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Römische Rechtsgeschichte 3. Dez. 2012. Lehrstuhl für Römisches Recht, Privatrecht und Rechtsvergleichung Prof. Dr. iur. Ulrike Babusiaux. Nachtrag: Beispiel aus dem Erbrecht = Q 49. Inskription - PowerPoint PPT Presentation
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Rechtswissenschaftliches Institut
Römische Rechtsgeschichte3. Dez. 2012
Lehrstuhl für Römisches Recht, Privatrecht und Rechtsvergleichung
Prof. Dr. iur. Ulrike Babusiaux
Nachtrag: Beispiel aus dem Erbrecht = Q 49
(1) Inskription
Testament des Antonius Silvanus (offenbar ein römischer Kavallerist in Alexandria bei Ägypten) von 212 n. Chr.; in Fayum gefunden
(2) Paraphrase
testamentarische Bestimmungen des Antonius Silvanus (in lateinischer Sprache, obgleich Erblasser selbst Griechisch schreibt)
Erbeinsetzung des Sohnes unter Enterbung der übrigen; Ersatzerbeinsetzung des Bruders (Bedingung des nicht-förmlichen Erbantritts)
Legate zugunsten des Bruders, der Frau und des Präfekten sowie des Hierax (Verwalter des Vermögens)
Einsetzung des Hierax als Verwalter des Vermögens
Beurkundung der mancipatio (Waagehalter und fünf Zeugen)
clausula doli: Abwesenheit von Arglist
Universität Zürich, RWI, Römische Rechtsgeschichte, Prof. Dr. iur. Ulrike Babusiaux Seite 2
Interpretation: Urheber
Antonius Silvanus, Reiter des Ersten Mauretanischen Kavallerieregiments thrakischer Reiterei, Ordonnanz des Präfekten, Valerischer Zug
fraglich, ob römisches Bürgerrecht (Provinz Thrakien ist stark hellenisiert, fraglich ob romanisiert)
Praxis, einen römischen Namen (kaiserlicher Gentilnamen) schon mit Eintritt in das Heer zu übernehmen
Dokument zeigt römische Prägung
Universität Zürich, RWI, Römische Rechtsgeschichte, Prof. Dr. iur. Ulrike Babusiaux Seite 3
Die Erbeinsetzung:«Mein ganzes Vermögen, das im Lager befindliche und das häusliche, soll Markus Antonius Satrianus, mein Sohn, allein von mir erben.»
institutio
wie im Testament nach ius civile an erster Stelle
«Alle andern sonst sollen enterbt sein.»
exheredatio inter ceteros (Sohn ist ja als Erbe eingesetzt)
«Und er soll meine Erbschaft in den nächsten hundert Tagen förmlich antreten. Wenn er sie nicht in der Zeit angetreten hat, soll er enterbt sein. Dann soll in zweiter Linie (Markus?) Antonius R .........., mein Bruder, mein Erbe sein und er soll meine Erbschaft in den nächsten sechzig Tagen förmlich antreten.»
Substitutionsregelung: Bei Nichtantritt (förmlich!) Ersatzerbenbestimmung
substitutio pupillaris (Sohn ist offenbar unmündig)
Universität Zürich, RWI, Römische Rechtsgeschichte, Prof. Dr. iur. Ulrike Babusiaux Seite 4
Vermächtnisse (Legate)«Ihm (dem Bruder) vermache ich mit dinglicher Wirkung, wenn er nicht mein Erbe sein wird, siebenhundertfünfzig Silberdenare.»
Vindikationslegat (= Legatar wird mit dem Erbfall Eigentümer)
«Ihm (Hierax) vermache ich mit dinglicher Wirkung fünfzig Silberdenare.»
Ebenso
«Ich vermache mit dinglicher Wirkung Antonia Thermutha, der Mutter meines oben genannten Erben, fünfhundert Silberdenare.»
Ebenso; die Frau wird nicht als Ehefrau (uxor) bezeichnet, sondern nur als Mutter des Sohnes (= Anzeichen einer nicht-legitimen Ehe)
«Ich vermache mit dinglicher Wirkung meinem Präfekten fünfzig Silberdenare.»
Ebenso
Universität Zürich, RWI, Römische Rechtsgeschichte, Prof. Dr. iur. Ulrike Babusiaux Seite 5
Einsetzung eines procurator:
«Zum Verwalter meines Lagervermögens, der mein Hab und Gut zusammen bringen und Antonia Thermutha, der Mutter meines oben genannten Erben herausgeben soll, mache ich Hierax, den Sohn des Behex, Vorreiter desselben Regiments, Äbutischer Zug, damit auch sie es verwahre, solange mein Sohn und Erbe unter ihrer Vormundschaft sein wird, und er es dann von ihr erhalte.»
Rolle des Hierax: Verwalter (kein Testamentsvollstrecker) des Vermögens (z.B. um Schulden einzutreiben, Sachen zusammenzusammeln); procurator offenbar untechnisch
Mutter als Vormund des Sohnes (ägyptisches Provinzialrecht)
Herausgabeverpflichtung der Mutter (aus der Vormundschaft; kein Fideikommiss!)
Universität Zürich, RWI, Römische Rechtsgeschichte, Prof. Dr. iur. Ulrike Babusiaux Seite 6
Floskeln ?«Diesem Testament soll Arglist fern sein.»
clausula doli = typische Floskel in römischen Dokumenten zur Verhinderung arglistigen Verhaltens und treuwidriger Auslegung des Dokuments (v.a. bei Stipulationen)
im Testamentsrecht eher untypisch, weil ja keine vertragliche Verpflichtung und keine Zusicherung
Versuch, Testament nach römischen Standards zu formulieren
«Lebendes und totes Vermögen hat, um ein Testament zu errichten, Nemonius, Vorreiter des Marischen Zuges, gekauft mit dem Waagehalter, Markus Julius Tiberinus, Untervorreiter des Valerischen Zuges, und er hat Turbinius, Fähnrich des Prokulischen Zuges, als Zeugen aufgerufen.»
Familiam pecuniamque und gesamte Ausdrucksweise beurkundet mancipatio (testamentum per aes et libram)
Institut, das römischen Bürgern vorbehalten ist.
Universität Zürich, RWI, Römische Rechtsgeschichte, Prof. Dr. iur. Ulrike Babusiaux Seite 7
Offene Fragen:
- War Antonius Silvanus römischer Bürger oder versuchte er nur, sich römischer Formen zu bedienen, ohne ihre Bedeutung zu erfassen (mancipatio, Arglistklausel)?
- Verbindlichkeit der originellen Verbindung von provinzialer Anschauung (Vormundschaft der Mutter, Verwalterstellung des Hierax) mit römischer Testamentsform?
- Verhältnis zum sogenannten Soldatentestament, vgl. Q 50?
Universität Zürich, RWI, Römische Rechtsgeschichte, Prof. Dr. iur. Ulrike Babusiaux Seite 8
Das Soldatentestament (testamentum militis)
Kaiserrecht (ius singulare) zur Hebung der Kampfesmoral der meist ausländischen Truppen:
Verzicht auf römische Form der mancipatio (Manzipationsritual, Zeugenzahl, Form der nuncupatio)
Einsetzung von Peregrinen als Erben und Vermächtnisnehmer
Im übrigen: Verzicht auf innere Förmlichkeit des römischen Testaments (z.B. Koexistenz zweier sich nachfolgender Testamente, soweit nebeneinander sinnvoll)
Universität Zürich, RWI, Römische Rechtsgeschichte, Prof. Dr. iur. Ulrike Babusiaux Seite 9
Universität Zürich, RWI, Römische Rechtsgeschichte, Prof. Dr. iur. Ulrike Babusiaux Seite 10
§ 13 Römische Rechtsliteratur der Zwischenzeit
nach dem Tod des Alexander Severus (235 n. Chr.): Zeit der sog. «Soldatenkaiser» (Militärmonarchie, häufig wechselnde Herrscher)
235 bis 284 n. Chr.: aussenpolitischer Druck (Sassaniden) und interne Spannungen (20 Kaiser in 50 Jahren) führen zum wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und sozialen Niedergang
Untergang einer eigenständigen Rechtswissenschaft
Universität Zürich, RWI, Römische Rechtsgeschichte, Prof. Dr. iur. Ulrike Babusiaux Seite 11
Quellentext 51 = D. 37.4.18pr.-1 Hermog. 3 iuris epit.
(1) Inskription:
Hermogenianus = nachklassischer Jurist, dessen Werk in das Corpus iuris aufgenommen wurde; möglicherweise praefectus praetorio um 300; Verfasser/Sammler des sog. Codex Hermogenianus (private Konstitutionensammlung)
Iuris epitome = nach 295 n. Chr. veröffentlicht; Zusammenfassung des geltenden (klassischen) Rechts in knapper und allgemein zugänglicher Form
(2) Paraphrase:
die bonorum possessio contra tabulas kann der unter einer Bedingung Enterbte verlangen, nicht aber der unter einer Bedingung eingesetzte Erbe
wer bonorum possessor contra tabulas ist, kann die Rechte aus dem Testament nicht geltend machen (Vermächtnis, Fideikommiss); dies gilt auch, wenn er diese Rechte für einen anderen verlangt.
Universität Zürich, RWI, Römische Rechtsgeschichte, Prof. Dr. iur. Ulrike Babusiaux Seite 12
(3) Interpretation
- Nachlassbesitz gegen das Testament wurde ursprünglich dem übergangenen Hauserben gewährt
- Erstreckung auf den, der unter einer Bedingung enterbt wird, weil auch hier kein klar erklärter Enterbungswille
- überraschend ist der gebildete Gegensatz zum bedingten Erben (Evidenz-Argument oder Unsicherheit über die Begründung der bonorum possessio?).
- Berufung auf bonorum possessio contra tabulas entkräftet das Testament; daher widersprüchliches Verhalten, wenn bonorum possessor einerseits gegen das Testament besitzen will, andererseits aber die Vorteile des Testamentes nutzen will (Hinweis zeigt erneut Unsicherheit über die Herleitung der bonorum possessio)
Universität Zürich, RWI, Römische Rechtsgeschichte, Prof. Dr. iur. Ulrike Babusiaux Seite 13
Verfügbarkeit klassischer Schriften
- Epitomierung auch als Weg, klassisches Recht über die Kulturzentren hinaus lebendig zu halten
- Sammelwerke zur leichteren Verfügbarkeit des klassischen Rechts
- Juristenschriften und kaiserliche Konstitutionen nur am Sitz der Zentralverwaltung greifbar
- beide aber sind die Haupt-Rechtsquellen der fortbestehenden Gerichtspraxis
Universität Zürich, RWI, Römische Rechtsgeschichte, Prof. Dr. iur. Ulrike Babusiaux Seite 14
Lösungen?
1. Sammlungen und Kurzfassungen (unter Diokletian):
Codex Gregorianus = Konstitutionen (Reskripte) von Hadrian bis Diokletian
Codex Hermogenianus = Konstitutionen Diokletians aus den Jahren 293 bis 294
Urheber = wahrscheinlich jeweiliger Leiter der Libellkanzlei (a libellis)
Universität Zürich, RWI, Römische Rechtsgeschichte, Prof. Dr. iur. Ulrike Babusiaux Seite 15
Lösungen? (Fortsetzung)
2. Kassiergesetz (Konstantin, 321 n. Chr.)
Ausserkraftsetzung der kritischen Anmerkungen (notae) des Paulus und Ulpian zu Papinian
3. «Zitiergesetz» Q 52
Limitierung der zulässigerweise zitierten Juristen und Fixierung der verbindlichen Juristenmeinung
Universität Zürich, RWI, Römische Rechtsgeschichte, Prof. Dr. iur. Ulrike Babusiaux Seite 16
Quellentext 52 = CTh. 1, 4, 3 = Brev. 1, 4,1
(1) Inskription:
- Kaiser Theodosius II. (Ostrom, 401-450) und Valentinian III. (Westrom, 419-455);
- Konstitution von 426 (C.Th. 1, 4, 3), die die Rechtsunsicherheit vor Gericht verhindern soll
(2) Paraphrase
- Papinian, Paulus, Gaius, Ulpian und Modestinus sollen als Belege angeführt werden können;
- von diesen zitierten Juristen sollen Beweiskraft haben: Scaevola, Sabinus, Iulianus und Marcellus, sofern Überlieferung handschriftlich sicher ist
Bei Meinungsverschiedenheiten
- zahlenmässiges Übergewicht
- bei Gleichstand: Vorrang Papinians
- sonst: richterliche Freiheit
Universität Zürich, RWI, Römische Rechtsgeschichte, Prof. Dr. iur. Ulrike Babusiaux Seite 17
(3) Interpretation
Motiv des Zitiergesetzes:
Rechtssicherheit
durch Beschränkung auf bestimmte Juristen
durch Absicherung einer Lesart durch mehrere Handschriften
durch Bestimmung, wessen Gutachten entscheiden soll
Beschränkung des richterlichen Ermessens
durch Festlegung der massgeblichen Juristenmeinungen
durch Bestimmung, welche Meinung im Zweifelsfall überwiegt
Konstitutionensammlungen: Übersicht 6
Codex Gregorianus private Sammlung von Konstitutionen (Reskripte) von
Hadrian bis Diokletian (bis 291); Verfasser Leiter der Kanzlei
a libellis.
Codex Hermogenianus private Sammlung von Konstitutionen Diokletians (293-294);
Verfasser der Jurist Hermogenianus (iuris epitomae).
Codex Theodosianus 429 Auftrag Theodosius’ II. zur gesetzeskräftigen
Kompilation von Kaiser- und Juristenrecht; später:
Beschränkung auf Kaiserkonstitutionen seit Konstantin
(Vereinheitlichung des Materials); Publikation im Osten des
Reiches 438; zum 1.1.439 auch Übernahme für den Westen
(Valentinian III).
Universität Zürich, RWI, Römische Rechtsgeschichte, Prof. Dr. iur. Ulrike Babusiaux Seite 18
Kodifikationen des römischen Rechts im Germanenreich:
- Edictum Theoderici (Theoderich II, 453-466)
- Codex Euricianus (Eurich, um 475 n. Chr.)
- Lex Romana Visigothorum (506 n. Chr.)
Greifen im wesentlichen auf die Codices Gregorianus, Hermogenianus und Theodosianus zurück
Ausdruck der spätantiken Kontinuität im frühen Mittelalter
Universität Zürich, RWI, Römische Rechtsgeschichte, Prof. Dr. iur. Ulrike Babusiaux Seite 19