fast vergessen . . . . . . . . . . . . 497Der »Edle Wilde« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498Die zu den Göttern sprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502

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Wenn Sprachen sterben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504Verbieten, Vergessen, Verdrängen und Verordnen:Sprachen, Politik und heimliche Helden . . . . . . . . . . . . . . 504Die Feste Fremder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514

Die neuen Feinde? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516Gefunden und verloren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516Gekommen, um zu bleiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519Gegangen, um zu überleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521Leben wir in einer keltischen Welt? . . . . . . . . . . . . . . . . . 524

Anhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533

Museen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536

Textquellennachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538

Bildquellennachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539

Orts-, Personen- und Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541

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Prolog

Begegnungen

Die Schläge seines Herzens dröhnen wie Kriegstrommeln inseinen Ohren, so laut, dass sie jedes Geräusch seiner Umgebungübertönen. Seine Tunika ist trotz der Kühle des halbdunklen Ei-chenwalds schweißnass. Ein verstohlener Blick in die Runde sagtihm, dass es den Kriegern, die ihn auf seiner Mission begleiten, nichtviel anders geht. Ihre Hände umklammern krampfhaft die Griffeder locker an den Schultergurten hängenden Schwerter, sodass dieFingerknöchel weiß hervortreten. Die runden Schilde haben sie sichauf den Rücken geschnallt, wie bei jedem Marsch durch unsicheresGebiet, wo man hinter jedem Baum oder Felsen einen Hinterhaltvermutet. Sie sind nervös und ängstlich, zucken bei jedem Geräuschzusammen. Ihre Köpfe drehen sich hin und her, während sie spä-hend Ausschau halten. Demetros atmet tief ein und spürt, wie dieAngst ihm die Kehle zuschnürt. Ja, die Krieger, die seine Stadtherrenzu seinem Schutz abgestellt haben, fürchten sich vor dem, was vorihnen liegt, genauso wie er selbst. Kein wirklich beruhigender An-blick.

Doch er hat keine Wahl. Die Anweisungen, die er von seinen Her-ren, den Obersten der Stadt Massalia erhalten hat, sind eindeutig.Genauso eindeutig haben sie klargemacht, dass sie eine Ablehnungseinerseits nicht akzeptieren würden. Sie sähen keine andere Mög-lichkeit, hatten sie ihm erklärt. Sicher, Massalia sei eine Hafenstadt,doch seit die Karthager den Seeweg durch die Straße von Gibraltarnach Tartessos, dem bis dahin wichtigsten Umschlaghafen für daswertvolle Zinnerz, versperrten, wurde es nötig, die bislang unbeach-tet gelassenen Landhandelswege zu erschließen. Die Stadtherren

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hatten vom griechischen Mutterland den Auftrag erhalten, Kontaktmit den Stämmen aufzunehmen, die im Norden an den wichtigstenKnotenpunkten der Zinnhandelslinien lebten, und sich mit diesengut zu stellen. ›Was immer es kosten möge!‹ Dieser Satz klingt De-metros immer noch in den Ohren.

Er schüttelt den Kopf. ›Was immer es kosten möge!‹ Und wenndieses ›was immer‹ nun sein Leben ist? Für die Massalioten, die sichjahrzehntelang ausschließlich auf den Seehandel konzentriert hat-ten, ist das Gebiet, durch das sie sich seit mehreren Tagen bewegen,völliges Neuland. Besiedelt, wenn man den Erzählungen einzelnerReisender glauben darf, von wilden Stämmen, die nackt kämpfen!Die ihren Feinden die Köpfe abschlagen und als Schmuck in ihrenHäusern aufbewahren! Und die Unmengen Wein trinken. Unver-dünnt! Was für Barbaren!

Letzteres ist zumindest ein Ansatzpunkt. Und so hat Demetrosvor acht Tagen mit fünf von Ochsen gezogenen Wagen voller Wein-amphoren die hellen, sauberen Straßen und vor allem die schützen-den Mauern Massalias verlassen, um mit eben diesen Barbaren überdie Teilnahme an dem über Land und die Flüsse statt�ndendenZinnhandel zu verhandeln. Schon nach zwei Tagen hörten die schö-nen, ausgefahrenen Wege auf. Von da an ging es weiter über etwas,was kaum den Namen Feldweg verdiente; wenig benutzte Pfade, dieoft völlig im Gras verschwanden. Niemandsland! Nein, schlimmernoch, Barbarenland! Ganze zehn Krieger hatten ihm die Stadther-ren bewilligt! Zehn Krieger gegen eine unbekannte Zahl von Kopf-jägern! Unbewusst wendet Demetros sein Gesicht gen Himmel.Doch selbst die Götter scheinen ihm das Mitleid versagen zu wollen.Dicke Wolken ziehen bedrohlich tief über die Wipfel der riesigen Ei-chen hinweg. Seinem Schicksal ergeben senkt er den Blick und trot-tet weiter.

Ein Schrei reißt ihn aus seinem wohligen Selbstmitleid. Blitz-schnell dreht Demetros sich um und sieht gerade noch, wie einerseiner Krieger mit einem Pfeil in der Brust zu Boden fällt. Ein wei-terer stirbt mit einem Pfeil im Hals, noch ehe er das Schwert ziehen

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kann. Und dann sind sie da. Zwanzig, dreißig! Von allen Seitenkommen sie!

›Das ist das Ende!‹, durchzuckt es Demetros. Ohnmächtig sieht er,wie noch zwei seiner Kämpfer unter den Lanzenstichen der Angrei-fer fallen.

Er schließt die Augen.Die Schreie um ihn herum werden lauter. Kommen näher. Er

presst die Augen noch fester zusammen in Erwartung der Schmer-zen, die ihn in die ewige Dunkelheit reißen werden. Demetrosist kein mutiger Mann. Er ist fast 50 Jahre alt, klein und etwas be-leibt, ein wohlhabender Händler eben, dem man den Wohlstandansieht, und für den schon die Reise als solche eine unsägliche Stra-paze bedeutet. Selbst wenn er seinen Dolch zöge, er hätte keineChance.

Plötzlich verstummen die Schreie. Demetros wartet, doch nichtspassiert. Dann hört er Gemurmel. Ganz vorsichtig öffnet er die Au-gen.

Um die Wagen herum liegen etwa 15 tote Männer. Sechs davonsind seine eigenen, die anderen gehören zu den Angreifern. Aberwie …?

Dann sieht er sie. Sie stehen da, auf ihre fast mannshohen Schildegestützt, unterhalten sich in kehligen Lauten oder sehen ihn einfachnur an. Einer kniet neben einem von Demetros’ Männern, der ver-letzt auf dem Boden liegt.

Demetros schreckt zusammen, als ein großer – wirklich großer! –Krieger der Fremden auf ihn zutritt. Der sieht die Angst in Deme-tros’ Augen und hebt schnell die Hand zu einer beruhigenden Geste.Demetros schaut ihn verständnislos an, dann begreift er: Die totenAngreifer sind in schmutzige, zum Teil zerrissene Hemden geklei-det. Ihre Waffen sind grobe, selbst gebaute Lanzen, Steinschleudern.Hier und da liegen vereinzelt Pfeilköcher und Bogen herum. DieKrieger, die hier vor ihm stehen, tragen dagegen wertvolle Schwer-ter und Dolche, Waffen für den Kampf Mann gegen Mann. IhreKleidung ist grellbunt, wirkt gep�egt und sauber. Den Kopf des

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Kriegers, der jetzt direkt vor Demetros steht, bedeckt ein metallenerHelm mit seitlich angesetzten großen Hörnern. Und seine Augensehen Demetros keineswegs unfreundlich an.

Er nimmt seinen ganzen Mut zusammen. »Danke!«, sagt er, indem er auf die am Boden liegenden Räuber zeigt. Dann legt er seineHand auf die Brust. »Demetros«, sagt er.

Sein Gegenüber zeigt auch auf die toten Männer und sagt dabeiein Wort, das bei Demetros nur als Gurgeln ankommt, dessen Ton-fall jedoch keinen Zweifel an der mangelnden Wertschätzung ge-genüber den toten Gegnern lässt. Dann legt er ebenfalls die Handauf die Brust. »Bolg.«

»Bolg«, wiederholt Demetros.Der andere nickt. Dann hebt er den rechten Arm und deutet einen

Kreis an, der sowohl Demetros als auch seine umstehenden Kriegereinschließt. Dann deutet er in die Richtung, in die Demetros’ Reiseweitergegangen wäre. Noch einmal zeigt er auf alle Männer, diesesMal schließt er auch die Wagen mit den Weinamphoren ein. Jetzthat Demetros verstanden. Die einsame Reise seiner kleinen Gruppehat ein Ende gefunden. Die fremden Krieger werden sie leiten. De-metros macht erst die umfassende Bewegung des Anführers, zeigtdann auch in die Richtung, hebt fragend die Schultern und kehrt dieHand�ächen nach oben. »Wohin?«

Sein Gegenüber versteht. Er wiederholt die Bewegung und sagtdann ein Wort, das in Demetros Ohren so ähnlich klingt wieKelti …

Fragen über Fragen

Ob die ersten Begegnungen griechischer Händler mit den Keltentatsächlich so verlaufen sind, sei einmal dahingestellt. Belegt ist je-doch der Name des Volkes … Oder doch nicht …?

Historisch berichtet wird über die Kelten relativ spät. Um700 v. Chr. spricht der griechische Dichter Hesiod von den »Hyper-

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boreern«, dem »unbekannten Volk jenseits des Nordwinds« (womiter vermutlich die Alpen meint). Um 450 v. Chr., ca. 90 Jahre nachder �ktiven Begegnung von Demetros, dem Händler aus Massalia –dem heutigen Marseille – und Bolg, dem keltischen Krieger, berich-tete der griechische Reisende und Geschichtsschreiber Herodot alsErster von den Kelten, die hinter den Säulen des Herkules (der Mee-resenge von Gibraltar) leben. Zu diesem Zeitpunkt waren die Keltenfür den externen Beobachter (in diesem Fall Herodot) also bereitsals Volk erkennbar, das sich offensichtlich auch selbst so bezeichne-te. Und wenn es das tat, dann sicher nicht erst ab dem Tag, an demHerodot bei ihnen auftauchte. Stellt sich die Frage: Ab wann nann-ten sie sich »Kelten«?

Die Kelten hatten keine Schrift und haben daher ihre Geschichtenicht schriftlich niedergelegt. Schriftliche Berichte über Begegnun-gen mit Kelten sind von den griechischen und römischen AutorenHerodot und Plinius dem Älteren überliefert. Allerdings �ießen dieErkenntnisse anderer Wissenschaften, wie Archäologie, Linguistikund vergleichende Völkerkunde in unser Wissen über die Keltenein. Daraus ergeben sich Theorien mit einem hohen Wahrschein-lichkeitsgrad – mit allen De�ziten.

Wissen wir denn, ob uns die Archäologie ziemlich viel oder eherrelativ wenig über die Lebensweise dieses Volkes eröffnet hat? Wieviel wurde von Grabräubern und Schatzjägern zum Teil unwieder-bringlich zerstört?

Und verursacht nicht der Drang, alles zu systematisieren, Zeitepo-chen und Kulturkreisen zuzuordnen, ebenfalls Verständnisproble-me und Irrtümer? Schulbücher sprechen von Stein-, Bronze- undEisenzeit und geben dazu ungefähre Jahreszahlen an. Aber: Die Ent-wicklung der menschlichen Zivilisation ist ein �ießender Prozess. Esgibt kaum einen Teil dieses Prozesses, der nicht mit den anderenElementen interagiert. Wenn ich am Knoten eines Netzes ziehe, be-wegt sich nicht nur dieser Knoten, sondern alle angrenzenden eben-falls. Je stärker der Zug, also je einschneidender das historische Er-eignis, desto weitreichender die Folgen. Natürlich kann ich aus

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einem Zeitstrahl ein Stück herausschneiden und ihm einen Namengeben. Aber ist das – außerhalb von Gliederungsschemen für Muse-en und Kapitelunterteilungen von Lehr- und Sachbüchern – wirk-lich sinnvoll?

Also noch einmal: Ab wann nannten sich die Kelten ›Kelten‹?Oder besser: Ab wann waren sie wirklich Kelten? Und: Was hat sie

dazu gemacht? Also letzten Endes: Wie weit müssen wir wirklichzurückgehen, um den Ursprung der Kelten zu �nden? 3000 Jahre?5000? Oder noch weiter?

Beginnt ihre Geschichte schon, als um 4500 v. Chr. Kenntnisseüber die Methoden der Landwirtschaft entlang der Donau nachEuropa gelangen und die Lebensweise der Jäger und Sammler ver-drängen? Die Donau verbindet wie eine »prähistorische Fernver-kehrsstraße« über eine Strecke von 2850 Kilometern hinweg dieukrainische Schwarzmeerküste mit Süddeutschland, Österreich undder Schweiz. Ihr Name (zum Beispiel in der Form Danu) tauchtdementsprechend als weiblicher Gottheitenname in vielen Agrar-kulten des nordalpinen Europa auf.

Liegt der Ursprung der Kelten vielleicht bei den Erbauern vonStonehenge in Südengland oder an der Megalithenstraße von Car-nac am Golf von Biscaya in Frankreich oder auch in den Grabanla-gen von Newgrange in Irland in der Zeit zwischen 3500 und2500 v. Chr.? Bei diesen jungsteinzeitlichen Bauern, die nicht nurAckerbau und Viehzucht beherrschten, sondern auch über umfang-reiche Kenntnisse der Astronomie verfügten?

Kann man vielleicht von Kelten sprechen, als um 1700 v. Chr. dieStreitaxtkrieger aus dem Kaukasus nach einer mehrere Jahrhundertewährenden Reise in Europa anlangen und dort auf entwickelte land-wirtschaftliche Gemeinschaften treffen und mit ihnen verschmel-zen? Als Symbiose aus einer Nahrungsmittel produzierenden Basisund kriegerischem Überbau? Jene Krieger, deren hervorstechendesMerkmal die steinerne oder kupferne Streitaxt ist? Denselben, de-nen es gelingt, über ein riesiges Gebiet ein einheitliches Wirtschafts-und Wertesystem zu erschaffen, auf dessen Grundlage wiederum ein

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einheitliches Sprachsystem entsteht? Eine Art »Ursprache«, von dersich alle großen Kultursprachen ableiten: das Altindische (Sanskrit),das Persische, das Griechische, das Italische, das Slawische, das Ger-manische und nicht zuletzt auch das Keltische?

Oder verdankt das nordalpine Europa seine eigene (keltische?)Identität sogar gänzlich externen Ein�üssen? Wie dem Zusammen-brechen der großen Bronzezeitkultur Mykenes Mitte des 12. vor-christlichen Jahrhunderts? Als die Gemeinschaften des Nordensaufhören, reine Rohstof�ieferanten für den Mittelmeerraum zusein und stattdessen gezwungen sind – in Ermangelung der Impulsevon außen – mehr Energie auf die Entwicklung eigener Techniken,Methoden, Muster, Ornamente und Formen zu verwenden?

Ist es am Ende der Beginn der ersten großen Völkerwanderung inder ungarischen Tiefebene, die nur wenig später neue landwirt-schaftliche »Spezialisten« in die Region um die obere Donau herumbringt, in die Gegend um die Schweizer Seen und in die Täler desoberen und mittleren Rheins? Die sich dort auf der Grundlage einerneuen, leistungsstarken Landwirtschaft niederlassen und die Ent-wicklung neuer komplexer Gesellschaftsstrukturen ermöglichenund Europa damit ein neues Gesicht geben?

Die Wahrheit ist: Keines dieser Ereignisse kann natürlich fürsich allein in Anspruch nehmen, den Beginn eines »keltischen Zeit-alters« zu markieren. Erst in der Summe führen sie dazu, dassim nordalpinen Europa bis zum Ende des 12. vorchristlichen Jahr-hunderts weitverbreitete Gemeinschaften entstehen, die so vieleGemeinsamkeiten aufweisen, dass sie als miteinander verwandt undals Kerngebiet des keltischen Siedlungsraumes gelten können. Esist wie ein Puzzle, das über etliche Jahrhunderte aus vielen kleinenund großen Teilen zusammengesetzt wird. Ende des 12. Jahrhun-derts v. Chr. liegen schließlich die wichtigsten großen Teile alseine Art Grobmatrix vor: eine effektive Landwirtschaft, die Über-schüsse erwirtschaftet und Spezialisten wie Handwerker, Pries-ter und nicht zuletzt auch Krieger ernähren kann, einheitlicheHandelskonventionen und eine durch das zeitweilige Wegbrechen

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der Mittelmeerein�üsse entstandene gemeinsame geistige Identi-tät, die nicht zuletzt auch Ausdruck in einer gemeinsamen Sprache�ndet.

Der grobe Rahmen ist gesteckt. Jetzt gilt es kleine »Puzzleteile« zusuchen, die noch vorhandenen Lücken zu füllen und zu prüfen, obdem Gebilde aus immer noch lose verbundenen Gemeinschaften einunverwechselbarer Charakter verliehen werden kann. Das eine oderandere dieser »Puzzleteile« werden wir jedoch wahrscheinlich nieentdecken.

Noch ein Wort, bevor wir in die geheimnisvolle Welt der Kelteneintauchen. Kein einzelnes Buch kann es leisten, dieses Thema mitall seinen Facetten ausreichend zu beleuchten. Ich konnte hier nurSchwerpunkte setzen, dieses zwangsläu�g zulasten der Tiefe an an-deren Stellen. Hier kann ich nur auf die umfangreichen Literatur-empfehlungen und Quellenangaben im Anhang verweisen. Fürdiejenigen, die noch tiefer eintauchen möchten, habe ich in einem

Der Zeitenfluss in der Geschichte. Verschiedene Sachverhalte erfordern verschiedene Zeit-rechnungen bzw. Epocheneinteilungen. Diese Darstellung soll die im Buch verwendeten Begriffein einen zeitlichen Zusammenhang bringen. Oben: Die Epochenbegriffe entsprechend der haupt-sächlich für Werkzeuge und Waffen verwendeten Materialien. Mitte: Die Kulturepochen im Zusam-menhang mit den Kelten, vor allem basierend auf Kunststilen. Unten: Die Zivilisationsstufen in derBetrachtung des gesamtgesellschaftlichen Bildes.

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weiteren Anhang eine Übersicht über Museen, Ausstellungen undarchäologische Stätten beigefügt, die in jedem Fall einen Besuchwert sind.

Der Anfang

Das Bild fügt sich zusammen

Um 1200 v. Chr. bricht mit der mykenischen Palastkultur eines dermächtigsten Zentren der Bronzeverarbeitung im Mittelmeerraum,zusammen. Über die Gründe wurde viel spekuliert; im Endeffektliegt die Wahrheit wohl in der Summe verschiedener Faktoren, an-gefangen bei Wirtschaftskrisen wegen des Wegbrechens bedeuten-der Handelspartner in einer sich ständig verändernden Welt, überinterne Zwiste bei den mykenischen Dynastien bis hin zu Natur-katastrophen wie Erdbeben. Im Ergebnis kommt Mykenes Seehan-delsnetz im Mittelmeer annähernd zum Erliegen, als die Straße vonGibraltar in den Machtbereich der Karthager fällt. Das ändert je-doch nichts am Rohstoffbedarf im Mittelmeerraum. Als Alternativezu den unterbrochenen Seehandelswegen entstehen neue Handels-straßen, und zwar über Land. Schon bald gibt es eine »Zinnstraße«vom Mittelmeer zur Atlantikküste und von dort aus weiter nachCornwall und eine »Bernsteinstraße« von der Adria bis zur Ostsee.

Das Entstehen dieser Handelswege hat drastische Folgen. DasHinterland der ehemals lebendigen Hafenstädte gewinnt auch ab-seits der Rohstof�agerstätten an Bedeutung. Die gesellschaftlichenStrukturen festigen sich und werden komplexer, jetzt, da man nichtmehr nur auf die Rolle des reinen Rohstof�ieferanten reduziert ist.Die neuen Handelsreisenden aus dem Süden müssen feststellen,dass die Bevölkerung entlang der Handelswege nicht mehr aus ein-fachen bäuerlichen Gemeinschaften ohne Ansprüche besteht. Die

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fortgeschrittenen landwirtschaftlichen Methoden ernähren inzwi-schen auch Künstler, Priester sowie professionelle Krieger und er-lauben damit also eine Spezialisierung in andere Berufe als derselbstversorgenden Landwirtschaft. Dazu kommt, dass die Territori-en nördlich der Alpen nicht wirklich das sind, was man als uneinge-schränkt sicher für Händler bezeichnen möchte. Im Nordwesten,dem Gebiet der heutigen Benelux-Staaten, geht die Ausbreitung derneu entstehenden Kultur (die man aufgrund ihres Begräbnisrituals»Urnenfeldkultur« nennt) weiter. Das geschieht nicht immer fried-lich und hält das Land in Bewegung. Und im Norden und Nordostenhausen unberechenbare wilde Völker, die später einmal Germanengenannt werden. Ob den Händlern nun wirklich eine akute Gefahrdroht, ist aus heutiger Sicht kaum abzuschätzen. Zumindest jedochmuss sich ein Reisender aus dem Süden auf eine Vielzahl nur schwerkalkulierbarer Risiken einstellen.

Nun ist ein funktionierender Fernhandel über mehrere TausendKilometer aber auf geregelte Verhältnisse angewiesen. Man stellesich Folgendes vor:

Ab 1100 v. Chr. gibt es bei den Urnenfeldgemeinschaften, die dieRegionen entlang der alten und neuen Handelsrouten bevölkern,bereits Ansätze eines strukturierten Gemeinwesens: Bauern, die dieLebensgrundlage erwirtschaften, Händler, die Dinge beschaffen,die der Stamm nicht selbst herstellt, und Krieger, die dafür sor-gen, dass all dies ungestört geschehen kann. Wahrscheinlich hatman frühzeitig erkannt, dass es ein recht einträgliches Geschäft ist,Händlern aus dem Süden den freien Durchzug durch das Stammes-territorium nicht einfach nur zu gestatten, sondern ihnen im Ge-genteil sogar Schutz anzutragen. Das ganze natürlich gegen ein ge-wisses Entgelt in Form von Gütern, die es im nordalpinen Europanicht gibt, wie Wein und Keramik. Vielleicht kann man ja – gegenProvision natürlich – sogar als Vermittler für Geschäfte mit Regio-nen auftreten (dem wilden Norden zum Beispiel), in die sich dieHändler aus dem Süden ohnehin nur sehr ungern höchstselbst be-geben möchten?

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Dieses Geschäftsmodell erweist sich für die Stämme entlang dernordalpinen Handelsrouten als extrem lukrativ. In der Zeit zwischen1100 und 800 v. Chr. entwickelt sich aus den Anfängen der spätbron-zezeitlichen Urnenfeldkultur eine interessante gesellschaftlicheStruktur: An der Spitze der lokalen Gemeinschaften stehen einzelnereiche Handelsherren, die die Handelswege kontrollieren, dieses mitHilfe professioneller Kriegergruppen, deren Anführer sie am Luxusteilhaben lassen. Es entsteht ein Ge�echt von Abhängigkeiten undneuen Verhaltens- sowie Verteilungsregeln. Völlig neue Gegenstän-de und Sachverhalte tauchen im täglichen Leben auf. Das hat zurFolge, dass sich die Sprache der Menschen in diesem neuen Wirt-schaftsraum, die man bereits gegen Ende des 13. vorchristlichenJahrhunderts als rudimentäre keltische »Ursprache« betrachtenkann, noch deutlicher von der anderer Regionen abzugrenzen be-ginnt. Zwischen dem 11. und 8. Jahrhundert v. Chr. wird diese lokaleWeiterentwicklung der indogermanischen Ursprache zu etwas, wasman in der modernen Linguistik als Handels- oder Verkehrssprache,als Lingua franca bezeichnet. Diese Handelssprache durchdringt all-mählich alle Bereiche des Lebens und wird schließlich zur Alltags-,zur Umgangssprache.

Der Wohlstand, den die Handelsherren anhäufen, vielmehr jedochder Teil davon, den sie verteilen, hebt ihren Status. Ab dem 9. vor-christlichen Jahrhundert entstehen neue Siedlungen, und in diesenerstmals Häuser, die von hoch angesehenen, wohlhabenden Führernbewohnt werden. Auffällig ist ebenfalls, dass genau diese Siedlun-gen nicht nur mit Gräben, Palisaden, Holz- und Steinmauern befes-tigt, sondern meist auch auf Hügeln gelegen sind. Die stadtbasierteHandelskultur der Frühkelten entsteht.

Die neue Gesellschaft wächst, gar nicht einmal so sehr territorialund zahlenmäßig, sondern vor allem in ihrer Geisteswelt und ihrenWertvorstellungen. Der Zu�uss von Luxusgütern aus dem Südenund Südosten stabilisiert sich. Nach der Sperrung der Straße vonGibraltar durch die Karthager brauchen die Griechen die Landwegemehr denn je. Und nicht nur die Griechen. Das 8. vorchristliche

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Jahrhundert ist die Zeit des Erstarkens der Etrusker, die zu dankba-ren Rohstoffabnehmern werden. Gleichzeitig entstehen bei denFrühkelten eigene spezialisierte Produktionszentren, die sich jeweilsauf die Herstellung von Waffen, Dekorationen, Schmuck, Haus-haltsgegenständen sowie Blattbronze zur Weiterverarbeitung oderfür den Verkauf konzentrieren. Nach außen hin vermittelt diese Ge-meinschaft durch ihre einheitlichen Handelskonventionen, undnicht zuletzt die einheitliche Sprache, den Eindruck einer geschlos-senen Gesellschaft.

In diesem Gemeinwesen nennen sich die Handelsherren selbst»die Hohen, die Erhabenen«, ein Wort, das in der gemeinsamenSprache dieser Gemeinschaften lautmalerisch kelti heißt. Es soll sieabgrenzen, vor allem von denen, deren Dienste sie in Anspruch neh-men, um ihre Position zu sichern und ihren Wohlstand zu mehren:den Kriegern.

In ihrer Sprache: galli.

Kelten oder Gallier?Oder was? – eine Theorie

Das Wort »Kelten« stammt höchstwahrscheinlich direkt aus demIndogermanischen, und zwar von dem Wort quel = »erhöht« (imAltkeltischen celtos = der Hohe, Mehrzahl celti). Im Lateinischen,ebenfalls eine Sprache der indogermanischen Familie, existiert zwardas Wort celtae. Es ist jedoch erst später, vermutlich über das Alt-griechische, die Sprache der damaligen Reisebeschreibungen, in denlateinischen Wortschatz gelangt und hat keine eigene sachliche Be-deutung, sondern bezeichnet die Kelten als Völkerschaft. Danebengibt es im Lateinischen das phonetisch ähnliche celsus bzw. celsi,was ebenfalls »erhöht« bedeutet. Dieser herleitbare gemeinsameUrsprung im Indogermanischen legt die Vermutung nahe, dass kel-toi in der Tat nicht der Name einer Völkerschaft, sondern die einge-bürgerte Bezeichnung für die Oberschicht gewesen ist.

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Etwas anders liegt die Sache mit den galli. Weder im Altgriechi-schen noch im Lateinischen taucht ein anderes, ähnlich klingendesWort auf, außer dem Eigennamen, mit dem eben diese Völkerschaftbezeichnet wird (also galli bei den Römern und galatae bei denGriechen). Die Wurzel »gal-« scheint also eine rein »keltische«Wortschöpfung aus der Zeit nach dem Auseinanderfallen der »Ur-sprache« in die einzelnen Sprachfamilien zu sein. In den modernenkeltischen Sprachen �nden wir gal sowohl im Walisischen mit derBedeutung »grimmig«, »wild«, als auch im irischen Gälisch, wo esdirekt »kriegerisch« bedeutet.

Und warum nannten die Römer sie nun galli und die Griechenkeltoi?

Die in diesem Kapitel beschriebene Entwicklung mag eine Erklä-rung bieten. Die Ansprechpartner der Griechen in der Phase derKontaktaufnahme waren die keltoi, die Herren der Handelsrouten.Der Erstkontakt mit den Römern dagegen kam erst wesentlich spä-ter zustande. Hier waren es im 4. vorchristlichen Jahrhundert auchkeine Händler, die über die Alpen gestürmt kamen, um Geschäfte zumachen, sondern die Kriegerhorden – galli – unter ihrem FürstenBrenn, latinisiert Brennus, derselbe, der dem bekannten Alpenpassseinen Namen gegeben hat.

Auch die Griechen gingen im 3. Jahrhundert v. Chr. dazu über,verstärkt den martialischen Terminus galatae zu verwenden. Ange-sichts der keltischen Kriegerhorden, die plündernd und brandschat-zend über Makedonien, Thrakien und Griechenland her�elen undspäter diese – den nachbarschaftlichen Gemeinschaftssinn nicht ge-rade fördernde – Lebensweise unter anderem als Söldnerheere imDienste regionaler einheimischer Fürsten in Kleinasien fortsetzten,ist dieser Wandel nicht wirklich verwunderlich.

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Krieg der Welten anno 750 v. Chr.

Die wohlhabende frühkeltische Handelsgesellschaft wächst und ge-deiht über mehrere Jahrhunderte hinweg. Doch gegen Ende des8. Jahrhunderts v. Chr. geschehen seltsame Dinge. Es sind Ereignis-se, die unauslöschbare Spuren hinterlassen, ohne dabei jedoch wirk-lich drastische Veränderungen zu bewirken. Über das, was da im8. vorchristlichen Jahrhundert geschah, kann heute nur spekuliertwerden. Fakt ist, dass es (was immer ›es‹ letzten Endes war) denMenschen solche Angst einjagte, dass viele ihre Siedlungen verlie-ßen und sich in entlegenere Gebiete zurückzogen. Bedingt mag hier-für ein Klimasturz verantwortlich sein, der mit viel Regen einher-ging. Gehöfte wurden oft an Gewässern errichtet, durch den Regenstiegen die Pegel und die Ufer wurden überschwemmt. Verstärktwird jetzt auch um den Beistand der Götter gebeten. Die Tier-opfer nehmen zu, doch nehmen die Götter sie anscheinend nichtwahr. Angesichts der Gefahr, die den Gemeinschaften droht, müssendie Opfer offenbar größer und wertvoller werden. Daher bieten dieMenschen in ihrer Not das Wertvollste an, das sie besitzen: sichselbst. In Böhmen stießen Archäologen 1950 auf eine Höhle mitTierknochen und den Überresten von 40 meist jungen enthauptetenMenschen. Dass es sich um den Schauplatz eines Rituals und nichtetwa das Entsorgen der Leichen von Ausgestoßenen handelt, beweistein weiblicher Schädel, der zu einem Trinkgefäß umgearbeitet wor-den war.

Doch stellen das vereinzelte Verlassen angestammter Wohnsitzeund das nachweisliche Ansteigen der Opferhandlungen nicht dieeinzigen Entwicklungen im 8. Jahrhundert v. Chr. dar. Mehr oderweniger unvermittelt halten einige neue Sitten bei den FrühkeltenEinzug.

Eine der auffälligsten Veränderungen tritt bei der Fortbewegungein: Die wohlhabenden Anführer der Kriegergruppen beginnen aufPferden zu reiten, und zwar nicht nur von A nach B, sondern auchund vor allem im Kampf. In Gräbern aus dieser Periode �ndet man

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später vereinzelt neuartige Gebisstrensen, die ihren Ursprung de�-nitiv außerhalb des keltischen Siedlungsgebietes haben.

Etwas später taucht eine lang vergessene Tradition im Zusammen-hang mit Begräbnisritualen wieder auf: der Grabhügel, der mehr als500 Jahre vorher der Urnenbestattung gewichen war. Allerdings gibtes eine kleine Veränderung. Wer etwas auf sich hält (und es sich leis-ten kann), der tritt seine Reise in die Andere Welt auf einem Wagenaufgebahrt an, dies in den Variationen »Wagen vollständig zusam-mengebaut«, »Wagen zerlegt« und »Wagen nur angedeutet«.

Es gibt keinen Zweifel. Hier waren fremde Ein�üsse am Werk,denn speziell die Veränderungen im Begräbnisritual geschehennicht von ungefähr, sondern stehen im Zusammenhang mit neuemreligiösen Gedankengut.

Besonders das drastische Ansteigen der Opfertätigkeit in Verbin-dung mit dem Befestigen oder Verlassen von Siedlungen spricht füreine massive Bedrohung, der die Menschen sich ausgesetzt sehen.Doch wie ist in diesem Zusammenhang die Tatsache zu werten, dassman bis heute keinerlei Spuren ausgedehnter kriegerischer Ausein-andersetzungen gefunden hat?

Ist es möglich, dass große Bevölkerungsgruppen aufgrund irgend-welcher böser Vorzeichen oder von Gerüchten in kollektive Panikverfallen?

1898 schrieb H.G. Wells den Roman Krieg der Welten, der ersteRoman, der den Angriff außerirdischer, technologisch weit überle-gener Wesen auf die Erde zum Thema hat.Vierzig Jahre später nahmOrson Welles diesen Roman zur Vorlage für ein Hörspiel, welchesin den USA am Halloweenabend landesweit ausgestrahlt wurde. DieReaktionen: Menschen �ohen in Panik schreiend, weinend und be-tend aus den Städten, in der festen Überzeugung, dass das Ende dermenschlichen Zivilisation unmittelbar bevorstünde. Dieses, wie ge-sagt, nicht im Mittelalter, sondern 1938; nicht bei einem Naturvolkin Südamerika, sondern in den USA. Und vor allem: nicht als Gagfür eine Sendung mit versteckter Kamera, sondern explizit als Hör-spiel angekündigt.

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Nun stellen wir uns eine relativ friedliche Gesellschaft vor, inderen Gebiet eines Tages kleine Gruppen exotisch aussehenderReiter auftauchten. Diese berichten gar beunruhigende Dinge:Sie sind Angehörige der Kimmerer, einem mächtigen Kriegervolk,das lange Zeit in den Steppen nördlich und östlich des Schwar-zen Meers gelebt hatte, die riesiger waren als alles, was die Kel-ten sich selbst je vorstellen konnten. Von dort seien sie von einemnoch mächtigeren Volk, den Skythen, geschlagen und vertrie-ben worden. Die Skythen, ein Volk, das für seine Grausamkeit be-kannt ist, würden sich aber nicht mit dem neu erstrittenen Territo-rium begnügen, sondern wären nun ebenfalls auf dem Weg nachWesten.

Der Reiseschriftsteller Herodot gibt uns ein farbenfrohes Bild derSkythen – und spart dabei auch nicht mit unappetitlichen Einzelhei-ten:

»Was den Krieg angeht, so sind ihre Sitten die Folgenden. Derskythische Krieger trinkt das Blut des ersten Mannes, den er imKampf besiegt. Wie viele er auch erschlägt, er schneidet allen denKopf ab und trägt sie zu seinem König, was ihm seinen Teil an derKriegsbeute verdient, während er alle Ansprüche verlieren würde,käme er ohne Kopf … Die Schädel ihrer Feinde, bei Weitem nichtalle, sondern nur die, die sie am meisten verabscheuen, behandelnsie folgendermaßen: Nachdem sie den Teil unterhalb der Augen-brauen abgesägt und das Innere gereinigt haben, überziehen sie dieAußenseite mit Leder. Wenn ein Mann arm ist, bleibt es dabei, dochwenn er reich ist, dann kleidet er das Innere mit Gold aus: In beidenFällen wird der Schädel als Trinkgefäß verwendet. Sie tun das auchmit ihrer eigenen Verwandtschaft, wenn sie mit dieser eine Fehdeausgetragen und sie in Gegenwart des Königs besiegt haben. WennFremde kommen, denen sie Hochachtung entgegenbringen, dannwerden diese Schädel herumgereicht, und der Gastgeber erzählt,dass das seine Verwandten wären, die gegen ihm im Krieg gelegenhätten, und wie er sie besiegt habe. Das alles wird als Beweis derTapferkeit angesehen.«

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Nun sind die, die die Kunde von den herannahenden Skythen ver-breiten und damit den »Krieg der Welten anno 750 v. Chr.« kreie-ren, nicht irgendwelche Händler, die sich interessant machen wol-len. Es sind, wie gesagt, Angehörige eben jener Kimmerer, die vonden Skythen vertrieben worden sind.

Der andere Grund, der für die tief greifenden Veränderungen beiden Stämmen im nordalpinen Europa genannt wird, ist der bereitserwähnte Klimasturz. Es regnet mehr, wird düsterer, kälter. DieMenschen in der späten Bronzezeit leben in einer tiefreligiösen Ge-sellschaft, unterhalten Priester, um mit den Göttern kommunizie-ren zu können. Für sie sind die Zeichen klar: Die Natur hat sich ge-gen sie verschworen und aus dem Osten nahen wilde, mordendeund brandschatzende Horden. Das Ende ihrer Gesellschaft muss un-mittelbar bevorstehen.

Ob und in welcher Zahlenstärke die Kimmerer wirklich nach Mit-teleuropa gekommen sind, und welchen Ein�uss sie tatsächlich aus-geübt haben, darüber streiten die Experten noch immer. Fakt ist: Siewaren ausgezeichnete Reiter, sie beerdigten ihre Obersten in Grab-hügeln, und auch die Aufbahrung auf Leichenwagen ist für die Völ-ker der Schwarzmeersteppen belegt.

Eher unwahrscheinlich ist, dass sich riesige Heeresverbände derKimmerer in das Gebiet der spätbronzezeitlichen Frühkelten ergos-sen haben. Dazu wurden zum einen zu wenige Gebisstrensen kim-merischer Bauart gefunden, zum anderen wäre diese Einwanderungnicht ohne massive kriegerische Auseinandersetzung verlaufen.Diese hätten den Fernhandel mit dem Mittelmeerraum emp�ndlichgestört, was jedoch nicht der Fall ist.

Ein Szenario mit einem höheren Wahrscheinlichkeitsgrad ist die-ses: Kleine Trupps von kimmerischen Reiterkriegern erreichen aufihrer Flucht vor den Skythen Mitteleuropa und �nden Zu�ucht undspäter auch ihre letzte Ruhestätte bei den aufstrebenden Handels-herren, die – wie auch ihre Krieger – durchaus Gefallen an dem ei-nen oder anderen Aspekt der kimmerischen Lebens- und Kampfes-weise �nden.

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Es ist durchaus möglich, dass diese kimmerischen Krieger – nach-dem sie den Frühkelten von der skythischen Bedrohung erzählt ha-ben – von diesen nicht nur Asyl erhalten, sondern auch in die Diens-te der Handelsherren eintreten, sozusagen als »militärische Berater«.Das würde auch die plötzliche Wiedereinführung des Grabhügelsals Beerdigungsmethode für höhergestellte Krieger und wohlha-bende Handelsherren und vor allem des Pferdes nicht nur als Last-tier, sondern vor allem als wirkungsvolle Angriffswaffe erklären.Dabei sind die Kimmerer noch nicht einmal Angehörige der Aristo-kratie ihres eigenen Volkes, da keines der Gräber, in denen man spä-ter die bewussten Gebisstrensen �ndet, die typischen Merkmale derletzten Ruhestätten von wohlhabenden oder hochgestellten kimme-rischen Persönlichkeiten aufweist.

Noch einmal zurück zum »Krieg der Welten«. Die Skythen habensich im 8. Jahrhundert v. Chr. tatsächlich in einer Westwärtsbewe-gung befunden und wurden 200 Jahre später sogar direkte Nachbarnder Kelten. Einen Versuch, diese ernsthaft anzugreifen, hat es jedochnicht gegeben. Die Skythen selbst wurden später von den ebenfallsnach Westen drängenden Sarmatianern zerschlagen, einem rätsel-haften Volk, das behauptete, von den Amazonen abzustammen.

Doch selbst, wenn die Bemühungen der kimmerischen Flüchtlingeihren eigentlichen Zweck – die frühkeltischen mitteleuropäischenGemeinschaften vor dem bevorstehenden Angriff der Skythen zuwarnen – nicht erfüllen, haben sie unbewusst ein weiteres Elementzu dem beigetragen, was wir die keltische Identität nennen.

Er spürt, wie der Weg unter seinen Füßen wieder ansteigt undbleibt stehen, legt den Kopf in den Nacken und atmet tief durch. Fei-ner Nieselregen fällt aus dem verhangenen Himmel auf sein Gesicht.Zu lange darf er sich nicht ausruhen, wenn er vor Einbruch der Dun-kelheit wieder zu Hause sein will. Auch, wenn er den Berg kennt –immerhin ist er seit 15 Jahren Betriebsleiter des Bergwerks –, somerkt er doch gerade bei dieser Witterung immer öfter, dass er keine20, sondern inzwischen ansehnliche 51 Jahre zählt.

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Er blinzelt in das diffuse Licht, das die Septembersonne des Jahres1846 durch die Nebelschleier wirft, und setzt sich wieder in Bewe-gung. Nach eineinhalb Stunden hat er sein Ziel erreicht. Prüfendlässt er seinen Blick über das vor ihm liegende Kiesfeld schweifen.Das sieht schon einmal vielversprechend aus, aber Genaueres kannnatürlich nur eine nähere Untersuchung hinsichtlich der Ausdeh-nung und vor allem der Tiefe der Kiesschicht ergeben. Erst dannwird er entscheiden können, ob sich ein groß angelegter Abbau desvon der Bauwirtschaft der Umgebung benötigten Materials lohnt.

Jetzt steht er am anderen Ende des Kiesfeldes, oder dem, was aufden ersten Blick wie das Ende aussieht. Beim näheren Hinschauenjedoch drängt sich ihm der Eindruck auf, dass der Kies hier nicht en-det, sondern eher von dem vom Hang abgerutschten Erdreich be-deckt ist. Nun, das herauszu�nden ist nicht sonderlich schwer. Erwird morgen mit Isidor, seinem Gehilfen, hier heraufsteigen undeinige Meter hangaufwärts eine Probegrabung vornehmen. Odersollte er vielleicht heute schon selbst einmal …?

Natürlich ist er neugierig. Man muss ja nicht so weit in den Hangsteigen; einfach nur schauen, ob der Kies unter dem Erdreich wei-tergeht. Dazu setzt er den Rucksack ab, öffnet ihn und holt zunächstseine Metall�asche mit dem kalten, ungesüßten Tee heraus. Wäh-rend er trinkt, suchen seine Augen nach einem geeigneten Platzzum Graben. Dort hinten, ja, das sieht gut aus. Er verstaut die Fla-sche wieder im Rucksack und löst den Riemen, mit dem er seinenkleinen Spaten außen aufgebunden hat. Seine dicke Bergjacke brei-tet er über den Rucksack aus. Die kühle, feuchte Septemberluft jagtihm einen Kälteschauer über den jetzt schon schweißnassen Rü-cken. Dagegen hilft nur Bewegung. Energisch stößt er den Spaten inden Boden.

Das Graben bereitet Mühe. Das Erdreich ist nass und schwer undbackt in Klumpen zusammen. Wieder und wieder muss er in dieKnie gehen, um den Spaten wieder herauszubekommen. Er �ucht,als das Spatenblatt sich erneut verfängt. Mit einem heftigen Schnau-fer hebt er ihn an – und �ucht erneut herzhaft, als der unförmige

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Erdklumpen von dem viel zu kleinen Blatt wieder in das Loch zu-rückplumpst. Wütend wirft er den Spaten zu Boden und kniet nie-der, um den Klumpen mit den Händen herauszuheben. Er ist er-staunlich leicht. Aber was ist das? »Heilige Maria und Josef!«,entfährt es ihm. Ungläubig starrt er den Schädel an, den er in seinenHänden hält. Sein erster Gedanke: Ein Fall für die Gendarmerie.Doch dann siegt die Neugier. Er beugt sich in das Loch hinab undbeginnt, mit den Händen vorsichtig das Erdreich zur Seite zu schie-ben. Fast gleichzeitig sieht er den Oberarmknochen und einen ande-ren festen Gegenstand, der offensichtlich nicht zum Skelett gehört.Es ist ein verkrusteter, fast gleichmäßig runder Ring mit einemDurchmesser von etwas mehr als einer Handlänge.

Johann Georg Ramsauer richtet sich auf. Was immer er hier gefun-den hat, es ist genauso wenig ein Fall für die Gendarmerie wie dieMumie des Bergmannes, die man 1734, also vor mehr als einhundertJahren, oben im Salz gefunden hat. Deshalb kann er auch nicht ein-fach so weiterbuddeln. Hier muss man mit System herangehen. Ersteht auf und geht zurück zu seinem Rucksack. Diesmal greift ernicht zum Tee, sondern holt die kleine �ache Metall�asche mit demObstler aus der Seitentasche. Und während die Wärme nach unten inden Magen wandert, ruht sein gedankenverlorener Blick auf dernebligen Ober�äche des unter ihm liegenden Sees …

Im Jahr 1846 �ndet der damals 51-jährige Bergmeister Johann Ge-org Ramsauer ungefähr 450 Meter oberhalb des steilen Westufersdes Hallstätter Sees auf der Suche nach einem abbauwürdigen Kies-lager zwei Skelette, ein bronzenes Schmuckband und eine Urne. Be-reits im nächsten Jahr beginnt er – mit kaiserlicher Hilfe und derunermüdlichen Unterstützung von Isidor Franz Engl – das auszu-graben, was sich als eine gigantische Nekropole aus der Zeit zwi-schen 800 und 450 v. Chr. entpuppt. Zwischen 1847 und 1863 �ndetRamsauer 980 Gräber mit ungefähr 20 000 Artefakten, die er minu-tiös protokolliert und gra�sch festhält. Der Fund dieses Gräberfel-des, das, wie inzwischen bekannt ist, insgesamt zirka 2000 bis 2500

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Grabstätten umfasst, wird von der Fachwelt als so bedeutend ange-sehen, dass der schwedische Forscher Hans Hildebrand im Jahr 1874,dem Todesjahr Ramsauers, erstmals den Namen des Fundortes zumGattungsbegriff zur Beschreibung dessen erhebt, was damals nochals Abbild einer in sich geschlossenen Kultur gilt: Hallstatt.

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Die Herrender Burgen und

der Handelswege

Die »Hallstattkelten«

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Der Reichtum des Berges

Ein Ort wird zumGattungsbegriff

Er zuckt zurück, als nach seinem heftigen Schlag das lockereGestein auf ihn herunterbricht. Beim Zurückfahren stößt er gegeneine der Holzstangen, die die Decke des Stollens abstützen sollen.Das knirschende Geräusch ist alles andere als vertrauenerweckend.Er wäre auch nicht der Erste, den der Berg erschlagen, zerquetschenoder ersticken würde.

Connog wartet einen Augenblick, doch da ist nichts außer demmetallischen Hämmern der anderen Arbeiter, die mit ihren bronze-nen Pickeln den Berg bearbeiten. Er atmet tief die stickige, staubigeLuft ein. Seine Augen brennen, und er spürt, wie die Salzkristalleunter seinen Achselhöhlen und in den Kniekehlen die Haut wundreiben. Das ist etwas, woran er sich nie gewöhnen wird. Doch dieZahl der hungrigen Mäuler zu Hause steigt, ganz im Gegensatzzum Ertrag der Felder unten im Flachland. Und so hat er keine an-dere Wahl, als jedes Jahr aufs Neue hierherzukommen. Hierher insSalz. Nur so kann er seine Familie daheim entlasten und auch nochetwas mit nach Hause bringen, was man gegen zusätzliches Getrei-de oder Werkzeuge eintauschen kann. Aber die Zeit hier ist auchschon wieder fast vorüber. Bald wird es zu kalt und zu eisig sein, umnoch in den Berg gehen zu können.

Stöhnend lässt er sich auf die Knie nieder, spürt, wie kleine scharf-kantige Brocken schmerzhaft durch seine Hose dringen. Wenigstenseinmal den Rücken durchdrücken! Er ist jetzt 30 Jahre alt, langewird er diese Arbeit in halb gebückter Stellung nicht mehr machenkönnen.

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Und was dann?Connog legt den Pickel zur Seite, zieht den ledernen Eimer näher

zu sich heran und hebt mit rissigen Händen den größten der Stein-salzbrocken hinein. Diese Butte noch, und vielleicht noch die nächs-te, dann muss er erst einmal etwas essen. Oder vielleicht doch schonjetzt ein paar Happen …? Die Sonne draußen ist bestimmt schonüber ihren höchsten Punkt hinweg. Verstohlen schielt er in Rich-tung seines kleinen Holzeimers, den er gleich neben seiner Fackelaus gerollter, in Harz getauchter Baumrinde in einer Felsnische ab-gestellt hat. Der Brei aus Buchweizen und Bohnen wird wie immeretwas salzig schmecken, von dem Staub, der selbst durch die kleins-ten Ritzen dringt, aber wenigstens macht er satt bis zum Abend.Vielleicht gibt es ja dann wieder ein Stück Fleisch wie vor ein paarTagen. Da hat der Herr, für den er und die fünf anderen das Salzschlagen, ihnen ein kleines Schaf gebracht …

Gewaltsam reißt er sich aus seinen Gedanken, nimmt noch einenSchluck Wasser aus dem Lederschlauch und beginnt, den schwerenLedereimer Richtung Stollenausgang zu zerren. Als er das erste Ta-geslicht sieht, zieht er in Erwartung der kalten Luft seine Kutte en-ger um sich, wischt sich den Schweiß von der Stirn und drückt sichseine Zipfelmütze über die Ohren. Am Stollenausgang muss er imersten Moment seine Augen gegen das helle Licht des eigentlichtrüben Tages schließen. Dann beginnt er den Abstieg zu der Stelle,an der das gebrochene Salz gesammelt wird. Über dem See unten imTal bilden sich schon die ersten Nebel. Oder sind es noch die Schwa-den vom Morgen? Aber wer von den Bergleuten hier im Salz hatschon Zeit, sich Gedanken um Nebel zu machen?

Connog ist einer von bis zu 500 Bergleuten, die jedes Jahr, solangees die Witterung zulässt, in den Berg steigen und das Steinsalz her-ausholen, dem die Region ihren Wohlstand verdankt. Salz ist überdie letzten Jahre hinweg ein begehrtes Handelsgut geworden. DieViehzucht hat im Vergleich zum Ackerbau an Bedeutung gewon-nen; Fleisch ist nicht nur Grundnahrungsmittel, sondern auch Han-

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delsgut. Und außer dem Räuchern ist Salz die einzige Möglichkeit,Fleisch zur Aufbewahrung und für den Transport auch über längereStrecken hinweg haltbar zu machen. Gepökelt wird bereits seit un-gefähr 1300 v. Chr., für den Eigenbedarf. Für den Handel mit Fleischsind jetzt jedoch ganz andere Salzmengen notwendig.

Diesen Schatz zu bergen ist in der ausgehenden Bronzezeit aller-dings kein leichtes Unterfangen. Nur selten liegt das Salz an derOber�äche, und so müssen Stollen in den Berg getrieben werden.Bis ca. 800 v. Chr. erfolgt der Abbau ausschließlich über vertikaleSchächte. Ab da entsteht ein elaboriertes Schachtsystem, um denneuen Fördermengen gerecht zu werden. Der erste Teil des Stollensist schräg angelegt, wegen der Be- und Entlüftung. Wo das Gefällezu steil ist, wird die Neigung mit Baumstämmen überbrückt, in dieStufen eingeschlagen sind. Nach etlichen Metern geht der schrägeStollen dann in einen waagerechten über. Mit Bronzepickeln arbei-ten sich die Männer in einem breiten Gang in den Berg vor, mit ei-ner Geschwindigkeit von gerade einmal einem Meter pro Monat.Man arbeitet meist zu zweit; einer hält den Bronzepickel in Posi-tion, während der zweite mit einem schweren Hammer darauf-schlägt. Das Salz wird dabei in großen Brocken mit einem Ge-wicht von bis zu 30 Kilo aus der Stollendecke geschlagen und inButten aus Tierhäuten an die Ober�äche gebracht. Wobei spekuliertwird, dass aufgrund der Enge der Gänge vor allem Frauen und Kin-der als Träger eingesetzt werden. Eine Weiterbearbeitung vor Ortgibt es nicht; die Steinsalzbrocken werden unbehandelt weiterver-kauft.

Doch die Mühe lohnt sich, denn Salz macht reich. Speziell die Re-gion um Hallstatt am gleichnamigen See in Oberösterreich blühtauf. Als einziger Salzanbieter im Umkreis von 300 Kilometern ent-wickelt sich Hallstatt nicht nur zu einem der Haupthandelszentrenfür Steinsalz, sondern auch zu einem Ort, an dem mit den Handels-straßen auch technisches Know-how sowie verschiedenste kulturel-le, soziale und religiöse Gedanken zusammentreffen. »Hall« ist üb-rigens nicht wie weithin angenommen (und vermarktet) das

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Ralph Hauptmann

Herrscher der EisenzeitDie Kelten - Auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur

ORIGINALAUSGABE

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 544 Seiten, 15,0 x 22,7 cmISBN: 978-3-453-12047-1

Heyne

Erscheinungstermin: September 2012

Die faszinierende Welt der Handelsherren, Krieger und Druiden Sie sind geheimnisumwittert wie kaum ein anderes europäisches Volk: die Kelten. Von ihrenantiken Nachbarn wurden sie erst als geschäftstüchtige Händler und Kunsthandwerkergeschätzt, später als Barbaren gefürchtet. Ihren Priestern und Druiden wurden Weisheit undmagische Fähigkeiten zugesprochen. Bildhaft und in Szenen von filmischer Unmittelbarkeiterzählt Ralph Hauptmann die Geschichte der Kelten – historisch genau recherchiert, packendund anschaulich wie selten zuvor. Vor mehr als 2000 Jahren waren keltische Stämme die bedeutendsten Bewohner desnordalpinen europäischen Kontinents. Von Irland bis in die Türkei haben sie ihre Spurenhinterlassen. Kostbare Fundstücke, kunstvoll verzierte Schwerter, Bronzestatuen undGoldschmuck aus Grabungsorten wie der Heuneburg, La Tène oder Hallstatt geben uns ein Bildvom Reichtum der keltischen Herrscher. Sie lebten in enger Verflechtung mit ihren Naturgöttern.Viele Mythen ranken sich um sie: Mystische Kultplätze mit magischen Steinformationen undkeltische Sagenwelten wie die von König Artus beflügeln bis heute unsere Fantasie. Dochwas davon ist wirklich keltisch? Und wie viel von dem, was uns noch heute täglich umgibt, istkeltischen Ursprungs, ohne dass wir es wissen? Ralph Hauptmann schildert fesselnd Aufstiegund Untergang der Kelten – Geschichte hautnah und spannend!