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Rechtswissenschaftliches Institut Entwurf Tutorate - Strafrecht AT HS 2014 Lektion 6 «Strafen und Massnahmen, AT II» Prof. Dr. iur. Frank Meyer LL.M. (Yale) Universität Zürich Tutor:

Rechtswissenschaftliches Institut Entwurf Tutorate - Strafrecht AT HS 2014 Lektion 6 «Strafen und Massnahmen, AT II» Prof. Dr. iur. Frank Meyer LL.M. (Yale)

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Tutorate - Strafrecht ATHS 2014Lektion 6 «Strafen und Massnahmen, AT II»

Prof. Dr. iur. Frank Meyer LL.M. (Yale)

Universität Zürich

Tutor:

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Strafzwecktheorien

I. Absolute Theorien (z.B. Hegel, Kant)1. Sühnetheorie2. Vergeltungstheorie

  II. Relative Straftheorien 1. Spezialprävention (v.Liszt)2. Generalprävention (v. Feuerbach)

III. Vereinigungslehren 

Es geht darum, eine angemessene Reaktion auf die geschehene Tat zu finden. Dies durch den „Blick zurück“ Geltung des Talionsprinzips (Unter Talion versteht man eine Rechtsfigur, nach der zwischen dem Schaden, der einem Opfer zugefügt wurde, und dem Schaden, der dem Täter zugefügt werden soll, ein Gleichgewicht angestrebt wird).

BGer: Prävention geht vor Vergeltung und innerhalb jener die Spezialprävention vor der Generalprävention.

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Vollzugsgrundsätze, Art. 74 und 75 StGB

Vollzugsgrundsätze, Art. 74 StGB

Die Menschenwürde des Gefangenen oder des Eingewiesenen ist zu achten. Seine Rechte dürfen nur so weit beschränkt werden, als der Freiheitsentzug und das Zusammenleben in der Vollzugseinrichtung es erfordern.

Vollzug von Freiheitsstrafen. Grundsätze, Art. 75 StGB

1 Der Strafvollzug hat das soziale Verhalten des Gefangenen zu fördern, insbesondere die Fähigkeit, straffrei zu leben. […]

2 […]

3 […]

4 Der Gefangene hat bei den Sozialisierungsbemühungen und den Entlassungsvorbereitungen aktiv mitzuwirken.

5 […]

6 […]

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Strafarten

 

VerbrechenArt. 10 Abs. 2 StGB

VergehenArt. 10 Abs. 3 StGB

ÜbertretungArt. 103 StGB

Strafarten

BusseArt. 106 StGB

Geldstrafe [GS] Art. 34 ff. StGB

Gemeinnützige Arbeit [GA] Art. 37 ff. StGB

Freiheitsstrafe [FS] Art. 40 ff. StGB

Beachte: Gemäss Art. 42. Abs. 4 StGB besteht die Möglichkeit, dass eine bedingte Strafe mit einer unbedingten Geldstrafe oder mit einer Busse nach Art. 106 StGB

verbunden werden kann.

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Geldstrafe (Art. 34 ff. StGB)

Anzahl Tagessätze, zu bemessen nach Verschulden (Art. 34 Abs. 1 StGB)- Obergrenze: 360 Tagessätze - Untergrenze: 1 Tagessatz

 Tagessatzhöhe, zu bemessen nach der persönlichen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit

des Täters (Art. 34 Abs. 2 StGB; z.B. Einkommen, Lebensaufwand, Unterstützungspflichten, Existenzminimum)

- Maximal: 3’000 CHF (Art. 34 Abs. 2 Satz 1 StGB)- Minimal: 10 CHF (BGer 6B_769/2008 vom 16. Juni 2009)

 

 Berechnungsformel: Anzahl der Tagessätze x Höhe der Tagessätze = Gesamtbetrag

Im Falle des Nichtbezahlens droht eine Ersatzfreiheitsstrafe nach Art. 36 StGB!

Verhältnis von Geldstrafe zu Ersatzfreiheitsstrafe:1 Tagessatz = 1 Tag Freiheitsstrafe = 4 Stunden GA

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Gemeinnützige Arbeit (GA) (Art. 37 und 38 StGB)

Voraussetzungen:- Zustimmung des Täters ist zwingend erforderlich

  - an Stelle von Freiheitsstrafe bis 6 Monate oder Geldstrafe bis 180 Tagessätze - Maximal 720 Stunden;

Unentgeltliche Tätigkeit zugunsten von sozialen Einrichtungen, Werken öffentlicher Interessen oder hilfsbedürftiger Personen Umwandlung (durch das Gericht) der GA bei Nichtleistung trotz Mahnung nach der Umrechungsformel. 

Umrechnungsformel: 1 Tag Freiheitsstrafe = 1 Tagessatz Geldstrafe = 4 Stunden Gemeinnützige Arbeit

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Freiheitsstrafe (Art. 40 und 41 StGB)

• Untergrenze: 6 Monate

• Obergrenze: 20 Jahre, es sei denn, dass Gesetz sieht lebenslänglich vor (Bsp. Art. 112 StGB)

• Kurze Freiheitsstrafen < 6 Monate als Ausnahmen; siehe hierzu Art. 41 StGB

Voraussetzungen: 1. Voraussetzungen für bedingten Vollzug fehlen; 2. Prognose der Unvollziehbarkeit von GA oder

Geldstrafe; 3. Begründung durch Gericht;

Häufigster Fall: wohl Umwandlung von GA oder Geldstrafe

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Busse (Art. 106 StGB)

• Höchstbetrag: 10’000 CHF (Art. 106 Abs. 1 StGB)

• Bemessung: Verhältnisse des Täters, Verschulden (Art. 106 Abs. 3 StGB)

• Busse und GA:Das Gericht kann, bei Zustimmung des Täters, an Stelle der Busse

GA anordnen (Art. 107 StGB)Höchstgrenze: 360 Stunden

 

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Bedingte Strafen (Art. 42 StGB)

Bei allen Strafarten ausser der Busse kann das Gericht die Strafe auch bedingt aussprechen.

• Höchstgrenze für Freiheitsstrafe: 2 Jahre (Achtung: Nicht für Strafen unter 6 Monaten möglich.)

• Höchstgrenze für Geldstrafe: bis 360 Tagessätze

• Höchstgrenze für GA: 720 Stunden

 

Bsp.: 8 Monate Freiheitsstrafe bedingt und 1’000 CHF Busse.

Besonderheit bei der Busse: Die Busse kann mit einer bedingten Strafe kombiniert werden (Art. 42 Abs. 4 StGB.)

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Teilbedingte Strafen (Art. 43 StGB)Ebenso wie bedingte Strafen, kann das Gericht auch teilbedingte Strafen aussprechen. Die

teilbedingte Strafe dient dem Zweck, zwar einen Aufschub zu gewähren aber zugleich dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen.

 Es sind dabei bestimmte Besonderheiten zu beachten: Voraussetzung bei Freiheitsstrafe ist: • eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bis max. 3 Jahren, • innerhalb dieser kann ein bedingter Teil von 6 bis max. 30 Monaten enthalten

sein und ein • unbedingter Teil von 6 bis max. 18 Monaten• beide Teile dürfen nicht grösser sein als die ausgesprochene Freiheitsstrafe,

der unbedingte Teil darf nicht mehr als die Hälfte der Strafe betragen.  Voraussetzung bei Geldstrafe ist:•   bedingter Teil von einem bis 359 Tagessätzen• unbedingter Teil von 1 bis 180 Tagessätzen Voraussetzung bei gemeinnütziger Arbeit ist:• bedingter Teil max. 4 bis 716 h• unbedingter Teil max. 4 bis 360 h

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Strafzumessung (Art. 47 ff. StGB)

Zumessungskriterien nach Art. 47 Abs.1 StGB1. Verschulden (Unrecht und Schuldgehalt der konkreten Tat)2. Täterkomponente

a) Vorlebenb) Persönliche Verhältnissec) Wirkung der Strafe auf den Täter

 Verschulden bestimmt sich nach den Kriterien des Art. 47 Abs. 2 StGB (Bei Geldstrafe sind nur diese Kriterien heranzuziehen!)•  Schwere der Verletzung, Gefährdung des betroffenen Rechtsgutes• Verwerflichkeit des Handelns• Beweggründe und Ziele des Täters• Innere und äussere Umstände, um die Gefährdung oder Verletzung zu vermeiden• Milderungsgründe des Art. 48 StGB  Begründung der Strafe ist immer erforderlich! (Einzige Ausnahme: Strafbefehl)

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Konkurrenzen

Definition: Verwirklicht der Täter durch sein Verhalten mehrere Tatbestände oder denselben Tatbestand mehrfach, regeln die Konkurrenzen•aus welchen Delikten er schuldig zu sprechen ist•wie der Strafrahmen zu ermitteln ist.

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Echte Konkurrenz (Art. 49 Abs. 1 StGB)Echte Konkurrenz ist gegeben, wenn der Täter mehrere nebeneinander anwendbare Tatbestände verwirklicht hat, sei es durch eine einzige Handlung, sog. „Idealkonkurrenz“ („Handlungseinheit“), oder durch mehrere Handlungen, sog. „Realkonkurrenz“ (Handlungsmehrheit). Als grundsätzliche Auslegungshilfe kann die Frage gestellt werden, ob die verschiedenen verwirklichten Straftatbestände unterschiedliche Rechtsgüter schützen. Ist dies zu bejahen, liegt regelmässig echte Konkurrenz vor.

 

 

Echte Konkurrenz

Arten Idealkonkurrenz Realkonkurrenz

Anzahl Handlungen

Einzige Handlung mehrere Handlungen

Beispiele A schlägt mit eine Baseballschläger auf den B ein und zerstört dabei auch willentlich den umgehängten Mp3-Player des B.

A schiesst B tot und begeht am nächsten Tag einen Raub.

Folge: Verurteilung wegen jedem der verwirklichten Delikte. (Beachte aber, dass bei gleichartigen Strafen nach dem Asperationsprinzip eine Gesamtstrafe gebildet wird.)

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Asperationsprinzip (Art. 49 StGB)

 

Bsp.: Schwerste Tat Raub (Art. 140 StGB) Strafmass: Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren. Weitere Delikte in echter Konkurrenz führen grnds. zu einer höchstmöglichen Gesamtstrafe von 15 Jahren Freiheitsstrafe.  

(Hinweis: Kumulationsprinzip und Absorptionsprinzip bitte selbständig erarbeiten. Sie finden im StGB keine Anwendung, beachte aber z.B. Art. 9 VStrR, nach welchem eine Kumulation von Bussen im Verwaltungsstrafrecht ausnahmslos vorzunehmen ist.)

Folge des Asperationsprinzips: Strafmass wird dem schwersten Tatbestand entnommen (=Einsatzstrafe) und angemessen verschärft, so dass sich eine Gesamtstrafe ergibt.

Beachte: Das Höchstmass der angedrohten Strafe darf nicht um mehr als die Hälfte erhöht werden.

Beachte: Die Privilegierung des Asperationsprinzips kommt nicht zum Tragen, wenn sogar eine Kumulation der Strafen unter 15 Jahren liegen würde (also Raub bis 10 Jahre FH und Sachbeschädigung bis 3 Jahre FH = Max. 13 Jahre FH).

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Unechte Konkurrenz

Unechte Konkurrenz ist gegeben, wenn ein verwirklichter Tatbestand einem oder mehreren anderen vorgeht und deren Anwendung ausschliesst. Dies trifft zu, wenn eine von verschiedenen Bestimmungen das vom Täter bewirkte Unrecht voll erfasst (Spezialität, Konsumtion und Subsidiarität) 

Unechte Konkurrenz

Arten Spezialität Konsumtion Subsidiarität

Beispiele Art. 140 StGB (Raub) verdrängt Art. 181 StGB (Nötigung), 139 StGB (Diebstahl)

Einbruchsdiebstahl (Art. 139 StGB) mit Sachbeschädigung an einer Tür (Art. 144 StGB).

Art. 292 StGB (Ungehorsam gegen amtliche Verfügung) gegenüber Art. 169 StGB (Verstrickungsbruch)

Folge: Verurteilt wird nach der Bestimmung, die das Unrecht der Tat voll umfasst.

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Retrospektive Konkurrenz (Art. 49 Abs. 2 StGB)

Situation: Ein Täter begeht während einer (längeren) Zeitspanne mehrere Delikte, die jedoch zu unterschiedlichen Zeiten bekannt und verfolgt werden.

Ist die neu zu beurteilende Tat vor Eröffnung des erstinstanzlichen Urteils einer anderen Tat begangen worden und dieses inzwischen rechtskräftig, kommt es bei der Beurteilung der neu entdeckten Tat zur Anwendung der Regeln der retrospektiven Konkurrenz.

D.h.: Für die neu zu beurteilende Tat wird eine Zusatzstrafe ausgesprochen, die so zu bestimmen ist, dass der Täter durch das neue Urteil nicht besser oder schlechter gestellt wird, als für den Fall, dass beide Taten in einem Verfahren beurteilt worden wären.

Vorgehen:• Bildung einer hypothetischen Gesamtstrafe • hiervon das Strafmass der rechtskräftigen Verurteilung abziehen• Differenz ist als Zusatzstrafe auszufällen 

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Retrospektive Konkurrenz (Art. 49 Abs. 2 StGB)Schematische Darstellung:

t

Zeitraum in welchem der Täter mehrere Delikte [D1,2,3]verwirklicht [t]

Rechtskräftiges Urteil für eine/ mehrere Taten [UR]

Entdeckung einer weiteren, früher begangenen Delikte [DF]

Beurteilung der neu entdeckten Tat unter Berücksichtigung der Regeln der retrospektiven Konkurrenz [UZ]

Folge: Zusatzstrafe, die den Täter weder besser noch schlechter stellt, als wenn die Taten in einem Urteil behandelt worden wären.

Beachte: Nur möglich, wenn das erste Urteil bereits rechtskräftig ist!

D1DF D2 UR UZ

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Massnahmen

Grundsätze nach Art. 56 ff. StGB

•Strafe allein ungeeignet, um der Gefahr weiterer Straftaten zu begegnen,

•Behandlungsbedürfnis des Täters (in Zusammenhang mit der Tat) oder

•Öffentliche Sicherheit erfordert Behandlung

•Voraussetzung einer konkreten Massnahme gegeben

•Verhältnismässigkeit zwischen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und

Wahrscheinlichkeit und Schwere weiterer Straftaten

•Begutachtung durch einen Sachverständigen

•Anordnung kann nur erfolgen, wenn eine geeignete Einrichtung vorhanden

ist.

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Arten von Massnahmen

• Stationäre therapeutische Massnahme (Art. 59 ff. StGB)

Psychisch schwere Störung Anlasstat (Verbrechen oder Vergehen im Zusammenhang mit der

psychischen Störung) Erwartung, dass die Massnahme weitere derartige Straftaten zu

verhindern vermag.  • Suchtbehandlung (Art. 60 StGB) 

Abhängigkeit von Suchtstoffen oder in anderer Weise (z.B. Spielsucht)

Verbrechen oder Vergehen im Zusammenhang mit der Abhängigkeit Erwartung, dass die Massnahme weitere derartige Straftaten zu

verhindern vermag.

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Arten von Massnahmen (Fortsetzung)

• Massnahmen für junge Erwachsene (Art. 61 StGB)

Täter zur Tatzeit noch nicht 25 Jahre alt. Erhebliche Persönlichkeitsentwicklungsstörung Vergehen oder Verbrechen in Zusammenhang mit der

Entwicklungsstörung als Anlasstat, lit. a Erwartung (Prognose), so weitere derartige Taten zu verhindern, lit.

b.

Vollzug in einer Einrichtung für junge Erwachsene = stationär/sichernd. 

• Ambulante Behandlung (Art. 63 ff. StGB) 

Wie bei der stationären Behandlung, allerdings bereits Übertretung als Anlasstat ausreichend.

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Arten von Massnahmen (Fortsetzung)

• Verwahrung (Art. 64 ff. StGB)

Abs. 1 Ordentliche Verwahrung: Anlasstat (Mord, vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung, Vergewaltigung,

Raub, Geiselnahme, Brandstiftung, Gefährdung des Lebens oder eine andere Tat die mit einer Höchststrafe von 5 oder mehr Jahren bedroht ist.)

Intention oder Verwirklichung einer schweren Beeinträchtigung der physischen, psychischen oder sexuellen Integrität einer anderen Person

Negative Prognose. 

Abs. 1bis Lebenslängliche Verwahrung: Anlasstat (Mord, vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung, Vergewaltigung,

Raub, Geiselnahme, Brandstiftung, Gefährdung des Lebens oder sexuelle Nötigung, Freiheitsberaubung oder Entführung, Menschenhandel, Völkermord, Verletzung des Völkerrechts im Falle bewaffneter Konflikte (i.S.v. Art. 108-113 MStG).)

Intention oder Verwirklichung einer besonders schweren Beeinträchtigung der physischen, psychischen oder sexuellen Integrität einer anderen Person

Hohe Wiederholungswahrscheinlichkeit eines Verwahrungsdeliktes Einstufung des Täters als dauerhaft nicht therapierbar infolge langfristig nicht

erfolgsversprechender Behandlungsmöglichkeit.

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Fall 1a

A wurde wegen einer einfachen Körperverletzung zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt.

Welche höchstmögliche Strafe hat A zu erwarten? Lösung Fall 1a:

Gemäss Art. 34 Abs. 1 StGB liegt die Obergrenze in Bezug auf die Anzahl der Tagessätze bei 360, hinsichtlich der maximalen Höhe eines Tagessatzes gibt Art. 34 Abs. 2 StGB als Obergrenze 3'000.-- CHF (Art. 34 Abs. 2 Satz 1 StGB) an.

Entsprechend der Berechnungsformel:

  folgt, dass A eine maximale Geldstrafe in Höhe der Gesamtsumme von

1’080'000.-- CHF zu erwarten hat.

Anzahl der Tagessätze (360) x Höhe der Tagessätze (3'000 CHF) = Gesamtbetrag

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Fall 1b

A ist mittellos und sein Verschulden ist sehr gering. Welche Mindeststrafe kann der Richter dennoch nicht unterschreiten?

Lösung Fall 1b: Der Strafrahmen wird bei der Bemessung der Mindeststrafe für Geldstrafen

durch Art. 34 Abs. 1 StGB nach unten nicht begrenzt, es ist daher davon auszugehen, dass auch die kleinste mögliche Einheit als Strafe, daher 1 Tagessatz, angesetzt werden kann.

Die Mindesthöhe eines Tagesatzes ist umstritten, nach Rechtsprechung ist von einer Mindesthöhe von 10.-- CHF auszugehen. A muss daher mindestens eine Geldstrafe in Höhe von 10.-- CHF zahlen.

 (vgl. Entscheid des BGer vom Juni 2009, BGer 6B_769/2008 E. 1.4) 

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Fall 1c

A sieht vor, eine Geldstrafe nicht zu bezahlen und hält sich trotz Verurteilung weiterhin für unschuldig. Er ist sich allerdings unsicher, welche Folgen dies für ihn haben kann und wendet sich an Sie mit der Bitte um Auskunft über die möglichen Folgen eines Nichtbezahlens. Welchen Rat geben Sie ihm?

  Lösung Fall 1c: Bei Nichtbezahlen einer Geldstrafe wird gemäss Art. 36 Abs. 1 StGB

zunächst auf dem Betreibungsweg vorgegangen, sollte die Geldstrafe so nicht einbringbar sein, kommt es zu einer Umwandlung der Geldstrafe in eine Ersatzfreiheitsstrafe.

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Fall 1d

Durch einen unverschuldeten Unfall wird der A erwerbslos. Zudem bekommt seine Frau unmittelbar nach der Verurteilung Zwillinge, für welche der A unterhaltspflichtig ist. Er ist daher nicht mehr in der Lage die Geldstrafe zu bezahlen. Kann ihm geholfen werden?

 Lösung Fall 1d: Die Verhältnisse des A haben sich unverschuldet stark verschlechtert und

zudem ist ein Umstand eingetreten, der bei der Bemessung der Geldstrafe keine Berücksichtigung gefunden hat. Für diese Fälle bietet Art. 36 Abs. 3 StGB für A die Möglichkeit beim Gericht folgendes zu beantragen:

 a. die Zahlungsfrist bis zu 24 Monaten zu verlängern; oderb. den Tagessatz herabzusetzen; oderc. gemeinnützige Arbeit anzuordnen.

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Fall 2

Welche der folgenden Strafen kann ein Gericht nicht ausfällen? • 8 Monate bedingte Freiheitsstrafe und 10'000.-- CHF Busse.

• 2 Jahre unbedingte Freiheitsstrafe und 6 Monate bedingte Freiheitsstrafe.

• 30 Tagessätze Geldstrafe und 2 Tagessätze bedingte Geldstrafe.

• 30 Tagessätze bedingte Geldstrafe und 1'500.-- CHF Busse.

• 2 Jahre bedingte Freiheitsstrafe und 100 Tagessätze unbedingte Geldstrafe und 1'000.-- CHF Busse.

   

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Lösung zu Fall 2

a) Eine bedingte Freiheitsstrafe kann gemäss Art. 42 Abs. 4 StGB mit einer Busse verbunden werden. Daher ist das Ausfällen der genannten Strafe möglich. Bezüglich Bussenhöchstbetrag ist Art. 106 Abs. 1 StGB zu beachten (vgl. aber auch Art. 102 Abs. 1 StGB bis 5 Millionen CHF).

 b) Der unbedingte vollziehbare Teil der Strafe darf gemäss Art. 43 Abs. 2 StGB

höchstens die Hälfte der Strafe betragen. Dieses Verhältnis ist im vorliegenden Fall nicht gewahrt. Daher ist dies so als teilbedingte Strafe nicht möglich.

 c) Möglich, Verbindung so aber ungewöhnlich (vgl. Art. 42 Abs. 4 StGB). d) Möglich (Verbindung gemäss Art. 42 Abs. 4 StGB). e) Möglich (Verbindung gemäss Art. 42 Abs. 4 StGB, sofern neben

Verbrechen/Vergehen zusätzlich Übertretung gegeben, ist in Folge von Art. 49 Abs. 1 StGB zusätzlich zwingend Busse auszusprechen [Keine Asperation sondern Kumulation, da nicht gleichartige Strafen.]

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Fall 3

A begeht am 1. Februar 2011 eine schwere Körperverletzung, keine 2 Wochen später vergewaltigt er die B. B zeigt den A an, so dass dieser im September 2011 wegen der Vergewaltigung zu acht Jahren Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt wird. Im Oktober ergeben die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, dass A der Täter der schweren Körperverletzung ist und es wird Anklage erhoben. Der Richter kommt aufgrund der vorliegenden Beweise zu dem Schluss, dass A zwar wegen schwerer Körperverletzung zu verurteilen ist, fragt sich allerdings, wie sich das Urteil von September auf das auszufällende Urteil auswirkt.

Er tritt daher an Sie heran, mit der Bitte um Begutachtung des Falles.

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Lösung zu Fall 3

Es liegt ein Fall der sog. retrospektiven Konkurrenz im Sinne von Art. 49 Abs. 2 StGB vor. Es ist daher eine Zusatzstrafe auszusprechen. Diese ermittelt sich wie folgt:

 1. Bildung einer hypothetischen Gesamtstrafe 2. Hypothetische Gesamtstrafe minus Strafe aus dem rechtskräftigen Urteil = Zusatzstrafe

 In casu wäre sowohl bei der Vergewaltigung als auch bei der schweren KV von einer

Höchststrafe von 10 Jahren Freiheitsstrafe auszugehen. Diese dürfte nach Art. 49 Abs. 1 StGB maximal um die Hälfte erhöht werden (Asperation). Daher:

 1. Bildung einer hypothetischen Gesamtstrafe: 10 Jahre + 5 Jahre (½ x 10 Jahre) =

15 Jahre  2. Ermittlung der Zusatzstrafe: 15 Jahre – 8 Jahre = 7 Jahre Freiheitsstrafe Fazit: Der Richter könnte eine Zusatzstrafe von maximal 7 Jahren aussprechen. 

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Ende

Vielen Dank!

Viel Glück und Erfolg bei den Prüfungen!