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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz. 34 A. K R I E G Ergebnisse Die Abhängigkeit des Dosiseffektes von der 0 2 - Spannung ist in Abb. 1 dargestellt. Die Verminde- rung des 0 2 in der Atemluft unter 10% führt zu einer Verringerung des Strahleneffektes. Wie das Verhalten der Kurvenschar zeigt, verläuft die Wir- kungsabnahme mit der Oo-Reduktion parallel, und es besteht eine konstante Proportion zwischen der eingestrahlten Dosis und der Wirkungsminderung bei den einzelnen 0 2 -Spannungen. Die Beeinflussung des 0 2 -Effektes durch Ände- rung der Reaktionslage zeigt die Tab. 1 und Abb. 2. Bei der Bestrahlung in normaler Atmosphäre ist der Ablauf der Strahlenreaktion bei den adrenalektomier- ten und mit Thyroxin behandelten Tieren wesent- lich beschleunigt und verstärkt, während die Ratten unter Megapheneinfluß resistenter werden. Dieses Verhalten wird durch die Änderung der Ausgangs- lage der Kurven ausgedrückt. Bei einer Konzentra- tion von 10% 0 2 in der Atemluft zeigen die Me- gaphentiere im Vergleich zu den 02-Kontrollen be- reits ein Ansteigen des Variationsfaktors. Mit der weiteren Abnahme des 0 2 auf 8,8 und 6,5% findet sich nach Megaphen im Vergleich zu den 0 2 -Kon- trollen ein wesentlich stärkerer Rückgang der Emp- findlichkeit. Demgegenüber hebt der durch Thyroxin beschleunigte Reaktionsablauf nach der Bestrahlung einen Teil der 0 2 -Wirkung wieder auf, und nach Adrenalektomie kommt der Schutzeffekt der 0 2 -Ver- minderung erst bei 6,5% voll zu Geltung. Unabhängig von der Reaktionslage übt in allen Versuchsreihen die Abnahme der 02-Konzentration zur Zeit der Strahleneinwirkung einen Schutz aus, dessen Größenordnung für den Endeffekt jedoch stets durch die Steigerung der Stoffwechselaktivität infolge von Thyroxin und durch den Ausfall der Nebennierenhormone nach dem Eintreten des primä- ren Strahlenschadens verändert wird. Die Potenzie- rung des 0 2 -Mangeleffektes durch Megaphen und durch die damit verbundene Temperatursenkung be- ruht mit großer Wahrscheinlichkeit neben einer Stoff- wechselwirkung auf einer weiteren Verstärkung der Hypoxie im Gewebe, die auch durch die mit der Unterkühlung verbundenen Dissoziationshem- mung des Hb-0 2 gefördert wird. Die Verminderung der Strahlenwirkung bei megaphen-vorbehandelten Tieren scheint daher auf einer primären Reduktion der biologisch wirksam werdenden Dosis zu beruhen, die durch die veränderte Menge und Art der ge- bildeten toxischen Radikale infolge der herabgesetz- ten 0 2 -Konzentration im Gewebe bedingt ist. Für die Beurteilung der Wirkung einer Bestrah- lung im biologischen Versuch genügt deshalb nicht, die allgemeine Relation zwischen Dosis und Effekt zu betrachten, sondern es müssen die speziellen Fak- toren analysiert werden, die diesen Effekt im ein- zelnen bestimmen. Als wesentliche Gestaltungs- momente erscheinen die chemische Struktur der empfindlichen Bereiche, das innere Milieu der Zelle während und die reaktiven, restitutiven und regula- tiven Vorgänge nach der Strahleneinwirkung. Licht- und elektronenmikroskopische Untersuchungen zur Pathologie der Lorscher Erkrankung" von Engerlingen und zur Zytologie der Rickettsia melolonthae nov. spec.* Von ALOYSIUS KRIEG Aus der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, Institut für biologische Sdiädlingsbekämpfung und Kartoffelkäferforsdiung, Darmstadt (Z. Naturforschg. 10 b, 34—37 [1955]; eingegangen am 21. Oktober 1954) Die als Erreger der „Lorscher Seudie" des Engerlings von Melolontha spec, erkannte Rickettsien-Art wurde auf Grund licht- und elektronenmikroskopischer Untersuchungen als Rickettsia jnelolonthae nov. spec, neu beschrieben. Für einen bakterien-ähnlichen Aufbau der Art sprechen insbesondere die mittels Elektronenmikroskop gewonnenen Befunde. Es wurde nach HCl-Hydrolyse und Pepsin-Digestion ein zentrales hydrolyse-resistentes Kernäquivalent nachgewiesen. Von ihm waren subpolare, hydrolvsierbare Paranucleoide zu differenzieren. -— Nach Besprediung der pathologischen Befunde an erkrankten Engerlingen werden diese und auch der Erreger mit den Verhältnissen bei der blue disease anderer Scarabaeiden ver- glichen.

Rickettsia melolonthae - zfn.mpdl.mpg.dezfn.mpdl.mpg.de/data/Reihe_B/10/ZNB-1955-10b-0034.pdf · 52 A. KRIEG ausgetreten waren. Sie färbten sich mit Auramin stärker an, zeigten

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.

Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.

3 4 A. K R I E G

Ergebnisse

Die Abhängigkeit des Dosiseffektes von der 0 2 -Spannung ist in Abb. 1 dargestellt. Die Verminde-rung des 0 2 in der Atemluft unter 10% führt zu einer Verringerung des Strahleneffektes. Wie das Verhalten der Kurvenschar zeigt, verläuft die Wir-kungsabnahme mit der Oo-Reduktion parallel, und es besteht eine konstante Proportion zwischen der eingestrahlten Dosis und der Wirkungsminderung bei den einzelnen 02-Spannungen.

Die Beeinflussung des 02-Effektes durch Ände-rung der Reaktionslage zeigt die Tab. 1 und Abb. 2. Bei der Bestrahlung in normaler Atmosphäre ist der Ablauf der Strahlenreaktion bei den adrenalektomier-ten und mit Thyroxin behandelten Tieren wesent-lich beschleunigt und verstärkt, während die Ratten unter Megapheneinfluß resistenter werden. Dieses Verhalten wird durch die Änderung der Ausgangs-lage der Kurven ausgedrückt. Bei einer Konzentra-tion von 10% 0 2 in der Atemluft zeigen die Me-gaphentiere im Vergleich zu den 02-Kontrollen be-reits ein Ansteigen des Variationsfaktors. Mit der weiteren Abnahme des 0 2 auf 8,8 und 6,5% findet sich nach Megaphen im Vergleich zu den 02-Kon-trollen ein wesentlich stärkerer Rückgang der Emp-findlichkeit. Demgegenüber hebt der durch Thyroxin beschleunigte Reaktionsablauf nach der Bestrahlung einen Teil der 02-Wirkung wieder auf, und nach Adrenalektomie kommt der Schutzeffekt der 02-Ver-minderung erst bei 6,5% voll zu Geltung.

Unabhängig von der Reaktionslage übt in allen Versuchsreihen die Abnahme der 02-Konzentration zur Zeit der Strahleneinwirkung einen Schutz aus, dessen Größenordnung für den Endeffekt jedoch stets durch die Steigerung der Stoffwechselaktivität infolge von Thyroxin und durch den Ausfall der Nebennierenhormone nach dem Eintreten des primä-ren Strahlenschadens verändert wird. Die Potenzie-rung des 02-Mangeleffektes durch Megaphen und durch die damit verbundene Temperatursenkung be-ruht mit großer Wahrscheinlichkeit neben einer Stoff-wechselwirkung auf einer weiteren Verstärkung der Hypoxie im Gewebe, die auch durch die mit der Unterkühlung verbundenen Dissoziationshem-mung des Hb-0 2 gefördert wird. Die Verminderung der Strahlenwirkung bei megaphen-vorbehandelten Tieren scheint daher auf einer primären Reduktion der biologisch wirksam werdenden Dosis zu beruhen, die durch die veränderte Menge und Art der ge-bildeten toxischen Radikale infolge der herabgesetz-ten 02-Konzentration im Gewebe bedingt ist.

Für die Beurteilung der Wirkung einer Bestrah-lung im biologischen Versuch genügt deshalb nicht, die allgemeine Relation zwischen Dosis und Effekt zu betrachten, sondern es müssen die speziellen Fak-toren analysiert werden, die diesen Effekt im ein-zelnen bestimmen. Als wesentliche Gestaltungs-momente erscheinen die chemische Struktur der empfindlichen Bereiche, das innere Milieu der Zelle während und die reaktiven, restitutiven und regula-tiven Vorgänge nach der Strahleneinwirkung.

Licht- und elektronenmikroskopische Untersuchungen zur Pathologie der „ Lorscher Erkrankung" von Engerlingen und zur Zytologie

der Rickettsia melolonthae nov. spec.* V o n ALOYSIUS K R I E G

Aus der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, Institut für biologische Sdiädlingsbekämpfung und Kartoffelkäferforsdiung, Darmstadt

(Z. Naturforschg. 10 b, 34—37 [1955]; eingegangen am 21. Oktober 1954)

Die als Erreger der „Lorscher Seudie" des Engerlings von Melolontha spec, erkannte Rickettsien-Art wurde auf Grund licht- und elektronenmikroskopischer Untersuchungen als Rickettsia jnelolonthae nov. spec, neu beschrieben. Für einen bakterien-ähnlichen Aufbau der Art sprechen insbesondere die mittels Elektronenmikroskop gewonnenen Befunde. Es wurde nach HCl-Hydrolyse und Pepsin-Digestion ein zentrales hydrolyse-resistentes Kernäquivalent nachgewiesen. Von ihm waren subpolare, hydrolvsierbare Paranucleoide zu differenzieren. -— Nach Besprediung der pathologischen Befunde an erkrankten Engerlingen werden diese und auch der Erreger mit den Verhältnissen bei der blue disease anderer Scarabaeiden ver-glichen.

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Z U R P A T H O L O G I E D E R „ L O R S C H E R E R K R A N K U N G " 35

1. P a t h o l o g i e d e r E r k r a n k u n g u n d N a c h w e i s d e s E r r e g e r s

Bei der hier beschriebenen Rickettsie handelt es sich um einen in der Larve des Maikäfers (Me-

lolontha spec.) als Krankheitserreger (der „Lorscher Seuche") vorkommenden Mikroorganismus, der auch im Cölom von Tenebrio molitor L. -Larven züchtbar ist. Eine Kultur auf künstlichen Nährböden ist wie bei den meisten Rickettsien (Ausnahme R. melophagi) bisher nicht gelungen. Sie verursacht eine subkutan verlaufende Infektion vom total-reagierenden Typ, die in etwa 120 Tagen zum Tod des Wirtes führt. Der Erreger als auch Krankheitssymptome wurden erstlich von W i l l e und M a r t i g n o n i 1 be-schrieben.

Die pathologischen Veränderungen manifestieren sich vornehmlich am Corpus adiposum der Larven. Hier findet man eine ausgesprochene Kolliquations-Nekrose. Die Erweichungsherde vergrößern sich und endlich fällt der ganze Fettkörper dem autolytischen Zerfall anheim. In den befallenen Zellen sind alle Vakuolen und Zytoplasma-Differenzierungen ver-schwunden. Der Kern erleidet eine Chromatolyse, während das homogene Zytoplasma eine hyaline Umwandlung erfährt. Diese greift von vakuolenarti-gen, zellulären Infektionsherden um sich. Im weiteren Verlauf kommt es zur Vermehrung dieser Vakuolen-gebilde sowie zu deren Zerfall in Myelinformen und damit zur völligen Auflösung der Zelle. Im Gegen-satz zur Mehrzahl der bakteriellen Infektionen sind die Infektionen, welche durch Rickettsien bedingt werden, ganz ähnlich wie die durch Viren hervor-gerufenen, intrazellulärer Art (Ausnahmen: R. melo-phagi, R. wolhynica, R. weigli). Dabei wird im all-gemeinen das Zytoplasma befallen (Ausnahme: R. rickettsi, welche auch den Kern befällt). Bei der Untersuchung der durch R. melolonthae befallenen Zellen waren die Erreger im Dunkelfeld als kleinste Partikel in den zytoplasmatischen Zerfallsherden nachweisbar. Sie wiesen eine sehr intensive Brownsche Molekularbewegung auf. Gleichzeitig konnte das Auftreten kristall-ähnlicher Einschlüsse zunächst in den Zerfallsherden und dann im ganzen autolytischen Plasma beobachtet werden. Im weiteren Verlauf der nekrotischen Histolyse treten sowohl Erreger als auch Kristalle in die Hämolymphe aus (s. Abb. 3). Infolge der Vielzahl der Erreger ist diese im Spätstadium der Krankheit milchig-trüb.

Durchgeführt mit Unterstützung der D e u t s c h e n F o r s c h u n g s g e m e i n s c h a f t .

Wichtig sind in diesem Zusammenhang die Er-gebnisse von D u t k y und G o o d e n 2 . Diese Autoren fanden bei einer als „blue disease" be-nannten Krankheit von Larven anderer Scarabaeiden-Arten [Popillia japonica Newman, Phyllophaga anxia LeC., Phyllophaga ephilida Say und Amphi-mallus majalis Rasoum] eine dem Lorscher Erreger morphologisch ähnliche Rickettsie, die sie auf Grund ihrer Filtrierbarkeit als Coxiella japonica bezeichne-ten. Auch bei dieser Erkrankung werden vor allem die Zellen des Corpus adiposum befallen und es treten gleichfalls charakteristische Kristalle von meist bipyramidaler Form im Verlauf der Histolyse auf.

Am einfachsten gestaltet sich der Nachweis des Erregers der Lorscher Seuche in Hämolymphe und Gewebe mit Hilfe der mikroskopischen Unter-suchung im Dunkelfeld, da sich die Rickettsien durch starkes Lichtbrechungsvermögen auszeichnen (Abb. 3). Der Nachweis im Hellfeld erfolgt nach Fixierung z. B. in Methanol und Färbung mit Giemsa-Farbstoff. Da-bei färben sich die Rickettsien im Mittelstück bläu-lich und polar purpurn an. Während sich die Rickett-sien mit einfachen Anilinfarben wenig tingieren, färben sie sich jedoch mit Carbolfuchsin nach länge-rer Färbedauer an (besonders nach vorheriger Tan-nin-Beizung nach P a s c h e n ) . Charakteristisch war die Rickettsien-Färbung nach M a c c h i a v e l l o (bas. Fuchsin, Diff. in Acid, citr., Methylenblau), wobei sich die Rickettsien rot, die Umgebung blau anfär-ben. Sie waren nach Ziehl-Neelsen-Färbung nicht säurefest; nach Gram-Färbung negativ.

Es wurde versucht, die Erreger durch Verwen-dung von Acridinorange mit Hilfe des Fluoreszenz-Mikroskopes ( Z e i ß - W i n k e l ) intravital darzu-stellen. Jedoch konnte infolge der allgemein geringen Färbbarkeit in Ausstrichen der Hämolymphe er-krankter Engerlinge keine deutliche Fluoreszenz der Erreger beobachtet werden. Hier war ein anderer Weg erfolgreicher. Wie aus Untersuchungen an den ebenfalls schwer tingierbaren Mycobakterien be-kannt ist, lassen sich diese nach Hitzefixierung mit Hilfe von Auramin gut darstellen. Diese Erfahrungen wurden auf Rickettsia melolonthae angewandt. Nur auf diese Weise gelang eine deutliche fluoreszenz-mikroskopische Darstellung (Abb. 2). — Anders ver-hielten sich Rickettsien, die sich noch innerhalb von Zellen befanden bzw. frisch aus nekrotischem Plasma

1 H. W i 11 e u. M. E. M a r t i g n o n i , Schweiz. Z. allgem. Path. Bact. 15, 470 [1952],

S. R. D u t k y u. E. L. G o o d e n , J. Bacteriol. 63, 743 [1952],

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52 A. K R I E G

ausgetreten waren. Sie färbten sich mit Auramin stärker an, zeigten aber auch eine gute Fluoreszenz nach Acridinorange-Fluorochromierung. Sie waren außerdem oft kettenförmig angeordnet, was sonst nicht beobachtet wurde (Abb. 1*). Es werden daher zwei Typen unterschieden: Jugendliche, mit Acridin-orange färbbare Rickettsien — meist in Kettenform angeordnet — (Abb. 1) und reife, mit Acridinorange nicht tingierbare Rickettsien (Abb. 2, 3). Die Jugend-formen verhalten sich nach Macchiavello-Färbung wie klassische Bakterien, d. h. sie färben sich blau, während die reifen Formen fuchsin-rot gefärbt sind. Dieses Verhalten ist vergleichbar dem der Myco-bakterien, wo sich jugendliche Formen als noch nicht säurefest erwiesen und im Anschluß an die Ziehl-Neelsen-Färbung blau angefärbt sind.

2. L i c h t - u n d e l e k t r o n e n m i k r o s k o p i s c h e U n t e r s u c h u n g e n z u r Z y t o l o g i e

d e s E r r e g e r s

Der Erreger ist kleiner als die meisten bekannten Rickettsien-Arten. Im Durchschnitt mißt er 2 0 0 X 6 0 0 m/u, ist filtrierbar und weist eine nierenförmige Ge-stalt auf.

Zur topochemischen Differenzierung des Zellinhal-tes wurde, nach vorheriger Fixierung in Methylalko-hol, nach der Methode von P i e k a r s k i - R o b i n o w verfahren: die Rickettsien wurden 5 min bei 60 3 C einer Hydrolyse durch n-HCl unterworfen und dann nach Giemsa gefärbt. Auf diese Weise war ein mittel-ständiges DNS-haltiges Kernäquivalent darstellbar. — Versuche, die Rickettsien nach der Methode von N e i s s e r anzufärben, schlugen fehl.

Da die Größe des Mikroorganismus an der Auf-lösungsgrenze des Lichtmikroskopes liegt (dieses hat unter optimalen Bedingungen ein Auflösungsvermö-gen von 190 m//.), läßt sich lichtmikroskopisch nichts Genaues über die zytologischen Verhältnisse aus-sagen. Elektronenmikroskopische Untersuchungen waren daher unerläßlich.

im EM-Bild machen die Rickettsien einen bakte-rfenahnlichen Eindruck (Abb. 4 und Abb. 6) und li^igeÄ'ineist subpolare sphärische Gebilde von mitt-Tfetfei^Flläktronenstreuung. Ihre Abgrenzung gegen-

Kernäquivalent konnte durch selektive werden: nach Lufttrocknung der

ern^Jill m9Ho?.i}or/i' * Abb. 1—9 s. Tafel S. 32 a u. b.

X Q. R. Seances Soc. Biol. Filiales 143, 1392 [1949]. [2c. f;r,4iß« .>&iefH f^nb>e|Ag<e;0, Experientia [Basel] 8, 99 [1952],

gereinigten Rickettsien auf dem Kollodiumfilm der Objektträgerblenden erfolgte Fixierung in Chabaud-schem Gemisch (60 ccm 80-proz. Äthanol, 15 mg Phenol krist., 5 ccm Formol 40-proz., 2 ccm Acid, acet. puriss.). Danach wurde n-HCl 5 min bei 60° C einwirken gelassen. Hierdurch wurden die RNS-An-teile entsprechender Nucleoproteide hydrolysiert. während DNS-Anteile unverändert blieben. So be-handelte Rickettsien zeigten jedoch keine durchgrei-fende Änderung ihrer EM-Struktur. Dieser Befund entspricht den Erhebungen von T u l a s n e 3 , K e l -l e n b e r g e r 4 u .a . bei Bakterien. Nach P e t e r s und W i g a n d 5 wurden daher des weiteren die mit n-HCl hydrolysierten Rickettsien einer Digestion mit Pepsin (200 y/ccm; pn 2) unterworfen. Während die Behandlung mit Pepsin allein ohne vorherige n-HCl-Hydrolyse keine besondere Wirkung zeigte, war nun eine Darstellung des zentralen Kernäquivalentes möglich (Abb. 5). Die hier untersuchten Rickettsien verhalten sich also zytologisch ganz ähnlich wie Bak-terien (Escherichia coli) (vgl. auch K r i e g 6 ) . Der Abbau des RNS-Proteids wird durch die n-HCl-Hydrolyse am Nucleinsäure-Anteil eingeleitet und durch die Proteolyse des Pepsins unter Erhaltung der Abbau-Spezifität zu Ende geführt. Die nativen Nucleoproteide sind durch Pepsin nicht angreifbar. Daher bleibt das n-HCl-resistente DNS-Proteid im Gegensatz zum RNS-Anteil erhalten.

Die subpolaren Grana konnten von den ebenfalls HCl-hydrolysierbaren Volutin-Granula differenziert werden. In nativen Zellen wurden sie durch starke Elektronenbestrahlung (100 kV; 20 mA) nicht zer-stört. Sie verhalten sich damit anders als die sub-polar gelegenen sog. Volutin-Granula etwa in Myco-bacterium tuberculosis oder Corynebacterium di-phtheriae (vgl. W i n k 1 e r und K ö n i g 7 ) . Dies er-gänzt den Befund über den negativen Ausfall der Neisserfärbung. Metaphosphat war somit nicht nach-weisbar.

Nach diesen Untersuchungen kommt der unter-suchten Rickettsie etwa folgender Aufbau zu (s. Schema 1):

Zentral gelegen ein längs-orientiertes Kernäqui-valent (Euchromatin) und polar je ein (hetero-chro-matisches) kugeliges Paranucleoid. Dieses tritt be-sonders deutlich nach Schrägbedampfung als erha-

5 D. P e t e r s u. R . W i g a n d , Z. Naturforsch. 8b, 180 [1953].

« A. K r i e g , Z. Naturforschg. 9 b, 342 [1954]. • A. W i n k l e r u. H. K ön i g , Zbl. Bakteriol., Pa-

rasitenkunde. Infektionskrankh. Hvg. Abt. I Orig. 153. 8 [1949],

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Z U R P A T H O L O G I E D E R „ L O R S C H E R E R K R A N K U N G " 37

bene Struktur hervor: ganz ähnlich wie die phasen-optisch nachweisbaren Paranucleoide (vgl. K r i e g 0 ) etwa in Escherichia coli bei schräger Hellfeldbeleuch-tung (W i n k i e r 8 ) . Auch die beobachteten Tei-lungsformen entsprechen denen von Bakterien und sind typische Querteilungen (s. Schema 2).

Die systematische Einordnung des Erregers der Lorscher Seuche in die Ordnung Rickettsiales

Schema 1. Aufbau der Rickettsia melolonthae nov. spec. E (DNS) eudiromatisches Kemäquivalent, H = (RNS)

heterochromatisches Paranucleoid.

8 % Schema 2. Reproduktion der Rickettsia melolonthae nov.

spec.

( G i e s z e z y k i e w i e z ) und die Familie Rickettsiaceae (P i n k e r t o n) erfolgte nach B e r g e y s Manual of Determinative Bacteriology (6. Auflage, 1948): „Small, often pleomorphic, rod-shaped, ovoid, coc-eoid and coccus-shaped bacteriumlike organisms, intimately associated with arthropod tissues, usually in an intracellular position. Stain lightly with aniline dyes. Gram-negative. Have not been cultivated to date in cellfree media. May be parasitic to man and other animals causing diseases that are transmitted by arthropod vectors." Ein Großteil der Rickettsien lebt in einem Kommensalismus mit dem Arthropoden-

8 A. W i n k l e r , Z. Naturforsdig. 6 b, 72 [1950]. 9 F. W e y e r u. D. P e t e r s , Z. Naturforschg. 7b.

357 [1952],

Wirt. Nur wenige Arten wirken dabei ausgesprochen pathogen; außer bei Lorscher Seuche und blue disease ist dies nur noch im Falle Rickettsia prowazeki bezüglich Pediculus humanus bekannt. Der hier be-schriebene Erreger soll unter Berücksichtigung des Wirtes, aus dem er isoliert wurde, Rickettsia melolon-thae nov. spec, genannt werden. Er scheint mit der Coxiella japonica ( D u t k y und G o o d e n ) (s. Abb. 7) nahe verwandt, vielleicht sogar identisch zu sein. Die Einteilung in drei Genera (Rickettsia, Coxiella, Cowdria) ist m. E. nicht genügend gerechtfertigt. Deshalb wird der Erreger trotz seiner Filtrierbarkeit nicht als Coxiella, sondern als Species des einzigen Genus Rickettsia (da R o c h a L i m a ) eingeordnet.

Nach diesen und anderen zytologischen Unter-suchungen an menschen - pathogenen Rickettsien (W e y e r und P e t e r s 9 ) wird man nicht mehr an der nahen Verwandtschaft dieser Organismen mit den klassischen Bakterien zweifeln. Bereits durch P i n -k e r t o n 10 wurde diese Ansicht gegenüber der „missing link" - Theorie (Rickettsien als fehlendes Evolutionsglied zwischen Viren und Bakterien) ver-treten. Bezüglich der Evolution der Rickettsien stellte B u r n e t 1 1 die Hypothese auf, daß diese Organis-men sich über adaptierte Symbionten im Darm pri-mitiver Arthropoden aus freilebenden saprophytischen Bakterien durch Spezialisierung auf obligaten Zell-parasitismus entwickelt hätten. Von diesen primären Arthopodenparasiten haben sich dann viele Rickett-sien — allerdings nicht die hier beschriebene Art — in einer weiteren Spezialisierungsphase auch noch an Wirbeltiere zu adaptieren vermocht, bei denen sie im allgemeinen charakteristische Erkrankungen hervor-rufen.

Die EM-Aufnahmen wurden durch das freundliche Entgegenkommen von Herrn Prof. Dr. U. H o f f m a n n , Eduard-Zintl-Institut der Tedmischen Hochsdiule Darm-stadt, ermöglicht. Fräulein G . B r ü c k n e r danke idr für die Assistenz am Elektronenmikroskop.

Dr. S. R. D u t k y , US.Dept. of Agriculture Insect Path. Station Beltsville, Maryland, sei an dieser Stelle für die Übersendung von Filtraten der Coxiella japonica zwecks vergleichender Untersuchungen gedankt.

10 H. P i n k e r t o n , Parasitology 28, 172 [1936]; Bac-teriol. Rev. 6, 37 [1942],

11 F. M. B u r n e t , Med. J. Australia 2, 129 [1942],