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Raumschiff der Meuterer

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Atlan - Der Held vonArkon

Nr. 218

Raumschiff der Meuterer

Mit der ZENTARRAIN nach Varlakor- ein Abenteuer an den Grenzen des

Großen Imperiums

von Clark Darlton

Im Großen Imperium der Arkoniden steht es nicht zum Besten, denn es muß sichsowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind dieMaahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums durch überraschendeSchläge schwere Verluste zufügen. Die inneren Feinde Arkons sind Habgier und Kor-ruption der Herrschenden, die – allen voran Imperator Orbanaschol III. – nur auf ih-ren eigenen Vorteil bedacht sind und das Gemeinwohl völlig außer acht lassen. Ge-gen diese inneren Feinde des Imperiums ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thron-erbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetig wachsende Schar von verschwore-nen Helfern um sich sammeln konnte, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen.

Auch jetzt, nach seiner abenteuerlichen, strapaziösen und gefahrvollen Rückkehraus dem Mikrokosmos, ist der Kristallprinz natürlich sofort bereit, den Kampf gegenOrbanaschol, den Usurpator und Brudermörder, persönlich weiterzuführen. Doch dieMöglichkeit dazu ist Atlan und seinen Gefährten noch nicht gegeben.

Sie, die dem Untergang von Yarden entronnen sind, fliegen an Bord der ZENTAR-RAIN, eines arkonidischen Schlachtschiffs, das sie aufgrund ihrer Notrufe auf derWelt des Donnergotts ausmachte, als Gefangene einem ungewissen Schicksal ent-gegen.

Atlan und seine Gefährten wissen es noch nicht: DIE ZENTARRAIN wird zumRAUMSCHIFF DER MEUTERER …

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Die Hautpersonen des Romans:Atlan - Der Kristallprinz wird erkannt.Fartuloon, Corpkor, Eiskralle, Ischtar, Crysalglra und Chapat - Atlans Gefährten.Wagor de Lerathim - Kommandant des Raumschiffs der Meuterer.Mentares und Arthamor - Zwei Meuterer der ZENTARRAIN.Oaftokan Jalvor - Kommandant eines Außenpostens.

1.

Selbst durch die Konturpolster der Bettenin der Krankenstation hindurch konnte ichdas leichte Vibrieren des Antriebs spüren.Ich blieb ganz ruhig liegen und hielt die Au-gen geschlossen, denn solange ich zu schla-fen schien, würden keine Fragen gestelltwerden.

Ich vernahm Atemgeräusche und wußte,daß Fartuloon, Corpkor und Eiskralle eben-falls im Zimmer waren und wahrscheinlichnoch schliefen. Die Anstrengungen der letz-ten Stunden hatten sie und mich bis an dieGrenze der Leistungsfähigkeit erschöpft,doch nun befanden wir uns in relativer Si-cherheit.

Allerdings wirklich nur in relativer.Ich öffnete vorsichtig die Augen, als ich

leise Schritte hörte. Fartuloon war aufge-standen und näherte sich meinem Bett. Meinväterlicher Freund und ehemaliger Leibarztmeines ermordeten Vaters Gonozal atmeteerleichtert auf, als er sah, daß ich wach war.

»Du schläfst wie ein Burrella, das seit sie-ben Wochen keine Wohnhöhle gefundenhat«, sagte er und setzte sich auf den Randmeines Lagers. »Jedenfalls können wir denverrückten Planeten mit dem Donnergottnun vergessen. Wir sind in einem Schiff desGroßen Imperiums und unterwegs in Rich-tung Arkon. Was willst du mehr, meinSohn?«

Ich bemerkte das kurze Zwinkern undverstand. Fartuloon rechnete wie ich mit ei-ner Abhöranlage. Das Gespräch mußte äu-ßerst behutsam geführt werden.

»Du hast recht, wir sind wieder bei unse-rem Volk und können nun erneut unseremerhabenen Imperator dienen. Ein Glück, daß

wir die Station entdeckten und den Hilferufaussenden konnten. Ich hoffe, der Komman-dant dieses Schiffes wird für seine Aufmerk-samkeit vom Herrscher belohnt.«

»Ich kann es kaum erwarten, ihn wieder-zusehen«, meinte Fartuloon. Ich wußte imAugenblick selbst nicht, wen er meinte: Or-banaschol oder den Kommandanten des800-Meter-Kugelraumers, der uns aufge-nommen hatte. »Wie geht es dir? Hast duBeschwerden?«

»Keineswegs, mir geht es gut. Ich war nurmüde. Was ist mit den anderen?«

»Schlafen noch. Die beiden Frauen unddas Baby sind nebenan. Die Tür ist unver-schlossen.«

Ich behielt meine Erleichterung für michund zeigte sie nicht. Ischtar und mein kleinerSohn Chapat waren also wohlauf, ebensoCrysalgira, die arkonidische Prinzessin.Kaum ließ die Nervenanspannung nach, daverspürte ich auch schon Appetit. Wir hattenseit Stunden nichts mehr gegessen.

»Ob man uns verhungern lassen will?«fragte ich.

Fartuloon strich sich über seinen beachtli-chen Bauch.

»Meine Reserven reichen noch eine Wei-le, aber ich werde mich trotzdem darumkümmern.« Wieder zwinkerte er mir zu.»Und keine Sorge, Parendon, ich habe dieganze Geschichte nicht vergessen.«

Damit konnte kein nicht eingeweihter Zu-hörer etwas anfangen. Als wir den Notrufabgesetzt hatten, mußten wir damit rechnen,daß uns ein Schiff der arkonidischen Flotteaufnahm. Ein Schiff also, das unter demOberbefehl des Imperators stand, der derMörder meines Vaters war. Wenn ich er-kannt wurde, schwebte ich in Lebensgefahr,denn ich war der rechtmäßige Thronfolger.

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Während wir auf das Eintreffen einesSchiffes warteten, blieb uns genügend Zeit,uns eine glaubhafte Geschichte auszuden-ken, denn ohne Zweifel würden wir einemstrengen Verhör unterzogen werden. Nie-mand durfte erfahren, wer wir in Wirklich-keit waren.

»Ich auch nicht, Turoon, keiner von uns.Soll ich mich um die Frauen und das Babykümmern, oder machst du das?«

»Ich sehe nach ihnen«, versprach er underhob sich. »Du kannst noch ruhen.«

Mit »ruhen« meinte er natürlich nachden-ken. Und dazu bestand genügend Anlaß.

Die Abenteuer im Mikrokosmos konnteich vergessen, denn mit der Rückkehr in denMakrokosmos befanden wir uns auch wiederin der normalen Zeitebene – und diese nor-male Zeitebene bedeutete Kampf. Ich mußteden Tod meines Vaters rächen und dafürsorgen, daß der grausame Diktator Orbana-schol von der Bildfläche verschwand.

Und jetzt waren wir in einem seinerSchiffe am Rande des Imperiums. Solangeman nicht wußte, wer wir waren, drohte unskeine Gefahr, aber wenn unsere wahre Iden-tität herauskam, waren wir erledigt.

Im Nebenraum befand sich die VarganinIschtar, die ich liebte und die mir meinenSohn Chapat geboren hatte, dessen begrenz-ten telepathischen Fähigkeiten es ihm er-laubten, mit seiner Mutter und mir Kontaktaufzunehmen.

Jetzt schlief er. Ich »sah« seine unruhigenTräume und wäre froh gewesen, hätte Ischt-ar ihn geweckt. Trotz seines Babyalters warer ungemein intelligent und einer vernünfti-gen Diskussion fähig.

Sobald er wach wurde, konnte ich alsoauch mit Ischtar in eine lautlose Verbindungtreten.

Der Kommandant des Schiffes mußte ge-täuscht werden. Wir hatten uns eine prächti-ge Geschichte ausgedacht, und ich würde sieihm erzählen, genauso wie die anderen. Esdurfte keine Widersprüche geben.

Schon als das Beiboot im Hangar desSchlachtschiffs landete und wir ausstiegen,

hatte mich ein merkwürdiges Gefühl be-schlichen. Zwei Offiziere waren in demHangar gewesen und hatten die Mannschaftüberwacht, die sich unserer annahm. Sie hat-ten barsch ihre Befehle herausgebrüllt. Siewaren bewaffnet gewesen, die Mannschaf-ten nicht.

Ihr Ton den Soldaten gegenüber hatte mirnicht zugesagt, und ganz sicherlich paßte erauch den Soldaten nicht. Ihre verbissenenGesichter sprachen Bände.

Mir blieb keine Zeit, weiter darüber nach-zugrübeln, denn die Tür hatte sich geöffnet.Zwei Arkoniden mit den Abzeichen der Ärz-te betraten den Raum. Sie blieben bei derTür stehen und betrachteten uns, obwohl sieuns vorher schon gesehen hatten. Ich kanntesie wieder. Sie waren es gewesen, die unsbei der Einlieferung oberflächlich untersuchthatten.

»Es scheint Ihnen ganz gut zu gehen«,sagte der eine von ihnen, den ich im Geiste»den Dicken« nannte. Er schien der Vorge-setzte des »Dünnen« zu sein. »Eine Spezial-untersuchung erscheint mir überflüssig. Ichdenke, der Kommandant wird Sie auch soverhören können.«

»Verhören?« Ich richtete mich auf undstützte mich auf die Ellenbogen. »Wieso einVerhör? Was haben wir verbrochen?«

Der Dicke lächelte breit.»Habe ich.Verhör' gesagt? Es soll natür-

lich kein Verhör sein, aber schließlich willman wissen, wie Sie auf diesen vergessenenPlaneten gekommen sind. Sagen wir also:Sie sind fit für eine angeregte Unterhaltung.Einverstanden?«

Ich nickte.»Warum nicht? Wie geht es den Frauen

nebenan?«»Um die kümmern wir uns später. Legen

Sie sich hin.« Er entnahm einer mitgebrach-ten Tasche ein längliches Instrument, das ichvon früher her kannte. Mit seiner Hilfe lie-ßen sich sämtliche Lebensfunktionen ohnejeden Eingriff überprüfen. Er strich damitüber meinen Körper und sah auf die ange-brachte Skala. »Alles in Ordnung, mein

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Freund. Sie brauchen sich keine Sorgenmehr zu machen. Sie waren lediglich er-schöpft, das war alles.«

Er ging zu Fartuloon, der die Decke zu-rückschlug und keinen Ton von sich gab.Die Untersuchung bei ihm verlief genausopositiv wie bei mir und dann bei Eiskralle.

Bei Corpkor allerdings stutzte der Dicke.»Was hat er nur für seltsame Narben?«

fragte er seinen Assistenten, der nun die Ta-sche schleppte. »Hast du jemals solche Nar-ben gesehen?«

Das war eine der Fragen, die ich befürch-tet hatte. Corpkor hatte sich die Narben imMikrokosmos geholt, und wir nannten sie»Eisnarben«. Aber das mußte geheim blei-ben. Und auch dafür hatten wir uns eineAusrede einfallen lassen.

»Noch nie!« sagte der Dünne überzeugt.Der Dicke fragte Corpkor:»Wo haben Sie das her? Sehen nicht wie

Streifschüsse einer Energiewaffe aus. Habeso etwas noch nie behandeln müssen …«

»Keine Sorge, Doktor«, sagte Corpkorfast kameradschaftlich. »Sie müssen sieauch nicht behandeln, weil sie sich über-haupt nicht behandeln lassen. Sie sehen wieNarben aus, das gebe ich zu, aber in Wirk-lichkeit sind sie nur die Folgen einer unbe-kannten Krankheit, die uns auf dem ver-dammten Planeten erwischte – wenigstenserwischte sie mich«, fügte er schnell hinzu,als er seinen Fehler bemerkte. »Die anderenzum Glück nicht.«

»Eine Krankheit …?« dehnte der Dickeund ließ sein Instrument kreisen.»Merkwürdig, keine entsprechenden Impul-se oder Reaktionen.«

»Ist ja auch unbekannt, nehme ich an«,meinte Corpkor.

Der Dicke nickte langsam.»Natürlich, das ist eine Erklärung. An-

steckend?«»Bestimmt nicht!« warf ich ein. »Bis jetzt

wenigstens hat sie keiner von uns bekom-men.«

Der Dicke gab dem Dünnen einen Wink.»Gehen wir nach nebenan. Der Komman-

dant hat nicht soviel Zeit.«Darum also ging es, begriff ich. Der

Kommandant des Schlachtschiffs wollte sichvor dem Verhör vergewissern, daß er sichkeine ansteckende Krankheit holte, deren esauf unbekannten Planeten mehr als genuggab.

Als sie die Tür hinter sich schlossen,meinte Eiskralle:

»Ich freue mich, dem Kommandanten dieHand geben zu können …«

Erschrocken gab ich ihm einen Wink.Wenn Eiskralle, der Chretkor, dem Kom-mandanten die Hand drückte, war der so gutwie tot. Sie würde zu Eis erstarren, und derganze Kommandant mit ihr.

»Auch ich möchte ihm für unsere Rettungdanken«, sagte ich scheinheilig. »Ich kenneseine Befehle nicht, aber sicherlich wird esihm nicht möglich sein, uns direkt nach Ar-kon zu bringen, wo wir dem Imperator überden Erfolg unserer geheimen Mission Be-richt erstatten können.« Ich zwinkerte blitz-schnell mit den Augen. »Aber vielleichtkann er uns einem anderen Schiff überge-ben, das nach Arkon fliegt. Leider könnenwir ihm nicht die Wahrheit erzählen.«

Genau das stimmte!Corpkor sagte nach einer kurzen Pause:»Ich fühle mich richtig einsam ohne mei-

ne Quirrels.«Das konnte ich verstehen. Corpkor besaß

die seltene Gabe, mit nicht intelligenten Le-bewesen, zum Beispiel mit Tieren, umzuge-hen. Sie folgten seinen Anordnungen undstanden mit ihm in einer quasi telepathi-schen Verbindung. Wenn er wollte, griffensie jeden an, der von ihm als Gegner be-zeichnet wurde. Die Quirrels hatten zu sei-ner merkwürdigen Tiergarde gezählt.

»Vergiß sie!« riet ich ihm, ohne näherdarauf einzugehen.

Die beiden Ärzte kamen aus dem Neben-raum.

»Den beiden Frauen geht es gut«, berich-teten sie freimütig. »Und dem Kind auch.Wer ist der Vater?«

»Das wissen wir nicht«, log ich. »Wir

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nahmen die Frauen von einem Handelspla-neten mit, sie schlossen sich uns an. Wasblieb ihnen anderes übrig? Jemand muß siedort abgesetzt haben.«

Der Dicke grinste hämisch.»Wahrscheinlich der Vater«, vermutete

er, und am liebsten wäre ich aus dem Bettgesprungen und hätte ihn niedergeschlagen.Doch ich nickte nur gleichmütig und meinte:

»Vielleicht, wir wissen es nicht. Sie hat esuns nie verraten.«

Sie gingen zur Tür. Dort drehte sich derDicke noch einmal um.

»Man wird Sie bald holen«, sagte er undverschwand.

»Puh!« machte Fartuloon. »Also sind wirwenigstens gesund.«

Das bevorstehende »Gespräch« mit demKommandanten bereitete mir wesentlichmehr Sorgen. Aber dann sagte ich mir, daßes früher oder später ohnehin erfolgen muß-te. Besser möglichst bald, ehe wir unsereausgedachte Geschichte vergaßen.

Ich stand auf und ging in den Nebenraum.Die Tür war nicht verschlossen. Ischtar lagim Bett und sah mir entgegen. Neben ihrentdeckte ich Chapat, halb unter den Deckenvergraben. Er schlief noch.

»Es geht mir gut«, sagte sie, ehe ich denMund aufmachen konnte. »Auch meinemKind. Konntest du schon mit dem Komman-danten sprechen?«

»Noch nicht, aber mach dir keine Sorgen.Er wird sich bald berichten lassen. Crysalschläft auch noch?«

»Sie war müde, sonst geht es ihr gut.«Ich hielt es für besser, nicht allzuviel Be-

sorgnis zu zeigen und kehrte in das andereKrankenzimmer zurück. Gerade rechtzeitig,um schnell unter die Decken zu schlüpfen,ehe sich die Tür öffnete und ein Offizier ein-trat. Hinter ihm standen zwei einfacheDienstgrade auf dem Korridor.

»Einer von euch begleitet mich zumKommandanten«, sagte der Offizier, der alseinziger bewaffnet war. »He, Sie da …!«

Er deutete auf mich.Ich stand langsam auf und zog die Kom-

bination an, kämmte mir mit den Fingern dieHaare und erwiderte dann:

»Gut, gehen wir.«Er führte mich durch verschiedene Gänge

bis zu einem Lift, der uns in die obere Regi-on des Kugelraumers brachte. Vor einer Türmachte er halt und drückte auf einen leuch-tenden Knopf in der Wand. Die Linsen einerausgefahrenen Kamera tasteten uns ab, dannöffnete sich die Tür. Der Offizier schobmich in den dahinter liegenden Raum undmeldete:

»Einer der Gefangenen, Kommandant.«Die Tür schloß sich hinter mir.Der Raum war spärlich und zweckmäßig

eingerichtet. Hinter einem wuchtigen Tischsaß ein ungewöhnlich großer und schwer ge-bauter Arkonide mit finsterem Gesichtsaus-druck.

»Setzen!« befahl er und deutete auf einenStuhl vor dem Tisch.

Ich setzte mich und fragte höflich:»Ihr Offizier bezeichnete mich als Gefan-

genen. Stimmt das?«Etwas wie Erstaunen huschte über sein

Gesicht, dann machte er eine verneinendeGeste.

»Natürlich nicht – vorerst wenigstensnoch nicht. Sie werden sicherlich so freund-lich sein, mir einige Fragen zu beantworten– in Ihrem eigenen Interesse, übrigens. Wersind Sie?«

»Parendon, Kommandant.«»Mein Name ist Wagor de Lerathim. Und

wer ist Parendon?«»Ich führte einen Handelsfrachter und er-

litt Schiffbruch. Der größte Teil meinerMannschaft kam dabei ums Leben. Die bei-den Frauen und das Kind waren Passagiere.Wir sind froh, daß Sie uns gerettet haben.«

Er sah mich durchdringend an, dannschüttelte er den Kopf.

»Und was ist mit dem geheimen Auf-trag?«

Also waren unsere Gespräche in derKrankenstation doch abgehört worden, wiewir es vermutet hatten. Ich sah ihn verblüfftan.

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»Was wissen Sie davon, Kommandant?«»Das ist doch egal, oder? Also: was ist

damit?«Mein Gesicht wurde abweisend.»Wenn es wirklich so sein sollte, daß wir

einen geheimen Auftrag erhielten, so wissenSie als Kommandant eines Schlachtschiffsam besten, daß ich nicht darüber sprechendarf. Oder würden Sie bereit sein, mir etwasüber Ihren Auftrag zu erzählen?«

Er nickte.»Natürlich, warum nicht? Unser Verband

besteht aus insgesamt 27 Schiffen, die nachStützpunkten und Sammelstellen derMaahks suchen. Die Mannschaft wurde zumeiner Einheit strafversetzt, weil sie zumgrößten Teil aus Kriminellen und politischUnzuverlässigen besteht. Hier, am Randedes Imperiums, können sich die Kerle be-währen.« Er sah mich forschend an.»Genügt Ihnen das?«

»Danke, Kommandant, ich bin im Bilde.Aber das ist für mich kein Grund, über mei-nen Auftrag zu reden. Sorgen Sie dafür, daßmeine Leute und ich so schnell wie möglichnach Arkon gebracht werden. Man wird Siedafür belobigen, das kann ich garantieren.«

»Wir bleiben in dem befohlenen Sektor.Sollten wir Einheiten begegnen, die ins Zen-trum zurückverlegt werden, übergebe ich Siedem entsprechenden Kommandierenden.«Er drückte auf einen Knopf am Tisch. »Manwird Sie in Ihre Kabinen bringen, damit dieKrankenstation wieder frei wird.«

Es war natürlich raffiniert von ihm, michvon den anderen zu trennen und uns einzelnzu verhören. Der Offizier, der mich in Emp-fang nahm, gab auf meine Fragen keine Ant-wort. Wortlos stieß er mich in einen Raumund verschloß die Tür. Ich sah mich um undstellte fest, daß ich in einer Gemeinschafts-kabine stand. Die Betten waren ringsum anden Wänden und konnten durch Vorhängeabgetrennt werden. Eine zweite Tür führtezu einem Toilettenraum mit Waschgelegen-heit.

Ich setzte mich an den Tisch und versuch-te, Kontakt mit Chapat aufzunehmen, was

mir auch sofort gelang. Über ihn konnte ichmich nun mit Ischtar verständigen, ohne daßeine Abhörgefahr bestand. Ich erfuhr, daßFartuloon gerade abgeholt worden war. DerKommandant würde ihn verhören und ver-suchen, Widersprüche zu entdecken.

Um eine solche Gefahr zu verringern, hat-ten wir ausgemacht, daß wir – Fartuloon,Corpkor, Eiskralle und ich – nichts über un-sere »Passagiere« wußten, und diese so gutwie nichts über uns. Wir hatten sie ein Stückmitnehmen wollen und waren auf dem Pla-neten notgelandet – mehr wußten sie nicht.Das Schiff war dabei zu Bruch gegangenund wir hatten nach einigen Wochen unfrei-willigen Aufenthalts die seltsame Stationentdeckt, den Sender in Betrieb genommenund den Notruf gesendet.

Ich unterbrach den Kontakt zu Chapat, alsFartuloon eintraf. Er warf mir einen zwei-felnden Blick zu und zuckte die massigenSchultern. So ganz sicher schien er sich sei-ner Sache nicht zu sein, aber ich wagte esnicht, Fragen zu stellen. Mit Sicherheit gabes auch hier in der für uns vorbereiteten Ka-bine eine Abhöranlage.

Als nächste trafen Corpkor und Eiskralleein. Nun wartete ich gespannt auf das Er-scheinen von Ischtar und dem Baby, abernichts geschah. Dafür kam der uns bekannteOffizier und forderte mich barsch auf, ihnzum Kommandanten zu begleiten. Mirschwante Unheil, und ich konnte Fartuloonnur noch den vereinbarten Wink geben, derdas Zeichen für eine zweite ausgedachte Ge-schichte war, durch die wir die erste im Not-fall ersetzen wollten. Außerdem klang siewahrscheinlicher.

Der Kommandant fuhr mich wütend an:»Nun aber raus mit der Wahrheit, Paren-

don, oder wie Sie auch heißen mögen! Einsunserer Schiffe ist zu dem Planeten zurück-geflogen und hat Nachforschungen ange-stellt. Wir haben keine Spur von einem not-gelandeten Handelsfrachter finden können.Wie also kamen Sie auf diese verdammteWelt?«

»Piraten!« erwiderte ich, ohne zu zögern.

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»Sie entführten uns von der Arkon-KolonieYawwith und setzten uns aus. Das ist alles.«

Über sein düsteres Gesicht huschte einLächeln.

»Ach ja! Geheimagenten des Imperatorslassen sich von gemeinen Piraten entführen…? Ich glaube Ihnen kein Wort! Mal hören,was die beiden Frauen dazu sagen. Wir ha-ben Zeit, und einmal werde ich schon dieganze Wahrheit erfahren. Außerdem sindFrauen gesprächiger als Männer – wenig-stens in den meisten Fällen.«

Der Offizier brachte mich zurück in dieGemeinschaftskabine.

Ich winkte ab, als Fartuloon etwas sagenwollte und nahm Kontakt zu Chapat auf.Lautlos teilte ich über ihn Ischtar mit:

Vorsicht, Ischtar! Die Piratengeschichteist an der Reihe! Laßt euch nicht beeinflus-sen! Ihr wart unsere Passagiere, und wir al-le wurden in der Kolonie Yawwith gefangen-genommen und auf dem namenlosen Plane-ten abgesetzt. Sonst bleibt die Geschichtewie abgemacht.

Chapat konnte nur noch bestätigen undmir mitteilen, daß seine Mutter geholt wur-de.

Die nächste Stunde verging in quälenderLangsamkeit. Ich atmete erleichtert auf, alsIschtar endlich mit Chapat erschien, denman ihr übergeben hatte. Sie nickte mir be-ruhigend zu. Es schien also geklappt zu ha-ben.

Nun kam es nur noch auf Crysalgira an,unsere arkonidische Prinzessin.

Fartuloon hatte in einem Wandschrankhaltbare Lebensmittel entdeckt, von denenwir annahmen, daß sie für uns gedacht wa-ren. Wir stillten unseren Hunger und warte-ten auf Crysalgira.

Zwei Stunden vergingen, dann wurde dieTür aufgestoßen. Die Prinzessin bekameinen Stoß in den Rücken und taumelte indie Kabine. Wenn Corpkor sie nicht aufge-fangen hätte, wäre sie zu Boden gestürzt. Ichsprang auf und eilte zu ihr, kaum daß sie aufdem Bett lag.

»Was ist geschehen, Crysal?«

Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. In ih-ren Augen standen Tränen der Verzweif-lung.

»Man hat mich erkannt, es ist alles sinn-los! Niemand glaubt uns jetzt noch. Es istmeine Schuld …«

»Wer hat dich erkannt?« fragte ich, undnun war es mir egal, ob unsere Gesprächebelauscht wurden oder nicht.

»Einer der Offiziere, ich bin ihm frühereinmal begegnet.«

»Er weiß, daß du die Prinzessin bist?«»Ja, ich konnte nicht mehr leugnen. Der

Kommandant war sehr wütend, weil er nunglaubt, wir hätten ihn belogen. Er wird unseine Botschaft überbringen lassen, dennganz sicher ist er seiner Sache noch nicht.Jedenfalls glaube ich, daß er uns wie Gefan-gene behandeln wird.«

»Das hat er bereits getan«, warf Fartuloonein. »Viel wird sich kaum ändern.«

Ich legte mich aufs Bett und dachte nach.Noch war nicht viel verloren, denn niemandkannte meinen oder Fartuloons Namen. Beiden anderen spielte das keine so große Rol-le. Ich beschloß, bei der Piratengeschichteund dem geheimnisvollen Auftrag zu blei-ben.

Noch ehe ich den anderen meinen Ent-schluß mitteilen konnte, öffnete sich aber-mals die Tür. Diesmal erschien Wagor deLerathim höchstpersönlich, von zwei Offi-zieren begleitet. Ohne jede Einleitung sagteer:

»Sie haben sich ab sofort als Gefangenezu betrachten. Die Kabine wird abgeschlos-sen. Auf dem Korridor stehen zwei Wacht-posten. Sie haben den Befehl, Sie beiFluchtverdacht zu erschießen. Wir befindenuns schließlich im Kriegszustand.«

Ohne eine Reaktion abzuwarten, ver-schwand er wieder.

Wir sahen uns mit gemischten Gefühlenan.

Auf dem fremden Planeten waren wir we-nigstens frei gewesen, jetzt aber waren wirdie Gefangenen einer Strafeinheit, für die esnur den Tod oder die Bewährung gab. Wenn

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jemand auch nur ahnte, wer ich in Wirklich-keit war, gab es für uns alle keine Rettungmehr.

Wer Orbanaschol meinen Kopf brachte,hatte für den Rest seines Lebens ausgesorgt.

*

Wagor de Lerathim hatte zum Glück ganzandere Sorgen. In gewissem Sinne beunru-higten ihn die merkwürdigen Gefangenen,aus denen er nicht schlau wurde, aber dannsagte er sich, daß sie ihm kaum Schwierig-keiten bereiten würden. Sobald sein Flotten-verband in die Nähe eines arkonidischenStützpunkts kam, würde er sie dort abliefern.

Es war ihm nicht entgangen, daß die Un-zufriedenheit seiner Mannschaft in den letz-ten Tagen und Wochen gestiegen war. Diestrafversetzten Männer versahen ihrenDienst nur noch mürrisch und wagten sogarWiderreden, wenn die Offiziere ihnen Be-fehle gaben.

An sich war das kein Grund zur besonde-ren Besorgnis, denn wer versah schon gernDienst in einer Bewährungseinheit? Viel-leicht waren die Leute auch nur deshalb un-zufrieden, weil es noch immer keine Feind-berührung gegeben hatte. Bewähren konntensich ja schließlich nur jene, die Gelegenheitzum Kampf erhielten.

Na schön, den Gefallen konnte er ihnentun.

Die Orterzentrale hatte einen kleinen Ver-band der Maahks ausgemacht. Es handeltesich um fünf Schiffe, die mit Unterlicht flo-gen. Allein das bewies, daß sie sich in derNähe eines maahkschen Stützpunkts befan-den und sich verhältnismäßig sicher fühlten.Wagor de Lerathim zögerte noch mit demAngriffsbefehl, obwohl er sich mit seinemVerband dem Gegner überlegen fühlte, aberihm schien es wichtiger zu sein, den Stütz-punkt auszumachen.

Während er noch überlegte, reifte an an-derer Stelle eine folgenschwere Entschei-dung heran.

*

Kurrentos, der Funktechniker, betrat dieKabine des Arztes Arthamor und schloß dieTür hinter sich. Er wußte, daß es in diesemRaum keine Abhöranlage gab.

Arthamor nickte ihm vertraulich zu unddeutete auf einen Sessel.

»Setz dich, Kurrentos. Gibt es Neuigkei-ten?«

»Eine ganze Menge, Arthamor. Das mitden Gefangenen weißt du ja von deinen Kol-legen. Aber das ist weniger wichtig. Die Or-terzentrale hat fünf Schiffe der Maahks auf-gespürt. Es ist anzunehmen, daß Lerathimsie angreift. Das wäre ein günstiger Zeit-punkt, unsere Pläne zu verwirklichen. Denentsprechenden Bescheid habe ich ver-schlüsselt an unsere Freunde weitergeleitet.Sie erwarten nun unser Zeichen.«

Arthamor starrte in eine Ecke des Raumesund schien angestrengt nachzudenken. Dannsah er auf. »Was ist mit Mentares? Bist dusicher, daß er auf unserer Seite ist?«

»Davon bin ich überzeugt. Er ist der ein-zige Offizier an Bord der ZENTARRAIN,der sich stets gerecht und anständig benom-men hat. Als er die Verschwörung durcheinen Zufall entdeckte, hat er keine Meldunggemacht. Er hat sich sofort auf unsere Seitegeschlagen, und zwar aus Überzeugung. Ichglaube sogar, daß es persönliche Gründe fürihn gibt, Orbanaschol zu hassen.«

»Die Leute wissen Bescheid?«»Ich habe sie informiert. Sie können es

kaum noch abwarten, den Kommandantenaus dem Schiff zu stoßen. Einige seiner Of-fiziere werden ihn dabei begleiten.«

»Ich werde nichts dagegen unternehmen«,sagte Arthamor ruhig. »Für mich ist es wich-tig, daß ich nach der geglückten Meutereidie Medizinische Abteilung übernehmenkann. Ich bin es leid, immer der Prügelknabedieser Nichtskönner zu sein, die sich über-heblich als.Bauchaufschneider' bezeichnen.Ich bin davon überzeugt, daß sie nicht ein-mal wissen, wie ein Arkonide von innen

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aussieht.«»Du kannst dir ja einige Offiziere vorneh-

men und sie deinen ehrenwerten Kollegenübergeben, damit sie das Versäumte nachho-len können.«

Arthamor lachte, bis ihm die Tränen ka-men.

»Eine ausgezeichnete Idee, Kurrentos.Übrigens: bist du sicher, daß wir keine Ver-räter unter uns haben? Wenn der Komman-dant und seine Offiziere gewarnt werden…«

»Keine Sorge, es gibt keinen einzigenVerräter unter uns. Wenn die Rebellion ge-lingt, und davon bin ich überzeugt, habenwir ganze 27 Schiffe, und das Universum istgroß. Wie sollte man uns jemals finden? Wirwerden uns auf einem geeigneten Planetenniederlassen und den Rest unseres Lebens inRuhe und Frieden verbringen.« Kurrentoslächelte verschlagen. »Und was Frauen an-geht, so werden wir uns schon welche besor-gen. Zwei haben wir ja schon.«

»Du meinst die Gefangenen? Was soll üb-rigens mit ihnen geschehen?«

»Die Männer … nun, wir werden sehen.Lerathim hat sie festgesetzt, das bedeutet,daß sie damit automatisch auf unserer Seitestehen. Und was die beiden Frauen angeht –nun, da kennst du ja meine Auffassungjetzt.«

Arthamor nickte einige Male vor sich hin,ehe er erwiderte:

»Ich bin deiner Meinung, Kurrentos.Doch jetzt ist es wichtig, daß wir im rechtenAugenblick losschlagen. Du mußt den Ter-min bestimmen, denn du bist der einzige vonuns, der jederzeit Kontakt zu den anderenSchiffen aufnehmen kann. Die Revolte mußüberall zugleich beginnen.«

»Keine Sorge, die Verbindung klappt.Auch hier an Bord der ZEN-TARRAIN. Eineinziges Kodewort genügt, und die Offizierewerden festgenommen. Jeder Mann von unshat seine genauen Anweisungen. Es kannnur wenige Augenblicke dauern, und dasSchiff ist in unserer Hand.«

»Und wann ist es soweit?«

»Sobald Lerathim den Befehl zum An-griff auf die Maahks gibt.«

»Besteht nicht die Gefahr, daß dieMaahks dadurch die Chance erhalten, uns zuvernichten, weil wir mit anderen Dingen be-schäftigt sind?«

»Die Möglichkeit ist nicht von der Handzu weisen, aber auch da wurde vorgesorgt.Die Männer in der Feuerleitzentrale werdensich nur auf ihre Aufgabe konzentrieren undsich nicht um die Rebellion kümmern. IhreOffiziere werden festgenommen, das ist al-les.«

»Das beruhigt mich«, gab Arthamor er-leichtert zu. »Ich kümmere mich um die Me-diziner und sperre sie ein. Sie können sichdann noch immer überlegen, auf welche Sei-te sie sich schlagen wollen.«

Kurrentos stand auf und ging zur Tür.Dort drehte er sich noch einmal um.

»Halte dich bereit, Arthamor. Es kann je-derzeit geschehen. Und denke daran: wersich der Festnahme widersetzt, wird soforterschossen!«

*

Von all diesen Dingen hatte ich natürlichjetzt noch keine Ahnung, aber ich erfuhr siespäter, und das nicht gerade in sehr angeneh-mer Weise. Ich versuche hier nur, die Ereig-nisse in chronologischer Reihenfolge zu re-konstruieren, auch die Gespräche vor demAusbruch der Meuterei.

Wir waren die Gefangenen des Komman-danten, der Verdacht geschöpft hatte, daßmit uns nicht alles ganz in Ordnung war. Si-cherlich hegte er noch einige Zweifel, dennmeine Andeutungen über eine Geheimmissi-on bereitete ihm Kopfschmerzen. Wenn erAgenten des Imperators festnahm, manö-vrierte er sich selbst in eine schlimme Lage,auf der anderen Seite tat er nur seine Pflicht.

Immerhin: welche Seite war die richtige?Ich beneidete ihn nicht, obwohl ich keine

Ahnung von den wirklichen Vorgängen hat-te, wenigstens jetzt noch nicht. Ich war froh,daß Ischtar und Chapat wieder bei mir wa-

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ren. Und auch die anderen waren bei mir.Wir waren zusammen, wenn auch ohneWaffen.

Die fehlenden Waffen störten mich imMoment weniger als die Möglichkeit, aufein anderes Schiff gebracht zu werden, dasdirekt nach Arkon flog. In Arkon erwartetemich der sichere Tod.

Fartuloon erriet meine Gedanken. Er kamzu mir und setzte sich.

»Was sollen wir tun? Der Kommandanthat Verdacht geschöpft.«

Ich zuckte die Achseln.»Keine Ahnung. Wir können überhaupt

nichts tun, außer abwarten. Vielleicht ändertWagor de Lerathim seine Meinung. Er kannnicht von uns erwarten, daß wir den Befehldes Imperators mißachten und von unseremAuftrag berichten.« Ich blinzelte ihm vor-sichtshalber zu. »Wenn Orbanaschol von un-serer Zwangslage erfährt, wird er die geeig-neten Schritte unternehmen, nur fürchte ich,daß Lerathim dann seine Rangabzeichen los-wird. Schade um ihn, er machte einen so in-telligenten Eindruck …«

Fartuloon unterdrückte nur mit Mühe einGrinsen.

»Ja, er tut mir auch leid. Ein Fehler, derihm nicht hätte unterlaufen dürfen. Aber esist eben nicht jeder Offizier der Flotte un-fehlbar.«

Das war ein Hieb, von dem ich hoffte, daßer saß. Wir wurden belauscht, daran konntekein Zweifel bestehen, vielleicht sogar überverborgene Kameras beobachtet. Kein Wort,das wir sprachen, entging dem Sicherheits-dienst des Schiffes. Lediglich mit Ischtarkonnte ich mich über Chapat verständigen,ohne daß jemand davon erfuhr – aber dasnützte den anderen auch nicht viel, wenig-stens nicht in der jetzigen Situation. Nie-mand von uns konnte ahnen, daß der Kom-mandant im Augenblick ganz andere Sorgenhatte und sich nicht um uns kümmerte.

Wir saßen in der Kabine fest, und vor derTür hielten zwei Arkoniden ständig Wache.

*

Die fünf Schiffe des Gegners verhieltensich so, als hätten sie die Arkoniden nichtbemerkt. Das war zumindest merkwürdig.Sie blieben im Normalraum, ohne ihre Ge-schwindigkeit zu erhöhen. Fast hätte manglauben können, sie wollten den feindlichenVerband in eine Falle locken.

Das war auch genau das, was Wagor deLerathim annahm.

Darum änderte er seinen ursprünglichenPlan.

Über Normalfunk nahm er Kontakt mitden Kommandanten der übrigen 26 Schiffeauf und befahl Kodeschaltung. Die Maahks,das war sicher, kannten diesen Kode nicht,so daß sich die Arkoniden unterhalten konn-ten, ohne abgehört werden zu können.

»Eine Ringschaltung!« befahl Lerathimund wartete, bis die Techniker das Freizei-chen gaben. »Wir greifen den Verband derMaahks gezielt an, und zwar von allen Sei-ten gleichzeitig. Das Feuer wird erst aufmeinen Befehl hin eröffnet, auch wenn derGegner den Versuch unternehmen sollte, unszuvorzukommen. Es ist meine Absicht, ei-nes der Schiffe unversehrt zu kapern, um dieAbsichten der Maahks kennenzulernen. Aufkeinen Fall darf das Schiff mit dem rotenKreis am Bug unter Beschuß genommenwerden. Bitte, Bestätigung!«

Alle anderen 26 Kommandanten bestätig-ten einer nach dem anderen den Befehl.Dann erhöhten die Schiffe ihre Geschwin-digkeit, ohne sich jedoch der Transitions-grenze zu nähern. Die Feuerleitstellen wareneinsatzbereit und warteten nur noch auf dasKommando. Ihre automatischen Zielmeßge-räte arbeiteten bereits und gaben laufend dieEntfernung bekannt.

Lerathim lauerte vor dem großen Bild-schirm. Je länger er die scheinbare Gleich-mut der Maahks registrierte, desto mehr fe-stigte sich bei ihm die Gewißheit, daß sieeinen ganz bestimmten Zweck verfolgten.Der Gegner war zweifellos dem Verband derArkoniden unterlegen, und trotzdem machteer keine Anstalten zur Flucht. Das war nichtnur ungewöhnlich, sondern höchst verdäch-

Raumschiff der Meuterer 11

Page 12: Raumschiff der Meuterer

tig.Diese Taktik änderte sich auch nicht, als

die Arkoniden auf Schußweite herangekom-men waren. Der Kommandant der ZEN-TARRAIN konnte sich vorstellen, daß dieOffiziere auf den anderen Schiffen unruhigwurden, weil er so lange mit dem Angriffs-befehl wartete. Er spürte, daß er selbst all-mählich nervös wurde.

Die Ringschaltung bestand noch. Er akti-vierte den Sender.

»Achtung, an alle Kommandanten! Feuer-bereitschaft! Beschuß beginnt in exakt …«

Weiter kam er nicht.Die Tür zur Kommandozentrale wurde

aufgestoßen. Mehrere einfache Dienstgrade,angeführt von Offizier Mentares, stürmten inden Raum. Alle waren bewaffnet und richte-ten die Energiestrahler nun auf den Kom-mandanten und die anderen Offiziere, diesich in der Zentrale aufhielten. Jemandschaltete den Telekom ab.

»Verhalten Sie sich ruhig, dann geschiehtIhnen nichts, Lerathim!« befahl Mentaresund verlieh seinen Worten dadurch Nach-druck, indem er die Mündung seiner Waffegegen den Rücken des Kommandantendrückte. »Sie sind durch Beschluß derMannschaft ab sofort Ihres Postens entho-ben. Das Kommando übernehme ich. StehenSie auf. Zwei der Männer werden Sie abfüh-ren.«

Lerathim blieb sitzen.»Sie sind verrückt, Mentares! Das ist

Meuterei!«»Letzteres stimmt«, erwiderte Mentares

eisig. »Wir hielten den Augenblick für ge-eignet. Nun machen Sie schon Platz, damitich den Angriff leiten kann.«

Lerathim stand langsam und vorsichtigauf. Er wußte, daß er keine Chance hatte.Seine Offiziere standen mit dem Rücken zurWand der Zentrale und wurden nach Waffendurchsucht.

»Die Kommandanten der anderen Einhei-ten werden Sie zusammenschießen«, erklär-te er.

Mentares setzte sich hinter die Kontrollen.

»Wenn sie das täten, würde Ihnen daskaum weiterhelfen, Lerathim, denn Sie wür-den mit uns sterben. Aber seien Sie unbe-sorgt, niemand wird uns unter Beschuß neh-men, höchstens die Maahks. Was jetzt anBord der ZENTARRAIN geschieht, ge-schieht gleichzeitig auf allen anderen Schif-fen. Die Rebellion ist von langer Hand vor-bereitet. Gehen Sie schon! Wir haben keineZeit zu verlieren.«

Lerathim ließ die entwürdigende Prozedureiner Durchsuchung über sich ergehen undwurde dann von den Männern in den Korri-dor gestoßen. Aus den Seitengängen kamenandere Offiziere, von den Strafversetzten be-wacht und verhöhnt. Der Haß langer Jahrebegann sich zu entladen. Aber die Meutererwaren diszipliniert genug, sich nicht an ih-ren Gefangenen zu vergreifen.

Die Straf zellen waren jetzt leer, die bis-herigen Gefangenen befreit. Mit Hohnge-lächter trieb man den Kommandanten undseine Offiziere in die kahlen Räume undknallte die Türen hinter ihnen zu.

Die so plötzlich ihrer Autorität und Frei-heit beraubten Offiziere der Imperiumsflottewaren sich darüber im klaren, welchesSchicksal ihnen bevorstand. Keiner von ih-nen würde dem sicheren Tod entgehen.

Inzwischen hatte Mentares Kontakt zuden anderen Schiffen aufgenommen. Zu sei-ner Überraschung meldeten sich aber nichtdie neuen Kommandanten, sondern die bis-herigen. Noch ehe er sich identifizierenkonnte, meldeten alle übereinstimmend, daßder Versuch einer Meuterei niedergeschla-gen worden sei. Man wartete auf den An-griffsbefehl, der angekündigt, aber nochnicht endgültig erfolgt war.

Mentares schaltete blitzschnell.»Angriff sofort!« befahl er. Die Bildüber-

tragung ließ er ausgeschaltet.»Konzentrischer Beschuß auf alle fünfFeindschiffe!«

»Was ist mit der Ausnahme?« kam dieGegenfrage.

Für einige Augenblicke schwieg Menta-res, denn er kannte den ursprünglichen Be-

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Page 13: Raumschiff der Meuterer

fehl Lerathims nicht, aber er war genügendmit der Taktik seiner Flotte vertraut, um sichdenken zu können, was gemeint war. Da erjedoch nicht wußte, welches Schiff derMaahks geschont werden sollte und er keineZeit verlieren durfte, erwiderte er:

»Befehl aufgehoben! Alle fünf Schiffe derMaahks angreifen und möglichst vernichten!Feuer frei …!«

Er sah auf den Bildschirm und schloßhalb geblendet die Augen, als die grellenEnergiebündel gegen die Schutzschirme derMaahks prallten und absorbiert wurden. Nie-mand schien bemerkt zu haben, daß er Lera-thims Rolle übernommen hatte.

Warum war die Rebellion in allen anderenSchiffen niedergeschlagen worden? fragte ersich. Warum war sie nur in der ZENTAR-RAIN erfolgreich gewesen? Natürlich fander die Antwort auf seine Frage nicht, aber erbegriff, daß er seine Rolle den anderenKommandanten gegenüber nicht mehr langespielen konnte.

Zwei arkonidische Schiffe erhielten ver-heerende Volltreffer durch Punktbeschußund explodierten in einer atomaren Sonne.Die glühenden Trümmer trieben in verschie-dene Richtungen davon und verschwandenvom Bildschirm.

Das war der Moment, auf den Mentaresgewartet hatte.

Kurrentos, der Navigation und Orterzen-trale übernommen hatte, stand in Rufweite,so daß Mentares den Interkom nicht ein-schalten mußte.

»Mentares, wie sieht es aus?«»Gut, Kommandant! Die Maahks versu-

chen zu fliehen.«»Das ist überhaupt nicht gut! Wir müssen

fliehen. Wenn die anderen Kommandantenerst einmal merken, was auf der ZENTAR-RAIN passiert ist, machen sie Jagd auf uns.Wir müssen verschwinden, ehe sie Verdachtschöpfen. Programmiere eine Transition,egal wohin.«

»Einfach so …?«»Richtig! Wir können uns später noch den

Kopf darüber zerbrechen, wohin wir uns

wenden. Erst einmal müssen wir die Offizie-re loswerden, möglichst für immer. Fangschon an!«

Arthamor kam in die Zentrale. Sein Ge-sicht strahlte vor Zufriedenheit. Er setztesich in einen freien Sessel vor den Kontrol-len.

»Ich habe die Medizinische Station über-nommen und die Nichtskönner einsperrenlassen«, gab er bekannt. »In der Strafzellekönnen sie darüber nachdenken, wievielLeute sie umgebracht haben.«

»Verschwinde jetzt, Arthamor, wir habenArbeit hier. Und davon verstehst wiederumdu nichts!«

Der neue Chefarzt der ZENTARRAINwar durchaus nicht beleidigt. Folgsam erhober sich.

»Schon gut, Mentares. Schließlich mußtdu den Oberbefehl über sämtliche Schiffeübernehmen und …«

»Leider nicht, Arthamor. Die Meuterei istnur uns gelungen. Wir müssen fliehen, unddas sobald wie möglich. Kümmere dich umdie Verwundeten. Sind es viele?«

»Ein paar der Offiziere wehrten sich undmußten getötet werden. Von uns starben nurzwei, aber es gab Verletzte. Sieh zu, daß wirbald von hier verschwinden!«

»Was ist mit diesen Fremden, die wir aufdem Planeten fanden?«

»Um die kümmere ich mich später.«Mentares atmete erleichtert auf, als der

Arzt ging. Er hatte genug damit zu tun, dasSchiff in Sicherheit zu bringen.

»Bereit zur Transition!« gab Kurrentosbekannt. »Die Programmierung ist ungenau,aber die Entfernung genügt, uns aus dem Or-terbereich zu bringen. Wann?«

Mentares sah wieder auf den Bildschirm.Der Telekom war eingeschaltet. Er empfingdie Meldungen der anderen Kommandanten,die von der erfolgreichen Meuterei auf derZENTARRAIN keine Ahnung hatten. DerAngriffsbefehl war erfolgt, nun handelte je-der von ihnen nach eigenem Ermessen.

Aber die Maahks flohen. Mit höchster Be-schleunigung rasten die fünf Schiffe in ver-

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Page 14: Raumschiff der Meuterer

schiedene Richtungen davon, um eine Ver-folgung zu erschweren. Zwei gingen sehrschnell in Transition und entmaterialisierten.Damit verschwanden sie auch von den Or-terschirmen der Arkoniden.

Die Schiffe der Imperiumsflotte glittenseitwärts vom Bildschirm, als Mentares denKurs änderte und aus dem Verband scherte.Gleichzeitig erhöhte er die Geschwindigkeit,um möglichst schnell die von Kurrentos pro-grammierte Transition vornehmen zu kön-nen, die sie um Lichtjahre versetzen würde.

Über Funk folgten ihnen verwirrte Anfra-gen, die Mentares ignorierte. Er wußte, daßdie anderen Kommandanten sehr schnell dierichtige Antwort finden würden, warum alsoZeit verlieren. Hastig kontrollierte er die In-strumentenanzeigen und nickte Kurrentoszu.

»Fertig?«»Schon lange!« Der Techniker konnte sei-

ne Ungeduld kaum noch länger verbergen.»Nun leite endlich die Transition ein, Men-tares! Der Verband folgt uns.«

Der Heckbildschirm bestätigte seine Be-hauptung.

Ohne noch länger zu zögern, aktivierteMentares den Transitionsspeicher und lehntesich zurück, um sich auf den unvermeidli-chen Entzerrungsschock bei der Entmateria-lisation vorzubereiten. Als er eintrat, sah ernur noch, wie die Verfolger verschwanden.

In Wirklichkeit war es jedoch die ZEN-TARRAIN, die aus dem normalen Kontinu-um verschwand und im Hyperraum mehrereLichtjahre zurücklegte, ohne eine Spur zuhinterlassen …

2.

Als wir den Schmerz spürten, wußten wirsofort, daß unser Schiff eine Transition vor-genommen hatte, ohne auch nur zu ahnen,warum das geschah. Ich besaß genügend Er-fahrung, um an der Stärke und Dauer desSchmerzes abschätzen zu können, daß wirhöchstens zwanzig Lichtjahre zurücklegten,ehe wir wieder rematerialisierten.

Das sah nicht nach einer wohlüberlegtenTransition aus.

»Es wurden Energieschüsse abgegeben«,stellte Fartuloon fest. »Wahrscheinlich gabes eine Begegnung mit den Maahks, undman setzt sich nun ab.«

»Ein Wagor de Lerathim flieht nicht vorden Maahks«, wies ich ihn zurecht, obwohlich vom Gegenteil überzeugt war. »Es mußandere Gründe geben. Vielleicht erfahrenwir sie bald.«

In der Tat brauchten wir auch nicht langezu warten. Die Tür wurde geöffnet, und einmir unbekannter Offizier betrat unsere Kabi-ne. Zwar trug er einen Impulsstrahler imGürtel, aber er war allein. Die üblichenWachtposten fehlten.

Er ließ die Tür geöffnet und setzte sichauf eines der Betten.

»Ich weiß, daß Sie Lerathim ein Märchenerzählt haben, als Sie durchblicken ließen, ingeheimer Mission für das Imperium unter-wegs zu sein. Sie wollten damit eine Freilas-sung erreichen, um nicht nach Arkon ge-bracht zu werden. Sie sind Feinde des Impe-riums, habe ich recht?«

So schnell, glaube ich, hatte ich in mei-nem ganzen Leben noch nicht überlegen undkombinieren müssen. Schon die Tatsache,daß er einfach »Lerathim« sagte, und nichtetwa »Kommandant Wagor de Lerathim«brachte mich sofort auf die richtige Spur.Unter normalen Umständen war damit zurechnen, daß der Kommandant das Verhör,wenn es eins sein sollte, über Interkom ver-folgte. Eine solche Disziplinlosigkeit würdeer auf keinen Fall durchgehen lassen.

Also hörte Lerathim nicht zu – er konntenicht zuhören.

»Und wenn es so wäre?« fragte ich vor-sichtig.

Er betrachtete mich lange, dann meinte er,ohne auf meine Frage zu antworten:

»Sie scheinen der Anführer Ihrer Gruppezu sein, und ich habe Vertrauen zu Ihnen.Ich will also offen mit Ihnen reden, danachkönnen Sie sich entscheiden. Lerathim wur-de festgenommen und sitzt mit seinen Offi-

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zieren im Bordgefängnis. Wir haben dasSchiff in unseren Besitz gebracht. Es wirduns an einen Ort bringen, an dem wir vorVerfolgung sicher sind. Sie wissen wahr-scheinlich, welche Strafe einen Meuterer er-wartet?«

Und ob ich das wußte! Aber das interes-sierte mich im Augenblick nicht so sehr wiedie erstaunliche Tatsache, daß die Meuterermeine natürlichen Verbündeten waren, wennich ihr Vorgehen auch nicht gutheißen durf-te.

»Wer ist der neue Kommandant?« fragteich, um Zeit zu gewinnen.

»Das bin ich, Mentares. Wir haben dieDienstgrade abgeschafft. Wir werden unsspäter noch unterhalten. Jetzt wollte ich Sienur von der Lage unterrichten und Ihnenmitteilen, daß die Kabinentür ab sofort un-verschlossen bleibt. Trotzdem möchte ichSie bitten, nicht im Schiff herumzulaufen.Sie können aber jederzeit Kontakt mit miraufnehmen, wenn Sie Wünsche haben. Ichhoffe, wir verstehen uns.«

»Wir sind also keine Gefangenen mehr?«vergewisserte ich mich.

»Betrachten Sie sich als unsere Gäste.«Mentares erhob sich. »Ich werde Ihnen denneuen Chefarzt schicken, sobald er mit denVerwundeten fertig ist. Ich nehme an, einigeStärkungsmittel werden Ihnen nicht scha-den. Wie geht es den beiden Frauen?«

»Wir können uns nicht beklagen«, sagteIschtar, ehe ich antworten konnte. »Aber ei-nige Medikamente für mein Kind würdennicht schaden.«

»Ich werde Arthamor entsprechend infor-mieren«, versprach Mentares und verließuns, ohne die Tür zu verschließen.

Ich warf Fartuloon einen Blick zu undwollte etwas sagen, schwieg aber dann, alsich sein Gesicht sah. Es verriet angestreng-tes Nachdenken und Konzentration. Dannhuschte so etwas wie Erschrecken über seineZüge, vermischt mit Unsicherheit.

Ich entsann mich der letzten Worte desneuen Kommandanten. Hatte er nicht einenNamen erwähnt? Arthamor oder so ähnlich

…?Fartuloon winkte mir zu. Er saß auf sei-

nem Bett und deutete stumm auf den freienPlatz neben ihm. Das bedeutete, daß er mitmir reden wollte, ohne daß jemand ein Wortverstand. Eiskralle und Corpkor mußten an-nehmen, daß es eine der üblichen Vorsichts-maßnahmen war, denn auch sie würdennichts hören können, wenn wir flüsterten.

Als ich neben ihm saß, sagte Fartuloonleise:

»Wenn ich nur genau wüßte, woher ichden Namen kenne! Es muß am Hof deinesVaters gewesen sein, vor vielen Jahren. Ichglaube, einer der Bauchaufschneider hieß so.Ja, Arthamor … jetzt erinnere ich mich.Hoffentlich erkennt er mich nicht wieder.«

»Das fehlte uns gerade noch«, gab ich er-schrocken zurück. »Aber wie kommt einArzt vom Hof auf dieses Schiff?«

»Er muß sich unbeliebt gemacht habenund wurde strafversetzt. Nun versucht ersich zu bewähren, und das könnte er in derTat, wenn er mich erkennt und gut kombi-niert. Man weiß, daß ich damals floh unddich als Kind mitnahm, um dein Leben zuretten.«

Das war allerdings eine böse Überra-schung. Wenn die Meuterer erfuhren, werwir wirklich waren, war es aus mit der gera-de erst begründeten »Freundschaft«. Die Be-lohnung, die Orbanaschol für meine Ergrei-fung ausgesetzt hatte, war zu hoch. Niemandwürde einer solchen Versuchung widerste-hen können. Erst recht nicht die Meuterer,die durch meine Auslieferung ihren Kopfretten – und Reichtum dazu erlangen konn-ten.

»Es ist schon lange her, vielleicht erkennter dich nicht«, flüsterte ich in FartuloonsOhr. »Kriech unter die Decken. Ich werdebehaupten, du schliefest. Vielleicht gibt ersich damit zufrieden.«

»Ich kann es ja versuchen …«Er legte sich ins Bett, während ich zu

Ischtar ging. Chapat sah mir mit seinen klu-gen Augen entgegen, die mehr Intelligenzverrieten, als er in seinem Babyalter besitzen

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durfte. Das war ein weiterer Gefahrenpunkt,den ich nie außer acht lassen durfte.

»Was habt ihr geflüstert?« wollte Ischtarwissen.

Ich schüttelte den Kopf.»Nichts von Bedeutung, meine Liebe.

Versuche jetzt zu schlafen, bis der Arzt nachuns sieht. Du wirst müde sein.«

»Ich fühle mich frisch und munter, Paren-don«, erwiderte sie und betonte mit Nach-druck meinen falschen Namen. »Sind wirnun keine Gefangenen mehr?«

»Die Strafversetzten haben sich ihrer Fes-seln entledigt und ihre Peiniger eingesperrt.Uns wird nichts geschehen, sorge dich alsonicht. Bald werden auch wir wieder freisein, Mentares ist ein gerecht denkenderMann.«

Davon war ich zwar nicht so ganz über-zeugt, aber ich wollte Ischtar und Crysalgiranicht beunruhigen.

Eiskralle und Corpkor vertrieben sich dieZeit mit einem mir unbekannten Spiel, zudem sie nichts als ihre Finger brauchten. Ichbeobachtete sie eine Weile, dann legte ichmich auf mein Bett und dachte nach.

*

Arthamor war nicht ganz so beleibt wieFartuloon, aber immerhin sah man ihm jetztnoch an, daß er bei Hof nicht schlecht gelebthatte.

Er kam allein und schloß die Tür. Ich sahihm entgegen.

Er begegnete meinem Blick und lächeltebreit.

»Nun, junger Mann, wie fühlen Sie sich?Ich bin der neue Chefarzt und damit für IhrWohl verantwortlich.

Ist der Dicke da krank?«Mit dem Dicken meinte er Fartuloon, des-

sen Körpermasse sich nur zu deutlich unterden Decken abzeichnete. Hastig sagte ich:

»Er ist nur müde, Chefarzt Artharnor. Erschläft. Es gibt keinen hier, der gesünderwäre als er.«

Er betrachtete mich forschend.

»Sie kennen meinen Namen?«»Mentares kündigte Ihren Besuch an.«»Ah, Mentares. Ich dachte, wir wären uns

schon früher einmal begegnet.« Seine Stim-me wurde lauernd. »Wäre das möglich …?«

»Kaum«, meinte ich gleichmütig. »Ichwar bisher noch nie an Bord eines Kriegs-schiffs.«

Er gab sich nicht damit zufrieden undbohrte weiter.

»Sie haben eine erstaunliche Ähnlichkeitmit einem Mann, den ich vor vielen Jahreneinmal kannte. Er lebt nicht mehr. Seltsam,aber ich habe vergessen, wer es war.«

»Sie wissen, daß er tot ist, aber Sie kön-nen sich nicht mehr an den Namen erinnern?Das ist unwahrscheinlich.«

»Das ist es nicht. Ich kannte zu vieleMänner, die sterben mußten.« Er studiertemein Gesicht mit einer Sorgfalt, die mir un-heimlich wurde. Ob er meinen Vater wirk-lich gekannt hatte? Möglich war es schon,denn Fartuloon erinnerte sich an seinen Na-men. »Doch das ist schon lange her. Nun ja,vielleicht ist es auch nur ein Zufall.«

Er kümmerte sich um die anderen, und ichwar überzeugt, daß er auch in ihren Gesich-tern bekannte Züge zu entdecken hoffte.Dann blieb er vor Fartuloons Bett stehenund zog an der Decke.

Ich begann allmählich zu schwitzen.»Nun wach schon auf, Dicker! Der Onkel

Doktor ist da.«Fartuloon mochte wohl einsehen, daß er

sich noch verdächtiger machte, wenn er wei-terhin den Schlafenden spielte. Er grunzteund richtete sich unwillig auf.

»Der Bauchaufschneider? Warum denn,ich fühle mich so wohl wie selten in meinemLeben.«

Arthamor starrte ihn verblüfft an, und ichwußte in der selben Sekunde, daß er Fartu-loon erkannt hatte. Vielleicht kannte er sei-nen Namen nicht mehr, aber er mußte wis-sen, daß er ihn gesehen hatte.

Endlich fand er die Sprache wieder.»Natürlich, am Hof des Imperators! Wer

sind Sie?«

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»Turoon ist mein Name. Was wollen Sievon mir? Sie tun ja so, als wären wir alteBekannte.«

»Ich glaube, das sind wir auch. Ihr Nameist nicht Turoon!« Er deutete auf mich.»Und das ist auch nicht Parendon, oder wieimmer er sich nennen mag. Bei allen Uni-versen, das ist eine Überraschung! Der SohnGonozals lebt! Und Sie, Faruton … nein,Fartuloon! Sie waren damals der Leibarztdes Imperators und flohen mit seinem klei-nen Sohn, als sein Vater bei der Jagd verun-glückte.« Er war so erschüttert, daß er sichsetzen mußte. »Das ganze Imperium suchtSie beide – und ausgerechnet ich finde Sie!Das nenne ich aber Glück …«

Leugnen war zwecklos, das wußte ich.Uns blieb nur noch der Versuch, ihn auf un-sere Seite zu ziehen, aber ich zweifelte dar-an, daß es uns gelingen würde. Arthamorwar zu geldgierig.

»Sie könnten sich irren«, sagte ich ruhig.»Stellen Sie sich vor, was geschehen würde,wenn sie uns Orbanaschol auslieferten undes würde sich herausstellen, daß Sie ihn nurtäuschen wollten. Sie haben sich auf die Sei-te der Meuterer geschlagen und wollen sichrehabilitieren – und haben sich geirrt! Es gä-be keine Strafe, die ausreichend genug wä-re.«

»Sie sind Atlan!« sagte Arthamor mit ei-ner Festigkeit, die keinen Platz für Zweifelließ. »Solche Zufälle gibt es überhaupt nicht.Ich habe Fartuloon erkannt, und Ihre Ähn-lichkeit mit Ihrem Vater ist kaum zu überse-hen. Jedes Leugnen ist zwecklos.«

»Ich könnte der Imperator sein«, erinnerteich ihn und beschloß, nun mit offenen Kar-ten zu spielen. »Und es ist möglich, daß iches auch eines Tages sein werde. Sie könntenan den Hof zurückkehren und eine bedeuten-de Stellung bekleiden. Der Imperator wäreIhr Freund.«

Arthamor schien wirklich einen Augen-blick mit dieser verführerischen Aussicht zuliebäugeln, aber dann machte er eine abweh-rende Geste.

»Ich bin keine Spielernatur. Was ich in

der Hand halte, das gehört mir auch. Siekennen die Losung Orbanaschols: Bringtmir seinen Kopf! Und genau das werde ichauch tun.«

Er ging zur Tür, drehte sich dort noch ein-mal um und zeigte auf mich.

»Keine Sorge, ich werde Sie lebendignach Arkon bringen, aber nur dann, wennSie sich ruhig verhalten. Jetzt muß ich mitMentares sprechen.«

»Das würde ich an Ihrer Stelle nicht tun«,knurrte Fartuloon.

»Und warum nicht?«»Sie wären gezwungen, mit ihm und den

anderen zu teilen.«Arthamor dachte darüber nach, dann sagte

er:»Das muß ich in jedem Fall, denn was

nützt mir mein Geheimnis, wenn Sie freiherumlaufen können? Früher oder späterwürden Sie mich hereinlegen. Nein, da teileich lieber. Außerdem ist Mentares meinFreund, und Freunde betrügt man nicht.«

Er trat auf den Korridor und verschloß dieTür.

Wir waren abermals gefangen. Doch un-sere Lage hatte sich nun erheblich ver-schlechtert, und ich begann mir ernsthafteSorgen um die Zukunft zu machen. Auf deranderen Seite würden auch die Meuterer ihreProbleme haben. Sie hatten ein Verbrechenbegangen, das sofort mit dem Tod bestraftwurde. Das wußte auch Mentares. Wer ga-rantierte ihm, daß Orbanaschol ihn schonte,auch wenn er mich auslieferte?

»Nun können wir wenigstens offen spre-chen«, unterbrach Fartuloon das bedrücken-de Schweigen und deutete vage gegen dieDecke, an der er wahrscheinlich die Abhör-vorrichtung vermutete. »Ich hoffe nur, Men-tares ist klüger als Arthamor mit seiner ver-pfuschten Laufbahn. Ich konnte ihn schondamals nicht leiden. Er war zu ehrgeizig undverriet seine Freunde um des eigenen Vor-teils willen. Ich bin überzeugt, daß er auchMentares betrügen wird.«

»Höchstwahrscheinlich ist das seine Ab-sicht«, unterstützte ich Fartuloons Bemü-

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hungen, Zwietracht zu säen.Ischtar ging mit dem Kind auf dem Arm

in der geräumigen Kabine hin und her. Ichempfing Chapats Gedanken sehr intensiv. Erhatte die Lage begriffen und dachte über dieRettungsmöglichkeiten nach. Er hatte damitgenauso wenig Erfolg wie ich.

»Was geschieht nun?« fragte Ischtar undblieb vor mir stehen.

Ich zuckte die Schultern.»Ich fürchte, wir werden es bald erfahren

…«

*

Mentares wirkte ruhig und überlegen, alser in Begleitung von drei bewaffneten Män-nern erschien. Arthamor war nicht zu sehen.

»Ihre Identität ändert natürlich die Situati-on«, begann er ohne Einleitung. »Wir wer-den Sie ausliefern, obwohl damit einigeSchwierigkeiten verbunden sind. Bis dahinhaben Sie sich wieder als unsere Gegange-nen zu betrachten. Es tut mir leid, aber esgibt keine andere vernünftige Lösung.«

»Es gäbe eine«, schlug ich vor und ver-suchte, überzeugend zu wirken. »Sie verges-sen, wer wir sind, und setzen uns irgendwoab. Sie selbst ziehen sich mit der ZENTAR-RAIN auf einen unbekannten Planeten zu-rück und warten, bis Orbanaschol gestürztist. Dann kehren Sie rehabilitiert nach Arkonzurück und haben für alle Zeiten ausgesorgt.Nun …?«

Er schüttelte den Kopf.»Das klingt verlockend, zugegeben, aber

wer garantiert mir, daß Sie Ihr Ziel jemalserreichen? In dieser Hinsicht denke ich reali-stisch. Ich jage keinen Hirngespinsten nach.Wir nähern uns dem arkonidischen Stütz-punkt Varlakor. Dort werden wir versuchen,den offiziellen Auftrag zu erhalten, Sie nachArkon zu bringen. Das allein rehabilitiertuns bereits.«

»Und Sie glauben, daß man mit Meute-rern überhaupt noch spricht? Ich muß sagen,Sie sind sehr naiv, Mentares, kein Mann je-denfalls, der es wagen dürfte, dem Großen

Imperium zu trotzen – und genau das ist esdoch, was Sie tun wollen.«

»Sie unterschätzen mich, Atlan. Ich habenur der ungerechten Behandlung durch Le-rathim und seine Handlanger getrotzt, nichtdem Imperium. Ich bin ein treuer Diener desImperators, und ich wäre ebenso der Ihre,wenn Sie Imperator wären.«

Ich sah ein, daß es wenig Sinn hatte, ihnumstimmen zu wollen. Er hatte sich ein Zielgesetzt, und er würde es unter allen Umstän-den zu verfolgen suchen, was immer auchgeschah. Tief im Unterbewußtsein machtesich bei mir allerdings der Verdacht breit,daß Arthamor seine eigenen Pläne hatte, vondenen Mentares nichts ahnte. Wenn dasstimmte, konnte sich daraus ein Vorteil füruns ergeben.

In der Tür erschien ein Mann, den ichvorher noch nicht gesehen hatte.

»Mentares, wir nähern uns Varlakor. Dievorgeschobenen Funkposten verlangen Iden-tifikation. Kommst du?«

Mentares scheuchte die drei Wachtpostenaus unserer Kabine. An der Tür wandte ersich um und sagte zu mir:

»Was immer auch geschieht, es würdewenig Sinn haben, wenn Sie irgend jeman-dem auf Varlakor etwas von einer Meutereiauf der ZENTARRAIN erzählen. Niemandwird Ihnen glauben, dafür sorgen wirschon.«

Ich starrte Sekunden später gegen die ver-schlossene Tür.

Fartuloon seufzte:»Und das alles nur, weil ich meinen

dicken Bauch noch habe! Ich hätte versu-chen sollen, abzunehmen, dann hätte michdieser verdammte Bauchaufschneider nichtwiedererkannt. In Zukunft werde ich weni-ger essen.«

»Wenn es für uns eine Zukunft gibt«,murmelte Eiskralle mutlos. »Jedenfalls wer-de ich versuchen, Orbanaschol die Hand zudrücken, wenn er uns zum Tode verurteilt.Das wird der schönste Augenblick meinesLebens sein, wenn ich sehe, wie er sich ineinen Eiskristall verwandelt.«

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»Soweit ist es noch nicht«, dämpfte ichseinen makabren Optimismus. »Vor unsliegt Varlakor. Wer weiß, was der Komman-dant des Stützpunkts von der ganzen Sachehält …«

*

Mentares befand sich tatsächlich in einerZwangslage. Sein ursprünglicher Plan, einenunbekannten Planeten außerhalb der Gren-zen des Großen Imperiums aufzusuchen undden Rest seines Lebens in Ruhe und Friedenin einer paradiesischen Umgebung zu ver-bringen, geriet ins Wanken.

Atlan befand sich in seiner Hand, dermeistgesuchte Mann des arkonidischen Ster-nenreichs. Aber wenn er dieses Faustpfandseiner eigenen Sicherheit leichtfertig aus derHand gab, war er verloren. Natürlich war eran einer Rehabilitierung unter diesen Um-ständen interessiert, wenn sie auch die er-wünschten Vorteile mit sich brachte. Dasaber war eben das große Problem.

Der Kommandant von Varlakor war eingewisser Daftokan Jalvor. Er kannte denMann nur dem Namen nach. War mit ihmein Geschäft zu machen – oder nicht? Konn-te er ihn bluffen? Würde der andere versu-chen, ihn hereinzulegen, um die sagenhafteBelohnung für sich allein zu kassieren?

Das alles waren Fragen, die Mentaresjetzt beschäftigten und unsichermachten.Und schließlich waren sie auch die Ursachefür seine Entscheidung, auf keinen Fall mitder ZENTARRAIN auf Varlakor zu landen.Er würde auch darauf verzichten, die wahreIdentität der Gefangenen preiszugeben.

Sein Entschluß stand plötzlich fest.»Kurrentos, rufe Arthamor über Interkom.

Ich will mit ihm sprechen.«»Ist es wegen der Gefangenen?«»Du hast es erraten. Er war es schließlich,

der sie erkannte, also soll er auch versuchen,Jalvor hereinzulegen.«

»Den Kommandanten von Varlakor? Ober das schafft?«

»Mit unserer Hilfe – bestimmt.«

»Der Funkposten von Varlakor hat aufunsere Identifikation positiv reagiert. Wirkonnten passieren. Es scheint also so zusein, wie wir vermuten. Der Rest unseresVerbandes hat noch keine Warnung gefunkt.Vielleicht sind sich die einzelnen Komman-danten auch nicht einig.«

»Es könnte auch eine Falle sein«, vermu-tete Mentares düster. »Warten wir, bis derStützpunkt Verbindung aufnimmt. Man wirdwissen wollen, warum wir allein kommen.Da haben wir eine gute Begründung: die Ge-fangenen.«

Arthamor kam in die Kommandozentrale.Er war sich seiner plötzlichen Bedeutungdurchaus bewußt und benahm sich dement-sprechend. Großspurig setzte er sich undstreckte die Beine weit von sich, als gehöreihm bereits das ganze Schiff.

»Du wolltest mich sprechen, Mentares?«»In kurzer Zeit werden wir Kontakt mit

Jalvor erhalten, der mit Sicherheit eine Er-klärung verlangt. Ich werde ihm sagen, daßunser Verband einen Auftrag erfüllt, wäh-rend wir wichtige Gefangene abliefernmöchten. Ich weiß, daß Jalvor überlastet ist.Er wird keine Zeit haben, sich um die Ge-fangenen zu kümmern, aber er wird sie zu-mindest sehen wollen. Natürlich darf ernicht erfahren, wer sie wirklich sind. Ich binüberzeugt, er wird uns damit beauftragen,sie selbst nach Arkon zu bringen, und damithaben wir es geschafft.«

»Und wenn er es nicht tut?«»Das ist unwahrscheinlich. Variakor ist

ein weit vorgeschobener Stützpunkt. Immerwieder erfolgen Angriffe durch die Maahks,außerdem dürfte der ganze Laden überorga-nisiert sein. Bürokratie also, und damit über-flüssige Arbeit für die Verantwortlichen. Be-sonders für Daftokan Jalvor, dem alles in dieSchuhe geschoben wird, wenn etwas nichtklappt. Der gibt uns den Marschbefehl undist froh, wenn er uns wieder los ist.«

»Kennt er den Kommandanten der ZEN-TARRAIN persönlich?«

»Lerathim?« Mentares zögerte. Daranhatte er noch nicht gedacht. »Ich weiß es

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nicht. Aber das ändert nichts. Wenn er nachihm fragen sollte, so erklärst du ihm, Lerat-him sei krank und könne nicht erscheinen.Schließlich bist du Bauchaufschneider.«

Arthamor seufzte.»Ich beginne zu begreifen, daß es gar

nicht so einfach ist, eine Belohnung zu kas-sieren. Wann ist es soweit?«

»Es kann nicht mehr lange dauern. Suchedir inzwischen die Leute zusammen, diedich begleiten sollen. Lege Wert auf ordent-liche Uniformen und gepflegtes Erscheinen.Die Gefangenen werden gefesselt, die Frau-en natürlich nicht. Wir sind ja keine Barba-ren.«

Arthamor grinste hinterhältig.»Warum behalten wir die beiden Frauen

eigentlich nicht für uns? Wenn wir uns ir-gendwo ansiedeln wollen …«

»Ich glaube, wir werden unsere Absichtenändern. Und außerdem: Weißt du, ob dieFrauen nicht eine extra Belohnung bringen?Für die Reichtümer, die wir erhalten, könnenwir uns tausend Frauen kaufen. Du mußtweiter denken, mein Freund. Und nun gehendlich. Es ist bald soweit.«

Arthamor verließ die Kommandozentrale.Seinem Gesicht war anzumerken, daß ernicht ganz zufrieden war. Eine Belohnungeinzustecken war einfach, aber dafür ein Ri-siko auf sich zu nehmen, das war eine ande-re Sache …

»Er hat Angst«, faßte Kurrentos seinenEindruck zusammen.

»Natürlich hat er Angst. Aber einer vonuns muß gehen. Wenn die Sache schiefläuft,haben wir noch immer die Möglichkeit, mitder ZENTARRAIN zu fliehen.«

Wenig später, nachdem sie alle Wach-sperren hinter sich gelassen hatten, meldetesich die Hauptfunkstation von Varlakor. Siegab die Landeerlaubnis für ein Beiboot be-kannt. Die ZENTARRAIN selbst sollte imOrbit bleiben.

»Sieht gut aus«, meinte Kurrentos erleich-tert. »Niemand hat verlangt, daß der Kom-mandant persönlich erscheint. Die werdennicht einmal vermuten, daß bei uns ein

Kommandowechsel stattgefunden hat.«»Hoffentlich«, murmelte Mentares, und er

war sich seiner Sache nicht so sicher wieKurrentos. Aber schließlich war es Artha-mor, der das ganze Risiko auf sich nehmenmußte.

*

Fartuloon war der einzige von uns, derschon von Varlakor gehört hatte. Als ich ihndanach fragte, meinte er:

»Eigentlich unbedeutend, dieser Stütz-punkt. Aber die Erfahrung beweist, daß ge-rade die Kommandanten solcher abseits ge-legener Bastionen am ehrgeizigsten sind.Und auch am gefährlichsten. Sie alle wollenbeweisen, daß sie zu Besserem geboren sind.Wenn man dort erfährt, wer wir sind, gibt eskeine Rettung mehr – allerdings auch nichtfür Mentares, Arthamor und Konsorten.«

»Was weißt du sonst noch von Varlakor?«drängte ich.

»Eigentlich eine verlorene Welt, um diesich niemand kümmern würde, läge sie nichtstrategisch günstig. Der einzige Planet einerroten Zwergsonne, Sauerstoffatmosphäre,die jedoch künstlich angereichert werdenmuß, weil die natürliche Vegetation fast völ-lig vernichtet wurde. Also kein besondersangenehmer Aufenthaltsort für jemanden,der grüne Wälder und Steppen liebt. Ich warnoch nie dort, aber ich hörte damals vielüber Varlakor. Daftokan war schon immerKommandant dort, einstmals Gonozal erge-ben, heute seinem Mörder.«

»Wie ist der Stützpunkt befestigt?«»Sehr gut. Die Oberfläche ist in Sektionen

eingeteilt, mehr weiß ich auch nicht. Nun,wir werden es ja bald herausfinden.«

Eiskralle und Corpkor verhielten sich un-gewöhnlich schweigsam. Sie beteiligten sichkaum an unseren Gesprächen, sondern wa-ren mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt.

Dann wurde ohne Ankündigung die Türaufgestoßen. Arthamor erschien mit einigenBewaffneten. In barschem Ton erklärte er:

»Die Männer werden gefesselt! Keine Ge-

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genwehr, wenn ich, bitten darf. Der Kom-mandant von Varlakor verlangt euch zu se-hen. Es kann nur euer Vorteil sein, wenn ihrdie falschen Namen nennt. Macht also kei-nen Fehler!«

Natürlich begriff ich sofort, warum unserewahre Identität geheim bleiben sollte. DerKuchen sollte nicht noch mehr verteilt wer-den.

Widerstandslos ließen wir uns die Ma-gnetfesseln anlegen. Die auf uns gerichtetenEnergiewaffen ließen uns keine andereWahl. Fartuloon allerdings konnte es nichtlassen, Arthamor als »verräterischen Dick-wanst« zu bezeichnen, was ihm einenSchlag ins Gesicht einbrachte.

Sie führten uns in den Hangar, wo eingroßes Beiboot auf uns wartete. Mentareswar nicht zu sehen. Er blieb also zurück undüberließ Arthamor das Risiko.

Während des kurzen Fluges gab es Funk-verkehr mit den Bodenstationen, aber denknappen Mitteilungen und Anfragen warnicht viel zu entnehmen. Jedenfalls passiertedas Beiboot sämtliche Kontrollen und setztedann zur Landung an. Arthamor war längstnicht mehr so selbstsicher wie.an Bord derZEN-TARRAIN. Immer wieder warf er unsBlicke zu, so als wolle er uns beschwören,Jalvor auf keinen Fall die Wahrheit zu sa-gen.

Ich war innerlich ganz seiner Meinung.Jalvor durfte nie erfahren, wer wir wirklichwaren. Wir würden ihm die Piratengeschich-te auftischen.

Die Luke öffnete sich. Arthamor stieg alserster aus und grüßte die wartende Wacht-mannschaft so lässig, als sei er der komman-dierende Admiral einer arkonidischen Ein-satzflotte. Man gab den Gruß zwar zurück,aber ohne besondere Ehrerbietung. Schließ-lich hatte man es mit einem Mann zu tun,der sich bewähren sollte.

Wir wurden in Fahrzeuge verbracht unddavongefahren.

Der Boden bestand aus einer Masse, aufder keine Pflanze Wurzeln fassen konnte.Darunter, so vermutete ich, lagen die unter-

irdischen Anlagen und Hangars. Am Hori-zont erkannte ich einige flache Gebäude, daswar alles.

Eine künstliche Welt, die einstmals viel-leicht ein Paradies gewesen war.

3.

Abgesehen davon, daß Daftokan Jalvor indienstlicher Hinsicht total überlastet war,war er auch noch auf die verrückte Idee ge-kommen, sich eine Freundin anzuschaffen.Piralla war eine sehr hübsche, junge Frau,die bei einer gesellschaftlichen Zusammen-kunft seine Aufmerksamkeit erregt hatte.Daß sie mit einem höheren Beamten verhei-ratet war, störte ihn nur für einige Tage,dann wurde der Beamte versetzt und durfteseine Frau nicht mitnehmen. Jalvor nahmsich ihrer liebevoll an.

Das kostete nicht nur Zeit, sondern auchNerven. Und mit denen war es nun wirklichnicht gut bestellt. Als die Nachricht eintraf,daß die ZEN-TARRAIN mit Gefangenen anBord Varlakor anflog, befand er sich geradein Gesellschaft von Piralla, der er verspro-chen hatte, alles in seiner Macht Stehende zuversuchen, ihren Gatten zurückzuholen – na-türlich nicht umsonst. Und Piralla bezahlteanstandslos, im wahrsten Sinne des Wortes.

Er verabschiedete sich ziemlich hastig, alser die Nachricht erhielt, das Beiboot desSchlachtschiffs sei gelandet. Mit der Rohr-bahn kehrte er in sein unterirdisches Haupt-quartier zurück und befahl, man solle dieGefangenen und die Begleitmannschaft zuihm bringen.

Sein Erstaunen war nicht gering, als erfeststellen mußte, daß nicht Wagor de Lerat-him selbst die Delegation anführte. Er hatteden Kommandanten einst kennengelernt undschätzte seine Gesellschaft. Der dicke Artha-mor gefiel ihm ganz und gar nicht.

»Das also sind wichtige Gefangene? Wersind sie? Was haben sie verbrochen? Warumwerden sie zu mir gebracht?«

Arthamor fühlte sich sofort überfordert.Mentares hatte es versäumt, ihm genaue In-

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struktionen mitzugeben. Und tatsächlich:welcher Verbrechen sollte man die Gefange-nen beschuldigen, ohne ihre Identität zu ver-raten?

»Sie wurden uns übergeben, und zwarvon den Maahks«, log er. »Wir kaperteneins ihrer Schiffe, und diese hier …«, erdeutete auf mich und meine Gefährten, »…fanden wir an Bord. Sie waren frei, demnachkann es sich nur um Deserteure handeln, umVerräter. Ich bin überzeugt, daß sie dem Im-perator überaus wichtige Informationen ge-ben können.«

Jalvor streifte ihn mit einem verächtli-chem Blick. Und er hatte sich so auf denAbend mit Piralla gefreut …

»Denkt Wagor de Lerathim das auch?«Arthamor nickte eifrig.»Selbstverständlich, darum bin ich ja hier,

um Sie zu bitten, uns den Marschbefehl nachArkon auszustellen. Wir wollten nicht selb-ständig handeln und …«

»Wer ist ›wir‹? Hat der Kommandeur ei-ner Schlachteinheit nicht die Befugnisse,selbständig zu handeln? Muß er mich fra-gen, wenn er nach Arkon fliegen will?« Erbetrachtete Arthamor mißtrauisch. »Warumist Lerathim nicht selbst gekommen? Washält ihn davon ab, einen alten Freund zu be-grüßen?«

»Zur Zeit befindet er sich in der Kranken-station und wird behandelt. Aber er gab mirden Auftrag, Sie herzlich zu grüßen.«

»So, tat er das?« Ich sah, daß Jalvor nochmißtrauischer wurde. Er wußte, wie dieMannschaften der Schiffe am Rande des Im-periums zusammengesetzt waren. Er trauteniemandem. »Wie wäre es, wenn ich ihm anBord der ZENTARRAIN einen Besuch ab-statten würde? Jetzt gleich …«

Nun saß Arthamor endgültig in der Falle,aber ich hatte am wenigsten Grund, michdarüber zu freuen. Das sollte ich schnell er-fahren.

»Oh … Kommandant … Lerathim …«»Wagor de Lerathim!« korrigierte Jalvor

mit Nachdruck.»Natürlich, Wagor de Lerathim – aber er

ist krank. Er hat mir Grüße für Sie aufgetra-gen, aber von einem Besuch hat er keinWort gesagt. Sein Stellvertreter ist OffizierMentares.«

»Mentares? Nie gehört. Welchen Dienst-grad bekleidet er?«

Unsere Lage war ernst, sogar todernst,trotzdem begann mich das Verhör zu amü-sieren.

»Dienstgrad … ah, ich glaube … ich …«»Meuterer schaffen Dienstgrade ab, habe

ich mal gehört«, unterbrach ihn Jalvor eis-kalt. »Raus mit der Wahrheit! Was ist aufder ZENTARRAIN geschehen? Was ist mitden Gefangenen? Lebt Lerathim noch, oderhabt ihr ihn umgebracht? Reden Sie, Artha-mor, Sie stehen unter Arrest!«

Die Begleitmannschaft Arthamors befandsich außerhalb des Raumes und konnte nichteingreifen. Es wäre wohl auch sinnlos gewe-sen, denn Jalvor brauchte sicher nur aufeinen Knopf zu drücken, um seine Leibgar-de zu alarmieren. Der Bauchaufschneidersaß unrettbar in der Klemme. Die ZENTAR-RAIN aber noch lange nicht …

»Kommandant Jalvor, ich habe Ihnen eineäußerst wichtige Mitteilung zu machen. Ichgebe zu, daß wir die ZENTARRAIN durcheine Meuterei in unseren Besitz brachtenund den Kommandanten wie seine Offizieregefangensetzten. Sie sind gesund und wohl-auf. Wir werden sie auf einem unbewohntenPlaneten absetzen, dessen Koordinaten wirnoch bekanntgeben. Aber …«

»Ruhe!« brüllte Jalvor ihn an. Er holte tiefLuft, ehe er fortfuhr: »Sie haben soeben Ihreigenes Todesurteil gesprochen! Ist Ihnendas klar? Sind Sie denn verrückt geworden…? Ich verstehe überhaupt nichts mehr!Was hat das mit den Gefangenen zu tun?«

»Das versuche ich gerade, Ihnen zu erklä-ren, Kommandant. Wir haben gemeutert, zu-gegeben. Aber wir hatten auch Grund dazu.Die Behandlung zwang uns dazu. Wir warenGefangene, die sich bewähren sollten. Wiekann das ein Mann, wenn er wie ein Verbre-cher behandelt wird? Warum behandelt manLeute, die sich eines Vergehens schuldig ge-

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macht haben, nicht wie Männer? Sie wärenmutiger, tapferer und für den Feind gefährli-cher. So aber staute sich der Haß gegen dieVorgesetzten auf, und es mußte der Augen-blick kommen, in dem er sich entlud. Das istgeschehen.«

Daftokan Jalvor begann sich von seinerÜberraschung zu erholen. Vor ihm stand einRädelsführer der Meuterer und berichteteihm ohne Scheu von den Motiven. Er hatteAngst, aber keine Todesangst.

Warum?»Sie sind erledigt, alle sind erledigt! Ich

brauche nur zu befehlen, und die ZENTAR-RAIN hat aufgehört zu existieren.«

Zu meiner Überraschung ließ sich Artha-mor kaum davon beeindrucken.

»Wagor de Lerathim aber auch«, sagte erruhig.

Jalvor starrte ihn wütend an.»Na schön, aber nun verraten Sie mir end-

lich, was der Trick mit den so überaus wich-tigen Gefangenen mit allem zu tun hat. Wa-rum sind Sie nicht geflohen? Warum habenSie sich nicht in Sicherheit gebracht, statthierher zu kommen?«

»Sie werden es gleich verstehen«, versi-cherte Arthamor, und ich begann zu ahnen,daß die Katastrophe bevorstand. »Die Ge-fangenen sind bedeutender als unsere Meu-terei, das können Sie mir glauben, Komman-dant Jalvor. Und wenn Sie klug sind, ist esdurchaus möglich, daß Sie in Zukunft eineneinträglicheren Posten bekleiden werden.Wissen Sie, wer der junge Mann dort ist, derneben dem Fettwanst sitzt und so unschuldigin die Welt schaut?« Er deutete auf mich.»Das ist der schon lange gesuchte Atlan, derSohn Gonozals, auf dessen Kopf eine unge-heure Belohnung ausgesetzt wurde. Orbana-schol III. würde die Meuterei einer ganzenFlotte verzeihen, wenn man ihm Atlan über-brächte. Verstehen Sie nun, warum ich zuIhnen kam?«

Nun war genau das geschehen, was ichhatte kommen sehen. Arthamor hatte unsund seinen neuen Kommandanten Mentaresverraten, um sich selbst zu retten.

Das Gesicht Jalvors war nicht zu be-schreiben. Es machte sämtliche Stadien vomUnglauben bis zum höchsten Entzückendurch. Er starrte mich an wie einen Geist,und als er endlich seine Sprache wiederfand,fragte er mich nur:

»Stimmt das?«Es hatte wenig Sinn, jetzt noch leugnen zu

wollen.»Es stimmt«, gab ich zu und fuhr fort:

»Mein Vater Gonozal, der Imperator, wurdedurch Orbanaschol umgebracht. Ich bin derrechtmäßige Nachfolger. Sie begreifen wohl,warum mein Kopf so wertvoll ist. ÜberlegenSie sich Ihre Entscheidung gut, denn eskönnte sein, daß ich mich später an sie erin-nere.«

Für eine Weile war er sprachlos, aberdann begriff er, welche schwere Entschei-dung er zu treffen hatte. Er sicherte sichnach allen Seiten ab.

»Sie bleiben in Haft, wer immer Sie undIhre Freunde auch sein mögen. Der Fall mußuntersucht werden. In wenigen Tagen wirdeine Inspektionsflotte von Arkon hier erwar-tet. Ihrem Kommandeur werde ich den Fallvortragen. Wenn es stimmt, daß Sie der ge-suchte Atlan sind, muß ich die letzte Ent-scheidung dem Imperator überlassen.« Erwandte sich an den total überforderten Ar-thamor: »Ich habe Sie nie in meinem Lebengesehen. Kehren Sie zur ZENTAR-RAINzurück und verschwinden Sie! Grüßen SieLerathim, falls er noch lebt. Ich habe immergedacht, er wäre klüger, aber er hat sich vonMeuterern überlisten lassen.«

»Aber der Gefangene … ich brachte ihnhierher und …«

»Sie werden ihn vergessen, so wie ich Ih-re Meuterei vergesse. Verschwinden Sie,ehe ich es mir anders überlege!«

Arthamor befand sich in einer verzweifel-ten Lage, wenn man von der meinen und dermeiner Gefährten einmal absah. Er warMentares Rechenschaft schuldig, der ihn mitdieser Aufgabe betraut hatte. Zweitens ver-lor er alles, was er sich durch meine Gefan-gennahme erhofft hatte. Rehabilitierung,

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Ansehen und Reichtum – das alles ging anJalvor, der nun am richtigen Drücker saß.

In diesem Augenblick hätte er mir fastleid getan, aber dann dachte ich daran, daßer nicht nur an seinem, sondern auch an un-serem Unglück schuld war. Hätte er von An-fang an den Mund gehalten, wäre es viel-leicht sein Vorteil gewesen, aber seine Hab-gier und sein unersättlicher Ehrgeiz hattenihn in eine Sackgasse getrieben, aus der esnun keinen Ausweg mehr gab.

»Nun?« fragte Jalvor ungeduldig. »HabenSie sich entschieden?«

Arthamor ging bis zur Tür. Sie öffnetesich automatisch.

»Ich habe noch eine Bitte«, sagte er fastunterwürfig. »Darf ich bis morgen bleiben?«

»Warum? Vielleicht ändere ich meinenEntschluß.«

»Wir waren viele Jahre im Schiff, undVarlakor soll Vergnügungen bieten …«

»Ich verstehe, Arthamor. Gut, bleibt bismorgen, aber wenn das Beiboot mittagsnoch nicht gestartet ist, werde ich meinenLeuten den Befehl geben, es zu kapern. Ichglaube, wir haben uns verstanden.«

»Danke, Kommandant«, erwiderte Artha-mor und verließ den Raum.

Ich war sicher, ihn nicht das letzte Malgesehen zu haben.

Daftokan Jalvor betrachtete mich mit ei-ner Mischung aus Neugier und Mitleid. Erwußte, welches Schicksal mir bevorstand,wenn er mich auslieferte. Aber genau daswar seine Absicht. Nie mehr würde sich ihmeine solche Chance bieten.

»Sind Sie wirklich der sagenhafte Atlan,der Sohn Gonozals?« fragte er schließlich.»Auch wenn Sie es abstreiten, werde ich denFall untersuchen lassen, es hätte also wenigSinn, leugnen zu wollen. Ersparen Sie sichund mir die Mühe.«

»Ich bin es«, erwiderte ich nur.Sein Blick fiel auf Fartuloon und dann auf

Eiskralle.»Und wer sind diese dort? Ihre Freunde,

nehme ich an. Der eine ist ein Chretkor – sonennen sie sich wohl. Die beiden Frauen,

was ist mit ihnen?«Ich erzählte ihm die Piratengeschichte. Es

genügte wahrhaftig, wenn er wußte, wer ichwar. Fartuloons Identität kannte er nicht,weil Arthamor erst gar nicht so weit mit sei-nen Erklärungen gekommen war.

Er rief nach seinen Leuten.»Bringt sie in das provisorische Untersu-

chungsgefängnis. Für heute ist es zu spät, siein das Fort zu schaffen. Und verdoppelt dieWachen! Wenn sie entkommen, geht eseuch an den Kragen.« Er sah mich an. »Wirsprechen uns morgen noch, heute habe ichkeine Zeit mehr dazu.«

Als wir das Gebäude verließen, das an derOberfläche stand, konnte ich das Landefeldund das Beiboot der ZENTARRAIN erken-nen. Einige der Meuterer hielten sich in derNähe auf. Einen Augenblick dachte ich dar-an, unsere vier Wachtposten niederzuschla-gen und den Versuch zu unternehmen, mitdem Beiboot zu flüchten, aber dann gab ichden Plan wieder auf. Mir allein wäre dieFlucht vielleicht geglückt, aber nicht uns al-len zugleich.

Unser Ziel war ein flacher Bau unmittel-bar neben dem Landefeld. Die Fenster wa-ren elektronisch vergittert und abgesichert.Zwei Wachtürme verrieten den Zweck desHauses.

Das provisorische Untersuchungsgefäng-nis.

Ehe sich das Tor öffnete, sah ich Artha-mor. Zusammen mit einem anderen Meute-rer stand er neben einem Flugtaxi am Randeeiner breiten Straße, die wohl in die naheStadt führte. Er blickte zu uns herüber, gababer keine Zeichen, wie ich es fast erwartethatte. Seine Gefühle konnte ich mir vorstel-len. Seine ganze Zukunft und sein Reichtumverschwanden in einer ( Gefängniszelle.

Immerhin in einer provisorischen Gefäng-niszelle.

Plötzlich wußte ich, warum er sich ausge-beten hatte, bis zum anderen Tag bleiben zudürfen. Nicht die Stadt und ihre zweifelhaf-ten Vergnügungen waren es, die ihn hielten,sondern ich. Er hatte noch nicht aufgegeben.

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Er plante, zumindest mich aus dem Gefäng-nis zu befreien.

Die vier Wachtposten trieben uns durchdas Tor in einen Hof, dann führten sie uns indas Gebäude und sperrten uns in eine großeZelle, die nur spärlich eingerichtet war.

Die ganze Prozedur war vor sich gegan-gen, ohne daß ein Wort gesprochen wurde.Die Tür schloß sich, und wir waren unsselbst überlassen. Es gab auch nichts zu es-sen oder zu trinken, aber wir verspürten vor-erst weder Hunger noch Durst.

Fartuloon kam zu mir und setzte sich ne-ben mich. Wir unterhielten uns nur flü-sternd.

»Wir sitzen verdammt tief im Dreck, At-lan.«

»Das weiß ich auch, aber vielleicht gibt eseinen Lichtblick. Arthamor ist viel zu geld-gierig, um den goldenen Fisch von der An-gel zu lassen. Außerdem hat er nun nichtsmehr zu verlieren. Ich glaube nicht, daß Jal-vor sein Wort hält und ihn starten läßt.«

»Willst du damit andeuten, daß er versu-chen könnte, uns aus dem Gefängnis zu ho-len?«

»Allerdings. Aber nicht uns, sondern nurmich. Aber es ist sein Pech, daß wir zusam-mengeblieben sind.«

»Du meinst wirklich, daß er ein solchesRisiko eingeht?«

»Für ihn ist es keins mehr. Wenn er ohneuns zur ZENTARRAIN zurückkehrt, läßtMentares ihn ohne Raumanzug zwischenden Sternen Spazierengehen. Hierbleibenkann er auch nicht. Was also bleibt ihm üb-rig?«

Fartuloon nickte.»Du hast recht, er hat keine andere Wahl.

Wir sind seine einzige Chance. Wann,glaubst du? Heute nacht?«

»Natürlich. Bereiten wir uns darauf vor.Wir müssen die anderen unterrichten, aberleise. Vielleicht gibt es auch hier Abhöranla-gen.«

Es fiel weiter nicht auf, daß wir in kleinenGruppen zusammensaßen und miteinanderflüsterten. Ischtar zeigte sich Chapats wegen

besorgt. Ich beruhigte sie:»Wenn wirklich das geschieht, was wir

vermuten, nehme ich das Kind, damit dumehr Bewegungsfreiheit hast. Ich bin nurgespannt, wie Artharmor es schaffen will,unbemerkt in das Gefängnis einzudringen.«

»Er ist listig.«»Das ist es ja, was mir Sorgen bereitet

…«Draußen mußte es schon dunkel sein, als

zwei Posten uns Essen und einen Krug Was-ser brachten. Ich versuchte, ein Gesprächmit ihnen zu beginnen, begegnete aber nurabweisenden Blicken.

Wir stärkten uns, dann riet ich meinenFreunden, ein wenig zu schlafen. Bald wür-den wir alle unsere Kräfte benötigen, um zuüberleben.

*

Meiner Schätzung nach war es gegen Mit-ternacht, als mich ein Geräusch weckte. Je-mand war an der Tür.

Natürlich konnte ich die Ortszeit nur ab-schätzen, da mir Rotation und Zeiteinteilungvon Varlakor unbekannt waren. Aber ichwußte ungefähr, wie lange ich geschlafenhatte. Schnell weckte ich Fartuloon, danndie anderen.

Die Tür öffnete sich, und herein trat Ar-thamor in der Uniform eines Chefarztes derarkonidischen Raumflotte. Er blinzelte mirzu, was die beiden Wachtposten, die hinterihm standen, nicht sehen konnten. Mit herri-scher Stimme sagte er:

»Kommandant Jalvor hat eine medizini-sche Untersuchung angeordnet. KommenSie mit! Der Kommandant des Gefängnissesstellt seine Amtsräume zur Verfügung, sodaß eine Überführung in die Stadt überflüs-sig wird.«

Das also war sein Trick! Er gab sich ein-fach als Beauftragter Jalvors aus. Wahr-scheinlich hielt sich dieser an einem unbe-kannten Ort auf und konnte nicht erreichtwerden. Ich konnte nicht ahnen, daß meineVermutung absolut richtig war. Jalvor war

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bei Piralla.Solange ich die beiden Impulsstrahler

schußbereit hinter mir wußte, konnten wirnichts unternehmen. Wir folgten Arthamor,der seine erste Enttäuschung darüber, nichtmich allein mitnehmen zu können, bereitsüberwunden hatte. Er mußte sich vorherschon über die Örtlichkeiten informiert ha-ben, denn er tat ganz so, als sei er hier zuHause.

Wir kamen im oberen Korridor an derWachstube vorbei. Die Tür stand auf, undich zählte drei weitere Posten. Das wareninsgesamt fünf.

Fartuloon sah mich an. Den Blick kannteich.

Unmerklich nickte ich.Wir hatten uns verstanden.Aber auch Corpkor und Eiskralle reagier-

ten blitzschnell, so als hätten wir den Über-fall in allen Einzelheiten genau geplant.

Ehe Arthamor überhaupt begriff, was ge-spielt wurde, und noch ehe er seine eigenenAbsichten, die mir nicht ganz klar waren, indie Tat umsetzen konnte, drehte ich michum und riß den beiden überraschten Postendie Waffen aus den Händen. Bevor sie rea-gieren konnten, schlug ich sie nieder undüberzeugte mich davon, daß sie für längereZeit bewußtlos waren. Dann kümmerte ichmich um Fartuloon und die beiden anderen.

Eiskralle hatte es natürlich nicht sein las-sen können, einem der drei Arkoniden in derWachstube »die Hand zu drücken«. Der Un-glückliche überlebte es nicht. Den beidenanderen erging es besser. Fartuloon hattesich mit seinem ganzen beachtlichen Ge-wicht auf sie geworfen und zu Boden ge-schleudert, ehe sie reagieren konnten. Corp-kor klopfte sie ab, um sich dann befriedigtaufzurichten und zu sagen:

»Mindestens für einige Stunden verneh-mungsunfähig.«

Das alles war so schnell gegangen, daßArthamor noch immer regungslos im Korri-dor stand und versuchte, das Geschehen zubegreifen. Ich ging zu ihm und zog den klei-nen Nadler aus seiner Tasche, den er vor-

sorglich mitgenommen hatte.»Wir haben Ihnen zu danken«, sagte ich

zu ihm und versuchte dabei, nicht ironischzu klingen. Der arme Kerl war keinenSchritt weitergekommen. »Bringen Sie unszum Beiboot.«

Ich sah, wie er erleichtert aufatmete. Ernahm also an, wir wollten mit ihm an Bordder ZENTARRAIN zurückkehren, und ichließ ihn in dem Glauben. Er ahnte nicht, wasich mir ausgedacht hatte.

Es war mir völlig klar, daß der unerlaubteStart des Beiboots Alarm auslösen würde.Man würde es verfolgen und stellen, denneine Flucht schien mir unmöglich zu sein.Und dann saßen wir abermals in der Patsche.

Das aber wollte ich vermeiden.»Draußen sind noch zwei Wachtposten«,

erklärte Arthamor hastig. »Sie werden unsnicht passieren lassen, wenn sie keinen Be-fehl dazu erhalten. Ich war schon froh, daßsie mich hereinließen.«

»Keine Sorge, mit denen werden wirschon fertig«, beruhigte ich ihn.

Ungehindert konnten wir das Gefängnisverlassen. Der Hof wurde von Scheinwer-fern hell angestrahlt. Das Tor war geschlos-sen. Wir konnten die gleichmäßigen Schritteder Posten deutlich in der stillen Nacht hö-ren. Ich nickte Arthamor zu.

»Sagen Sie ihnen, sie sollen das Tor öff-nen, weil Ihre Mission beendet sei!«

Arthamor ging zwei Schritte weiter, dannrief er:

»Öffnen! Hier ist der Chefarzt, der dieGefangenen untersuchte.«

Das war nicht besonders einfallsreich,dachte ich mir, aber schließlich handelte essich auch nur um ein provisorisches Unter-suchungsgefängnis. Da nahm man es nichtso genau. Jedenfalls dauerte es nur einigeAugenblicke, dann öffnete sich tatsächlichdas Tor.

Fartuloon, Eiskralle und ich waren inzwi-schen in Stellung gegangen. Kaum war derSpalt groß genug, uns durchzulassen, als wirnach vorn stürmten und die beiden ahnungs-losen Männer im Handumdrehen überwäl-

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tigten. Ihre Waffen nahmen wir an uns. EinKnopfdruck bewirkte, daß sich das Tor wie-der schloß, nachdem wir die bewußtlosenPosten in den Hof geschafft hatten.

»Ich kenne den Weg zum Beiboot«, erbotsich Arthamor, ehe ich ihn erneut auffordernkonnte, uns zu führen.

Wir folgten ihm, während ich versuchte,mir die Umgebung genau einzuprägen. Daes dunkle Nacht war, erkannte ich nur anden Lichtern die Lage der einzelnen Gebäu-de und der Stadt, die an der Oberfläche lag.Auch das Raumfeld war beleuchtet, abernicht so sehr wie das Gefängnis, das nunhinter uns lag.

Während wir gingen, teilte ich Fartuloonmeinen Plan mit. Arthamor ging voran, ne-ben sich Eiskralle und Corpkor. Er konntenichts hören.

»Bist du sicher, daß es der beste We-gist,Atlan?«

»Auf jeden Fall. Das Beiboot wird viel-leicht abgefangen, und damit hätte sichnichts geändert. Und selbst wenn es uns ge-länge, damit zu fliehen, wohin sollten wiruns wenden? Wir könnten natürlich versu-chen, die ZENTARRAIN zu kapern, aberdas halte ich für aussichtslos. Das Beibootselbst verfügt nur über einen beschränktenAktionsradius. Nein, ich glaube, wir bleibenhier.«

»Kein schöner Planet«, gab Fartuloon zubedenken.

»Stimmt, aber er bietet uns eine Mengevon Verstecken. Und ich bin ziemlich si-cher, daß wir hier auch ein Schiff finden, so-bald sich Jalvor über den Verlust seinesReichtums getröstet hat.«

»Hoffentlich behältst du recht«, sagte erund wischte sich den Schweiß von der Stirn.Es war warm und schwül, eine Folge derkünstlichen Klimatisierung von Varlakor.»Ich bin froh, wenn ich mal wieder richtigausschlafen kann.«

Wir erreichten das Landefeld. In der Fer-ne erkannte ich das Beiboot. Die am Randdes Feldes aufgestellten Scheinwerfer warennicht in der Lage, das gesamte Gelände

lückenlos zu erhellen. Es gab Unterbrechun-gen und regelrechte Schattentäler.

»Äußerst günstig«, meinte Arthamor.»Allerdings!« gab ich ihm recht.Er schien sich keine Gedanken über den

Verlust seines Nadlers zu machen, den icheingesteckt hatte. Natürlich mußte er anneh-men, daß wir froh waren, dem Gefängnisentflohen zu sein. An Bord der ZENTAR-RAIN würde er mir die Waffe wieder ab-nehmen lassen.

Er sollte sich täuschen!Unbemerkt erreichten wir das Beiboot.

Die Schleusenluke war geöffnet. Einer derMeuterer erwartete uns bereits.

»Alles in Ordnung?« fragte er.»Wir müssen mit Notstart abheben«, er-

widerte Arthamor. »Ist alles vorbereitet?«»Klerados sitzt schon hinter den Kontrol-

len.«»Gut.« Er wandte sich um und sagte zu

mir: »Los, steigt ein. Es wird höchste Zeit.«Ich warf Fartuloon einen Blick zu und

nickte unmerklich. Das sollte bedeuten, daßwir noch immer das taten, was Arthamorvon uns verlangte. Im Beiboot befanden sichhöchstens vier Meuterer, und die mußten wirausschalten, wenn unser Plan gelingen soll-te.

Also stiegen wir ein. Ich hatte meinen Im-pulsstrahler Corpkor gegeben und nur denkleinen Nadler behalten, den man in die Ta-sche stecken konnte. Die Strahler waren zuschwer und zu groß, um sie später am Kör-per verstecken zu können.

Als wir im Boot waren, befahl Arthamor:»Gebt mir die Waffen! Meinen Nadler

auch, Atlan!«Zwei der Meuterer unterstrichen seine

Forderung mit ihren eigenen Strahlern, de-ren Mündungen allerdings auf den Bodengerichtet waren. Fartuloon und Corpkor hat-ten die ihren bereits auf Narkose geschaltet,denn wir wollten niemanden töten.

Ich unternahm nichts und überließ die dreiArkoniden meinen beiden Freunden, diespielend mit ihnen fertig wurden. Es dauertenicht einmal drei Sekunden, da lagen sie be-

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wußtlos auf dem Boden des schmalen Korri-dors. Wir schoben sie in eine der angrenzen-den Kabinen und schlossen die Tür.

Die beiden übrigen Meuterer in der Kom-mandozentrale waren nun kein Problemmehr. Sie waren so überrascht, daß sie kei-nen Versuch der Gegenwehr unternahmenund sich fesseln ließen. Dann setzte ich michhinter die Kontrollen und programmierteden Robotpiloten.

Es war nicht meine Absicht, das Beibootin die ungewissen Tiefen des Universums zuschicken. Es sollte möglichst den Orbit derZENTAR-RAIN erreichen und von demSchlachtschiff aufgenommen werden. Dasaber mußte geschehen, ehe der Alarm aufVarlakor ausgelöst werden konnte.

Und das, so hatte ich mir ausgerechnet,würde einige Zeit dauern, da niemand wuß-te, was geschehen war und welche BefehleJalvor erlassen hatte. In der Zwischenzeitkonnten meine Gefährten und ich ein siche-res Versteck suchen, während man auf Var-lakor annehmen mußte, uns sei die Fluchtmit dem Beiboot gelungen.

Auf diesem Planeten jedenfalls, so kalku-lierte ich, würde man uns nicht mehr suchen.

Als ich aufstand, blieben uns nur wenigeAugenblicke. Die Frauen und Eiskralle war-teten schon draußen, während Fartuloon undich uns durch die Luke zwängten und sieschlossen.

»Richtung Stadt!« sagte ich. »Aberschnell!«

Wir hatten alle nur eine ungefähre Vor-stellung davon, wie es auf Varlakor aussah,aber bis jetzt hatte ich den Eindruck, es miteinem durchschnittlichen Stützpunkt des Im-periums zu tun zu haben. Das bedeutete indiesem Fall, daß sich die meisten Anlagenunter der Oberfläche befanden und die Kon-trollen ziemlich scharf waren.

Aber es würde auch Tausende von Ver-stecken geben.

Wir erreichten den Rand des Landefeldsund die Straße zur Stadt. Hinter uns war dasplötzliche Aufheulen des Antriebs, und dannsahen wir das Beiboot mit hoher Beschleuni-

gung in den Nachthimmel hinaufrasen.»Weiter!« keuchte ich atemlos. »Wir

müssen hier verschwinden!«Wir befanden uns vielleicht zehn Gehmi-

nuten vom Raumhafen entfernt, als dort dieHölle ausbrach. Unterirdische Energiege-schütze fuhren aus dem Boden und eröffne-ten mit Ferntorpedos das Feuer auf das uner-laubt gestartete Beiboot. Entweder hatte Jal-vor schneller reagiert, als ich angenommenhatte, oder seine Offiziere handelten eigen-mächtig. Jedenfalls begann eine gnadenloseJagd auf das Beiboot, in dem man uns ver-muten mußte.

Die Ferntorpedos lenkten sich automa-tisch ins Ziel, und nichts vermochte ihnen zuentkommen, wenn es nicht rechtzeitig inTransition ging.

Ich hatte die Automatik nicht auf Transiti-on programmiert.

Das, was ich nun befürchten mußte, tratkurze Zeit später ein.

Im dunklen Nachthimmel grellte ein flam-mender Blitz auf. Eine Miniatursonne ent-stand, als der Antrieb des Beiboots explo-dierte und sich das kleine Schiff in seineAtome auflöste. Ich hoffte in diesem Augen-blick, daß Arthamor und seine Begleiternoch bewußtlos waren und nichts von demwahrnahmen, was mit ihnen passierte.

»Nun muß Jalvor annehmen, wir seientot«, sagte Ischtar, und ich spürte die Er-leichterung in ihrer Stimme. »Er wird nichtnach uns suchen.«

»Trotzdem müssen wir vorsichtig sein«,warnte ich und dämpfte ihren Optimismus.»Es kann lange dauern, bis wir ein Schifffinden, das uns mitnimmt. Das Leben in ei-nem vorgeschobenen Stützpunkt verläuftstraff geregelt und organisiert. Ohne Kontaktzu zweifelhaften Charakteren, die es zumGlück überall gibt, wird man uns bald erwi-schen. Aber nun weiter! Verlieren wir keineZeit mehr …«

Während wir marschierten, versuchte ichmir Jalvors Reaktion auszumalen. Er mußteannehmen, der endlich gefangene Atlan seimit dem Beiboot geflohen und tot. Offiziel-

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len Stellen gegenüber würde er wohl allesverschweigen, denn er konnte niemals Orba-naschol gegenüber behaupten, Atlan getötetzu haben, ohne seinen Kopf als Beweis vor-zeigen zu können. Er würde nur den Zorndes Imperators auf sich ziehen, und das warsicherlich das letzte, was er wollte.

Fartuloon holte auf, bis er neben mir war.Eiskralle übernahm mit Corpkor und denFrauen die Führung. Die Straße war leer undohne jeden Verkehr. Sie führte durch einesteinige und vegetationslose Ebene.

»Soweit ich mich erinnern kann, gibt esein paar Flugstunden von hier entfernt einenHandelshafen, Sektion Elkinth genannt. Dereigentliche Stützpunkt hat damit kaum etwaszu tun, denn es ist ein ziviler Hafen. Wasdas bedeutet, weißt du …«

»Ich denke schon: zweifelhafte Existen-zen, verkrachte Offiziere und vielleicht so-gar gesuchte Schmuggler. Aber einige Flug-stunden sind eine hübsche Strecke, wennman sie marschieren will. Und die Rohrbah-nen, die es wohl geben wird, können wirkaum benutzen. Roboter kontrollieren un-fehlbarer als Arkoniden.«

»Warten wir es ab, Atlan. Wir findeneinen Weg.«

Das hoffte ich auch.Natürlich mußte ich froh sein, dem Mi-

krokosmos entkommen zu sein, der nichtviel mit unserem eigenen Universum zu tunhatte. Dort war ich meiner Aufgabe fernerdenn je gewesen. Doch nun, zurück in mei-ner Galaxis und in meiner Zeit, hatten sichdie Gefahren nicht verringert. Im Gegenteil,sie hatten eher noch zugenommen.

Ich nahm Chapat auf den Arm, um Ischtarzu entlasten. Sie lächelte mir dankbar zu undschritt schneller aus. Wir hatten Mühe, ihrzu folgen.

Hinter uns war plötzlich ein Licht. Fastgeräuschlos holte ein offenes Fahrzeug auf,in dem nur der Fahrer saß. Er war ein Robo-ter, wie wir bald erkannten.

Der Wagen hielt neben uns.Mit der typischen emotionslosen Stimme

eines noch primitiven Roboters wurden wir

aufgefordert, Platz zu nehmen. Es mußtesich um ein ziviles Transportmittel handeln,sonst wäre die Frage nach Ausweisen unver-meidlich gewesen.

Wir stiegen ein, ich setzte mich neben denFahrer. Er sah aus wie ein Arkonide, abersein Metallkörper war unbekleidet.

»Wohin wünschen Sie gebracht zu wer-den?« fragte er mich.

»Wie groß ist der erlaubte Aktionsradi-us?« erkundigte sich Fartuloon, der unmit-telbar hinter mir saß, ehe ich etwas sagenkonnte.

»Sektion Garthak bis Raumhafen«, lautetedie Antwort.

Dagegen war nichts zu machen. EineAusdehnung der Fahrt hätte nur den Ver-dacht der automatischen Positronik hervor-gerufen, die vorprogrammiert worden war.

»Gut«, sagte Fartuloon, »dann bringe unsin die Stadt.«

Ich spielte mit dem Gedanken, den Robo-ter außer Gefecht zu setzen und das Fahr-zeug zu übernehmen, verwarf ihn aber sofortwieder. Mit Sicherheit standen alle Roboterin Funkverbindung mit einer zentralen Steu-erkontrolle. Jeder Ausfall würde automa-tisch registriert und aufgeforscht werden.Wir würden nicht weit kommen.

Die Lichter der Stadt kamen schnell nä-her. Sie waren nicht mehr so hell wie vorher,denn der Morgen begann bereits zu grauen.Es wurde höchste Zeit, daß wir ein sicheresVersteck fanden.

Die ersten Straßen, die wir überquerten,waren ebenfalls leer. So etwas wie einNachtleben schien es auf Varlakor nicht zugeben, wenigstens nicht in der Sektion Gar-thak, die als Rechenzentrum und Komman-dostelle des Stützpunkts galt.

Das Fahrzeug hielt an, als wir einen run-den Platz im Zentrum der Stadt erreichten.Wir stiegen aus und hüteten uns, dem Ro-botfahrer für seine Freundlichkeit, uns mit-zunehmen, zu danken. Das hätte nur denVerdacht der Kommandozentrale hervorge-rufen, mit der er in Verbindung stand. Wirkonnten froh sein, wenn der unprogrammä-

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ßige Transport nicht auffiel.Ein wenig ratlos standen wir auf dem

Platz und betrachteten die Fronten der fla-chen und langgestreckten Häuser, die denEindruck erweckten, als seien sie nur einNotbehelf.

»Wir müssen unter die Oberfläche, bevores Tag wird«, riet Fartuloon, der sich besserauskannte als ich. Er hatte schon genügendsolcher Stützpunkte gesehen. »Als Arkoni-den erregen wir zwar kaum Verdacht, aberEiskralle mit seiner transparenten Figur wirdeinige Leute neugierig machen. Außerdemfällt es auf, wenn ständig einer von uns miteinem Baby im Arm herumläuft.«

Da hatte er natürlich recht.Aber wo war der Eingang zum unterirdi-

schen Teil der Sektion Garthak? Ich konntekeinen entdecken.

Wir irrten eine Zeitlang durch verschiede-ne Straßen, während es schnell heller wurde.Bald würde die rote Sonne aufgehen und dieStadt zum Leben erwachen. Bevor das ge-schah, mußten die beiden Frauen und Cha-pat von der Bildfläche verschwunden sein.

Leichter gesagt als getan.Wieder einmal war es Fartuloon, der

einen Erfolg für sich verbuchen konnte. Erdeutete nach vorn:

»Los, und Beeilung! Ein Notausstieg,nehme ich an, dafür aber wahrscheinlich un-bewacht. Es kann uns höchstens passieren,daß wir vor einer verschlossenen Tür stehen,aber wozu haben wir die beiden Impuls-strahler?«

Wir rannten, bis wir den übertunneltenNiedergang erreichten. Die Stufen bewiesen,daß es sich in der Tat um einen Notausstieghandelte. Ein Lift oder ein Rollband warennicht vorhanden.

Wir hasteten weiter und waren froh, alswir das beginnende Tageslicht nicht mehrsahen. Einige Abzweigungen irritierten uns,aber wir mußten Fartuloon recht geben, dermeinte, es sei absolut gleichgültig, wohinwir uns wendeten. Eine Richtung war so gutwie die andere. Die Hauptsache war, wirfanden ein provisorisches Versteck.

Die befürchtete verschlossene Tür kamnicht. Ganz so streng, wie wir angenommenhatten, schienen die Kontrollen auf Varlakornun doch nicht zu sein. Aber das konnteauch täuschen. Überall gab es vielleicht ver-borgene Kameras und Mikrophone, die sichautomatisch dann einschalteten, wenn Licht-reflexe oder Laute wahrzunehmen waren.

Fartuloon und ich hatten nun die Führungübernommen. Corpkor und Eiskralle bilde-ten die Nachhut. Ischtar, Chapat und Crysal-gira blieben in der Mitte.

Wir folgten dem Hauptkorridor, derschwach beleuchtet war. Die Nebengängelagen im Dunkeln. Die ganze Zeit über hatteich das Gefühl, daß wir uns in der Richtungbewegten, aus der wir gekommen waren,aber das konnte auch eine Täuschung sein.Und, um ehrlich zu sein, es spielte auch kei-ne besondere Rolle. Wir mußten ein sicheresVersteck finden, das war die Hauptsache.

Und wir fanden es!Vom Hauptkorridor zweigte ein Gang ab,

der sich im ersten Augenblick nicht von denanderen unterschied, aber ich bemerkte daskleine Schild, das schlicht und einfach be-sagte, daß sich hier der Zugang zu den Not-unterkünften bei Angriffen aus dem All be-fand.

»Da ist jetzt bestimmt niemand«, flüsterteFartuloon, als ich ihn darauf aufmerksammachte. »Und wenn wirklich ein solcherAngriff erfolgt, wird niemand auf uns ach-ten.«

Wir folgten dem Gang, der in einem Saalendete. Ohne Zweifel handelte es sich umeine Art Massenquartier. Wir suchten weiterund entdeckten kleinere Räume, die der ge-hobenen Schicht vorbehalten waren. Wir be-schlossen, hier unser vorläufiges Lager auf-zuschlagen.

Eiskralle entdeckte Lebensmittelvorräte inHülle und Fülle, so daß wir auf keinen Fallverhungern würden. Die vorhandenen Bet-ten versprachen einen Luxus, den wir schonlange entbehrt hatten. Auch die Klimaanlagefunktionierte einwandfrei. Die Luft war reinund nicht so warm wie an der Oberfläche,

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trotzdem froren wir nicht.»Wir ruhen uns ein paar Stunden aus«,

schlug ich vor. »Dann werden Fartuloon undich auf Erkundung gehen. Wir sind am un-auffälligsten.

Eiskralle und Corpkor übernehmen hierdie Wache und den Schutz von Ischtar undCrysalgira. Sie behalten die Impulsstrahler.Uns wird der Nadler genügen.«

Der Schlaf tat uns gut. Als ich einigeStunden später erwachte, saß Fartuloon be-reits munter auf seinem Bett und schien indie Ferne zu lauschen.

»Hörst du es auch?« fragte er, als er sah,daß ich mich aufrichtete. »Da muß eine Fa-brik in der Nähe sein.«

Jetzt hörte ich es auch. Das Stampfen undBrummen schwerer Maschinen war unver-kennbar.

»Werften«, vermutete ich. »Auf denStützpunkten hier draußen wird gearbeitet.Man erhält die wichtigsten Fertigteile, diehier zusammengesetzt werden. Reparaturar-beiten werden ebenfalls durchgeführt. Essollte mich nicht wundern, wenn auf Varla-kor ganze Raumflotten entstehen, die dannvon hier aus direkt in den Einsatz gegen dieMaahks gelangen. Das würde auch erklären,warum alle Strafversetzten auf dieser Weltlanden.«

»Das sehen wir uns an«, schlug Fartuloonvor.

»Hegst du vielleicht die irre Hoffnung,hier ein Schiff für uns kapern zu können?Das schlage dir aus dem Kopf.«

Er grinste.»Natürlich nicht, aber vielleicht erhalten

wir einige Hinweise. Wir müssen mit denLeuten sprechen, sonst erfahren wir nie, wounerlaubte Geschäfte gemacht werden. Inmeiner Tasche befinden sich noch Kredit-münzen, und zwar einige von sehr hohemWert. Möchte den sehen, der nicht scharfdarauf wäre.«

Wir weckten Eiskralle, der nun die Wacheübernahm. Ich überprüfte den Nadler, der ei-ne absolut tödliche Waffe war und fast ge-räuschlos arbeitete. Er war voll geladen und

schußfertig. Ohne Schwierigkeit erreichtenFartuloon und ich den Hauptkorridor undfolgten ihm in Richtung des deutlicher wer-denden Maschinenlärms. Mehrmals begeg-neten wir Männern und Frauen in Arbeits-kleidung, die jedoch kaum Notiz von unsnahmen. Wahrscheinlich hielten sie uns fürMitglieder irgendeiner Kommission, von de-nen es genug geben mochte. Die Außen-stützpunkte wurden regelmäßig von solchenPrüfgruppen aufgesucht.

Es dauerte lange, ehe wir uns entschlos-sen, jemanden anzusprechen. Natürlich durf-te es kein intelligenter Techniker oder gareiner der Aufseher sein, die durch besondersauffällige Rockaufschläge kenntlich ge-macht waren. Sie würden uns nach der Er-kennungsmarke oder einer Identitätskartefragen.

Wir gerieten mitten hinein in eine Gruppeeinfacher Arbeiter, die uns mit scheuenBlicken betrachteten und fast schüchtern un-seren Gruß erwiderten. Ich überließ es Far-tuloon, Kontakt aufzunehmen.

»Wir sind von der Inspektion, die gesterneintraf«, sagte er, als handele es sich um dienatürlichste Sache der Welt. »Uns interessie-ren die Lebensbedingungen auf Varlakor.Können Sie uns da Informationen geben?«

Zwei oder drei gingen langsamer, die an-deren ließen sich nicht stören und eilten wei-ter. Sie schienen nicht schnell genug an ihreArbeitsstätte kommen zu können.

»Wir sind zufrieden«, gab schließlich ei-ner der langsamer gehenden Arkoniden Aus-kunft. »Wir werden uns nicht beschweren.«

»Das verlangt auch niemand«, teilte Far-tuloon ihm fast väterlich mit. »Die Arbeits-zeit ist gesetzlich geregelt, die Verpflegunggut? Wo wohnen Sie? Oben in der Stadt?«

Der Mann blieb stehen und sah Fartuloonso verblüfft an, daß ich fürchtete, meinFreund habe einen Fehler gemacht. Dannsagte der Arbeiter:

»Wir wohnen in der Sektion Samorth, allewohnen dort. In der Sektion Garthak lebennur die Beamten und Soldaten. Wir arbeitennur hier.«

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Fartuloon nickte beifällig, als habe er dasbereits gewußt und wolle sich lediglich ver-sichern, ob es auch stimme.

»Ach ja, Samorth, richtig. ZiemlicheStrecke, nicht wahr?«

»Mit dem Tunnelzug geht es schnell.Aber ich muß weiter, sonst komme ich zuspät. Meine Ablösung wartet sicher schon…«

Wir hielten ihn nicht auf. Als niemandmehr in Hörweite war, sagte Fartuloon:

»Tunnelsysteme und Unterdruckbahn –dachte ich es mir doch. Die Frage ist nur, obman uns eine Fahrkarte aushändigt. Geldwird man kaum annehmen. WahrscheinlichRobotkontrolle.«

Wir folgten dem Gang, aus dem die Ar-beitsgruppe gekommen war. Er mußte zu ei-ner der Bahnstationen führen, die wir unsansehen wollten. Unterwegs sprachen wir ei-ne Frau an, von der wir einige andere wich-tige Einzelheiten erfuhren.

Sektion Samorth war die Wohnsiedlungder Arbeiter und sonstigen Zivilisten. Sie lagan der Oberfläche, war aber nur mit derTunnelbahn zu erreichen, die ebenfalls zudem weiter entfernten Handelshafen Elkinthführte. In Samorth gab es auch die Vergnü-gungsviertel, teilte sie uns mit gerümpfterNase mit. Dort triebe sich allerhand Gelich-ter herum, und vielleicht wäre es sehr gut,wenn sich die Kommission einmal darumkümmern würde.

Wir versprachen es ihr und gingen weiter.»Scheint ja ein sündiges Dorf zu sein«,

vermutete Fartuloon. »Das sollten wir unswirklich mal ansehen. Vielleicht finden wirdort, was wir suchen. Hast du übrigens ebenden Luftzug verspürt? Das muß die Bahnsein. Scheint wieder Passagiere gebracht zuhaben.«

Wir erkannten den Bahnhof vor uns ander hellen Beleuchtung. Der Zug war ebenerst eingelaufen und entleerte sich. Die Ar-beiter beachteten uns nicht. Lediglich einAufseher schien sich zu wundern, daß wirdie entgegengesetzte Richtung wie die ande-ren eingeschlagen hatten, aber er stellte kei-

ne Fragen.Aus anderen Gängen wiederum strömten

die Ablösungsmannschaften auf den unterir-dischen Bahnhof, um den Zug, der nachSektion Samorth zurückfuhr, zu besteigen.

Und wir sahen das, was wir befürchtethatten:

Jeder der langen, zylinderförmigen Wa-gen hatte nur eine Tür, und jede dieser Tü-ren wurde von einem unbestechlichen Robo-ter bewacht. Sie kontrollierten die Reisendenund ließen sich Marken vorzeigen, erst dannließen sie sie passieren.

Wir konnten den Zug nicht benützen, oh-ne uns in größte Gefahr zu begeben.

4.

Ziemlich niedergeschlagen kehrten wir inunser Versteck zurück. Als wir berichtet hat-ten, sagte Corpkor zuversichtlich:

»Aber, Freunde, das ist doch alles halb soschlimm. Wir besorgen uns eben ein paarMarken, und dann fahren wir spazieren.«

»Und wie willst du die Marken besor-gen?« fragte ich. »So einfach wird das nichtsein. Wer trennt sich schon davon?«

»Freiwillig niemand, das ist klar. Wirnehmen sie jemandem ab.«

Das hörte sich ja ganz gut an, und wahr-scheinlich war es auch die einzige Möglich-keit, aus Garthak herauszugelangen. Fartu-loon und ich würden es bei Schichtwechselversuchen. Es kam nur darauf an, zwei oderdrei Arbeiter ein wenig abseits zu lockenund zu betäuben. Dann mußten wir sie inunser Versteck bringen und ihnen Kleidungund Marken abnehmen.

Das war alles.Ich hatte nun ein wenig Zeit, mich um

Ischtar und Chapat zu kümmern. Meine»Goldene Göttin« hatte ihren Optimismusnicht verloren. Froh, endgültig dem Henkerder Varganen entronnen zu sein, nahm sienun gern die Strapazen einer ständigenFlucht vor den Häschern Orbanaschols inKauf, wenn sie nur mit mir und unseremSohn zusammen sein durfte.

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Nachmittags schlief ich sogar ein, obwohlEiskralle und Corpkor ziemlich lautstark ihrseltsames Spiel mit den Fingern spielten.Fartuloon hockte dabei und versuchte, hinterden Sinn ihrer merkwürdigen Handbewe-gungen zu kommen, aber es gelang ihmnicht. Keiner der beiden machte Anstalten,es ihm zu erklären.

Ischtar weckte mich auf.»Es ist soweit, Atlan. Fartuloon kam eben

von einem kurzen Erkundungsgang zurück.Die Ablösung ist eingetroffen und begibtsich zur Arbeit.«

Ich glättete meine Kombination und folg-te Fartuloon, der vorausging. Kurz bevor derGang in den Hauptkorridor mündete, machteer eine Biegung, die nicht eingesehen wer-den konnte. Es war kaum damit zu rechnen,daß jemand den Gang vom Korridor her be-trat.

Eine Gruppe von Arbeitern kam vorbei.Wir warteten, bis die letzten die Gangmün-dung passierten, dann eilten wir hinterher.Wir hatten insofern Glück, als zwei derMänner ein wenig trödelten und hinter derGruppe zurückblieben. Wir holten sie einund hielten sie am Arm fest.

»Im Gang liegt ein Toter«, sagte Fartu-loon aufgeregt. »Gehört er zu eurerSchicht?«

Sie starrten uns ungläubig an, aber wir lie-ßen ihnen keine Zeit zum überlegen.

»Nun kommt schon mit, wir müssen ihnidentifizieren!«

Mein Ton ließ keine Widerrede zu. Wahr-scheinlich hielten sie uns für Beamte in Sön-dermission, jedenfalls gehorchten sie undkamen mit. Fartuloon ging voran, dann diebeiden Arkoniden, ich bildete den Abschluß.Die anderen Arbeiter waren längst ver-schwunden.

Der Rest war einfach.Tief genug im Gang überwältigten wir die

völlig Überraschten und zwangen sie, uns indas Versteck zu begleiten. Corpkor hatte deneinen Impulsstrahler auf starke Narkose ge-schaltet und betäubte unsere beiden Opfer.Sie würden mindestens zwei Tage ununter-

brochen schlafen. Nicht lange, und manwürde die Suche nach ihnen beginnen.

Hastig durchwühlte ich ihre Taschen, bisich die beiden Metallmarken und auch etwasKleingeld fand. Fartuloon zog sie aus, undwir wechselten die Kleidung. Unsere Kom-binationen ließen wir in der Obhut Ischtarszurück und beeilten uns, den Zug nach Sa-morth noch zu erreichen.

Es mußte der letzte Zug dieser Schichtsein, denn es stiegen kaum noch Passagiereein. Der Roboter überprüfte unsere Markenund ließ uns passieren.

Wir fanden ein leeres Abteil und setztenuns. Fartuloon warf mir einen bezeichnen-den Blick zu, schloß die Augen und lehntesich zurück. Er sah in der Tat aus wie einArbeiter, der froh ist, am Abend endlichnach Hause fahren zu können.

Der Wagen besaß keine Fenster. Sie wä-ren auch völlig überflüssig gewesen, denndie Bahn verkehrte nur unterirdisch. Als sichder Zug in Bewegung setzte, spürte icheinen enormen Andruck. Ich konnte an die-sem Andruck und an seiner Dauer die unge-fähre Geschwindigkeit abschätzen, die derZug erreichte. Nun brauchte ich nur noch dieZeit festzustellen, die er bis Samorth benö-tigte, dann kannte ich auch die Entfernungzwischen den beiden Sektionen.

Fartuloon hatte die besseren Nerven. Erschlief ein und begann zu schnarchen. Ein-mal kam ein Arkonide in der Kleidung desTechnikers vorbei, sah kurz zu uns hereinund wandte sich indigniert wieder ab, als eruns »gewöhnliches Volk« erblickte.

Als der Zug mit starker Abbremsunghielt, wäre Fartuloon fast aus seinem Sesselgerutscht. Er starrte mich einen Augenblickfassungslos an, ehe er in die Wirklichkeitzurückfand.

»Na, dann los ins Vergnügen!« knurrte erund schob sich vor mir her durch den Gang.»Aha, wieder eine Kontrolle …!«

Wir zeigten unsere Marken vor und konn-ten den Zug verlassen. Eine typische Er-scheinung der bürokratisierten Gesellschaft,dachte ich bei mir. Ohne Marke kam man

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nicht in den Zug, zusteigen während derFahrt im Tunnel war unmöglich, aber beimAussteigen wurde man abermals überprüft.

Von mir aus, bitte. Wir hatten ja die Mar-ken.

Ein Lift brachte uns nach oben. Und das,was uns da erwartete, verschlug uns für eini-ge Zeit den Atem.

Für die auf Varlakor verbannten Arkoni-den gab es so gut wie keine Erholung, aberauch Orbanaschol und seine Schergen wuß-ten, daß Sklaven auf die Dauer wertlos seinwürden, wenn man ihnen nicht ein wenigharmlose Abwechslung bot.

Sektion Samorth war nicht nur die Wohn-siedlung der Arbeiter, sondern auch ihr Ver-gnügungsviertel. Straßen und Häuser warenin grelles und farbenprächtiges Licht ge-taucht. Leuchtreklamen und Plakate locktenNeugierige an, zu denen, wie ich bemerkte,auch Raumfahrer der Handelsflotte gehör-ten. Sie waren es, die wir suchten.

Wir mischten uns unter die langsam vor-beischiebende Menge, was weiter nicht auf-fiel. Viele der abgelösten Arbeiter gingennicht erst nach Hause, sondern verschwan-den in Lokalen oder Videokinos.

Fartuloon deutete auf ein Haus, das vonlangsam nach oben steigenden und in allenFarben schillernden Rauchwolken eingehülltwar. Ich wußte nicht, was das bedeuten soll-te.

»Da gehen wir hinein, ich möchte malwieder Urwald und Meer riechen.«

»Bist du übergeschnappt?«Er grinste.»Keineswegs! Kennst du kein Dufthaus?«»Dufthaus? Was ist denn das?«»Ein Dufthaus ist ein Dufthaus! Na,

komm mit, ich zeige es dir. Wundert michnicht, daß sie so etwas hier haben. Der ganzePlanet stinkt ja regelrecht nach Synthetik.«

Ich vermochte nicht, mir unter einemDufthaus etwas vorzustellen. Aber schließ-lich war Fartuloon älter als ich und wahr-scheinlich auch mehr auf den Welten desImperiums herumgekommen. Er hielt schondas Kleingeld bereit, um den Eintritt zu be-

zahlen. Aber der Roboter am Eingang wolltenicht nur Geld, er wollte auch unsere Markesehen. Er prüfte, ob wir Freischicht hatten.

Im Innern gab es eine Menge Tische undfast ebensoviele hübsche Mädchen, die denGästen das Geld aus der Tasche zu lockenversuchten. Doch das war nicht der eigentli-che Sinn des Hauses.

Ich roch es sofort: Ozean! Salzwasser!Meeresluft!

Fartuloon zog mich zu einem freien Tischund bestellte irgendein Getränk. Dann jagteer zwei Mädchen fort, die sich zu uns setzenwollten.

»Wir befinden uns jetzt auf einem para-diesischen Planeten«, begann Fartuloon zuschwärmen und verdrehte genießerisch dieAugen. »Unmittelbar vor uns liegt ein gren-zenloses Meer mit klarem, sauberen Wasser– du kannst es riechen. Dann der Duft derblühenden Bäume am Strand – aha, da ist erschon.« Und nüchtern fügte er hinzu:»Wirklich gut organisiert, wie alles hier.«

Auf der gewölbten weißen Wand uns ge-genüber entstand genau das Bild, das Fartu-loon gerade geschildert hatte. Die Illusionwar so täuschend, daß ich fast meine Umge-bung vergessen hätte. Aber man roch undsah nicht nur das Meer und die Bäume, son-dern man hörte auch das leise Gluckern derWellen und das Rauschen der Zweige imWind. Darüber spannte sich ein makellosblauer Himmel, wie ich ihn bisher nur seltengesehen hatte. Der Strand bestand aus fei-nem, gelben Sand.

»Wundervoll, nicht wahr?« erkundigtesich Fartuloon stolz, so als sei er der Besit-zer des Dufthauses. »Genieße es, denn baldkommt ein anderes Bild. Manchmal servie-ren sie einem auch unangenehme Dinge, da-mit man sich wieder über die Wirklichkeitfreuen kann.«

Wir erlebten noch einen wilden Urplane-ten mit stinkenden Sauriern und muffigenWohnhöhlen primitiver Eingeborener, wur-den in eine moderne Großstadt des Imperi-ums versetzt und rochen vor der Pauseschließlich noch den Duft vieler Blumen.

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Ich war froh, daß es schummerig bliebund die Beleuchtung nicht voll eingeschaltetwurde. Das geschah wahrscheinlich mitRücksicht auf jene Gäste, die Animiermäd-chen am Tisch hatten. Trotzdem war es nochimmer hell genug, Einzelheiten erkennen zukönnen.

An einem Tisch saß eine ganze Runde ty-pischer Handelsfahrer. Sie schienen ziem-lich angeheitert zu sein, denn sie nahmennur wenig Rücksicht auf ihre Umgebung.Das konnten sie sich auch erlauben, dennschließlich waren sie keine Strafversetzten,sondern freie Zivilisten. Allerdings hattenauch sie bei der Landung Erkennungsmar-ken erhalten, um sich ungehindert auf Varla-kor bewegen zu können.

»Interessant, meinst du nicht?« flüsterteFartuloon mir zu. »Man sollte unauffälligmit ihnen ins Gespräch kommen. Es mußdoch ein Schiff hier geben, das von illegalenGeschäften existiert.«

»Wir können ja mal dumm fragen«,schlug ich vor.

Davon jedoch riet Fartuloon erschrockenab und meinte, wir müßten uns den Mannvorher genau ansehen. Ein einfaches Besat-zungsmitglied eines Frachters könne unsauch nicht weiterhelfen, wir müßten unsschon an den Kapitän wenden.

Die Frage war nur: wie fanden wir einen?Ich ließ die Gruppe nicht aus den Augen,

auch dann nicht, als der zweite Teil des Pro-gramms vor unseren Augen, Ohren und Na-sen abrollte. Dann erweckte jemand meineAufmerksamkeit, der zur Eingangstür her-eingeschwankt kam und mit grölender Stim-me nach seinen Männern rief. AllgemeinesGebrüll der fröhlichen Runde antworteteihm.

»Aufpassen!« riet Fartuloon, der den Vor-gang ebenfalls beobachtet hatte. »Das könn-te unser Mann sein …«

Er war stark und untersetzt gebaut undwirkte nicht gerade besonders intelligent,aber er war offensichtlich der Vorgesetzteder Gruppe, die wir den ganzen Abendschon beobachtet hatten.

Wir konnten fast jedes Wort verstehen,was an dem Tisch gesprochen wurde, denndie fröhliche Runde tat, als gehöre ihr dasEtablissement.

»Hallo, Skipper!« rief jemand. »Fein, daßdu da bist! Wie war es bei den Mädchen?«

Der so Angesprochene grinste von einemOhr zum anderen.

»Frag nicht so dämlich! Wie soll es schongewesen sein nach einer Ewigkeit auf unse-rem altersschwachen Kahn? Bestellt waszum Trinken, ich habe Durst. In wenigenTagen sind wir wieder unterwegs.«

Nach einer Weile wußten wir auch, mitwem wir es zu tun hatten.

Der Untersetzte war Handelskapitän Bas-norek und Eigentümer eines Frachters, derzwischen den Welten des Randgebiets pen-delte und nicht immer ganz saubere Ge-schäfte machte – also ganz genau der Mann,den wir suchten. Trotzdem konnten wir ihnjetzt nicht einfach ansprechen, denn es warja auch möglich, daß er lieber mit Jalvor alsmit uns ein Geschäft abschloß.

Fartuloon und ich überlegten, wie wir amsichersten vorgehen sollten, und als wir unsentschieden hatten, bereiteten sich Basnorekund seine Leute auf den Aufbruch vor. Siewohnten in einem billigen Hotel gleich umdie Ecke, denn die Strecke bis Elkinth warzu weit, um sie jeden Tag zurückzulegen,wenn es nicht unbedingt notwendig war.

Wir zahlten ebenfalls und folgten dem lär-menden Haufen, der sich durch die engenGänge zwischen den dicht stehenden Ti-schen zwängte.

Auf der Straße lockten die fröhlichenMänner Basnoreks sofort einen ganzenSchwarm geldhungriger Mädchen an, diemit freudigem Gebrüll begrüßt wurden.Gleichzeitig löste sich naturgemäß der Ver-ein auf, denn bei dieser Art von Abwechs-lung wollte jeder lieber für sich allein sein.

Basnorek blieb schließlich allein zurück.Er schien für heute genug zu haben. Er tor-kelte vor uns her und versuchte sich zu ori-entieren. Die Entgegenkommenden wichenihm geflissentlich aus, denn er rempelte je-

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den an, der ihm nicht aus dem Weg ging.Einfach ansprechen wollten wir ihn noch

nicht, das wäre zu verdächtig gewesen, alsowarteten wir auf eine Chance.

Die kam auch prompt, wie wir es erwartethatten.

Wir hatten vorausgesehen, daß es unver-meidlich war, denn Basnorek war inzwi-schen total betrunken. Zwei Möglichkeitenhatten wir uns ausgerechnet: entweder verlorer das Gleichgewicht und fiel hin, oder aberer begann Streit mit jemandem, der keineAngst vor ihm hatte. In beiden Fällen wür-den wir Gelegenheit erhalten, die Bekannt-schaft des Handelskapitäns zu machen.

Er fiel nicht hin, wenn es manchmal auchso aussah, dafür rannte er in eine Gruppeverkommen aussehender Gestalten, die ihnzuerst mit Hallo begrüßten, ihn dann jedochverprügeln wollten, als er sie verfluchte. Esmußte sich bei den Männern ebenfalls umRaumfahrer handeln, aber sicherlich von ei-nem anderen Schiff.

»Nun aber ran!« knurrte Fartuloon undsetzte sich in Trab.

Ich lief hinter ihm her und bereitete michauf einen ordentlichen Faustkampf vor, aberich kam um einige Sekunden zu spät. Basno-rek hatte zwei der ebenfalls nicht mehr ganznüchternen Männer niedergeschlagen, alsFartuloon schnaubend heran war und denRest niederwalzte.

Basnorek war sichtlich beeindruckt.Schwankend kam er auf Fartuloon zu undumarmte ihn stürmisch. Ich stoppte meinenvergeblichen Anlauf und kam gerade zu-recht, um Basnorek sagen zu hören:

»Freund und Retter, laß dich umarmen!Solche Männer wie dich könnte ich brau-chen. Dagegen sind die meinen Schwächlin-ge. Aber ich wäre auch allein mit den Kerlenda fertig geworden.« Er stieß einen, der sichgerade erheben wollte, mit dem Fuß zurück.»Kommt, wir müssen verschwinden, ehe je-mand die Polizei ruft. Wo ist denn nur meinHotel?«

Da konnten wir ihm leider auch nicht hel-fen, aber als wir ein Stück gegangen waren,

entsann er sich wieder.»Ihr kommt mit, Freunde, dann trinken

wir noch einen Schluck zusammen. DerAbend ist noch früh.«

»Wir müssen morgen zur Schicht«, sagteich. Innerlich war ich froh, eine vorläufigeUnterkunft gefunden zu haben, denn vordem nächsten Tag konnten wir nicht nachGarthak zurückfahren. »Aber wir habennichts gegen einen guten Schluck einzuwen-den.«

Er sagte uns die Richtung, und wir führtenihn, damit er nicht stolperte.

Zum Glück befand sich das Hotel ganz inder Nähe der Bahnstation, so daß wir späternicht lange würden suchen müssen. Er be-stellte beim Robotportier einige Flaschenund schleppte uns auf sein Zimmer – dasheißt, eigentlich schleppten wir ihn. Zuerstwollte er gleich im Lift schlafen und be-schwerte sich über die kleinen Buden, dieman hier als Luxusräume anbot, doch dannkonnten wir ihn überzeugen, daß wir nochnicht am Ziel angelangt waren.

Ein Robot brachte die Flaschen und Glä-ser und verschwand wieder. Ich wundertemich, daß er vergaß, unsere Marken sehenzu wollen.

Basnorek fiel auf sein Bett und begannsofort zu schnarchen. Uns schien er völligvergessen zu haben. Fartuloon winkte mirzu.

»Soll er sich ein wenig ausschlafen, daskann nicht schaden. Ein bißchen Ruhe tutuns auch gut, außerdem schlagen wir dieZeit so besser tot. Der erste Zug geht erst beiMorgengrauen.«

Wir machten es uns in den beiden Sesselnbequem, wurden aber nach einer Weiledurch Lärm auf der Straße aufgeschreckt.Vorsichtig sah ich aus dem Fenster.

Eine uniformierte Patrouille hielt die Pas-santen an und kontrollierte die Erkennungs-marken. Da ihre Besitzer nicht mehr ganznüchtern waren, kam es zu heftigen Diskus-sionen zwischen ihnen und der Polizei,Meist endete sie damit, daß der Angetrunke-ne trotz lautstarken Protests in ein Fahrzeug

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Page 37: Raumschiff der Meuterer

verfrachtet und davongefahren wurde.Unsere Befürchtung, daß man auch das

Hotel überprüfen würde, bewahrheitete sichzum Glück nicht. Aber Basnorek war wachgeworden.

»Wo kommt ihr denn her?« fragte er undsah uns mit großen Augen erstaunt an. »Istdies mein Zimmer oder nicht?«

Fartuloon setzte sich zu ihm ans Bett.»Aber Basnorek, hast du deine Freunde

schon wieder vergessen? Wir haben dir dochdas Leben gerettet, weißt du denn nichtmehr …?«

Langsam kehrte seine Erinnerung zurück.Er nickte und wäre dabei fast aus dem Bettgekippt.

»Richtig! Stimmt!« Er deutete auf mich.»Und der Kleine war auch dabei?«

Ich war nicht gerade klein, aber im ge-trübten Blickfeld des Kapitäns und im Ver-gleich zu Fartuloon konnte ich die Bezeich-nung ohne Gegenargument gelten lassen.

»Das ist Epnor«, klärte Fartuloon ihn aufund benutzte die Namen, die auf den beidenerbeuteten Erkennungsmarken standen.»Und ich bin Tulonfar. Die Flaschen sindgekommen, willst du etwas trinken, bevorwir dich verlassen?«

Jetzt wurde Basnorek plötzlich munter.»Ihr wollt schon gehen? Jetzt, wo es ge-

mütlich wird? Nein, ihr könnt mich nicht imStich lassen, jetzt nicht! Ich bin so froh, daßich euch getroffen habe. Bleibt, trinken wirnoch einen …«

Wir tranken nicht nur einen, sondernmehrere. Das Zeug hatte nur einen geringenAlkoholgehalt und schadete uns nichts, wohlaber Basnorek, der bereits mehr als genuggetrunken hatte. Er wurde immer gesprächi-ger.

Und dann kam er endlich zu dem Punkt,den wir vorsichtshalber nicht selbst ange-schnitten hatten.

»Ihr arbeitet also auf Varlakor? Ihr müßtverrückt sein, oder habt ihr etwas verbro-chen?«

»Nicht der Rede wert«, erklärte ich ihm.»Aber du weißt ja, wie das so ist. Mißgunst

und so … und schon haben sie uns hierherverfrachtet. Was glaubst du, wie gern wirhier weg möchten?«

So, nun war es heraus.Basnorek brauchte einige Zeit, um das

Gehörte zu verdauen, dann setzte er einehalbvolle Flasche an und leerte sie in einemZug. Er betrachtete uns mit glasigen Augen,aber ich hatte nicht das Gefühl, daß er nichtmehr denken konnte. Im Gegenteil, sein Ge-sicht verriet nur allzu deutlich, daß er in die-sem Augenblick sehr klar dachte.

»Ihr wollt hier weg?« vergewisserte ersich, und in seiner Stimme war etwas Lau-erndes. »Warum geht ihr dann nicht weg?«

»So einfach ist das auch nicht, Basnorek«,mischte sich nun auch Fartuloon ein, alswolle er damit bekunden, wie einig wir unsseien. »Praktisch werden wir hier gefangen-gehalten. Wie sollten wir auch wegkom-men? Passagierschiffe gibt es kaum, und dieKontrollen sind scharf. Man würde uns nichtan Bord lassen.«

Er betrachtete uns lange und forschend,aber noch zögerte er, mit seinem Angebotherauszurücken. Vielleicht war es kein Miß-trauen, das ihn davon abhielt, sondern seineangeborene Vorsicht, ohne die er wahr-scheinlich schon längst in einem Gefängnisgelandet wäre.

»Ich würde ein paar Männer wie euchbrauchen«, wiederholte er schließlich das,was er schon einmal im Scherz gesagt hatte.Aber diesmal meinte er es ernst. »Vielleichtgibt euch die Behörde hier die Ausreisege-nehmigung, wenn ich ein gutes Wort einle-ge.«

Fartuloon wehrte mit beiden Händen ab.»Das kannst du dir aus dem Kopf schla-

gen, Kapitän. Die haben noch nie jemandenausreisen lassen. Schade, wir hätten dir gerngeholfen.«

Fartuloon war unverschämt genug, denSpieß umzudrehen.

Basnorek sank in die Kissen zurück.»Wißt ihr was?« fragte er und schloß die

Augen. »Ich muß das überschlafen. Habt IhrPlatz in den Sesseln? Dann schlaft auch.

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Morgen reden wir weiter. Jetzt bin ich voll.«»Wir müssen morgen zur Arbeit«, erin-

nerte ich ihn.»Weckt mich rechtzeitig – mit kaltem

Wasser«, empfahl er uns.Wir sahen uns an. Fartuloon zuckte die

Schultern.»Schlafen wir auch ein paar Stunden. Wir

versäumen nichts.«Trotz der Ungewißheit gelang es mir nach

einiger Zeit, die Schnarchtöne meiner beidenZimmergenossen zu ignorieren und eben-falls in einen unruhigen Schlummer zu ver-fallen.

Ich träumte von einem herrlichen Meeres-strand auf einer paradiesischen Urwelt.

5.

Als Fartuloon mich weckte, roch es nachallen möglichen Dingen, nur nicht nach ei-nem Paradies. Basnorek schlief noch. Ichstand auf, öffnete das Fenster und wuschmich. Mit einem Glas Wasser kehrte ich insZimmer zurück.

»Hoffentlich erschrickt er nicht.«»Laß mich das machen, At … Epnor.«

Fartuloon nahm mir das Glas ab und entleer-te es behutsam über des Kapitäns friedlichenZügen. »So, das wird genügen.« Er gab mirdas Glas zurück und rüttelte solange an desSchlafenden Schultern, bis dieser erwachteund sich aufrichtete. Diesmal erkannte eruns sofort.

»Aha, ihr seid noch da? Bestens! Da kön-nen wir ja noch einmal über die Sache re-den. Ich habe es mir überlegt.«

»Du hast geschlafen«, erinnerte ich ihn.»Dabei kann ich am besten denken«, be-

hauptete er. »Also, wenn ihr wollt, dannnehme ich euch mit. Ich bin ohnehin knappan guten Leuten.

Abgemacht?«Fartuloon gab mir durch einen Blick zu

verstehen, daß ich den Rest ihm überlassensolle. Vielleicht hatte er recht, denn seingestriger Auftritt hatte Basnorek ungemeinimponiert.

»Da ist noch ein Haken an der Geschich-te, Basnorek. Wir sind nicht allein. Es sindnoch andere, die weg möchten. Können wirsie mitbringen?«

»Wenn es gute Leute sind, habe ich nichtsdagegen.«

»Es sind gute Leute, Kapitän. Ich verbür-ge mich dafür. Wie machen wir es nun?Bringst du uns nach Elkinth?«

»Unmöglich! Wie stellt ihr euch das vor?Offiziell darf ich mit der ganzen Sachenichts zu tun haben, das ist doch klar. Ihrmüßt schon selbst nach Elkinth kommen,wie, das ist mir egal. Dort erwarte ich euchin fünf Tagen. Einen Weg, euch unbemerktins Schiff zu bringen, finde ich schon. Aberdas ist auch alles, was ich tun kann.«

»Wie weit ist es bis Elkinth?«»Mit der Tunnelbahn ungefähr vier Stun-

den.«Ich rechnete mir in Gedanken aus, daß

man zu Fuß für diese Strecke etwa einenMonat benötigen würde, keinesfalls fünf Ta-ge.

»Also gut«, sagte Fartuloon. »Dann ist esabgemacht. Wir sind in fünf Tagen in El-kinth.«

»Erwartet mich im Tauschbecken derStadt. Verschafft euch andere Bekleidung,wenn möglich. Habt Ihr Geld?«

»Genug«, sagte Fartuloon, ehe ich »nein«sagen konnte.

Basnoreks Gesicht verriet noch mehr In-teresse als zuvor.

»Das ist sehr gut. Geld kann man immergebrauchen.«

Wir tranken noch eine Flasche auf dasGelingen unseres Plans, dann nahmen wirAbschied von Kapitän Basnorek.

Unangefochten konnten wir das Hotelverlassen und mischten uns unter den Stromder Arbeiter, der dem Bahnhof zustrebte.Wir zeigten unsere Marken vor und bestie-gen den Zug, der sich wenig später in Bewe-gung setzte. Leider waren wir nicht allein indem Abteil, so daß wir uns nicht unterhaltenkonnten. Aber das war jetzt auch überflüs-sig. Wir kannten unsere Rolle.

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Und vor uns lag ein wenig neue Hoff-nung.

*

Unser Optimismus erhielt einen schwerenSchlag, als wir nach kurzem Absetzmanöverendlich unser Versteck erreichten.

Corpkor hatte am Abend des Vortags al-lein einen Erkundungsgang unternommenund war noch nicht zurückgekehrt. Er besaßkeine Erkennungsmarke und würde bei jederKontrolle auffallen und festgenommen wer-den. Wahrscheinlich war das auch gesche-hen.

Wir drängten die Sorge um den vermißtenGefährten in den Hintergrund und berichte-ten von unserem bisher erfolgreichen Aus-flug. Die Frage war nur: wie gelangten wirnach Elkinth, ohne die Bahn zu benutzen?

Als wir alle Möglichkeiten durchgespro-chen hatten, kehrte die Sorge um Corpkorzurück. Wenn man ihn einem Hypnoverhörunterzog, würde er uns unweigerlich verra-ten, ob er wollte oder nicht.

Zum Glück ahnte er noch nichts von Ka-pitän Basnoreks Existenz. Aber unser Ver-steck war nun nicht mehr sicher. Wir muß-ten so schnell wie möglich ein anderes su-chen.

Da wir die Richtung nach Elkinth nunkannten – im Hotel hatte es eine entspre-chende Karte gegeben, die für jeden zugäng-lich an der Wand der Vorhalle hing –, war esvernünftig, diese auch gleich einzuschlagenund Corpkor einen versteckten Hinweis zu-rückzulassen.

Ich entsann mich eines uralten Spiels, dasmich schon als Kind fasziniert hatte. Einervon uns hatte einen gewissen Vorsprung er-halten und mußte sich verstecken, die ande-ren sollten ihn suchen und finden. Bedin-gung war jedoch, daß der Gesuchte an wich-tigen Stellen eine Spur hinterließ und so Fin-gerzeige gab, wohin er sich geflüchtet hatte.

Im Falle Corpkors war es nun wichtig,daß wir eine Spur hinterließen, die nur er le-sen konnte, nicht aber eventuelle Häscher

Daftokan Jalvors.Wir hielten eine kurze Besprechung ab,

dann war alles klar. Eiskralle erklärte sichbereit, die unauffällige Spur zu legen, die je-doch für Corpkor offensichtlich sein mußte.

Gegen Mittag brachen wir auf und nah-men Lebensmittelvorräte mit. Ischtar trugunseren Sohn, während Fartuloon ihr Paketzu dem seinen packte. Da Corpkor ohneWaffe gegangen war, besaßen wir noch im-mer die beiden Strahler und den kleinenNadler.

Eiskralle machte den Schluß, und dasnicht ohne Grund.

Das erste Zeichen brachte er gleich imVersteck an, und zwar an der Wand überdem Platz, an dem Corpkor geschlafen hatte.Er konzentrierte sich und berührte die massi-ve Kunstmasse mit seiner fast durchsichti-gen Hand. Sofort entstand Rauhreif, ein we-nig Nebel stieg zur Decke empor, dann zogEiskralle die Hand wieder zurück.

In der Wand war eine wenig auffälligeNarbe entstanden, die ungefähr die Umrisseeiner Hand aufwies. Niemand würde wissen,was das war und woher sie stammte, wohlaber Corpkor. Wenn er nicht verhört wordenwar, würde er allein zurückkehren und sichalles zusammenreimen. Hatte man ihn abergefaßt, kämen die Häscher ohne ihn undstanden vor einem Rätsel, falls sie den Ab-druck überhaupt entdeckten.

Bei jeder Richtungsänderung würde Eis-kralle einen solchen Abdruck hinterlassen.

Wir legten vorsichtig eine kurze Streckeauf dem Hauptkorridor zurück, bis wir einegrößere Abzweigung in Richtung Elkinthfanden. Wir mußten immer aufpassen, daßuns niemand entgegenkam oder uns einhol-te, denn eine Gruppe wie die unsrige warauffällig.

Ich mußte an Epnor und Tulonfar denken,die wir in unserem bisherigen Versteck zu-rückgelassen hatten, nicht ohne ihnen einezweite starke Dosis Narkosestrahlen zu ver-abreichen. Vor vier Tagen wachten sie be-stimmt nicht wieder auf und konnten bis da-hin auch keine Aussagen machen. Wenn

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Corpkor sie fand, wußte er sofort, was ge-schehen war, und wenn seine eventuellenHäscher sie entdecken, würden sie vorerstnichts mit ihnen anfangen können.

Der Korridor war schwach beleuchtet undendete weit vor uns an einem großen Tor.Wir hielten an, um zu beraten.

»Wir müssen weiter«, drängte Fartuloon,der mein Zögern mißverstand. »Tor odernicht Tor, wir können nicht mehr zurück.Dies ist die Richtung nach Elkinth! Irgend-wo finden wir später vielleicht ein Fahrzeug,das uns mitnimmt. Sehen wir uns das Tor anund finden wir heraus, was dahinter ist.«

Schon von weitem hörten wir, was hinterdem Tor war.

Die Geräusche verrieten es eindeutig.Dann standen wir vor dem Tor und such-

ten nach dem Öffnungsmechanismus, fan-den aber keinen. In Augenhöhe war einschmaler Schlitz angebracht, der mich aufden richtigen Gedanken brachte. Ich nahmEpnors Marke aus der Tasche und schob sievorsichtig bis zur Hälfte in den Schlitz hin-ein. Es dauerte nur wenige Augenblicke,dann ertönte ein leises Surren.

Das Tor glitt auf.Eiskralle hatte inzwischen sein Spurenzei-

chen neben dem Tor angebracht. Der eineFinger zeigte auf den Schlitz. Ein andererauf den glatten Boden, auf den ich nun mei-ne Marke legte, damit Corpkor sie fand.

»Jetzt haben wir nur noch eine«, bemerkteIschtar beunruhigt.

Ich gab keine Antwort.Wie erwartet befanden wir uns in einer

riesigen Montagehalle, in der kein einzigerArkonide zu sehen war, nur einige War-tungsroboter waren vorhanden. Sie kümmer-ten sich jedoch nicht um uns.

Die ganze Anlage arbeitete vollautoma-tisch und wurde positronisch gesteuert. Auflangen Laufbändern wurden die fertigge-stellten Teile abtransportiert. Es handeltesich meist um Waffenteile, die in einem an-deren Teil der unterirdischen Riesenfabrikzusammengesetzt wurden. Wahrscheinlichhatten Epnor und Tulonfar dort gearbeitet.

Wir gingen in der bisherigen Richtungweiter und kamen nun schnell voran, da wirhier kaum eine gefährliche Begegnung zuerwarten hatten und außerdem jederzeitschnell ein Versteck gefunden hätten. Eis-kralle versäumte es nicht, hin und wiedersein Zeichen anzubringen.

Mehrere Stunden marschierten wir durchdie gewaltige Anlage, dann erreichten wirendlich wieder eine breite Straße, die zwei-fellos in Richtung Elkinth verlief. Eingelas-sene Steuerschienen verrieten, daß auf ihrauch ferngelenkte Fahrzeuge verkehrten.

Und dann entdeckte Fartuloon wieder daskleine Schild, das wir schon kannten.

Notunterkunft für den Fall eines Angriffsaus dem All!

Das bedeutete zugleich, daß sich in derNähe ein Weg zur Oberfläche befand. Wirbeschlossen, hier unser zweites Lager aufzu-schlagen.

Wir luden das Gepäck ab und hielten esfür ratsam, zumindest den morgigen Taghier abzuwarten, um Corpkor Gelegenheitzu geben, uns einzuholen.

Als ich neben Ischtar auf dem bequemenLager Platz genommen hatte, fragte siemich:

»Was meinst du, ob er uns findet? Wirkönnen doch nicht ohne ihn weiter.«

Ich wußte keine Antwort auf ihre Frage,aber sicherlich hatte sie recht, wenn siemeinte, wir könnten Corpkor nicht im Stichlassen. Mehr als einmal hatte er mir das Le-ben gerettet und war in gefährlichen Situa-tionen immer ein zuverlässiger Freund ge-wesen.

»Wenn er morgen nicht auftaucht, geheich zurück und suche ihn«, versprach ichund schloß die Augen.

Aber ich konnte nicht einschlafen.Corpkors ungewisses Schicksal beschäf-

tigte zu sehr meine Gedanken.

6.

Natürlich war sich Corpkor darüber imklaren, daß er ein Risiko einging, wenn er

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sich selbständig machte, aber er verfolgtedabei ein ganz bestimmtes Ziel. Zwei Späh-trupps waren besser als einer, und der erstewar nun schon zu lange unterwegs. Er wollteherausfinden, was mit ihm passiert war.

Er teilte Eiskralle und den Frauen seinenPlan mit und stieß nur auf geringen Wider-stand, als er versprach, bald wieder zurückzu sein.

Von uns wußte er ja, was wir vorhatten.Er wollte uns folgen.

Der Zufall brachte es mit sich, daß ihm ei-ner der überall herumstreifenden Aufseherbegegnete, als er sich auf dem Weg zurOberfläche befand. Der Beamte schöpfte so-fort Verdacht und hielt ihn an.

Corpkor faßte einen schnellen Entschluß.Er schlug den Aufseher nieder und schleppteihn in einen Seitengang, nahm ihm die Mar-ke ab und zog ihn aus, um sich selbst dieUniform anzulegen. Seine eigene Kombina-tion behielt er darunter an, um sie nicht zuverlieren.

Vorsichtshalber richtete er dann den klei-nen Taschenstrahler auf den Kopf des ohne-hin schon Bewußtlosen und sorgte so dafür,daß er einige Zeit schlief.

Mit Uniform, Erkennungsmarke und Waf-fe ausgerüstet, setzte er dann seine Erkun-dung fort. Er stieg die Nottreppe hinauf undgelangte an die Oberfläche, aber bei Tages-licht sah Garthak noch trostloser aus als beiNacht. Er kehrte um und ging zum Bahnhof.

Während der normalen Arbeitszeit ver-kehrten hier nur wenige Züge, und als ge-wöhnlicher Arbeiter hätte der Roboter amWagen ihn sicherlich aufgehalten. Aber sokonnte er ungehindert passieren, als er seineMarke vorzeigte.

Er fand ein leeres Abteil und wartete. Zuseinem Mißvergnügen blieb er jedoch nichtlange allein. Ein anderer Aufseher sah ihn,als er im Gang vorbeikam, öffnete die Türund setzte sich zu ihm.

Corpkor gab den Gruß mit gezwungenerFreundlichkeit zurück und tat so, als sei ermüde von der anstrengenden Arbeit desAufsehens.

Der andere schien aber nicht müde sein zuwollen.

»Wollen Sie auch nach Samorth?« beganner das Gespräch. »Manchmal muß man dort-hin, finden Sie nicht auch?«

»Ja«, gab Corpkor einsilbig zurück, ohnedurchblicken zu lassen, daß er sein Gegen-über auf den nächsten unbewohnten Plane-ten wünschte.

»Ich kenne da ein paar nette Lokale undhübsche Mädchen«, blieb dieser jedoch hart-näckig. »Seltsam, daß ich Sie noch nie ge-troffen habe. Sie sind wohl noch nicht langein Garthak?«

»Noch nicht sehr lange, stimmt.«»Wo machten Sie denn vorher Dienst?«»Elkinth.«»Oh, Elkinth, der Raumhafen!« schwärm-

te der lästige Reisende. »Wie gerne würdeich nach dort versetzt werden! Man be-kommt die abenteuerlichsten Burschen dortzu sehen, und wenn man klug ist, kann manauch einen guten Fang machen, der einemdie Beförderung einbringt.«

»Hm …«»Ach, Sie haben damit wohl bisher kein

Glück gehabt? Sind Sie darum nach Garthakversetzt worden?«

»Möglich.«Wenn der nicht bald seinen Mund hält,

dachte Corpkor, gehen mir die Nervendurch. Der muß doch sehen, daß ich schla-fen will. Oder hat er vielleicht schon Ver-dacht geschöpft …?

Er beschloß, vorsichtiger und freundlicherzu sein.

»Ja, so ist das«, fuhr der fremde Aufseherunbeirrt fort. »Man erntet nur Undank – aberdas dürfen Sie nicht laut sagen. Was glaubenSie wohl, warum ich nach Samorth fahre?Ich will es Ihnen verraten: um zu vergessen!Ich müßte schon längst Kommandant eineskleinen Stützpunkts sein, und was bin ich?Eine Art Polizist, nicht mehr und nicht weni-ger.«

»Jawohl, Sie haben völlig recht! Auch ichwurde so behandelt. Nur hatte ich noch nieGelegenheit, nach Samorth zu fahren, ich

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bin erst einige Tage in Garthak.«»Das trifft sich ja ausgezeichnet! Ich wer-

de Ihnen alles zeigen, was Sie sehen wollen.Ich kenne mich da aus.

Meine Frau meint zwar, ich mache Über-stunden, aber Frauen müssen ja auch nichtalles wissen. Sind Sie auch verheiratet?«

»Ich habe keine Familie.«Und so ging das die ganze Fahrt, bis der

Zug endlich im Bahnhof von 'Samorth ein-lief und hielt. Corpkor ahnte, daß er denAufseher so schnell nicht mehr los wurdeund beschloß, gute Miene zum bösen Spielzu machen. Vielleicht ergab sich später eineGelegenheit, ihn einfach zu »verlieren«.

Torentok, so hieß der übereifrige»Kollege«, schleppte Corpkor in eine übleKneipe mit sogenannten »Vorstellungen«.Es gab billigen Wein zu trinken, der nachWasser schmeckte.

Corpkor langweilte sich entsetzlich beiden Verrenkungen der »Schauspielerinnen«,die sich auf der schmalen Bühne herum-drängten, denn er hatte ganz andere Sorgen.Er konnte ja auch nicht ahnen, daß Fartuloonund ich fast zur gleichen Zeit nicht weit ent-fernt im Dufthaus saßen.

»Gefällt es dir?« fragte Torentok, schonvertraulicher werdend.

»Sehr«, gab Corpkor zurück, obwohl esihm überhaupt nicht gefiel.

»Gleich zeige ich dir einen anderen La-den, da wirst du staunen. Wenn meine Frauwüßte, daß ich hier Überstunden mache …«

Der Kerl gefiel Corpkor immer weniger.Er überlegte krampfhaft, wie er ihn loswer-den konnte, ohne seinen Verdacht zu erre-gen. Er wollte Erkundigungen einziehen,aber nicht mit so einem Wüstling seine kost-bare Zeit vertrödeln. Die anderen im Ver-steck würden sich schon Sorgen um ihn ma-chen.

»Ich habe noch eine Verabredung«, sagteer schließlich, als er glaubte, Torentok seiangetrunken genug, um nicht mehr klar den-ken zu können. »Es war nett von dir, micheingeladen zu haben, aber nun muß ichwirklich gehen.«

Torentok blinzelte und meinte dann:»Verabredung? Mit wem denn? Ich mei-

ne, du bist fremd hier und kennst niemanden…?«

»Ein Bekannter aus Elkinth«, versuchteCorpkor den Fehler zu bereinigen. »Wirwollten uns heute hier treffen.«

»Und wo? Wie heißt der Schuppen?«Nun war Corpkor natürlich überfragt.»Ei, verflucht! Den Namen habe ich ver-

gessen.«»Auch den des Bekannten?« fragte Toren-

tok, mißtrauisch werdend.»Natürlich nicht. Aber das Lokal … oder

war es ein Hotel? Ich muß nachdenken.Vielleicht fällt es mir wieder ein …«

Torentok nippte zurückhaltender gewor-den, an seinem Wein.

»Du erzählst seltsame Geschichten, Corp-kor. Weißt du was? Ich glaube dir keinWort!« Er stellte sein Glas auf den Tisch zu-rück und bekam schmale Augen. »Du lügstschon die ganze Zeit!«

Corpkor versuchte es im Guten.»Rede keinen Unsinn, Torentok! Warum

sollte ich dich belügen? Du bist nur betrun-ken, das ist alles. Ich habe mich wirklich miteinem Bekannten hier verabredet. Was kannich denn dafür, daß ich den blödsinnigenNamen vergessen habe?«

»Vielleicht war es das Dufthaus«, schlugder Aufseher vor.

»Nein, das hätte ich behalten.«Es kamen noch andere Namen, aber Corp-

kor hütete sich, bei einem Ja' zu sagen. To-rentok wäre mitgekommen. Er mußte ihnanders loswerden. Aber wie nur?

Sie wechselten das Lokal, ohne daß sicheine Gelegenheit ergab, eine unverdächtigeTrennung vorzunehmen. Corpkor begannBlut und Wasser zu schwitzen. Torentokschob ihn durch die Eingangstür.

»Das hier ist etwas vornehmer, hier ver-kehren fast nur Kollegen von uns, nicht dasArbeitervolk. Dort drüben sitzen ein paarBekannte von mir. Ich werde dich ihnen vor-stellen.«

Das war natürlich das Allerschlimmste,

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was Corpkor passieren konnte, aber nun gabes kein Zurück mehr. Er bereute es nun, soeigenmächtig gehandelt zu haben.

Torentok wurde mit großem Hallo be-grüßt, auch Corpkor wurde freundlich, wennauch mit Zurückhaltung, akzeptiert. Er be-antwortete einige belanglose Fragen, dannsagte jemand:

»In Elkinth war ich längere Zeit statio-niert, auch als Aufseher in der Lagerverwal-tung der Händler. Wie geht es dem altenMarkendor in der Kantine?«

»Oh, ganz gut«, reagierte Corpkorschnell.

Leider hatte er den Fehler begangen, nichtdarauf zu achten, daß Torentok vorher mitdem Fragesteller geflüstert hatte. Sonst wäreer mit seiner Auskunft vorsichtiger gewesen.

Und so war er zu Tode erschrocken, alsder Mann sagte:

»Es geht ihm gut? Das ist aber erfreulichzu hören. Er ist nämlich schon vor längererZeit gestorben. Das wußten Sie nicht?«

»Ich … ich komme nur selten in die Kan-tine«, versuchte er sich herauszureden.

Die anderen Arkoniden am Tisch warenaufmerksam geworden. Sie unterbrachen ih-re Gespräche und hörten zu. Torentok sagte:

»Er kam mir von Anfang an verdächtigvor, dieser Corpkor. Ich bin überzeugt, daßer lügt. Vielleicht wird er sogar von der Po-lizei gesucht.«

»Das haben wir gleich«, erbot sich je-mand und stand auf. »Ich kenne jemanden inder Fahndungsabteilung.

Ein Anruf genügt, und wir wissen Be-scheid. Ich bin gleich wieder da.«

Corpkor sah mit gemischten Gefühlenhinter ihm her. Niemand kannte seinen Na-men auf Varlakor. Aber warum war er auchso leichtsinnig gewesen, diesem SchnüfflerTorentok nicht den Namen anzugeben, derauf seiner erbeuteten Marke stand? Viel-leicht half eine Ausrede.

»Laßt doch den Blödsinn, Freunde! Na-türlich habe ich Torentok einen erfundenenNamen genannt. Es muß ja niemand wissen,daß ich nach Samorth gefahren bin – oder

möchtet ihr gern, daß eure Frauen von eurenBesuchen hier erfahren? Na also!« Er griffin die Tasche und warf die Marke auf denTisch. »So heiße ich nun wirklich, und jetztwerdet endlich vernünftig!«

Torentok griff nach der Marke und be-trachtete sie.

»Barraskont also …! Hättest du auchgleich sagen können. Niemand von uns wür-de dich verraten. Ah, da kommt Jerkosschon zurück. Was macht er nur für ein Ge-sicht?«

Jerkos blieb stehen.»Ein Corpkor wird nicht gesucht, denn es

gibt überhaupt keinen Aufseher, der soheißt. Dafür wurde ein gewisser Barraskontsoeben in Garthak gefundenen der Nähe ei-nes Notausstiegs. Er wurde niedergeschla-gen und halbnackt liegengelassen. SeineMarke fehlt.«

Torentok warf sie zurück auf den Tisch.»Das ist sie! Er hatte sie bei sich!«Corpkor wollte in die Tasche greifen, um

den Strahler herauszuholen, aber die anderenreagierten schneller als er. Vereint fielen sieüber ihn her, entwaffneten ihn und führtenihn aus dem Lokal. Einer bezahlte die Ge-tränke und folgte nach.

»Ich habe ihn entdeckt!« rief Torentok.»Wenn eine Belohnung ausgesetzt ist, stehtsie mir allein zu.«

»Und ohne mich würdest du jetzt nochmit ihm saufen«, hielt Jerkos ihm entgegen.»Ich schlage vor, wir teilen uns alle die Be-lohnung, wenn es überhaupt eine gibt.« Erbog Corpkors Arm zurück. »Na, wie ist es?Bist du wertvoll genug, daß es sich lohnt?«

Corpkor hatte beschlossen, keinen Tonmehr von sich zu geben. Sollten sie ihn dochzur Polizei schleppen und dort abliefern. Erwürde schon einen Weg finden, wieder frei-zukommen. Wenn es doch wenigstens Tiereauf diesem verdammten Planeten gäbe. Diekonnte er in seinem Sinne beeinflussen, siewürden ihm helfen.

Was immer seine ehemaligen »Freunde«auch beschlossen, die Entscheidung wurdeihnen aus der Hand genommen. Eine der

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Streifen kam mit einem Fahrzeug die Straßeentlang und hielt, als sie Corpkor und seineBegleiter erblickten. Sie schienen wohl an-zunehmen, es handele sich um eine begin-nende Prügelei, wie es sie hier oft gebenmochte. Die Beamten stutzten zwar, als siefeststellten, daß es sich ausschließlich umAufseher handelte, aber sie kannten ihrePflicht.

»Was ist hier los?« wollte einer von ihnenwissen und klopfte auf den Kolben seinerDienstwaffe, wobei er Corpkor durchdrin-gend ansah. »Warum halten sie dich fest?«

Ehe Corpkor antworten konnte, kam ihmder fixe Jerkos zuvor:

»Er hat Barraskonts Marke. Wir habenihn erwischt. Gibt das eine Belohnung?«

Nun kam auch der Beamte dahinter, daßes sich nicht um eine der gewöhnlichenSchlägereien handelte. Ob es eine Beloh-nung gab, wußte er natürlich auch nochnicht, aber wenn es eine gab, dann würde ersie kassieren. Dementsprechend sagte er:

»Das wird noch entschieden. Übergebtihn mir und meinen Leuten. Falls ein Preisauf seinen Kopf ausgesetzt ist, werdet ihrbenachrichtigt. Zeigt mir eure Marken.«

Er notierte sici. die Namen und Nummernund gab die Marken zurück. Während Corp-kor abgeführt und zum Wagen gebrachtwurde, hörte er die Zurückbleibenden mit-einander streiten. Wahrscheinlich ging esum die zu erwartende Belohnung.

Wenn seine Lage nicht so bedrohlich ge-wesen wäre, hätte er schadenfroh sein kön-nen. So war er nur wütend, daß seine Missi-on ein so jähes Ende gefunden hatte.

Die Fahrt ging an der Oberfläche entlang.Bald ließen sie die Stadt hinter sich und er-reichten ein einsames Gebäude, das von ei-ner stabil aussehenden Mauer umgeben war.Am Tor stand ein Posten, der zuerst grüßteund dann öffnete.

»Aussteigen!«Corpkor befolgte den Befehl und wunder-

te sich, daß man ihm noch keine Fesseln an-gelegt hatte. Man führte ihn in eine kahleStube. Hinter einem Tisch saß ein höherer

Polizist, wahrscheinlich der Kommandantdes Polizeipostens.

»Wen bringt ihr denn da?«»Haben wir in Samorth aufgegriffen,

Kommandant. Muß der Mann sein, der Bar-raskont niederschlug, denn er hat seine Mar-ke und seine Uniform. Vielleicht wollte ervon Varlakor fliehen.«

Der Kommandant blätterte durch eine Ak-te und sah Corpkor an.

»Gestehen Sie?«Corpkor wußte, daß er seine Lage kaum

noch verschlimmern konnte. Störrisch schüt-telte er den Kopf.

»Ich sage überhaupt nichts!«Der Kommandant lehnte sich zurück.»So, Sie wollen nichts sagen? Na schön,

das hat auch Zeit bis morgen, dann wissenauch wir mehr über den Vorfall. Aber damitSie es schon wissen: Sie werden im Kellereingesperrt, dort werden Ihnen die RebbchenGesellschaft leisten. Viel Vergnügen bis da-hin …«

Corpkor hatte nicht die geringste Ahnung,wer die Rebbchen waren. Vielleicht ein spe-zieller Ausdruck für Landstreicher oderGauner, die man festgenommen hatte. Ihmkonnte es gleich sein, wer ihm Gesellschaftleistete, wenn sie nur den Mund hielten, da-mit er ungestört nachdenken und einenFluchtplan entwickeln konnte.

Sie brachten ihn eine Treppe hinunter,öffneten eine Holztür, was auf dieser fastvöllig synthetischen Welt geradezu einemWunder gleichkam, und gaben ihm einenStoß in den Rücken. Er stolperte in einendunklen Raum und hielt sich an der Wandfest, um nicht den Halt zu verlieren und zustürzen. Die Tür knallte zu, ein primitivesSchloß schnappte ein, dann war Stille.

»Ist hier jemand?« fragte Corpkor vor-sichtshalber, weil er es vermeiden wollte,auf einen anderen Gefangenen zu treten,aber er bekam keine Antwort.

Allmählich nur gewöhnten sich seine Au-gen an die Dämmerung. In einer Ecke wareine trübe Lampe, mehr Beleuchtung gab esnicht. Sie genügte jedoch, ihn allmählich

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seine Umgebung erkennen zu lassen.Die Zelle war ziemlich geräumig Mehrere

leere Lagerstätten standen ringsum an denWänden, aber von einem »Rebbchen« ent-deckte er keine Spur.

»Die spinnen, die Leute von Varlakor«,murmelte er schließlich und suchte sich einBett aus. Er setzte sich und streckte die Bei-ne von sich. »Möchte wissen, wie es den an-deren inzwischen ergeht. Mich jedenfallssind sie vorläufig los …«

Er hatte vorher Appetit verspürt, aber derwar ihm inzwischen gründlich vergangen.Nur Durst hatte er, und mit Wehmut dachteer an den billigen und schlechten Wein vonSamorth zurück. Da es aber nichts gab, we-der zu essen noch zu trinken, legte er sichlang und versuchte zu schlafen, was ihm na-türlich nicht auf Anhieb gelang.

Während er so vor sich hindöste und ver-geblich versuchte, einen Ausweg aus dermehr als heiklen Lage zu finden, hörte er einfeines Geräusch.

Es klang wie das leise Schaben einesstumpfen Messers auf Stein.

Er lauschte eine Weile, dann gab er esauf, die Ursache zu ergründen. Vielleichtversuchte ein anderer Gefangener, Kontaktmit ihm aufzunehmen. Es interessierte ihnvorerst nicht.

Etwas später schlief er ein.

*

Er wußte nicht, wie lange er geschlafenund was er alles für entsetzliche Dinge ge-träumt hatte, aber das schabende Geräuschweckte ihn. Es war lauter und intensiver ge-worden.

Nein, das konnte kein Mitgefangener sein.Das war überhaupt kein Arkonide, das warein Tier – oder mehrere. Jedenfalls Nagetie-re.

DieRebbchen?Er blieb ganz ruhig liegen und versuchte

sich zu konzentrieren. Eine telepathischeVerbindung war unmöglich, soweit hatte eres noch nicht gebracht. Es war vielmehr ein

einseitiger Hypnokontakt, dem er seinenEinfluß auf primitive Lebewesen zu verdan-ken hatte.

Er befahl das Aufhören des Nagens oderSchabens.

Es wurde sofort still. Kein Laut war mehrzu hören.

Corpkor entspannte sich und schöpfteneue Hoffnung. Nun kam es nur noch daraufan, wie groß diese Rebbchen waren und wassie alles konnten. Sie mußten zumindest un-angenehme Zeitgenossen sein, sonst hätteder Kommandant nicht hämisch auf sie hin-gewiesen.

»Kommt zu mir!« befahl Corpkor, sicherneut konzentrierend.

Das Schaben und Nagen begann erneut.Es war stärker als zuvor und kam näher.Corpkor rutschte von seinem Lager und gingdem Geräusch nach, bis er an die untere Sei-te der gegenüberliegenden Wand kam. DasNagen war nun genau vor seinen Füßen.

Er bückte sich, um besser sehen zu kön-nen und bemerkte den feinen, mehligenSteinstaub, der aus einer schmalen Ritze fielund den Boden zu bedecken begann. Es lagschon ein richtiger kleiner Haufen dort.

Aus der Ritze wurde langsam ein Loch, sogroß wie eine Faust.

Und dann schaute ein kleiner, spitzerKopf in das Gefängnis.

Corpkor mußte sich nun wieder konzen-trieren und dem Tier sanftmütige und fried-fertige Hypnoimpulse vermitteln, damit esihn nicht auch noch anknabberte. Seine Be-mühungen wareu von Erfolg gekrönt. Nurwar es nicht ein Rebbchen, das durch dasLoch schlüpfte, sondern gleich ein vollesDutzend.

Sie tummelten sich in dem Raum undsuchten allem Anschein nach etwas zu fres-sen. Corpkor begann sie zu bedauern, aberer hatte selbst nichts Nahrhaftes bei sich. Erüberlegte fieberhaft, wie er die possierlichenTierchen zu seiner eigenen Rettung einset-zen konnte.

Den Worten des Kommandanten nach zuurteilen, griffen die Rebbchen auch größere

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Lebewesen an. Wenn man sie auf die Polizi-sten hetzen konnte, war schon viel gewon-nen. Aber was würde das schon nützen? Mitden Energiestrahlern würde man ihnen denGaraus machen.

Es war überhaupt ein Wunder, daß mandie Plagegeister nicht schon längst ausgerot-tet hatte. Aber die Station lag weit außerhalbder Stadt am Rand der dürftigen Steppe.Vielleicht gab es hier wirklich noch so etwaswie einen Rest Natur.

Wovon mochten sie leben? Viel Freßba-res konnten sie in dieser sterilen Landschaftnicht finden, und die meisten der strafver-setzten Arkoniden waren noch ärmer daranals sie.

Corpkors suchender Blick fiel auf die Tür.Sie war, wie er schon früher bewundert

hatte, aus Holz.Tiere, die Stein zernagen konnten, wurden

auch mit dem viel weicheren Holz fertig.Vielleicht fraßen sie es sogar.

Als er damit begann, erneut seine Impulseauszusenden, reagierten die kleinen, ellen-langen Nager sofort. Sie beendeten ihre Su-che nach Nahrung und blieben dort sitzen,wo sie sich gerade befanden. Es war, alslauschten sie den unhörbaren AnordnungenCorpkors.

Dort ist Holz, dachte dieser intensiv undging zur Tür. Sanft strich er mit der flachenHand darüber, damit kein Mißverständnisentstehen konnte. Ihr sollt es fressen! Er zogeinen Kreis mit dem Finger um die Stelle, ander das Schloß auf der anderen Seite sitzenmußte. Hier ist es am besten …

Die Rebbchen sprangen wie besessen aufihn zu, schlüpften zwischen seinen Beinenhindurch und stürzten sich auf die Tür. IhreKrallen waren so scharf, daß sie in demHolz Halt fanden, dann begannen ihre fei-nen, spitzen Nagezähne zu arbeiten, als wür-den sie von unermüdlichen Motoren ange-trieben.

Corpkor stand staunend dabei und bewun-derte die Schnelligkeit, mit der die Tiere ihreAufgabe erfüllten. Sie fraßen das Holz tat-sächlich, so daß es kaum Sägemehl gab.

Aber in der Stille der Nacht mußte man dasNagegeräusch ziemlich weit hören können.Hoffentlich wurde kein Polizist darauf auf-merksam.

Um das Türschloß herum entstand einHalbkreis, während das vorher dort vorhan-dene Holz spurlos verschwand. Es war Cor-pkor klar, daß die Rebbchen zum erstenmalHolz fraßen, sonst wären die Türen längstdurch metallene ersetzt worden. Jetzt fielensie mit einem wahren Heißhunger darüberher.

Schließlich konnte er die Hand durch dieÖffnung stecken und den Riegel zurück-schieben. Der Schlüssel steckte, er drehteihn herum. Die Tür öffnete sich.

Kommt mit! befahl er den Rebbchen.Bleibt bei mir!

So leise wie möglich stieg er die Treppenempor, die zur Wachtstube und den Räumendes Kommandanten führte. Die Tiere blie-ben dicht hinter ihm und bewegten sich na-hezu geräuschlos. Sie gehorchten immerbesser.

Licht fiel auf den Korridor. Die Tür zurWachtstube war halb geöffnet. Vorsichtigsah Corpkor hinein und entdeckte nur eineneinzigen Mann, der mit aufgeknöpfter Jackein einem Stuhl saß, den Kopf auf den Tischgelegt und anscheinend schlafend.

Auf Zehenspitzen näherte er sich ihm undzog ihm den Strahler aus dem Gürtel. DerMann schlief so fest, daß er nicht erwachte.

Corpkor fragte sich, ob draußen beim Tornachts auch ein Wachtposten stand, oder obman es hier draußen damit nicht so genaunahm. Um das herauszufinden, mußte er sei-nen Gefangenen aufwecken. Er tat es, indemer ihm den Mund zuhielt.

Der Mann war so erschrocken, daß erauch ohne diese Vorsichtsmaßnahme keinenTon hervorgebracht hätte. Dafür sorgtenschon die Rebbchen, die auf dem Tischhockten und ihn lüstern betrachteten. Wahr-scheinlich würden sie ihn liebend gern auf-gefressen haben, wenn man es ihnen befoh-len hätte.

»Keinen Laut!« warnte ihn Corpkor.

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»Beantworte meine Fragen flüsternd, sonstlasse ich die Rebbchen auf dich los. Also:wieviel Posten sind beim Tor und wer istsonst noch außer dir wach?«

Der vor Schreck halb Gelähmte schütteltenur den Kopf, erst als Corpkor seine Fragewiederholte, gab er zu, daß die ganze Ver-antwortung auf ihm allein laste und alle an-deren schliefen oder auf Streife waren.

»Gut, dann wirst du einen Wagen nehmenund mich nach Samorth bringen. Vorher be-sorgst du mir eine Uniform und die entspre-chende Marke. Schnell, wir haben keineZeit! Denk an die Rebbchen!«

Es dauerte nicht lange, bis Corpkor sichumgezogen hatte. Die Marke war in Ord-nung. Er steckte sie ein, dazu einen kleinenTaschenstrahler. Dann schob er den ver-schüchterten Polizisten vor sich her in denHof. Die Rebbchen wollten folgen, aber sieerhielten den Befehl, in das Gebäude zu-rückzukehren und sämtliche Gegenständeaus Holz zu zernagen.

Damit erreichte Corpkor, daß auch die an-deren Gefangenen frei wurden und ihreFlucht Verwirrung stiftete. Er durfte damitrechnen, daß die Polizei in den nächstenStunden genug damit zu tun hatte, sie wiedereinzufangen.

Es war ein kleines, offenes Fahrzeug mitstarken Scheinwerfern. Corpkor setzte sichneben den Fahrer und hielt die Waffe auf ihngerichtet.

»Höchstgeschwindigkeit, wenn ich bittendarf! Und keine Dummheiten! Wenn uns diezurückkehrende Streife begegnet, Schein-werfer anlassen. Rufe ihnen zu, daß die Ge-fangenen entkommen sind und du in derStadt Verstärkung holst. Und dann weiter-fahren, was immer man auch antwortet. Ver-standen?«

Der immer noch fassungslose Polizistnickte wortlos.

Er kam nicht über die Sache mit denRebbchen hinweg.

Die Straße war eben und hatte kaum Kur-ven. Der Wagen entwickelte eine beträchtli-che Geschwindigkeit, was Corpkor auf der

einen Seite sehr gelegen kam, ihn auf deranderen jedoch beunruhigte. Er hatte dasGefühl, es nicht mit einem guten Fahrer zutun zu haben. Mit Leitschienen hätte er sichwohler gefühlt.

Im Osten dämmerte rot der Morgen. Eswurde schnell Tag.

Endlich tauchte am Horizont die Silhouet-te von Samorth auf.

Und damit leider auch eine scharfe Kurve,die um einen Felsen herumführte. Der Fah-rer verlangsamte seine Geschwindigkeitnicht, und so mußte das Unvermeidlichepassieren. Er verlor die Gewalt über denWagen, der über die Böschung raste, einStück durch die Luft flog und dann wiederauf den Rädern landete.

Corpkor hatte die Waffe fallen lassen, umsich festzuhalten. Der Fahrer hingegen wur-de aus seinem Sitz geschleudert und beende-te seinen Flug zwischen einigen vertrockne-ten Büschen. Der Wagen selbst wurde wenigspäter durch einige größere Steine gestopptund blieb stehen.

Corpkor prüfte nach, ob seine Knochennoch heil waren, nahm seine Waffe und klet-terte aus dem Fahrzeug. Er kümmerte sichum den Fahrer, der sich gerade wieder auf-rappelte. Es war ein Wunder, daß er denSturz überlebt hatte.

»Das nächste Mal bringe ich dich um!«versprach ihm Corpkor, wütend über denZeitverlust. »Los, wir müssen weiter!«

Aber der Antrieb blieb stumm. Außerdemsah das Fahrzeug so aus, als sei es gegeneinen Panzer gefahren. Selbst wenn es nochbewegungsfähig sein würde, hätte es wenigSinn gehabt, sich damit in die Stadt zu wa-gen. Die erste Streife hätte es unweigerlichangehalten.

»Na schön«, entschied Corpkor nach kur-zer Überlegung. »Dann gehen wir eben zuFuß. Du bleibst bei mir, und vergiß nicht,daß ich eine Waffe in der Tasche habe. Wirfahren nach Garthak.«

»Warum muß ich denn …?«»Keine Widerrede! Komm schon!«Der Marsch war nicht ungefährlich, denn

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wenn der Streifenwagen zurückkehrte,konnte er sie kaum übersehen. Zwar gab esrechts oder links von der Straße manchmalDeckungsmöglichkeiten, aber eben nicht im-mer. Doch zum Glück war das Geländeeben, so daß man weit sehen konnte undrechtzeitig gewarnt wurde.

Als die ersten Häuser vor ihnen auftauch-ten, erblickte Corpkor auf der Straße vorsich einen Wagen. Er zog seinen unfreiwilli-gen Begleiter in den gerade vorhandenenGraben und setzte ihm die Mündung desStrahlers an den Hinterkopf. Es erübrigtesich, den Mann zu warnen, der stocksteif ne-ben ihm in der Deckung lag.

Es war tatsächlich der Streifenwagen. Erfuhr sehr langsam und war voll besetzt.Zwei Polizisten brachten sechs oder siebenZivilisten in das Landgefängnis. Corpkorkonnte sich ausrechnen, daß sie in etwa ei-ner knappen Stunde eine unangenehmeÜberraschung erleben würden, und dannwürde es Alarm geben. Bis dahin mußte erbereits im Zug nach Garthak sitzen, denn zu-erst würden sie ihn wohl in Samorth suchen.

Sie gingen nun schneller und erreichtenbald die Peripherie der Stadt. Der Polizistkannte den kürzesten Weg. Er schien esselbst eilig zu haben, endlich nach Garthakzu kommen, um seinen unheimlichen Be-gleiter loszuwerden.

Niemand hielt sie auf, aber sie wurdenvon jedermann respektvoll und ein wenigängstlich gegrüßt. Alle schienen ein schlech-tes Gewissen zu haben, wenigstens wirkte esso. Eine kürzere Strecke benutzten sie, dieRollstege, die für privilegierte Personen vor-gesehen waren.

Endlich erreichten sie den Bahnhof. Seitihrer Begegnung mit dem Streifenwagenwar nicht ganz eine Stunde vergangen.

Es würde höchste Zeit.Sie passierten die Robotkontrolle und fan-

den ein Abteil. Der einzige Fahrgast, einverspäteter Arbeiter, räumte es eiligst, als ersah, wer da kam.

Der Zug lief nach schneller Fahrt in Gar-thak ein, und sie verließen ihn nach aberma-

liger Kontrolle. Corpkor teilte seinem Ge-fangenen mit, daß er ihn noch ein Stück indas Labyrinth hinein begleiten müsse, um si-cher zu sein, daß die Verfolgung nicht sofortaufgenommen werde.

Bald kannte er sich wieder aus. Rechtswar der Gang, in den er Barraskont ge-schleppt hatte. Der Polizist an seiner Seiteschien davon gehört zu haben, denn er warfscheue Blicke in die entsprechende Rich-tung. Wahrscheinlich sah er sich im Geisteauch schon dort liegen.

Drei Aufseher kamen ihnen entgegen. Siewaren bewaffnet und schienen sehr aufge-regt zu sein. Mißtrauisch blieben sie stehenund warteten, bis Corpkor und sein Begleiterauf ihrer Höhe anlangten.

»Es wurde Fluchtalarm in Samorth gege-ben, seid ihr deshalb unterwegs?«

»Ja, wir wurden informiert. Aber es wirdangenommen, die Entflohenen befinden sichnoch in Samorth. Die Bahn soll überwachtwerden.« Corpkor deutete auf ihre Strahler.»Sucht ihr sie hier?«

»Was heißt sie? Es ist doch nur einer ent-flohen …«

Also hatten die Rebbchen es doch nichtgeschafft, dachte Corpkor enttäuscht, aberihm blieb nicht viel Zeit, darüber nachzu-denken. Die Aufseher waren hellhörig ge-worden.

»Nur einer? Dann wurden wir falsch in-formiert.«

»Ja, nur einer, dazu in der Uniform einesPolizisten. Können wir eure Marke sehen?Wir haben das Recht zur Kontrolle in einemsolchen Fall, das wißt ihr. Vielleicht ist einervon euch der Mann, den wir suchen.«

»Er ist es!« rief Corpkors Begleiter über-raschend und machte einen Satz zur Seite,ehe ihn jemand daran zu hindern vermochte.»Er hat mich gezwungen mitzugehen!Schnappt ihn euch!«

Für einen Augenblick waren die drei Auf-seher verwirrt, denn sie konnten nicht soschnell entscheiden, wer von den beiden derentflohene Verbrecher war. Aber Corpkormachte es ihnen leicht. Er riß seinen Strahler

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aus der Tasche und begann zu laufen. Dabeirannte er die Unschlüssigen zuerst einmalum, und ehe sie sich aufgerappelt hatten,war er schon ein paar Dutzend Meter ent-fernt.

Sie nahmen die Verfolgung auf und eröff-neten das Feuer auf ihn.

Nun blieb ihm keine Wahl.Als der Korridor eine Biegung machte,

blieb er stehen und duckte sich hinter denVorsprung. Die drei Männer boten in demDämmerlicht ein nur undeutliches Ziel, aberCorpkor war ein ausgezeichneter Schütze.Ein besserer jedenfalls als die Arkoniden,wie sich bald herausstellte.

Zwei von ihnen wurden sofort getroffenund stürzten zu Boden. Der dritte huschte ineinen Seitengang und bestrich CorpkorsDeckung mit starkem Energiefeuer. Das Ge-stein begann zu schmelzen. Die Hitze wurdebald unerträglich. Hundert Meter weiterzweigte der Gang zum Versteck ab, aberCorpkor wußte, daß er es nur verraten wür-de, wenn er sich jetzt dorthin zurückzog. Ober wollte oder nicht, er mußte zuerst denverbliebenen Verfolger unschädlich machen.

Er wartete, bis der andere eine Feuerpauseeinlegte, dann rannte er auf die andere Seitedes Korridors und hielt sich dicht an derWand, während er schnell den Weg zurück-lief, den er gekommen war. Wenn sein Geg-ner ihn aufhalten wollte, mußte er aus sei-nem Versteck heraus.

Und das tat er auch. Breitbeinig stand erplötzlich mitten in dem Hauptgang, dieschwere Waffe in beiden Händen, um sicherZiel nehmen zu können.

Corpkor warf sich seitlich auf den Bodenund schoß sofort. Das schmale Energiebün-del traf den Aufseher mitten in die Brust,fuhr durch sie hindurch und prallte hinterihm schräg in die Wandung des Korridors.

Noch während der Gegner stürzte, wandtesich Corpkor um und rannte zurück, bis erden Seitengang zum Versteck erreichte. Erhatte viel Zeit vergeudet, und es mußte be-reits Mittag sein. Die Frage war, ob Atlanund iFartuloon schon zurückgekehrt waren.

Er war sicher, keine Spuren hinterlassenzu haben, aber er fürchtete sich vor den Vor-würfen, die ihn mit Sicherheit erwarteten.

Und dann hielt er erschrocken den Ateman, als er das Versteck leer fand.

Sie waren ohne ihn weitergezogen.Aber … wohin?

*

Als er seinen ersten Schock überwundenhatte, begann er damit, den Raum systema-tisch zu untersuchen. Es war ihm völlig klar,daß es einen besonderen Grund dafür gebenmußte, daß sie das sichere Versteck verlas-sen hatten. Zwar lagen die beiden Arbeiterimmer noch bewußtlos in einer Ecke, aberdas hatte nur wenig zu bedeuten.

Sie hatten ihm mit Sicherheit ein Zeichenhinterlassen.

Aber was für eins?Zuerst ging er zu seinem Platz, um nach-

zusehen, ob sie sein Bündel mit den Vorrä-ten mitgenommen hatten. Es war nicht mehrda. Dann entdeckte er den Handabdruck,maß ihm aber keine besondere Bedeutungzu. Erst später, als er den ganzen Raum nacheiner Spur vergeblich durchsucht hatte, fielihm der Abdruck wieder ein.

War das die Hand eines Arkoniden gewe-sen, die sich – als das Material noch frischund weich war – dort verewigt hatte?

Er ging noch einmal hin, und dann er-kannte er den Unterschied.

Eiskralles Hand! Daß er nicht gleich dar-auf gekommen war …!

Nun fiel ihm auch auf, daß einer der fein-gliedrigen Finger in Richtung des Ausgangszeigte. Wie Schuppen fiel es ihm von denAugen. Sie waren gegangen, aber sie wiesenihm den Weg.

Erleichtert atmete er auf. Atlan und Fartu-loon waren also heil und unversehrt zurück-gekehrt, aber wahrscheinlich wurden sie ver-folgt. Daher der überhastete Aufbruch, dereiner Flucht glich. Er sah ein, daß auch ernun keine Zeit mehr verlieren durfte, denndie Häscher konnten jeden Augenblick er-

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scheinen.Gleich am Ende des Ganges fand er den

zweiten Handabdruck, und dann bei derHauptabzweigung den dritten, der ihm dieRichtung wies.

Die Mittagsschicht eilte zum Bahnhof,aber die Arbeiter kümmerten sich kaum umihn. Im anderen Korridor war kein Betrieb.Corpkor erinnerte sich daran, was Fartuloonbehauptet hatte: hier lägen die vollautomati-sierten Fabriken, und hier gäbe es wahr-scheinlich kaum Arbeiter, höchstens War-tungsroboter.

Er eilte weiter, bis er vor dem geschlosse-nen Tor stand. Nun allerdings war guter Ratteuer. Doch dann überlegte er sich, daß auchseine Freunde weitergegangen sein mußten,denn sonst hätte er ihnen begegnen müssen,oder zumindest hätte er einen entsprechen-den Hinweis gefunden.

Er entdeckte wieder Eiskralles Abdruckund fand die Marke. Er hob sie auf undschob sie in die Tasche, nahm seine eigeneund steckte sie in den dafür vorgesehenenSchlitz. Wie erwartet öffnete sich das Tor.Schnell schlüpfte er hindurch und vergaß dieMarke. Ehe er zurückkehren konnte, war derSpalt so klein geworden, daß er nicht mehrzurück konnte. Dann war das Tor wiederverschlossen.

Er nahm sich nicht mehr die Zeit, das Tornoch einmal mit seiner neuen Marke zu öff-nen, sondern spähte in die riesige Halle hin-ein, immer in der Hoffnung, seine Freundezu sehen. Aber sie mußten einen großenVorsprung haben.

Der nächste Handabdruck des Chretkorsgab ihm die Gewißheit, daß es weiter gera-deaus ging. Die Wartungsroboter beachtetenihn nicht. Der Alarm schien noch nicht bishierher vorgedrungen zu sein, oder er gingdie Roboter nichts an.

Die Halle wollte kein Ende nehmen. Rie-sige Anlagen produzierten die Einzelteileschwerer Energiegeschütze, schoben sie aufFörderbänder, die sie weiterleiteten. Das En-de dieser Bänder war nicht abzusehen. Corp-kor hatte den Eindruck, daß sie erst auf der

anderen Seite des Planeten an ihr Ziel ge-langten.

Kurz bevor er die gegenüberliegende Sei-te der Fertigungshalle erreichte, ereignetesich ein Zwischenfall, der ihn beinahe zu ei-ner Unvorsichtigkeit verleitet hätte.

Einer der Wartungsroboter verließ seinenihm zugeteilten Bezirk und kam ihm entge-gen. Corpkor steckte die rechte Hand in dieTasche, und seine Finger umklammertennervös den Griff der Waffe. In der linkenHand hielt er seine Marke.

Wenige Meter vor ihm blieb der Roboterstehen und sagte:

»Sektion 294-BN hat einen Defekt. Ichbitte um Anweisungen.«

In die Erleichterung Corpkors mischtensich berechtigte Zweifel. Er hatte nicht diegeringste Ahnung, was Sektion 294-BN be-deutete und was in ihr hergestellt wurde. Na-türlich hätte er dem Roboter irgend etwassagen können, damit er weitergehen konnte,aber das war zu riskant. Sie standen alle miteiner Kontrollstation in Verbindung, die sieständig überwachte. Auch seine Worte wür-den genauestens registriert werden. Undwenn er etwas Falsches sagte, würde manauf ihn aufmerksam werden.

»Seit wann?« fragte er, um Zeit zu gewin-nen.

»Seit der letzten Schicht. Ich habe ver-sucht, den Schaden zu beheben, aber es sindSpezialisten notwendig. Es ist Vorschrift,daß Sie eine Inspektion vornehmen.«

»Ich bin im Dienst!« Endlich kam Corp-kor der rettende Gedanke, wenn er damitauch alles auf eine Karte setzte. »Außerdemhabe ich nichts mit dieser Fertigungsabtei-lung zu tun. Ich bin auf der Suche nach ei-nem entflohenen Verbrecher, oder sieht mannicht, daß ich Polizist bin?«

Ohne jede Erwiderung drehte sich der Ro-boter um und kehrte an seinen Wartungs-platz zurück. Corpkor hatte keine Ahnung,ob er das auf Anweisung seiner Kontrollsta-tion tat, oder ob sein Logiksektor entspre-chend reagiert hatte.

Der Weg war wieder frei. Corpkor ging

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weiter und atmete auf, als er das Ende derHalle erreichte und damit die Straße, diedoppelt so breit wie die Hauptkorridore war.Er fand sofort das in der Wand angebrachteHinweiszeichen der Vorausgeeilten.

Das nächste war unter dem Schild, und alser ein Stück in den Seitengang eingedrungenwar, hörte er Stimmen.

Er lauschte, und dann wußte er, daß er unsgefunden hatte.

7.

Am späten Nachmittag hatte ich den Ent-schluß gefaßt, allein aufzubrechen und nachGarthak zurückzugehen. Ich hoffte, daß mandie beiden bewußtlosen Arbeiter weder ver-mißt noch gefunden hatte, aber ich ahnte na-türlich nichts von dem inzwischen durchCorpkor ausgelösten Alarmzustand.

Fartuloon wollte mich begleiten, und eskam zu einem heftigen Streitgespräch, dasmit dem überraschenden Erscheinen vonCorpkor endete.

Er kam in den Raum und sagte von derTür her:

»Ihr schreit so laut, daß man euch bis Sa-morth hören kann!«

Meine Erleichterung war zu groß, als daßich ihm hätte gleich zu Anfang Vorwürfemachen können. Fartuloon hingegen ging zuihm, klopfte ihm kräftig auf die Schulternund meinte:

»Wegen dir hätte ich beinahe Ärger mitAtlan bekommen, schämst du dich nicht?«

Corpkor berichtete von seinem Abenteu-er, das fast mit seinem Tod geendet hätte.Aber immerhin brachte er auch einige neueErkenntnisse über den Raumhafen Elkinthmit, die mir wertvoll erschienen.

Schließlich beruhigten wir uns alle einwenig. Wir hatten nun die Gewißheit, daßwir weiterfliehen konnten, ohne auf jeman-den warten zu müssen.

Fartuloon setzte sich zu mir, als Ruhe ein-getreten war.

»Was hältst du von der ganzen Sache?Glaubst du, daß wir Elkinth noch rechtzeitig

erreichen? Es müssen an die zweitausendMeilen sein. Wenn wir keine Tunnelbahnnehmen oder kein Fahrzeug finden, schaffenwir es nicht.«

Ich war genauso ratlos wie er.»Die Straße, in die unser Gang mündet,

führt nach Elkinth, das ist alles, was wir wis-sen. Vielleicht nimmt uns jemand mit, dasist ja schon einmal geschehen. Außerdemhaben wir zwei Marken, wenn auch nur solange, bis sie für ungültig erklärt werden.Notfalls besorgen wir uns neue, und zwarfür uns alle. Wir haben drei Strahler undeinen Nadler, mehr als genug, um eine gan-ze Gruppe von Arbeitern zu überfallen.«

»Vielleicht müssen wir aber auch durcheine automatische Sperre, die uns nur dannpassieren läßt, wenn wir die Waffen zurück-lassen. So etwas gibt es hier auch, habe ichmir sagen lassen.«

Das war eine Möglichkeit, die wir einkal-kulieren mußten. Und wir hatten nur nochvier Tage Zeit, diese gewaltige Strecke bisElkinth zurückzulegen.

Kapitän Basnorek würde vergeblich aufuns warten, wenn wir es nicht schafften.Sein Schiff würde ohne uns starten, und wirwaren um eine Hoffnung ärmer.

Vielleicht würde Varlakor uns nie mehrloslassen.

»Wir müssen durchkommen, und wir wer-den es auch!« sagte ich entschlossen. »Undwenn wir den ganzen Planeten gegen unshaben, wir werden es trotzdem schaffen.Aber das Gute ist, daß wir auch Freunde aufdieser Welt besitzen. Es gibt bestimmt nichtnur einen Basnorek!«

»Hoffentlich hast du diesmal recht«, sagteFartuloon, aber es klang nicht besonders zu-versichtlich.

Ich unterhielt mich noch mit Ischtar, sch-lief zwei Stunden und mahnte dann zumAufbruch. Es hatte wenig Sinn, noch mehrZeit zu verlieren.

Wir packten unsere Vorräte und verließendas sichere Versteck, um einer ziemlich un-gewissen Zukunft entgegenzumarschieren.Aber wenn wir auch nicht wußten, was vor

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uns lag, so waren wir doch alle ausnahmslosentschlossen, unter allen Umständen zu ver-suchen, Elkinth zu erreichen.

Elkinth … das klang in unseren Ohrennun fast wie ein Zauberwort, das neue Ener-gie und Zuversicht verlieh. Dabei konnte eskaum etwas anderes sein als ein mittelmäßi-ger Raumhafen, der abseits der üblichen Li-nien zwischen den Sternsystemen lag. Ichwußte, daß solche Häfen nur schlecht kon-trolliert wurden, aber auf dem Stützpunkt-planeten Varlakor war das anders. Hinzukam, dal; die Vorgänge in Garthak und Sa-morth ein gewisses Aufsehen erregt hatten.Sicher, Daftokan Jalvoi würde niemals ver-muten, daß meine Freunde und ich dahinter-steckten denn uns mußte er für tot halten.

Es hätte mich interessiert, was mit derZENTARRAIN passiert war? Ob sie recht-zeitig hatte fliehen können?

Für uns spielte das nun keine Rolle mehr.Wir mußten Arthamor sogar noch dankbarsein, denn sein unverhoffter Tod hatte unseinen Vorsprung verschafft, von dem ichheimlich hoffte, daß ihn niemand mehr ein-holen konnte.

Wir folgten der breiten Straße und gingenmehr als vier Stunden, ohne jemandem zubegegnen, dann standen wir abermals vor ei-nem metallenen Tor. Fartuloon öffnete esmit seiner Marke. Dahinter führte die Straßenach Elkinth in gerader Linie weiter, aberrechts und links erstreckten sich, soweit mansehen konnte, riesige Hangars mit startberei-ten Raumschiffen aller nur denkbaren Klas-

sen.Hier war eine gewaltige Flotte versam-

melt und wartete auf die Mannschaften undden Einsatzbefehl, der eines Tages unwei-gerlich eintreffen mußte. Der Krieg gegendie Maahks war noch lange nicht entschie-den.

»Schade«, meinte Fartuloon bedauernd,»daß wir uns nicht eines davon nehmen kön-nen. Dann wären wir alle Sorgen los.«

»Sie würden erst recht beginnen«, gab ichzurück. »Selbst wenn wir starten könnten,was der Sicherungen wegen unmöglich ist,würde uns die automatische Energieabwehrerwischen, noch ehe wir die Atmosphäreverlassen hätten. Nein, es gibt nur einen ein-zigen Weg, von Varlakor fortzukommen: einunverdächtiger Frachter und ein korrupterKapitän.«

»Basnorek …«»Er oder ein anderer, Fartuloon.«Schweigend setzten wir den Marsch zwi-

schen den Kolossen fort, bis wir endlich eingünstiges Versteck für die imaginäre Nachtfanden. Wir verkrochen uns in der nochnicht fertiggestellten Hülle eines Kreuzers.

Vier Tage blieben uns noch, um Elkinthzu erreichen.

Im Augenblick fühlten wir uns sicher. DieSorgen hatten Zeit bis morgen.

ENDE

E N D E

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