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| Der Internist 9·99 M 252 J. Robbers Schleichende Rationierung durch Globalbudget Schleichende Rationierung von Lei- stungen, Lücken in der Patientenver- sorgung, Verschlechterung der qualita- tiv hochwertigen Versorgung, massiver Stellenabbau – dieses Schreckensszena- rio droht in den Krankenhäusern, soll- ten die Inhalte des „Arbeitsentwurfs“ zur Strukturrefor 2000 von Bundes- gesundheitsministerin Andrea Fischer am Ende Wirklichkeit werden. Auslöser für diese Schreckensbil- der sind die Vorstellungen der Ministe- rin und der Gesundheitspolitiker der Bonner Koalition zum Globalbudget. Nach ersten Bewertungen scheint es, daß man den eigenen Arbeitsentwürfen nicht recht traut. Denn wäre die Regie- rung von ihren Reforminstrumenten, die zu effizienteren Versorgungsstruk- turen führen sollen, überzeugt, könnte sie auf Globalbudgets verzichten. Die starren Ausgabenobergrenzen sollen aber als Notbremse für die unkalkulier- baren finanziellen Folgen der geplanten Systemveränderungen dienen. Auch bleiben medizinisch leistungs- gerechte Krankenhausbudgets, wie sie die Regierungskoalition anstrebt, unter dem Deckel eines Globalbudgets reine Utopie: Diejenigen Krankenhäuser, die mehr leisten als andere, werden letztlich dafür bestraft. Die DKG plädiert deshalb dafür, die bestehenden Regelungen insbesondere § 6 BPflV weiterzuentwickeln und vom Globalbudget Abstand zu nehmen. Wenn überhaupt sollte das Globalbug- det, sollte die Koalition trotz aller En- wände und Warnungen auf dem Irrweg zu starren Ausgabenobergrenzen und der damit verbundenen Rationierung von Gesundheitsleistungen bleiben, als Ausgabenempfehlung verstanden wer- den. Mehrleistungen, die nachgewiesen werden, sind dann gesondert zu vergü- ten. Aufgrund der demographischen Entwicklung und des medizinischen Fortschritts ist seit einigen Jahren die Zahl der eingewiesenen Krankenhaus- patienten um etwa 250 000 pro Jahr ge- stiegen. Das Bundesgesundheitsmini- sterium scheint von der Prämisse aus- zugehen, diese Entwicklung nicht nur stoppen, sondern zurückführen zu kön- nen. Dies ist nach Auffassung der DKG eine falsche Ausgangsbasis. Durch die vorgesehene Regelung im Arbeitsentwurf, Die Ausgaben der Krankenhäuser für Behandlungsfälle, die die vereinbarte Menge überschrei- ten, vom Globalbudget des übernäch- sten Jahres abzuziehen, bleiben die Krankenhäuser auf den schon erkenn- baren Mehrkosten durch steigende Pa- tientenzahlen sitzen. Dies zwingt die Krankenhäuser zu Personal- und Lei- stungsabbau. Im Ergebnis bedeutet dies, das Morbiditätsrisiko einseitig auf den Krankenhausbereich zu verlagern. Hierzu ist die DKG nicht bereit. Globali- siertere Betrachtungen müssen die seit Jahren sichtbaren Entwicklungen im Sinne von gesetzlichen Vorgaben ent- halten wie z.B. Fallzahlentwicklungen, medizinischen Fortschritt und Ausglei- che für Tarifsteigerungen. Nicht unse- ren Vorstellungen von Seriosität ent- spricht die Absicht der Bonner Gesund- heitspolitiker, die Instandhaltung der Krankenhäuser durch die Fortführung der umstrittenen Fehlbelegungsabgabe zu finanzieren. Das führt im Ergebnis dazu, daß die Krankenhäuser selbst die finanziellen Mittel für ihre Reparaturen und Instandhaltungsmaßnahmen auf- bringen müssen. Dies ist von den Kran- kenhäusern finanziell nicht leistbar. In der Frage der Instandhaltungsfi- nanzierung zeigt sich, daß bei den vor- liegenden Plänen der Koalition zur Mo- nistik der falsche Weg eingeschlagen wird. Der Vorschlag einer Instandhal- tungsfinanzierung der Krankenhäuser aus ihrem eigenen Budget heraus macht deutlich, daß der Regierungs- koalition ein Konzept für eine Gegenfi- nanzierung bei dem geplanten Über- gang zur Monistik fehlt. Investitionsko- sten der Krankenhäuser sind nicht bei- tragssatzneutral zu finanzieren, es sei denn, die Länder leisten Transferzah- lungen. Überhaupt stehen die Planungen der Gesundheitsreform unter großem Zeit- und Entscheidungsdruck. Es ist nach wie vor geplant, daß die Reform zum 1. Januar 2000 in Kraft tritt, auch wenn der Referentenentwurf gegen En- de Mai vorliegen soll. Sollten bis dahin keine Kursänderungen erkennbar sein, werden sich Protestveranstaltungen wie in Potsdam vom 27. April 1999 wie- derholen.„Kein Abbau Ost im Kranken- haus“ lautete das Motto des ostdeut- schen Protesttages, der von den fünf ostdeutschen Landeskrankenhausge- sellschaften in Zusammenarbeit mit der DKG organisiert wurde. Mehr als 2000 Krankenhausbeschäftigte verab- schiedeten eine Resolution, die unter derselben Überschrift stand. Sie prote- stierten gegen die Unterfinanzierung der Krankenhäuser, die sich aufgrund der negativen Veränderungsrate von –0,48% in den neuen Bundesländern besonders verschärfend auswirkt. Die Krankenhäuser in Ost und West fordern den vollen Ausgleich der tarifbedingten Mehrbelastung. Hierfür ist keine Gesetzesänderung nötig, viel- mehr genügt eine neue Verfügung des Gesundheitsministeriums. Die beträchtliche Unterfinanzierung der Krankenhäuser von einer Milliarde Mark ist ein Ergebnis der geltenden Rechtslage. Dies gefährdet rund 19 000 Arbeitspläte in den Krankenhäusern, davon 5000 in den neuen Bundesländern.

Schleichende Rationierung durch Globalbudget

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Page 1: Schleichende Rationierung durch Globalbudget

| Der Internist 9·99M 252

J. Robbers

Schleichende Rationierungdurch Globalbudget

Schleichende Rationierung von Lei-stungen, Lücken in der Patientenver-sorgung, Verschlechterung der qualita-tiv hochwertigen Versorgung, massiverStellenabbau – dieses Schreckensszena-rio droht in den Krankenhäusern, soll-ten die Inhalte des „Arbeitsentwurfs“zur Strukturrefor 2000 von Bundes-gesundheitsministerin Andrea Fischeram Ende Wirklichkeit werden.

Auslöser für diese Schreckensbil-der sind die Vorstellungen der Ministe-rin und der Gesundheitspolitiker derBonner Koalition zum Globalbudget.Nach ersten Bewertungen scheint es,daß man den eigenen Arbeitsentwürfennicht recht traut. Denn wäre die Regie-rung von ihren Reforminstrumenten,die zu effizienteren Versorgungsstruk-turen führen sollen, überzeugt, könntesie auf Globalbudgets verzichten. Diestarren Ausgabenobergrenzen sollenaber als Notbremse für die unkalkulier-baren finanziellen Folgen der geplantenSystemveränderungen dienen.

Auch bleiben medizinisch leistungs-gerechte Krankenhausbudgets, wie siedie Regierungskoalition anstrebt, unterdem Deckel eines Globalbudgets reineUtopie:

Diejenigen Krankenhäuser, die mehrleisten als andere, werden letztlichdafür bestraft.

Die DKG plädiert deshalb dafür, diebestehenden Regelungen insbesondere§ 6 BPflV weiterzuentwickeln und vomGlobalbudget Abstand zu nehmen.Wenn überhaupt sollte das Globalbug-det, sollte die Koalition trotz aller En-wände und Warnungen auf dem Irrwegzu starren Ausgabenobergrenzen undder damit verbundenen Rationierungvon Gesundheitsleistungen bleiben, alsAusgabenempfehlung verstanden wer-den. Mehrleistungen, die nachgewiesenwerden, sind dann gesondert zu vergü-

ten. Aufgrund der demographischenEntwicklung und des medizinischenFortschritts ist seit einigen Jahren dieZahl der eingewiesenen Krankenhaus-patienten um etwa 250 000 pro Jahr ge-stiegen. Das Bundesgesundheitsmini-sterium scheint von der Prämisse aus-zugehen, diese Entwicklung nicht nurstoppen, sondern zurückführen zu kön-nen. Dies ist nach Auffassung der DKGeine falsche Ausgangsbasis.

Durch die vorgesehene Regelungim Arbeitsentwurf, Die Ausgaben derKrankenhäuser für Behandlungsfälle,die die vereinbarte Menge überschrei-ten, vom Globalbudget des übernäch-sten Jahres abzuziehen, bleiben dieKrankenhäuser auf den schon erkenn-baren Mehrkosten durch steigende Pa-tientenzahlen sitzen. Dies zwingt dieKrankenhäuser zu Personal- und Lei-stungsabbau. Im Ergebnis bedeutetdies, das Morbiditätsrisiko einseitig aufden Krankenhausbereich zu verlagern.Hierzu ist die DKG nicht bereit. Globali-siertere Betrachtungen müssen die seitJahren sichtbaren Entwicklungen imSinne von gesetzlichen Vorgaben ent-halten wie z.B. Fallzahlentwicklungen,medizinischen Fortschritt und Ausglei-che für Tarifsteigerungen. Nicht unse-ren Vorstellungen von Seriosität ent-spricht die Absicht der Bonner Gesund-heitspolitiker, die Instandhaltung derKrankenhäuser durch die Fortführungder umstrittenen Fehlbelegungsabgabezu finanzieren. Das führt im Ergebnisdazu, daß die Krankenhäuser selbst diefinanziellen Mittel für ihre Reparaturenund Instandhaltungsmaßnahmen auf-bringen müssen. Dies ist von den Kran-kenhäusern finanziell nicht leistbar.

In der Frage der Instandhaltungsfi-nanzierung zeigt sich, daß bei den vor-liegenden Plänen der Koalition zur Mo-nistik der falsche Weg eingeschlagenwird. Der Vorschlag einer Instandhal-tungsfinanzierung der Krankenhäuser

aus ihrem eigenen Budget herausmacht deutlich, daß der Regierungs-koalition ein Konzept für eine Gegenfi-nanzierung bei dem geplanten Über-gang zur Monistik fehlt. Investitionsko-sten der Krankenhäuser sind nicht bei-tragssatzneutral zu finanzieren, es seidenn, die Länder leisten Transferzah-lungen.

Überhaupt stehen die Planungender Gesundheitsreform unter großemZeit- und Entscheidungsdruck. Es istnach wie vor geplant, daß die Reformzum 1. Januar 2000 in Kraft tritt, auchwenn der Referentenentwurf gegen En-de Mai vorliegen soll. Sollten bis dahinkeine Kursänderungen erkennbar sein,werden sich Protestveranstaltungenwie in Potsdam vom 27. April 1999 wie-derholen.„Kein Abbau Ost im Kranken-haus“ lautete das Motto des ostdeut-schen Protesttages, der von den fünfostdeutschen Landeskrankenhausge-sellschaften in Zusammenarbeit mitder DKG organisiert wurde. Mehr als2000 Krankenhausbeschäftigte verab-schiedeten eine Resolution, die unterderselben Überschrift stand. Sie prote-stierten gegen die Unterfinanzierungder Krankenhäuser, die sich aufgrundder negativen Veränderungsrate von–0,48% in den neuen Bundesländernbesonders verschärfend auswirkt.

Die Krankenhäuser in Ost undWest fordern den vollen Ausgleich dertarifbedingten Mehrbelastung. Hierfürist keine Gesetzesänderung nötig, viel-mehr genügt eine neue Verfügung desGesundheitsministeriums.

Die beträchtliche Unterfinanzierungder Krankenhäuser von einer MilliardeMark ist ein Ergebnis der geltendenRechtslage.

Dies gefährdet rund 19 000 Arbeitsplätein den Krankenhäusern, davon 5000 inden neuen Bundesländern.

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Ein voller Ausgleich der Scherezwischen BAT-Steigerung und derGrundlohnsummenentwicklung ist nö-tig, da sonst die Gefahr droht, daß dieKrankenhäuser ihre Patienten nichtmehr erstklassig behandeln können.Die Bundesregierung ist gefordert, beider kommenden Strukturreform im In-teresse der Patienten für eine ausrei-

schaftlicher Anforderungen voraus –nach den Vorstellungen des Arbeitsent-wurfs soll sich der Punktwert am Glo-balbudget orientieren – ein erkennba-rer Irrweg.

J. RobbersHauptgeschäftsführer der DeutschenKrankenhausgesellschaft (DKG)

chende und verläßliche Finanzierungder Krankenhäuser zu sorgen. Dabei istdie Einführung eines leistungsgerech-ten Vergütungssystems nicht aus denAugen zu verlieren, dessen Kalkulationsich nach betriebswirtschaftlichen Vor-aussetzungen richten muß; Wirtschaft-lichkeit von Krankenhäusern zu for-dern, setzt die Erfüllung betriebswirt-

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J. Brökelmann

Der Staat unterdrückt die freiberuflichtätigen, niedergelassenen Ärzte

Das jetzt in den Bundestag ein-gebrachte Gesetz „Gesundheitsreform2000“ betrifft in wesentlichen Punktendie Arbeit der Ärzte als Leistungser-bringer und berührt damit deren Rech-te. Die Leistungserbringer Ärzte teilensich in folgende Gruppen auf:

● 124 600 ambulant tätige Ärzte, davon94% freiberuflich als Vertrags- undPrivatärzte;

● 135 800 stationär tätige Ärzte, davon121 900 nicht-leitende und 13 900 lei-tende Ärzte;

● 10 500 Ärzte arbeiten in Behördenund Körperschaften (Suppl. Deut-sches Ärzteblatt 26/1999).

Im folgenden soll allein auf die Situationder niedergelassenen Ärzte und ihreGrundrechte in unserer Gesellschaft ein-gegangen werden.

Niedergelassene Ärztesind Freiberufler

An der rechtlichen Stellung der nieder-gelassenen Ärzte als Freiberufler gibt eskeinen Zweifel [1–6]. Dieser Status alsFreiberufler ist ebenfalls in der Muster-berufsordnung der deutschen Ärztefestgeschrieben, in der es in § 1 Abs. 1heißt: „Der Arzt dient der Gesundheit

des einzelnen Menschen und der Bevöl-kerung. Der ärztliche Beruf ist kein Ge-werbe. Er ist seiner Natur nach ein frei-er Beruf.“ Diese Meinung bekräftigtedas Bundesministerium für Gesunheitin einem Schreiben an den Bundesver-band für Ambulantes Operieren e.V.(BAO) vom 10.06.1996: „Es wird viel-mehr daran festgehalten, daß die ärztli-che Tätigkeit insgesamt, im besonderenaber die Tätigkeit als in eigener Praxisniedergelassener Vertragsarzt, die Aus-übung eines freien Berufes darstellt. Ei-ne Statusänderung ist nicht beabsich-tigt.“ Auch die Krankenkassen wollenan dem Status der niedergelassenenÄrzte nichts ändern; sonst hätten sieden niedergelassenen Ärzten anbietenkönnen, in einem Angestelltenverhält-nis der Krankenkassen zu arbeiten.

Der niedergelassene Arzt ist undbleibt also ein Freiberufler. Er bleibtdieses auch gegenüber den Kassenärztli-chen Vereinigungen [1].

Der niedergelassene Arzt ist kein Erfül-lungsgehilfe der KVen.

Rechte der freiberuflichtätigen Ärzte

Dieses sind die Grundrechte der Bür-ger.

Freie Berufsausübung (Artikel12 Grundgesetz [GG])

Der freiberuflich tätige Arzt führt einUnternehmen. Er steht im Wettbewerbum Patienten sowohl mit anderen nie-dergelassenen Ärzten als auch mit denKrankenkassen. Schließen sich die Kran-kenkassen zu einem Kartell zusammen,wie kürzlich in Sachen Festbetragsrege-lung vom Landgericht Düsseldorf be-scheinigt (AZ: 34 0 [Kart] 182/98 Q vom06.01.1999), verletzen sie europäischesKartellrecht sowie bei Freiberuflernden Artikel 12 GG.

Vertrags- und Koalitionsfreiheit

Den freiberuflich tätigen Ärzten stehtVertragsfreiheit zu (Artikel 9 Abs. 3 GG)auch mit den Krankenkassen. Das Rechtauf Vertragsfreiheit schließt gleichfallsein Recht auf angemessene, d.h. kosten-deckende Vergütung ein (Friauf 1997).

Therapiefreiheit

Der Arzt ist frei in der Wahl seiner The-rapie, soweit sie der Berufsordnungentspricht.