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„Politische Arbeit schützen“ Jan Stöß: Der Druck, die Täter zu fassen, muss steigen Anschläge auf Abgeordnetenbüros und politisch motivierte Sachbeschädi- gung haben deutlich zugenommen. Das ist das Ergebnis einer Anfrage des SPD-Abgeordneten Tom Schreiber. Der Großteil der Anschläge wird auf Par- tei- und Abgeordnetenbüros verübt. „Die SPD“, so ihr Landesvorsitzender Jan Stöß, „war hiervon in den letzten Jahren beson- ders betroffen. Fensterfronten werden ein- geschlagen, es wird mit Teer und Farbe ge- worfen oder rassistische Parolen auf Geh- wege gesprüht.“ Von 2013 auf 2014 haben sich die Zahlen von 16 auf 33 Übergriffe mehr als verdop- pelt. Noch schlimmer, so Stöß, sei es, dass persönliche Bedrohungen im Wohn- und Familienumfeld zugenommen haben. „Wenn in diesen Fällen kein einziger Täter aufgegriffen wurde, können wir nicht ein- fach zur Tagesordnung übergehen. Politi- sche, gesellschaftliche Arbeit verdient wirksamen Schutz vor Gewalt und Ein- schüchterung. Das gelte für jedes zivilge- sellschaftliche Engagement, etwa von Flüchtlingshelfern. Stöß: „Der Druck, die Täter zu fassen, muss steigen.“ BS auf dem Arbeitsmarkt auch den Langzeit- arbeitslosen und den Jugendlichen zu- gute.“ Im März 2014 hatte Berlin 68.186 Langzeitarbeitslose. Im März dieses Jahres sind es 4.780 weniger. Auch bei der Jugend- arbeitslosigkeit verringert sich die Zahl von März 2014 (18.185) zu März 2015 um 2.072 auf 16.113 arbeitslose Jugendliche unter 25. Mit den neuen Jugendberufsagenturen soll die Zahl weiter verringert werden. BS siehe auch S. 2 und 5 Berliner Stimme Saleh und Müller: Gemeinsames Sommerfest der Religionen? Seite 3 Sylvia-Yvonne Kaufmann: Europäischer Sozialfonds im Einsatz Seite 2 Metropolenregion: Beiträge von Jan Stöss, Ephraim Gothe, André Lossin Seite 10-13 Nr.7/8 - 65. Jahrgang 11. April 2015 In dieser Ausgabe: Gratulation für Hans Nisblé S.4 Die kunst dem Volke S. 6 Sieben Tage für die Revolution S. 14 Wieland: Geschichte aufarbeiten S. 15 Sozialdemokratische Wochenzeitung Mehr gute Jobs in Berlin Dilek Kolat: Mindestlohn ist ein Erfolg für die Menschen Arbeitsmarkt: 8. Mai: Berliner SPD putzt Stolpersteine Rund um den 8. Mai werden Mit- glieder der Berliner SPD zusammen mit vielen Anwohnerinnen, An- wohnern und Initiativen die Stol- persteine in der Stadt putzen. Der 8. Mai ist – 70 Jahre nach dem Ende der Gewaltherrschaft der National- sozialisten – auch ein Tag des Ge- denkens an die Opfer der Nazidik- tatur, des Holocaust und der Eu- thanasie. „Vielen Berliner Sozialdemokratin- nen und Sozialdemokraten ist dies sehr wichtig: die Messing-Steine vom Schmutz befreien und die Namen der Ermordeten und Verfolgten damit wie- der sichtbar machen. Sie sollen nicht vergessen werden und uns auch daran erinnern, wofür wir politisch streiten und wirken“, so SPD-Landesgeschäfts- führer Dennis Buchner. Viele Berline- rinnen und Berliner seien zwischen 1933 und 1945 vertrieben, enteignet, po- litisch verfolgt oder in den Gefängnis- sen und Hinrichtungsstätten in unse- rer Stadt ermordet worden, so Buchner. „Damals haben viele einfach weggese- hen. Die Stolpersteine erinnern an das Schicksal dieser Menschen. Dank des Bildhauers Gunter Demnig ist die Erin- nerung an sie deutschlandweit als Ge- denkprojekt verewigt.“ Wer sich betei- ligen möchte, kann in den SPD-Büros nach Treffpunkten fragen. Oder noch dunkle Stolpersteine selbst mit etwas Essig oder Metallpolitur wieder zum Glänzen bringen. BS Gute Zahlen auch im März: Die Ar- beitslosigkeit in Berlin ist weiter ge- sunken, die Zahl der Arbeitslosen liegt erneut unter der im Vergleichszeit- raum des Vorjahres. Negative Auswirkungen durch die Ein- führung des Mindestlohns sind auch in Berlin nicht zu spüren - im Gegenteil, wie Berlins Arbeitssenatorin Dilek Kolat fest- stellt: „Mit Blick auf die gemeldeten Stellen gibt es in den ersten drei Monaten keine Hinweise auf Einbrüche infolge des Min- destlohns. Der Mindestlohn ist ein Erfolg, denn die arbeitenden Menschen haben da- durch mehr Geld in der Tasche.“ Die Zahl der gemeldeten offenen Stellen lag im März um rund 1.245 über der des Vorjahrs. „Erfreulich ist auch, dass es sich bei den gemeldeten Arbeitsstellen mit stei- gender Tendenz um sozialversicherungs- pflichtige Beschäftigung handelt“, erklärte die Arbeitssenatorin. „Im März 2015 waren 92,8 Prozent der zu vermittelnden Stellen sozialversicherungspflichtige Angebote, im Vorjahresmonat waren es noch 91,6 Pro- zent.“ Nach wie vor komme die Dynamik Kann sich über gute Zahlen auf dem Arbeitsmarkt freuen: Arbeitssenatorin Dilek Kolat. Foto: Horb Stolperstein-Reihe in der Pariser Straße: Jeder Stein verweist auf ein persönliches Schicksal. Foto: Horb

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„Politische Arbeit schützen“ Jan Stöß: Der Druck, die Täter zu fassen, muss steigen

Anschläge auf Abgeordnetenbürosund politisch motivierte Sachbeschädi-gung haben deutlich zugenommen.Das ist das Ergebnis einer Anfrage desSPD-Abgeordneten Tom Schreiber.

Der Großteil der Anschläge wird auf Par-tei- und Abgeordnetenbüros verübt. „DieSPD“, so ihr Landesvorsitzender Jan Stöß,„war hiervon in den letzten Jahren beson-ders betroffen. Fensterfronten werden ein-geschlagen, es wird mit Teer und Farbe ge-worfen oder rassistische Parolen auf Geh-wege gesprüht.“

Von 2013 auf 2014 haben sich die Zahlenvon 16 auf 33 Übergriffe mehr als verdop-pelt. Noch schlimmer, so Stöß, sei es, dasspersönliche Bedrohungen im Wohn- und

Familienumfeld zugenommen haben.„Wenn in diesen Fällen kein einziger Täteraufgegriffen wurde, können wir nicht ein-

fach zur Tagesordnung übergehen. Politi-sche, gesellschaftliche Arbeit verdientwirksamen Schutz vor Gewalt und Ein-schüchterung. Das gelte für jedes zivilge-sellschaftliche Engagement, etwa vonFlüchtlingshelfern. Stöß: „Der Druck, dieTäter zu fassen, muss steigen.“ BS ❏

auf dem Arbeitsmarkt auch den Langzeit-arbeitslosen und den Jugendlichen zu-gute.“ Im März 2014 hatte Berlin 68.186Langzeitarbeitslose. Im März dieses Jahressind es 4.780 weniger. Auch bei der Jugend-arbeitslosigkeit verringert sich die Zahl vonMärz 2014 (18.185) zu März 2015 um 2.072auf 16.113 arbeitslose Jugendliche unter 25.Mit den neuen Jugendberufsagenturen solldie Zahl weiter verringert werden. BS ❏

siehe auch S. 2 und 5

Berliner StimmeSaleh und Müller:Gemeinsames Sommerfestder Religionen? SSeeiittee 33

Sylvia-Yvonne Kaufmann:Europäischer Sozialfonds imEinsatz SSeeiittee 22

Metropolenregion: Beiträgevon Jan Stöss, EphraimGothe, André Lossin SSeeiittee 1100--1133

Nr.7/8 - 65. Jahrgang 11. April 2015

In dieser Ausgabe:Gratulation für Hans Nisblé S.4Die kunst dem Volke S. 6Sieben Tage für die Revolution S. 14Wieland: Geschichte aufarbeiten S. 15

Sozialdemokratische Wochenzeitung

Mehr gute Jobs in BerlinDilek Kolat: Mindestlohn ist ein Erfolg für die Menschen

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8. Mai: Berliner SPDputzt Stolpersteine

Rund um den 8. Mai werden Mit-glieder der Berliner SPD zusammenmit vielen Anwohnerinnen, An-wohnern und Initiativen die Stol-persteine in der Stadt putzen. Der 8.Mai ist – 70 Jahre nach dem Endeder Gewaltherrschaft der National-sozialisten – auch ein Tag des Ge-denkens an die Opfer der Nazidik-tatur, des Holocaust und der Eu-thanasie.

„Vielen Berliner Sozialdemokratin-nen und Sozialdemokraten ist dies sehrwichtig: die Messing-Steine vomSchmutz befreien und die Namen derErmordeten und Verfolgten damit wie-der sichtbar machen. Sie sollen nichtvergessen werden und uns auch daranerinnern, wofür wir politisch streitenund wirken“, so SPD-Landesgeschäfts-führer Dennis Buchner. Viele Berline-rinnen und Berliner seien zwischen1933 und 1945 vertrieben, enteignet, po-litisch verfolgt oder in den Gefängnis-sen und Hinrichtungsstätten in unse-rer Stadt ermordet worden, so Buchner.„Damals haben viele einfach weggese-hen. Die Stolpersteine erinnern an dasSchicksal dieser Menschen. Dank desBildhauers Gunter Demnig ist die Erin-nerung an sie deutschlandweit als Ge-denkprojekt verewigt.“ Wer sich betei-ligen möchte, kann in den SPD-Bürosnach Treffpunkten fragen. Oder nochdunkle Stolpersteine selbst mit etwasEssig oder Metallpolitur wieder zumGlänzen bringen. BS ❏

Gute Zahlen auch im März: Die Ar-beitslosigkeit in Berlin ist weiter ge-sunken, die Zahl der Arbeitslosen liegterneut unter der im Vergleichszeit-raum des Vorjahres.

Negative Auswirkungen durch die Ein-führung des Mindestlohns sind auch inBerlin nicht zu spüren - im Gegenteil, wieBerlins Arbeitssenatorin Dilek Kolat fest-stellt: „Mit Blick auf die gemeldeten Stellengibt es in den ersten drei Monaten keineHinweise auf Einbrüche infolge des Min-destlohns. Der Mindestlohn ist ein Erfolg,denn die arbeitenden Menschen haben da-durch mehr Geld in der Tasche.“

Die Zahl der gemeldeten offenen Stellenlag im März um rund 1.245 über der desVorjahrs. „Erfreulich ist auch, dass es sichbei den gemeldeten Arbeitsstellen mit stei-gender Tendenz um sozialversicherungs-pflichtige Beschäftigung handelt“, erklärtedie Arbeitssenatorin. „Im März 2015 waren92,8 Prozent der zu vermittelnden Stellensozialversicherungspflichtige Angebote,im Vorjahresmonat waren es noch 91,6 Pro-zent.“ Nach wie vor komme die Dynamik

Kann sich über gute Zahlen auf dem Arbeitsmarktfreuen: Arbeitssenatorin Dilek Kolat. Foto: Horb

Stolperstein-Reihe in der Pariser Straße: JederStein verweist auf ein persönliches Schicksal.

Foto: Horb

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nun mit Mitteln aus dem Globalisierungs-fonds unterstützt.

Europäischer Globalisierungsfondshilft im konkreten Einzelfall. Die EU hatden Europäischen Globalisierungsfonds imJahr 2007 geschaffen. Er soll in konkretenFällen, in denen eine große Anzahl von Ar-beitnehmerinnen und Arbeitnehmerndurch die Schließung eines Standortesihren Arbeitsplatz verloren haben, einemaßgeschneiderte Unterstützung für die-se beim Wiedereinstieg ins Arbeitslebenleisten. Mit einem maximalen Budget von150 Millionen Euro pro Jahr können mitMitteln aus diesem Fonds bis zu 60 Prozentder Kosten für Projekte unterstützt werden,die entlassenen Beschäftigten helfen, eineneue Arbeit zu finden, eine Weiterbildungdurchzuführen oder sich selbständig zumachen. Seit der Einführung wurden mehrals 100.000 Beschäftigte, die ihren Arbeits-platz verloren haben, mit Mitteln aus demFonds unterstützt. Das ist richtig und wich-tig, denn der Globalisierungsfonds ist Aus-druck gelebter Solidarität.

Europäischer Sozialfonds investiert inZukunftsfähigkeit europäischer Arbeits-

Berliner StimmeHHeerraauussggeebbeerr:: SPD Landesverband BerlinVVeerrllaagg:: wegewerk GmbH, Saarbrücker Str.24, Haus A, D 10405 BerlinRReeddaakkttiioonn:: Ulrich Horb (V.i.S.d.P.), Tel.: 030-4692 150, Fax: 030-4692 240, E-Mail: [email protected], Post: Müllerstr. 163,13353 BerlinAAbboo--SSeerrvviiccee:: Jürgen Thomas, Tel.: 2130 870,E-Mail: [email protected] Abonnementspreis: 28 Euro pro Jahr (beiZustellung per E-Mail), 35 Euro pro Jahr(bei Zustellung per Post) DDrruucckkeerreeii:: KORRekt Mailingservice Berlin

Seite 2 - Berliner Stimme Politik aktuell 11. April 2015

P olitik persönlich

SSyyllvviiaa--YYvvoonnnnee KKaauuffmmaannnn::

Sylvia-Yvonne Kaufmann ist Berliner Europa-abgeordnete. Foto: Europäisches Parlament

Europäischer Sozialfonds in der PraxisEU zeigt Solidarität mit entlassenen Beschäftigten aus Brandenburg

In unserer globalisierten Wirtschaftverändert sich das Welthandelsgefügerasant. Unternehmen verlagern Pro-duktionsstätten und damit Arbeits-plätze ins Ausland, häufig vor allemum Lohnkosten zu sparen. Die weltwei-te Konkurrenzsituation kann auch da-zu führen, dass Unternehmen ganz vonder Pleite bedroht sind. Beides hat gra-vierende Folgen für die Beschäftigtenund ihre Familien: Der Verlust des Ar-beitsplatzes ist eine persönliche Tragö-die, in strukturschwachen Gebieten lei-det eine ganze Region unter derSchließung eines Standorts.

Grünes Licht für die Unterstützung vonentlassenen brandenburgischen Beschäf-tigten. Während der letzten Plenarwochein Straßburg haben wir Europaparlamen-tarier nun Mittel in Höhe von 1,1 MillionenEuro aus dem „Europäischen Fonds für dieAnpassung an die Globalisierung“, auchEuropäischer Globalisierungsfonds ge-nannt, freigegeben, um ehemalige Be-schäftigte des brandenburgischen Solar-modulherstellers Aleo Solar AG beim Wie-dereinstieg ins Arbeitsleben zu unterstüt-zen.

Brandenburger Unternehmen unterglobalem Wettbewerbsdruck. Die Aleo So-lar AG aus Prenzlau konnte letztendlichdem Preisdruck aus China nicht mehrstandhalten. Der chinesische Anteil amweltweiten Umsatz mit Solarmodulen istmittlerweile auf mehr als 45 Prozent ge-stiegen, die Preise für Solarmodule sind al-lein von 2010 auf 2011 um 40 Prozentzurückgegangen. Damit lagen sie zuletztunter den Produktionskosten der Aleo SolarAG, der bisherige Betrieb konnte nichtmehr aufrecht erhalten werden. Circa 150ehemals Beschäftigte wurden vom Nach-folgeunternehmen eingestellt, knapp 450verloren dagegen ihren Job und werden

Ben Wagin, Künstler, Galerist und Um-weltaktivist hat zu seinem 85. Geburtstagauch Glückwünsche des Regierenden Bür-germeisters Michael Müller erhalten. Mül-ler: „Diese Stadt sähe ohne ihn und seinnachhaltiges Engagement anders aus: oh-ne seine Baumpflanzungen, ohne seineDenkmale, ohne seine Interventionen. Wirbrauchen Menschen wie ihn, die Politik,Natur und Kunst zusammendenken unddie niemals müde werden, sich einzumi-schen, Stellung zu beziehen und manch-mal auch unbequem zu sein.“ BS ❏

plätze. Neben dieser konkreten Hilfe in Fäl-len, in denen die Arbeitsplätze leider schonverloren gegangen sind, muss es eine unse-rer Hauptaufgaben sein, Arbeitsplätze inEuropa langfristig zu sichern. Ein wichtigesInstrument hierfür sind die Mittel aus denEU-Strukturfonds, insbesondere aus demEuropäischen Sozialfonds (ESF). Die EU un-terstützt mit ESF-Mitteln von circa 10 Milli-arden Euro pro Jahr Projekte, die die Be-schäftigungsaussichten von Millionen Eu-ropäern verbessern. So werden beispiels-weise niedrig qualifizierten Arbeitssu-chenden Schulungen angeboten, Jugendli-che beim Übergang von Schule zum Berufunterstützt, die berufliche Weiterbildunggefördert oder auch Existenzgründerinnenund Existenzgründern beim Schritt in dieSelbständigkeit beraten. All diese Maßnah-men dienen der nachhaltigen Förderungvon Beschäftigung in Europa und spielenvor allem in der derzeitigen Krise einewichtige Rolle, um den Anstieg von sozia-ler Ungleichheit und Armut in Europabekämpfen zu helfen.

Sylvia-Yvonne Kaufmann ❏

In seiner jüngsten Konjunkturprog-nose hat das Institut für Makroökono-mie und Konjunkturforschung (IMK)der Hans-Böckler-Stiftung seine Er-wartungen für die Arbeitsmarktent-wicklung noch einmal etwas angeho-ben - so wie viele andere Wirtschafts-forscher derzeit auch.

Der günstige Trend liefere starke Indizi-en dafür, dass die Einführung des allge-meinen gesetzlichen Mindestlohns bis-lang keine messbaren Auswirkungen auf

die gesamtwirtschaftliche Beschäftigunghatte, betont Prof. Dr. Gustav A. Horn, derwissenschaftliche Direktor des IMK: „Vonden Horrorszenarien, die einzelne im Vor-feld heraufbeschworen haben, ist in derRealität nichts zu entdecken. Das über-rascht auch nicht, weil der deutsche Min-destlohn im europäischen Vergleich mode-rat ausfällt und vorsichtig eingeführt wur-de.“ Probleme bereiten aus Sicht der Böck-ler-Stiftung nur die Firmen, die versuchen,den Mindestlohn zu umgehen. BS ❏

Mindestlohn ohne ProblemeKonjunkturprognosen zeigen Aufwärtstrend

Page 3: Seite 2 Seite 3 Berliner Stimme - Startseite – SPD Berlin · 11. April 2015 Berlin Aktuell Berliner Stimme- Seite 3 Besuch in der Synagoge am Fraenkelufer in Kreuzberg: Nina Peretz

11. April 2015 Berlin Aktuell Berliner Stimme - Seite 3

Besuch in der Synagoge am Fraenkelufer inKreuzberg: Nina Peretz vom Verein „Freunde desFraenkelufers“, Raed Saleh, Michael Müller,Gideon Joffe, Vors. der jüd. Gemeinde Berlin.

Foto: Chris Landmann

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Müller begrüßtBerufung MacGregors

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Sommerfest der Religionen?Saleh und Müller besuchten Synagoge und Moschee

einige Jahre Zeit, bis er verhandelt und ab-geschlossen ist. Daher werde er voraus-sichtlich in der nächsten LegislaturperiodeRealität. Raed Saleh wirbt für eine „Mo-scheesteuer“ nach dem Vorbild der Kir-chensteuer. Sie würde die muslimischenVerbände unabhängiger von ausländi-schen Geldgebern machen - und so eineneuropäisch geprägten deutschen Islamstärken. Er plädiert auch für eine Ausbil-dung von Imamen in Deutschland, weil siedie deutsche Kultur und Gesellschaft bes-ser verstehen.

Den Weg zu einer „Moscheesteuer“ kön-nen die muslimischen Gemeinden selbstgehen: Religionsgemeinschaften könnensich als Körperschaften des öffentlichenRechtes anerkennen lassen, wenn sie be-stimmte Bedingungen erfüllen. Danachkönnen sie selbst Steuern erheben. Diegroßen Kirchen lassen ihre Steuern von Fi-nanzämtern gegen eine Verwaltungsge-bühr einziehen. Andere Religionsgemein-schaften ziehen ihre Steuern selbst ein.

Ein Fest der Religionen

In beiden Gotteshäusern machte derSPD-Fraktionsvorsitzende Saleh den Vor-schlag, dass alle Berliner Religionen ein ge-meinsames Sommerfest ausrichten könn-ten, vielleicht am Alexanderplatz oder amBrandenburger Tor. Es würde Touristenund Berliner gleichermaßen anziehen.Spontan machte Pinar Cetin vom BerlinerIntegrationsbeirat einen Vorschlag, werSchirmherr eines solchen Festes sein könn-te: der Regierende Bürgermeister MichaelMüller. ff ❏

Anlässlich der Woche gegen Rassis-mus besuchten der Regierende Bürger-meister Michael Müller und der SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh die Sy-nagoge am Fraenkelufer in Kreuzbergund im Anschluss die Neuköllner Cehit-lik-Moschee. Den beiden SPD-Politikernging es bei ihrem Besuch darum, eindeutliches Zeichen für Toleranz zu set-zen. „Berlin ist eine durch Offenheitund Toleranz bestimmte Metropole, inder Menschen aus aller Welt friedlichzusammenleben. Wir müssen gerade indiesen Tagen Gesicht zeigen gegen jedeForm rassistischer, antisemitischer undfremdenfeindlicher Gewalt und denDialog miteinander suchen“, sagte derRegierende Bürgermeister.

Die Synagoge am Fraenkelufer passteschon mit Blick auf ihre Geschichte zumAnlass des Besuchs. Von dem Bau aus demJahr 1916 ist noch ein Nebenraum, diefrühere Jugendsynagoge erhalten, denn siewurde bereits in der Pogromnacht in Brandgesetzt und später bei einem Luftangriffweiter zerstört. Heute wird das Gemeinde-leben jeden Tag interessanter. Menschenaus aller Welt, darunter viele Israelis, nut-zen den Bau heute.

Berlin als Heimat

Eine lebendige Jugendarbeit und derAustausch mit den anderen Religionen be-eindruckten Müller und Saleh. „Was gibt esfür ein schöneres Kompliment für Berlin,als wenn es Juden aus aller Welt hier hin-zieht. Berlin ist nicht nur eure Heimat, son-dern sollte auch die Heimat eurer Kinderund Enkel sein“, sagte Raed Saleh. Kontaktehält die jüdische Gemeinde auch mit der?ehitlik-Moschee, die die beiden Politikerim Anschluss besuchten.

Auch sie ist mit der Geschichte Berlinseng verbunden und geht auf den Türki-schen Friedhof zurück, der schon 1866 angleicher Stelle angelegt worden war. Imneu eröffneten Gemeindehaus besuchtenMüller und Saleh eine Ausstellung über diepreußisch-osmanischen Beziehungen.

Müller für Staatsvertragmit Muslimen - Saleh wirbtfür „Moscheesteuer“

Der Regierende Bürgermeister befürwor-tete erneut einen Staatsvertrag des LandesBerlin mit den muslimischen Verbänden,so wie ihn die christlichen Kirchen und diejüdische Gemeinde schon heute haben. Einsolcher Vertrag brauche erfahrungsgemäß

Berlins Regierender BürgermeisterMichael Müller hat die Berufung desBriten Neil MacGregor zum Leiter derGründungsintendanz des Humboldt-Forums begrüßt. Der Bau habe längstGestalt angenommen, nun habe dasHumboldt-Forum auch ein Gesicht,sagte Müller.

„Mit dem international renommiertenMuseumsexperten Neil MacGregor ge-winnt die deutsche Hauptstadt eine hoch-kompetente und kreative Persönlichkeitfür die Gestaltung ihres zentralen Kultur-projekts Humboldt-Forum. Zusammen mitHorst Bredekamp und Hermann Parzingerwird die Gründungsintendanz unter Lei-tung des bisherigen Direktors des angese-henen British Museum diesem Haus imHerzen unserer Stadt den Weg weisen“,sagte Müller. Er freue sich auf die Zusam-menarbeit mit der Gründungsintendanzund auf den Diskussionsprozess: „Ich binsicher, dass Neil MacGregor diesen Prozessmit seinem persönlichen Input bereichernwird. Spannende Debatten und ein kreati-ver Prozess zur Ausgestaltung des Hum-boldt-Forums stehen uns also bevor.“ PM ❏

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DGB-Gedenken inSachsenhausen

Der DGB Berlin-Brandenburg erin-nert mit einer Gedenkveranstaltung fürverfolgte Gewerkschafter am 19. Aprilan den 70. Jahrestag der Befreiung derHäftlinge des KZ Sachsenhausen.

Am 2. Mai 1933, vor 82 Jahren, haben dieNazis mit der Erstürmung der Gewerk-schaftshäuser die legitime Vertretung derdeutschen Arbeitnehmerschaft brutal zer-schlagen. Sie haben Gewerkschaftsfunk-tionäre eingekerkert, gefoltert und ermor-det.

Der DGB will mit der Veranstaltung auchder 60 Millionen Kriegstoten, der übersechs Millionen ermordeten Juden und derzahlreichen weiteren Opfer, die in den Kon-zentrationslagern endeten, gedenken. ImAngesicht und Gedenken dieses Terrorskönnten es die Gewerkschaften nicht hin-nehmen, dass alte und neue Nazis die Ge-werkschaften und die ganze demokrati-sche Öffentlichkeit mit eigenen Aufmär-schen und Kundgebungen provozieren unddie Opfer des NS-Regimes verhöhnen,heißt es in einer Erklärung. PM ❏

➟➟ 19.04.2015, 14:30 Uhr in der Gedenk-stätte und Museum Sachsenhausen, Straßeder Nationen 22, 16515 Oranienburg, am Ge-denkstein für die Gewerkschafter/innen

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Seite 4 - Berliner Stimme Berlin Aktuell 11. April 2015

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„Eine soziale Institution“Empfang der Arbeiterwohlfahrt für Hans Nisblé - Marie-Juchacz-Plakette verliehen

„Wir sind hier zusammen gekom-men, um etwas Ehrwürdiges zu bege-hen. 70 Jahre Hans Nisblé. Eine Institu-tion - und zwar eine soziale Instituti-on.“ So würdigte Berlins früherer Re-gierender Bürgermeister Klaus Wowe-reit den AWO-Landesvorsitzenden, zudessen Ehren Ende März ein Geburts-tagsempfang stattfand, an dem auchder Regierende Bürgermeister MichaelMüller und der SPD-LandesvorsitzendeJan Stöß teilnahmen.

Hans Nisblé sei jemand, der über die vie-len Jahrzehnte seines Schaffens bodenstän-dig geblieben sei, bescheinigte ihm KlausWowereit. SPD und Arbeiterwohlfahrt, bei-des Organisationen, in denen Hans Nisbléseit den sechziger Jahren zu Hause ist, hät-ten eines mit ihm gemeinsam: ihre Pro-grammatik. „Diese Programmatik hast dufür dich selber auch immer zum Maßstabdeines politischen und sozialen Engage-ments gemacht. Die soziale Gerechtigkeit.Das war für dich das Leitmotiv“, so KlausWowereit. „Der soziale Aufstieg, den wir alsSozialdemokratinnen und Sozialdemokra-ten und selbstverständlich als Freundinnenund Freunde der Arbeiterwohlfahrt immerauf unsere Fahnen schreiben - du hast ihngemacht - aber es war nicht selbstverständ-lich.“

Als Kreisgeschäftsführer der SPD, als Ab-geordneter, Sozialstadtrat und schließlichals Bürgermeister war Hans Nisblé demWedding verbunden. „Die Sozialdemokratiewar im Wedding immer, nicht nur aus tra-

Der frühere Regierende Bürgermeister KlausWowereit dankte dem langjährigen AWO-Landesvorsitzenden Hans Nisblé für sein sozialesEngagement. Fotos: Axel Sommer/AWO

Hans Nisblé erhielt von AWO-Präsident WilhelmSchmidt und dem Vorstandsvorsitzenden desBundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt,Wolfgang Stadler die Marie-Juchacz-Plakette.

ditionellen Gründen, sondern ganz be-wusst eine sehr pragmatische Organisati-on, die daran geglaubt hat, dass den Men-schen direkt geholfen werden kann“, erin-nerte Klaus Wowereit. „Und das war deinAnsinnen, etwas zu tun, damit soziale Ge-rechtigkeit eben nicht nur auf dem pro-grammatischen Papier steht, sondern dasses sich in der Praxis umsetzt.“

Hans Nisblé habe sich für die Menscheneingesetzt, die Hilfe brauchten. Seine Ar-beit und die der SPD habe ihre soziale Si-tuation verbessert. Klaus Wowereit: „Ne-ben allen Orden und Auszeichnungen, diedu in deinem bisherigen Lebensweg reich-lich erhalten hast, ist es oft auch der einfa-che Dank von Mensch, denen du heutenochmal begegnest und die dir sagen: Sie

waren ein toller Vertreter im Bezirksamt.Sie haben etwas für uns, für mich getan.Ich glaube dieser Dank und dieses Lob istviel mehr Wert als alles andere.“

„Wenn man etwas für die Arbeiterwohl-fahrt geleistet hat, dann hat man auch et-was für die Menschen gemacht, in dieserStadt und weit darüber hinaus. Wir sind dirsehr dankbar“, sagte der Präsident der Ar-beiterwohlfahrt Wilhelm Schmidt. Er dank-te Hans Nisblé „ganz offiziell“ mit der Ver-leihung der Marie-Juchacz-Plakette für„das Unglaubliche“, das Hans Nisblé für dieArbeiterwohlfahrt eingebracht habe. DieMarie-Juchacz-Plakette wird seit 1969 alshöchste Auszeichnung der AWO vom Präsi-dium der Arbeiterwohlfahrt verliehen.

BS ❏

Die Sympathiewerte für Berlins neu-en Regierenden Bürgermeister Micha-el Müller sind auch im neuesten Ber-lin-Trend von RBB und Berliner Mor-genpost auf einem Rekordstand.

52 Prozent der Berlinerinnen und Berli-ner sind zufrieden mit den ersten drei Mo-naten von Müllers Amtszeit, nur elf Pro-zent zeigen sich unzufrieden. Drei Viertelder SPD-Wähler stehen hinter MichaelMüller und selbst bei den CDU-WählerIn-nen liegt die Zustimmung bei 62 Prozent.

In der aktuellen Infratest-dimap-Umfra-ge erreicht die SPD in Berlin bei leichtemZugewinn 28 Prozent und bleibt damit vorder CDU (26 Prozent), Grünen (18 Prozent),Linken (14 Prozent) und AfD (5 Prozent)stärkste Kraft. Die Piraten bleiben unter 5Prozent. BS ❏

Flüchtlinge sollen sich in Lichten-berg willkommen fühlen. Das will dieSPD-Fraktion mit einer Reihe von An-trägen unterstützen, die am 24. Aprilauf der BVV-Tagesordnung stehen.

So setzt sich die SPD-Fraktion für dieVeröffentlichung eines Spendenmeldersein. Dieser soll Auskunft darüber geben,wo welche Sachspenden benötigt werden.Außerdem soll über die Möglichkeit vonBeitragspatenschaften informiert werden.

In einer weiteren Initiative fordert dieFraktion, dass Flüchtlinge Zugang zu kultu-rellen Angeboten erhalten. Um beispiels-weise Arztbesuche oder Behördengänge zutätigen, sollen notwendige Fahrtkostenübernommen werden. In zwei weiterenAnträgen geht es um eine bessere gesund-heitliche Versorgung von Flüchtlinge. BS ❏

Die geplanten Bettenstreichungenan der Charité sind angesichts desWachstums der Stadt vom Tisch.

Die Gesamtzahl der voll- und teilsta-tionären Betten an den drei StandortenMitte, Wedding und Steglitz wurde auf3.016 (bisher 3.011) festgelegt, inklusive 15tagesklinischen Plätzen für das Behand-lungszentrum für Folteropfer in Moabit.Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres:„Die erfolgte Einigung zu den Bettenkapa-zitäten schafft die Voraussetzung dafür,dass die Charité auch künftig einen adä-quaten Beitrag für eine qualitativ hochwer-tige medizinische Versorgung der Bevölke-rung leisten und ihren seit einigen Jahreneingeleiteten Weg der wirtschaftlichenKonsolidierung erfolgreich fortsetzenkann.“ BS ❏

Kein Bettenabbau ander Charité

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SPD-Fraktion sorgt fürWillkommenskultur

Michael Müller ist ambeliebtesten

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11. April 2015 Berlin Berliner Stimme - Seite 5

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Kein Abschluss ohne AnschlussFranziska Becker: Intelligente Lösung für den Übergang Schule - Beruf

Endlich steht es fest: Berlin erhältnoch in diesem Jahr eine Jugendberufs-agentur. Die rot-schwarze Koalitionhatte dem Senat einen parlamentari-schen Auftrag erteilt. Er hat die Ein-richtung der Jugendberufsagentur Ber-lin (JBA) am 17. März 2015 beschlossen.

Trotz der guten wirtschaftlichen Ent-wicklung braucht Berlin einen wirksame-ren Weg, um die immer noch zu hohe Ju-gendarbeitslosigkeit von aktuell 10,3 Pro-zent zu reduzieren. Die JBA Berlin ist ein in-telligenter Lösungsansatz, um unter-schiedlich tickende Teilsysteme mit indivi-duellen Zielen und Leistungen besser inEinklang zu bringen. Sie setzt am Über-gang Schule-Beruf an, um mehr jungenBerlinerinnen und Berlinern zu einem er-folgreichen Start in das Berufsleben zu ver-helfen. Die Übergänge von der Schule in dieAusbildung, die Arbeit oder das Studiumsollen im Sinne von „Kein Abschluss ohneAnschluss“ besser ermöglicht werden.

Die ersten vier Jugendberufsagenturenstarten ab dem Spätsommer in Spandau,Tempelhof-Schöneberg, Friedrichshain-Kreuzberg und Marzahn-Hellersdorf. BisEnde 2016 soll jeder Bezirk eine regionaleAnlaufstelle umsetzen und eigene gutfunktionierende Strukturen zu einem Ar-beitsbündnis zusammenführen, die gut er-reichbar und zentral gelegen sind. Die aufder Landesebene vereinbarten Mindest-standards gelten als Maßstab und sind ein-zuhalten.

Aus dem Landeshaushalt werden die Be-zirke mit 300.000,- Euro und weiteren per-sonellen Hilfen umfangreich unterstützt.

Die Regionaldirektion Berlin-Brandenburgsetzt rund 500 Mitarbeitende ein.

Berlinerinnen und Berliner zwischen 15und 25 Jahren werden in der JBA Berlin be-ruflich beraten, betreut, in Ausbildung oderArbeit vermittelt und können auf die Lei-stungen der Jugendhilfe nach Bedarfzurückgreifen. Der möglicherweise kom-plexen Problemlage einzelner Jugendlicherwird das ebenso komplexe Unterstüt-zungssystem „unter einem Dach“ und „auseiner Hand“ zur Seite gestellt.

Durch die JBA Berlin sollen die schuli-schen Angebote der Berufs- und Studien-orientierung besser verzahnt, sollen mehrSchul-, Ausbildungs- und Studienabschlüs-se gelingen, soll mehr Licht in den „Maß-nahmendschungel“ gebracht werden unddie Wartezeit im Übergangssystem ver-kürzt und alles in allem mehr zu einer „si-

Franziska Becker, MdA Wilmersdorf, ist Mitgliedim Hauptausschuss und Beauftragte fürBerufliche Bildung der SPD-Fraktion im Abgeord-netenhaus von Berlin. Foto: Dietmar Wadewitz

cheren Landung“ in Ausbildung oder Ar-beit führen.

Konzeptionell ist die JBA Berlin ein Ar-beitsbündnis zwischen der Bildungs- undArbeitsverwaltung, der RegionaldirektionBerlin-Brandenburg der Bundesagentur fürArbeit, den Bezirken und nicht zuletzt derWirtschafts- und Sozialpartner. Die Zieleund Qualitätsstandards der JBA Berlinwurden nach einem zehnmonatigen Ver-handlungsmarathon in einer landesweitenKooperationsvereinbarung fixiert.

Es entsteht keine neue Behörde, keineneue Verwaltungsstruktur. VorhandeneMittel sollen systematischer als bisher ko-ordiniert sowie effizienter und effektivereingesetzt werden. Alle Kooperierendenbleiben für ihre Personal-, Sach- und Fi-nanzmittel jeweils eigenverantwortlich.

In der Konsequenz stellt die JBA Berlinnicht nur einen innovativen Ansatz gegenJugendarbeitslosigkeit und für mehr Chan-cengleichheit dar, sondern spiegelt ein ge-nerelles Umdenken in der Politik wider:Komplexe Politikziele können nur in ge-meinsamer Verantwortung und system-übergreifend erreicht werden. Der jungeMensch steht stets im Mittelpunkt (undnicht die Maßnahme).

Die JBA Berlin ist eine sozialdemokrati-sche Initiative, die zuerst in Hamburg erfol-greich umgesetzt wurde. Wir übernehmenmit der JBA Berlin Verantwortung und er-möglichen mehr Aufstiege durch Bildungund mehr Chancengleichheit für jungeBerlinerinnen und Berliner in der wach-senden Stadt. Franziska Becker ❏

Kontakt: www.becker2011.de

Die im Abgeordnetenhaus vertrete-nen Parteien haben einen besserenSchutz der Privatanschriften von Kan-didaten und Politikern beschlossen.Anlass waren Übergriffe auf demokra-tisch gewählte Abgeordnete wie denstellvertretenden Juso-Vorsitzendenund Bezirksverordneten in Treptowoder Schmierereien und Angriffe aufWohnungen von Abgeordneten. Zu-letzt demonstrierte die rechtsgerichte-te Bürgerbewegung in Hellersdorf vordem Wohnhaus der Bundestagsvize-präsidentin Petra Pau und versetzteAnwohner in Angst und Schrecken.

Nach der bisherigen Rechtslage waren-Kandidaten für das Abgeordnetenhaus

und die Bezirksverordnetenversammlungverpflichtet, ihre Privatanschrift an dieLandeswahlleiterin zu melden. Diese er-scheint z.B. auf Wahlzetteln, wird aberauch auf Wählerlisten veröffentlicht. Künf-tig sind Kandidaten nicht mehr verpflich-tet, ihre Wohnanschrift anzugeben, ausrei-chend ist dann eine Erreichbarkeitsan-schrift. Dies kann z.B. das örtliche Par-teibüro, das eigene Wahlkreisbüro, aberauch die Privatanschrift sein. Auf demWahlzettel wird künftig nicht mehr dieWohnanschrift, sondern nur noch die Post-leitzahl der Wohnanschrift veröffentlich.Der Senat wurde aufgefordert, die Landes-wahlordnung entsprechend zu ändern.

Der rechtspolitische Sprecher der SPD-

Fraktion Sven Kohlmeier, der den Antragmit den Fraktionen verhandelt hat: „Es gibtkeine absolute Sicherheit für Kandidatenund Politiker. Mit der Änderung steigt aberdie Hürde, die Privatanschrift herauszube-kommen. Wir wollen nicht, dass Politikerund deren Familien durch die Veröffentli-chung der Privatanschrift angegriffen undverfolgt werden, wie es mehrfach vorge-kommen ist.“ Wie die Landeswahlleiterinmitteilte, haben bei den letzten Wahlenvon 15 NPD-Kandidaten 13 als Wohnan-schrift die Parteizentrale in Köpenick ange-geben. Kohlmeier: „Dass die Kandidatendort tatsächlich wohnen, darf bezweifeltwerden. Zukünftig gelten für alle Kandida-ten die gleichen Maßstäbe.“ BS ❏

Besserer Schutz der Privatsphäre von PolitikernSven Kohlmeier: Angriffe und Demonstrationen vor Privatwohnungen sollen eingedämmt werden

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Seite 6 - Berliner Stimme Berlin Thema 11. April 2015

KKuullttuurr::

Am Anfang stand eine Zeitungsnotiz.Im Berliner Volksblatt vom 23. März1890 rief der Schriftsteller Dr. BrunoWille theaterinteressierte Arbeiterin-nen und Arbeiter auf, an der Gründungeines Vereins „Freie Volks-Bühne“ mit-zuwirken. Gegen einen Vierteljahres-beitrag von 1,50 Mark sollte der Besuchvon drei Vorstellungen möglich sein.„Läuft eine genügende Anzahl vonAdressen ein, so ist ein Unternehmengesichert, welches zur geistigen He-bung des Volkes etwas beitragenkann“, schrieb Wille.

Die Interessenten fanden sich. In gemie-teten Theaterräumen brachte der VereinAufführungen auf die Bühne, die - da essich um geschlossene Veranstaltungenhandelte - nicht der preußischen Zensurunterlagen. Aber schon bald begann eineAuseinandersetzung, die 1892 zur Spaltungführte. Während Wille auf die „geistige He-bung“ setzte, kam es Franz Mehring mehrauf die Erhebung des Volkes und ein klas-senkämpferisches Theater an. Erst 1920fanden die beiden Vereine wieder zusam-men. Bruno Willes „Neue Freie Volksbüh-ne“ pachtete 1910 erstmals ein Theater ander Köpenicker Straße, vier Jahre späterwurde mit Mitgliedsbeiträgen das Theateram heutigen Rosa-Luxemburg-Platz fertig

„Nicht am eigenen Ast sägen“Freie Szene in Berlin kämpft um Arbeitsräume und finanzielle Mittel - Mittel aus City-Tax eingefordert

Was brauchen Kulturschaffende, umgut leben und arbeiten zu können?Welche Rahmenbedingungen sind ausihrer Sicht zu schaffen? Was läuft gutund wo drückt der Schuh?

Dies waren zentrale Fragen der Diskussi-on „SPD-Bundestagsfraktion vor Ort“ imACUD, zu der Eva Högl, stellvertretendeVorsitzende der SPD-Bundestagsfraktionund zuständig für Kultur und Medien, undSiegmund Ehrmann, Vorsitzender des Kul-turausschusses im Deutschen Bundestag,eingeladen hatten. Das von JohannesBraun und Julie Gayard betriebene ACUDist eines der letzten selbstorganisiertenKulturzentren in Berlin-Mitte.

„Man sollte nicht an dem Ast sägen, aufdem man sitzt“, so die Maxime von Kultur-staatssekretär Tim Renner. Sowohl fürKünstlerinnen und Künstler als auch fürTouristinnen und Touristen ist die einzigar-tige Kultur ein Anziehungspunkt, der Ber-lin zu der prosperierenden Hauptstadtmacht, die sie gerade ist. Die attraktiven Le-

Diskussionsrunde zur sozialen Lage der Kultur mitEva Högl. Foto: Horb

unterstützt werden. Viele der anwesendenKünstlerinnen und Künstler schilderten ih-re Schwierigkeiten bei der Suche oder beimErhalt ihrer Wirk- und Werkstätten. Ange-sprochen wurden auch fehlende Freif-lächen für Graffiti-Künstler/-innen.

Insgesamt mehr Investitionen in denKulturbereich forderte Christophe Knoch,Sprecher der freien Szene. Die Förderungdürfe nicht zugunsten oder zulasten einerSparte gehen. Die Vielfalt der Szene machesie aus und dürfe nicht gefährdet werden.Gleichmäßige Förderung sei das Ziel, zumBeispiel indem die Einnahmen aus der Ci-ty-Tax wie ursprünglich geplant weitge-hend auch in die Kultur investiert werden.

Tim Renner und Brigitte Lange bekräftig-ten, dass sie sich im Rahmen der anstehen-den Haushaltsverhandlungen für den Ber-liner Doppelhaushalt 2016/2017 gemein-sam für eine starke Kulturförderung ein-setzen werden. Siegmund Ehrmann si-cherte zu, Problemen bei der Sozialversi-cherungspflicht nachzugehen. S. Jüngst ❏

KKuullttuurr::

Die Kunst dem VolkeDie Freie Volksbühne feiert ihr 125jähriges Bestehen - Ausstellung eröffnet

gestellt. Dort machte sich in den zwanzigerJahren Erwin Piscator mit seinem an-spruchsvoll politischen Theater einen Na-men.

Prof. Dr. Dietger Pforte, Vorstandsvorsit-zender der Freien Volksbühne, wies bei derAusstellungseröffnung auf die wechselvol-le Geschichte des Vereins hin. 1933 wurdedie Volksbühne dem Goebbelschen Reichs-verband Deutsche Bühne unterstellt, 1939wurde der Verein von den Nazis aufgelöst,das Vermögen fiel an den Staat. Die Neu-gründung 1947 war schon von der Teilungder Stadt geprägt, in Ost-Berlin wird derVerein 1953 aufgelöst. Wieder wird ausMitgliedsbeiträgen ein Theater gebaut,

diesmal an der Schaperstraße in West-Ber-lin, nach dem Wegfall der öffentlichen För-derung 1992 muss der Verein das Haus, dasin den sechziger Jahren erneut von ErwinPiscator erfolgreich geleitet wurde, Endeder neunziger Jahre verkaufen. Heute ist esdas Berliner Festspielhaus.

In der Nachkriegszeit setzte die FreieVolksbühne mit ihren aufklärerischen Ins-zenierungen Zeichen. Auch die Aufarbei-tung der NS-Zeit war ein wichtiges Anlie-gen. 1961 hatte der Verein 100.000 Mitglie-der, eine heute kaum vorstellbare Zahl, wieFrank-Rüdiger Berger, stellvertretenderVorsitzender der Freien Volksbühne undAusstellungsorganisator, einräumt. Aberlebendig ist der Verein geblieben. Mehr als10.000 Veranstaltungen bietet er im Jahrseinen Mitgliedern an. Verbilligt geht es inOpernhäuser, Theater, aber auch zur freienSzene. Dietger Pforte: „Die Freie Volksbüh-ne Berlin ebnet Erwachsenen, Jugendli-chen und Kindern den Zugang zu künstle-rischen Veranstaltungen. Sie wählt aus. Sieinformiert. Sie berät.“ U. Horb ❏

➟➟ Ausstellung „125 Jahre Freie Volks-bühne Berlin, Ruhrstr. 6, 10709 Berlin, bis19. September, 10 bis 18 Uhr. Führungenvon Frank-Rüdiger Berger: Montag, 20April, 18 Uhr; Dienstag, 2. Juni, 16.30 Uhr;Montag, 22. Juni, 18.30 Uhr

bensverhältnisse sind Standortvorteile fürUnternehmen, die sich hier ansiedeln undfür eine gesamtwirtschaftlich positive Ent-wicklung sorgen. Kulturförderung ist alsoein ressortübergreifendes Interesse. DieParlamentarierinnen und Parlamentarierstimmten zu: Brigitte Lange skizzierte, wel-che Fördermöglichkeiten bereits bestehen:Zum Beispiel das Atelierprogramm desBerliner Senats, mit dem rund 850 Ateliers

SPD-Kulturpolitikerin Brigitte Lange mit Frank-Rüdiger Berger in der Ausstellung. Foto: Horb

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11. April 2015 SPD-Berlin Berliner Stimme - Seite 7

AAbbtteeiilluunnggeenn::

150 gute Gespräche Die SPD Friedenau lädt regelmäßig die Nachbarschaft ein

Zum 150. Friedenauer Gespräch ka-men sie alle: Berlins Regierender Bür-germeister Michael Müller, der SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß, die Sena-torin und Kreisvorsitzende Dilek Ko-lat, Bezirksbürgermeisterin AngelikaSchöttler. Dazu Stadträte, Bezirksver-ordnete.

Seit dem Mai 2000 lädt die FriedenauerSPD in der Regel am letzten Freitag im Mo-nat Bürgerinnen und Bürger zum Ge-spräch. In den 15 Jahren haben inzwischen150 solcher Gespräche an immer wiederwechselnden Treffpunkten in Kneipen, Bi-stros und Restaurants stattgefunden, zu-letzt im Brigantino von Giovanni.

Es sind meist kommunalpolitische The-men, die angesprochen werden: Park-raumbewirtschaftung, Schulwegsiche-rung, Umgestaltung von Plätzen wie demDürerplatz oder aktuell dem BreslauerPlatz, sanierungsbedürftige Toilettenanla-gen in Schulen. Immer stehen dazu kom-petente GesprächspartnerInnen zur Verfü-gung, Abgeordnete oder Bezirksverordne-te.

Margot Przesang, Organisatorin der Ver-anstaltungsreihe, kündigt die FriedenauerGespräche regelmäßig auf Haustür-Plaka-

ten in der Nachbarschaft an. Für sie undihren Mann Norbert, der am Abend des150. Friedenauer Gesprächs gleich seinenGeburtstag mitfeierte, gab es viel Dankund Anerkennung. „Die Friedenauer Ge-spräche dienen dazu, Kritik, Vorschlägeund Anregungen frühzeitig aufzugreifenund wenn möglich umzusetzen“, sagt Mar-got Przesang. Nicht zuletzt seien die Ge-spräche aber auch innerparteilich einegute Möglichkeit, außerhalb der struktu-rierten Veranstaltungen miteinander insGespräch zu kommen. PM ❏

Die SPD-Kreisvorsitzende Dilek Kolat bedankt sichbei der Organisatorin der „Friedenauer Gespräche“Margot Przesang (2.v.r.). Foto: Horb

Fraktion Intern

Veranstaltung zum Bäderkonzept. Inder Reihe Fraktion vor Ort haben wir am 9.April zur Veranstaltung „Das Bäderkonzept2025 - Ein neues Multifunktionsbad fürPankow“ eingeladen. Im Betsaal des Ehe-maligen Jüdischen Waisenhauses in derBerliner Straße wurde das neue Bäderkon-zept des Senats vorgestellt und gemein-sam mit Bürgerinnen und Bürgern disku-tiert, was es konkret für den Bezirk Pankowbringt. Ole Bested Hensing, Vorstandsvor-sitzender der Berliner Bäder-Betriebe; Tor-sten Schneider, Haushalts- und Finanzpoli-tischer Sprecher und ParlamentarischerGeschäftsführer der SPD-Fraktion; DennisBuchner, Sportpolitischer Sprecher derSPD-Fraktion, und Dr. Hans Misselwitz, För-derverein Schwimmhalle Pankow e.V. wa-ren Podiumsgäste.

SPD-Fraktionschef Raed Saleh hatte denStandort für das neue Schwimmbad aufseiner SIWA-Tour besucht. Aus dem Son-dervermögen Infrastruktur der wachsen-den Stadt (SIWA) fließen in den nächstenJahren über 30 Millionen Euro für ein neu-es Multifunktionsbad an der WolfshagenerStraße.

Die Standortauswahl trägt der Unterver-sorgung im einwohnerreichsten BezirkBerlins Rechnung und dem Umstand, dassder Platz für ein Kombibad vorhanden ist,die neue Schwimmhalle also das bestehen-de Sommerbad ideal ergänzt. Außerdemkönnen in derselben Schwimmhalle ver-schiedene Nutzergruppen mit unter-schiedlichen Wassertiefen und Temperatu-ren versorgt werden.

Weiter- und Ausbildung von Arbeitslo-sen. Die positive Entwicklung am BerlinerArbeitsmarkt hält an und bietet Arbeitslo-sen gute Jobchancen. Die arbeitsmarktpo-litische Sprecherin der SPD-Fraktion, Bur-gunde Grosse, appellierte an die Arbeitsa-genturen und Jobcenter, die Mittel für Wei-terbildung und Ausbildung jetzt den Ar-beitslosen zugutekommen zu lassen unddas zur Priorität zu machen.

Burgunde Grosse fügt hinzu: „An die Ar-beitgeber in der Stadt richte ich meinenAppell, auch den Jugendlichen eine Chancezu geben, die nicht so gute Noten beimSchulabschluss erreicht haben. So manchezeigen erst in der Praxis, was in ihnensteckt.

Die Tatsache, dass derzeit noch 9000junge Menschen einen Ausbildungsplatzsuchen und gleichzeitig noch 7000 Ausbil-dungsplätze unbesetzt sind zeige, so Gros-se, dass sich noch einiges bewegen lässt.„Facharbeiterinnen und Facharbeiter fal-len nicht vom Himmel, sondern sie brau-chen eine Ausbildung!“ cs ❏

PPrrooggrraammmmddeebbaattttee::

Nach dem Rücktritt des langjährigenKreisvorsitzenden Alexander Götz willdie Pankower SPD noch im April überdie Nachfolge entscheiden. Götz hattesein Amt aus beruflichen Gründen zum31. März niedergelegt. Er wechselt insniedersächsische Innenministerium.

Die Pankower SPD will jetzt ein Votumihrer Mitglieder einholen. Auf drei Mitglie-derforen in Pankow, Prenzlauer Berg undWeißensee werden sich die Kandidatinnenund Kandidaten für den Kreisvorsitz vor-stellen. Im Anschluss können die Mitglie-der vor Ort ihre Stimme abgeben. Ihre Be-reitschaft zur Kandidatur haben bislang diebisherigen stellvertretenden Kreisvorsit-zenden Clara West und Knut Lambertin er-klärt. Der Abstimmungsvorgang über denKreisvorsitz wird unter der Aufsicht einesNotars stehen. Eine doppelte Stimmabgabesoll damit ausgeschlossen werden.

Entsprechend der Statuten der SPD mussdie Wahl am 17. April auf einer Kreisdele-giertenversammlung erfolgen. Sie soll dieEntscheidung der Pankower Mitgliederfo-ren bestätigen. PM ❏

Duales Studium undAusbildung

PPaannkkooww::

Entscheidung über denKreisvorsitz

Der Fachausschuss „Stadt des Wis-sens“ (Schule, Wissenschaft/Hochschu-le und Berufliche Bildung) der BerlinerSPD lädt am Mittwoch, 15. April um19.00 zu einer Diskussion über „DualesStudium und Ausbildungsgänge inBerlin - Chancen und Perspektiven“ein.

Über die „Hybridisierung von beruflicherund akademischer Bildung?“ spricht Prof.Dr. Wolter (HUB) im Eingangsreferat. Prof.Dr. Sabine Gensior referiert über „DualeStudiengänge aus der Sicht der Hochschu-len“, Prof Dr. Kramp (Vize-Präsident BeuthHochschule) über „Vom Experiment zur ge-lebten Praxis der dualen Studien“ und Dr.Krebs über „Berufsbildende Anforderungenan duale und triale Ausbildungs-/Studi-engänge“. Annika Klose (Juso HSGen Bund)greift das Thema „Zwischen beruflicherWeiterqualifikation und wissenschaftli-chem Studium“ aus. Die Veranstaltung istfachöffentlich und findet auf Einladung derAbgeordneten Franziska Becker, Ina Czybor-ra und Lars Oberg im Abgeordnetenhausvon Berlin, Raum 376, statt. PM ❏

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Seite 8 - Berliner Stimme SPD Berlin 11. April 2015

NNaacchhrruuff::

Trauer um Anneliese Neubauer Im Alter von 91 Jahren starb die Witwe von Kurt Neubauer

Nach langjähriger Krankheit ver-starb am 21. März 2015 91jährig Anne-liese Neubauer. Sie war die Tochter dessozialdemokratischen Widerstands-kämpfers Walter Riedel. Bereits 1946wurde Anneliese SPD-Mitglied undwar Kreiskassiererin im Kreis Frie-drichshain.

Ihren späteren Ehemann Kurt Neubauerkannte sie bereits aus der Schulzeit. Beidetrafen sich nach dessen Rückkehr aus derKriegsgefangenschaft im Mai 1946 wieder.Gleich darauf warb sie ihn für die SPD. DieHeirat folgte am 22. März 1947, Sohn Jürgenwurde seine SPD-Mitgliedschaft sozusagengleich mit in die Wiege gelegt.

Anneliese war untrennbar mit dem ge-samten politischen Lebenswerk von Kurtverbunden. Bis zum Mauerbau wohntensie in Ostberlin. Nicht nur die SPD Frie-drichshain, deren Vorsitzender Kurt war,wurde von der Stasi überwacht, auch pri-vat wurde die Familie intensiv ausgespäht.Besonders für Anneliese war das eine sor-genvolle Zeit.

Trotz ihrer Krankheit nahm Anneliesestets interessiert am politischen Gesche-hen in Berlin und in ihrer SPD teil, der sie69 Jahre die Treue hielt. Treu blieb sieebenso ihren langjährigen Freunden undpolitischen Weggefährten verbunden.

Erika „Linda“ Christian ❏

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Lesung mit AnkeMartiny

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Spaziergang undAusstellung

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Aufmerksam registriert

In der Reihe Po-litik & Biographieliest Berlins ehe-malige Kulturse-natorin AnkeMartiny am Mitt-woch, 15. April2015 ab 19.00 Uhrim Wahlkreis-büro von Franzis-ka Becker aus ih-

rer Biographie „…und vor allem mussman jederzeit als voller Mensch leben.Als Frau in der Politik“ (nicolai Verlag,2014).

Anke Martiny war langjährige sozialde-mokratische Bundestagsabgeordnete undBerliner Senatorin für kulturelle Angele-genheiten im von Walter Momper geführ-ten Senat. Seit 1998 arbeitet sie in verschie-denen Funktionen für die NGO Transpa-rency International Deutschland und ver-folgt insbesondere Korruption in der Politikund im Gesundheitswesen. PM ❏

➟➟ Mittwoch, 15. April, 19.00 Uhr, Wahl-kreisbüro Franziska Becker, Fechnerstraße6a, 10715 Berlin. Anmeldung: 01575-43870 74

Das Wahlkreisbüro der SPD-Bundes-tagsabgeordneten Mechthild Rawertist ab sofort Meldestelle der Tempel-hof-Schöneberger Registerstelle.

Rassistische, antisemitische, homo- undtransphobe, rechtsextreme und andere dis-kriminierende Vorfälle können den Mitar-beiterinnen im Wahlkreisbüro unter Anga-be von Zeit und Ort gemeldet werden. ImGegensatz zu bestehenden Statistiken be-ziehen Register nicht nur anzeigerelevanteVorfälle wie Sachbeschädigungen und An-griffe ein, sondern es werden auch niedrig-schwellige Vorfälle aufgenommen, wieAufkleber, Beleidigungen und Bedrohun-gen, die aus unterschiedlichen Gründennicht zur Anzeige gebracht werden. DasRegistrieren solcher Vorfälle in lokalen An-laufstellen schafft zudem für die Betroffe-nen einen Raum, in dem sie ihre Erlebnisseschildern können und mit ihren Proble-men nicht allein dastehen. PM ❏

➟➟ Das Wahlkreisbüro ist telefonisch zuerreichen unter 720 13 884 oder per Email:[email protected]. DieDokumentation der Vorfälle kann auf derInternetseite der Berliner Register(www.berliner-register.de) in der Chronikeingesehen werden.

LLiicchhtteennbbeerrgg::

Stolperstein gestiftet Schülerinnen und Schüler recherchierten Lebensläufe

Die Lichtenberger SPD-Fraktion hateinen Stolperstein gestiftet, der am 26.März in der Cäsarstraße 32 in Karls-horst durch den Künstler GüntherDemnig verlegt wurde. Er erinnert anRudolf Pörschke, der hier seinen letz-ten Wohnort hatte.

Schülerinnen und Schüler des Karlshor-ster Hans und Hilde-Coppi-Gymnasiumshaben im Vorfeld der Stolpersteinverle-gung zum Leben von Rudolf Pörschke undseinem Schulfreund Werner Schallhammerrecherchiert und Spenden für die Finanzie-rung der beiden Stolpersteine gesammelt.Die SPD-Fraktion übernahm die Kosten fürden Stolperstein für Rudolf Pörschke.

Die beiden Karlshorster Rudolf Pörschkeund Werner Schallhammer besuchtenwährend der Zeit des Nationalsozialismusgemeinsam die Kant-Schule an derTreskow Allee und begeisterten sich fürSwing-Musik. Sie waren von der amerika-nischen Lebensweise fasziniert und hattendie Spitznamen „Bobby“ und „Eddy“. AlsTeil der Swing-Jugend waren sie den Nazisein Dorn im Auge und wurden beide nochzum Kriegsdienst eingezogen. RudolfPörschke wurde im April 1944 auf demSchlachtschiff „Tirpitz“ verhaftet, wegen

Wehrkraftzersetzung verurteilt und dortam 25. Mai 1944 hingerichtet. WernerSchallhammer wurde am 13. März 1945 inder Murellenschlucht hingerichtet.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende ErikGührs: „Rudolf Pörschke und WernerSchallhammer wurden Opfer der national-sozialistischen Willkürherrschaft, weil siesich nicht in das Weltbild der Nazis fügten.Ich möchte mich bei den Schülerinnen undSchüler des Coppi-Gymnasiums für ihreumfangreiche Recherchearbeit bedanken,die damit ermöglichten, dass wir an dasSchicksal der beiden jungen Männer erin-nern können.“ PM ❏

Neuer Stolperstein. Foto: SPD-Fraktion Lichtenberg

Im Rahmen der Fotografie-Ausstellung„Verlassen“ der Künstlerin Petra Lehnardt-Olm im Bürgerbüro laden Brigitte Lange,MdA, und Ulf Wilhelm, stellvertretenderFraktionsvorsitzender und baupolitischerSprecher der SPD-Fraktion Reinickendorf,zu einem kurzen Spaziergang zu verlasse-nen Häusern in Waidmannslust mit an-schließender Besichtigung der Ausstellungund Gespräch im Bürgerbüro ein: Freitag,17. April 2015, um 12.30 Uhr, SPD Bürgerbüro,Waidmannsluster Damm 149, 13469 Berlin.

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11. April 2015 SPD Berlin Berliner Stimme - Seite 9

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Zum Lohnverzicht gezwungen Junge AfA diskutierte über die Arbeitsbedingungen bei der Deutschen Post

Die Deutsche Post lässt die Arbeits-verträge von ca. 26.000 befristet Be-schäftigten auslaufen und bietet denPost-MitarbeiterInnen jetzt 10.000neue Stellen in der DHL Delivery PostGmbH an. In der Tochtergesellschaftverrichten sie die gleiche Arbeit, fallendort jedoch nicht unter den Tarifvertragder Post. Die Junge AfA lud darüber jetztzu einer Diskussion mit dem Betriebs-rat Frank-Uwe Leser aus der Niederlas-sung der Deutschen Post Berlin Zen-trum und dem Bundestagsabgeordne-ten Swen Schulz.

Im Bürgerbüro des Abgeordneten IlkinÖzisik in der Arminiusmarkthalle in Moabitdiskutierten die jungen ArbeitnehmerIn-nen, GewerkschafterInnen und GenossIn-nen über die Gründung von Tochtergesell-schaften beim gelben Riesen. In dieserTochter erhalten die Beschäftigten 20 bis 30Prozent weniger Lohn und sind entgegender Aussagen der Post-Manager jederzeitkündbar, wie Frank-Uwe Leser klarstellt.

Die ArbeitnehmerInnen würden ge-zwungen, in die Tochtergesellschaft zuwechseln, brachte es Frank-Uwe Leser auf

Diskussion im Bürgerbüro in der Arminius-markthalle. Foto: Daniel Schwanz

den Punkt. Benita Unger, Leiterin des ver.diFachbereichs Postdienste in Berlin undBrandenburg, erläuterte, dass die Arbeitsa-genturen die ehemaligen Post-Briefträge-rInnen sperre, wenn sie das Jobangebotnicht annehmen. Das sei für die ArbeiterIn-nen ein menschenunwürdiges Dilemma,so die Gewerkschafterin.

Zudem hält sie es für einen Skandal, dassder Bonner Konzern trotz 1,3 Milliarden Eu-ro Gewinn im Bereich Post im Jahr 2014 sei-ne ArbeitnehmerInnen schröpfe und auf

deren Kosten seine Gewinne nun ver-größern wolle.

Laut Swen Schulz, zuständig im Haus-haltsausschuss des Bundestages, stehle sichdie Bundesregierung als größter Einzelak-tionär im Aufsichtsrat der Post AG mit 21 %aus ihrer Verantwortung für die Beschäftig-ten. Der SPD-Politiker forderte in einer An-frage die Bundesregierung dazu auf, denPost-Vorstand von seiner diskriminieren-den Personal-Politik abzubringen. Das Fi-nanzministerium als zuständige Behördeantwortete, dass der Aufsichtsrat nicht be-fugt sei, sich in das Geschäft des ehemali-gen Staatskonzerns einzumischen. DerBundestagsabgeordnete appellierte an denPost-Betriebsrat, jetzt öffentlich Druck aufdie Führungsriege aufzubauen. Die JungeAfA bot Frank-Uwe Leser an, die Post-Be-schäftigten bei zukünftigen Aktionen undStreiks zu unterstützen. Der Arbeitskampfstehe laut dem ver.di Betriebsgruppenvor-sitzenden im Brief Berlin Zentrum kurz be-vor, da ver.di den Paragraphen zur Arbeits-zeit im Manteltarifvertrag mit der Deut-schen Post zum 31. März gekündigt hat.

Daniel Schwanz ❏

Im Bereich der Einwanderung drehtsich die Diskussion derzeit um den er-sten Impuls der SPD-Bundestagsfrakti-on für ein Einwanderungsgesetz. Erwar auch Thema auf der Veranstaltung„Moderne Einwanderungsgesellschaftund die Herausforderungen“ .

Unter der Moderation von Robert Drew-nicki diskutierten die Staatsministerin fürIntegration und Migration und Bundesvor-sitzende der AG Migration und Vielfalt Ay-dan Özoguz, der SPD-FraktionsvorsitzendeRaed Saleh, Bilgin Lutzke, stellv. Vorsitzen-de der AG Migration und Vielfalt Berlinund Fred Skroblin, stellv. Vorsitzender dersozialdemokratischen JuristInnen (ASJ).

In Grußworten leiteten zuvor die Landes-vorsitzenden der beiden Arbeitsgemein-schaften Christian Meiners (ASJ) und AzizBozkurt (AG Migration und Vielfalt) in dasThema ein und stellten die ganze Themen-bandbreite von der Einwanderungspolitikbis zum Umgang mit der gesellschaftli-chen Vielfalt im Land dar.

In der Debatte zum Einwanderungsge-setz war sich das Podium einig, dass einereine ökonomische Betrachtung auf Ein-wanderer nicht der sozialdemokratische

Weg sein kann. Skepsis zum Vorschlag fürein Punktesystem wurde auch aus dem Pu-blikum deutlich. Jedoch wurde der Impulsder Fraktion, das Thema und die Unionweiter anzutreiben, positiv aufgenommen.

Beim Umgang mit der gesellschaftlichenVielfalt stellte Aydan Özoguz die Erfolgeder Sozialdemokratie seit der Rot-GrünenRegierung dar und wies darauf hin, dassdie SPD am Ball bleiben wird, um die ange-fangenen Reformen am Staatsangehörig-keitsrecht zu Ende zu bringen. Bilgin Lutz-ke ergänzte die Äußerungen durch Beispie-le aus der Praxis, die aufzeigten, wie Men-schen, die sich auch schon länger in

Erster Impuls für ein EinwanderungsgesetzGemeinsame Veranstaltung der AG Migration und Vielfalt und der sozialdemokratischen JuristInnen

Deutschland befinden, das Leben unnötigschwer gemacht wird. Darüber hinaus wei-se der Erwerb der Staatsangehörigkeitnoch zu viele Hürden auf.

Fred Skroblin unterstrich Bilgins Äuße-rungen aus seiner Perspektive als Jurist. Ra-ed Saleh ging auf den Reformbedarf derAusländerbehörde ein und sprach sich füreinen deutlichen Umbau aus, was auch ei-ne Umgliederung der Zuständigkeit im Se-nat bedeuten könne.

Den inhaltlichen Part komplettierte derUmgang mit dem Islam in Deutschland.Özoguz und Saleh machten deutlich, dassein Staatsvertrag mit den Muslimen einengroßen symbolischen Wert hat. Saleh be-tonte, dass viele der Inhalte für einenStaatsvertrag - auch schon vor den anderenBundesländern - schon im Partizipations-und Integrationsgesetz geregelt wurden.Punkte wie der Lehrstuhl für islamischeTheologie wären jedoch weitere wichtigeErgänzungen jenseits der Symbolpolitik.

Organisiert hatte die Veranstaltung dieProjektgruppe „Mehrstaatigkeit“, die ausTeilnehmerinnen und Teilnehmern der AGMigration und Vielfalt und der ASJ besteht.

A. B. ❏

Diskussionsrunde mit Aydan Özuguz (m.) undRaed Saleh. Foto: AG MigV

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Seite 10 - Berliner Stimme Debatte: Metropolenregion 11. April 2015

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Die Spreemetropole entwickeln Ephraim Gothe: Gemeinsame Aufgabe für Berlin und Brandenburg

Berlin und Brandenburg müssen diemetropolitane Stadtregion gemeinsamentwickeln, stellt Stadtplaner EphraimGothe in seinem Beitrag für die BERLI-NER STIMME fest.

Wer glaubt, die Metropole Berlin ende anihrer Landesgrenze zu Brandenburg, dersitzt einem Trugschluss auf. Schon seit1900 entwickelten sich entlang der Berli-ner Ausfallstraßen, der Kanäle und derneuen Eisenbahnlinien Vorstädte, Gewer-be und Industrien.

Die Entstehung derSpreemetropole

Die Stadt Berlin erwarb damals mit denUmlandgemeinden weiträumig und sehrvorausschauend Rieselfelder für die Ab-wasserentsorgung, große Wälder für dieNaherholung, koordinierte den Eisenbahn-verkehr und die Bauleitplanung.

Das Berlin der Gründerzeit wuchs kraft-voll sternförmig ins Brandenburger Um-land, erst zwei Weltkriege, eine Weltwirt-schaftskrise und der eiserne Vorhangbrachten diese Dynamik zum Erliegen.Nun, nach einer 50jährigen Phase gewalt-samer politischer Teilung, erwachen diefunktionalen Wechselbeziehungen zwi-schen Stadt und Region wieder. Städte wieFalkensee, Velten, Oranienburg, Fürsten-walde, Königs-Wusterhausen, die ganzeFlughafenregion um den BER und Potsdamprofitieren von der Vernetzung mit Berlinund umgekehrt nutzt Berlin die Flächenan-gebote des Umlandes für Gewerbe, Logi-stik, Wohnen und Naherholung.

Berlin und Umland bilden wieder einestarke metropolitane Stadtregion, dieSpreemetropole.

Das Barometer derMetropole ist dasBevölkerungswachstum

Die Stadtregion, Berlin und Umland, istin den letzten 4 Jahren um 214.000 Ein-wohner gewachsen, vier Mal in Folge über50.000 Einwohner, und damit vier Mal inFolge weit über den amtlichen Prognosen.Dazu kommen die Flüchtlinge, 2014 warenes schon 15.000, 2015 könnten es sogar25.000 werden. Derzeit gehen alle Planerdavon aus, dass die Wachstumskurve wie-der abflacht, aber warum eigentlich? Essieht nicht so aus, als würden die südeu-ropäischen und südosteuropäischen Län-der schnell den Anschluss an das wachsen-de Nordeuropa finden, viele werden wei-terhin den Weg nach Berlin suchen. Und

Ephraim Gothe war von 2011 bis 2014 Staats-sekretär in der Senatsverwaltung für Stadt-entwicklung und ist jetzt in der gemeinsamenLandesplanungsabteilung von Berlin und Bran-denburg u.a. für die Umsetzung der Raumord-nungspläne im Teilraum Nord sowie regionaleKooperationen zuständig. Foto: Horb

auch die Flüchtlingsströme werden eheranwachsen als abnehmen.

Wie steht es um das Berliner Umland?

Das Berliner Umland umfasst ein Gebietvon 49 Gemeinden jenseits der BerlinerLandesgrenze, die Planungszuständigkei-ten verteilen sich neben den Gemeindenaber noch auf acht Landkreise, fünfRegio-nale Planungsgemeinschaften und ein Mi-nisterium für Infrastruktur und Landespla-nung. Keine einfache Voraussetzung für dieEntwicklung einer schlüssigen Entwick-lungsstrategie.

Bei allen örtlichen Unterschieden schla-gen sich die Gemeinden mit den gleichenThemen herum, Wachstum, Pendlerver-kehre, Wohnungsbau, soziale Infrastrukturund Flüchtlingsunterkünfte - und damitmit den gleichen Herausforderungen wiedie Berliner Bezirke.

Motor Wohnungsbau

Im Berliner Umland entstehen jährlichetwa 4.000 Ein- und Zweifamilienhäuser.Eine Analyse zur Nachhaltigkeit der ent-standenen Struktur gibt es nicht. Sind dieWohnungen altersgerecht, sind sie an denrichtigen Stellen entstanden? Es gibt keineGesamtschau der aktuell vorhandenenWohnungsbaupotenziale im Umland, sieliegen nur einzeln in jeder Gemeinde vor.Berlin hat sich mit dem Stadtentwick-lungsplan Wohnen dagegen stark aufge-stellt und nutzt alle denkbaren Instrumen-te für eine aktive Wohnungspolitik im Be-stand wie im Neubau. Die Stadt sieht für

sich derzeit ein Potenzial für knapp200.000 neue Wohnungen, danach wird eseng. Deshalb müssen die Flächenpotenzia-le des Berliner Umlandes Teil einer Strate-gie beider Länder werden. 2014 wurden inder Stadtregion Baugenehmigungen fürrund 28.000 Wohnungen erteilt, ein star-ker Indikator für eine dynamische Gesamt-entwicklung und eine Herausforderung fürdie öffentliche Hand, die technische undsoziale Infrastruktur nachzurüsten.

Ein Rückblick auf das Jahr 1900 lohnt sich

Damals wie heute stellen sich für dieStadtregion die gleichen Herausforderun-gen. Berlin boomte, wurde zur wichtigstenIndustrie-, Banken und KulturstadtDeutschlands und zog magnetisch Men-schen aus allen Richtungen an. Ganz ähn-lich ist Berlin heute ein europäischer Hot-spot für Startups und digitale Dienstlei-stungen, der Tourismus feiert jedes Jahrneue Rekorde und das Berliner Umland istdie Boomregion Brandenburgs.

Damals bedrohte das administrativeWirrwarr eine geordnete und weitsichtigeStadtentwicklung, bis 1911 ein gemeinsa-mer Planungszweckverband gebildet wur-de - die Geburtsstunde der Spreemetropo-le. 1915 wurde der bis heute gültige Dauer-waldvertrag verabschiedet, der die BerlinerWälder in Berlin und Brandenburg schützt.1920 fiel die epochale Entscheidung zur Bil-dung der Einheitsgemeinde Berlin. Die Lö-sung der Wohnungsfrage beherrschte denpolitischen Allltag genauso wie die Organi-sation des Schnellbahnverkehrs und die Si-cherung von Wäldern als Naherholungs-flächen.

Heute steigen die Pendlerverkehre wie-der stetig und stark. Park & Ride ist vieler-orts ein ungelöstes Problem, das Schnell-bahnnetz hat das Vorkriegsniveau nichtwieder erreicht und weist 25 Jahre nachdem Mauerfall noch immer empfindlicheLeerstellen auf. Die großen Radialstraßenaus Berlin ins Umland sind zum Verkehrs-träger für den Autoverkehr degradiert undder Flughafen BER ist eine Baustelle. Cars-haring, Fahrradverkehr, E-Bikes und dasSmartphone revolutionieren das Verkehrs-verhalten der Menschen.

Einen Plan zurLandesentwicklung gibt es - immerhin

Im Jahr 2009 verabschiedeten die Län-Fortsetzung Seite 11

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11. April 2015 Debatte: Metropolenregion Berliner Stimme - Seite 11

LLaannddeessppllaannuunngg::

Strategie für MetropolenJan Stöß: Neue Aufgaben für die führende Großstadtpartei

der Berlin und Brandenburg einen Landes-entwicklungsplan (kurz LEP B-B), in demdas Leitbild des Siedlungssterns mit radia-len Entwicklungskorridoren entlang derSchienenwege niedergelegt ist. Aber schondie Regionalparks, die die natur- und kul-turräumlichen Qualitäten zwischen denEntwicklungskorridoren bewahren undentfalten sollen, sind nur ein virtuellesKonstrukt und deshalb weitgehend unbe-kannt.

Auf diese Flächen wirken verschiedenstekonkurrierende Nutzungsbegehren aus derEnergiewirtschaft, aus der Logistik, ausdem Naturschutz, aus der Siedlungsent-wicklung, die traditionelle Landwirtschaftist auf dem Rückzug. Für die Regionalparksund deren Projekte fehlt ein professionellesManagement.

Allein 2014 wuchs dieSpreemetropole um 68.000Menschen - strategischePlanung ist gefragt

Die wachsende Region erfordert einenAusbau der sozialen und technischen In-frastruktur. Dies geht nur mit Szenarien,die auf einer aktuellen Bevölkerungspro-gnose aufbauen. 2014 wuchs die Spreeme-tropole, die Flüchtlinge mitgerechnet, um68.000 Menschen, ein Szenario mit einerjährlichen Zuwanderung von 90.000 Men-schen sollte zumindest durchgerechnetwerden, um Folgen abschätzen zu können.

Das Wachstum Berlins und des BerlinerUmlandes erfordert eine Strategie über allePolitikfelder auf der Basis des Landesent-wicklungsplans Berlin-Brandenburg. DieThemen Verkehr, Wohnen, technische undsoziale Infrastruktur müssen hierbei ge-samthaft betrachtet werden. Instrumentemüssen entwickelt oder neu abgestimmtwerden, Wohnungsbauförderung, Ausbaudes Schnellbahnnetzes, Organisation derPendlerverkehre. Unabdingbar ist die akti-ve Bewahrung der Kulturlandschaft unddamit die Stärkung der Regionalparks alsKontrapunkt zu den wachsenden Sied-lungsachsen.

Und nicht zuletzt, sondern eigentlich zu-erst: Die Erarbeitung einer Strategie erfor-dert die Mitwirkung beider Länder, der Re-gionalen Planungsgemeinschaften, Land-kreise, Städte, Gemeinden und der BerlinerBezirke.

Das Kommunale Nachbarschaftsforum,in dem sich die Umlandgemeinden mitden Berliner Bezirken seit Mitte der 1990erJahre vertrauensvoll abstimmen, kannhierfür sehr gut genutzt werden. Die Einbe-ziehung der Zivilgesellschaft, der Wirt-schaft und Verbände muss über weitereFormate sicher gestellt werden, politischesKönnen ist hier gefragt.

Ephraim Gothe ❏

Fortsetzung von Seite 10

Fortsetzung Seite 12

Die Metropolen und ihr Umland sinddie boomenden Regionen in Deutsch-land. Besonders die Kernstädte derdeutschen Metropolregionen verzeich-nen Zuwachsraten durch Zuwande-rung und Zuzug, die vor 10 Jahren nie-mand zu prognostizieren wagte.

Die Großstädte sind attraktiv, weil sieein breites Angebot an kulturellen Einrich-tungen, öffentlichen Dienstleistungen undNahverkehr, Kinderbetreuung und Bil-dungsinstitutionen, Arbeitsplätzen bieten.Hier entstehen zukunftsfähige Arbeits-plätze, sie sind die Grundlage für wirt-schaftliche Prosperität.

Über die Hälfte der deutschen Bevölke-rung lebt inzwischen in Städten. Und die-ser Trend wird sich fortsetzen auch auf-grund der demografischen Entwicklung.Junge Menschen ziehen schon seit länge-rem in die Städte, aber gerade auch ältereMenschen schätzen zunehmend die urba-ne Lebensqualität und das reichhaltige An-gebot in den Großstädten.

Die SPD ist die Partei für dasurbane Lebensgefühl

Für die SPD bietet diese Entwicklung ei-ne große Chance, denn wir sind die führen-de Großstadtpartei nicht zuletzt aus unse-rer Geschichte heraus. Die SPD braucht die-sen Vorsprung in den Städten, um bundes-weit konkurrenzfähig zu sein. Angesichtsder Dynamik der gesellschaftlichen undwirtschaftlichen Veränderungen, ist dieSPD gefordert, diese Großstadtkompetenzunter Beweis zu stellen. Das Forum Metro-polenpolitik des SPD-Parteivorstands solldabei helfen, politische Antworten auf dieaktuellen Herausforderungen zu findenund die Programmatik der SPD insgesamtzu modernisieren.

Eine moderne Großstadtpartei muss dasurbane Lebensgefühl verstehen und Lö-sungen für die Probleme der Stadtbewoh-nerinnen und Stadtbewohner bieten. Vielewünschen sich inzwischen hochverdichte-te und gemischte urbane Quartiere mitvielfältigen Angeboten und hoher Lebens-qualität, eine Stadt der kurzen Wege.

Metropolen müssen dieVerkehrswende einleiten

Die Vorstellung einer „autogerechtenStadt“ mit funktional klar voneinander ab-gegrenzten Quartieren entspricht nichtmehr den heutigen Vorstellungen. Dennbesonders in den städtischen Ballungsräu-men zeigen sich auch die negativen Aus-

Jan Stöß, Berliner SPD-Landesvorsitzender, leitetdas Forum Metropolenpolitik beim SPD-Parteivorstand. Foto: SPD Berlin

wirkungen einer wachsenden automobi-len Mobilität. Die hohen Schadstoffemis-sionen, die Luftverschmutzung und dieLärmbelästigung infolge des Stadtverkehrsbeeinträchtigten die Lebensqualität zu-nehmend. Von den Metropolen muss des-halb eine echte Verkehrswende ausgehen,die eine neue Balance zwischen Autover-kehr, öffentlichem Personennahverkehr,dem Fahrrad- und Fußverkehr herstellt unddabei den Wirtschafts- und Individualver-kehr gleichermaßen in den Blick nimmt.Dem ÖPNV-Angebot kommt dabei eine be-sondere Bedeutung zu, um auch an denRändern der Metropolen das Recht auf Mo-bilität durchzusetzen.

Wohnungsfrage wird neuaufgeworfen

Der Zuzug in die Metropolregionen wirftdie Wohnungsfrage neu auf, Fragen zumWohnungsneubau und zur Mietenpolitikbestimmen immer häufiger die Tagespoli-tik und der Trend zu Ein-Personen-Haus-halten und der demografische Wandel er-fordern einen Umbau des Wohnungsbe-standes und eine Anpassung der sozialenInfrastruktur. Die Integration und Inklusi-on benachteiligter Bevölkerungsgruppenstellt besondere Anforderungen an die Bil-dungs- und Arbeitsmarktpolitik. Die sichpolarisierenden Einkommensverhältnisseführen über Gentrifizierung und Segregati-on in manchen Teilen der Stadt zu einer so-zialen Entmischung. Unsere Vorstellung ei-ner sozial durchmischten, einer solidari-

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Seite 12 - Berliner Stimme Debatte: Metropolenregion 11. April 2015

Fortsetzung von Seite 11schen Stadt gerät angesichts dieser Ent-wicklung immer stärker unter Druck.

Um unsere Position als die führendeGroßstadtpartei zu verteidigen und auszu-bauen müssen wir programmatische Ant-worten entwickeln. Wohl in den meistendeutschen Städten gibt es einen gesell-schaftlichen Konsens zu sozial gemischtenQuartieren - in Berlin ist es die sprichwört-liche „Berliner Mischung“. Zugleich sind dietoleranten Stadtgesellschaften auch wich-tiger Anreiz für den Zuzug und damit eineBasis für wirtschaftliche Prosperität - beiBerlin macht das einen großen Teil seinerweltweiten Attraktivität aus.

Wohnungen sind auch ein Sozialgut

Der verstärkte Zuzug in die Wachstums-regionen führt zu einer Anspannung derWohnungsmärkte, in den Städten führenAufwertungsprozesse in nachgefragtenQuartieren zu Gentrifizierungsprozessen.Ausreichende Wohnraumversorgung, Kon-flikte bei größeren Neubauprojekten, diesoziale Durchmischung mithilfe eines neu-en sozialen Wohnungsbaus, die Rolle kom-munaler Wohnungsunternehmen undWohnungsgenossenschaften und derSchutz vor sozialer Verdrängung im Be-stand beherrschen die Stadtdebatten.

Die SPD muss klar machen, dass Woh-nungen nicht allein ein Wirtschaftsgut,

sondern auch ein Sozialgut sind. Die Erhal-tung und Schaffung bezahlbaren Wohn-raums ist daher die vordringliche Aufgabesozialdemokratischer Wohnungspolitik. ZuRecht hat der Berliner Senat die Sicherungbezahlbarer Mieten und die Schaffung vonneuem Wohnraum zu seinen zentralen po-litischen Vorhaben gemacht.

Viele umstrittene Großprojekte zeigen,wie überlebenswichtig es für die SPD ist,als Diskussionspartner der Zivilgesell-schaft akzeptiert und geschätzt zu werden.

Das gilt natürlich auch für kleinere Projek-te im Stadtteil. Es erfordert Mut, nachdraußen zu gehen, offen Themen und Pro-jekte zu besprechen, alternative Lösungenzuzulassen. Die SPD muss die Partei wer-den, die für offene und innovative Beteili-gungsformate steht und sich den neuenFormen bürgerschaftlicher Partizipationstärker öffnet und dabei gleichzeitig denMut aufbringt, bei Entscheiden für ihreÜberzeugungen und Vorstellungen mit of-fenem Visier zu kämpfen. Jan Stöß ❏

„Mehr als die Vergangenheit interes-siert mich die Zukunft, denn in ihr ge-denke ich zu leben.“ Der dies gesagthat, war Albert Einstein, und der hattein vielen Dingen Recht. Schauen wir indiesem Sinne einmal auf die Zukunftunseres Berlins, denn da sind viele Ent-wicklungen absehbar, für die wir heuteVorsorge leisten müssen.

Zunächst die Fakten: Keine Metropole inEuropa wächst so rasant wie die deutscheHauptstadt. Berlin gilt gerade bei jungenMenschen aus aller Herren Ländern als„place to be“, zudem boomt der Tourismusmit erfreulichen Zuwachsraten. Allein imJahr 2014 ist Berlin per Saldo um etwa45.000 Einwohnerinnen und Einwohnergewachsen. Im Zeitraum von 2012 bis 2014wuchs die Einwohnerinnen- und Einwohn-erzahl ebenfalls im Saldo um rund 135.000,die Zahlen weisen also auf eine längereEntwicklung hin. Dies bedeutet, dass Berlinin einem Zeitraum von nur drei Jahren„mal so eben“ eine Stadt in der Größenord-nung von Regensburg oder Paderborn in

sich aufgenommen hat. Schaut man sichdiese Entwicklung genauer an, stellt manfest: Es ziehen vorwiegend junge Men-schen aus Süd- und Osteuropa nach Berlin.Denn für sie ist Berlin auch ein Ort der

Hoffnung, der beruflichen und damit dersozialen Sicherung.

Besonders stark ist die Einwohnerschaftin den Bezirken Mitte und Pankow ge-wachsen. Allein der Bezirk Mitte hat imletzten Jahr ein Einwohnerplus von 8.400zu verzeichnen. In den letzten Jahren wur-den die noch im Zentrum der Stadt vorhan-denen Freiflächen - wenige Ausnahmenbestätigen die Regel - bebaut, so dass dasStadtzentrum durch Neubebauung ver-dichtet wurde. Die größten noch zu bebau-enden Flächen liegen mehrheitlich im Ost-teil der Stadt. Die Senatsverwaltung fürStadtentwicklung weist in ihrem Stadtent-wicklungsprogramm 2025 insgesamt 24Neubaugebiete aus, davon liegen 15 im Ost-teil der Stadt. Dies lässt den unvoreinge-nommenen Schluss zu, dass im Wesentli-chen der östliche Teil Berlins erheblichwachsen wird.

In den letzten 10 Jahren sind weit über100.000 neue Wohnungen gebaut worden,was einerseits erfreulich ist, andererseits

Flexible Bauten für alle GenerationenAndré Lossin: Innovative Modelle für Wohnen, Begegnung, Pflege und Betreuung

Fortsetzung Seite 13

André Lossin ist Beisitzer für Sozialpolitik imKreisvorstand der SPD Friedrichshain-Kreuzbergund arbeitete am sozialpolitischen Antrag mit, derim vergangenen Jahr vom Landesparteitagbeschlossen wurde. Beruflich ist erLandesgeschäftsführer der Volkssolidarität.

Soziale Stadt in Wien,Budapest und Prag

Der stellvertretende SPD-Vorsit-zende Ralf Stegner und Jan Stöß,Vorsitzender des Forums Metropo-lenpolitik beim SPD-Parteivorstand,reisen vom 13. bis 17. April zu politi-schen Gesprächen nach Wien, Buda-pest und Prag. Im Fokus der Ge-spräche stehen die Themen SozialeStadt, der soziale Zusammenhaltund eine gerechte Gesellschaft.

In Wien treffen Ralf Stegner und JanStöß am 13. April mit dem österreichi-schen Bundespräsidenten Heinz Fi-scher und dem Bundesminister für Ar-beit und Soziales Rudolf Hundstorferund weiteren Gesprächspartnern zu-

sammen. Im Mittelpunkt der Treffen ste-hen aktuelle Themen und die konkretenMaßnahmen der Stadt Wien in den Be-reichen Wohnungsbau, ÖPNV und Inte-gration.

In Budapest ist u.a. ein Treffen mit un-abhängigen ungarischen JournalistIn-nen und jungen NGO-AktivistInnen ge-plant. Im Fokus der Konsultationen stehtder Bereich Soziale Stadt, insbesondereder Aspekt Vielfalt und Schutz der Bür-gerrechte.

In Prag am 16./17. April sprechen dieSPD-Politiker mit dem ehemaligentschechischen Ministerpräsidenten Vla-dimir Spidla, dem Minister für Men-schenrechte und Gleichstellung JiríDienstbier und der Ministerin für Arbeitund Soziales Michaela Marksová-Tomi-nová. BS ❏

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11. April 2015 Debatte: Metropolenregion Berliner Stimme - Seite 13

Fortsetzung von Seite 12aber den Blick freimacht, dass zu wenigeWohnungen im Bereich des sozialen Woh-nungsbaus fertiggestellt wurden. Mehr-heitlich wurden Eigentumswohnungenund ein kleiner Teil 1- oder 2-Familienhäu-ser gebaut.

Druck auf demWohnungsmarkt

Durch die starke und zugleich be-grüßenswerte Zuwanderung ist ein erheb-licher Druck auf den Wohnungsmarkt ent-standen, der zu dramatischen Mieter-höhungen und zu einem Wohnungsleer-stand unter 1 Prozent geführt hat. Nur we-gen der Immobilienportale im Internetgibt es heute nicht mehr die einstmalsspektakuläre mehrere hundert Meter langeSchlange am Samstagabend vor dem Kioskam Bahnhof Zoo, wenn die Sonntagszei-tungen mit dem Immobilienteil angelie-fert wurden. Rein virtuell ist sie wieder da.

Die Fertigstellungen der entweder zuteuren oder zu kleinen Wohnungen in denletzten Jahren führt dazu, dass viele jungeFamilien, die bislang in den sogenanntenTrendbezirken wie Prenzlauer Berg, Kreuz-berg oder Friedrichshain wohnen, an ande-ren Orten neuen Wohnraum suchen, wenndie Familie wächst, sprich weitere Kinderhinzukommen.

Aufgrund der extrem schwierigen Woh-nungslage im Zentrum der Stadt (und si-cher auch wegen der derzeit günstigen Zin-sen) entscheiden sich viele Familien mit ei-nem mittleren oder gutem Einkommen,zunehmend Eigentum zu bilden, indem sieeine Wohnung oder ein kleines Haus inden Randbezirken erwerben. Immobilienin den Randlagen sind noch vergleichbargünstig, da ganze Gebiete größere Flächenzum Bau von 1- oder 2-Familienhäuser er-schlossen werden. Die jungen Familienwollen aber nicht nur „ihre eigenen vierWände“, sondern auch eine gute und lei-stungsfähige Infrastruktur.

Mehr sozialer Wohnungsbau

Aber daher muss in den nächsten Jahrendurch das Land Berlin und durch den Bundmehr in den sozialen Wohnungsbau inve-stiert werden. Das wird - um nicht die so-ziale Segregation zu verschlechtern - Kern-aufgabe guter sozialdemokratischer Politikin dem nächsten Jahrzehnt sein. Der Stadt-entwicklungsplan 2025 zeigt in die richtigeRichtung.

Der sich neu bildende Stadtteil mussnicht nur gut ans das Stadtzentrum (Stich-wort öffentlicher Personennahverkehr) an-geschlossen sein, sondern muss vorallemeine gute Kita- und Schulplatzversorgunggewährleisten, denn beide Elternteile wol-

len und sollen ihrem Beruf nachgehen kön-nen. Daher ist die soziale Infrastruktur anden „neuen Orten“ existenzsichernd. Aberauch gute Spielplätze und die Teilnahmeam sozialen Leben in dem Stadtteil sindelementare Bedürfnisse. Dazu gehört eben-falls die Teilnahme am kulturellen Leben,die mit der Gründung einer Familie einegewisse Verschiebung der Ausrichtung er-fährt.

Wohneigentum amStadtrand

Fazit: Die Transformation und dasWachstum Berlins führen dazu, dass mehrWohneigentum an den Rändern der Stadtgebildet wird, die Menschen dann längerin ihrem „neuen“ Wohnumfeld verbleibenund großen Wert auf eine soziale und kul-turelle Infrastruktur oder eine gute Anbin-dung „in die Stadt“ legen.

Auf diese soziale Entwicklung - und wirsollten dankbar sein, dass die beschriebeneEntwicklung heute schon so klar absehbarist - müssen sich die Bezirke als auch dieWohlfahrtsverbände bei der Errichtung derkommunalen sozialen Infrastruktur aus-richten. Denn diese Familien ziehen in dieneu errichteten Stadtteile und verbleibenüber mehrere Jahrzehnte dort, ziehen dortihre Kinder groß. Dies heißt, dass Stadtteilesich nicht sozial und demografisch durch-mischen, sondern dass sich ein sozial ho-mogenes Milieu in seinem Stadtteil ein-richtet und es gestalten will. Die Menschenfinden neue Freundschaften und engagie-ren sich für ihre unmittelbaren Belangevor Ort.

Was heißt das für die Politik und für Sozi-alverbände? Zunächst einmal Selbstver-ständlichkeiten: Kindertagesstätten undSchulen müssen fußläufig erreichbar sein,soziale und kulturelle Begegnungsräume,

in denen sie feiern oder sich treffen odersoziale Aktivitäten entfalten können, müs-sen da sein.

Dann aber auch das Besondere: Die Berli-ner Volkssolidarität entwickelt derzeit inMarzahn-Hellersdorf ein Modellprojekt,nämlich die Errichtung einer Kombinationaus Kindertagesstätte, Seniorenwohnheimund Stadtteilzentrum. Mit diesem Ange-bot soll die nachbarschaftliche Begegnunggestärkt werden.

Raum für alleGenerationen

Familien können dort ihre Kinder be-treuen lassen oder sie können, wenn derWunsch besteht, dass die Eltern in derNähe wohnen sollen, dort einziehen. Fürdie Begegnung als sozialer Treffpunkt wirdein Stadtteilzentrum errichtet, in dem um-fangreiche Aktivitäten stattfinden kön-nen. Es gibt Werkstätten, Sportveranstal-tungen, Lebens- und Alltagsberatung, Fei-erlichkeiten, aber auch einen Jugendtreff-punkt. Die Angebote können je nach Nut-zern individuell angepasst werden.

Der Innenraum kann nach Bedarf so um-gestaltet werden, dass, wenn die Anzahlder Kinder in diesem Stadtteil sinkt undder Bedarf an Kitaplätzen nicht mehr vor-handen ist, die Einrichtung für neue Ziel-gruppen umgebaut werden kann. ZumBeispiel kann hier eine weitere Tagesför-dereinrichtung mit errichtet werden oderein zusätzlicher barrierefreier Wohnraumfür ältere Menschen entstehen. Die Kita istin ihrer baulichen Struktur nicht auf 40Jahre ihrer Nutzung unterworfen, sondernkann nach demografischen Anforderun-gen umgestaltet werden, somit ist eine va-riable Nutzung dieser Immobilie möglich.

Finanzierung mit Mittelndes Landes und des Bundes

Die Finanzierung dieser Immobilie istüber Sonderzuschüsse der KfW und desLandes Berlin möglich. Der Bund als auchdas Land Berlin stellen für Investitionen insoziale Infrastrukturen entsprechendeMittel zur Verfügung. Die bauliche Unter-haltung kann je nach Nutzungsart sowohlaus den Investitionskosten als auch ausden Kitaentgelten finanziert werden. Einedauerhafte Finanzierung des Stadtteilzen-trums ist nur dann möglich, wenn der Be-zirk mit dem Eigentümer des Stadtteilzen-trums einen auf mindestens 15 - 20 Jahreausgelegten Mietvertrag abschließt.

Das Land Berlin aber auch die Träger derfreien Wohlfahrtspflege müssen bei einerwachsenden Stadt auf innovative Modellesetzen. Berlin ist eine aufregende Stadt, de-ren Einwohnerschaft neuem gegenüberimmer aufgeschlossen war. Und das wirdbleiben! André Lossin ❏

Begehrte Wohnlage im Trendbezirk: dieKastanienallee. Foto: Horb

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Seite 14 - Berliner Stimme Geschichte 11. April 2015

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Sieben Tage für die RevolutionAugust Bebel Institut, Paul-Singer-Verein und Grips-Theater luden zum aktiven Gedenken

„In der Geschichte muss man die Er-eignisse miteinander verknüpfen, umzu verstehen“, schrieb der RegierendeBürgermeister Michael Müller in sei-nem Grußwort zu Beginn der Aktions-woche. Diese Idee zog sich durch dieverschiedenartigen Veranstaltungen.

167 Jahre ist es jetzt her, dass Berliner*in-nen gegen den König auf die Barrikadengegangen sind, um für Meinungsfreiheitund Demokratie zu kämpfen. Es sollte nichtdie letzte Revolution der Geschichte blei-ben. Als Flashmob Berliner Jugendlicher,Film- und Diskussionsabend, Diskursloun-ge mit Kartoffelrevoltenworkshop, Ge-denkmomente und Theater wurden eineWoche lang die historischen Ereignisseaufgegriffen und mit aktuellen Protestenund Revolutionen in Bezug gesetzt. EineBustour und ein Stadtrundgang machtendie Ereignisse an den historischen Orten le-bendig. Zentral war die Frage: Wie laufenAufstände und Revolutionen heute ab?Was können wir aus der Geschichte ler-nen?

Die Woche begann mit einem Jugend-workshop auf dem Friedhof der Märzgefal-lenen, im GRIPS-Podewil und schließlichauf dem Alexanderplatz. 50 Jugendlicheaus Köpenick und Marzahn-Hellersdorfsetzten sich zunächst mit Schicksalen derMärzgefallenen auseinander, um anschlie-ßend der Frage nachzugehen: Wofür wür-dest Du auf die Straße gehen? Diese Fragestellten die Jugendlichen am NachmittagPassanten auf dem Alex, bevor sie selber inForm eines Flashmobs ihre Forderungenlautstark artikulierten.

Der Dokumentarfilm „Everyday Rebelli-on“ von Arman T. Riahi und Arash T. Riahiam Dienstagabend im Kreuzberger Movi-mento zeigte Aufstände und Revolutionenunserer Zeit: Ob Occupy in New York, diespanischen Indignados oder die Demokra-tiebewegung im Iran, die Gründe für denProtest sind in jedem Land ganz unter-

„Kulturhappen“: Ensemble-Mitglieder des Grips-Theaters spielten und lasen Szenen aus demTheaterstück „1848“ nach dem Roman von KlausKordon. Fotos (2): Horb

Diskussion mit Protestkoch Wam Kat, demAktivisten der Berliner Taksim-Initiative DennisKupfer, Moderatorin und Grips-DramaturginKirstin Hess sowie Wolfgang Thierse.

Station am Gendarmenmarkt: Bustour undStadtführung führten an Orte der Revolution undzum Friedhof der Märzgefallenen.

Foto: Peter Roloff

schiedlich, aber die kreativen gewaltfreienTaktiken sind sehr ähnlich und inspirierensich gegenseitig auf überraschende Weise.

Am Mittwoch, dem 18. März standen dieGedenkfeiern im Vordergrund. Der Präsi-dent des Berliner Abgeordnetenhauses,Ralf Wieland, erklärte auf dem Friedhof derMärzgefallenen: „Am Anfang stand die Re-volution. Und sie entfaltete eine Macht, diebis in unsere Zeit hereinragt. Ja, wir müs-sen uns als demokratisches Land auf dasEreignis der Revolution von 1848 berufen -sie vermittelt uns Identität aus unserer ei-genen Geschichte heraus. Dort - in der er-sten Hälfte des 19. Jahrhunderts - dort sindunsere Wurzeln als demokratische Gesell-schaft.“

In der Reihe „kulturhappen“ wurde imPodewil am Donnerstag einerseits die kuli-narische Dimension des Protests themati-siert, als auch die Frage, welche Dynamikdie Großdemonstration auf dem Alexan-derplatz am 4. November 1989 und die Be-wegung auf dem Gezi-Park in Istanbul seit2013 entfalteten - ein Abend mit Theater,politischer Debatte und Kochen.

Der Revolution von 1848 in Berlin ging imJahr zuvor ja die „Kartoffelrevolution“ vor-aus. Daran anknüpfend wurde im Podewilgemeinsam eine Kartoffelsuppe gekocht.Die Leitung hatte der Protestkoch WamKat, der am Morgen noch Anhänger derBloccupy-Bewegung, die in Frank-furt/Main gegen die Europäische Zentral-bank (EZB) protestierten, bekocht hatte.

Wann werden einzelne Unzufriedenhei-ten zu einer Volksbewegung? Der frühereBürgerrechtler und BundestagspräsidentWolfgang Thierse bemühte das Leninzitat„Wenn die oben nicht mehr können unddie unten nicht mehr wollen“ und berich-tete, dass das letzte bisschen Hoffnung ver-flogen gewesen sei und die Verzweiflunggroß - so habe man eigene Ängste hintangestellt. Zu den Zielen von revolutionärenBewegungen sagte Wolfgang Thierse, eine

Revolution könne nicht permanent sein.Sie müsse an einem Punkt ankommen, woDemokratie in ordentlichen demokrati-schen Verfahren gelebt werden könne

Aktivist Deniz Kupfer berichtete, dass dieGezi-Bewegung sicher etwas erreicht habe,aber bei weitem noch nicht am Ziel sei.Und es sei in diesen Sommer um die Parla-mentswahlen in der Türkei herum eine Er-starkung der Bewegung zu erwarten. Dennwas 1989 mit der alten DDR abgeschafftwerden sollte, wächst gerade in der Türkeiungehindert weiter: der Unrechtsstaat.

Eine Frage bleibt immer: Was kommtnach der Revolution? In ihrem „Liebesbriefan die Revolution“ auf der Homepage zurAktionswoche kommt die jungen IranerinMatin Soofipour zu einem ganz eigenenSchluss: „Ich weiß jetzt nämlich, dass du esimmer ernst meinst und deinen Träumentreu bist. Und was mir sehr an dieser Ideegefällt ist, dass es, so gesehen, keine ge-scheiterte Revolution gibt.“

Die für Freitag geplante Vorstellung von„1848 - die Geschichte von Jette und Frie-der“ von Thilo Reffert nach dem Romanvon Klaus Kordon, initiiert vom jetzigenKünstlerischen Leiter des Grips-TheatersStefan Fischer-Fels, musste wegen Erkran-kung der Hauptdarsteller leider ausfallen.Im April ist das Stück aber wieder zu se-hen. Sehr zu empfehlen! Immerhin: Die Be-sucher*innen des Abends der ‚kulturhap-pen. Alexanderplatz 1989 feat. Taksim/Ge-zi-Park' gewannen einen bewegenden Ein-druck durch eine szenische Lesung des En-sembles des Grips-Theaters.

Diskutieren wir, teilen wir demokrati-sche Werte, lernen wir gemeinsam ausKunst, Theater, Politik, politischer Bildungund Gedenken. Für Heute. Und für die Zu-kunft.

Kirstin Hess, Susanne Kitschun, IngoSiebert, Reinhard Wenzel ❏

➟➟ Weitere Informationen unter:www.revolution1848berlin.de

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11. April 2015 Geschichte Berliner Stimme - Seite 15

Wer verhinderte die Einheit? Ein deutschlandpolitischer Klärungsversuch (II)

AAddeennaauueerr uunndd ddiiee SSttaalliinnnnoottee::

Die Berliner Stimme dokumentiertmit freundlicher Genehmigung derAutoren Auszüge aus dem Manuskript„Wollte Adenauer die Einheit? Das Jahr1952“, herausgegeben von TilmanFichter und Siegward Lönnendonker.In dieser Ausgabe veröffentlichen wireinen Auszug aus dem Kapitel „Wozudieses Buch? Debatte über die Konse-quenzen der eindimensionalen Westo-rientierung Adenauers“, verfasst vonden Herausgebern. Zwei Dokumenteerscheinen ihnen besonders wichtigzur Einschätzung der Situation: dievertraulichen Berichte von Oberst Ser-gej Iwanowitsch Tulpanow von der So-wjetischen Militäradministration(SMAD) und eine in diesem Abschnitterwähnte Denkschrift des ehemaligenDiplomaten Richard Meyer von Achen-bach an Konrad Adenauer.

Unserer Meinung nach hat Adenauernie begriffen, daß Stalin im Jahre 1952 inerster Linie am Wiederaufbau der im Zwei-ten Weltkrieg von der deutschen Wehr-macht im Westen der Sowjetunion weitge-hend zerstörten Industrie interessiert war.Die Ausdehnung des Kommunismus inMitteleuropa war für ihn zweitrangig. Sei-ne Bauernschläue sagte dem RealpolitikerStalin aber auch, daß nur ein freies - mehroder weniger - kapitalistisches Deutsch-land in der Lage sein würde, die notwendi-ge Produktivität für den Aufbau Deutsch-lands und der Sowjetunion zu entfalten.Höchstwahrscheinlich war ihm klar, daßnur die westdeutsche Industrie in der Lagesein würde, die notwendigen Investitio-nen technisch zu bewältigen. (Was in derÄra Helmut Schmidt von der Firma Kruppmit dem „Röhrengeschäft“ dann auch inAngriff genommen wurde.)

Darüber hinaus hätte ein geeintesDeutschland in den 50er Jahren in einemFriedensvertrag auch die Verantwortungfür von Deutschland geschädigte Länderübernehmen müssen, z.B. die Rückzahlungeines Zwangskredits von 476 MillionenReichsmark der griechischen Notenbankan das Großdeutsche Reich aus dem Jahre1942. (Eigentlich eine Frage der Ehre, auchwenn der Betrag heute einschließlich Zins-und Zinseszinsen umgerechnet rund zehnMilliarden Euro betragen würde. Aller-dings sollten sich dann - bitteschön - auchdie Österreicher an dieser Schuldentilgungbeteiligen. Schließlich hatten Teile derWehrmacht, die in Griechenland gekämpfthaben, noch fünf Jahre zuvor zum öster-reichischen Bundesheer gezählt.)

Diese Option eines einigen und industri-

ell produktiven Deutschland hat vonAchenbach damals systematisch ange-dacht und seinem Auftraggeber Adenauerzur Diskussion gestellt. Adenauers Denkenwar jedoch zu sehr in den machtpoliti-schen Dimensionen des 19. Jahrhundertsbefangen. Ohne ein gewisses Grundver-trauen in die Demokratiefähigkeit derDeutschen nach Hitler und der Friedfertig-keit der Sowjetunion war eine solche öko-nomisch-politische Vision allerdings nichtdenkbar. Und für den alten katholischenZentrumspolitiker in Bonn schon gar nicht.Vermutlich war er sogar der Meinung, dieSowjets seien als Instrument Gottes dazuauserwählt, die Bismarck-Protestanten inMitteleuropa zur Räson zu bringen. In sei-nem politischen Weltbild war der europäi-sche Kommunismus keine Gefahr mehr fürdie tradierte Weltordnung. Was nicht be-deutete, daß er ein besonderes Vertrauenzu den Vereinigten Staaten von Nordame-rika in der Kennedy-Ära hegte, schon weilihm selbstbewußte Modernisierer vomSchlage John F. Kennedys nicht geheuerwaren. Er war und blieb Zeit seines Lebensein Mann des 19. Jahrhunderts und sein Eu-ropa-Bild blieb weitgehend der antirevolu-tionären und autoritären MachtpolitikMetternichs auf dem Wiener Kongreß ver-haftet.

Wir, die Herausgeber des Bandes,gehören zur Alterskohorte der Kriegskin-der. Wir haben 1944/45 den Zusammen-bruch der tradierten autoritären deutschenErwachsenenwelt miterlebt. Unser Blickauf die deutsche Geschichte ist durch unse-re Theoriedebatte in den sechziger Jahrenüber die Ursachen des Nationalsozialismus

Plakat der SPD aus dem Jahre 1957. Foto: © AdsDder Friedrich-Ebert-Stiftung

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und die des Antisemitismus in Österreichund Deutschland stark geprägt worden.Die damals in der Bundesrepublik weitver-breitete linke Angst vor der nationalen Ein-heit der Deutschen in einem „ViertenReich“ war und ist uns als Wahlberlinernvöllig fremd. Statt dessen sind wir schonimmer für eine gesamtdeutsche, starke De-mokratie eingetreten. Die Adenauer-CDUwie auch später die SED standen einer sol-chen Entwicklung jedoch lange im Wege.Im Gegensatz zu großen Teilen der Flakhel-fergeneration, die - auf den „deutschen Er-löser“ Hitler eingeschworen - das Ende desZweiten Weltkrieges zu großen Teilen alseine Art Naturkatastrophe erlebt hatten,lehnte unsere Generation - besonders dieStudenten an der Freien Universität Berlin- mehrheitlich eine freiwillige Unterord-nung unter die Politik der westlichen Sie-germächte ab.

Diese Überwindung des Kalten-Kriegs-Denkens erfolgte spätestens, seit uns klarwurde, daß von den französischen Solda-ten die systematische Folterung algeri-scher Freiheitskämpfer als legitimes Mittelzur Durchsetzung französischer Kolonial-politik angesehen und angewendet wurde,und seit wir aufgrund der detaillierten Be-richte der amerikanischen Anti-Kriegs-Be-wegung, z.B. die „I. F. Stone's Weekly Surveyof International Affairs“ aus New York, dieKriegverbrechen der US-Armee in Vietnamzur Kenntnis nehmen und dagegen prote-stieren mußten. Ein übriges taten dannauch Umfrage-Institute wie Gallup, die so-wohl die Meinung der südvietnamesischenBevölkerung als auch den Umschwung deröffentlichen Meinung in den USAwöchentlich dokumentierten. Und seitdem Zusammenbruch des bürokratischenKommunismus russischer Provenienz ha-ben wir unser Verhältnis zum kommunisti-schen Lager, zur eigenen Nation und zurparlamentarischen Demokratie neu über-dacht. Bei allem Respekt vor dem Mut ein-zelner kommunistischer Widerstands-kämpfer gegen die Nazis hat die kommuni-stische Partei als wichtigste utopische Ge-staltungskraft für eine humane Welt füruns jede Glaubwürdigkeit verloren.

Strategisches Vakuum?

Ein wiedervereinigtes Deutschland hätteAnfang der 50er Jahre nicht unbedingt -wie ein Teil des westdeutschen Bürger-tums befürchtete - ein strategisches Vaku-um dargestellt. Denn die von der Ulbricht-Gruppe in Zusammenarbeit mir der „So-wjetischen Militäradministration inDeutschland“ (SMAD) erzwungene Ein-heitspartei SED hätte bereits in der erstenPhase der Neuvereinigung entflochtenwerden müssen und die Schumacher-SPDhätte in Mitteldeutschland ihre völlige Un-

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abhängigkeit zurückgewonnen. Anderswäre eine Neuvereinigung überhauptnicht denkbar gewesen. Im kommunisti-schen Lager hätte sich damals wahrschein-lich eine Gruppierung um Wilhelm Pieckgegenüber der leninistisch-stalinistischenUlbricht-Gruppe durchgesetzt, die nach al-len uns bekannten Analysen in gesamt-deutschen freien Wahlen immerhin 10 %erreicht hätte. Ähnlich wie die heutigeLinks-Partei im wiedervereinigtenDeutschland. Und das heißt letztlich, daßdie ganze Spaltung Deutschlands das kom-munistische Potential nicht wesentlichverändert hat. (Auf die Beachtung solcherauf den ersten Blick nicht sichtbaren Tradi-tionslinien hat uns unser akademischerLehrer Otto Stammer immer wieder hinge-wiesen.)

Vorrang für wirtschaftlicheBeziehungen

Für die UdSSR wären in dieser unmittel-baren Nachkriegsphase gut funktionieren-de deutsch-russische ökonomische Bezie-hungen zum Wiederaufbau der Sowjetuni-on vorrangig gewesen. Andererseits hättesich ein militärisch neutrales Deutschlandmit einiger Sicherheit politisch-kulturellzum Westen hin orientiert. Und die Struk-tur der deutschen Wirtschaft hätte sich inRichtung einer Mischwirtschaft mit kapi-talistisch verfaßten Großbetrieben, sowiegemeinwirtschaftlichen und mittelständi-schen Produktionszentren hin entwickelt,und das auf der Grundlage des modernenMaschinenparks aus den Beständen dervon Hitler und Albert Speer erzwungenenKriegswirtschaft, eine industrielle Moder-nität, die von der Geschichtsschreibungauch heute noch oft unterschätzt wird.

Welche Folgen hätte eine militärischeNeutralisierung Deutschlands für das da-malige Europa gehabt? Ein Blick auf dieKarte zeigt, daß die in keinem Militärpakteingebundenen Staaten von Finnland überSchweden, ein neuvereinigtes Deutschlandbis zur Schweiz einen Keil zwischen demWarschauer Pakt und der später entstande-nen NATO hätten bilden können.

Die politische Folge wäre unweigerlichein Auseinanderrücken der verfeindeten„Supermächte“ USA und UdSSR gewesen.Höchstwahrscheinlich hätte sich Öster-reich nach der Unterzeichnung des Staats-vertrages im Mai 1955 zusammen mit Titosantistalinistischen Jugoslawien Mitteleu-ropa jenseits des Kalten Krieges ange-schlossen. Die aggressive Hegemonialpoli-tik der (ständig überforderten) Supermäch-te hätte dann an ihr Ende kommen können.So gesehen wird klarer, welche strategischeBedeutung den beiden Stalinnoten undAdenauers Verhinderungspolitik für die

weitere Entwicklung Europas zukommt. Ineiner solchen geopolitischen Konstellationhätte Deutschland dann allerdings als inEuropa ökonomisch führende MittelmachtVerantwortung für die Gestaltung des Frie-dens übernehmen müssen.

Andererseits hätte ein militärisch neu-trales vereinigtes Deutschland an alle jeneeuropäischen Staaten Reparationszahlun-gen leisten müssen, die von der DeutschenWehrmacht angegriffen worden waren. Oballerdings Frankreich und Großbritannienein Recht darauf gehabt hätten, wäre durcheinen internationalen Gerichtshof zuklären gewesen. Schließlich hatten diesebeiden Mittelmächte Hitler-Deutschlandam 3. September 1939 als Reaktion auf dendeutschen Angriff gegen Polen ihrerseitsDeutschland den Krieg erklärt.

Trotzdem hat Winston Churchill 1953den Gedanken eines gesamteuropäischenSicherheitssystems anstelle eines ewigenKalten Krieges unterstützt. Damals sahAdenauer sein langfristiges Ziel einer kon-servativ-katholischen Hegemonie in West-europa gefährdet. Doch Churchills Gesund-heitszustand war damals bereits so ange-schlagen, daß er im April 1955 zurücktretenmußte. Der Kalte Krieg war noch einmalgerettet.

Obwohl Adenauer dem alten papisti-schen Katholizismus ablehnend gegenü-berstand, lehnte er gleichzeitig jedoch eineErneuerung der Kirche durch den franzö-sisch beeinflußten Sozialkatholizismus ab.Die Ansätze zu einer katholischen Theolo-gie der Befreiung im Nach-Hitler-Europa,mit dem ganz offensichtlich unser AutorOtto Kalscheuer stark sympathisiert, warfür ihn kein Thema. Adenauer war undblieb Zeit seines Lebens ein rheinischer Mi-lieu-Katholik. Sein Hauptfeind war undblieb das protestantische Preußen der Ho-henzollern. Dieses untergegangene Preu-ßen verkörperte für Adenauer der durchzehn Jahre KZ-Haft schwer gezeichnete So-zialdemokrat Kurt Schumacher. Im Gegen-satz zur Mehrheit der heutigen Sozialde-mokratie stand für diesen der National-staatsgedanke nie im Widerspruch zum In-ternationalismus.

Kriegsfolgekosten

Eine Vereinigung der beiden deutschenTeilstaaten wäre Mitte der 50er Jahre u. E.aufgrund der Stalin-Noten nur unter Aner-kennung der folgenden vier Essentialsmöglich gewesen, von denen die letzte ei-ne Forderung der Schumacher-SPD war:

1.) Militärische und nicht etwa politischeNeutralität eines vereinigten neuenDeutschlands;

2.) Zahlung von Reparationskosten;3.) Anerkennung der Oder-Neiße-Linie

als östliche Grenze;4.) Entflechtung der bürokratisch

zwangsvereinigten SED und Lizenzierungder gesamtdeutschen SPD und KPD.

Die dritte Bedingung hat übrigens nichtnur Stalin im Jahre 1953, sondern auchMichail Gorbatschow im Jahre 1990 erho-ben. Ohne eine Anerkennung dieser Gren-ze hätte es auch 1990 keine Wiedervereini-gung Deutschlands gegeben. (Die Sowjet-union hat 1945 zwar die WestverschiebungPolens erzwungen, ist jedoch 1990 durchdie Durchsetzung der Anerkennung derneuen Grenzen auch indirekt zur Garantie-macht des heutigen Polen geworden. Diesgilt auch für die „Russische Föderation“, aufdie mit der Alma-Ata-Deklaration vom 21.Dezember 1991 alle Rechte und Pflichtender untergegangenen UdSSR übergegan-gen waren. Eine Tatsache, die von der neu-en politischen Elite in Warschau schlichtnegiert wird.)

Ein geeinigtes Deutschland hätte in den50er Jahren - so Peter Merseburger in sei-ner großartigen Schumacher-Biographie -auf lange Jahre Reparationen zumindestan jene Staaten, die von Deutschland ohneKriegserklärung angegriffen wurden, dieTschechoslowakei, Polen, Belgien, Holland,Norwegen, Griechenland und die UdSSR,zahlen müssen. Das hätte aber bedeutet,daß das ganze deutsche Volk für die Repa-rationskosten des Zweiten Weltkrieges hät-te aufgekommen müssen und nicht nur die17 Millionen Bürger der DDR in ihrem Fallschwerpunktmäßig für die Sowjetunion.Bei Abschluß eines Friedensvertrags wärediese Problematik auch heute noch aktuell.Wahrscheinlich war das auch der Grund,warum die westdeutsche Politik mehrheit-lich 1989/90 keinen Friedensvertrag ange-strebt hat.

So mancher deutsche Zeitgenosse, der imKalten Krieg politisch sozialisiert wurde,lobt Konrad Adenauer auch heute nochdafür, daß es seinerzeit nie - wie Stalin vor-schlug - zu Friedensverhandlungen mit denSiegermächten gekommen ist. Doch derPreis für diese Adenauersche Blockade-Poli-tik war letztlich äußerst hoch: Zu den Kon-sequenzen gehörten eine sture „antifaschi-stische“ Umerziehungspolitik in der DDR,eine Mauer quer durch die geteilte Metro-pole Berlin und die Flucht von ca. 2,5 Millio-nen Menschen aus Mitteldeutschland indie drei westlichen Besatzungszonen bzw.später nach West-Berlin und die BRD.

Doch je mehr - so Merseburger - die„Zweifel an seiner Deutschlandpolitik“ zu-nahmen, desto häufiger führte KonradAdenauer „das Ziel der Wiedervereinigungim Mund“. Auf dem Höhepunkt des KaltenKrieges behauptete er sogar, er komme derWiedervereinigung mit „seiner Politik derStärke“ immer näher, obwohl er die Einheitdurch seine Verweigerungshaltung ge-genüber Verhandlungen mit den Sowjetsin weite Ferne gerückt hatte.

wird fortgesetzt

Fortsetzung von Seite 15

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11. April 2015 Geschichte Berliner Stimme - Seite 17

GGeeddeennkkeenn::

„Das Schweigen durchbrechen“ Ralf Wieland: Erinnerung an den Völkermord an den Armeniern

Mit einer Gedenkveranstaltung imBerliner Abgeordnetenhaus ist jetzt anden Völkermord an den Armeniern vorhundert Jahren erinnert worden. In ei-ner Rede hat Abgeordnetenhauspräsi-dent Ralf Wieland dabei deutlich ge-macht: „Nur dann, wenn man sich dereigenen Geschichte auch stellt, ist derWeg zu einer Versöhnung offen.“ Fürdie BERLINER STIMME hat er wesentli-che Punkte zusammengefasst.

Am 24. April 2015 jährt sich die Verhaf-tung und darauf folgende Deportation derpolitischen und kulturellen Elite der Ar-menischen Gemeinde in Konstantinopelzum 100. Mal. Es waren armenische Intel-lektuelle, Politiker, Journalisten, Unterneh-mer, Künstler, die unter dem Vorwurf derKollaboration mit dem russischen Kriegs-gegner die ersten Opfer der Sündenbock-Strategie wurden. Das war der Beginn desersten Völkermords des 20. Jahrhunderts:Der Genozid an den Armenierinnen undArmeniern im Osmanischen Reich.

Die Botschaft der Republik Armenien,die Armenische Gemeinde zu Berlin unddie Initiative Genozid 1915 haben eingela-den, um an diesen ersten Zivilisations-bruch des 20. Jahrhunderts zu erinnernund der Toten zu gedenken. Das Gedenkenan die Opfer ist stets auch eine Mahnung,aus dem historischen Rückblick Lehren fürdie Zukunft zu ziehen.

Von den zwei Millionen Armeniern, die1915 im Osmanischen Reich lebten, kamenbei den Verfolgungen mehr als eine Milli-on ums Leben. Es war ein Menschheitsver-brechen, das bis heute nicht gesühnt wur-de.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegsgab es insbesondere auf Druck der Englän-der in der Türkei eine kurze Zeit, in der Tä-ter ausgemacht und verurteilt wurden. Dieeigentlich Verantwortlichen blieben je-doch in Freiheit.

Erblast muss aufgearbeitet werden

Bis zum heutigen Tag hat der türkischeStaat sich nicht bereitfinden können, diesetraurige Erblast in ausreichendem Maßeanzuerkennen und aufzuarbeiten. Deshalbist es umso wichtiger, dass die kritischeGeschichtsauseinandersetzung der türki-schen Zivilgesellschaft Unterstützung fin-det. Nur dann, wenn man sich der eigenenGeschichte auch stellt, ist der Weg zu einerVersöhnung offen.

Das armenische Gedenkjahr 2015 ist einguter Anlass, erneut darauf hinzuweisen,

dass die Verbrechen am armenischen Volkeinen festen Platz im weltweiten, auf jedenFall aber im kollektiven europäischen Ge-dächtnis erhalten sollten. Viele Parlamenteund internationale Organisationen habendie Deportationen und die Vernichtung derArmenier als Völkermord anerkannt.

Vor zehn Jahren wurde im DeutschenBundestag eine parteiübergreifende Reso-lution zu den Ereignissen vom April 1915verabschiedet. Die Verstrickung des deut-schen Kaiserreiches ist ein trauriges Stückdeutscher Geschichte. Es ist die historischeMitverantwortung, es ist die unrühmlicheRolle des deutschen Reiches, das die Greuelzuließ.

In jeder Familie waren Opfer zu beklagen

In Deutschland leben heute fünfzig- bissechzigtausend Nachfahren der Überle-benden. Auch hundert Jahre nach dieserschrecklichen Katastrophe ist die Identitätvieler hier lebender Armenier davon mitgeprägt. Denn: In jeder Familie waren vieleOpfer zu beklagen, nur wenige überlebten.

Im Zuge des deutsch-türkischen Anwer-beabkommens von 1961 ergriffen viele Ar-menier, die noch in der Türkei lebten, dieChance, in unserem Land ganz neu anzu-fangen. Ich freue mich, dass heute über 90% der in Deutschland lebenden Armenier-innen und Armenier einen deutschen Passbesitzen oder bereits in Deutschland gebo-ren worden sind. Deutschland ist ihre Hei-mat geworden.

Es stimmt mich hoffnungsvoll, dass imOktober 2009 in Zürich mit der Unter-zeichnung der Protokolle zur Normalisie-rung der bilateralen Beziehungen zwi-

schen der Türkei und Armenien ein Schritthin zu einem Annäherungsprozess begon-nen worden ist.

Die Opfer der armenischen Katastrophehaben es verdient, dass die Verbrechen anihrem Volk aufgearbeitet werden. Wieschwierig dieser Prozess ist, zeigte sich ex-emplarisch im Jahr 2007, als der ar-menisch-stämmige, türkische JournalistHrant Dink auf offener Straße in Istanbulerschossen wurde. Dink hatte sich sensibelund behutsam dafür eingesetzt, dass dieTürkei sich ihrer Verantwortung für dieVergangenheit stellen möge.

Dieser Mord hat die türkische Zivilgesell-schaft aufgerüttelt. Ein Jahr später unter-schrieben über dreißigtausend Menscheneine Internetpetition, in der das armeni-sche Volk um Verzeihung für das Unrechtvon 1915 gebeten wurde. Als vor zwei Jah-ren Armenier in die Türkei reisten, um u.a.am Grab des ehemaligen osmanischenGouverneurs Fayik Ali Ozansoy für seinaktives Eintreten für die Armenier zu ge-denken, wurde aus meiner Sicht auch einegroße Geste zur Bereitschaft der Versöh-nung gezeigt.

Projekte zur Aussöhnung

In den letzten zehn Jahren hat es inDeutschland eine ganze Reihe von Initiati-ven zur Förderung von Aussöhnungspro-jekten gegeben. Hier möchte ich insbeson-dere das Auswärtige Amt hervorheben, dasz.B. Projekte des Instituts für InternationaleZusammenarbeit des Deutschen Volks-hochschul-Verbandes gefördert hat, einenAuftritt des armenisch-türkischen Jugen-dorchesters in Berlin im Jahr 2012 oder eineThemenreise für türkische Journalisten imNovember 2012. Dazu gehört auch die Or-ganisation diverser Jugendcamps zwi-schen türkischen und armenischen Studie-renden in den letzten Jahren. An vordersterStelle zu nennen ist sicherlich die Förde-rung und Unterstützung des Lepsius-Hau-ses Potsdam e.V.

Im letzten Jahr hat der damalige Regie-rungschef und heutige Präsident Erdoganden Familien der armenischen Opfer ge-genüber sein Mitgefühl ausgesprochen. Ichpersönlich verstehe das als ein Angebot zueinem friedlichen Dialog.

Ich denke, das ist ein erster Schritt aufdem Weg, die Vergangenheit anzunehmen.Es geht um viel: Es geht darum, das Schwei-gen zu durchbrechen. Es geht um die ge-meinsame Zukunft von uns allen.

Ralf Wieland ❏

Ralf Wieland ist Präsident des Abgeordneten-hauses von Berlin. Foto: SPD Berlin

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Seite 18 - Berliner Stimme Kalender 11. April 2015

T ermine

■ 12.04.2015, 10:00, SPD Fraktion Treptow-Köpenick, Politischer Frühschoppen: An, imund auf den Gewässern Treptow-Köpe-nicks, mit Prof. Dr. Jörg Gloede, Berliner Seg-ler-Verband, Robert Schaddach, MdA, SteffenSambill, BVV, Ratskeller Köpenick, Alt-Köpe-nick 21, 12555 Berlin■ 13.04.2015, 17:30, Dr. Susanne Kitschun,MdA Friedrichshain, Sprechstunde, Wahl-kreisbüro von Susanne Kitschun, GrünbergerStraße 4, 10243 Berlin■ 14.04.2015, 07:30 - 09:00, Björn Eggert, MdA- Kreuzberg, #Dienstagsfrühverteilung, U-Bhf. Hallesches Tor, 10961 Berlin■ 14.04.2015 - 12:30 - 14:00, Bruni Wildenhein-Lauterbach, MdA - Wedding, Telefonische

Sprechstunde Tel. 030/2325-2297, Berlin ■ 14.04.2015, 11:00 - 17:30, Klaus Mindrup,MdB Pankow, Fachtagung: Wohnen für alle -Teilhabe für Menschen mit Behinderungen,Bank für Sozialwirtschaft, OranienburgerStraße 13, 10178 Berlin ■ 14.04.2015, 15:00, AG 60 plus Spandau, Dis-kussion zur Berliner Seniorenpolitik, Kreis-büro Spandau, Bismarckstraße 61, 13585 Berlin ■ 14.04.2015, 15:00 - 17:00, Dr. Fritz Felgen-treu, MdB Neukölln, Bürgersprechstunde,Wahlkreisbüro, Sonnenallee 124, 12045 Berlin.Anmeldung bitte unter Tel. 030/568 21 111■ 14.04.2015, 19:00, Cansel Kiziltepe, MdBFriedrichshain-Kreuzberg, Piketty´s Kapital -Rückenwind für die Erbschaftsteuer, Wahl-kreisbüro von Cansel Kiziltepe, GrünbergerStraße 4, 10245 Berlin ■ 15.04.2015, 16:00 - 17:30, Franziska Becker,MdA - Wilmersdorf, Sprechstunde, Wahl-

kreisbüro von Franziska Becker, Fechner-straße 6a, 10717 Berlin ■ 15.04.2015, 15:00 - 17:00, Dr. Ina Czyborra,MdA - Zehlendorf, Sprechstunde, Wahlkreis-büro, Onkel-Tom-Straße 1, 14169 Berlin ■ 15.04.2015, 18:30 - 20:30, Fachausschuss Fa-milien-, Kinder- und Jugendpolitik, Der Ju-gendbereich in der Haushaltsaufstellung2016/ 2017, Gangway, Schumannstraße 5,10117 Berlin ■ 15.04.2015, 17:50, Fachausschuss Mobilität,Besuch bei der S-Bahn Berlin GmbH, WerkFriedrichsfelde, (Anmeldefrist abgelaufen)■ 15.04.2015, 17:00 - 18:00, Karin Halsch,MdA - Lichtenberg, Sprechstunde, Bürger-büro, Am Berl 13, 13051 Berlin ■ 15.04.2015, 16:30 - 18:00, Jörg Stroedter,MdA Reinickendorf-Mitte + -Ost, Bürger-sprechstunde, Bürgerbüro, WaidmannslusterDamm 149, 13469 Berlin

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11. April 2015 Kalender Berliner Stimme - Seite 19

■ 16.04.2015, 18:30 - 19:30, Torsten Schneider,MdA Pankow, Sprechstunde, Bürgerbüro,Florastraße 94, 13187 Berlin ■ 16.04.2015, 18:00 - 20:00, Liane Ollech,MdA - Marzahn-Hellersdorf, Bürgersprech-stunde, SPD Bürgerbüro, Köpenicker Straße25, 12683 Berlin ■ 16.04.2015, 17:00 - 18:00, Frank Jahnke,MdA - Charlottenburg, Bürgersprechstunde,Goethe15, Goethestraße 15, 10625 Berlin ■ 16.04.2015, 19:00, Daniel Buchholz, MdASpandau, Neue Wege in der Drogenpolitik:Freigabe von Cannabis nach US-Vorbild?,mit dem Gesundheitsexperten Thomas Isen-berg, Bürgerbüro von Daniel Buchholz, MdA,Quellweg 10, 13629 Berlin ■ 17.04.2015, 15:00 - 16:30, Franziska Becker,MdA - Wilmersdorf, Sprechstunde, Bundes-platz-Kino - Café, Bundesplatz 14, 10715 Berlin■ 17.04.2015, 16:00 - 17:00, Bruni Wilden-hein-Lauterbach, MdA - Wedding, Bürger-sprechstunde, Bürgerbüro, Müllerstraße 163,

Zugewandt und hilfsbereit:Trauer um Bärbel GreubeNNaacchhrruuff::

13353 Berlin ■ 17.04.2015, 19:00, Dilek Kolat, MdA - Schö-neberg, Ausstellungseröffnung: „Brand-mauern“ der Friedenauer Künstlerin SilviaSinha, Wahlkreisbüro von Dilek Kolat, MdA,Schmiljanstr. 17, 12161 Berlin (siehe S. 20) ■ 17.04.2015, 12:30, Brigitte Lange, MdA - Mär-kische Viertel und Lübars, Verlassene Häuser– Spaziergang und Gespräch, Bürgerbürovon Brigitte Lange, Waidmannsluster Damm149, 13469 Berlin ■ 18.04.2015, 18:00 - 19:00, Dr. Clara West,MdA, Information zum Mietrecht, Bürger-büro von Clara West, Naugarder Straße 43,10409 Berlin. Anmeldung unter 767 300 36oder [email protected].■ 22.04.2015, 19:00, Frank Jahnke, MdA - Char-lottenburg, Charlottenburger Gespräche mitDietmar Schwarz, Intendant der DeutschenOper, Goethe15, Goethestraße 15, 10625 Berlin ■ 22.04.2015, 15:00 - 17:00, Dilek Kolat, MdA -Schöneberg, Kulturbüro: Unterstützung von

Flüchtlingen in Tempelhof-Schöneberg,Wahlkreisbüro von Dilek Kolat, MdA, Schmilj-anstr. 17, 12161 Berlin ■ 22.04.2015, 17:00 - 18:00, Karin Halsch,MdA - Lichtenberg, Sprechstunde, Bürger-büro, Am Berl 13, 13051 Berlin ■ 23.04.2015, 16:00 - 17:00, Dilek Kolat, MdA -Schöneberg, Ehrenamtliche Arbeitsrechtsbe-ratung mit RA Edmund Fleck, Wahlkreisbürovon Dilek Kolat, Schmiljanstr. 17, 12161 Berlin ■ 25.04.2015, 10:30 - 14:30, SGK + Forum Ost-deutschland, Ein starkes Stück Demokratie -25 Jahre erste freie Kommunalwahlen in derDDR am 6. Mai 1990, Willy-Brandt-Haus, Wil-helmstraße 140, 10963 Berlin. Um Anmeldungwird gebeten bis zum 10. April 2015 per Mailan [email protected]■ 25. 04. 2015, 10:00 Uhr,Barcamp #Digital-LEBEN zur Programmdebatte, KalkscheuneJohannisstraße 2, 10117 Berlin. Anmeldung:https://anmeldung.spd.de/v/10298■ Alle Termine: www.spd-berlin.de/termine

Am 13. März 2015 ist Barbara Greubenach langer, schwerer Krankheit im Ur-bankrankenhaus verstorben. WenigeTage zuvor hatte sie am 8. März ihr78.Lebensjahr vollendet.

Aus ihrer ärmlichen Herkunft hat Barba-ra nie einen Hehl gemacht: Zwei Jahre vorAusbruch des 2. Weltkrieges als 2. Kind ih-rer Familie in Berlin geboren. Der Vater warim Krieg gefallen, die Mutter musste die 5Kinder alleine aufziehen, Evakuierung ausdem zerbombten Berlin, Einschulung inOstpreußen, mehrere Schulwechsel folg-ten, schließlich Oberschule und höhereHandelsschule in Berlin.

1953 kam sie als 17jährige Schülerin zuden Reinickendorfer Falken. Die sozialisti-sche Jugendorganisation gab Barbaras Le-ben Struktur, prägte Weltanschauung undSozialverhalten, in den Familien von HarryRistock, Ernst Fröbel und anderen Jugend-freunden erlebte sie Wärme und Zuge-wandtheit, die sie zuhause vermisste. ImLandessekretariat der Falken begann sieihr Berufsleben, die SPD wurde ihr Arbeit-geber, als der Jugendorganisation das Geldausging. Im Berliner Landesverband, in derAbgeordnetenhausfraktion war sie tätig,zweimal wurde sie nach Bonn geschickt,für das Büro Brandt abgestellt. Für WalterMomper arbeitete sie im Berliner Wahl-kampf und zuletzt fast 15 Jahre lang inSpandau als SPD-Geschäftsführerin.

Barbara hatte keine schöne Jugend, wiesie selbst sagte; sie hatte keine leichte Zeit,wie eine ihrer Freundinnen kürzlich fest-stellte: sie als allein erziehende Mutter mitden drei kleinen Kindern, die ihr der frühverstorbene Mann in die Ehe mitgebrachthatte. Ihrem freundlichen Wesen, ihrer kol-

legialen Zugewandtheit, ihren zuverlässi-gen Leistungen waren die persönlichenProbleme nicht anzumerken. Sie war offen,direkt, eine waschechte Berlinerin eben.

Ihre eigentliche Familie, das war die Par-tei, das waren die Genossinnen und Genos-sen, natürlich „Ihre Spandauer“, das warenaber auch die Freunde aus ihrer Lichtenra-der Zeit, wo sie lange gelebt hatte. KlausWowereit gehörte dazu. Nicht zu vergessendie Reisefreunde, die sie um sich gescharthatte, denn sie blieb bis ins hohe Alter viel-seitig interessiert und war unterwegs inAmerika, Asien, Europa… Zweimal war ichmit ihr in Indien, mit meiner Frau Renatewar sie in Polen und oft in unserem Haus inSchleswig-Holstein. Uli Schlei, Freund „Krit-ze“, Ulis Schwester Christine waren ihre Be-gleiter, mehrfaches Ziel Madeira. Ihre Trau-minsel, jedenfalls die eine. Die andere: Kuba.Hier lebt ihr Freund Manuel Chavez, dem sienicht selten auf verschiedensten WegenBar- und Sachspenden zukommen ließ.

Mit Brigitte Becker war sie mehrfach un-terwegs z.B. auf dem Weg nach Pekingauch in Moskau, wo sie sich mit WladimirGall trafen, jenem russischen Soldaten, der1945 für die kampflosen Übergabe derSpandauer Zitadelle gesorgt hatte; hier be-fanden sich viele Schutz suchende Bürgeraus der Altstadt, und die Wehrmacht hattesich verteidigungswillig verschanzt. Be-schuss und Erstürmung drohten!

Uschi Meys schrieb 1995 zu Barbaras Ab-schied im Spandauer Echo: „Du erzählstuns von Deinen Reisen und Deinen Akti-vitäten und dann wird deutlich, dass Span-dau nicht der Nabel der Welt ist. Du holstuns zu Deinen Festen in Deinen Kiez undda ist dann Berlin..“

In ihrer Wohnung am Kreuzberger Frae-nkelufer trafen sie zusammen, die Genos-sen, die Reisefreunde, und „ihre Kanuten“.Sportfreunde aus alter Kreuzberger Falken-zeit, die einst den Kanuclub Zugvogel ge-gründet hatten. Sigrid Bast, damalige Kolle-gin aus Tempelhof, erinnert sich, dass esmit ihr immer etwas zu erleben gab, Lusti-ges und Katastrophen, Spannung war im-mer und immer wieder hat sie alles über-standen, oft mit einem Lächeln. Auch ihrevielen körperlichen Malessen, ihre zuneh-menden Krankenhausaufenthalte.

Solange sie konnte, half BarbaraSchwächeren, unterstützte mit Tatkraftund Spenden, wann immer sie Not sahoder angesprochen wurde. So vergab sieKredite an Freunde, sammelte und spende-te mehrfach für Kinder in Tschernobyl, fürdie Jugendgruppe des Kanuclubs, versorgteWladimir Gall mit allem Möglichen, wasseiner Familie in Moskau fehlte.

Uschi Meys hatte ihr 1995 im SpandauerEcho empfohlen, „dann nimm doch … Dei-ne vielen DIN A5 Kladden, die Du für Noti-zen verbraucht hast und schreibe ein Buchüber das Innen- und Außenleben der SPD.“

Ihr Leben, ihre Schicksale hätten wahr-lich Stoff für viele weitere Kapitel hergege-ben. Leider hat sie dieses Buch nie ge-schrieben. Wir werden Barbara in Erinne-rung behalten, als starke Persönlichkeit, alsgute Freundin, wir vermissen sie!

Dieter und Renate Borries ❏

Die Urnenfeier ist am Mittwoch, 15. April, um 15Uhr im Krematorium Ruhleben, Am Hain 1, 13597Berlin . Anstelle von Blumen hatte sich Barbaraeine Spende für die Jugendarbeit des KanuclubZugvogel gewünscht. Konto des KCZ e.V. IBANDE86 1203 0000 1o20 0057 71

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Während des Berliner Baubooms im19. Jahrhundert entstanden zahlreicheArbeiterviertel - große Wohnblocks mitangrenzenden Seitenflügeln und Hin-terhöfen, getrennt durch Brandmau-ern, die bei einem Feuer das Übergrei-fen auf das Nachbargebäude verhin-dern sollten. Die Fotografin Silvia Sin-ha hat sich mit diesen Mauern ausein-andergesetzt.

Durch die Zerstörungen des ZweitenWeltkrieges waren sehr viele Lücken undBrachen entstanden, die den Blick auf noch

v e r b l i e b e n eB ra n d m au e r nfrei gaben. Seitdem Fall derMauer ver-schwinden so-wohl Brachenals auch Brand-mauern immermehr aus demStadtbild - nichtzuletzt in Folgedes bis heuteanhaltenden Sa-nierungs- undBaubooms fürdas sich im ste-ten Wandel be-findende Berlin.Im Bewusstsein

dieses Wandels erforscht Silvia Sinha diewenigen noch ursprünglich erhaltenenoder modernisierten Brandmauern. Dabeiordnet sie Interpretation und Ausdruck ih-rer sehr eigenen Wahrnehmung und Auf-fassung von Ästhetik unter. PM ❏

➟➟ Ausstellungseröffnung „Brandmau-ern“ mit Fotografien von Silvia Sinha,17.04.2015 um 19:00 Uhr, Wahlkreisbüro Di-lek Kolat, Schmiljanstr. 17, 12161 Berlin-Frie-denau

Seite 20 - Berliner Stimme Letzte Seite 11. April 2015

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Unerkannt auf Reisen durch die Sowjetunion:Thomas Frick, Moskau 1986.

Foto © Robert-Conrad

Ausstellungsmotiv: SilviaSinha nimmt die eigeneÄsthetik von Brandmauernin den Blick.

Unerkannt durch FreundeslandAusstellung zeigt illegale Reisen durch die Sowjetunion

Hauptstadtkulturfonds, ist bis zum 29. Maiin der Galerie im Kurt-Schumacher-Hauszu sehen. PM ❏

➟➟ Eröffnung: Fr 17. April, 19–21 Uhr, mitKuratorin Cornelia Klauß und Thomas Krü-ger, Präsident der Bundeszentrale für poli-tische Bildung, der selbst so reiste. Anmel-dung erbeten unter [email protected]

Ausstellung: Mo 20. April bis Fr 29. Mai2015, Mo, Mi, Do, Fr 14–18 Uhr, Di nach Ver-einbarung

Ungewohnte Blicke aufBrandmauern

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Blick in die SammlungWilly-Brandt-Haus: Vom Neuen Sehen zur Fotokunst

Das Willy-Brandt-Haus gibt vom 25.April bis 28. Juni Einblick in seine fo-tografische Sammlung.

Aus den fast 200 Fotografien der Samm-lung mit 60 verschiedenen Bildautorenwurden rund 100 Werke aus der Zeit von1926 bis heute ausgewählt, die erstmals indieser Zusammenstellung zu sehen sind.Vertreten sind herausragende Namen wieJohn Heartfield, Robert Capa, Tina Modotti,Gundula Schulze-Eldowy, Robert Lebeck,Michael Najjar, Jürgen Klauke, Herlinde Ko-elbl oder Magdalena Jetelova. Diese Aus-

wahl macht einen wichtigen Teil derSammlungstätigkeit sichtbar und manife-stiert die Autonomie des Mediums der Fo-tografie innerhalb der Kunstsammlung.

Von den frühen Arbeiten der Schule desNeuen Sehens, über den Fotojournalismusseit den 1950er Jahren und einigen Beispie-len der Autorenfotografie in Ost und Westbis hin zu großformatigen Arbeiten zeit-genössischer Fotokunst zieht sich dasSpektrum der Auswahl. PM ❏

➟➟ Di bis So 12 bis 18 Uhr, letzter Einlass17 Uhr 30, Montag: geschlossen

Viele Reisemöglichkeiten hattenBürgerinnen und Bürger der DDR vordem Mauerfall nicht. Einen kaum be-kannten Weg zu Freiheit und Abenteu-er zeigt jetzt eine Ausstellung, die dasAugust Bebel Institut am 17. April eröff-net.

Um ihr Fernweh zu stillen, nutzten aben-teuerlustige junge DDR-Leute einSchlupfloch in der Visa-Bürokratie aus, in-dem sie die Möglichkeit eines Transitvi-sums durch die Sowjetunion in Anspruchnahmen. So reisten sie in das Land des„Großen Bruders“ ein, verließen jedochschnellstmöglich die vorgeschriebene Rou-te und fuhren wochenlang ohne legalenAufenthaltsstatus durch den Kaukasus,Mittelasien und Sibirien, immer auf derFlucht vor KGB und Miliz – „unerkanntdurch Freundesland“, wie der Ausstel-lungstitel lautet.

Jenseits von Propaganda und Stereoty-pen dokumentiert die Ausstellung in Foto-serien, Video-Interviews und Schmalfil-men Blicke und Erlebnisse der Reisenden.Die Ausstellung, ein Projekt der Robert-Ha-vemann-Gesellschaft e.V., gefördert vom