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Fachbereich Verkehr 2/2006 E 11130 SCHI AHRT fff der report www.verdi.de Müntes Dreamteam Titelgeschichte auf den Seiten 10 bis 12

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Page 1: SCHI AHRT fff Fachbereich - ver.di+file++... · Aktionen gegen das Schiff absehen. Beim nächsten Anlaufen in Bremer-haven in zwei Monaten würden wir allerdings einen ITF-Tarifvertrag

Fachbereich Verkehr

2/2006

E 11130

SCHI AHRTfffder report

www.verdi.de

Müntes DreamteamTitelgeschichte auf den Seiten 10 bis 12

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ver.di report | NACHRICHTEN

Reederei Vinnen:

Fast 200 Jahre ohne Tarifvertrag

Schon 2003 war uns die „Merkur Del-ta“ in einer ITF-Aktionswoche aufge-fallen. Ein Schiff der Hansa TreuhandHamburg, bereedert von der ReedereiF. A. Vinnen Bremen, ohne ITF-Tarif-vertrag.Als ich nun auf die „Safmarine Agul-has“ stieß, die ohne Tarifvertrag Bre-merhaven anlief, stellte ich fest, dasses sich um eine alte Bekannte handel-te: die besagte Merkur Delta.Schon bei meinem ersten Besuch An-fang Februar 2006 ließen mich dieVergütungen aufhorchen. Der Matro-se erhält laut einer Vereinbarung mitder so genannten philippinischen Ge-werkschaft ISLA 453 US-Dollar imMonat bei 48 Wochenstunden. ProÜberstunde 2,70 US-Dollar extra.Überstunden fallen allerdings so gutwie nie an, sagte mir ein burmesi-scher Matrose.Um allen Parteien die Gelegenheit zugeben, den Sachverhalt zu klären,kündigte ich an, dass wir diesmal vonAktionen gegen das Schiff absehen.Beim nächsten Anlaufen in Bremer-haven in zwei Monaten würden wirallerdings einen ITF-Tarifvertrag se-hen wollen. So ging die Zeit ins Land,und nichts passierte. Am 4. April um 17.30 Uhr machte die„Safemarme Agulhas“ wieder in Bre-merhaven fest – und wieder ohne ITF-Tarifvertrag. Daraufhin wurde sie ab18 Uhr boykottiert. Gespräche mit

der Reederei an Bord führten zu kei-nem Ergebnis. Die Ausflüchte: HoheAusbildungskosten, hohe Sicher-heitsstandards, gutes Schiffsmaterial,überdurchschnittliche Rückflaggung(zwei von zehn Schiffen) bei F. A. Vin-nen und eine Vergütung, die wennman alles einberechnet bei fast 800US-Dollar für den Matrosen liegt,schließen einen Tarivertrag mit der ITFaus. Es gebe, erklärte mir Geschäfts-führer Michael Vinnen, viele Reede-reien, die schlechtere Konditionenbieten. Um die sollten wir uns ersteinmal kümmern. Alles Argumente,die ich schon hundertmal gehört ha-be und die durch Wiederholung nichtbesser werden. Nach über 24 Stunden Boykott nahmdie Gesprächbereitschaft aber zu. DieReederei erklärte sich doch bereit, ei-nen Tarifvertrag zu unterschreiben,und so beendeten wir die Aktion ge-gen 19 Uhr mit Erfolg. Der Tarifver-trag ist in Arbeit. Michael Blanke

VerhandlungsergebnisSeehäfen

Die Bundestarifkommission hat heutefolgendem Verhandlungsergebnis zu-gestimmt:1. Die Grundstundenlöhne werden abdem 1. Juni 2006 um 2,7 % erhöht.2. Hafenarbeiter, die nicht unter denBeschäftigungssicherungstarifvertragfallen und nicht in Vollcontainerbe-trieben arbeiten, erhalten zusätzlicheine monatliche Zulage in Höhe von21 Euro (252 Euro pro Jahr).

3. Hafenarbeiter in Vollcontainerbe-trieben bzw. dazugehörigen Dienst-leistungsbetrieben erhalten zusätzlicheine monatliche Zulage in Höhe von55 Euro (660 Euro pro Jahr).4. Betriebe, die unter den Beschäf-tigungssicherungstarifvertrag fallen,müssen die Erhöhung von 2,7% spä-testens bis zum 1. Februar 2007 um-setzen.5. Die Laufzeit beträgt zwölf Monate.Mit diesem Abschluss ist die einheitli-che Lohntabelle erhalten worden. DieBeschäftigten der Vollcontainerbe-triebe sind an deren ausgezeichnetenErgebnissen beteiligt.Die Tarifvertragsparteien haben ver-einbart, dass das Laschen von Contai-nern in den Vollcontainerbetriebendie monatliche Zulage von 55 Euroauslöst. Hierzu kündigt die Tarifkom-mission eine besondere Kampagnean. ❏

Heuertarifvertrag gekündigt

Die Bundestarifkommission See-schifffahrt hat sich auf einer Klausur-tagung am 8. und 9. Juni 2006 in Ber-lin ausführlich mit dem Heuertarif be-fasst. Die Tarifkommission war sicheinig, daß der HTV-See zum 31. Juli2006 gekündigt werden soll. In Be-zug auf die Forderungen gab esunterschiedliche Vorstellungen. Nachlängerer Diskussion einigten sich dieMitglieder der Tarifkommission auffolgende Forderungen:

Lineare Erhöhung der Heuern umsechs Prozent

Schrittweise Angleichung der Ta-bellen unter Ziffer A 2. und 3. an dieTabelle A 1.

Regelung über den Zugang zu denKommunikationssystemen des Schif-fes und deren private Nutzung, bei-spielsweise zur Versendung von E-Mails

Die Laufzeit des neuen Tarifvertra-ges soll zwölf Monate betragenDie Gewerkschaft ver.di hat die Forderungen dem Verband Deut-scher Reeder übermittelt und vorge-schlagen, dass die Verhandlungennoch im Juli 2006 aufgenommenwerden. ❏

MELDUNGEN AUS ALLER WELT

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ver.di report | KOMMENTAR

INHALT

Nachrichten2 Meldungen aus aller Welt

Kommentar3 Nur Ausbildung schafft

Know-how

Ostseefähren4 Superfast-Case –

wehret den Anfängen

ITF-Kampagne5 Boykottaktion gegen „Maersk

Sarnia“ in Hamburg...

…und „Francona“ in Bremen

Alkoholgrenzwert6 Das kam vom Gin

Krankenfürsorge7 Krankenfürsorge für Seeleute

verbessert

Twistlocks7 Twistlocks bestehen Test

Nachwuchs8 – 9 Ausbildungsexperimente

in der Seeschifffahrt

Titelgeschichte10 – 12 „Ich geb nicht auf!“

Biologisches Alter entscheidet

Wettbewerbsrecht12 Carrier wollen weiter Informa-

tionen austauschen dürfen

Wahlergebnisse13 Betriebsratswahlen 2006

Leserbrief14 – 16 Guten Tag im Seebetriebsrat

Stellungnahme16 – 17 Stellungnahme zum Leserbrief

Gender-Policy18 Frauen zur See

Binnenschifffahrt19 Europäische Binnen-

schifffahrt wohin?

Glosse20 Fiete Festmacher: Gerechtigkeit

Der ver.di-Report SchifffahrtNr. 2, Juni 2006

Herausgeber:Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Fachgruppe Schifffahrt,Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlinv.i.S.d.P.: Frank Bsirske, Jan Kahmann, Bearbeitung: Dieter BenzeTelefon (0 30) 69 56 26 32Fax: (0 30) 69 56 38 20

Internet: www.verdi.de

Herstellung und Druck:alpha print medien AG, Kleyerstraße 3, 64295 Darmstadtwww.alpha-print-medien.de

Layout: apm AG, Sabrina Stamm

Titel-Karikatur: Battiston

IMPRESSUM

SCHIFFFAHRT | 2/2006 3

Am 22. Juni 2006 haben die Mit-glieder des Maritimen Bündnis-ses, darunter der VDR und

ver.di, sich dafür ausgesprochen, dassBündnis weiterzuentwickeln.

Bisher war man sich einig, dass ins-besondere „das Bündnis für Ausbil-dung und Beschäftigung in der mariti-men Wirtschaft aus den „Kinderschu-hen herausgewachsen ist“. Das bewei-sen auch die Zahlen der zurückge-flaggten Schiffe – trotz „Delle“ imFrühjahr 2006.

Es kommt jetzt vielmehr darauf an –die neuen Ziele konkret zu definierenund Schritt für Schritt die Anzahl derSchiffe unter deutscher Flagge zu er-höhen – das bedeutete auf einer derletzten Beratungen (ministeriumsüber-greifend) Herr Adamowitsch, Staatsse-kretär im Bundesministerium für Wirt-schaft und Technologie und verant-wortlich für die effektive und zielge-richtete Vorbereitung der MaritimenKonferenz.

Alle waren sich einig – auch dieReeder – dass die Ausbildung Größen-ordnungen erreicht, die uns sichermacht, dass in den nächsten Jahren derseemännische Nachwuchs vorhandenist, wenn sich die Ausbildungszahlenweiterhin positiv entwickeln.

Kaum glaubt man in etwas ruhigesFahrwasser zu kommen – gibt esAlarm. Da wird die Anpassung derdeutschen Regelungen auf das EU-Recht ( Schiffsbesetzungs-Verordnung)dazu benutzt – alles Erreichte in Fragezu stellen!

Was war geschehen:

Die EU Kommission droht ihren Mit-gliedsstaaten ein Vertragsverletzungs-verfahren an, falls sie nicht unverzüg-lich die Entscheidung des Europä-ischen Gerichtshof (EuGH) in ihr natio-nales Recht umsetzen. Der EuGH hatentschieden, dass innerhalb der EU al-len Kapitänen der Zugang zu den Kapi-tänspositionen unter allen Flaggen of-fen stehen muss.

Die Entscheidung des Gerichts hatzu erheblichen Diskussionen an den

Nur Ausbildungschafft Know-how

Fachschulen bzw. Fachhochschulen ge-führt. Anfragen von Studenten „… obes noch Sinn mache weiter zu studie-ren, wenn deutsche Reeder sowiesonur den billigen Jacob haben wol-len“(!!) landeten auf unserem Tisch:

ver.di hat dazu eine klareHaltung:

Kapitäne auf Schiffen unter deutscherFlagge müssen von deutschen oder EU-Kapitänen besetzt werden. EU-Kapitä-ne, die ihr Patent nicht in Deutschlanderworben haben, müssen erfolgreichan einen besonderen Lehrgang teilge-nommen haben, indem das öffentlicheRecht unter deutscher Flagge ver-mittelt wird. Sie müssen die deutscheSprache beherrschen. Der Unterrichtwird in deutscher Sprache durchge-führt. Deshalb sind:

die Ausbildungsaktivitäten an denAusbildungsstätten sowie Fachschu-len/Fachhochschulen auszudehnen und

die seemännische Kompetenz wei-ter zu entwickeln

Fazit

Es müssen nautische und technischeSchiffsoffiziere sowie Kapitäne ausge-bildet werden.

Den Ausgebildeten muss eine guteberufliche Perspektive aufgezeigt wer-den können.

Das Maritime Bündnis muss ausge-weitet werden.

Die Anzahl der Facharbeiter/innenin der Ausbildung und an Bord musserhöht werden.

An der Ausbildung müssen sichmehr Reeder als bisher beteiligen.

Die Arbeits- und Lebensbedingun-gen an Bord müssen verbessert wer-den.

Es müssen mehr Schiffe zurück ge-flaggt werden.

Es besteht Einigkeit darüber, dasses keine Abkehr von diesem Weg ge-ben darf.

Karl-Heinz Biesold, Leiter derBundesfachgruppe Schifffahrt

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Daraufhin wurden von der finni-schen Seeleute und Hafenarbei-tergewerkschaft die nach Han-

kö (später auch Helsinki) verkehrendenSchiffe der Tallink Gruppe – Superfastunter Boykott genommen. Die fin-nischen Gewerkschaften haben ihredeutschen Kollegen aufgefordert, Un-terstützung zu leisten.

Aus diesem Anlass gab es am 1. Ju-ni 2006 um 21 Uhr eine Protestaktionvon Seeleuten deutscher Reedereien,Rostocker Hafenarbeiter sowie gekün-digter Superfast-Seeleute im Übersee-hafen Rostock. Ziel war es auch inDeutschland ein Signal zu setzen umdie Reederei Tallink zum Abschluss ei-nes Tarifvertrags für die genanntenSchiffe zu bewegen.

Auch nutzlose Versuche die De-monstration im Rostocker Überseeha-fen zu stören oder gar zu verbietenhatte keinen Erfolg. Es ist höchst be-

dauerlich, dass es immer wieder Men-schen gibt, die sich für Arbeitgeberin-teressen benutzen lassen.

Es stand weiterhin auf der Agendadieser Aktionen, dass der Ostseeraumnicht zur Spielwiese von Lohn und So-zialdumping im Fährschiffverkehr mu-tiert.

Zusätzlich hat sich viel Frust bei denüber 60 gekündigten deutschenSuperfast-Seeleuten, breit gemacht,die im wahrsten Sinne des Wortes„ausgebootet“ wurden. Sie wurdengefeuert, weil das estnische Lohn- undSozialniveau kapitalistischen Glücksrit-tern bessere Gewinnaussichten ver-schafften soll. Es ist ein Skandal, dassdie politischen und wirtschaftlichenRahmenbedingungen in der EU dazuausgenutzt und missbraucht werdenkönnen, die Menschen an ihren Ar-beitsplätzen nach Belieben im Interes-se der Erzielung maximaler Profite aus-

zutauschen. Der Verkauf der Super-fast-Fährschiffe hat auch bereits beianderen Reedereien entsprechendeBegehrlichkeiten geweckt, einenebensolchen Coup zu landen. Wennsich Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmer aber nur noch unter den Be-dingungen osteuropäischer Länder aufdem Arbeitsmarkt behaupten können,dann müssen auch deren Preise, Löh-ne, Sozialstandards und Steuern über-all in Europa gelten. Der geschildertenEntwicklung muss im internationalenRahmen Einhalt geboten werden. DasBeispiel zeigt nachdrücklich, dass eineinheitliches Europa einheitlicher Stan-dards bedarf, wenn es funktionierensoll. Dafür werden sich die europä-ischen Gewerkschaften, unter ihnenver.di, mit mehr Nachdruck einsetzen.

Tallink musste sich diesem massivenDruck beugen. Inzwischen liegt ein Ta-rifvertrag vor der in Stufen bis Juli 2008das bisherige Tarifniveau auch für est-nische Seeleute festlegt!

Dieses Beispiel macht deutlich, dassdie Zusammenarbeit zwischen den Ge-werkschaften zur Verhinderung vonSozialdumping funktioniert aber aus-baufähig ist.

Das ETF-Baltic Committee hat sichdeshalb entschlossen im Ostseeraumvom 9. Oktober bis 13.Oktober 2006eine Aktionswoche durchzuführen.

Michael Pfeifer Karl-Heinz Biesold

ver.di report | OSTSEEFÄHREN

Superfast-Case – wehret den AnfängenNach dem Verkauf von drei Superfast-Fährschiffendurch die griechische Attica-Group hat die estnischeReederei Tallink zwischenzeitlich den Fährbetrieb mitdiesen aufgenommen. Aufforderungen von im Fahrt-gebiet tätigen Seeleute- und Hafenarbeitergewerk-schaften, einen Tarifvertrag analog der mit dem grie-chischen Reeder vereinbarten abzuschließen, wider-setzte sich Tallink anfangs.

Mit einer Demonstration in Rostock

unterstützen die entlassenen Seeleute

den Boykott gegen Superfast in Finn-

land.

4 2/2006 | SCHIFFFAHRT

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ver.di report | ITF-KAMPAGNE

Seit 2004 hat das deutsche ITF-In-spektorat mehrfach die in Ham-burg ansässige Reederei Blue

Star schriftlich und mündlich dazuaufgefordert, ITF-Tarifverträge für ih-re zirka 30 Schiffe abzuschließen. DieReederei, früher zu P&O Nedlloydund jetzt zu Maersk gehörend, wei-gerte sich jedoch strikt, Gesprächemit dem deutschen ITF-Inspektorat zuführen.

Stattdessen gab Blue Star die An-weisung an ihre Kapitäne, dass ITF-In-spektoren die Schiffe der Reedereinicht betreten dürfen. Eine letztmaligeAufforderung zum Führen von Tarifge-sprächen erging an die Reederei imMai 2006 und blieb ebenfalls unbeant-wortet.

Deshalb wurde beschlossen, derReederei Blue Star ein deutlichesWarnsignal zu geben. Mit Hilfe des Be-triebsrates Eurogate und der Kollegenvor Ort am Containerterminal wurde

am 19. Juni das im Jahr 2005 erbauteund unter Liberia Flagge fahrende8450 Teu Schiff „Maersk Sarnia“ vonden Eurogate Kollegen 4,5 Stundennicht bearbeitet. Ergebnis: Am Tage

nach dieser Aktion (20. Juni) bat dieReederei Blue Star das deutsche ITF-In-pektorat um ein Gespräch, dass am 29.Juni in Hamburg stattfinden wird!

Ulf Christiansen

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Am 29. Mai 2006 nahm die„FRANCONA“ Kurs auf den Ha-fen von Bremen. Sie sollte die

mit 30 Trucks angelieferten Waren la-den. Nach Vorstellung des Reederssollten zwei Kranfahrer die Ladung anBord setzen und die Besatzung das

Stauen und Laschen übernehmen. Daslehnten die Bremer Hafenarbeiter ab –getreu unseres Slogan „Hafenarbeitden Hafenarbeitern“.

Darauf hin drehte die FRANCONAnach Bremerhaven ab, und auf demLandweg folgten die Trucks. Die Kolle-

gen aus Bremen hatten aber sofort dieITF und die Betriebsräte in Bremerha-ven verständigt. Als das Schiff in Bre-merhaven ankam, war niemand bereit,es abzufertigen.

Erst nachdem der Frachter weitere24 Stunden untätig auf Reede liegenmusste, unterschrieb der Reeder einenITF-Vertrag und akzeptierte damit, dasSeeleute von der Arbeit an der Ladungausgeschlossen sind. Das Schiff konntesomit wieder nach Bremen verholen –im Schlepp die Truckerkarawane – undhier laden.

An diesem Beispiel zeigt sich, dassdie Hafenarbeiter sich nicht die Arbeitwegnehmen lassen. Vielen Dank an al-le die wachsam und handlungsbereitwaren! ITF-Verträge sichern Hafenar-beit. Michael Blanke

… und „Francona“ in BremenFrancona braucht Hafenarbeiter

Boykottaktion gegen„Maersk Sarnia“ in Hamburg...Reederei Blue Star bittet ITF um Gespräch

SCHIFFFAHRT | 2/2006 5

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Nach den neuenBestimmun-gen über die

zulässigen Alkohol-grenzwerte für See-leute im Dienst, istein Leben à laKäp´ten BAY-BAYendgültig passé. Fallses das in dieser Formüberhaupt jemals ge-geben haben sollte.Die zulässige Promil-legrenze ist von 0,8auf 0,5 Promille ab-gesenkt worden (sie-he dazu ver.di Report1/2006, Seite 2).Darüber hinaus istdie Alkoholgrenzefür Kapitäne undBrückenwache aufFahrgastschiffen undauf Schiffen mit be-sonders gefährlicherLadung faktisch auf0,3 reduziert wor-den. Das Bundesjus-tizministerium hat je-doch diese Neurege-lung für den Kapitänwährend seiner ge-samten Bordanwe-senheit nicht akzep-tiert. Die 0,3 Promil-legrenze für den Ka-pitän soll in Bezugauf „Ruhezeiten undZeiträumen an Bord,in denen der Kapitännach pflichtgemä-ßem Ermessen unterBerücksichtigung derReiseplanung ein-schließlich der vor-herrschenden mete-orologischen Ver-hältnisse, nicht da-von ausgehen muss,

den Brückenwachdienst übernehmenzu müssen“ nicht gelten. Für solcheZeiträume würde dann für den Kapitänwieder die 0,5 Promilleregelung gel-ten. Wenn er allerdings das Komman-do auf der Brücke übernimmt, geltendie 0,3 Promille. Dieter Benze

ver.di report | ALKOHOLGRENZWERT

Das kam vom Gin

6 2/2006 | SCHIFFFAHRT

Das Klischee vom Käp’ten Bay-Bay hat den bekanntenmaritimen Zeichner Hauser 1974 veranlasst, diesen Co-mic anzufertigen. Im weiteren Verlauf der Geschichte er-fahren wir, dass der Käp’ten im Pacifik geblieben ist,aber zum Schluss noch ‘ne Flaschenpost losgeschickt hat.

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ver.di report | KRANKENFÜRSORGE / TWISTLOCKS

SCHIFFFAHRT | 2/2006 7

Einen Schritt nach vorne haben dieSozialpartner beim Thema „Kran-kenfürsorge auf Seeschiffen“ auf

einer Fachsitzung Ende Mai in Bonngemacht. Inhaltlich ging es vor allemum Vorschläge für ein Behandlungs-konzept bei akuten Herz-Kreislauf-Pro-blemen und den Einsatz einer neuenKrankentrage an Bord.

Eigentlich sollten diese Themenschon im Vorjahr einvernehmlich ge-löst werden. Aber im Rahmen derRückflaggung von Schiffen unter diedeutsche Flagge wurde von Seiten derReeder eine zunehmende Bürokratisie-rung kritisiert, und da ging es in punk-to Krankenfürsorge eben nicht vor-wärts. Umso mehr ist zu begrüßen,dass die am Tisch sitzenden Partner(Politik, VDR und ver.di) nun ein Ergeb-nis erreicht haben und die Krankenfür-sorge für Seeleute verbessert wird.

Dr. Baumeier vom Universitätsklini-kum Lübeck und Dr. Flesche, funkärzt-licher Beratungsdienst Cuxhaven, stell-ten die fachlichen Argumente für einBehandlungskonzept bei Herz-Kreis-lauf-Problemen aus ihrer Sichtweisevor. Dr. Baumeier favorisierte dabei vorallem den Einsatz des Defibrillators inKombination mit einer wirksamen Sau-erstoffversorgung, um so eine wirksa-me Wiederbelebungschance zu errei-chen. Das setzt aber auch voraus, dassdie Mitarbeiter an Bord mit einer sol-chen Anwendung vertraut sind, wasderzeit nicht durchgängig gegeben ist.Insofern einigte man sich am Ende nurauf den Einsatz eines Defibrillators.Neben einer möglichen Defibrillationkönnen die Geräte auch zur Ableitungeines EKGs verwendet werden, wo-durch eine gezieltere funkärztliche Be-ratung möglich wird.

Bei der Diskussion um die Einfüh-rung einer neuen Krankentrage wurdehervorgehoben, dass sie von der Größeher in das Rescue-Boot passt. Gegen-über der momentan an Bord verwen-deten Trage bietet die neue mehr Si-cherheit, da sich die Verletzten besserbefestigen lassen. Da sie aus Kunst-stoff besteht, ist die Trage auch leichterzu handhaben. Die See-Berufsgenos-senschaft wird die Genehmigungsprü-fung entsprechend der Richtlinien derIMO vornehmen.

Darüber hinaus ist für Seeleute be-sonders wichtig, dass die neue Medi-kamentenliste endlich abgesegnetwird. Sie ist schon lange überfällig. Sieist außerdem Voraussetzung dafür,dass die Handbücher für die Kranken-fürsorge an Bord neu gedruckt werdenkönnen.

Die Ergebnisse sollen nun mög-lichst rasch in ein Bundesratsverfahrengebracht werden, um die Krankenfür-sorgeverordnung entsprechend zu än-dern. Angeregt wurde hierzu von Sei-ten des VDR auch eine Übersetzungder Krankenfürsorgeverordnung.

Peter Geitmann

Krankenfürsorge für Seeleute verbessert

Hamburg – Der GermanischeLloyd hat die vollautomatischenContainer-Twistlocks nach einer

Serie von Ladungsverlusten auf hoherSee erneut auf den Prüfstand gestellt.Alle untersuchten Vollauto-maten hätten in den Testrei-hen die Grenzwertbelastungsowie die gleichzeitige Mate-rialbelastung bestanden, er-klärte Jan-Olaf Probst,Schiffstypen-Manager Con-tainerschiffe, kürzlich aufdem Container-Forum des GLin Hamburg. Nach den Prü-fungsergebnissen bestehekeine Veranlassung, die Ge-nehmigung für ein oder meh-rere Fabrikate zurückzuzie-hen. Neben den Twistlocks,mit denen die Container aufDeck gelascht werden, solljetzt auch die Heckform derbetroffenen Containerschiffeunter die Lupe genommenwerden. Die Frachter, die inder Biscaya einen Teil ihrer La-

dung verloren haben, weisen eine sehrflache frachtraumoptimierte Heckformauf. Es sei denkbar, dass durch das vonunten gegen den Rumpf peitschendeWasser („Heckslamming“) starke verti-

kale Beschleunigungskräfte ausgelöstwurden. Die Zurrstangen, Boden-Twist-locks und Container-Eckbeschlägekönnten dadurch in Mitleidenschaftgezogen worden sein. ❏

Twistlocks bestehen Test

Russian18%

Ukraine11%

OtherRegions4%

Other Asian3% Central Europe

4%

Other Eastern Europe24%

Filipino11%

German5%

Indian20%

NATIONALITIY OF OFFICERS ON IMEC/DSA COVERED VESSELS

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Die zäh und mühsam angelaufeneAusbildungsoffensive zeigt jetztzwar erste quantitative Erfolge

bei den Berufsanfängern, sie hat aberauch zahlreiche Schwächen aufge-zeigt, die diesen ersten Erfolg schwä-chen können.

So haben in der Zeit der Ausbil-dungsversäumnisse nicht nur die Ree-der ihre Ausbildungskompetenz anLand verloren, sondern auch das See-fahrtausbildungswesen hat sich gra-vierend geändert. Wie man aus derFahrt hört, nicht unbedingt zum besse-ren und auch nicht unbedingt dazu,dass Seeleute länger in der Seefahrtverweilen.

Was ist mit der Ausbildunggeschehen?

Eine sehr große Zahl von Reedereienhat die ihnen eigene Kompetenz hin-sichtlich Auswahl und Ausbildung ih-res Nachwuchses an „manning agen-cies“ abgegeben. Ausbildung war zumreinen Kostenfaktor verkommen. Qua-lität und Nachhaltigkeit bei der Ausbil-dung waren dem Zufall überlassenund/oder eine Frage des Preises.

Dieser Mangel und diese Lückewurden ausschließlich von den See-fahrtsbildungseinrichtungen geschlos-sen, die ihrerseits durch den jahrelan-gen Mangel an Auszubildenden undStudenten unter den Druck der Rech-nungshöfe der Bundesländer geratenwaren. Auch hier waren der Kosten-faktor und die damit drohende Schlie-ßung das Motiv für anderes Handeln.Nicht der Bedarf, nicht die Qualität undschon gar nicht der Anspruch desNachwuchses.

Alle jetzt folgenden Reaktionen derBildungseinrichtungen wurden gelei-tet von der Maxime: „Rationalisie-rungsfördernd oder kürzer und billiger

für die Reeder“. Das Seefahrtbildungs-wesen ging sozusagen in Konkurrenzzu den „manning agencies“.

Ausgehend von dieser Maximeglaubte man, dass die Reeder wiedervermehrt ausbilden würden.

Bereits 1985 entstand gegen dieKritik von Gewerkschaft und Länder-vertretung (StAK) das Modell „Schiffs-betriebsoffizier (SBO)“ an der Fach-hochschule Hamburg in Kooperationmit zunächst zwei Reedereien. Ein Mo-dell, dass den Rationalisierungsgedan-ken zum Ziel hatte und durch die Bin-dung zweier Reedereien der Fachhoch-schule Hamburg verlässlich Studentenzuführen sollte. Der Anspruch an dieStudenten war hoch.

In 2006 wurden die letzten Restedes Fachbereiches Seefahrt in Ham-burg abgewickelt und der Ausbil-dungsgang „Schiffsbetriebsoffizier“aus der Schiffsoffiziers-Ausbildungs-verordnung getilgt. Das Seefahrtbil-dungswesen in der größten HafenstadtDeutschlands und dem Zentrum dermaritimen Wirtschaft hatte sich end-gültig abgemeldet. Wem hat es ge-nützt?

1995 ging das Land Niedersachsenan seinen Fachhochschulen noch ei-nen Schritt weiter und machte die fürden Reeder zunächst nahezu kosten-lose Ausbildung zum Maßstab ihrerAusbildung. Ein zunächst als Modell-versuch gegen den Willen des VDRund dem Votum der Länder in der BBSgestarteter Ausbildungsgang „Praxis-semesterausbildung“ wurde vom Ge-setzgeber 1998 trotz erheblicher in-haltlicher und sozialer Mängel durchÄnderung der SchOffzAusV legali-siert.

Fast zeitgleich hatte sich der Ge-setzgeber immer mehr aus den inhalt-lichen Anforderungen der Ausbildungzurückgenommen und bestimmte nur

noch Rahmenbedingungen und mehroder weniger abstrakte Prüfungsinhal-te.

An den auftretenden Mängel dieserAusbildung ist bis vor kurzer Zeit im-mer noch repariert worden. An dereinzigen Vorgabe des Bundes die Aus-bildung nach den OA-Richtliniendurchzuführen hat sich keiner gehal-ten. Auch nicht das Land Mecklen-burg-Vorpommern, dass diese Ausbil-dung ebenfalls in sein Programm auf-genommen hat. Aus einem gelenktenPraktikum waren zwei Semester ge-worden, deren Qualität einerseits vonder Aktivität der Fachhochschule undanderseits der Motivation der zufälligzur Verfügung stehenden Schiffsbesat-zungen abhängig war. So war es keinWunder, dass der gleiche Studiengangan den Fachhochschulen zweier ver-schiedener Bundesländer sich in Zeitund Inhalt bis heute unterscheidet. DerWechsel von einer zu anderen Fach-hochschule ist damit ausgeschlossen.Wem hat das genützt?

Was den Fachhochschulen rechtwar, schien der Fachschule in Cuxha-ven nur billig.

In 1997 wurde die Ausbildung zumSBTA (Schiffsbetriebstechnischer Assis-tent) aus der Taufe gehoben, mit dengleichen Zielen. Billig für die Reeder,zuverlässiger Nachschub für die Schuleund damit Standortsicherung. Auchdiese Ausbildung hat sich unkontrol-liert entwickelt und dient nur demZweck der Fachschule Cuxhaven Stu-denten zuzuführen. Die zweijährigeAusbildung erlaubt nur den Zugangnach Cuxhaven, an keine andere Fach-oder Fachhochschule. Wem nützt das?

Man sieht, dass sich seit 1985,spätestens jedoch seit 1997 neben derbewährten traditionellen Ausbildungüber den Schiffsmechaniker und denOffiziers-Assistenten Ausbildungsfor-men entwickelt haben, die sich aus-schließlich an den Interessen der Län-der, der Schulstandorte und ihrer Be-diensteten orientiert hat.

Zwar gibt es keine wissenschaftlichfundierte Untersuchung, aber Berichteaus der Seeschifffahrt, die ständigen

ver.di report | NACHWUCHS

8 2/2006 | SCHIFFFAHRT

Ausbildungsexperimente in der SeeschifffahrtAusflaggung in Verbindung mit minimalen Ausbil-dungsanstrengungen haben in den letzten 20 Jahrenzu Verwerfungen geführt, die ausschließlich mit der Verabredung zu mehr Ausbildung und Beschäfti-gung nicht aufzulösen sind.

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SCHIFFFAHRT | 2/2006 9

ver.di report | NACHWUCHS

Nachbesserungen an der Praxissemes-terausbildung, die im Verhältnis zu den Einschreibungszahlen geringenAbschlüsse und die kurze Verweildauerin der Seeschifffahrt machen die Fehl-entwicklung deutlich.

Die mit der Subventionierung derReedereien verbundene Erwartung anGewinn von maritimen know-how undlängerer Beschäftigung steckt noch inden Startlöchern.

Gibt es positive Änderun-gen und wenn ja welche?

Diese Frage ist mit einem vorsichtigenJa als auch mit Nein zu beantworten.

Während die europäische Bildungs-politik sich auf den Weg der Harmoni-sierung gemacht und das Bachelor/Mastersystem eingeführt hat an derenUmsetzung die Bundesländer noch ar-beiten, haben Niedersachsen undMecklenburg-Vorpommern, offen-sichtlich im Stillen die Praxissemester-ausbildung ganz oder teilweise aufge-geben und wollen nunmehr den „dua-len Studiengang“ in den Mittelpunktihrer Ausbildungsangebote stellen.Der „duale Studiengang“, wieder inKooperation mit ein oder zwei Reede-reien, soll nach Elsflether Modell in nur4,5 Jahren sowohl den Schiffsmecha-nikerbrief als auch ein nautisches odertechnisches Befähigungszeugnis bein-halten. Studium und Berufsschule sol-len miteinander zeitlich so verzahntwerden, dass praktisch ohne Pause ge-lernt wird. Die Hochschule Wismar ver-folgt die gleiche Ausbildung be-

schränkt sich aber auf den Erwerb desSchiffsmechanikerbriefes und ein tech-nisches Befähigungszeugnis. Darüberhinaus verzichtet Mecklenburg-Vor-pommern nach den heutigen Plänenweitestgehend auf das Ziel unbedingtnoch kürzer in der Ausbildung zu sein.

Wie auch hier das Standortinteres-se vorrangig den Ablauf und die Inhal-te bestimmt, wird daran deutlich, dassdie Lernmodule inhaltlich, zeitlich sokonzipiert werden, dass die Leistungs-nachweise nicht an unterschiedlichenStandorten erworben werden können.

Ist es die Hoch/Geringachtung derProfessorenkollegen untereinanderoder das Standortinteresse? In jedemFall nicht das Interesse des Studentenund auch nicht im Interesse einer opti-malen Ausnutzung der Ausbildungska-pazitäten. Wem nützt das?

Positiv ist in jedem Fall anzumer-ken, das verstärkte Engagement derReeder die Schiffsmechanikerausbil-dung als Grundlage für ein darauf auf-bauendes Studium zu nutzen. Hierscheint sich Qualität durchzusetzen.

Umso mehr ist darauf zu achten,dass diese Ausbildung nicht ein Opferdes angekündigten „numerus clau-sus“ an den Fachhochschulen wird.

In Zeiten knapper Ressourcen solltedeshalb auf Experimente verzichtetund eine Optimierung der Studienplät-ze angestrebt werden.Ausbildung plus Attraktivität/Berufszufriedenheit = VerweildauerEs wird höchste Zeit sich damit zu be-schäftigen, was die Seeschifffahrt und

die gesamte maritime Industrie für dienächsten Jahre benötigt. Die Ausbil-dungsstätten müssen Dienstleister dermaritimen Industrie, nicht aber dasMaß der Ausbildungsqualität sein.

Der Föderalismus und die zuneh-mende Selbstständigkeit der Schulenist aus der Sicht der maritimen Wirt-schaft kein Gewinn. Wem nützt dieseEntwicklung?

Es muss darüber diskutiert wer-den, wie man kontinuierliche Ausbil-dung so gestaltet, dass sie zu hoherQualität und damit einhergehenderBerufszufriedenheit bei den Seeleu-ten führt. Verbunden mit einer At-traktivitätssteigerung führt dies zu ei-ner längeren Verweildauer und damitletztendlich zur Kostensenkung. Eskann nicht davon ausgegangen wer-den, dass auf ewig und alle ZeitenAusbildung in der Form wie heutesubventioniert wird.

Attraktivität und Berufszufrieden-heit kann man jedoch nicht erreichen,wenn man junge Menschen mit 18Jahren für die Seeschifffahrt dadurchgewinnen will, dass man sie gleichnach dem Abitur 4,5 Jahre ununterbro-chen lernen und studieren lässt. Diesewenig lebenserfahrenen jungen Leutehat man prinzipiell bereits wieder ver-loren, weil sie einen wichtigen Teil ih-res Lebens zwischen 18 und 25 in derSeeschifffahrt nicht nachholen kön-nen.

Sie werden die Seeschifffahrt sehrfrüh wieder verlassen, um Versäumtesnachzuholen. Wem nützt das?

K. Meyer

Unser Foto zeigt einen Auszug aus der Schiffsmechanikerausbildung auf der „Ozeanic“ der Bugsier Reederei.

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zuerst möchte ich mich bei Ihnen bedanken für Ihre Idee,die Lebensarbeitszeit in Richtung 100 (67) zu verschieben.Damit haben Sie viele Grufties zu neuem Leben erweckt, soauch mich! Mir gab die Vision Münte 2010 Hoffnung, dochnoch einen Job zu bekommen. Denn mit der zu erwarten-den Rente werde ich nicht über die Runden kommen.

Zu meiner Person:Geboren: 1938 Ostpreußen Beruf: Seemann (1967 – 2004 als Kapitän im Offshore-Be-reich), 2004: Krankheitshalber ausgestiegen.

Entschluss gefasstAnfang November 2005 steuere ich mit meinem altenFahrrad das Hafenamt in Cuxhaven an, um ein Patent, daskeine Gültigkeit mehr hatte (in der Seefahrt sind die Zerti-fikate fünf Jahre gültig) zu erneuern.

Ein freundlicher Beamter – Herr Sch. – in etwas krummerHaltung, mit gutem Personengedächtnis, begrüßt michmit den Worten: „Wir kennen uns doch!“ „Natürlich“,antworte ich. „Sie haben mir 1999 ein neues Patent nachSTCW 1995 ausgestellt.“ Die Antwort von Herrn Sch.: „Ja,damals waren wir noch was.“ Das versteh` Einer... „HerrSch., ich bin hier, um mein Patent zu verlängern. Ich möch-te wieder arbeiten.“ „Wie alt?“ die Gegenfrage von Sch..„Ja, gute 67 Jahre, aber noch prima in Form. Wenn manvon den Wehwehchen absieht.“ Er: „Wehwehchen habeich auch.“ Bei ihm der Rücken , bei mir der Nacken. „Dannsind wir Leidensgenossen“, sage ich. „Sie hat der Schreib-tisch geschafft. Ich habe meinen Teil während der Jahreauf Ankerziehern abbekommen.“

Nun habe ich leichtes Spiel, denke ich mir. Nachdem ichmich vorgestellt habe, möchte Herr Sch. meine Dokumen-te sehen.1. Patent, abgelaufen Juni 20042. Seediensttauglichkeitszeugnis, abgelaufen3. Funkzeugnis, abgelaufen4. TMAC Medico 5. Seefahrtsbuch 6. Advanced Fire Fighting, 1985 abgelaufen 7. Survival and Rescue Boats, 1985 abgelaufen8. Basic Safety, abgelaufen

„Also, Herr Dammalacks. Das sieht nicht gut für Sie aus. Umdas Patent ausstellen zu können, müssen Sie erstens einneues Seediensttauglichkeitszeugnis machen, ein neuesFunkzeugnis beantragen und drei Lehrgänge besuchen(ASB). Vier bis sechs Wochen wird alles dauern, wenn Sieschnell einen Platz bekommen. Sobald alle Papiere da sind,schicke ich alles nach Kiel, Hamburg oder Rostock.“„Wie?“, wundere ich mich. „Cuxhaven hat kein Gewichtmehr. Selbst die Seediensttauglichkeitsuntersuchung istnach Bremerhaven verlegt worden.“ „Das versteh Einer“,sage ich – „warum dieser Sch.. .“ „Jetzt müssen die Reedermit großem Zeitaufwand Ihre Leute nach Bremerhavenschicken. Da hat mal wieder der Amtsschimmel Böcke ge-schossen“, meint Herr Sch.. „Wenn Sie alles zusammen ha-ben, brauche ich etwa eine Woche, bis das Patent da ist.“

Borsigstr. 12, Bremerhaven 10. Dezember 2005Vertrauensarzt der See-Berufsgenossenschaft. Die Praxisein Klotz, fast eine Villa. Baujahr: 1901. Man steigt dieTreppen zirka acht Meter bis zum Eingang hoch. Ein Neu-

Er ist bestimmt nicht der einzigeSeemann, dem zu Hause die Deckeauf den Kopf fällt. Dammalacks –

Ex-Boxer, mit einem Kreuz wie einSchrank – konnte sich nicht damit ab-finden, dass er mit 67 zum alten Eisengehören soll. „Ich fühle mich fit. Und zuHause zähle ich die Regenwürmer,wenn ich den Garten umgrabe“, sagter. 40 Jahre hat der Vater von zwei er-wachsenen Kindern auf Ankerziehernund Offshore-Versorgern gearbeitet. Indiesem Sektor gibt es in Deutschlandnur noch wenige erfahrene Kapitäne,weil die Reedereien hierzulande langeZeit keine Schiffe für die Offshore-Ölin-dustrie betrieben haben. Das ändertsich jetzt. Firmen wie König & Cie und

Nordcapital/E.R. Schifffahrt wollen sichwieder auf diesem Sektor engagieren,und wahrscheinlich werden noch ande-re folgen. Der Fall Dammalacks zeigt je-doch, dass erfahrene Spezialisten über60 kaum noch Chancen auf dem deut-schen Arbeitsmarkt haben. Da kann dieRegierung die Lebensarbeitszeit nochso weit hochschrauben. Hätte man ihmdas nicht gleich sagen können? Bevor ermehrere Monate damit zubrachte, Zer-tifikate und Kurse nachzuholen? Wasihn richtig wütend gemacht hat, wardie Art und Weise, wie ihn der zuständi-ge Sachbearbeiter der Heuerstelle Ham-burg nach all der Mühe abservierte.„Kaltschnäuzig und desinteressiert“,sagt Dammalacks. Schließlich hätten

auch ältere Kapitäne hin und wieder ei-ne Chance bekommen, „auf Kümosvon kleineren Reedereien zum Bei-spiel.“ Inzwischen er herausgefunden,dass Leute wie er doch noch gefragtsind. Nicht in Deutschland, aber im Aus-land. Nach einigen Bewerbungen hat erEnde Mai bei der in Nigeria ansässigenSeatruck Group angemustert. ❏

ver.di report | TITELGESCHICHTE

Weg zurück in die Arbeit . . .

„Ich geb nicht auf!“

10 2/2006 | SCHIFFFAHRT

Kapitän Max Dammalacks wollte sich

nicht damit abfinden, dass Arbeitneh-

mer über 60 von den Unternehmen ge-

mieden werden.

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Lieber Herr Müntefering,

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ver.di report | TITELGESCHICHTE

SCHIFFFAHRT | 2/2006 11

ling muss von diesem monströsen Haus so beeindrucktsein, dass er gleich das Handtuch wirft – nicht wirklich imSinne der deutschen Reeder, die den Nachwuchs brauchen.

Einmal das Haus betreten und den richtigen Weg gefun-den, fühlt man sich wieder besser – altes abgeschliffenesGestühl, eine Klappe mit zwei Fenstern. Man meldet sichan und wartet. Nach zwei Stunden Wartezeit, drei Stundengründlicher Untersuchung und 60 Euro Gebühr bekommeich mein Decksdiensttauglichkeitszeugnis für ein Jahr.

Das Seefunkzeugnis habe ich inzwischen auch nach Ham-burg geschickt, Gebühr: 50 Euro. Damit wären die erstenbeiden Punkte auf meiner Liste abgehakt.

Ende Dezember und nach zahlreichen Anrufen wegen derrestlichen drei Lehrgänge – nur negative Antworten, dassvor April nichts frei sein würde – beschließen mein KollegeMimke und ich, die Sache in Polen durchzuziehen.

Polenreise, die erste21. Januar 2006, 6.18 Uhr ab Cuxhaven. Wir haben unsein Billigticket drei Tage im voraus gekauft, für 140 Eurohin und zurück nach Gdyna (Gedingen). Fahrtzeit etwasmehr als 15 Stunden.Der Wecker klingelt um fünf Uhr – ich fühle mich nichtwohl, hatte eine Grippe die mir noch immer in den Kno-chen steckte. Pünktlich geht es los. Mimke steigt in Ottern-dorf zu, genauso gut gegen die Kälte eingepackt wie ich. Inzwischen ist es warm geworden im Abteil.Der Zug nach Hamburg hat seine beste Zeit hinter sich,sollte aber von dem Zug Stettin/Gedingen noch übertrof-fen werden.

Ankunft in Gedingen Glowna um 21.30 Uhr, dunkel wiedie Nacht, Schneegestöber, zwölf Grad minus. 22.10 UhrAnkunft im Hotel Marynada, einem alten Seemannshotel,nicht zu teuer: 120 Zloty pro Nacht und Person. Für uns ge-rade recht. Wir wollen den Lehrgang hinter uns bringenund weiter nichts.Die Zimmer sind klein und nicht fein, das Bett eine sofaar-tige Liege mit einem Tuch bedeckt.Sechs Uhr aufstehen, bescheidenes Frühstück.7.45 Uhr Ankunft in der Akademie Morska. Abfahrt 8.10Uhr, Ankunft 8.30 Uhr bei der Skoala Morska. Die richtigeSchule gefunden! Die Lehrgänge gehen von Montag bis Freitagnachmittag.Wir haben Basic und Advanced Firefighting, Ship SecurityOfficer (ISPS) und AID belegt.Rescue Boats ist nicht möglich, weil der Hafen vereist ist.

Advanced Firefighting mit der Berufsfeuerwehr Gedingen:Wir mussten am letzten Tag in voller Montur durch einenverrauchten Tunnel kriechen, einige Knöpfchen drückenund ein kleines Feuer löschen. Die schriftlichen Prüfungenwaren bereits bestanden.

Rückkehr am 26. Januar um 21.30 Uhr in Cuxhaven. Kostenfür die Kurse: zirka 500 Euro zuzüglich Hotel und Reise.

30. Januar 2006: Seemannsamt Cuxhaven, Herr Sch. lässtbitten. Ich bekomme eine Tasse Tee, aber nicht das Patent!So siehts leider aus, das Rescue-Boats-Zertifikat muss nochher! Das ist gediegen. Denn früher wurde jede Woche un-ser Speedboat zu Wasser gelassen, und ich hatte die Ober-aufsicht.

Polenreise, die zweiteMimke und ich machten uns am 9. April 2006 erneut aufdie Reise nach Gedingen. Gleiches Hotel, andere Schule,insgesamt acht Teilnehmer. Der Unterricht muss auf Pol-nisch gehalten werden, da nicht alle Englisch verstehen.Die Schule bemüht sich aber sehr um uns, besorgt jedemeinen Übersetzer. Nachdem die gemeinsamen Übungen inder Schwimmhalle, wie Rettungsinsel besteigen, im Über-lebensanzug vom Turm springen, Rettungsinsel umdrehenund Streckeschwimmen, mit Applaus beendet sind, wer-den wir Kapitän Leszek Adwent vorgestellt, der den Unter-richt in gutem Englisch führt und der für seine 77 Jahreunheimlich frisch wirkt.15. April 2006, 21.30 Uhr: Nach mehr als 15 StundenBahnfahrt wieder in Cuxhaven festgemacht.

In der Woche nach Ostern bekomme ich von Herrn Sch.mein Patent. Der ist sichtlich erstaunt, dass es Menschengibt, die sich mit Aufgaben belasten, welche der jüngerenGeneration angeblich besser anstehen.

Alles umsonst?Doch das dickste kommt noch...Herr Müntefering. Es sieht so aus, als hätte ich Geld, Zeitund Mühe völlig umsonst investiert – ganz zu schweigenvon einem Taschendiebangriff in der polnischen Bahn.

Stellen Sie sich vor, was Herr Bender von der HeuerstelleHamburg mir mitteilt, nachdem ich von Pontius zu Pilatus gelaufen bin, um wieder zur See fahren zu kön-nen: „Es gibt genügend Stellen, aber leider nicht für Men-schen die 67 Jahre alt sind. Der Verband Deutscher Reederhat das angeordnet.“

Sollte man sich nicht lieber die Person ansehen und viel-leicht einem Test unterziehen, bevor man sie als seeun-tüchtig abfertigt?!

Während der letzten fünf Jahre war ich als Kapitän auf ei-nem Spezialschiff im Ölfeld vor Nigeria tätig. Dabei kam esoft vor, dass 50 bis 70 Stunden in „einem Rutsch“ durch-gezogen wurden, weil der lokale Steuermann eine Nietewar. Ich behaupte, ich kann das auch heute noch.

Herr Müntefering! Wenn Sie ehrlich sind, müssen Sie zu-geben, dass Ihre Idee mit der Verlängerung der Lebensar-beitszeit doch an der Realität vorbeigeht! Nichts liegt mirferner zu behaupten, dass Sie „schicke“ waren, aber ganznüchtern wohl auch nicht...

Mit freundlichen GrüßenIhr Max Dammalacks

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ver.di report | TITELGESCHICHTE / WETTBEWERBSRECHT

12 2/2006 | SCHIFFFAHRT

Das Rentenalter in der Bundesre-publik soll demnächst von 65auf 67 Jahre angehoben wer-

den. Durch Änderung einer Verord-nung sollen Ärzte schon jetzt bis 68Jahre praktizieren dürfen.

Deutsche Reedereien lassen ihreContainerschiffe auch von Kapitänenweiterführen, wenn diese das 65. Le-bensjahr überschritten haben. Im Man-teltarifvertrag für die deutsche See-schifffahrt ist auch keine Altersgrenzevorgeschrieben worden. Doch der Ver-

band Deutscher Reeder (VDR) hat daseine eigene Sicht der Dinge.

Nach dem Anforderungsprofil desVDR, das der Heuerstelle Hamburgübergeben wurde, dürfen keine Ka-pitäne mit 65 Jahren vermittelt wer-den.

Hinzu kommt, dass der VDR bei jeder Gelegenheit auf den Mangel an deutschen Kapitänen hinweist.Vor diesem Hintergrund kann mandem Verband nur dringend anraten,seine Position im Hinblick auf das Le-

Biologisches Alter entscheidetbensalter der Kapitäne zu modifizie-ren.

Wir haben keine Bedenken zuzuge-stehen, dass bei einer Beschäftigungvon Kapitänen mit über 65 Jahren ge-nauer hingesehen werden muss.

Auch wenn diese Kapitäne alle dasgleiche kalendarische Alter haben, sounterscheiden sie sich doch in Bezugauf das biologische Alter. Insofern er-scheint eine individuelle Bewertungvon Kapitänen über 65 Jahren eher an-gebracht zu sein. db

Brüssel – Die Container-Linienree-dereien fordern von der EU-Kom-mission, dass sie auch nach Ab-

schaffung ihrer heutigen Kartellprivile-gien in begrenztem Umfang Marktin-formationen austauschen dürfen. Oh-ne eine solche Abstimmung sei ihre Zu-kunft gefährdet, behaupten die Unter-nehmen. Brüssel plant, die so genannte„Gruppenfreistellung“ vom Wettbe-werbsrecht (Verordnung 4056/86), dieden Reedern die gemeinsame Preisfest-legung erlaubt, im kommenden Jahrabzuschaffen. Zur Vertretung ihrerInteressen in diesem Übergangsprozess

haben die Carrier die European LinerAffairs Association (ELAA) gegründet.Ihr Konzept sieht vor, dass auch in Zu-kunft gemeinsame Angebots- undNachfrageprognosen möglich sind undsie ihre Ladungsstatistiken in einer um-fassenden Datenbank, die von unab-hängigen Experten betreut wird, sam-meln dürfen. Des weiteren soll ein his-torischer Preisindex geschaffen wer-den, der den Reedereien bei ihrer Ra-tenkalkulation hilft. Als Forum für Ge-spräche untereinander sowie mit denWirtschaftsverbänden müsse ein inter-nationaler Dachverband der Linienree-

dereien gegründet werden, heißt es.Alle dort gesammelten Informationensollen aber auch der Öffentlichkeit zu-gänglich gemacht werden. Auf die ge-meinsame Festlegung der Frachtenzu-schläge etwa für Treibstoff (BAF) oderUmschlagkosten (THC) verzichten dieCarrier freiwillig. Der europäische Ver-laderverband ESC, der die Interessender Transportkunden in Industrie undHandel vertritt, pocht seit langem aufeine Abschaffung aller Kartellprivile-gien der Reedereien. Die Schifffahrtsfir-men sollten „genauso wie die Unter-nehmen in allen anderen Branchen be-handelt werden“, hatte ein Verbands-sprecher kürzlich auf einem Schiff-fahrtskongress in London gefordert.Die Linienreedereien haben seit dem19. Jahrhundert in so genannten „Kon-ferenzen“ gemeinschaftlich Preise undKapazitäten geregelt.

Das Recht wurde ihnen zugebilligt,weil angenommen wurde, dass sonstein ruinöser Preiswettbewerb unter denTransportanbietern ausbräche. Nur wasverkauft wird, wird anschließend ver-schifft. Damit seien die Reeder vomWelthandelsaufkommen abhängig.Diese Größe könnten sie im Gegensatzzu anderen Branchen, die ihre Nachfra-ge durch Preisveränderungen steuernkönnen, gar nicht durch ihre Raten be-einflussen, so die Annahme. ❏

Carrier wollen weiter Informa-tionen austauschen dürfenLinienreeder sind zu Verzicht auf gemeinsame Preisfestsetzung bereit

Die drittgrößte Containerreederei CMA CGM will in eigene Umschlagsanlagen investieren.

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ver.di report | WAHLERGEBNISSE

SCHIFFFAHRT | 2/2006 13

Lotsversetzer

Außenstelle BremerhavenNobert Stelljes (Vorsitzender)Jürgen Straßner (stellv. Vorsitzender)Rudolf ZietzHolger BedürftigGordon NagelRalph WeißRalph Hentschel

Außenstelle CuxhavenJan Bork (Vorsitzender)Detlef Neuhaus (stellv. Vorsitzender)Michael RichterOlaf MaskeFrank Montag

Außenstelle KielKarl-Heinz Spitz (Vorsitzender)Umberto Schmidt (stellv. Vorsitzender)Sven WalkowsAndreas SchülerDetlef Prinz

Außenstelle BrunsbüttelThomas Heitmann (Vorsitzender)Andreas Block (stellv. Vorsitzender)Jan Berger

Außenstelle EmdenDieter Wilts (Vorsitzender)Uwe Hirsch (stellv. Vorsitzender)Bernd Parré

BinnenschifffahrtBetriebsrat Fluvia.de GmbH Olaf Johannssen (Vorsitzender)Hermann Herbers (stellv. Vors.)Gerd Friedrich

Betriebsrat Dettmer ReedereiB. Kröpke, BT Haupt (Vors.)E. Warschun, BT West (stellv. Vors.)U. Schwalbe, BT WestM. Thonig, BT HauptJ. Hennig, BT WestB. Möhlmann, BT WestG. Schröders, BT West

Köln-DüsseldorferHarald Kampe (Vors.)Horst Koth (stellv. Vors.)Carsten KöhnAlois MohrKarina OberkirchAlexander PeskanovAlfons SteputatReinhold VujcicMargit Wodrich

Betriebsratswahlen 2006RSB Logistik GmbHKarl-Maria Schaefer (Vorsitzender)Anette Limp (stellv. Vorsitzende)Uwe GottschalkDieter KlemenzGerd LoderAlexander MilkaKlaus Streck

Deutsche Binnenreederei AGFrank Herdegen (Vorsitzender)Jörg Wetzig (stellv. Vorsitzender)Sigrid RohrAndreas PaulLothar BarkowMaren LindnerDieter Lehmann

„Weiße Flotte“Wyker Dampfschiffs ReedereiUwe Funck (Vorsitzender)Thorsten SchlägerBernd BornkesselGert HöncherGudrun ErdmannKatharina JessenUlf Jensen

Reederei Norden FrisiaThomas de Vries (Vorsitzender)Rüdiger KoschykHermann WesselsWolfgang TrabsDirk DirksGebhardt EilersLübbert Appelhoff

AG EmsHorst Emken (Vorsitzender)Dieter HaatsGerret Feldmann

Michael BlockHermann JanssenIlona VolkertsDaniela Düsberg

Seebetriebsräte BR Niederelbe Schiffahrts GmbH & Co. KGFritz Scharf (Vorsitzender)Andreas Näser (stellv. Vorsitzender)Wolfgang TreiberLutz HartigJan Nennhaus

BR Hapag-Lloyd Container LinieOliver Bringe (Vorsitzender)Jutta Diekamp (stellv. Vorsitzende)Günter LüderitzHolger SchurigSiegfried Cura

BR Hamburg – SüdDieter Schubert (Vorsitzender)Jürgen Köhn (stellv. Vorsitzender)

BR Reederei F. Laeisz GmbHManfred Seyer (Vorsitzender)Peter Geitmann (stellv. Vorsitzender)Christina Streit

BR TT-Line Sabine Tödtmann (Vorsitzende) Markus Böhm (stellv. Vorsitzender) Annegret Belohlavek Stefan Molnar Hartmut Billhardt Werner Logemann Volker Schade Michael Rector Ralf Lumma

Wiedergewählte Seebetriebsratsmitglieder, v. l. n. r.: Peter Geitmann (F. Laeisz), An-

dreas Näser (NSB), Oliver Bringe (HaLo), Fritz Scharf (NSB), Manfred Seyer ( F. Laeizs)

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ver.di report | LESERBRIEF

14 2/2006 | SCHIFFFAHRT

Zu den Bemerkungen, Recherchenund Fragen von A. Grunert wol-len wir nicht weiter eingehen, die

haben Hand und Fuß und stimmen. Dasind wir einer Meinung. Das entsprichtim wesentlichen auch den Argumen-ten, die Herr Graeser, in seinem Schrei-ben an den HL-Betriebsrat, vertritt.

Die Argumentation von Herrn Ben-ze empfinden wir als Sozialromantikund gewerkschaftliche Nostalgie. Alsim letzten Jahrzehnt versucht wurde,ein zukunftsweisendes Schiffsbetriebs-konzept einzuführen (SBO), wo mandurch exzellente Ausbildung einenWettbewerbsvorteil hätte erzielenkönnen, nahm die Gewerkschaft – festden Blick nach hinten – die Rolle desBremsers auf der E-Lok ein. Doch heu-te hat sich die Situation der Beschäftig-ten in der Seeschifffahrt gewendet.Der Kampf um den Erhalt von Arbeits-plätzen ist zum Glück Schnee von ges-tern.

Nun im Einzelnen:

„Denn in der Bundesrepublik giltdas vom Grundgesetz aus Artikel 3 ab-geleitete Prinzip: „Gleiche Arbeit –gleicher Lohn“. Danach muss eine er-brachte gleiche Leistung mit dem amArbeitsort üblichen Lohn vergütet wer-den.“Antwort l Wäre schön, wenn dem sosei! Meinen Sie nicht, dass es in derdeutschen Praxis da nicht auch gravie-rende Unterschiede gibt! Wie in etwaGleichstellung Mann und Frau, Ost-West-Gefälle, 1-Euro-Jobber u. v. m.Wo bleibt da die Würde des Menschen?

Und nicht zu vergessen, unser Ar-beitsort ist ein besonderer Ort. Denkann man nicht mit der normalen Ar-beitswelt vergleichen, auch nicht dieBedingungen, unter denen wir arbei-ten. (z. B. Lärm, Hitze, Vibrationen,ständiges Uhrenstellen, nächtlichesAntreten vor Behörden, usw.).

„Inwieweit es gelingt, die SBVOauch zukünftig zu verteidigen, hängtauch von der Bereitschaft der deut-schen bzw. EU-Seeleute an Bord dieserSchiffe ab, sich gewerkschaftlich zu or-ganisieren.“Antwort l Das hängt im wesentlichenvon Angebot und Nachfrage ab. Endeder 80er und Anfang der 90er Jahremußten die Reeder eine Schifffahrts-krise überstehen. Jetzt boomt dieSchifffahrt wieder. Vielleicht wird inweiteren zehn Jahren der Markt über-sättigt sein und es zu dramatischenÜberkapazitäten kommen. Dann wirdder Reeder dementsprechend reagie-ren, um Verluste zu begrenzen. Als Fol-ge hätte die Gewerkschaft als Tarif-partner wieder die schlechteren Kar-ten. Da kann nur ein ordentlich arbei-tender Betriebsrat dem Seemann dasAusscheiden durch eine Betriebsver-einbarung erleichtern. Und es kämefür uns die Arbeitslosenversicherungzum Tragen. Im Augenblick benötigenwir sie ja glücklicherweise nicht.

„Die Gewerkschaft ÖTV stelltedeshalb 1995 den Antrag an die ITF,das Zweite deutsche Schiffsregister alsBilligflagge einzustufen. Erst mit Hilfeder ITF ist es wieder gelungen, fürZweitregisterschiffe Tarifverträge füralle an Bord befindlichen Seeleute ab-zuschließen. Die ITF-Heuer ist ein inter-nationaler Kompromiss, zwischen denHeuern der Seeleute aus den Industrie-staaten und den Heuern der Seeleuteaus den Entwicklungsländern.“Antwort l Außer für deutsche Seeleu-te, da gibt es keinen ITF-Vertrag. Undwas die ÖTV/ver.di geschaffen hat,kann man wirklich, aus unserer Sicht,nicht als gelungen bezeichnen. Auchwenn Sie da anderer Meinung sind. Wirverstehen schon, dass man auch bereitsein muss, Kompromisse in Kauf zunehmen. Aber man muss auch Ände-rungen wahrnehmen und deshalb ist es

wichtig, dass Sie kompetente Seeleuteaktiv in Ihre Arbeit einbeziehen, dienicht nur unter gestrigen, sondern auchunter heutigen Bedingungen zur Seefahren. Der Schiffsbetrieb auf einemZweitregisterschiff wird in der Regeldurch fünf deutsche oder europäischeSeeleute organisiert und geleitet. DieseGruppe sichert die Qualität und das Ni-veau an Bord. Fast alle anderen ITF-See-leute arbeiten nur nach Anleitung.

„In Bezug auf die Lebenshal-tungskosten auf den Philippinen ha-ben Sie ja tüchtig recherchiert. Dochbei solchen Vergleichen müssen Sie im-mer bedenken, dass philippinischeSeeleute immer nur auf wenige Mona-te befristete Arbeitsverträge erhalten;im Urlaub, der oft mehrere Monate be-trägt, kein Urlaubsgeld bekommen; imAlter keine Rente; mit 56 Jahren nichtin Seemannsrente gehen können; kei-ne Hapag-Lloyd Zusatzrente und beiArbeitslosigkeit kein Arbeitslosengelderhalten. Philippinische Seeleute müs-sen mit ihrer Heuer oft ganze Familien-Clans ernähren und von dem Elend derMenschen in den Slums von Manila ha-ben Sie sicher schon gehört.“ Antwort l Die philippinischen Arbeits-verträge belaufen sich bei HLCL aufacht bis neun Monate. Bei anderenReedereien teilweise sogar länger.Dann bleibt der philippinische See-mann in der Regel nicht länger als zweibis drei Monate zu Hause, um danachwieder anzumustern. Die meisten, derbei Hapag-Lloyd beschäftigten philip-pinischen Seeleute, sind seit mehrerenJahren ausschließlich bei HL beschäf-tigt. Ihr Rechtsstand ist deutlich besser,als der des deutschen Schiffsmanns vor1970 (gestatten Sie hier mal den kur-zen Rückblick in die Vergangenheit)!

In jüngerer Zeit werden vermehrtfast unbefahrene OS eingesetzt. Bei ei-ner monatlichen Nettoentlohnung von1000 US-Dollar für einen Berufsanfän-ger aus einem Entwicklungsland, wirddie Würde ganz gut entlohnt.1. Der Philippino bekommt für jedengearbeiteten Monat „leave pay“ (Ur-laubsgeld) und „subsistence allowan-ce“ (Grundsicherungsabgabe).2. Die Bedingungen der Seemannsren-te sollten Sie sich erst einmal zu Gemü-

Guten Tag im SeebetriebsratDanke für die Veröffentlichung des Schriftverkehrszwischen Herrn A. Grunert und dem ver.di-VertreterHerrn D. Benze. Um es schon einmal vorweg zu neh-men; das Schreiben von Herrn Benze hat bei uns anBord heftigste Diskussionen ausgelöst.

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ver.di report | LESERBRIEF

SCHIFFFAHRT | 2/2006 15

te führen, bevor wir weiter darüber re-den. Den Eindruck zu erwecken, manhat als Seemann mit 56 Jahren ausge-sorgt, ist falsch. Bei anderen Berufs-gruppen (Beamte, Berufssoldaten etc.)mag das zutreffen, aber die Seemanns-rente sichert den Lebensstandardnicht, man benötigt noch andere Ein-künfte (z. B. als Taxifahrer, private Vor-sorgepolicen usw.). Diese Unterversor-gung ändert sich auch nicht beimÜbergang in die Altersrente, diewegen fehlender Beitragsjahre und zu-künftig höherem Renteneinstiegsalterstark gekürzt wird.3. Die Hapag-Lloyd Zusatzrente istkein Erfolg der Gewerkschaft, sondernder Ausdruck einer guten Firmenphilo-sophie.4. Philippinische Seeleute „müssen“nicht ganze Familienclans miternäh-ren, da steht kein Zwang dahinter, son-dern beruht teilweise auf freiwilligenund traditionellen Beweggründen. 5. Von dem Elend und den Slums,nicht nur in Manila, wissen wir zwarauch, aber unsere Kollegen verdrän-gen das und verlieren darüber mög-lichst nicht ein Wort, geschweigedenn, dass sie eine Träne verlieren wür-den. Unsere Kollegen wohnen meist inbesseren Gegenden und haben Haus-angestellte.

„Im Übrigen kommt es auchnicht so sehr auf die Lebenshaltungs-kosten im Heimatort an. Auch bei dendeutschen Heuern differenzieren wir janicht zwischen der Heuer eines Schiffs-ingenieurs, der in München lebt undder eines Schiffsingenieurs, der inFrankfurt an der Oder lebt. Das aberhaben Sie auch nicht gefordert. Ent-scheidend ist, dass der Wettbewerbzwischen den Seeleuten nicht auf-grund der unterschiedlichen Heuernausgetragen wird. Denn eines mussman sich immer vor Augen halten: Jeniedriger die Heuern von qualifiziertenausländischen Seeleuten sind, destogrößer ist das Begehren von Reederndie SBVO zu ändern, um deutsche See-leute gegen Zweitregisterseeleute aus-zutauschen.

Vor diesem Hintergrund kann dieITF-Heuer nicht hoch genug sein. Wich-tig ist nur, dass so viel Schiffe wie mög-lich ITF-Tarifverträge abgeschlossen ha-ben, damit der Wettbewerb zwischenden Reedern nicht auf dem Buckel derSeeleute ausgetragen wird.“

Antwort l Dem Reeder muß aber auchdie Möglichkeit gegeben werden, Ar-beitskräfte einzustellen, die entspre-chend ihrer Ausbildung und Qualifika-tion eingesetzt und bezahlt werden. Esnützt ihm nichts, wenn er gezwungenwird, z. B. nur Schiffsmechaniker ein-zusetzen, die hochbezahlt sind, aberdann Reinigungs- oder Konservie-rungsarbeiten machen müssen, wel-che natürlich an Bord ebenfalls drin-gend notwendig sind.

Wenn Sie der Meinung sind, dassdie ITF-Heuer nicht hoch genug seinkann, dann setzen Sie sich bitte auchdafür ein, daß der deutsche Heuertarif

ebenfalls einen attraktiven Stand er-reicht. Speziell aber auch beim Unter-schied vom Mannschaftsdienstgradzum Patentträger.

„In Bezug auf die Heuersteige-rung will ich mich beispielhaft auf dieletzte HTV-See-Runde von 2005 be-schränken. In dieser Heuertarifrunde2005 wurde in freien Verhandlungenein Verhandlungsstand erreicht, nach-dem die Heuern um 2,6 % erhöht wer-den sollten. Eine höhere Anhebungwäre in diesem Stadium nur möglichgewesen, wenn wir in der Ver-handlungskommission überzeugendeDruckmittel gehabt hätten. Beispiels-weise durch Signale von gewerk-schaftlich organisierten deutschenoder EU-Seeleuten über das Vorhan-densein einer ausreichenden Kampf-bereitschaft für einen höheren Tarif-abschluss.“Antwort l Wenn Sie keine weiterenArgumente vorweisen können, wer-den Sie immer ein guter Freund desReeders sein und bleiben.

Jedoch sollten vorausdenkendeReeder den Wert der „Korsettstan-gen“ (Deutsche Schiffsführung) im Be-trieb richtig einschätzen und werten.

Streik ist nicht immer ein sinnvollesDruckmittel, sondern macht auch vielkaputt.

„Die durchschnittliche Verweil-dauer in der Seeschifffahrt von nauti-schen und technischen Schiffsoffizie-

ren liegt bei etwas unter fünf Jahren.Hier könnte man sich eine Verlänge-rung vorstellen. Die Verweildauerhängt aber auch mit den Arbeits- undLebensbedingungen zusammen. Dazuhat der Seeverkehrsbeirat einen Ar-beitskreis gebildet. Ein Problem sinddie überlangen Arbeitszeiten. Hier wä-ren zusätzliche Patentinhaber/innensowohl auf den Zwei-Wachen- als auchauf den Drei-Wachen-Schiffen not-wendig. Aber das muss internationalumgesetzt werden. Am besten in derInternationalen Maritimen Organisa-tion (IMO). Hier gibt es positive Ansät-ze, deren Realisierung aber noch etwas

Zeit in Anspruch nehmen wird. Unab-hängig davon sind einige Reeder inzwi-schen freiwillig dazu übergegangen,einen zusätzlichen Patentinhaber zufahren. Grundsätzlich ist es aber keinNachteil, wenn befahrene Seeleute indie maritimen Landbereiche wechselnund dort ihr „maritimes know how“einbringen.“Antwort l Die Verweildauer würdesich unter anderem verlängern, und dasind wir wieder beim Thema, wenn dieBezahlung stimmen würde. Die pau-schalierten Zuschläge müßten als Aus-gleich für die 24-Stundenbereitschaftan Bord verdoppelt werden.

Der deutsche Seemann hat sichschon aus betrieblicher Notwendigkeitdamit abgefunden, dass er an Bord 24Stunden verfügbar ist. Im Gegensatzzu Auslandsmonteuren wird dies anBord nicht entsprechend honoriert.

Wenn Kollegen nach drei bis fünfJahren an Land überwechseln, kannman nicht unbedingt von befahrenenSeeleuten sprechen. Aber das was siemal gelernt haben und ihnen beige-bracht wurde, geht unweigerlich derSeefahrt verloren.

Wir selbst stecken viel Mühe undpersönliches Engagement in die Aus-bildung, was übrigens auch nicht ver-gütet wird, und sind dann über denWeglauf unseres Wissen in andereBranchen nicht unbedingt froh.

„Bei den Heuern ist in dem glo-balisierten Seeschifffahrtsmarkt ein

„Würde hat ihren Wert – Arbeit hat ihren Preis“ ein wirklich gelungener Slogan

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ver.di report | LESERBRIEF / STELLUNGNAHME

großer Sprung nach vorn eher unwahr-scheinlich. Zwar passen wir auf, dassdie Seeleute nicht von der Lohnent-wicklung an Land abgekoppelt wer-den, aber unsere Heuern liegen imweltweiten Vergleich mit an der Spitze.Im Maritimen Bündnis hat ver.di esaber geschafft, eine Entlastung bei denLohnnebenkosten für die deutschenSeeschifffahrtsunternehmen zu ver-einbaren. Damit einher geht ein deut-licher Anstieg der Ausbildungsplätze inder deutschen Seeschifffahrt. Außer-dem gibt es dadurch auch wieder eineberufliche Perspektive für nationaleSeeleute. Unsere vordringliche Aufga-be ist es nun, darauf zu achten, dassdiese politischen Festlegungen nichtwieder verwässert werden.“ Antwort l International mag zwar IhreBehauptung richtig sein, aber im Zu-sammenhang mit dem Lebensstandardrutschen wir wieder weit hinten runter.

Es ist schön, wenn Sie etwas für dieSchifffahrtsunternehmen geschaffenhaben, aber verlieren Sie uns dabeinicht aus den Augen.

Der Reeder ist im Augenblick ge-zwungen Leute auszubilden, weil welt-weit tausende Patenträger gesuchtwerden. So lange die Nachfrage sohoch ist, haben Sie bei Ihren Verhand-lungen auch ein Druckmittel.

Es gibt jetzt schon Reeder aus derTarifgemeinschaft, die wegen des Per-sonalmangels erhebliche „Bleibezu-schläge“ auf die Heuern zahlen.

„Auch nach Veröffentlichungdieses Schriftverkehrs wird an Bordweiter über den „gerechten Lohn“ dis-putiert werden. Mir ging es darum, ab-

zuhandeln, wie es zu den unterschied-lichen Heuern in der deutschen See-schifffahrt gekommen ist, um damitdie Debatte zu versachlichen. Nach-dem das von uns angerufene Bundes-verfassungsgericht 1995 das Zweitre-gistergesetz nicht in Frage gestellt hat,konnten wir nur noch mit gewerk-schaftlichen Mitteln die unsäglichenHeimatlandbedingungen (im Extrem-fall Arbeit für Unterkunft und Verpfle-gung) auf das internationale tariflicheNiveau der ITF-Heuern anheben. Inzwi-schen haben wir wieder für zirka 1300Schiffe deutscher Reeder ITF-Tarifver-träge abgeschlossen.“Antwort l Die Diskussion wird bei unsnicht aufhören und wenn wieder mehrErfolge für unsere Kollegen aus denEntwicklungsländern erzielt werden,sich dann eher noch verschärfen. Letz-tendlich wird hier die Leistung undKaufkraft verglichen, und wir wollennicht die Kulis im Schiffsbetrieb sein.

„Die Einführung des Zweitendeutschen Schiffsregisters war nichtpositiv. Sie fand aber in einem am wei-testen liberalisierten Industriezweigstatt. Die Entwicklungen in den Nach-barländern wie in den Niederlandenoder Großbritannien, wo auf vielenSchiffen überhaupt keine nationalenSeeleute mehr anzutreffen sind, zeigtaber doch, dass durch den gewerk-schaftlichen Einsatz in Deutschland dervollständige Aderlass an seemänni-schem „know how“ bisher verhindertwerden konnte.“Antwort l Es gibt Beispiele, daß ande-re Länder Lehrgeld zahlen mussten,weil sie ihr Seefahrts-KnowHow aus

Profit- oder Wettbewerbsgründen auf-gaben. Sie aktivierten daraufhin ihrenationale Ausbildung und holten ihreSchiffe wieder zurück.

Es kommt auch darauf an, was derReeder will. Will er nur Maximalprofiteerzielen und die Schiffe auf Verschleißfahren, dann wird er auch in Zukunftseine Schiffe ausgeflaggt fahren undnur mit den billigsten Seeleuten beset-zen. Zum Glück läuft er dabei Gefahr,dass seine Schiffe, bei heutzutage ver-schärften Hafenstaatkontrollen, fest-gehalten werden und das kann demReeder richtig teuer kommen.

Reeder, die eine vernünftige Fir-menpolitik vertreten und ihre Schiffelangfristig betreiben wollen, werdenauf hochmotiviertes und bestens aus-gebildetes Personal Wert legen. DieseFirmen schaffen für ihre Seeleute auchinnerbetriebliche Vorteile, so wie z. B.Hapag Lloyd.

Aber, um das zum Schluss noch ein-mal deutlich heraus zu stellen, diesesreicht nicht aus, um das Leistungsge-fälle zwischen dem deutschen See-mann und einen philippinischen See-mann zu kompensieren.

Wir möchten darauf hinweisen,dass dieses Schreiben einen Kompro-miss der verschiedenen Meinungen anBord darstellt. Es soll als weitere Dis-kussionsgrundlage dienen.

Mit freundlichen Grüßen, die deutschen Schiffs-besatzungsmitglieder des CMS „Hamburg Express“D. Haubelt, B. Kropp, R. Raben-horst, K. Schönemann undP. Graeser.

Ich danke Ihnen für Ihren Brief. In derTat ist er eine gute Grundlage, umunsere Diskussion fortzusetzen und

gleich ohne große Vorrede zur Sachezu kommen.

Grundlage unseres Wirtschaftssys-tems ist das Streben der Unternehmennach maximalen Gewinnen. Dessenmuss man sich immer bewusst sein.Unternehmen sind nur dann bereit so-ziale Gesichtspunkte zu akzeptieren,wenn sich beispielsweise die Beschäf-tigten gut organisiert haben und da-

durch über geeignete Druckmittel ver-fügen. Gewerkschaften die keine Mit-glieder haben sind nicht streikfähigund mutieren dann schnell zu Bittstel-lern.

Wenn Sie nun schreiben: „DerSchiffsbetrieb auf einem Zweitregister-schiff wird in der Regel durch fünfdeutsche oder europäische Seeleuteorganisiert und geleitet. Diese Gruppesichert die Qualität und das Niveau anBord.“ so habe ich überhaupt keineZweifel daran, dass sie dies auf der

CSM „Hamburg Express“ so erleben.Ich glaube auch, dass sie einen gutenJob an Bord machen. Ich weiß aberauch, dass andere Seeleute es mitgleicher Ausbildung und niedrigerenHeuern auch können. Und ich weiß nurzu genau, dass es die fünf Deutschenauf den Schiffen unter deutscher Flag-ge nur deshalb noch gibt, weil es denGewerkschaften in der Bundesrepublikgelungen ist, dies in der Schiffsbeset-zungsverordnung festschreiben zu las-sen.

Stellungnahme zum Leserbrief

16 2/2006 | SCHIFFFAHRT

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Und die älteren Seeleute unter Ih-nen werden sich noch daran erinnern,dass 1995, nach dem besten Geschäfts-jahr in der Firmengeschichte der Ha-pag-Lloyd AG (HaLo), der Vorstand demAufsichtrat vorschlug, alle Schiffe aus-zuflaggen, um das Bordpersonal gegenbilligere Seeleute austauschen zu kön-nen. Die Vertretung der Beschäftigtenim HaLo Aufsichtsrat wiesen dieses An-sinnen damals empört zurück. Es wurdeeine Arbeitsgruppe gebildet, in der wirdeutlich machten, dass wir alle uns zurVerfügung stehenden Mittel auf natio-naler und internationaler Ebene einset-zen würden, wenn der HaLo Vorstandauf der Durchführung seiner Pläne be-stünde. Erst danach kam es am 18. Juni1996 zu einem Tarifvertrag zwischender ÖTV und dem HaLo Vorstand, indem vereinbart wurde, dass kein HaLoSchiff mehr ausgeflaggt wird.

Wie schnell sich auch heute nochdie Situation ändern kann und derKampf um die Arbeitsplätze nun wirk-lich „kein Schnee von gestern ist“,zeigt eine im Juni 2006 erarbeitete Stel-lungnahme des Verbandes DeutscherReeder (VDR) indem es wörtlich heißt:„Wir sind uns bewusst, dass die Zulas-sung von Kapitänen mit der Staatsan-gehörigkeit anderer EU Mitgliedsstaa-ten und nur englischen Sprachkennt-nissen sowie der Verzicht auf denSchiffsmechaniker und Wachbefähig-ten zur Folge haben muss, dass eine ge-wisse Zahl von Schiffen unter deutscherFlagge ohne einen einzigen deutschenStaatsanghörigen besetzt sein kann.“Der VDR konnte sich jedoch auf der po-litischen Ebene mit dieser Position nichtdurchsetzen.

Tarifvertrag

Das Grundgesetz und das Tarifver-tragsgesetz geben ausschließlich denGewerkschaften das Recht, mit denArbeitgebern Tarifverträge abzuschlie-ßen. Die Gewerkschaften können zurDurchsetzung ihrer Forderungen auchArbeitskampfmaßnahmen ergreifen.Vom Streikrecht geschützt sind des-halb immer nur Mitglieder der Ge-werkschaften. Andererseits dürfen Ge-werkschaftsmitglieder nicht benach-teiligt werden. Das Grundgesetzschützt aber auch Bestand und Betäti-gung der Gewerkschaften. Dazu ge-hört beispielsweise auch das Zutritts-recht zu den Betrieben bzw. Schiffen.

Auch wenn die Gewerkschaften dasStreikrecht haben, wird natürlich nichtin jeder Tarifrunde davon Gebrauch ge-macht. Bei Tarifverhandlungen geht esin erster Linien darum, einen vertretba-ren Kompromiss zwischen den Interes-sen der Seeleute und denen der Reederauszuhandeln. Ein vertretbarer Kom-promiss ist aber eher zu erreichen,wenn der anderen Seite bewusst ist,dass ein erfolgreicher Arbeitskampfdurchgeführt werden könnte. Nurwenn alle Verhandlungsmöglichkeitenausgeschöpft sind, ist es nach dem ulti-ma ratio Prinzip zulässig, einen Arbeits-kampf zu führen. Und ob das ge-schieht, bestimmen grundsätzlich dieGewerkschaftsmitglieder in einer Urab-stimmung. Vor diesem Hintergrund –und der eingangs erwähnten Grundla-ge unseres Wirtschaftssystem – könnenwir uns vielleicht darauf verständigen,dass Streik ein notwendiges und wich-tiges Druckmittel ist. Es kommt nur dar-auf an, dass es nicht unverhältnismäßigeingesetzt wird.

In der Seeschifffahrt kann uns kei-ner vorwerfen, die Verhältnismäßigkeitverletzt zu haben. Der letzte große un-befristete Seeleutestreik war 1987. Da-mals ging es um mehr Urlaub für See-leute und um die Abwehr eines vierzigpünktigen Forderungskatalog der Ree-der zur Verschlechterung der Arbeits-

und Lebensbedingungen der Seeleute.In der Arbeitskampfliteratur ist dies ineinem Lied so festgehalten worden:„Ein Ding, dass sich der Bordkran bog,das war der Schweinekatalog“.

In Bezug auf den ITF Tarifvertrag istes nicht richtig, wenn sie schreiben,dass er für deutsche Seeleute keineAnwendung findet. Im Gegenteil, indem für die CMS „Hamburg Express“abgeschlossenen ITF Vertrag steht aus-drücklich, dass für deutsche und EUSeeleute der MTV-See und der HTV-Seein der jeweils gültigen Fassung ange-wendet wird. Sie sollten sich den ITF-Vertrag diesbezüglich einmal anschau-en. Er befindet sich an Bord.

Das Konzept für den Schiffsbetriebs-offizier hat sich in der Seeschifffahrtnicht durchgesetzt, weil – abweichendvon den Entwicklungen in den anderenIndustriezweigen – in der internationa-len Schifffahrt an der konventionellenTrennung zwischen Ingenieuren undOffizieren festgehalten wurde.

Die Fachgruppe Schifffahrt in ver.diist umso stärker, je mehr aktive undkompetente Seeleute mithelfen, dieArbeits- und Lebensbedingungen derSeeleute zu verbessern. Insofern bezie-hen wir gern weitere Seeleute, die un-ter heutigen Bedingungen zur See fah-ren, in unsere Arbeit mit ein.

Dieter Benze

ver.di report | STELLUNGNAHME

SCHIFFFAHRT | 2/2006 17

Hapag-Lloyd-Schifffahrt

Bedaure, Schiff muss entlastet werden

1995: Nach dem besten Geschäftsjahr der Hapag-Lloyd AG wollte der damalige

Vorstandssprecher Wrede alle Schiffe ausflaggen.

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18 2/2006 | SCHIFFFAHRT

ver.di report | GENDER-POLICY

Als Natália Prosdocimi ein kleinesMädchen war, bat sie ihren Va-ter oft darum, mit ihr zum Ha-

fen von Buenos Aires zu gehen, um dieSchiffe zu sehen. Als sie 17 war, nahmsie ein Freund mit an Bord. Das war imJahr 1992, und sie befand sich kurz vordem Abschluss der Oberschule. Da-mals traf sie die Entscheidung für ihrweiteres Leben: Sie wollte zur See fah-ren.

Zu jener Zeit akzeptierten die ar-gentinischen Marineschulen nochkeine Studentinnen. Nach ihrer An-frage beim Zentrum für Hochsee-Ka-pitäne und Offiziere der Handelsmari-ne erfuhr Natália jedoch, dass Frauenaufgrund neuer gesetzlicher Rege-lungen bald die Genehmigung erhal-ten sollten, in dem Sektor zu arbei-ten.

„Zum großen Teil haben wir diesesGesetz, das Frauen dazu berechtigt, ei-nen Abschluss als nautischer odertechnischer Offizier zu machen, denGewerkschaften zu verdanken,“ sagt

Natália. Im Jahr 1994, als sie endlich ander Marineschule aufgenommen wur-de, war sie die einzige Frau ihres Lehr-gangs. Zehn Jahre später, im Septem-ber 2004, erhielt sie ihr Patent als ers-ter Steuermann und daraufhin – alserste Frau Argentiniens – das Kapitäns-patent. Vorläufig arbeitet sie noch alserster Steuermann, jedoch wurde ihrvon ihrem Arbeitgeber Shell ein Kapi-tänsposten zugesichert.

Mittlerweile ist das Interesse vonFrauen an diesem Beruf drastisch ge-stiegen. Im Jahre 2005 wurden bereits50 Prozent der Arbeitsplätze von Frau-en besetzt, womit die Nachfrage einenneuen Rekordstand erreicht hat, be-richtet Natália.

Nach Schätzungen der Interna-tionalen Seeschifffahrtsorganisation(IMO) sind weltweit nur zwei Prozentaller Beschäftigten im maritimen SektorFrauen, wovon die meisten in derKreuzfahrt- und Fährindustrie arbeiten.

Gleichzeitig treten immer mehrweibliche Seeleute einer Gewerkschaft

bei. Die der ITF angeschlossenen Ge-werkschaften zählen über 23.000Frauen zu ihren Mitgliedern. Natáliagehört natürlich dazu.

Als aktives Mitglied betont sie, dassdie gewerkschaftliche Organisierungfür Frauen noch weitaus wichtiger ist,um sich gegenüber Diskriminierungbehaupten zu können. Rückblickenderinnert sie sich an erste Anzeichen fürUngleichbehandlung in der Marine-schule.

„Bei einigen Lehrern musste ich vielmehr leisten als meine männlichen Kol-legen,“ sagt sie. „Zu Beginn meinerBerufstätigkeit wurde ich auch von ei-nigen höheren Offizieren diskriminiert.

Natália hat jedoch das Glück, an ih-rem eigenen Arbeitsplatz auf einefreundliche und kooperative Atmos-phäre zu stoßen, und wurde von ihrenKollegen sehr darin unterstützt, diePrüfungen zum Kapitänspatent abzu-legen.

Im Verlaufe eines Konflikts im Zu-sammenhang mit Heuerzahlungen imJahr 2000, der sich zu einem Streik hät-te ausweiten können, lernte Natáliadie ITF und die Bedeutung internatio-naler Solidarität kennen. Ihrer Mei-nung nach ist es der auf dieser Solida-rität beruhenden Stärke und der be-gleitenden Arbeit der örtlichen Ge-werkschaft zu verdanken, dass 2004ein Meilenstein in der Entwicklung derSchifffahrtswirtschaft ihres Landes ge-setzt wurde: eine Verordnung, die esargentinischen Schiffen untersagt, un-ter Billigflaggen zu fahren.

„Nach Erlass dieser Verordnung er-hielten wir auf einmal einen Monat Ur-laub für zwei Monate Arbeit. Vorherarbeiteten wir drei Monate lang undhatten während des Aufenthalts anLand keinen Anspruch auf Bezahlung.An dem Tag, als unser Schiff die argen-tinische Flagge hisste, feierten wir ei-ne große Party. Wir verbrannten dieFlaggen von Panama und Liberia, un-ter denen wir bis dahin gefahren wa-ren.“ ❏

Frauen zur SeeNatália Prosdocimi berichtet im Gesprächmit Ana Beatríz Duarte, wie sie als ersteFrau in Argentinien die Kapitänsanwart-schaft erhielt

Vor sieben Jahrenlas die heute 27-jährige VanesaSoto (links) in derZeitung, dass imHafen von Bue-nos Aires ein

Schiff zur Besichtigung vor Anker lag.Das Schiff war die Global Mariner, diedie ITF anlässlich der Feierlichkeitenzum 50-jährigen Jubiläum ihrer Billig-flaggenkampagne gekauft hatte. Va-nesa war eine der weltweit 750.000BesucherInnen der Ausstellungenüber das Leben auf See.„Es befand sich keinerlei Ladung anBord, nur Botschaften. Darin ging esum die Verteidigung der Arbeitnehm-errechte. Die Ladung des Schiffes be-stand aus Hoffnung.“An diesem Tag im Jahre 1998 be-

schloss sie einen Kurswechsel undgab ihren Kindheitstraum vom Dienstin der argentinischen Armee zuguns-ten eines Berufs auf See auf. Nach dreijähriger Ausbildung und ei-nem weiteren Praxisjahr machte sie2005 ihren Abschluss und arbeitetseitdem als Offizier auf einem Tank-schiff, das zwischen Buenos Airesund dem Hafen von Santos/Brasilienverkehrt. Sie ist die einzige Frau unter13 Männern auf ihrem Schiff undempfindet die Atmosphäre als ange-nehm.„Ich habe die Erfahrung gemacht,dass Frauen überall auf die selbenProbleme stoßen; der einzige Unter-schied ist die Sprache. Deshalb wirduns die Einheit auf internationalerEbene helfen, in Zukunft für bessereVerhältnisse zu sorgen,“ so Vanesa.

Kurswechsel

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SCHIFFFAHRT | 2/2006 19

ver.di report | BINNENSCHIFFFAHRT

Mit der Veröffentlichung des so-genannten NAIADES-Berich-tes (Mitteilung der Kommis-

sion über die Förderung der Binnen-schifffahrt) rückte die Branche wiederin das verkehrspolitische Rampenlicht.Das Verkehrschaos des wachsendenEuropas verlangt dringende Lösungen.Der Bericht identifiziert die Stärkenund Schwächen der Branche und skiz-ziert ihre künftige Rolle. Unter ande-rem behandelt der Bericht Fragen derInfrastruktur, Investitionen und techni-schen Maßnahmen.

Für gewerkschaftlich Organisiertevon Interesse ist es, dass endlich aufdie menschlichen und sozialen Aspek-te geschaut wird – dies nach Jahren,wenn nicht Jahrzehnten.

Liberalisierung, Privatisierung,Marktöffnung und Partikularisierunghaben mit Duldung der europäischenInstitutionen zum sozialen Kahlschlagbeigetragen. Der Bericht im Kapitel„Schaffung von Arbeitsplätzen undFörderung der Fachkenntnisse“ identi-fiziert insbesondere die Schaffung bes-serer Arbeits- und Sozialbedingungenin der Binnenschifffahrt als zentralenPunkt. Spezifisch erwähnt sind Proble-

me der Sozialversicherung, Unterbrin-gungsstandards (in einer Flotte mit ei-nem Durchschnittsalter von über 41Jahren!) und Einsatz- und Ruhezeiten.Als Plattform für die Erörterung solcherFragen ist der Sozialdialog Ausschussder EU Kommission auserkoren wor-den, eine Zusammenkunft der Sozial-partner, der sich u.a. mit Fragen derAusbildung, Arbeitsmobilität, Arbeits-zeit und der beruflichen Perspektivenbeschäftigt.

Und wie kommen die Beschäftigtenin diesem Prozess vor? Mit einem ge-werkschaftlichen Kern aus den Län-dern der Zentralkommission für dieRheinschifffahrt (ZKR) ist die Vertre-tung der Europäischen Transportarbei-ter-Föderation (ETF) mit Kolleginnenund Kollegen aus zehn verschiedenenLändern präsent. Zurzeit ist der Aus-schuss mit der Umsetzung der EU-Ar-beitszeitrichtlinien beschäftigt. Eineerfolgreiche Lösung der Probleme derArbeitszeit allein würde aber nicht alleProbleme beseitigen. Mittelfristig müs-sen wir auf einer europäischen Rege-lung der Arbeitsbedingungen mit denfortschrittlichen Arbeitgebern und ver-besserte Normen und strengere Kon-

trollen für die verantwortungslosenFirmen zielen. Diese bedeutet, dass ei-ne stärkere Vertretung der Arbeitneh-mer in den zwei Stromkommissionen(Rhein und Donau) notwendig ist, umden Aufbau von sozialen Bedingungenin den Regelwerken zu erreichen unddie Wasserpolizeien mit Kompetenzenauszustatten um Missbräuche effekti-ver kontrollieren zu können. Eine sol-che Entwicklung wird dringender, jemehr mit Arbeitsverträgen über Lan-desgrenzen hinaus jongliert wird undje mehr binnenschifffahrtsfremde Flag-gen von Registern ohne jeglichenKompetenzen in diesem Bereich auf-treten. In den letzten Jahren haben wirz.B. Schiffe aus den Registern von Mal-ta, Kambodscha, Madeira und Groß-britannien identifizieren können, wei-tere dürften folgen, mit zunehmenderUnsicherheit darüber, welche Gesetzefür die Angestellten überhaupt geltensollen. Dazu kommt die zunehmendeBenutzung von Offshore-Verträgen,analog denen der Seeschifffahrt, vonz. B. Liberia oder die Kanal-Inseln. Die-se Entwicklung ist vor allem im globali-sierten Bereich der Binnenschifffahrtzu beobachten, nämlich bei den Hotel-schiffen.

In der konsultativen Konferenz zumNAIADES-Bericht in Wien im Februarbrachte die Vertretung der Europä-ischen Transportarbeiter-Föderation(ETF) ihre erste Stellungnahme zu demBericht ein. Obwohl die ETF die Analy-se begrüßt, drückte sie ihre Enttäu-schung darüber aus, dass der Berichtkeine konkreten Vorschläge zu Verbes-serungsmaßnahmen enthält. Betref-fend Ausbildung legt der Bericht wertauf die Entwicklungen neuer beruf-licher Fähigkeiten, u.a. Fremdspra-chen, soziale Kompetenzen, Beherr-schung der Informationstechnologieund Managementfähigkeiten. Obwohlwir mit dieser Analyse weitgehend ei-nig sind, sind wir der Meinung, dassdie traditionellen binnenschifffahrts-spezifischen Kompetenzen nicht zuopfern sind.

In der globalisierten Transport- undLogistikkette hat die Binnenschifffahrteine Zukunft. Unsere Aufgabe ist es, zuschauen, dass die Arbeitnehmer aucheine Zukunft haben, mit gesicherter,menschenwürdiger und gesunder Ar-beit.

Nick Bramley, Vorsitzender derETF Sektion Binnenschifffahrt

Europäische Binnen-schifffahrt wohin?

Das Foto zeigt links Nick Bramley, den Vorsitzenden der ETF Binnenschifffahrts-

sektion und rechts Eduardo Chagas, den Generalsekretär der ETF in Brüssel

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ver.di report | GLOSSE

Postvertriebsstück • DPAG • Entgelt bezahlt • E 11130 FAbsender ver.di · Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft e.V.

Empfänger:

Hannes und Fiete machen Foffteinin der Terminal-Kantine. Ge-nüsslich schlürfen beide den

heißen Kaffee und schweigen. Dafürgeht es am Nebentisch hin und her. EinMensch in Straßenklamotten und of-fensichtlich ein Seemann (der weißeOverall verrät ihn als Ingenieur) sindheftig am debattieren. Fiete und Han-nes hören unfreiwillig mit, als es etwaslauter wird. Es ist zwar schwierig zuverstehen, weil der weiße Overall ei-nen starken sächsischen oder thüringi-schen Dialekt spricht. Aber immerhinhört man :

„Ich hab die Nase voll. Mein Einsatzwird nicht ordentlich bezahlt. Die Heu-ererhöhungen sind beschissen. Nur dieFilipinos kriegen immer mehr. Dabeiverdienen die gemessen an ihrem dor-tigen Lohnniveau schon ein Vielfaches.Da müsste ich auf einen Schlag ja sie-ben, acht oder neun Prozent kriegen,damit es gerecht zugeht. Und erst diePreise auf den Philippinen. Der kriegtfür 20 000 Dollar schon ein Einfami-lienhaus. Und ich? Da solltet ihr euchmal drum kümmern. Dann kannst mal

wieder fragen, ob ich in die Gewerk-schaft eintrete.“

Weil der Straßenanzug mit demRücken zu Fiete und Hannes sitzt, kannman nicht alles verstehen, was er sagt.Man hört nur Brocken wie „Solida-rität“ und „Kampfbereitschaft“ und„sonst wäre alles noch viel schlech-ter“.

Hannes guckt ganz nachdenklichund sagt zu Fiete: „Ganz so unrechthat er ja nicht. Oder was meinst du?“„Wir müssen los“, sagt Fiete und stie-felt in Richtung Ausgang. Als Hannes

Fiete Festmacher

Gerechtigkeitihn an der Tür einholt, legt er noch malnach: „ Was sagst denn nun dazu?“Fiete ist richtig knurrig, das sieht manan seinem Gesicht. „Soll er doch aufdie Philippinen ziehen, dann stimmtseine Gerechtigkeit wieder.“ „Dasmeinst du doch nicht ernst?“ „Dochdas mein ich ganz ernst. Wenn jemandso diskutiert, dann muss er das auchzuende denken“. „Wieso“, fragt Fiete,„wo hat er denn zu früh aufgehört mitdenken?“

Sie sind an ihrem Auto angekom-men und Fiete steigt in den Wagen.Hannes ist ruckzuck auf dem Beifahrer-sitz und ist nun wirklich gespannt aufdie Antwort.

„Du hast doch gehört, wo der her-kommt, nicht?“ „Aus Sachsen oderso.“ „Na, dann denk mal nach. Wenndu den Lohn oder die Heuer am Le-bensstandard, am Lohnniveau und diePreise für den Hausbau am Wohnortfestmachen willst, dann muss der Inge-nieur aus München am meisten undder aus Sachsen-Anhalt oder Bremer-

haven am wenigsten kriegen, auchwenn sie bei ein- und derselben Reede-rei sind. Also müsste er nach seinemvermutlichen Wohnort in Sachsen, we-niger kriegen als sein Kollege aus Stutt-gart und ein bisschen mehr als sagenwir mal, der Kollege aus Frankfurt/Oder. Ob er das wohl gut und gerechtfinden würde?“

Hannes ist perplex. Und es dauerteine ganze Weile, ehe er antwortet.„Also sagen wir mal so. Ich wohn’ in

der Stadt und zahl’ happig Miete. Duwohnst günstig auf dem Lande bei dei-nen Schwiegereltern. Dann müsste ichalso mehr Geld kriegen. Richtig?“„Nee, du fährst mit dem Fahrrad zurEinsatzzentrale und ich muss 30 km mitdem Auto fahren. Ich hab mehr Kos-ten. Ich muss mehr haben.“ „Halt,halt, so geht das aber nicht“, protes-tiert Hannes. „Nee, so geht das wirk-lich nicht. Es geht nur so: Gleiches Geldfür gleiche Arbeit, egal wo du wohnst,was du machst, ob du ‘nen Garten hastoder nur ‘nen Blumentopf.“ ❏

20 2/2006 | SCHIFFFAHRT