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62 bergundsteigen 1/10 Schi & Gletscher. Eine Empfehlung. Es gibt wohl nichts Beeindruckenderes für einen Tourengeher als das vergletscherte Hochgebirge zu befahren. Dabei unterscheidet sich das Spaltensturz-Risikomanagement bei Schitouren auf Gletschern wesentlich von Gletschertouren „zu Fuß“ im Sommer: Während im Sommer anseilen „Standard" ist und das Nichtanseilen die Ausnahme bildet (zB bei aperem Gletscher), stellt im Winter das seilfreie Aufsteigen und Abfahren den Normalfall dar und das Anseilen bildet die Ausnahme - nämlich dann, wenn besondere Gefahrenzeichen vorliegen.

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Schi & Gletscher. Eine Empfehlung.Es gibt wohl nichts Beeindruckenderes für einen Tourengeher als das vergletscherte Hochgebirge zu befahren. Dabei unterscheidetsich das Spaltensturz-Risikomanagement bei Schitouren auf Gletschern wesentlich von Gletschertouren „zu Fuß“ im Sommer:Während im Sommer anseilen „Standard" ist und das Nichtanseilen die Ausnahme bildet (zB bei aperem Gletscher), stellt im Winter das seilfreie Aufsteigen und Abfahren den Normalfall dar und das Anseilen bildet die Ausnahme - nämlich dann, wenn besondere Gefahrenzeichen vorliegen.

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von Walter Würtl und Peter Plattner

Wir rechtfertigen diese Umkehrung unseres Risikomanagementszunächst durch die günstigeren Belastungsverhältnisse, die sichdurch Schier ergeben und die bessere Spaltenüberdeckung auf-grund der winterlichen Schneedecke. Dazu kommt der Umstand,dass Anseilen bei Schitouren zu einem starken Erlebnisverlustführt und - insbesondere bei der Abfahrt - als „kaum zumutbar"eingestuft werden muss. Nicht verschwiegen werden dürfennatürlich jene Risiken, die erst durch das Anseilen entstehen -wie zB das erhöhte Sturzrisiko, die Problematik, wenn wir an einLawinenereignis (!) denken und die Frage, ob ein Spaltensturz inder Abfahrt von den Seilschaftsmitgliedern überhaupt gehaltenwerden kann, oder die Wahrscheinlichkeit mitgerissen zu wer-den nicht höher ist als im Sommer (so wird zB vor allem in derSchweiz oft und gerne angeseilt aufgestiegen und seilfrei abge-fahren).

Tourenplanung

Um „Seilfahrten“ möglichst entgehen zu können, ist eine umfas-sende Tourenplanung unumgänglich. Besteht das Hauptziel da-rin, eine tolle Abfahrt im vergletscherten Hochgebirge zumachen, ist es günstig, Gletscherschitouren auf „bewährte" Auf-stiegs- und Abfahrtsrouten zu beschränken, bei denen kein Seil-gebrauch zu erwarten ist. Geht es in erster Linie darum, einenGipfel zu besteigen oder eine Durchquerung durchzuführen,kann bereits im Vorfeld die Seilverwendung angesprochen unddann auf Tour auch leichter umgesetzt werden.

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Im Rahmen der Tourenplanung sollte man sich möglichst genauüber die Aufstiegs- und Abfahrtslinie erkundigen. Auskünfte vonHüttenwirten oder Bergführern vor Ort sind dabei ebenso hilf-reich wie aktuelles Kartenmaterial. Doch Achtung: Nur weil aufder Karte eine Route eingezeichnet ist oder jemand gesagt hat,dass es auch ohne Seil geht, heißt das noch lange nicht, dassman dort auf keine Spalten trifft. Gerade die aktuellen klimati-schen Veränderungen im Hochgebirge stellen hier eine Heraus-forderung für Schialpinisten dar.Bei der Planung von Schihochtouren sollte stets ein akkuraterZeitplan aufgestellt werden, da die Risiken (Lawine und Spalten-sturz) allgemein mit der Tageserwärmung zunehmen.

Ausrüstung

Schihochtouren sind in Sachen Ausrüstung so ziemlich das auf-wendigste was es am Berg gibt. Zusätzlich zur allgemeinen Not-fallausrüstung (Erste-Hilfe-Paket, Handy, Biwaksack) und jenerfür Lawinenunfälle (LVS-Gerät, Schaufel, Sonde) ist auch dieentsprechende seiltechnische Ausrüstung nötig. Obgleich dasGewicht dieser gesamten „technischen Ausrüstung“ gerne über-schätzt wird, rechnet es sich dennoch zu optimieren und zu Pro-dukten zu greifen, die ein Maximum an Funktion bei geringemGewicht und kleinem Volumen bieten. Dabei kommt man nichtumhin, gewisse Kompromisse einzugehen bzw. müssen die eige-nen (Rettungs-)Techniken auf das mitgeführte Material abge-stimmt sein. Zweifelsohne ist im Falle einer komplexen Spaltenrettung eine„richtige“ Steigklemme superfein. Wenn man aber bedenkt, wie

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selten eine solche Situation vorkommt, rechnet sich das Mit-nehmen in der Regel nicht bzw. sind kleine und leichte Gerätewie zB der Tibloc ein hervorragender Kompromiss. Doch auchdiese sind nicht zwingend notwendig, kann deren Funktion dochleicht mit einem Klemmknoten ersetzt werden – und wiederwird Gewicht eingespart.

Bei reinen Gletschertouren empfehlen wir mindestens die fol-gende Ausrüstung pro Person: � 1 leichter (ungepolsterter) Hochtouren-Hüftgurt � 2 (kleine) Schraubkarabiner � 1 selbsttätiger Verschlusskarabiner (Safe-Lock-Karabiner) � 2 Schnappkarabiner � 1 „lange“ Bandschlinge� 3 Reepschnüre in den Längen 1 m, 3 m, 3 m (in der Schweizwo auch der doppelte Flaschenzug als Rettungstechnik gelehrtwird empfiehlt man anstelle einer 3 m eine 5 - 6 m lange Reep-schnur) � 1 Eisschraube, ca. 18 cm � 1 kleine Seilklemme (zB Tibloc oder Duck)

Pro Seilschaft (maximal 7 Personen) ist noch ein Einfachseil bzwein Halbseilstrang mit einer Mindestlänge von 50 m mitzufüh-ren. Zum Seil ist anzumerken, dass ein leichtes, gut imprägnier-tes Einfachseil einem Halbseil deutlich überlegen ist: ImGewicht sind die dünnen Einfachseile nicht mehr viel schwererals die Halbseile, im Anwendungsspektrum (zB in kurzen Flankenoder am Grat) jedoch wesentlich vielfältiger einsetzbar. Auchbei der Rettungstechnik ist es kein Nachteil, wenn ein Seil einengewissen Durchmesser hat, denn allzu dünne Seile lassen sichschlecht greifen. Wie gesagt, Halbseile sind prinzipiell in Ord-

nung, nur darf der Durchmesser nicht zu gering sein und esmuss klar sein, dass ich es beim Klettern in Seilschaft zB anFelsgraten dann im Doppelstrang verwenden muss. Nicht uninteressant erscheinen Überlegungen von amerikani-schen Bergführen, die auf Schihochtour teilweise ein zweitesSeil in ihrer Gruppe mitnehmen. Das kann einen deutlichen Vor-teil bei (sehr seltenen) komplexen Spaltenstürzen bringen oderim Fall, wenn derjenige, der das „Hauptseil“ im Rucksack trägt,unangeseilt in die Spalte stürzt. Hier geht die Empfehlung ein-deutig in Richtung Dyneema oder Kevlar (5 - 6 mm), das höchs-te Festigkeiten bei geringstem Gewicht vereint. Da auf Mode-oder Vereinstouren aber oft mehrere Seilschaften parallel unter-wegs sind, fällt dieses Problem hier weg.Aufgrund der Tatsache, dass man am Gletscher viel Materialgriffbereit am Körper trägt, kommt einem sauberen Ausrüs-tungsmanagement große Bedeutung zu. Dabei muss nicht nuram Gurt Ordnung herrschen, sondern im Falle eines Spaltenstur-zes sollte man Schier, Stöcke und Rucksack schnell und gut ver-sorgen können.

Standardmaßnahmen Gletscher

Gurt anziehen! Neben den allgemeinen Standardmaßnahmen bei Schitouren(LVS-Check, ...) empfiehlt es sich bei Schihochtouren schon vomStart weg den Gurt anzuhaben. Diese Maßnahme hat den Vor-teil, dass das umständliche Anlegen der Gurte im Gelände ent-fällt und somit die Entscheidung anzuseilen meist leichter fällt. Auch wenn es zu einem unangeseilten Spaltensturz kommen

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sollte, ist es bei der Rettung wesentlich einfacher, jemandenherauszuholen, der bereits einen Gurt trägt. Dadurch kann Zeitgespart und das gefährliche „Einschmelzen“ verhindert werden.

Immer anseilen!� auf bekannt gefährlichen Gletschern bzw. in spaltenreichenZonen � bei schlechter Sicht oder bei Orientierungsproblemen, da mannicht mehr davon ausgehen kann, die ideale Linie zu finden � bei schwacher Spaltenüberdeckung (Frühwinter, Winderosion,durchhängende Brücken)! Achtung: bei guter Schneelage sindzwar die kleinen und mittleren Spalten verfüllt – nicht jedochdie großen Spalten. Stürzt man in eine solche Spalte, fällt manerstens sehr tief und zweitens wird man noch von den nach-stürzenden Schneemassen begraben. � nach Neuschnee bzw. bei neuer Spuranlage auf verspaltetenGletschern � bei starker Durchfeuchtung der Schneedecke, da es zum„Aufweichen“ der tragfähigen Spaltenbrücken kommt.

Die Nachteile des Anseilens am Gletscher sind beim Aufstiegwesentlich geringer als bei der Abfahrt! Wir können also dasGesamtrisiko verringern, indem wir zumindest im Aufstieg häu-figer bzw. früher anseilen.Kontraproduktiv ist das Anseilen dann, wenn die Mitreiß- bzwLawinengefahr größer bewertet wird als die Spaltensturzgefahr.

Abstände einhalten! Im Aufstieg im vergletscherten Gelände sind Entlastungsabstän-de von mind. 5 m einzuhalten. Bei der Abfahrt sollte derAbstand mind. 30 m betragen. Durch diese Abstände werden

Spaltenbrücken weniger stark belastet – somit wird auch dasSpaltensturzrisiko minimiert. Da man bei der Abfahrt einen län-geren Bremsweg hat, ist es sinnvoll, die 30 m (die wir ohnediesals Standardabstände bei Schitouren-Abfahrten empfehlen) ein-zuhalten, damit nicht zwei Personen in dieselbe Spalte stürzen. Trotz der Abstände ist es wichtig, die Gruppe zusammenzuhal-ten, damit der Führer stets die Kontrolle über die Abfahrtsroutehat.

Sichere Sammelpunkte! Besonders in Gletscherbrüchen ist es notwendig, sichere Sam-melpunkte zu wählen. Kritisch sind meist Geländekuppen oderRücken, da in diesen Spannungszonen besonders viele Spaltensind. Um punktuell keine hohen Belastungen zu bekommen, istauch an den Sammelpunkten 5 m Abstand zu halten.Um Rastplätze oder Übungsplätze auf „Spaltenfreiheit“ zu kon-trollieren, bietet sich die Verwendung der Lawinensonde an.

Klare Anweisungen! In kritischen Passagen sind klare Anweisungen (zB „Spurfahren“,„Anhalten“, ...) besonders wichtig. Mit entsprechender Erfahrunglassen sich Spaltenzonen häufig erkennen und umfahren. Dabeiist es notwendig, dass sich alle Gruppenmitglieder exakt an dieVorgaben halten. Dies setzt neben einer klaren Anweisung auchein entsprechendes schifahrerisches Können aller Teilnehmervoraus - fehlt dieses, heißt es anseilen!

Schier anlassen und angeseilt bleiben! Aufgrund der günstigeren Belastungsverteilung sind die Schieram Gletscher stets anzubehalten. Dies gilt auch bei Pausen oderbeim Gang zur „Toilette“. Verwendet man bereits das Seil, dann

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bleibt man auch in diesen Situationen angeseilt. Beim Abziehender Felle am Gletscher erfolgt dies nacheinander, sodass manimmer auf einem Schi steht.

Vorausschauend und defensiv abfahren!Verdeckte Spalten sind meist sehr schwierig zu erkennen. Dem-entsprechend muss die Fahrweise sehr vorausschauend gewähltwerden. Damit man jederzeit anhalten kann, darf das Temponicht zu hoch sein. Achtung: Angehalten wird standardmäßig (anders als sonst)oberhalb des Führers, da dieser unter Umständen direkt an einerSpalte steht.

Flucht nach vorne! Hat man in der Abfahrt einmal eine Spalte übersehen odermöchte man aus irgendeinem Grund eine Spalte befahren, giltdas Motto, dass man die Belastung möglichst gering halten soll.Die geschieht, indem man sein Herz in die Hand und dasGewicht möglichst von den Schiern nimmt und in flottem Tem-po die Spalte rechtwinklig quert (was einen guten Schifahrervoraussetzt). Keinesfalls sollte man versuchen anzuhalten. Spal-ten unangeseilt zu befahren macht natürlich nur Sinn, wennman sich eigentlich sicher ist nicht einzubrechen!

Anseiltechnik

Das Anseilen am Gletscher erfolgt mittels Karabiner und Achter-knoten wobei wir einen selbsttätigen Verschlusskarabiner (Safe-Lock-Karabiner) empfehlen; die Verwendung eines „normalen“

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Schraubkarabiners ist akzeptabel. Alternative Anseilmethodenmit zwei Karabinern sind zwar durchaus in Ordnung, bieten aberkeine wesentlichen Vorteile. Einzig der SAC empfiehlt das Anseilen aller Seilschaftsmitgliedermittels gestecktem Sackstich – bei unseren eidgenössichenFreunden „Führerknoten“ genannt - direkt in den Sitzgurt; dasAnseilen mittels Karabinern wird nur für kurze oder leichte Glet-schertouren gelehrt. Aus der Schweiz stammt auch die sehrempfehlenswerte Idee eine lange Bandschlinge mittels Anker-stich am Hüftgurt zu montieren (Abb. 1). Diese wird dann überdie Schulter getragen und erlaubt im Falle eines unangeseiltenSpaltensturzes ein schnelles Sichern des Gestürzten, auch wennes nicht möglich ist, den Hüftgurt- Anseilring zu erreichen, umdort den Karabiner einzuhängen. Befestigt man diese Band-schlinge zB mit einem Karabiner auch noch am Rucksack, so hatman in einem Aufwischer gleich eine „Abwurfschlinge“ (eineSpitzensache).

Die Abstände betragen in der Regel bei der Zweierseilschaftmindestens 14 m (in der Schweiz mindestens 18 m), bei derDreierseilschaft 10 bis 12 m und bei größeren Seilschaften min-destens 8 m. Da man am Gletscher gleichzeitig unterwegs ist,gilt es auf gute Seildisziplin zu achten und die Abstände auchwirklich einzuhalten. Bei der Abfahrt ist es aufgrund der höhe-ren Geschwindigkeit und der Tatsache, dass weitere Radiengefahren werden, sinnvoll etwas größere Anseilabstände zuwählen. Aufgrund der drohenden Mitreißgefahr ist die Zweierseilschaftnatürlich am ungünstigsten. Mit Seilschaften von mehr als 5 Personen sind jedoch nur noch recht einfache Abfahrten zubewältigen. Muss man komplexe Anstiege (viele Kurven) in einer

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größeren Seilschaft bewältigen, dann sind kürzere Abständemeist recht hilfreich. Bremsknoten sind bei der Zweierseil-schaft von großem Vorteil und deshalb empfohlen, bei derDreierseilschaft wenigstens bei der Abfahrt anzubringen. Das Restseil wird normalerweise zwischen Seilschaftserstem und-letztem aufgeteilt und im Rucksack verstaut. Beherrscht nurder Führer eine Rettungstechnik, so trägt dieser das gesamteRestseil.

Ich stürze unangeseilt in eine Spalte

Habe ich das Pech und falle unangeseilt in eine Spalte, sollteich versuchen den Sturz irgendwie abzufangen – Arme und Bei-ne ausbreiten und auf das Beste hoffen. Lande ich glücklicher-weise auf einer Brücke, heißt es Schier anbehalten und nichtunnötig herumtrampeln. Sofern dies ohne große Manipulationmöglich ist Eisschraube vom Gurt nehmen und eine Selbstsiche-rung an der Spaltenwand aufbauen, um einen weiteren Absturzzu verhindern. Sobald ich eine solide Selbstsicherung habe, kannich mich auf die Rettung vorbereiten, indem ich Schier undStöcke ggf. auch den Rucksack ausziehe und an den Gurt hänge.Habe ich Steigeisen dabei, könnte ich diese evtl. anziehen, wenndies die Spaltenrettung durch die Kameraden erleichtert (glatte,vereiste Spaltenwand). Bin ich blöderweise eingekeilt, wäre esgünstig ein noch tieferes Abrutschen zu vermeiden – sofern dasirgendwie möglich ist. Aufgrund der Tatsache, dass eine Kommunikation nach obensehr schwierig ist und es bis zu den ersten Bergemaßnahmendurchaus seine Zeit brauchen, sollte ich versuchen die Nerven

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zu bewahren und ruhig zu bleiben. Jedenfalls empfiehlt es sich,dass ich mir warme Kleidung (Anorak und Handschuhe) anzieheund die Kapuze aufsetze, da ich mit viel fallendem Schnee wäh-rend der Bergung rechnen muss.

Ein anderer stürzt unangeseilt in eine Spalte

Ist jemand ohne Seil in eine Spalte gestürzt, sollte man zualler-erst darauf achten, dass nicht noch weitere Gruppenteilnehmerin irgendwelchen Löchern verschwinden: Anhalten und Anseilensind die ersten Maßnahmen, die es durchzuführen gilt.Schnellstmöglich sollte man versuchen Kontakt mit dem Spal-tenopfer aufzunehmen, da eine rasche Rettung über Leben undTod entscheiden kann. Durch das gespannte Seil gesichert tastetsich der Erfahrenste ohne Schier vorsichtig bis zur Einsturzstellevor, um die Lage abzuklären. Handelt es sich um eine Dreierseil-schaft, wird dazu gleich eine solide Verankerung gebaut undvon dort gesichert.Je nach der Situation des Opfers sind die geeigneten Maßnah-men zu ergreifen. Günstigerweise sollte man ehestmöglich einenNotruf absetzen, um professionelle Hilfe an die Unfallstelle zubekommen. Ausgerüstet mit Dreibein und Presslufthammer kanndie Bergrettung auch schwierige Spaltenstürze rasch lösen. Ist das Opfer bei Bewusstsein und kann es selbständig das Seileinhängen, sollte man sich als Retter nicht in die Spalte absei-len, sondern nur entscheiden, von welcher Spaltenseite man dieRettung durchführt (von der Talseite aus geht’s in der Regelleichter) und welche Methode man am klügsten anwendet. Ist vom Opfer nichts zu sehen oder ist es ohne Bewusstsein,

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Abb. 1 Die Schweizer Schlinge Bricht jemand unangeseilt in eine Spalteein, ist es für die Bergemannschaft mitunter schwierig „von oben“ zumHüftgurtring zu gelangen. In diese vorbereitete - mittels Ankerstich am

Anseilring befestigte - Bandschlinge kann rasch ein Karabiner eingehängtund somit ein „unangeseilter“ Gestürzter gesichert werden. Clippt man sie

zusätzlich mit einem Karabiner am Rucksack ein, bekommt man auch gleich eine „Abwurfschlinge“ – „... und wer hat´s erfunden?“

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muss man schnellstmöglich in die Spalte absteigen, da akuteLebensgefahr besteht. Nicht wenige Spaltensturzopfer werdenim Winter von nachfallendem Schnee begraben und erstickendadurch. Am schnellsten geht es, wenn man mittels Mann-schaftszug in die Spalte gelassen wird. Dies funktioniert natür-lich nur bei großen Gruppen. Wie man als Ersthelfer wieder ausder Spalte herauskommt, ist sekundär, solange man beachtet,dass jemand mit einem Seil „oben“ ist. Wenn man sehr schnelleinen Fixpunkt erstellen kann, ist die Selbstseilrolle die besteMethode in die Spalte abzusteigen.

In komplexen Gletscherbrüchen mit vielen Spalten ist es besser,wenn man sofort einen verlässlichen Standplatz aufbaut, vondem aus die Rettung durchgeführt wird (ggf. Sondieren des Ret-tungsplatzes). Die einzelnen Gruppenmitglieder müssen sichwährend der Bergemaßnahmen jedenfalls äußerst diszipliniertverhalten und dürfen nicht unangeseilt herumlaufen.

Rettungstechniken

Grundsätzlich steht uns eine große Palette an unterschiedlichenRettungstechniken zur Verfügung, die alle irgendwelche Vorteilebieten. Grundlegend ist dabei, dass man eine Methode anwen-den sollte, die man gut beherrscht und die mit der mitgeführtenAusrüstung auch machbar ist. Wie bei jeder behelfsmäßigenBergrettung läuft es in der Praxis nie genau so ab, wie man esim Kurs trainiert hat, deshalb ist ein gewisses Improvisations-talent unerlässlich. Achtung: Unglückliche Umstände wie einestarke Überwechtung des Spaltenrandes verbunden mit einem

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Abb. 2 Modifizierte Prusiktechnik & Selbstflaschenzug 1. Vorbereitung Rucksack, Schi, Stöcke „abwerfen”2. Ersten Prusik (Selbstsicherung) anlegen armlang, kurz mitSackstich abbinden und Verschlusskarabiner einhängen, direkt inden Anseilring einbinden.3. Zweiten Prusik (Steigschlinge) anlegen unter erstem Prusik,so lang, dass man mit dem Fuß hineinkommt 4. Aufstieg evtl. schafft man es bereits damit aus der Spalte,ansonsten ...5. Umbau Selbstflaschenzug zwei Schnapper in den Anseilring,Gardaschlinge legen („Von oben um beide Karabiner ganz herumund dann zwischen beiden hinaus nach oben.”), Seil durch obe-ren Karabiner umlenken, hinauswurschteln/-raupen

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bewusstlosen oder verletzten Opfer können eine Bergung mitbehelfsmäßigen Mitteln verhindern! In diesen Fällen ist es wich-tig kompetent Erste Hilfe (in der Spalte) zu leisten und profes-sionelle Rettungskräfte rasch zur Spalte zu bringen.

Eingeteilt werden können die Rettungstechniken folgenderma-ßen: Selbstrettungstechniken (zB Prusik), Mannschaftszüge undFlaschenzugsysteme (zB lose Rolle). Im Folgenden werden einfa-che Basisversionen dieser drei Rettungstechniken vorgestellt,welche von allen deutschsprachigen alpinen Vereinen gelehrtwerden, und die sich in der Praxis bewährt haben. Nicht einge-gangen wird zB auf den doppelten Flaschenzug wie er vom SACgeschult wird (und der im famosen Ausbildungshandbuch „Berg-sport Winter“ vom SAC-Verlag beschrieben wird).

� Selbstrettung

Vor allem bei Führungstouren kann man nicht davon ausgehen,dass man von seinen Gästen aus der Gletscherspalte gezogenwird. Auch bei kleinen Seilschaften (2er und 3er) und schlechtenVerankerungsmöglichkeiten kann es manchmal sinnvoller sein,dass sich der Gestürzte selber rettet – vorausgesetzt er ist nichtverletzt oder eingeklemmt. Als einfache und gute Möglichkeitempfehlen wir die sogenannte „Münchhausentechnik“, eineKombination von modifizierter Prusiktechnik und Selbstfla-schenzug (Abb. 2).

1. Vorbereitung Damit man überhaupt eine Selbstrettungstechnik anwendenkann, muss man zuerst die Schier, Stöcke und evtl. auch denRucksack ausziehen und diese an den Gurt hängen.

2. Ersten Prusik (Selbstsicherung) anlegen Eine der beiden 3-m-Prusikschlingen wird ums Seil gelegt undunmittelbar hinter dem Prusik mit einem Sackstich abgebunden.Die Prusikschlinge kann anschließend gleich direkt in denAnseilring des Gurts mittels Sackstich in Armlänge (ca. 50 cm)eingebunden werden. In die kleine Schlaufe unmittelbar hinterdem Prusik hängt man einen der beiden Schraubkarabiner. ZurÜberprüfung der richtigen Länge schiebt man die Schlinge nachoben – der Prusikknoten sollte mit ausgestrecktem Arm nochgut erreichbar sein.

Alternativ kann natürlich auch ein anderer Klemmknoten(Kreuzklemmknoten, Prohaska, FB-Knoten, Klemheist, ...), einelange Bandschlinge oder ein Klemmgerät (zB Tibloc) verwendetwerden.

3. Zweiten Prusik (Steigschlinge) anlegen Die zweite 3-m-Reepschnur wird ebenfalls mit Prusik knappunterhalb der Selbstsicherungsschlinge angelegt und so abge-längt, dass man gerade noch mit dem abgewinkelten Bein hi-neinkommt.

4. AufstiegAbwechselnd wird nun mit der Steigschlinge Höhe gemacht unddie Selbstsicherungsschlinge nachgeschoben. Zur Stabilisierungbeim Hochsteigen hält man sich am Seil fest. Möchte man ein-mal rasten, kann man sich in der Selbstsicherungsschlinge sit-zend ausruhen. Befinden sich Bremsknoten im Seil, muss mandie Prusikknoten lockern und darüber schieben. Mit etwas Glück(und noch mehr Anstrengung) kommt man mit dieser Technikschon aus der Spalte heraus.

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5. Umbau Selbstflaschenzug Hat man einen stark überwechteten Spaltenrand, so muss mansein System nochmals umbauen. Dies geschieht, indem man dasmittlerweile lockere Hauptseil mittels Gardaschlinge am Anseil-ring des Hüftgurts einhängt. Dazu verwendet man zwei bauglei-che Schnapper. Das aus der Gardaschlinge herauslaufende Seilwird nach oben geführt und in den bereits vorbereiteten Karabi-ner am ersten Prusik eingehängt. Zieht man nun am Hauptseilnach unten, wird man direkt an der Hüfte nach oben gezogen.Bei Belastung greift die Gardaschlinge als Rücklaufsicherungund der lockere Prusik lässt sich wieder nach oben schieben.Durch dieses System kann man sich gut über die Spaltenkantenach oben arbeiten. Da die Steigschlinge nicht mehr benötigtwird, kann diese abgebaut werden.

Die Selbstsicherungsschlinge bleibt im Gurt eingebunden, damitman bei einem versehentlichen Aushängen der Gardaschlingenicht wieder ganz hinunter fällt. Alternativ kann man als Rück-laufsicherung am Gurt auch eine Plate (wenn man eine dabeihat?), eine Duck oder einen Ropeman (etwas Wegverlust!) ver-wenden. Der Tibloc als Rücklaufsicherung ist nicht optimal, daer bei dünnen Seilen „durchfällt“ oder das Seil durch die Zackenbeschädigen kann.

� Mannschaftszug

Ist man in der glücklichen Lage und hat einige Retter (Minimum4 Personen) an der Spalte, kann man sich komplizierte Seilma-növer sparen und mit Mannschaftszug (Abb. 3) arbeiten. Wich-tig dabei ist, dass nicht unkoordiniert gezogen wird, sondernjemand das Kommando übernimmt. Die Kräfte, die eine Mann-

Abb. 3 Mannschaftszug1. Sturz halten und Mannschaft organisieren Sturz halten,Seil spannen2. Kontakt aufnehmen Selbstsicherung mit armlangem Prusik(direkt/mit Karabiner in Anseilring), aus Hauptseil aushängen,zum Spaltenrand, Pickel unterlegen und vor Verlust sichern,Gestürzten ansprechen 3. Koordination und Rettung Selbstsicherungsprusik lockerhalten, durch Handzeichen und Rufe die Mannschaft behutsam hochziehen und stoppen (!) lassen

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schaft mit einem dynamischen Seil entwickelt, sind so groß,dass ein Opfer durch den Zug schwer verletzt bzw. auch getötetwerden kann.

1. Sturz halten und Mannschaft organisierenKommt es zum Spaltensturz, gilt es in erster Linie einmal dieLast zu halten, was normalerweise kein Problem ist. Das Seilwird anschließend straff gespannt, ohne dass gleich gezogenwird. Die Schier bleiben in der Regel angeschnallt. Eine Personübernimmt das Kommando. Sie entscheidet auch, ob ein Mann-schaftszug oder eine andere Rettungstechnik durchgeführt wirdund organisiert alles Nötige.

2. Kontakt aufnehmen Der Nächste hinter dem Gestürzten löst sich aus dem Hauptseilund geht gesichert durch Reepschnur und Prusik zum Spalten-rand. Dabei sollte versucht werden das eingeschnittene Seil zubefreien und möglichst nahe am Spaltenrand Schistöcke, Pickeloder Schaufelstiel unterzulegen, um weiteres Einschneiden zuverhindern. Ist man ganz am Spaltenrand, legt man sich auf den Bauch oderkniet sich hin und arbeitet mit den Händen, Beinen oder derSchaufel vorsichtig den überhängenden Schnee ab, sodass dieRettung reibungslos ablaufen kann. Über stark überwechteteSpaltenränder kommt man nämlich nicht oder nur sehr schwerdrüber. Hat man Kontakt aufgenommen, ist es wichtig diesenüber die gesamte Bergung auch aufrecht zu erhalten.

3. Koordination und RettungMittels Handzeichen oder Rufen werden der Mannschaft dienotwendigen Anweisungen bei der Bergung gegeben. Dabei

kann es durchaus nötig sein das Seil auch einmal nachzulassen,damit sich der Gestürzte neu positionieren kann. Wichtig ist,dass alle gleichzeitig arbeiten. Bei kleineren Seilschaften kannder „Kommandant“ am Spaltenrand natürlich mithelfen.

Wichtig: Der Prusik der Selbstsicherung muss während der Ret-tung gehalten werden, damit man nicht vom Spaltenrand weg-gezogen wird. In der letzten Phase kann man dem Gestürztenauch die Hand reichen und ihn bei der Überwindung des Spal-tenrandes unterstützen.

� Seilrolle

Die Seilrolle (Lose Rolle, Österreicher-Flaschenzug) ist eine rela-tiv einfache Methode, um einen Gestürzten wieder aus der Spal-te zu holen (Abb. 4). Funktionieren tut die Seilrolle allerdingsnur, wenn man genügend Seilreserve hat und ganz an den Spal-tenrand vorgeht, damit die Reibung verringert wird. Durch tat-kräftige Mithilfe des Gestürzten kann auch ein etwas schwäche-rer Seilpartner diese Technik anwenden.

1. Sturz halten und Verankerung aufbauenNachdem man den Sturz gehalten hat, gilt es eine solide Veran-kerung aufzubauen. Welche Methode man wählt, richtet sichnach den Verhältnissen und dem mitgeführten Material. AufSchihochtouren gelingt eine gute Verankerung oft mit denSchiern (siehe bergundsteigen 1/2005). Die besten Haltekräftewerden jedenfalls mit einem T-Anker (Schi oder Pickel) erreicht.Ist man in einer Dreier- oder Viererseilschaft unterwegs, soübernimmt der Hintere den Großteil der Haltearbeit, währendder Vordere die Verankerung einrichtet.

Abb. 4 Seilrolle1. Sturz halten und Verankerung aufbauen solide Verankerung entsprechend den Schneeverhältnissen2. Last übertragen Prusikschlinge direkt/mit Karabiner in die Verankerungs-Bandschlinge hängen3. Verankerung verbessern Hintermänner verbessern Verankerung, sichern sich selbst und binden sich vom Hauptseil aus 4. Vorgehen zum Spaltenrand „Retter“ sichert sich mit armlangem Prusik am nicht gespannten (!) Seil selbst (entweder DAV-Methode mit einer eigenen – orange gezeichneter - Schlinge oder an einem Reepschnurstrang), ausbinden und fixieren des Haupt-seils in der Verankerung, vor zum Spaltenrand5. Bergung Seilschlinge mit Karabiner hinunterlassen, Gestürzter hängt den Karabiner ein, Rücklaufprusik anlegen (entweder DAV-Methode mit einer eigenen Schlinge und Karabiner oder mittels gestecktem Prusik), hochziehen

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2. Last übertragenUm die Last des Gestürzten auf die Verankerung zu übertragen,wird eine Reepschnur mittels Klemmknoten (Prusik) amgespannten Seil angelegt und am besten direkt in die Band-schlinge der Verankerung eingebunden (alternativ mit Ver-schlusskarabiner eingehängt). Behutsam wird anschließend dieLast auf die Verankerung übertragen.

3. Verankerung verbessernSobald das Gewicht des Gestürzten auf die Verankerung übertra-gen ist, geht der Hintermann (die Hintermänner) nach vorne undverbessert die Verankerung, indem er sich vor die Schier bzw. aufden T-Anker stellt. Optional kann noch eine weitere Verankerungaufgebaut werden. Steht der Hintermann am Standplatz, sicherter sich mittels Reepschnur selbst und bindet sich vom Hauptseilaus, da das Restseil für die Bergung gebraucht wird.

4. Vorgehen zum SpaltenrandUm gesichert zum Spaltenrand vorgehen zu können, legt der„Retter“ eine zweite Reepschnur (3 m) halbiert mit einem Pru-sikknoten an das lose Restseil. Einen Strang führt er nun inArmlänge zum Gurt und hängt diesen direkt oder in den Ver-schlusskarabiner ein. Anschließend wird das Hauptseil aus demGurt des Retters ausgehängt und mittels Mastwurf/Achterkno-ten und Schraubkarabiner in die Verankerung eingehäng. Diesmacht deshalb Sinn, da man dadurch eine gewisse Redundanzan der Verankerung erhält. Der Retter kann nun vorsichtig mitdem Prusik zum Spaltenrand gehen.

5. BergungAm Spaltenrand angekommen nimmt der Retter Kontakt mit

dem Gestürzten auf und bereitet vorsichtig den Spaltenrand fürdie Bergung vor, indem der überhängende Schnee in kleinenPortionen „abgetreten“ wird. Anschließend lässt der Retter eine Seilschlinge mit lose einge-hängtem Schraubkarabiner zum Gestürzten hinunter. Dieserhängt den Karabiner in seinen Anseilring/-karabiner ein undverschließt ihn. Der Retter legt nun noch eine Rücklaufsicherungmittels gestecktem Prusik oder mittels Seilklemme (Tibloc) ansSeil und beginnt mit der Bergung. Durch das Flaschenzugprinzipmuss etwas mehr als die Hälfte des Gewichts des Gestürztengezogen werden – eine gute Zusammenarbeit der Mannschaftheraußen und des Gestürzten zahlt sich dabei aus. Nach jedemHub wird der Prusikknoten am Zugseil nach vorne geschoben.Mithelfen kann der Gestürzte am besten an dem Seil, das beider Bergung locker wird – gleichzeitig kann er es dabei auchaus dem eingeschnittenen Spaltenrand befreien.

Dies ist die einzige behelsfmäßige Bergretttungstechnik, woman und frau den Prusik „stecken“ muss – und das ist für vieleKursteilnehmer oft eine echte Herausforderung: den Prusik rich-tig stecken. Der DAV ist dazu übergegangen, auf den gestecktenPrusik an dieser Stelle zu verzichten, da er in der Stresssituation„Spaltensturz“ für weniger Geübte zu komplex sein könnte. DieDAV-Methode (Abb. 4): Die Selbstsicherungsschlinge (Punkt 4.)wird direkt hinter dem Prusik abgebunden. Für die Rücklaufsi-cherung wird wiederum ein ganz „normaler“ Prusik mit einereigenen Reepschnur gelegt und diese wird dann einfach in dieSchlinge der Selbstsicherungsreepschnur eingehängt; ist einfa-cher und die Reepschnüre laufen immer im Doppelstrang.Die anderen alpinen Vereine werden aber weiterhin die Traditiondes gesteckten Prusikknotens hegen und pflegen ...

Abb. 5 Modifizierte Seilrolle Ist derGestürzte nicht in der Lage den hinunter-gelassenen Karabiner einzuhängen oder istdas Seil für die Lose Rolle zu kurz, kannman zB einen Tibloc am gespannten Seilhinuntergleiten lassen und so die Bergungdurchführen. Ziemlich elegant, funktioniertaber nur, wenn das Seil nicht zu tief einge-schnitten ist.

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� Modifizierte Seilrolle

Ist der Gestürzte nicht in der Lage den Karabiner einzuhängenoder ist das Restseil nicht lange genug, kann man mit Hilfeeiner Seilklemme die Technik der Seilrolle etwas modifizieren(Abb. 5). Die ersten Schritte sind dabei gleich wie bei der Seil-rolle, nur dass nicht ein freier Karabiner in einer Seilschlingenach unten gelassen, sondern eine Seilklemme am belastetenSeil eingehängt wird, die mit Hilfe der Schwerkraft – und etwasNachhelfen durch „Ruckeln“ und evtl. Beschweren mit etwasZusatzgewicht - am Seil nach unten gleitet (funktioniert idealmit dem Tibloc).

In die Seilklemme wird zuvor mit einem Karabiner die Seil-schlaufe zum Hochziehen eingehängt. Ist das Restseil langgenug (aber der Kamerad unten bewusstlos), lässt man dieKlemme ganz hinunter, da man sich dadurch das Nachspannendes ursprünglichen Sicherungsseils spart.

Voraussetzung für diese Technik ist jedenfalls, dass das Seilnicht zu weit im Spaltenrand eingeschnitten ist und frei zumGestürzten abgelassen werden kann.

Angeseilt abfahren

Für die Abfahrt gelten das Anseilen betreffend grundsätzlich diegleichen Verhaltensregeln wie im Aufstieg, auch wenn hier dieBereitschaft das Seil zu verwenden deutlich geringer ist. Folgen-de Grundlagen sind beim Seilfahren (Abb. 6) zu beachten:

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� Prinzipiell ist Seilfahren immer Spurfahren bei geringerGeschwindigkeit. � Der Führer fährt an erster Stelle und nützt das Gelände best-möglich aus. Konkret bedeutet das, Spaltenzonen zu umfahrenund dabei eine gleichmäßig flache Spur anzulegen, damit dieGeschwindigkeit konstant niedrig bleibt. Die Seilschaft folgt amgespannten Seil, wobei zu beachten ist, dass die Spur zunehmendschneller wird! Sofern möglich sollten wenige, weite Kurven undlange Schrägfahrten gemacht werden. � Der Seilerste fährt mit Stöcken, alle anderen verstauen dieseam Rucksack und halten das Seil zum Vordermann in Händen.Der Vorteil dabei ist, dass man das Seil gespannt halten kann undnicht mit den Schiern darüber fährt. Keinesfalls dürfen dabeiSchlingen aufgenommen werden, da diese die Sturzstrecke unddie Verletzungsgefahr unnötig erhöhen. � Beim Anhalten werden die Abstände konsequent eingehalten,das Seil bleibt gespannt. � Schwächere Schifahrer sollten unmittelbar hinter dem Führerfahren, in Ausnahmefällen sogar an erster Stelle, sodass der Füh-rer an zweiter Stelle die Geschwindigkeit kontrolliert und dieRichtung dirigiert. � Bei großen Gruppen oder mehreren Seilschaften und ehergünstigen Verhältnissen bilden die besten Schifahrer eine Seil-schaft, der Rest der Gruppe bzw. unmittelbar nachfolgende Seil-schaften fahren dann unangeseilt in der Spur (Standardabständeeinhalten!).

Schlussbemerkung: Viel Vergnügen und die Sonnencreme nicht vergessen!

Fotos: Düringer Illustrationen: Der Schorsch Sojer �

Abb. 6 Angeseilt abfahren Bei niemandem wirklich beliebtfunktioniert angeseiltes Schifahren am besten, wenn alle bis aufden Ersten ihre Stöcke wegpacken und das Seil zur Vorderfrau/-mann in den Händen unter Spannung halten. Für den Führer giltes, eine gleichmäßige, (sehr) flache Spur mit wenigen, weitenBögen und langen Querungen zu wählen.